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Wochenschrift des Architekten Vereins zu Berlin. Jg. 3, Nr 35

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Academic year: 2022

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i WOCHENSCHRIFT m HRCHITEKTEN-VEREINS^BERUN

MERflUSGEGEBEN^ VEREINE

^ Erscheint Sonnabends. — Bezugspreis halbjährlich 4 Mark, postfrei 6,30 Mark, einzelne Nummern von gewöhnlichem Umfange 30 Pf., stärkere entsprechend teurer

f

^ Der Anzeigenpreis fflr die 4gespaltone Petitzeile beträgt 60 Pf., für Behörden-Anzeigen und für Fam ilien-A nzeigen 30 Pf. — Nachlaß auf W iederholungen j|

^ Nummer 35 Berlin den 29. August 1908 III. Jahrgang

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen, Postämter und die Geschäftsstelle C a rl H e y m a n n s V e rla g in Berlin W. 8, Mauerstr. 43.44

Alie Rechte V o rb eh a lte n

Beiträge zur Geschichte der märkischen Wasserstraßen bis zum Jahre 1600

V o rtra g , g e h a lte n am 20. J a n u a r 1908 im A r c h ite k te n -V e r e in zu B erlin Wasserbauinspektor Klehmet in Spandau

vom

M

eine Herren, wenn man in unserer Vereinsbibliothek die große Reihe von Bänden betrachtet, die sich mit der G e­

s c h ic h te d er B a u k u n s t befaßt, so wird man erstaunen, wie gering das Schrifttum über die Geschichte der Ingenieurbauten ist.

Ein zusammenfassendes W ork über diesen Gegenstand gibt es meines W issens überhaupt nicht.

Da könnte es scheinen, als ob für diese Geschichte kein Interesse vorhanden ist. Das ist aber, glaube ich, nicht so;

denn viele Bücher bringen nebenbei die geschichtlichen Nach­

richten zu dem behandelten Gegenstand, die den Verfassern eben bekannt waren. Sie sind allerdings

m eist gering und zusammenhanglos.

So finden wir zum Beispiel im Oder- und Elbewerk einige Nach­

richten über die Schiffahrt, über die Entstehung der Schiffahrtskanäle in diesen Stromgebieten, und von den Stauanlagen wiederholt sich allent­

halben die Angabe, daß sie uralt seien. Nur das Memel - Pregel- W eichselwerk läßt mit größerer Deutlichkeit erkennen, wie rege das W irken des Deutsch - Ritterordens auf dem Gebiete des W assorbaues in vergangenen Jahrhunderten war.

Aber gegen die große V ielseitig­

keit der Architekturgeschichts werke, gegen dio eingehende Behandlung unzähliger Einzelfragen auf diesem Gebiete stellen alle diese Notizen nur einen An fang geschieh tl ¡eher Behand- lung von Ingenieurbaufragen dar.

Dem Architekten ist es aber auch viel leichter, sich mit der T ätigkeit seiner Vorfahren zu befassen, üeberall in den Landen findet er die Zeugen vergangener Jahrhunderte, ja Jahr­

tausende noch aufrecht und kann an ihnen die Schlußfolge­

rungen anderer nachprüfen und berichtigen und erhält aus ihnen immer neuen Anstoß, sich in die Vorzeit zu versetzen. Er kann aus der Technik und den Kunstformen der Bauten im ganzen und in ihren Einzelheiten auf die Zeit ihrer Entstehung, auf das W andern der Kunstsprache aus einer Gegend in die andere, wohl gar auf die Person der Erbauer schließen.

Solche mächtigen Anregungen sind dem Ingenieur leider nicht gegeben. Seine Bauten, aus dem Bedürfnis der Zeit ent­

standen, werden m it dem wechselnden und wachsenden B e­

dürfnis nicht umgeändert und ausgebaut, wie die des Archi­

Abb. 362.

tekten, sondern m eist vollständig zerstört. Eine Schleuse, die nicht mehr tief oder nicht mehr breit genug ist, muß m eist völlig abgebrochen und neu erbaut werden, das gleiche gilt von den Brücken, deren Fahrbahnbreite nicht mehr ausreicht oder deren Durchfahrtsöffnungen nicht mehr genügen. Habon wir doch erst in den letzten Jahren beispielsweise die ehr­

würdige Augustusbrücke in Dresden und die Glienicker Brücke bei Potsdam verschwinden sehen.

Dazu kommt, daß die m eisten Bauwerke des W asserbauers gleich nach der Fertigstellung durch das W asser dem A n­

blicke entzogen werden. W as wir an Resten alter W asserbauten in unserem Vaterlande haben, sind in der Hauptsache die Anlage von Mühlgräben und Schiffahrtskanälen, von B efestigungsbauten, Deichen und M eliorationen; aber alle diese Bauten sind stillos, man kann aus ihrem Befunde keinen Schluß auf ihr A lter ziehen.

Wer sich daher mit ihrer Ge­

schichte befassen will, ist fast aus­

schließlich auf das Studium alter Urkunden und Archivakten ange­

wiesen; und dieses Studium so viele Freuden es auch gewährt — ist doch ungleich trockener und schwieriger, als das Studium der Architekturgeschichte. Reicht schon das Urkundenmaterial älterer Zeiten vielfach zur Beantwortung allgemein geschichtlicher Fragen nicht aus, wie viel mehr Lücken wird man dann finden, wonn man der­

artige Einzelfragen bearbeiten will. Beschränkt man sich dabei noch auf ein kleines geographisches Gebiet, so wird man doch häufig die Grenzen überschreiten und aus Nachbargebieten Tatsachen zum Vergleich heranziehen müssen. Eine zusammen­

hängende Schilderung des W erdeganges unserer W asserstraßen wird daher erst möglich sein, wenn noch ungleich mohr Einzel­

fragen besprochen sein werden, als bisher geschehen.

Die erste Frage, mit der ich mich beschäftigt habe, ist die: „wann und von wem sind unsere alten Stauwerke ln den Flüssen errichtet.“

W as wir im Oder- und Elbewerk finden, habe ich schon angegeben; nur für die Staue Brieg, Breslau, Stargard und in der Saale finden wir eine genauere Angabe: letztere sind

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Meinhards Plan von Berlin nach Merlan (aus Berlin und seine Bauten)

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Wochenschrift des Architekten-Vereins zu Berlin 29. August 1908 urkundlich schon im 12. Jahrhundert vorhanden gewesen und

zum Betriebe von Mühlen errichtet worden.

Für die Gegenden östlich der Elbe habe ich eine größere Keihe erstm aliger urkundlicher Erwähnungen von W assermühlen zusam m engestellt, und mich, von wichtigeren Stauwerken ab­

gesehen, hierbei auf die Zeit bis zur W ende des 13./14. Jahr­

hunderts beschränkt. Aber auch für diese begrenzte Zeit ließe sich die Reihe bei weiterem Studium und Sammeln noch um das vielfache erweitern; man kann jedoch auch so schon eine Uebersicht gewinnen.

Tabelle I

Erstmalige urkundliche Erwähnungen von Wassermühlen

J a h r F lu ß O rt

1173 _ Klinke (Domstift Brandenburg)

1181 Wackenitz . . . Lübeck (Mühleubrücke) 1188 -stagnum Mullne“ Mölln

1190 Ernster . . . . Nahmitz bei Lehnin

1197 Wackenitz . . . Lübeck (Müblendamm, Hüxterdamm) 1207 E h l o ... Loburg, 4 Moilon östlich Magdeburg

*1235 U cker... Prenzlau

1242 — Ahrensdorf (Lohnin)

1248 Küstriner Bacho . bei Lychen 1248 P la n e ... Dahnsdorf

1251 Panke ... Wedding bei Berlin 1252 Stobberow . . . Buckow

1253 Seitenbäche d. Oder Frankfurt

*1254 Glatzer Neiße . . 3 Mühlen sollen bei Patschkau gebaut werden

*1257 Cladow . . . . soll bei Landsberg a. W. eine Mühle errichtet worden

1258 H a v el... Spandau 1267 Finow... Nioder-Finow

1267 — werden dem Kloster Chorin 8 Mühlon bestätigt (Ragösor Mühle)

vor 1268 — „Müllroso“ gogründet

1275 Sclilaube . . . . 4 Mühlen genannt 1278 P lö n e ... Berlinchen 1281 H a v el... Zehdenick 1285 S p re e ... Berlin 1288 H av el... Rathenow

1289 B ä k e ... Teltow, die Mittelmühle 1291 R h i n ... Alt-Ruppin

1294 Finow... Hegermiihlo 1298 S p re e ... Fürstenwalde

1299 Fürstenberg

1309 H a v el... Brandenburg

1349 N u the... Potsdam, die Hagenmühle 1349 H av el... Oranienburg, die neue Mühle 1385 S p re e ... Beeskow

1472 Alt-Landsberg, die neue Mühle

1478 R h i n ... Alt-Ruppin, die neue Mühle

1478 Dahme . . . . Königs-Wusterhausen, die neue Mühle Bei allen diesen urkundlichen Erwähnungen — m it A us­

nahme der von Prenzlau, Landsberg a. W . und Patschkau* — handelt es sich um bereits bestehende und m eist schon gut rentierende Anlagen, aus deren Einkünften reiche Schenkungen gemacht, oder die gegen gutes Geld versetzt werden. Die Zeit ihrer Entstehung selber aber bleibt unbekannt, und man kann vermuten, daß sie m eist erheblich älter sind.

Nur noch die erste Erwähnung der Brandenburger Mühle scheint ungefähr aus der Z eit ihrer Entstehung zu stammen;

denn es heißt, dabei, daß die Schenkung auch bestehen bleiben solle: „. . si etiam in posterum dicta molendina alias locari vel situari contingerit“. Man war also bei A usstellung der Urkunde noch nicht sicher, ob man den Mühlendamm an der Stelle, wo er zuerst errichtet war, würde halten können, oder ob ihn der Fluß wieder wegreißen würde, und man ihn dann vielleicht an anderer Stelle neu herstellen müßte. Außerdem verschreiben 19 Jahre früher die Markgrafen Otto und Konrad der A ltstadt Brandenburg das benachbarte Dorf Brielow „libe­

rum ab omni labore quod incole ejusdem ad aggerem facere hactenus consueverant“. 1290 war also der Bau des Mühlen­

dammes in Brandenburg noch nicht fertig.

D ie betrachteten Gegenden waren zur Zeit der Völker­

wanderung von den nachdrängenden Slawen besetzt worden.

Der erste m ächtigo Gegenstoß der Deutschen fällt in das otto- nische Zeitalter und führte zur Gründung der Bistüm er Meißen, Havelberg und Brandenburg in der M itte des 10. Jahrhunderts;

aber ein M enschenalter später war das Deutschtum wieder

völlig zurückgeworfen. E rst seit 1150, dem Todesjahre des W endenfürsten Pribizlaw, drangen die Deutschen ostwärts, um nicht wieder zurückgodrängt zu werden. B is in die hierauf unmittelbar folgenden Zeiten reichen die ersten Mühlennennungen zurück. W ir werden uns daher die Frage vorlegen müssen, ob die Deutschen die Staue und die Mühlen erst bei ihrem Vor­

dringen angelegt haben, oder ob sie diese schon vorfanden, also ob sie schon von den slawischen Völkern errichtet waren.

In Deutschland galt das Mühlenbauen als ein Regal. Ohne den W illen des Königs und später des Landesfürsten und des Grundherrn durfte keine Mühle neu angelegt werden. Damit ist jedoch noch keineswegs gesagt, daß die Mühlen und Staue bei uns erst in markgräflichem Aufträge oder zu markgräf­

licher Zeit erbaut worden seien; deun auch die Fischerei bei­

spielsweise war ein Regal: es ist aber allgemein bekannt, daß diese von don Voreinwohnern, den Wenden, die sich noch durch viele Jahrhunderte in den Kietzen, den alten Fischerdörfern, erhalten haben, schon in ausgedehntem Maße betrieben wor­

den war.

Die Kunst, Mühlon zu bauen, war den Deutschen von den Römern überkommen: schon 379 erwähnt Ausonius eine Marmor­

mühle in einem Seitenbach der Mosel. 786 wird in der U r­

kunde Karls des Großen, m it der er das Bistum Verden gründet, unter den Grenzflüssen des Sprengels ein „Mulenbach“ erwähnt, der etwa im Gebiete der Oste zu suchen ist. Vom 10. Jahr­

hundert an lindet sich dann in Urkunden, welche die Ueber- eignung von Ortschaften, speziell solchen des alten Slaw en­

landes, aussprechen, die m eist wörtlich wiederkohronde W en­

dung:

„atque eadem loca cum omnibus utensilibus ad ea rite perti- nentibus in manicipiis utriusquo sexus, areis, aedificiis, terris cultis et incultis, agris, pratis, campis, pascuis, silvis, (nemo- ribus), venationibus, aquis aquarumve decursibus, piscationi- bus, m o le n d in is , viis et inviis, exitibus et redditibus quae- sitis et inquirendis.“

Den Deutschen war also zu der Zeit, da sie die ehemals slawischen Länder besiedelten, der Bau von W assermühlen seit langem wohlbekannt.

Leider sind für das Land zwischen Elbe und Oder nur sehr wenige oder gar keine Urkunden erhalten, welche über die erstm alige deutsche Besiedelung von Ortschaften sprechen.

So wird in einer Lesart der in der Tabelle I aufgeführten Urkunde von Frankfurt a. 0 . zwar die Gründung der Stadt ausgesprochen, es hat aber schon lange vorher eine deutsche A nsiedelung daselbst bestanden; denn es heißt darin: „Müllen wird derselbe Schulte haben, eine hinter seinem Hofe, die ander aber die da gelegen ist, by der mollen, dy da von alder gnant ist heinrichs m ole“. Die Orte dieser Gegend sind eben, wie dies Beispiel mit dem „von alder“ gebräuchlichen deutschen Namen Heinrichsmühle lehrt, und wie es von allen anderen wie Berlin, Spandau, Potsdam usw. bekannt ist, all­

mählich durch Zuzug aus dom deutschen Hinterlande ent­

standen und wurden dann gegebenenfalls vom Grundherrn zur Stadt erhoben; sie sind nicht durch einen grundherrlichen W illensakt auf einmal aus dem Nichts entstanden. Jedenfalls ist über solche Gründungen in der M ittelmark nichts mehr be­

kannt.

Dagegen finden sie sich in der Provinz Posen, wo von den polnischen Fürsten deutsche Ansiedler zur Bildung neuer Dörfer und Städte hereingezogen wurden, in großer Zahl. Auch aus Schlesien und aus der Neumark sind solche bekannt. In all diesen Fällen erhält der locator oder fundator des O rtes, der Vertrauens- und Geschäftsmann, der die Gründung der Stadt und die Aufteilung an die Ansiedler im Auftrago des Grund­

herrn übernahm, als E ntgelt für seine Mühen und die ihm ent­

standenen, uuter Umständen sehr großen Kosten, neben einigen Freihufen das Recht, eine oder mehrere W assermühlen zu er­

bauen und zu betreiben, bei denen dann die Neuangesiedelten mahlpfliehtig wurden. A ls Beispiele urkundlicher Erwähnung von solchen Mühlen, die erst noch erbaut werden sollen, habe ich die mit einem * versehenen in die Zusam m enstellung mit aufgenommen.

Man kann vermuten, daß der tatsächliche Vorgang bei der früheren allmählichen Bildung der Ansiedlungen in der Mittelmark der gleiche war, daß also auch hier die Errichtung der Staue bei Besiedelung m it den Deutschen erfolgte. Doch betrachten wir auch das andere Volk näher, ehe wrir zu einem Urteil kommen.

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Die Slawen gaben sich nicht einmal beim Hausbau viele Mühe, vielmehr verfertigten sie nur H ütten aus Flechtwerk, in denen sie nur zur Not Schutz gegen Sturm und Regen suchten, wie Helmold berichtet. Ihre W ohnungen bauten sie vielfach auf Pfahlsetzungen in den Seen und schufen sich durch Pack­

werksdämme durch das stehende W asser ihre Zugänge. Ihre Burgen bestanden aus erdgeschütteten Ringwällen, allenfalls mit hölzernen Pallisaden. Von Tempeln der Slawen wird zwar gesprochen, m eist aber verehrten sie ihre Gottheiten in heiligen Hainen, von denen allerdings die schön geschnitzten U m ­ zäunungen und Türen gerühm t werden. Im ganzen standen sie also baulich auf keiner hohen Stufe.

Ihre Beschäftigung war in der Hauptsache Fischerei und Jagd; doch trieben sie auch lebhaft Handel und Schiffahrt.

„Ihre Stadt Jum neta war reich durch die W aren aller Völker.“

A uf dem W asser waren sie sogar kühn und machten von der Ostsee aus unzählige seeräuberischo Einfälle in die Travo nach Lübeck und um Jütland herum in die Elbe hinein und fuhren diesen Fluß w eit hinauf. „Denn im plötzlichen Ueberraschen,“

sagt der Chronist, „sind sie besonders stark. Daher ist auch bis auf die neueste Zeit diese Sitte, zu rauben, bei ihnen so sohr herrschend, daß sie mit gänzlicher H intansetzung der Vorteile des Ackerbaues zu Seeunternehmungen stets

bereit sind, indem ihre ganze Hoffnung und all ihr Roichtum auf den Schiffen beruht.“

Ihr Ackerbau war auch in ruhigen Zeiten nur kümmerlich, sie pflügten m it dem höl­

zernen Hakenpflug, m it dem sio nur leichten Boden durchfurchen konnten, und konnten daher auch keine großen Getreideernten erzielen, die den Bau von mechanischen Mühlen wünschenswert oder wirtschaftlich gemacht hätten.

Aber auch ein gültiges schriftliches Zeugnis dafür, daß die Slawen den Bau von W assermühlen nicht kannten, liegt vor. Der schon öfters zitierte Helmold, der lange Jahre hindurch Wanderprediger in H olstein, Mecklenburg und Pommern gewesen war, die Sitten und Gewohnheiten der Slawen also genau kannte, schrieb etwa im Jahre 1172 seine „Chronica Slavorum “. Er führt darin aus, daß die Gegend, in der er nachher als Pfarrer von Bosau am Plöner See ansässig geworden war, das Land W agrien, schon im 10. Jahrhundert unter den Ottonen von Deutschen besiedelt war und giebt untor anderem als Beweis dafür an:

„in plerisque etiam rivis qui propter molendina stipandis aquis aggeres congesti sunt, ostendunt, omnem illum saltum a Saxonibus quondam inhabitatum .“

Nebenbei sei bemerkt, daß er auch die Elbdeiche in der W ische, das ist die Gegend von Seehausen, schon den Sachsen des 10. Jahrhunderts zuschreibt.

W ir können also nach alledem, entgegen vielfach ausge­

sprochener anderer Meinung, behaupten, daß die Staue in unseren östlichen Flüssen von den Deutschen errichtet wor­

den sind.

Es scheint kein Zufall zu sein, daß die ersten Angaben der obigen Zusam m enstellung das schon früh vorgeschrittene Lübeck und den W esten des betrachteten Gebietes betreffen.

Es geht aus ihr auch hervor, daß die ersten Mühlen in kleine­

ren Gewässern gebaut wurden, während man es erst etwa 100 Jahre später wagte, auch den Hauptstrom der Mark, die Spree und untere Havel zu durchdämmen, ohne doch des Er­

folges — wie wir an Brandenburg sahen — ganz gewiß zu sein.

Es bliebe nur noch zu überlegen, ob auch in der Mark, wie einige Forscher wollen, die Mühlen schon im 10. Jahr­

hundert — wie in W agrien — errichtet worden sind. In der Tat sind auch Urkunden von den Jahren 937, 981, 993 und 997 bekannt, in denen Orte aus dem Havellande an geistliche Stifter überwiesen worden, und die den formelhaften T ext mit den W orten „cum m olendinis“ enthalten. Aber der oben m it­

geteilte W ortlaut der ältesten Potsdamer Urkunde vom Jahre 993 fährt fort: „cunctisque aliis appenditiis, quae adhuc dici possunt“. Die Beelitzer Urkunde von 997 schreibt sogar: „quae adhuc dici aut inveni aut nominari possunt“. E s ist also dem

Schreiber mehr daran gelegen, allerlei m ö g lic h e Rechte und Besitzungen aufzuzählen, als eino Beschreibung der wirklich vorhandenen Einrichtungen zu geben. Man weiß, daß solche Urkunden nach zum Teil noch vorhandenen Formelbüchern her­

gestellt sind, und kann daher aus dem „cum m olendinis“ durch­

aus nicht schließen, daß damals wirklich schon Mühlen an den betreffenden Orten bestanden. Es sind also keine Beläge für ein so frühzeitiges Bestehen der M ärkischen Staue vorhanden.

V iele von denjenigen Orten, in denen schon früh das Vor­

handensein von W assermühlen bekundet wird, haben zweifellos die ursprüngliche Führung der W assergräben bis heute be­

wahrt; sio sind entweder wirtschaftlich nie übor einen gewissen Tiefstand der Entwicklung hinausgekomm en, wie alle die un­

zähligen dörflichen Anlagen und auch viele kleinere Flecken und Städtchen — beispielsweise Alt-Ruppin — , oder es liegt daran, daß sie so steil an einen Berg herangebaut sind, daß eine weitere Verzw eigung des im tief eingoschnittenen Tale fließenden W assers nicht gut möglich war. Die Führung der Gräben ist in diesen Fällen lediglich vom Gelände abhängig.

In den meisten Städten wurde aber der Stau noch zu einem ändern Zweck ausgenutzt als zur Gewinnung von Triebkraft, nämlich zur Verteidigung. Man hatte bei der Stadt den W asser­

stand künstlich erhöht. Führte man vom Obor- wasser aus Gräben — wenn nötig zwischen Dämmen — um die Stadt herum, so war es leichter, einen tiefen und breiten Schutz­

graben horzustellen, als wenn man ihn hätte ins Grundwasser hineingraben sollon. Den Absturz zum Unterwasser legte man in diesen

•Gräben m öglichst an das Ende der Stadt, um keinen schwachen Punkt in der Ver­

teidigungslinie zu schaffen. Es wird daher die Lage dieses Absturzes unter Umständen ausschlaggebend sein können, wenn man die Größe der Stadt zu einer gewissen Zeit be­

urteilen will.

Jo nach der Entstehung des Ortes mag der eine oder der andere Zweck der ursprüng­

liche und ausschlaggebende gewesen sein;

oft gingen sie Hand in Hand. A lle Städte der M ittelmark sind, wie erwähnt, aus ein­

zelnen Kolonistenansiedelungon hervorgegan­

gen, sie erhielten vielfach sogar erst lange nach ihrer Belehnung mit Stadtrecht das Recht der Befestigung. Bei diesen ist also wohl m eist die K raftausnutzung der leitende Gedanko beim Errichten des Staues gewesen.

In Berlin beispielsweise (Abb. 362) ist eine natürliche Strom spaltung zur Anlage des Mühlendammes benutzt worden; dieser wird zuerst genannt im Jahre 1285. Wann die Stadtmauer und der Graben erbaut wurden, ist nicht bekannt, erwähnt wird die Mauer zuerst 1319, also später als die damals schon wohlfundierte Mühle.

Das Oberwasser führte um die Städte herum und endete nach dem ältesten Plane in Berlin am W iedereinfluß in die Spree, in Cöin wie heute am Ende der Stadt, bei der Schleuse. A uffällig hierbei ist nur, daß heute die Oberwasser- wie die Unterwasserstraßo längs des Oberwassers liegen. Ob vielleicht eine Verlegung des Staues hierher von der die beiden Straßen trennenden Jungfern brücke, etwa einmal bei einer Stadt­

erweiterung, stattgefunden hat, konnte ich bisher nicht fest- stellon. In der M itte des 15. Jahrhunderts soll Friedrich II.

Eisenzahn die Gräben um sein neuerrichtetes Schloß vom Ober­

wasser her gefüllt haben, und im 17. Jahrhundert zw eigte man wiederum die Festungsgräben ab, deren Reste erst bei Er­

bauung der Stadtbahn beseitigt wurden.

In Spandau (Abb. 363) werden die Mühlen selbst zwar zum ersten Male erst 1258 genannt; 26 Jahre früher aber wird der Stadt erlaubt, eine Flutrinne anzulegen, auf die ich gpäter noch zurückkommon muß. Diese Flutrinne ist bisher als Vorflutanlage gedeutet worden — jedenfalls setzt sie den Bestand des Mühlon- dammes voraus; sie wurde erbaut im Rörnerschen Mühlgraben.

E rst 1319 darf sich die Stadt befestigen und erst dabei — so nimmt man allgemein an — wurde der andere Graben her­

gestellt, der die Stadt im Eirund umzieht. Der Sturz zum Unterwasser liegt am Ende. Später — nachweislich jedoch erst zwei Jahrhunderte später — wurden auch hier Mühlwerke erbaut.

htuwpfo*t.

dex e fto. i o p a , v 4 u , , .

Abb. 363. Plan von Spandau (aus dem W erk: Beiträge zur Gewässerkunde der Märkischen W asserstraßen, herausgegeben

von der Kgl. V erw altung der M. W.)

39*

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Wochenschrift des Architekten-Vereins zu Berlin 29. August 1908 In Brandenburg (Abb. 364) fanden die vordringenden Deutschen

eine starke Stromverwilderung vor; zahllose Inseln und W erder trennten den Fluß in viele Arme. Es mußte deshalb an dieser Stelle die A ufstauung der Havel besonders schwierig und kost­

spielig erscheinen. D ie älteste Ansiedlung, die 927 nur bei starkem Frost einnehmbare W endenfeste Brennabor, soll auf der Dom­

insel gestanden haben. Um 1165 bildete sich aus dem Dorfe Parduin auf dem rechten Havelufer die A ltstadt Brandenburg. Diese umgiirtete sich mit einem Doppelgraben, der indessen nicht tief gewesen sein kann, da er an beiden Enden nur m it dem Untor­

wasser in Verbindung stand. Außerdem war der Ort vom nahen Marienberge her bedroht.

Bessere Gelegenheit zu sicherer Nieder­

lassung bot daher der südlich belegene W erder, der erst ein deutsches Dorf und dann die Neustadt trug. Es wurde durch einen, jedenfalls teilw eise künstlichen Graben dem W erder ein kreisrunder Abschluß ge­

geben und in ihm das Oberwasser, entgegen dem eigentlichen Lauf der Havel, um die ganze Stadt herumgeführt bis zu einem Punkte, an dem wegen der Deckung durch die A ltstadt und den Dom ein Angriff nicht zu erwarten -war.

Von Rathenow (Abb. 365—367) wird in einer Urkunde aus dem Jahre 1288 der Stadtgraben erwähnt. Die Markgrafen ver­

sprechen, das „fossatum ipsius eivitatis“

durch keine Hemmnisse „theotonice were nom inatis“ zu Mühlzw'ecken verbauen zu wollen. Die alten markgräflichen Mühlen lagen auch anderswo am Strom. Der Stadt­

graben ist also nicht als Mühlgraben an­

gelegt. Daß er künstlich angelegt ist, geht aus der rechtwinkligen Abzweigung von der Havel und aus der Steilheit der Ufer hervor.

Er schneidet die Spitze des hohen und lang­

gestreckten Rückens, der heute den Kirchhof der Stadt trägt, ab und scheidet so die alte Stadt von den benachbarten Höhen. Er wird Stadtgraben genannt, gehörte also der Stadt und muß demnach von deren Bürgern an­

gelegt sein. Er diente offenbar als Ver­

teidigungsgraben, und später werden wir ihn als Schiffahrtsrinne kennen lernen.

A lle diese Anlagen liegen in dem Haupt­

fluß, der den betreffenden Ort berührt. Da aber, wo dieser — vielleicht wegen seiner Größe oder wegen örtlicher Verhältnisse — überhaupt niemals aufgestaut wurde, oder wo der Ort an einem See lag, da staute man einen Zufluß auf und leitete aus ihm die künstlich angelegten Gräben um die Stadt

herum. Solche Anlagen finden wir in der Mark beispielsweise in Frankfurt a. 0 . und in Neu-Ruppin am Ruppiner See.

Ein ähnliches Bild haben wir in Rostock (Abb. 368), den See bildet hier die haffartige Unterwarnow. Die Oberwarnow ist seit­

lich der Stadt gestaut. Von Ost nach W est folgen aufeinander die A lt-, M ittel- und Neu­

stadt. Ursprünglich hatte man zur Verteidi­

gung der A ltstadt einen Graben vom Ober­

wasser abgezweigt, dessen Lauf noch heute durch Küterbruch, Kleine Goldstraße, A lt­

schm iedestraße, frühere Faulstraße (jetzt noch unbebaut), W ollenweber, Kleine Faul­

straße und die Grubenstraßo erkennbar ist.

Die Namen Faul- und Gold- (ironisch oder von gölle = Sumpf) lassen noch auf die alten, später übelriechenden W asserläufe schließen. Der Stau lag an der Viergelinden­

brücke (Viergelind = ad quatuor rotas, nach den 4 M ahlgängen der Mühle = Vierraden).

Der Nordwesten der A ltstadt war geschützt durch die landesherrliche Burg, um die sich dann die M ittelstadt aufbaute (Burgwall).

A ls die M ittelstadt hinzu kam, wurde der Graben gegen die spätere Neustadt im Zuge der König-, Buchbinderstraße, Faule Grube und Lagerstraße erweitert. Der Stau lag am Ende der Faulen Grube. Der spätere 13 Graben um die Neustadt erhielt seine Mühlen vor dem Kröpeliner Tor, wo sie schon seit 1280 erwähnt werden.

Ebenso ist es in Breslau (Abb. 369), wo der Ring der alten, aus der Ohle abge­

zweigten Gräben des 13. Jahrhunderts noch heute gekennzeichnet ist durch den Zug des Ohlauufers, des Grabens, der Kätzelohle, der Schloß- und der W eißgerberohle. Der Odorstau soll erst aus dom 14. Jahrhundert stammen.

Besonders charakteristisch ist auch Lübeck (Abb. 370), das ursprünglich nicht an seiner jetzigen Stelle gestanden hat. A ls Adolf II. von H olstein die Einwohner 1156 hierher verpflanzte, da tat er es, w'ie Helmold wenig später niederschrieb, weil dieser Ort einen zur Besiedelung besonders geeigneten H ügel darbot. A uf der einen Seite von der tiefen schiffbaren Trave, auf zwei anderen von den sumpfigen W iesenufern der W ackenitz gegen Angriffe gesichert, brauchte nur der schmale H als des Hügels künstlich durch Landbefestigungen verstärkt zu werden. A ls man dann bald darauf, zuerst an der Mühlen­

brücke und später am Mühlendamm und Hüxterdam m, die W ackenitz zu Mühlen­

zwecken um etwa 4 ‘/2 ui aufstaute und da­

durch die breiten W iesen unter W asser setzte,

¿UzsfltQMO.u zw

Abb. 364. Plan von Brandenburg

Abb. 365. Pinn von Rathenow (Abb. 364 und 365 nus: Beitrilge zur Gewässerkunde

der Märkischen W asserstraßen)

Abb. 366 (oben): Rathenower fossatum strom auf gesehen Abb. 367 (rechts): Abmftndung des fossatum in Rathenow

(Abb. 366 und 367 eigene Aufnahmen)

(5)

so daß der Lauf der W ackenitz noch heute weithin seenartigen Charakter zeigt, da hat man dies, wie nach der angezogenen Stelle der Chronik zu vermuten, auch zur Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit getan.

Solche Befestigungsanlagen wa­

ren durch Jahrhunderte Lebensfragen für die betreffenden Orte, aber auch die W asserkraftanlagen waren we­

sentliche Faktoren im Leben des Volkes. Das geht aus den großen Summen hervor, die gelegentlich dafür bezahlt wurden. — Teilweise waren schon die Askanischen, weit mehr aber die W ittelsbachischen Markgrafen gezwungen, zur Deckung ihres Geldbedarfes nach und nach einzelne Gerechtsame zu versetzen oder zu verkaufen, und unter diesen Gerechtsamen spielen die Mühlen eine bedeutsame Rolle. So erfahren wir z. B., daß die Spandauer Mühlen zwischen 1351 und 1356 fünfmal an verschiedene Gläubiger verpfändet wer­

den, zuletzt für 10500 Mark. Die Berliner und Spandauer Mühlen zu­

sammen bringen nach dem Land­

buche Kaiser Karls (von 1376) jährlich 12000 Mark. Der jährliche Ertrag der Lübecker W ackenitzmühlen wird schon 1298 auf über 20000 Mark angegeben.

W as W under, wenn da jedes kräftig sich entwickelnde Gemeinwesen nach solchen Einrichtungen begierig die Hände ausstreckte! Und gerade in dieser Zeit waren die Städte in kräf­

tigem Aufblühen begriffen.

W enn auch in unseren nordöst­

lichen Kolonisationsgebieten Zunft­

bewegungen wie am Rhein und in Süd­

deutschland nicht stattgefunden haben, Bewegungen, die dem schaffensfrohen, entwickelten und zünftlerisch zusam­

mengeschlossenen Handwerk den W eg zu den Sitzen des Rates bahnen sollten, verlief hier die Entwicklung der Städte doch in gleicher Richtung, nur ruhiger.

W ir finden daher auch in unseren Gegenden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts

— gerade zu einer Zeit der wüstesten (Ver­

schleuderung der fürstlichen Besitztüm er und Rechte — starke Städte und blühende Zünfte, die ihre Kapitalien anlegen und sich große und billige Arbeitskräfte sichern mußten, wenn sie weiter vorwärts kommen wollten. K lug benutzten sie außerdem das damalige Auftreten des falschen W aldemar, der sich ebenso wie die rechtm äßigen Mark­

grafen die Gunst der Städte erkaufen mußte. So sehen wir, daß eine lange Reihe märkischer Städte in rascher Folge die markgräflichen Mühlen erwirbt oder neben diesen eigene errichtet.

Nur Berlin macht hierin eine A us­

nahme, hier sind die Mühlen im M ittel­

alter niemals städtisch gewesen. Das liegt an der besonderen Aufgabe des Berliner Mühlenhofes: er war der W irtschaftshof der markgräflieh - kurfürstlichen H ofhal­

tung. An ihn mußten die markgräflichen Güter die Ueberschüsse ihrer ländlichen Erzeugnisse abliefern, auf ihm wurde V ieh für die kurfürstliche Küche gehalten

und gem ästet, er war endlich die große kurfürstliche berge, alles in allem also für den Hof unentbehrlich.

T ab e lle I I

Abb. 368. Plan von Rostock (aus Bacdeckcrs Nonlostdeutscbland)

SO

Abb. 369. Plan von Breslau

Abb. 370. Plan von Lübeck (vor Erbauung des Elbe -T rave- Kanals)

(aus Baedeckers Nordostdeutschland)

Her-

D ie S t a d t e rw irb t W a s s e r ­ m ü h len im J a h r e D ra m b u rg ... 1306-1351 Königsberg i. N. . . . 1313-1338 S o l d i n ... 1316-1317 Prenzlau... 1320-1348 Brandenburg a. II. . . 1323 R a th e n o w ... 1335-1351 Arnswalde i. N. . . . 1336—1338 P e r l e b e r g ... 1337 Landsberg a. W. . . 1342 Treuenbrietzen . . . 1348 Frankfurt a. O. . . . 1348 Spandau ... 1349 Schönfließ i. N. . . . 1349 Ebers waldo... 1353 L i p p e h n e ... 1363

Ungefähr um die gleiche Zeit, in der die meisten größeren Mühlen ihre Besitzer wechseln, tauchen auch die ersten Nachrichten von ander weiter Nutzung der W asserkräfte als ledig­

lich zum Mahlen des Getreides oder wie in den Seestädten Lübeck (1262) und Rostock (1280) von Pfeffer auf.

D ie Zünfte waren leistungsfähiger, als es die Handwerker einzeln gewesen waren, sie konnten sich teurere A r­

beitsgeräte auf gemeinsam e Kosten beschaffen. D as Handwerk ging im 14. Jahrhundert dazu über, auf Vor­

rat und nicht mehr bloß auf jew eilige B estellung zu arbeiten, und war da­

her in der Lago, vollkom innere Ein­

richtungen besser auszunutzen.

T a b e lle I I I

Erstm alige Erwähnungen von industrieller Ausnutzung der W asserkräfte

B e trie b Jahr-

Cleve bei Lübeck Berlinchen . . Augsburg . . Treuenbrietzeu Spandau . . Beeskow . . Augsburg . . Königsberg i. N.

Walkmühle Lohmühle Schneidemühle Walkmühle Walkmühle Walkmühle Walkmühle Walkmühle Je freier die Entwicklung der städti­

schen Verhältnisse war, je näher der Ort dem großen W eltverkehr lag, um so früher mußten solche industriellen W erke auf- kommen. So erklärt es sich, daß wir zu­

erst bei dem schon seit 1226 freien Lübeck allen anderen weit voran eine Walkmühle finden. D ie Nachrichten über solche W erke sind leider nur spärlich, doch scheint man auch im älteren Deutschland nicht früher zu anderweitiger mechanischer Ausnutzung der W asserkräfte übergegangen zu sein, wie die Angaben der Tabelle über Augsburg zeigen. (Fortsetzung folgt)

(6)

182

W ochenschrift dos Architekten-Vereins zu Berlin 29. August 1908

Wie kann die Stellung- der Architekten und Ingenieure

in den öffentlichen und privaten Yerwaltungskörpern gehoben werden !

Th. Koelm, Stadtbaurat a. D. in Grünewald

Von

I

n Nr. 32 und 33, S. 164, 167 und 168 ist aus dem Geschäfts­

bericht des Verbandes für das Jahr 1907/08 der Bericht des Herrn Ingenieurs R e v e rd y (München) abgedruckt. Dieser Bericht ist auf Grund der Antworten, welche von 11 Vereinen eingegangen sind, im Aufträge des zur Prüfung der Vereinsilußerungen berufenen Aus­

schusses von Herrn R e v e rd y erstattet.

Auch der A r c h ite k te n v e r e in zu B e rlin hatte einen Ausschuß für diese wichtige Frage oingesotzt, der in 11 Leitsätzen seine Ant­

worten formuliert und mit Erläuterungen versehen hat. Da die Arbeit dieses Ausschusses zu spät an den Verband gelangte, konnte sie nicht mehr bei der Berichterstattung des Herrn R e v e rd y berücksichtigt werden, und es hat deshalb der Vorstand des Architektenvereins zu Berlin einen Sondordruck veranstaltet und an die Verbandsabgeordneton vorteilt.

Erfreulicherweise ist der Ausschuß des Architektenvereins zu Berlin in dem wichtigsten Punkte ungefähr zu denselben Resultaten gekommen wie der Ausschuß dos Verbandes.

Das Punctum saliens der ganzen Frage ist an beiden Stellen in der Forderung gefunden, daß den A r c h ite k te n und I n g e n ie u r e n g r u n d s ä tz lic h in den ö f fe n tlic h e n und p r iv a te n V e rw a l­

tu n g o n g le ic h w e rtig e B e fu g n is s e wie den R e c h ts k u n d ig e n und W ir ts c h a f ts k u n d ig e n e in g e rä u m t w ord en m üssen.

Beide erkennen an, daß eine Hebung der Stellung der Architekten und Ingenieure nicht als Privileg gefordert, sondern nur aus inneren Gründen durch entsprechende Leistungen erreicht werden kann. Wenn auch mit ganz verschiedenen Worten, so bringen doch beide Formulierungen zum Ausdruck, daß die tieferen Ursachen der bisherigen Alleinherrschaft der Rechts- und Wirtschaftskundigen auf dem Verwaltungsgebiet in einem Mangel in der bisherigen Ausbildung der Architekten und Ingenieure zu suchen sind.

Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes lohnt es sich deshalb wohl, boido Formulierungen gegenüberzustellen und zu vergleichen.

Herr R e v erd y formuliert wie folgt:

Unter A. A llg e m e in e s ad 2—6:

2. „Aus den heutigen Zuständen läßt sich nicht mit einem einzigen Sprung herauskommen; es is t v ie lm e h r d er W eg a l l ­ m ä h lic h e r U m fo rm u n g d a m it e in z u s c h la g e n , daß in der V e rw a ltu n g dem R e c h ts k u n d ig e n , dem W i r t s c h a f t s ­ k u n d ig e n und dem S a c h k u n d ig e n g r u n d s ä tz lic h g le ic h ­ w e rtig e B e fu g n is s e e in g e rä u m t w erden. Keine von diesen drei Gruppen erhält eine Vorbildung, die sie zur Alleinherrschaft auf dem vorwiegend praktischen und so vielseitigen Verwaltungs­

gebiet berechtigt. In welchem Umfange und bis zu welcher Höhen­

stufe sich die Angehörigen einer Gruppe Geltung verschaffen, sollte nicht von vornherein starr festgelegt werden, sondern von der Natur j und der Entwicklung des betreffenden Verwaltungszweiges und von den persönlichen Eigenschaften der in Betracht kommenden Männer abhängen. Zu den leitenden Stellungen werden diejenigen berufen sein, die auf einem der drei Gebiete streng ausgebildet, aber den beiden anderen nicht völlig fremd und so freien Geistes sind, daß sie Ansprüchen, die nicht aus dem eigenen Fachgebiet hervorgehen, j vorurteilslos gegenüberstehen.“

3. „Architekten und Ingenieure erkennen selbst an, daß sie nicht ganz ohne Schuld sind, wenn ihnen bisher fast jeder Einfluß auf die feineren und tioferen, in ihrer Summe aber doch alle mensch­

lichen Beziehungen umwälzenden Wirkungen ihres eigenen Tuns entzogen war. In der Lust des technischen Neuschaffens haben sie ihre Aufgabe nur im Konstruieren und Bauen erblickt, die Weiter­

entwicklung und Ausnützung ihrer Werke fremden Händen über­

lassen und die Beziehungen ihres Handelns zu den Grundbedingungen der menschlichen Kultur oft aus den Augen verloren.“

4. „Indem die Architekten und Ingenieure den selbstgemachten Fehler zugestehen, dürfen sie nicht in einen neuen verfallen, den der für die Verwaltungsreform unvermeidliche Umweg mit sich bringen könnte, daß sie sich ihrer Eigenschaften als Techniker völlig entkleiden und sich selbst den alten Verwaltungsformen ge­

fangen geben. Sie h a lte n an dem u n e r s c h ü tte r lic h e n B e ­ w u ß ts e in fest, daß in dem g e g e n w ä r tig e n Z e ita lte r je d e V e rw a ltu n g ein e m in e n t te c h n is c h e s G e sc h ä ft is t und daß kein A n s p ru c h , in einem V e rw a ltu n g s g e b ie to die L e itu n g zu fü h re n , b e r e c h tig te r i s t als d e rje n ig e des S a c h k u n d ig e n , w eil die F o rm d er V e rw a ltu n g n ic h t s e lb s tä n d ig g e g eb e n is t, so n d e rn dem W esen d er S ach e e n ts p re c h e n m uß.“

5. „Architokton und Ingenieure fordern also nicht Uebertragung ungerechtfertigter Privilegien auf sich selbst, sondern nur Hinweg- räumung von Vorurteilen und Freiheit dor Bowegung. Sie beklagen am meisten, daß sie durch die bestehenden, aller Technik wesens­

fremden Verwaltimgseinrichtungen verhindert werden, sich für den

Eintritt in ein neues Verwaltungssystem zu rüsten, dessen Ein­

führung nicht länger aufgeschoben werden kann und an dessen Loitung die höhere Technik mitbeteiligt sein muß, wenn os nicht ebenso unfruchtbar bleiben soll wie das bisherige."

6. „Die folgenden Einzelanregungen und Forderungen entspringen der vollen Ueberzeugung der Architokton und Ingenieure, daß sio in ihrem eigenen Kreise organisatorisch befähigte Kräfto besitzen, die nur der Gelegenheit zur Ausbildung und Ausübung bedürfen, um neue Verwaltungsorganisationen zu schaffen, sich an ihrer Spitze zu halten und den von der Technik aufgewühlten neuen Kultur­

boden zu vollem Ertrage zu bringen.“

unter C. T e c h n isc h e H o c h s c h u le n ad 8 bis 10:

8. „Die technischen Hochschulen sollen mehr als bisher und alle n ih re n S tu d ie r e n d e n einen Einblick in den Zusammenhang und in dio Einheit der von ihnen betriebenen Wissenschaften ge­

währen. Diese Einheit ist nicht gegeben in der durch die Technik errungenen mechanistischen Herrschaft übor dio äußore Natur, sondern in dem durch diese Herrschaftsäußerung gänzlich umge­

änderten Zustande des menschlichen Zusammenlebens. Architekten und Ingenieure müssen schon in ihrer frühen Studienzeit auf die rechtlichen, wirtschaftlichen und ethischen Seiten ihres Berufes hin­

gewiesen werden.“

9. „Bei Betrachtung dieser höheren Einheit wird die das tech­

nische Handeln mitbestimmende Bedeutung von Wissenschaften hervortreten und deren eingehendere Behandlung sich als notwendig erweisen, die zwar schon 'bisher an den technischen Hochschulen vertreten waron, aber mehr nebensächlich und ohno Aufzeigung oder ohne Beachtung des Zusammenhanges mit den eigentlich tech­

nischen Wissenschaften betrieben werden.“

10. „Im Mittelpunkt dieser Disziplinen steht die Volkswirtschafts­

lehre. Sio bedarf an den technischen Hochschulen einer besonderen, stets auf die technischen Leistungen Bezug nehmenden Behandlung.

Neben ihr müssen Unterrichtsfächer stehen, die sich nach der Seite der Rechtskunde, dor Sozialwissenschaften und der Philosophie er­

strecken.“

und unter D. W e ite r b ild u n g in d er B e r u f s t ä t i g k e i t ad 21:

21. „Förderung auf dem Gebiete der Verwaltung wird den jungen technischen Beamten nirgends ausreichend gewährt. Kenntnisse und Uebung darin werden bei den Prüfungen in viel zu geringem Um­

fange verlangt. Hier schließt sich der verhängnisvolle Ring:

A r c h ite k te n und In g e n ie u r e d ü rfen n i c h t v e rw a lte n , w eil sie es n ic h t k ö n n en , und sie k ö n n e n es n ic h t, w eil sie es n ic h t dürfen. Ihrer Erfindungsgabe und ihrem Können ist eine Schranke gesetzt, die sie bindet, über das technische W erk hinaus au das Organisationswerk herauzutreten.“

Der A u ss c h u ß des A rc h ite k te n v ere in s zu B e rlin gibt dagegen folgende Formulierung: *)

Zu 1. „Die Stellung des Architekten und Ingenieurs in der Staats- und Gemeindeverwaltung sowohl, wie in der Oeffentlichkeit überhaupt kann nur durch Leistungen gehoben worden. Es liegt im öffentlichen Interesse, daß dou akademisch gebildeten Architekten und Ingenieuren ein größerer Anteil an den leitenden Stellungen als bisher zuteil wird. Die Ausbildung zum Techniker hebt die Fähigkeit zur Anschauung und verhindert nicht die Entwicklung von Veranlagungen zur Verwaltung.

Der Umstand, daß Architekten und Ingenieure bis heute in den Verwaltungen des Staats und der Gemeinden in Deutschland noch verhältnismäßig selten an leitender Stelle stehen und auch sonst im öffentlichen Leben verhältnismäßig selten führende Stellen haben, hat seine Ursache darin, daß den Architekten und Ingenieuren an den Hochschulen nicht dasjenige Maß von rechts- und staatswissen­

schaftlichen, sowie von volkswirtschaftlichen Kenntnissen zuteil wird, welches jeder akademisch gebildete Mann, der sich im öffentlichen Leben betätigen und an leitender Stelle stehen will, haben muß.

Wir fordern daher, daß folgende drei Lehrfächer in ausge­

wählten Kapiteln an den technischen Hochschulen gelehrt werden:

1. Einführung in die Rechtswissenschaft.

2. Staatsrecht (Organisation der Reichs-, Staats- und Selbst­

verwaltungen).

3. Volks- und Finanzwirtschaft;

und zwar derart, daß bol den Prüfungen diese Fächer in Ihrer Gesamtheit als ein zusammenhängendes Hauptfach behandelt worden und daß es möglich ist, auf Grund einer technisch-wirtschaftlichen Arbeit den Titel des $r.=3"ä*

zu erw erben.“

*) Es sind hier die Erläuterungen zu Punkt X anstatt des Leitsatzes selber abgedruckt, um W iederholungen zu vermeiden.

(7)

„E s i s t n ic h t e r s tre b e n s w e r t, den V e rsu c h zu m achen, sow o h l das V e rw a ltu n g s g e b ie t als au ch das te c h n is c h e G e b ie t g le ic h w e rtig au f den te c h n is c h e n H o c h s c h u le n le h re n zu w ollen. Die S tu d ie r e n d e n der te c h n is c h e n H o c h s c h u le n m ü s s e n den B e ru f und das S tr e b e n in sich fü h len , g u te A r c h ite k te n und I n g e n ie u r e zu w erden.

D e sh alb v e rw e rfe n w ir den G e d a n k e n , sch o n au f der H o c h s c h u le p la n m ä ß ig „ Y e r w a ltu n g s in g e n ie u r e “ au3- zu b ild en . W ir glauben, daß eine solche Kategorie von Studierenden weder eine ausreichende Ausbildung in der Verwaltuugslehre noch in der Technik haben würde. Es kommt vielmehr nur darauf an, den Architekten und Ingenieuren und zwar allen, welche das Diplom- exameu machen wollen, ohne Ausnahme die angedeuteten Grund­

lagen der Verwaltuugslehre zu geben, damit sich die Veranlagung des Einzelnen, wenn ihn dieselbo mehr für die Verwaltung ge­

eignet macht, in dor Praxis entsprechend entwickeln kann. E r s t in der P ra x is s o lle n sich V e rw a ltu n g s in g e n ie u r e h o ran - b ilden. Die künstliche Heranbildung aber ein es n e u e n S ta n d e s von A k a d e m ik e rn au f den H o c h s c h u le n , die weder eine volle Ausbildung in der Verwaltung noch in der Architektur oder den Ingenieurwissenschaften erhalten haben, halten wir für eine gefähr­

liche Halbheit, die unserem Stande nichts nützen kann.“

H ie r wie d o rt h ä lt man also an dom B e w u ß ts e in u n b e ­ d in g t fest, daß d ie B ild u n g d e r A r c h ite k te n und In g e n io tire an sich d u rc h a u s g e e ig n e t is t, M än n er von e n ts p r e c h e n d e r B e g a b u n g zu h e rv o rra g e n d e n L e ite r n g r ö ß e re r p r iv a te r und ö ffe n tlic h e r V e rw a ltu n g e n in b e so n d e re m M aße zu be­

fähigen.

Beide Formulierungen geben der Notwendigkeit Ausdruck, allen Studierenden unserer Fächer einen Einblick in den Zusammenhang und die Einheit der von ihnen betriebenen Wissenschaften zu ge­

währen und sie auf die rechtlichen, wirtschaftlichen und ethischen Seiten ihres Berufes hinzuweisen. Zu diesem Zweck fordern beide Formulierungen, daß g e w isse allg em ein b ild e n d e D is z ip lin e n den L e h r p lä n e n an den te c h n is c h e n H o c h s c h u le n und zw ar o b lig a to ris c h h in z u g e fü g t w erden. Der Ausschuß des Berliner Architektenvereins hat hierfür ganz positive Vorschläge gemacht, die sich aber nahezu mit den etwas allgemeiner formulierten Vorschlägen des Verbandes decken. Der Ausschuß des Berliner Architektenvereins fügt indessen noch eine weitere positive Forderung hinzu, indem er verlangt, daß es möglich sein soll, auf Grund einer technisch-wirt­

schaftlichen Arbeit den Titel des 2)r.=3uq. zu erwerben.

Der letztgenannte Ausschuß hat ferner geglaubt, die Konsequenz der obigen Auffassungen und Forderungen auch weiter deutlich zum Ausdruck bringen zu müssen, und zwar in der Absicht, dadurch auf dem Verbandstage in Danzig zur weiteren Klärung in dieser wichtigen Frage einen Meinungsaustausch herbeizuführen.

Bekanntlich haben eine Anzahl hervorragender Männer unter Führung von Professor F ra n z in Charlottenburg die Lösung der am Kopfe aufgeworfenen Frage, zum Teil wenigstens, darin zu finden ge­

sucht, daß sie „ V e r w a ltu n g s in g e n ie u r e “ auf den te c h n is c h e n H o c h s c h u le n a u sb ild e n w o llen , w ä h re n d die h e u tig e n V e r ­ w a ltu n g s b e a m te n , w e n ig s te n s s o w e it die S ta a ts v e r w a l­

tu n g e n in F ra g e kom m en, b is h e r a u ss c h lie ß lic h au f den U n iv e r s itä te n v o rg e b ild e t wurden. Herr Franz will solche Ver­

waltungsingenieure in einem v ie rjä h r ig e n S tu d iu m an den tech­

nischen Hochschulen heranbilden. Er will gewissermaßen die Rechts­

kunde, die Verwaltnngskunde und die Technik zu neuen Lehrplänen zusammenfugen und mit ihrer Hilfe einen n e u en Typ von V e r- w a ltu n g s h e a m te n schaffen.

Dieser Gedanke schien dem Ausschuß des Berliner Architekten­

vereins mit dem an die Spitze gestellten Hauptgrundsatz seiner Be­

trachtungen, daß nämlich den sachkundigen Architekten und Ingenieuren in den Verwaltungen grundsätzlich gleichwertige Befugnisse einzu­

räumen sind wie den Rechtskundigen und Wirtschaftskundigen, und daß die technisch vollwertig ausgebildeten Arrhitekten und Ingenieure an sich durchaus für leitende Verwaltungsquellen qualifiziert sind, in unlösbarem Widerspruch zu stehen. Mit der Annahme des Franzschen Gedankens, so sagte sich der Ausschuß des Berliner Architektenvereins, würde man für die Architekten und Ingenieure eine neue Schranke schaffen, statt die alte zu beseitigen, denn an Stelle der Juristen würden die Verwaltungsingenieure treten. Auch würde man implicite anerkennen, daß für die leitenden Stellen der privaten und öffentlichen Verwaltungen nicht Architekten und Ingenieure schlechthin, sondern in erster Linie die auf den Hochschulen bereits ausgebildeten und ge­

prüften Verwaltungsingenieure gleichwertige Mitbewerber gegenüber den Rechts- und Wirtschaftskundigen sein würden. Es läßt sich nicht leugnen, daß in der Formulierung des Architektenvereins zu Berlin ein folgerichtig durchgeführter Gedankengang liegt, und es wäre wohl zu wünschen, daß durch seine Formulierung in Danzig eine Aus­

sprache und eine weitere Klärung der Meinungen in diesem wichtigen Punkte herbeigeführt würde.

Der R everdysche Bericht scheint im Gegensatz zu dem des Berliner Ausschusses dieser Frage eine prinzipielle Bedeutung nicht beizulegen, indem er unter C. T e c h n isc h e H o c h s c h u e n ad 11 sagt:

U . „Ueber die vorwiegend enzyklopädische Behandlung hinaus, welche gemäß Ziffer 8 allen Studierenden geboten werden soll, werden

die „kulturellen“ Wissenschaften in vertiefter Form nicht von allen, sondern nur von denjenigen Studierenden betrieben werden können, die sich dazu durch innere Befähigung oder äußere Lebensverhält­

nisse angeregt fühlen, vor allem von denjenigen, die in großen pri­

vaten oder öffentlichen Körperschaften eine Lebensstellung suchen.

Sie bedürfen der Erleichterung nach anderer Seite hin. In ähn­

licher Lage befinden sich diejenigen, die eine mehr ästhetische Aus­

bildung anstreben.“

Die Frage, wie ohne V e rlä n g e ru n g des vierjährigen Studien­

planes die Zeit gewannen w'erden soll, um dio oben erwähnten er­

gänzenden Disziplinen noch in den Lehrplan aller Architekten und In­

genieure einzufügen, beantwortet der Berichterstatter _ des Verbandes unter C. T e c h n isc h e H o c h s c h u le n ad 12:

12. „Zeit wird von selbst gewonnen, wenn in allen Mittelschul- gattungen der Unterricht in Mathematik, Naturwissenschaften und Zeichnen gehoben wird und wenn Lehrpläne und Unterrichtsmethoden der Hochschulen davon ausgehen, daß Studierende, die von einer in diesen Fächern schwächeren Mittelschule kommen, ihre Vorkennt­

nisse zu ergänzen haben.“

Der Ausschuß des Architekteuvereins zu Berlin hatte in dieser Beziehung eine Einschränkung der jetzigen Lehrgegonstäodo für mög­

lich erachtet, allerdings ohne das dirokt in seiner Formulierung zum Ausdruck zu bringen. So z. B. glaubte er. daß man für Wasserbau­

ingenieure die erforderliche Zeit gewinnen könnte, durch Fallenlassen des Ornamentzeichnens und durch Einschränkung der Lehrstunden für höhere Geodäsie.

In bezug auf die oben wiodergegebene Formulierung des Vor­

bandes wäre nach meiner persönlichen Auffassung zu sagen, daß es sehr erwünscht wäre, in allen Mittelschulgattungen den Unterricht in M a th e m a tik , N a tu r w is s e n s c h a f te n u nd Z e ic h n e n m ö g lic h s t g le ic h m ä ß ig zu gestalten. Es ist immer für dio Abiturienten, welche dio Hochschule beziehen wollen, übel, wrenn sie nach bestan­

denem Abiturium sich noch in irgend einem Fache uachbilden lassen müssen, um dem Lehrgänge der Hochschule folgen zu können. An­

dererseits ist es aber, wenn, wie kaum anders möglich, die Hoch­

schulen in den genannten 3 Lehrgegenständon auf den heutigen Bil­

dungsstand der Abiturienten der humanistischen Gymnasien Rücksicht nehmen müssen, für dio Abiturienten anderer Mittelschulen wertlos, ihre Zeit und Kraft auf Lehrgegenstände zu verwenden, welche sie auf den Hochschulen beim Beginn des Studiums doch noch einmal hören müssen. Dem Geiste des vortrefflichen Referats des Herrn R ev erd y würde es gewiß auch kaum entsprechen, wenn die obige Forderung des Verbandes so verstanden werden würde, als ob die Mittelschulen mit der Behandlung der Mathematik, der Naturwissen­

schaften und des Zeichnens schon direkt auf den technischen Beruf vorberoiten sollten. M eines E ra c h te n s is t jo d e E in f ü h r u n g au f irg e n d w elch e S p e z ia lb e ru fe in den M itte ls c h u le n zu v e rm e id e n , v ie lm e h r das g rö ß te G e w ic h t auf die a l l g e ­ m eine A u sb ild u n g zu legen.

Außer diesem ersten und wichtigsten hat d e r B e rlin e r A r c h i­

te k te n v e re in dann noch die folgenden weiteren Sätze formuliert:

2. „Die Stellung kann gehoben werden durch gelegentliche Fort­

bildung des Einzelnen in Ferienkursen;“

3. „durch Zulassung der technisch vorgebildeten Beamten in leitende Stellen der Verwaltung unter Abänderung der entgegon- stehenden landesgesetzlichen Bestimmungen (z. B. in Preußen des Gesetzes vom 10. August 1906);“

4. „durch Verleihung größerer Selbständigkeit an die unteren Instanzen und Vermeidung zu großer Zentralisierung, ferner durch Einschränkung des Hilfsarbeiterwesens und Schaffung selbständiger Dezernate;“

5. „durch Zuweisung des gleichen Stimmrechts an die technischen Beamten, wie es die juristisch vorgebildeten besitzen;“

6. „durch Einführung gleicher A n s te llu n g s - , R an g - und G e h a lts v e r h ä ltn is s e m it dem j u r i s t i s c h v o rg e b ild e te n V e rw a ltu n g sb e a m te n g le ich en D ie n s ta lte r s ;“

7. „durch die Beseitigung subaltern klingender Titel und Dienst- stellenbezeichnnngen (z. B in Preußen Bauinspektor und Bau­

inspektion) und durch Einführung von gleichmäßigen Titeln für die akademisch gebildeten Architekten und Ingenieure in alle n d e u ts c h e n B u n d e s s ta a te n , welche Titel auf Grund der Ab­

legung möglichst gleichwertiger Prüfungen zu verleihen wären.“

8. „Die Stellung kann dadurch gehoben werden, daß die tech­

nischen Vereine auch in technisch wirtschaftlicher Richtung mehr tätig sind, das Staudesintoresse in erhöhtem Maße wahren und mit ihrer Tätigkeit mehr an die Oeffentliehkeit treten;“

9. „dadurch, daß der Einzelne den Tagesfragen mehr Interesse entgegenbringt, für sie öffentlich auftritt und den W ert des Tech­

nikers für die Volkswohlfahrt allgemein zum Bewußtsein bringt;“

10. „dadurch, daß mehr Techniker in die Landes- und Selbst- verwaltungskürperschaften gelangen (z. B. in die Stadtverordneten­

versammlungen, Magistrate, Landtage, Provinzialvertretungen usw.).“

11. „Die Stellung kann schließlich gehoben werden durch Schaffung von technischen Richtern (etwa wie bei den Handelsrichtern).“

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