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Die Zukunft, 10. Mai, Jahrg. XXVII, Bd. 105, Nr 31.

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(1)

XXVtl.Jahrg. Berlin, den IV. Mai 1»1» Nr. S1

A

ie IS u k u n f t

Herausgeber

Maximilian Harden

INHALT

Seit*

Der harte F r i e d e...1 3 9

Nachdruck verboten

E r s c he in t j eden S on n a be nd

Preis vierteljährlich 10,— Mk.,"das einzelne Heft 1,— Mk.

BERLIN

Verlag der Zukunft

Großbeerenstraße 67 1919

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vorm. Lutter & Wegner * Gegr. 1811

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Gutgepflegte Weine . .. Vorzügliche Küche

BERNHARD KONZEL

B a n k g e s c h ä f t

B E R L I N W 8

An« und Verkauf von Wertpapiepen

K o ste n lo se A u sk un ftse rte ilun g

Schiffahrts-Aktien

Kolonlalwerte. Städte- und Staatsanleihen, aDsländiuhe Kapont

B. CALM ANN, HAMBURG

Bestes

zur PFlege derZähne.

„Der Ratgeber auf dem Kapitalmarkt“

li e f e r t s e in e n B e z ie h e rn u m s o n s t d a s a m tlic h e S te n e r k u r s b la tt a lle r d e u ts c h e n B ö rs e n . A u s k ü n f te ü b e r K rie g s a n le ih e n , R e n te n , A k tien - S te u e r n , V e r m ö g e n e a n la g e B e s te llu n g b e i je d e m P o s t a m t o d e r d e r G e s c h ä f ts s te lle B e r lin W 8, F r ie d r i^ n s t r . 161.

Privat-u. Spezial-Auskünfte

Üb. R ai, V o rleb en , V e rm ö g .- a . F a m ilie n V erh ältn isse etc., s tre n g v e rtra u llo h , a. all.

O rten , I n - u . A u slan d . Erledig, v. Vertrauensangelegenheit jed. Art. Ermlttel. etc.

„ Auskunfts - Schütz“

s. lan g . J a h r e n d . l a Ref., In a n s p ru c h n a h m e vo n B e h ö rd e n a n e rk a n n t u n b e d in g t zaverlftaaig, b e a tin fo rm ie rte , d. e lf . d ire k te V e rtre tu n g e n o rg a n is. Spez -Auakunftel 1. Rga., Berlin W, Tauentzlenetr. 8 (a. W itte n b e rg p la tz ). Teleph. S te in p l. 9468.

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Berlin, den 10. M ai 191t)

Der harte Friede

T h e r a m e n * T a l l e y r a n d

O e i t der A th en er Theram enes gezw ungen war, von Spartas

^ Feldherrn L ysandros, dem Ersinner der „H u n g erb lo ck ad e“ , u n d Sieger von A egospotam oi, F riedensschluß zu erbitten, w ard, in dreiun d zw an zig Ja h rh u n d e rte n , keinem von einer G ro ß m a c h t zu Friedensv erhan d lun g A b g eo rd n eten je so lei#

dige Pflicht, keinem eine so tragisch düstere F ron aufgebür*

d e t wie den jetz t ins versailler H o te l des Reservoirs einge#

lassenen G enossen u n d H erren. T heram enes sprach für einen Staat, dessen letzte Sonne die allen G la u b e n an R echt ver#

lachende, n u r der G ew alt u n d deren Z w ängen in b rü n stig vertrauende T y ra n n en n a tu r des A lk ib iades gewesen w ar un d dessen einst eng in straffes Sittengesetz gebundenes, in So«

p h iste n d rill aber daraus gelöstes V olk im D ö rrstrah l dieser Sonne sein H erz verhärtet, m ählich in die D e n k a rt des Vorman#

nes sich eingew öhnt hat. T h ierh eit,in d er ew ig Streit herrscht, K am pf um s D asein, um N a h ru n g u n d P aarung to b t, ewig der Stärkere siegt u n d d en Schwächeren in T o d o der Unter#

w erfung zw ingt, w ird H ellen en, Söhnen des P erikies, als M u ster em pfohlen. H y b ris, das ü p p ig freche W eib , das, m it nackt strotzender Brust, P u rp u rtu c h prall um die breite W e id e

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140 Die Zukunft

des Bauches, der H üften,, a u f goldenem , von A rab erro ssen gezogenen W ag en du rch H ellas tost, h a t für ein W eilch en b e i dem schönen N effen des Perikies gerastet, aus d en N etzen d e r T im an dren, Tim äen, in Z w itterreiz b lü h en d er Jü n g lin g e ih n w eggeködert, sich vom Saft seines Leibes gesättigt u n d in d er G lu th d er U m klam m erung, den Frevel des Bühlens- m it G o tth e it zu ahnd en , v o n dem du rch ihre A d e rn kreisen*

d en G ift, das jedem irdisch Begrenzten zu Fluch u n d Ver*

derb w erden m u ß , ein T röp fch en in die Seele gespritzt. Un*

ter greller G riechensonne, deren Strahlenbezirk noch n ic h t der schwarze Schatten d erC h riste n sittlic h k eit schm älert, w ird der A lkm aeonide A lkibiades, A eon en vor D arw in , der Kün*

der des Kam pfes um s D asein, d er Lehre vom M achtrecht d e s Stärksten u n d fü r diesen K am pf drum T auglichsten. W ird*

m it W o rt u n d W irk e n , d er Born, aus dem der still den Saum*

p fad K lassischer P hilologie w andelnde Pfarrerssohn F ried lich N ietzsche die w eitab von Schopenhauer, w eitab von dem in L isztchristenthum , in C osim aekstasen entglittenen W a g n e r verleitenden L eitgedanken, die k räftigsten W erb erlo su n g en schöpft. Jenseits vo n G u t u n d Böse, W ille zur M acht, Ueber*

m en sch ,H erren m o ral: aus diesen Stichw orten spricht das alki*

biadische A th e n ; seine S taatsklugheit u n d sein V olksdrang, n icht n u r sein hörbarster, sichtbarster M an n. D essen Gift*

b ru n st h a t die Landsleute so schnell, bis ins Seelengebälk, an*

gesteckt, d a ß P lato n sagen darf, in T au sen den, die offenen A u ssp ruch scheuen, sei doch das selbe E m pfinden, u n d d a ß T h u k y d id e s die athenischen G esan d ten in Sparta reden läßt, als seien sie Schallplatten, aus denen, nach b ehutsam er Kurbel*

d rehung, die Stimme des Ju n k ers A lk ib iad es hallt. „ W e ilN o th kein G e b o t k enn t, m u ß te das bedrän gte A th e n sich in Rechts*

bru ch u n d T y ran n is entschließen. W e il es sein Schicksal nicht an Papierfetzen k leben läßt, d u rfte es das schwache Me*

los, statt ihm d ie W o h lth a t verb ürg ten Rechtes zu gew ähren, m it Schw ertgew alt überfallen. H ätten die M eier, w enn sie d er U eb erm acht sicher gew esen w ären, selbst etw a anders gehan*

d e lt? V on U rz e it h er ist W eltgesetz, d a ß K nrft den Schwäch*

ling einjocht: U n d d er T ro p f nu r, nicht d er Edle, versäum t die G eleg en heit, die zu R aum gew inn u n d M ach td eh n u n g

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D er harte Friede 141

ihm seine Stärke bietet. M u ß er, solche G eleg enheit auszu«

nützen, ,Recht* brechen, so b rich t er schon M orsches: denn Recht ist n u r geronnene, in N o rm en geprägte M acht, w ird m it w ank en der m ürb u n d festigt sich im T iegel n eu werden*

d en in ih r genehm e Form eln. M enschenrecht ist nicht, wie N a tu rre c h t, ein D in g an sich, ein allbindendes, unzerreißbare^

G esetz, so n d ern ein M ittel zum Z w eck d er E rlang un g per«

sönlichen o d er staatlichen V o rth eils.“ G estern hat, tro tz dem W id erstan d e der (ü b erall u n d im m er) für sich jed e Freiheit heischenden, gegen sich keine d u ld en d e n D em agogen, Aristo#

phanes in seiner V ögelkom oedie den G rö ß en w ah n seiner nach W elth errsch aft trach tend en M itb ü rg er grausam geh öh nt u n d ihnen prophezeit, b ald w erde A thens eigenes Fleisch die A tzu n g des von A th en erh o ch m u th großg esäugten Löwen w erden. H e u te sch ü ttelt A lk ib iad es die Leunm ähne w ider den Schwarm der „Schuster, G erber, G robschm iede, Zim#

merer, Bauer, K räm er“ , der ih n als M y sterienhöhner vors V olksgericht ru ft; w endet dem u n d an k b aren V aterlande den R ücken zu u n d übernim m t, sich als den Stärkeren, den Rechts«

präger von G enies G n a d e n zu erw eisen, die F ü h ru n g des Feindesheeres. M o rgen k eh rt er, nach A th en s M iß w en d e im sizilischen G ew ässer, als F lottenstratege, nach der Demo#

kraten m o de verm um m t, in die H eim ath zurück, von d er die w ichtigsten B undesgenossen abgefallen sin d ; w ird 408, am Plynterienfesttag, als T riu m p h a to r u m jubelt, in A llm acht ge*

kleidet, vo n den A erm sten selbst, die dem Staat n u r ihre B rut, die proles der Röm er, liefern, als H eilan d u n d Brin*

ger sozialer Seligkeit bejauchzt. Sechs Jah re nach seinem L an d esv errath ; vier vor dem vo n Sparta dik tirten Frieden.

D ie Sperre d er A igaiersee u n d des Schwarzen M eeres hat A th en au sg eh u n g ert; die R üstung der neuen Flotte, der letz#

ten, ist e tst durch die E inschm elzung d er goldenen u n d sil*

bernen K ultgeräthe u n d W eihgeschenke aus dem Parthenon#

tem pel m öglich g ew orden (d en n n u r vollw ichtige G old* u n d Silberm ünz, nicht m inderw erthiges K upfergeld, das Zeichen des Staatsbankerotes, w ird von L eistungfähigen in Z ah lu n g g enom m en) u n d der M arinesieg bei den A rg inu sen hat, ohne E ntscheidung zu fördern, Skager'rakopfer verschlungen.

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142 Die Zukunft

A u s dem tiefen Z w iespalt d er V olksstim m ung lo d ert in Ein*

h e it, wie eine Feuersäule, n u r die unlöschbare Sehnsucht nach Frieden. D e r w ird . D ie M auern , die Stadt u n d H afen um w allen, w erden geschleift, die Bleibsel der Flotte, bis auf zw ölf K ähne, dem Sieger ausgeliefert; A th e n verliert seine überseeischen K olonien, m uß sich d er spartanischen Kampf*

genossenschaft zu D ie n st verpflichten, E ingriff in seine Staats*

Verfassung d u ld e n , aus dem R ang selbständiger M ächte scheiden. D a rf es die Spartaner schelten, die, nach seiner Lehre, die G u n s t der S tu nd e zu M ach tm ehrun g nützen, m it dem Stem pel m ühsam erstrittener U eberg ew alt neue Rechts*

m ünze prägen u n d dieses H erren m o ralrech t des Stärkeren in u n um schränktem G eltu n g b ezirk schalten u n d w alten, be*

fehlen u n d verbieten lassen? D e r Z o rn d er von fast dreißig*

jährigem K rieg E nttäuschten, am E n d e einer m it Siegen ge*

pflasterten B ahn Z usam m engebrochenen schilt auch nicht lange; v erglü h t schneller als ein D o ch t, den kein O el m ehr trän k t. D a die T y ran n is der D re ih u n d e rt die Volksmehr*

h e it, die ih r ein schw acher Z ä rtlin g , also rechtsunw ürdig u n d rechtlos scheint, in stum m en G ehorsam un d dürftigen Pferch knechten will, flehen die von E nteignung, Vermögens*

konfiskation, Schreckstrafe jeglicher A rt b ed ro h ten A then er die Lakedaim onen, die Besiegten d en Sieger, um H ilfe a n : u n d athm en auf, als in die A k ro p olis ein H arm o st, in Athe*

nens B urg eine spartanische S chutztruppe einzieht.

In dreiu nd zw anzig Ja h rh u n d e rte n w ard keinem Abge*

o rd n eten irg en dw o so leidige Pflicht, so tragisch düstere F ron au fg e b ü rd e t wie der deutschen D elegation, die m it drei*

undzw anzig V ölkern in Versailles Frieden schließen soii. D a w eht nich t die L uft des W ie n e r K ong resses; w ird (auch im H o te l des R eservoirs, im D u n stk reis der P om p ad o u r, hoffen w ir) w eder getanzt noch geschlem m t; w ären die getrüffelten K ünste eines Talleyrand*Perigord w eder schm ackhaft noch v erdaulich; k ön nte die listigste seiner Listen nicht erw irken, daß , nach dem u n b ed ach ten Begehren des F ürsten Lichnow*

sky, das von der H ö he, vom steilsten G ra t des M ach tdü nk els, über? u n d w iderm enschlicher R echtsverachtung gestürzte, verarm te D eu tsch lan d , dem alle Schöpfquellen versiecht sind,

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Der harte Friede 143 so „b eh an d elt“ w erde wie das Frankreich des achtzehnten Louis. D e r log nicht, w enn er jed e G em einschaft m it dem K rieg u n d dem K riegsherrn v on gestern b estritt, n o ch , w enn er sich als das H a u p t eines Frankreich zeigte, das selbst um den Preis schw erer O p fe r sich ehrlichen Frieden erkaufen w olle. U n d T alleyran d , d en d er K önig in jed em B rief als seinen V etter („ M o n cousin“ ) anredet, n ü tzt, k lüg er als n u r schlau, n ü tz t staatsm ännisch weise jed en Fehler der „n ich t blos antifranzösischen, so n d ern an tieu ro p äisch en “ P o litik P reu ß en s u n d jed en ih rer o ft p lu m p en V ersuche, sich im G lanz ju n g er G ro ß m ac h t zu sonnen un d Frankreich (v o n des#

sen d u rch R evolution errungenem G eistesschatz, vo n dessen w eit vorw ärts w eisenden G ed an k en doch d er h u n g rig in neues Leben erw achte E rd th eil zehrt) sam m t d en vo n P reu ß en nach* W e st abgeschreckten deutschen M ittel Staaten n u r als O b jek te, niem als als Subjekte, der V erh an d lu n g gelten zu lassen. D ie behutsam e K ü h n h eit, w om it er E ngland u n d O esterreich in ein B ü n d n iß ü b erred et, w ird von T reitschkes hitzig w üthendem Schim pfgestöber („k y n isch e Schamlosig*

k e it“ , „un sau b ere G e w o h n h eiten “ : so gehts, ohne G razie, in infinitum ) nicht entw erthet; d a ß sie, ü b e r alle H ü rd e n u n d H in d ernisse hinw eg, flink u n d leis ans Z iel kam , w ird, als ein Meister« u n d M u sterstück hellsichtiger D ip lom atie, von Un#

befangenen im m er b e w u n d e rt w erden. D rei T age nach der W eih n ach t 1814 b esucht ih n Lord C astlereagh, E nglands V ertreter, u n d schlägt die W a h l eines A usschusses vor, dem die P rü fu n g der österreichischen u n d preußischen K riegs­

rechnungen zu übertragen sei. E inverstanden, sagt Talley#

rand ; fängt die Sache aber nicht dam it an, d a ß w ir uns ü b er bestim m te G ru n d sätze u n d Regeln v erständigen u n d , vor A llem , die (v o n P reu ß en verletzten) Rechte des Sachsenkönigs anerkennen, d ann v erläuft sich das M ü h e n in Sand; ohne ein kleines A bkom m en, eine anglo#austro#französische Sonder#

Vereinbarung, w ird sicher nichts Rechtes daraus. „Ihnen, F ürst, schw ebt ein B ü n d n iß v o r ? “ „D as, M ylo rd, wäre nicht durch au s n ö th ig ; m ir aber, w enn Ih r W u n sch d ah in geht, w illkom m en. W ir sin d einig in dem E ntschluß, um jed e n Preis, n u r nich t um den von Ehre, G erechtigkeit, Z u k u n ft

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E u ro p a s, die Sicherung des Friedens zu erkaufen. M ü ß , d en n o ch , Krieg sein, so w ird selbst E nglands friedliches V olk ih n froh grü ß en , w enn Sie ih n als einem gro ßen, w ahrhaft eu ro p äisch en Z w eck, also d er W ied erh erstellu n g Polens,

•dienstbar zeigen.“ A m nächsten M o rg en h ö rt er, d a ß die P re u ß e n , au f dem R echtsboden von H u m b o ld ts „V orschlägen ü b e r d en G eschäftsgang des K ongresses“ , den neuen Rech*

m ungausschuß jed em Franzosen verriegeln w ollen. „ D a riß m ir d er G ed u ld fad en . O h n e m ich ins M aß lo se zu verirren, w ürd e ich, m ild ausged rück t, heiß u n d heftig. Ich sagte dem L ord Stew art, w enn er in seiner H in g e b u n g an P reußen, sein B ru d er C astlereagh in d er bisher a u f dem K ongreß gezeigten H a ltu n g beharre, w erde E ngland sie, in Vollkennt*

n iß des T hatb estan d es, zu richten h ab en ; u n d w enn in den R echnun gsausschu ß nich t ein V ertreter Frankreichs aufge«

nom m en w erde, verlasse am T ag d er W eig eru n g die Ge*

sandtschaft E u re r M ajestät in W ie n .“ D ie erschreckten Briten w erden weich, K aiser Franz u n d M ettern ich billigen Talley*

rands S träuben gegen preu ß isch en V ordraftg, als Frankreichs K om m issar tritt Freiherr vo n D a lb e rg in den A u ssch u ß , Sachsens Sache steh t gut, Polens im m erhin besser als je zu ­ vor: u n d fü n f T age nach dem G espräch m it Stew art w ird d er V ertrag unterzeichnet, der O esterreich, E ngland u n d Frank«

reich, „zu A b w e h r sich jetz t offenbarender A n sp rü ch e“ , ver*

pflichtet, gegen A ngriff o d er B ed roh u ng im Bezirk der ge*

m einsam en, dem Recht u n d der G erech tigkeit genügenden Beschlüsse einander m it m indestens h u n d ertfü n fzig tau sen d M a n n beizustehen; A ngriff oder B ed ro hung H ann ov ers o d e r H o lla n d s g ilt als gegen G ro ß b rita n ie n gerichtet un d ein A nh an gsartikel, der geheim bleiben soll, ladet die Kö»

nige vo n H a n n o v e r u n d Bayern u n d d en souverainen H e rrn der V ereinigten N ie d e rlan d e zu E in tritt in den neuen B u n d ein.

D u rfte n sie z a u d e rn ? A lle fürchteten P reußens harten Er*

obererw illen, sein G e d ü n k e l in H erren m oral u n d Veracht*

u n g des von A n d eren erw orbenen Rechtes. W e r in M acht d en einzigen R echtsquell sieh t, d a rf nich t hoffen, d a ß zu W id e rsta n d Fähige ihm M ^ch tm eh run g gestatten w erden.

L au tei als so nst ju b e lt d er steife, au f seinen alten A d e l u n d

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D er harte Friede 145 seine Frau, die Prinzessin v on B ückeburg, stolze W elfe G ra f M ü n ster: „ W ir spielen^eine"Partie ä tro is; ist der F eind ge­

schlagen, so gehts gegen den F reu nd .“ D e r Britenlöw e, dem ju s t in diesen T agen der A b sc h lu ß des Friedens m it den V ereinigten Staaten von A m erika die Pranken v ö llig frei m ach tT b ru m m t} behaglich a u f;fd e n n dieses P re u ß e n , das, für englisches G eld, in E nglands Interesse tapfer gefochten hat, d a rf n icht allzu breitstäm m ig w erden. U n d der F ürst vo n T alleyrand, P erig ord, B enevent kan n seinen L o u is, d en K önig des vo r n eu n M o n aten geschlagenen Landes, d u rch einen T riu m p h b o g en ins N e u e Ja h r führen. „ D e r uns feind»

liehe G eist d er K oalition h atte den K rieg ü b e rd a u e rt u n d die Stim m ung, die ich hier fand, die Pläne, d ie ich nach m einer A n k u n ft entdeckte, ließen m ich fürchten, Frankreich w erde ein H a lb ja h rh u n d e rt lang in E u rop a vereinsam t sein.

Solchem U n h eil vorzubeugen, h abe ich m it allem Kraftauf»

w and mich gem üht; doch m eine k ü hn sten T räu m e schmeichele ten m ir nicht m it der H o ffn u n g vollkom m enen G elingens.

Jetzt, Sire, ist fü r im m er die K oalition aufgelöst; u n d Frank»

reich ist nicht n u r in E u ro p a n icht m ehr einsam , so nd ern E ure M ajestät k ö n n en au f ein B ündnißsystem blicken, wie es kaum von fünfzigjähriger V erhändlerarbeit zu erhoffen war. M it zwei der g rö ß ten M ächte u n d drei Staaten zw eiten Ranges sind Sie schon in E intracht u n d w erden b ald in W illensgem einschaft m it allen Staaten sein, deren G ru n d sätze u n d R ichtlinien nicht die der R evolution sind. Ein so gewalti»

ger, so heilvoller W a n d e l d er D inge ist n u r d em W alten derVor»

sehung zuzuschreiben, deren G n ad e in der R ückkehr E urer M ajestät fü h lb ar w urde. N äch st G o tt w aren die w irksam sten U rsachen der W a n d lu n g : D er E indruck, den m eine Briefe in M etternich u n d C astlereagh m achten; die A nreg u n g des E ntschlusses zu anglo»französischer V erständ igu ng ; d er Er»

folg m eines Strebens, das englische M iß trau e n auszujäten u n d Frankreichs reine Selbstlosigkeit zu erw eisen; d er Ab»

Schluß des Friedens m it Am erika, der den Briten volle Hand»

lung freiheit w iedergiebt u n d den M u th stäh lt; schließlich auch die in anm aßendem T o n vorgetragenen F o rderungen R u ß lan d s u n d P reußens. D ie so entstandene Gesamm tstim *

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146 Die Zukunft

m u n g nutzte ich zu n eu er B eto n u ng des W u nsch es nach einem Soliderabkom m en. A ls L ord C astlereagh d a ra u f eingegangen w ar u n d , zu m einer U eberraschung, selb st m eine V orschläge in die Form v o n V ertragsartikeln g ebracht hatte, lo b te ich seine A rb e it; u n d er w ar fü r dieses L ob d o p p e lt empfang*

lieh , w eil ich bis in diesen T a g ih n nie m it Schm eichelrede verw ö h n t hatte. N o c h am selben A b e n d hab en w ir m itM etter*

nich, nach klein en redak tio n ellen A en d eru n g en , den V ertrag unterschrieben. Einzelne A rtik el k ö n n ten fester geform t sein;

w enn m an ab er m it L euten schw achen C harakters zu th u n hat, m u ß m an sich spu ten. D e r V ertrag h a t n u r Vertheidi*

gungzw eck, m ilitärischer B eistand ist n u r gegen A ngriff zu leiste n : u n d dessen G efahr w erden R u ß lan d u n d Preuß en w ohl scheuen. W ü rd e K rieg aber unverm eidlich, dann hätte er ein ed*

les,d en w ahren Interessen E uropas nützliches Z iel; u n d solcher K rieg, dessen E rfolg fast u n feh lb ar wäre, brächte Frankreich w ieder in d en V ollbesitz in ternatio n aler A c h tu n g u n d allge*

m einen V ertrauens: in d en Besitz eines G u tes also, das höhe*

ren W e rth h a t als ein paar w eder d er M acht noch dem W ohls stand Frankreichs u n en tb ehrlich e Prov in zen .“ (A u sT alley*

ran d s G eleitb rief vom vierten Ja n u a r 1815.) D ie E rn eu u n g d e r franko*britischen Entente C o rdiale u n d der kaunitzischen Koa*

lition w ar (d ie E itelkeit u n d das fleckige G ew issen des Brief*

schreibers verschw eigts) n u r gelungen, weil T alleyrand die Sache seines K önigs u n d Landes m it dem dicksten Trennung*

strich vo n der B onapartes geschieden u n d nie auch n u r den leisesten V ersuch gem acht hatte, das U n rech t des Eroberer*

krieges zu leugnen u n d sich einer von d er V olkskraft er*

füllbaren S ühnpflicht zu entziehen. O b die H ä u p te r der in V ersailles angelangten M assenprozession dieses E rleb n iß richtig, auf den Schalen reinen W illen s, w ägen u n d von der G ew ichtssum m e sich über d en N u tz e n des m itgeschlepplen G eistesgepäckes belehren lassen? M inister, Industrielle, Ban*

kiers, O zeanrheder, G eheim räthe, Offiziere, P rofessoren, Schriftsteller, M arinem änner, Sekretäre, Propagandachefs, am tliche u n d private R epo rter, nach d er R epublikanerm o de um gekleidete, in Pazifistenm ilde geschm inkte M ilitärm on*

archisten, parteilos k o k ette o d er non n isch züchtige Schreib*

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Der harte Friede 147

fräulein: w underlich b u n tes, zu leid vollster A nabasis froh*

lieh ausgestattetes G ek rib b el, das n icht n u r den stets marsch*

bereiten P arisersp o tt h erau sfo rd ern m u ß te. H e iß t, endlich, der Theram enes, d er ihm befiehlt, die Schim pfchöre schweif gen, m it denen er auszog u n d die ihm h eute noch nach*

h allen ? „ D ie Z u rü c k h altu n g u nserer K riegsgefangenen“ (d er w ir im W affenstillstandsvertrag zugestim m t h ab en ), „ist der u ngeheuerlichste V ölkerrechtsbruch aller Z e ite n “ (nach dem deutschen von 1918, der noch acht M o n ate nach Friedens*

schluß zwei M illio n en R ussen ins H örig enjoch zw ang) „ u n d ein H o h n auf M oral u n d M enschlichkeit“ . A lltag stext: „Un*

sere Feinde sind B etrüger, G au n er, H euchler, w enden die gem einsten M ittel an, h aben uns A rglose m it dem Speck der V ierzehn P u n k te in eine Falle gelockt, sollen uns reichlich zu essen geben, unserer In d u strie Rohstoffe liefern, doch sich nicht in die W a h n v o rstellu n g erfrechen, d a ß w ir uns eines U nrechtes zeihen o d er in Sühne verpflichten lassen.“

N ie sin d Besiegte so a u f einen F riedenskongreß gegangen.

V e r s a i l l e s

In der Spiegelgalerie des versailler Schlosses, das einst die W o h n u n g d er A llerchristlichsten K önige war, sitzt dem K ongreß, von dem die M enschheit die Stiftung haltbaren W eltfried ens erhofft, ein von A lterslast un gebeugter G reis vor. E in A sia t? D em ersten Blick scheint ers. M it der gel*

b en H a u t u n d der Sattelnase zwischen vorstehen den Backen*

knochen, dem T ataren sch n u rrb art erinnert er an die M ongo*

lei eher als an die V endee. So aber sah m ancher Kelten*

h äu p tlin g , m ancher gallische B rennus aus. F ü h lt H err G eorges C lem enceau sich heute dem B rennus ähnlich, der nach seinem Sieg am A llia die geschlagenen Röm er zwang, ihren T rib u t, tau sen d P fu nd G oldes, nach u ng ü n stig gefälschtem G ew icht abzuw ägen, u n d den d a rü b e r K lagenden das H o h n w o rt ins A n tlitz d o n n erte: „Vae victis“ ? W ill auch er n u n einen Tot*

feind erkennen lehren, d a ß der Besiegte rechtlos, jed e r W ill*

k ü r des Siegers ohnm ächtig ausgeliefert ist? Ich kanns nicht glauben. Z w ischen den Schlachten am A llia u n d an der M arne liegen zwei Ja h rta u se n d e u n d drei Ja h rh u n d e rte ; leuchtet

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148 Die Zukunft

die V erk ü n d u n g der C h ristenlehre u n d alles M ü h e n edlen M enschengeistes, von Sully, B ern ard in de Saint* Pierre, Rous«

seau, Im m anuel K ant, W a sh in g to n bis au f W ilson , der W e lt w ü rd ig en Frieden zu sichern, den U e b e rm u th physischer Ges w alt u n ter das Banner des Rechtes zu beugen u n d au f einer v o n d er unverw elklichen B lüthe aufrichtiger N ächstenliebe d u fte n d e n E rde der P ersönlichkeit, der N a tio n e n w ie der In*

d iv id uen, die ih r g eb ü h rend e A ch tu n g zu verbürgen. Starr sollte von all diesem M ü h e n , u n b eleh rt von d er feinsten W e ish e it civilisirender Jah rtausen d e, d er achtundsiebenzig*

jährige V endeer sich scheiden, dessen ganzes Leben ein K am pf für das Recht, die Freiheit, den F o rtsch ritt des H um anism us w ar? T ro tzd em er, dem im K aiserreich Louis N apo leon s nicht w o hl w urde, aus A m erika eine w o h lhabende Frau heim*

g efü h rt h a tte , saß er als A rm enarzt au f M o n tm artre u n d käm pfte im pariser G em ein d erath fü r die M ühsäligen u n d B eladenen. W ä h re n d d e rC o m m u n e h errsc h a ft ist der D re iß ig ­ jährige V erm ittler zw ischen V ersailles u n d Paris, R ebellen u n d G eiseln. In der K am m er G am b ettas N ach fo lg er als von Belleville A b g eo rd n eter. Z o la s te llt ihn, d er die Z e itu n g

„La Ju stice“ herausgieb t, schon 1880 (im „ F ig aro “ ) üb er G am betta. „ H e rrC le m e n c e a u ist ein w issen schaftlicherG eist v on ernsthafter B edeutung. Er g eh t m it dem J a h rh u n d e rt u n d g e h ö rt ins E rste G lie d der n euen M änner. E r spricht klar, einfach, logisch; die Sprache des m o d ern en R edners.

Ich fin de seine R eden, w eil sie schlicht bleib en u n d vom U ebersch w an g d er R h etorik nicht b esp ü lt w erden, viel besser als G am bettas. T ro tz d e m ist dieser A b g e o rd n e te fast ver*

einsam t u n d noch o hne alle A u to ritä t im Kreis d er Kol*

legen. Ich b in 'sich er, d a ß d er m ittelm äßige F lo q u et früher als er ans R u d er gelangen w ird .“ So ists gekom m en. D er rad ik a le A rm enarzt erlebt erst seinen g ro ß en T a g , als er (B risson sitzt v o r u n d Fallieres, ders d an n bis zu r Präsident*

schaft d er R ep u b lik brachte, ist K ultusm inister) dem von der W u th u m h eu lten M in isterp räsid en ten Ju les Ferry zu ru ft:

„ W e g m it Ih n e n “ (Allez* vo us#en!). W ird seitdem als M inister*

schlächter b erü h m t. E in E hesch eid u ng sk and al schm älert sein A nsehen. D ie Panam aschlam m fluth sp ü lt d en F reu n d des

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D er harte Friede 149 P ro m o to rs C o rnelius H erz aus dem Palais B ourbo n. E r g ilt als v o n den K analräubern u n d von E ng lan d Bestochener u n d w ird, w enn er den M u n d au fth u t, m it dem albernen H o h n ru f „A oh yes!“ zum Schweigen gebracht. V ernichtet?

E r lächelt; fü h lt sich u nverw üstlich. G rü n d e t w ieder eine

„Justice“ , d an n den „B loc“ ; leitet schließlich die „ A u ro re “ . W er n ich t hö ren will, soll lesen. Clem enceau w ird d er Ge#

neralissim us des D rey fusvo lk es; ru ft zum W id e rs ta n d gegen d ie Staatsgew alt u n d verdam m t d en M ilitarism us sam m t den K riegsgerichten (d en en er je tz t alle Landesverrathsprozesse zugew iesen h a t.) W ird Senator u n d, wie alleD reyfuskäm pfer, w eltberühm t. Spät erst, als Sechsundsechziger, aber M inister.

E in H a lb ja h rh u n d e rt lang h a t er ohne W a n k für die Befrei*

u n g der G eister v o n Priesterherrschaft u n d M ilitaristenüber*

muth,.. gegen K utte u n d Säbel gekäm pft. O ft, besonders gegen gehaß te M in ister, w ie E in er, d er den K am pf um

•des K am pfes w illen liebt. G am b etta, Ferry, M illerand, Jaures, D elcasse, Poincare, R ib o t: w er einen N am en hat, m u ß ihm v o r die Klinge. „B atailleu r“ , wie C y rano de Bergerac, von dem er auch den spitzigen D egen des W itzes geerbt hat, u n d m an ch m al,,b retteu r sans vergogne“ . A b e r derklassischejako*

biner, der Letzte vom Stamm D a n to n s: u n d, dennoch, ein geistiger M ensch. (Sogar ein D ram a h at er geschrieben: u n d die bö sen Boches haben es, in dem au f den N am en des Fran*

zosenfressers Lessing getauften berlin er H a u s , aufgeführt.) A ls M inisterpräsid ent, v o r zw ölf Jahre*, ließ er, freilich, Ma*

rianne seine spitzig harte Faust spüren. D e r W in zerau fstan d im Süden w urde m it G ew alt u n d List niedergerungen, einRe*

gim ent, das den G ehorsam weigerte, zu Strafe nach T u n is ver*

setzt; in M arseille w urden Bäckergesellen, in Paris Elektrizität*

arbeiter zu Paaren getrieben; wo ein Fünkehen aufglom m , m u ß ten Soldaten gegen K leinbürger u n d A rb eiter m arschiren;

u n d am ersten M aitag glich die H a u p tsta d t einem Feldlager, das des A larm rufes harrt, Jau res, der gro ß e R edner, schäum t;

w ird aber m it Lauge b esch ü ttet u n d erstreitet im K am pf gegen diesen Feind nie einen Sieg. A lle M ittel gelten. C lem enceau hat 1871 gegen d en Prälim inarfrieden gestim m t u n d die Hoff*

n u n g au f Rache für Sedan nie bestattet. Ih n haben, v« n H ohen*

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150 Die ZuKunft

lohe bis au f R adolin, alle deutsch en G eschäftsträger ais d en Be*

reiter d er revanche gefürchtet. D e r w ird d en nach M a ro k k o g ierenden D eu tsch en d en D aum en aufs A uge drücken. E r sorgt, d u rch V ertragsabschlüsse m it Spanien, m it Jap an fü r R uhe am A tlas, in Ind o ch in a, a u f M adagaskar. G e h t dann furchtlos n a c h U d jd a , das der algerische Soldat, nach demlan*

gen Z a u d e rn d er Pariser, k aum noch zu betreten gehofft hatte.

U n d lo b t m u n ter jed e n G eneral, d e r in d er chaleur comm unU cative des banqu ets dem N a c h b a r Eins ausgew ischt hat. Den*

noch: in dem R adikal*D em okraten u n d dem fü r die T rik o lo re begeisterten P atrio ten leb t der geistige M ensch. A rb eit, Ge=

rechtigkeit, M o rg en rö th e, D e r Freie M e n sc h : auf diese T itel h at er die Z e itu n g e n g etauft, die er herausgab. W ill er sein L ebensw erk jetz t k ö p fen ?

Sein erstes M in isteriu m h at ruhm los geendet. Sechs T age nach dem T riu m p h , den ihm die N atio n alfestp arad e in Long*

sham p 1909 beschert hat, stü rzt ih n D elcasses W o rt, stürzt ihn das U n g estü m seiner W id e rre d e , die v erräth, d a ß Frankreich im A lgesirasjahr u n g erü stet u n d deshalb gezw ungen w ar, „in die schm ählichste D e m ü th ig u n g “ sich zu erniedern. D ie K am m erferien sin d nah ; h u n d e rt A b g eo rd n ete au f einer Reise durch N orw egen . K onservative, Liberale, Sozialdem okraten v e rb ü n d e n sich gegen d asK ab in et u n d lehnen das bestellte Ver*

trau en sv o tu m ab. W ä h re n d d ie b la u en Stim m zettel sichin den K örben häu fen u n d die Schlappe d er R eg iru ng G e w iß h e it w ird, packt C lem enceau seine A k te n zusam m en u n d sagt lä*

chelnd: „Ich gehe“ . („Je m ’en vais.“) H e rr Brisson p räsid irt w ieder, wie am Schicksalstag Ferrys, d er K am m er; u n d H e rr Fallieres, der dam als neben dem M ärty rer au f der M inister*

b ank saß, em pfängt n u n , als S taatsoberhaupt, aus Clem enceaus H a n d das Entlassungsgesuch des K abinets. „ W ars niqht sehr vernünftig, d a ß ich in m einer W o h n u n g b lie b ? M it dem Re*

genschirm kam ich ins M inisterium ; m it m einem Spazirstock g e h e ic h . G a r keine U m zu gsko sten also. M eine N achfolger m ögen an solcher V orsicht ein Beispiel n ehm en.“ E in letzter W itz : u n d d er D ik ta to r w ird w ieder Z eitungschreiber. B leibt W itz* u n d R au fb o ld . „M ein e M eh rh e it w ar u n ter derM itter*

nachtsonne. U n d w iek o n n te ichm ich zwischen zwei K ollegen

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Der harte Friede 151

rü hren, deren einer (C aillau x ) sich für N ap o leo n , d er andere (B ria n d ) gar fü r Jesu s C h ristu s h ä lt? “ A ch t Jah re danach schreibt er, der den M arnesieger Joffre nie recht anerkannt, die M in ister V iviani u n d B riand, R ib o t u n d Painleve geschol»

ten, den P räsidenten Poincare täglich gezaust, den Präsiden»

ten W ilso n geh öh n t, die C aillaux un d M alvy im M örser sei*

nes Z ornes zerstam pft hat, ü b er seinen L eitartikel für den

„ H o m m e Enchaine“ den T itel: „E ine R egirung w ird gefor»

d e rt!“ F ünfzehnter N o v e m b e r 1917. N achm ittags ersucht ihn H e rr Poincare, diese R egierung zu schaffen. A m Sechzehnten, um Zw ölf, (nicht erst um Fünf, wie d er h u rtig e G reis den Re*

p o rte m verheißen h atte), ist sie fertig. D ie erste K am m errede:

trutzigste,schrillste Fanfare. A n V ersöhnung, V erb rü d eru n g der V ölker, an W eltw en d e u n d sanfte H errschaft des Rechtes glau b t er nicht; die „N atio neng esellschaft“ , die H e rr B ourgeois seit zehn Jah ren em pfiehlt, ist ihm B rim borium fü r K inder u n d fast iedenSatz inW ilsonsF rieden sp rog ram m h at seinS pott häm isch zerstichelt. Ih n (sagte ich dam als hier) „k an n n u r Sieg, der den Feind in O h n m ach t zerschm ettert, sättigen; a u f der franko»

britischen Front (jed e andere w ar ihm Q u a rk ) rascher Sieg ü ber d en E rzfeind, das von P re u ß en gewafifnete D eutsche Reich.

E r ist, er allein, die R egirung; spielt, als P räsid ent u n d Kriegs»

m inister, die letzte, die höchste Partie; u n d w ird alle Pulse, N erven, W illensfasern an den V ersuch setzen, m orgen, end*

lieh, vor dem Blick einer W e lt sich in das G rö ß e n m a ß zu recken, dem er stets sich gew achsen fand. G ro ß es kan n er d e r H eim ath gew innen; ih r auch U ngeheures verlieren. Ehe aus dieser gelben K nochenhand der W ü rfe l fiel, ist das A d v e n tw u n d e r der Seelenverm ählung nicht n*h. Baum eister Solneß w agt sich au f den First des H auses, das sein T rau m g eb au t hat. Stürzt er herab, dann jauchzt die Ju g en d , d ie nicht von fiebernden G reisen ihre W o h n s ta tt bereitet, nich t m it schim m elnden G ed an k en das H eim ih rer Sehn*

su cht m ö b lirt sehen w ill; die vor m üden Beam ten u n d kühlen W o rtle rn au f den Schlag eines g ro ß en H erzens horcht. M it dem Z a h n des T igers verw est dann auch der (nach dem G lo ck en sp ru ch unseres D ich ters schrecklichere) M enschen*

w ahn. U n d aus v erglühender Schlacke des vo n M achtgier

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152 Die Zukünft

u n d R aum su ch t entseelten P atrio tism us schw ingt, als P h ö n ix d er in F eu ersb ru n st gestorbenen In tern atio n ale w im m elnder A rm u th, M en sch h eitb ew u ß tsein sich him m elan.“ D e r G reis h a t das Spiel gew agt u n d gew onnen. W ird n u n d as W u n d e r ?

E r blickt um sich; u n d ü b e r die d u rch fu rch ten g elb en Flächen d er W an g en h u sch t ein A b en d strah l fu n k elnden Tri*

um phes. D iesen Raum , wo E itelkeit so herrlich, von allen Sei*

ten, sich spiegeln kann, h at ein n ich t gloreicher L ouis „a to u tes les gloires de la France“ gew eiht. N o c h p ran g t das W o rt an den W ä n d en . V on denen hallte am achtzehnten J a n u a r 1871 die P rok lam ation des D eutschen K aiserreiches w ider. H e u te aber schauen u n d h ö ren sie den höchsten R uhm , d en Frank*

reichs glorreiche G eschichte je a u f ihre B lätter verzeichnet hat. U n d D e r dem V aterlan d nach langer E n tb e h ru n g diesen R uhm beschert, ist d er M an n, d e n die L andsleute als von E ng lan d Bestochenen, vom Schlam m des Panam a«G eschäftes B eschm utzten geschm äht, aus d er A b g eo rdnetenkam m er in den Senat v ertrieben u n d dem selb st die A n h än g er nachge*

sagt haben, er sei zw ar ein starker Polem iker, unübertroffen seit Paul«Louis C o u rier als P am p h letist, doch kein Staats*

m ann, er k ö n n e zw ar stürzen, verw u n den , vernichten, aber n icht au f b au en , h eilen , als Schöpfer w irken. H a t er n u n nicht die H eim ath vo n dem Leid geheilt, an dem sie fast ein H a lb ja h rh u n d e rt lang krankte, nicht den W ie d e ra u fb a u Frank*

reichs in G lanz u n d G rö ß e d e r B ourbon# u n d Bonaparte*

Z e it b eg o n n en ? A ls G reis, jetz t gar m it einer K ugel zwischen den L u n g en lap p en , d arf er sich an T riu m p h w eiden, wie seit B onapartes erfu rter T ag kaum je ein S terblicher, ein C iv ilist vielleicht niem als ih n erleb t hat. U e b e r d e r hageren B rust k reu zt er die sehnigen A rm e, zieht, wie ein tief Auf*

athm ender, die Schultern h och: u n d äh n elt noch jetzt in je*

dem H a u p tz u g dem P o rtrait, das, v o r vierzig Jahren, E d o u ard M an et von ihm gem alt hat. A lle G reisengüte ist aus dem A uge, dem A n tlitz des K elten gew ichen. H a rt blickt er vom P räsiden tenstu hl in das Lichtgeflim m er des Saales. Vae victis!

Sein W in k öffnet den „delegues b och es“ die T h ü r.

K önnte ich, noch in dieser Stunde, zu ihm sprechen!

ü e b e r M eilenw eiten hinw eg n u r kann ichs versuchen.

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Der harte Friede 153

„ In Ih re n L ebensgang, Ihre E m pfindungzone habe ich m ich ehrlich einzufühlen versucht. D ie N ied erlag e v on 1871 h a t Ih r Leben vergällt u n d verpfuscht. D ie Besiegtenseele ringsum ängstlich athm en zu hören, w ar Ih n en G räu el u n d Q ual. Sie saßen im P arlam ent v o n B ordeaux u n d unter#

schrieben d en feierlich, wie eine dem R achegott gew eihte G locke, d rö hn en d en. P ro test gegen die A b re iß u n g des ElsäS u n d L othringens von dem geliebten Leib Ih rer H eim ath.

A lle anderen U n terzeich ner dieses Protestes sanken ins G rab . Sie allein erlebten den Rachekrieg. D en h atten Sie gew ollt, ersehnt: u n d es war, als habe dieses W o lle n u n d Sehnen Ih ren K örper so gestrafft, in Stahl gehärtet, d a ß ih n die Sense des schw arzen Schnitters n u r streifen, n ich t m ähen kon nte, d a ß sie k lirren d v o n seiner m etallenen Schale ab g litt u n d selbst die K ugel des K naben C o ttin den G reis n icht ernst»«

lieh verletzte. W e n n all die M änner, die Sie an diesem T isch um ringen, vor G o tth e it u n d M enschheit beschw ören können, d a ß sie den K rieg nicht gew ollt h a b e n : G eorges Clem enceau d arf diesen Schw ur nicht au f sein G ew issen nehm en. W ird auch nicht. B rauche ich Sie an all die un freundlich hefti*

gen W o rte , die Sie gegen D eu tsch lan d geschleudert haben, an all Ihre M ah n ru fe zum S ü hnkrieg zu erin n e rn ? Sogar dem trau rig en R itter B oulanger hab en Sie, w eil er das Schwert Ih rer H o ffn u n g w erden zu k ö n n en schien, sich fü r ein Weil*

chen gesellt. U n d , als M inisterp räsid en t, im M ärz 1907, den G eneral B ailloud um arm t, der in N an cy seiner Z uversicht au f die nahe R ückero b erun g der verlorenen P rovinzen öffent*

lieh ungestüm en A u sd ru c k gegeben hatte. D eren V erlust schien Ih n en stets unverschm erzbar, die A n n ex io n eine Tot#

sünde, die gerächt, gestraft w erden m üsse, wärs auch um den Preis eines .zoologischen Krieges*, wie ih n E rnest Renan in seinem berühm ten B rief an Strauß vorausgesagt hat.

D iesen K rieg haben Sie erlebt, g eführt. Sie haben ihm, als K riegsm inister u n d Prem ier, stärkeren A them gegeben, als er je zuv o r in Frankreich hatte. Sie sind, in höherem Sinn als C a rn o t, der O rg an isato r des Sieges gew orden. D as w issen wir. Ich kö n n te Ih n en Briefe p reu ßischer G enerale u n d P rinzen zeigen, die seufzen: .H ä tte n w ir einen deutschen

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154 Die Zukunft

Clemenceau!* N u n sin d Sie das sichtbarste H a u p t u n d der M u n d D erer, die den W eltfried en organisiren sollen. D ie G ew alt Ihres patrio tisch en Sehnens, die Ih ren alten K örper die Strapazen alltäglicher F ro n tfah rten ertragen ließ, h at auch Ih ren nie träg rasten d en G e ist in U n ste rb lic h k e it gestählt.

D ie ist ih m , nich t n u r, wie dem Leib d er Schein unbe*

grenzter L ebensdauer, ist dem P räsid en ten dieses K ongresses g ew iß. U n g ew iß n u r, ob Sie als ,D e r T ig e r' o d er als Mit*

Stifter eines neuen M en sch h eitb u n d es im G ed ä c h tn iß der M enschen leben w ollen, als V ertreter alter, von M achtgier u n d R achsucht bew egter W e lt o d er als B aum eister an dem neuen, au f die G ru n d m a u e r sozialen E m pfindens gestützten T em pel edler V ölkergem einschaft. T h a t is the q uestion .

D e r einzig U eberlebende von B ord eau x b rin g t dem Vater*

lande den E lsaß u n d L othringen zurück. A h n en Sie, wie schw er den D eu tsch en d er A b sch ied , die E insargung sieben*

undvierzigjäh rig er V erw altun g arb eit w ird ? F ü r die O rd n u n g , d en W o h lsta n d dieser P rovinzen h ab en die D eutschen, deren M angel an V ölkerpsychologie, T akt u n d freun dlich er Sitte gerade d o rt so fürchterlich fü h lb a r w u rd e , im m erhin viel gethan. W e n n E tw as uns trö sten k ö n n te, wärs die Gewiß*

h e it, d a ß Ih r Frankreich den alem anischen E lsaß zärtlich pflegen, nich t gew altsam franzosiren will. Straßburg, die Stadt Erw ins u n d G oethes, die alten R eichsstädte, d urch deren M au ern in der Z eit Ihrer G ro ß e n R evolution der R u f franzö*

sischer H eerfü h rer deutschen Stamm es, K lebers,K ellerm anns, R apps, hallte, w aren u n d w erden nie französisch. E rhalten Sie, statt preuß ische Fehler zu w ied erh o len , Sprache u n d alten Brauch zu u n terd rü ck en , dieses schönen Landes Person»

lichkeit, gew ähren Sie ihm u neingeschränktes seif govern*

m ent, vielleicht nach dem G alveston*System , u n d bereiten Sie selbst es noch d ad u rc h für die ho h e P flich t, M ittler zw ischen zwei V ölk ern zu w erden, die, w eil sie einander nich t entbehren, ab er w u n d erv o ll, wie Flam m e u n d W u c h t, ergänzen k ö n n en , einand er verstehen lernen m üssen.

B itter lächelt Ih r M u n d ; u n d ich w eiß, was er sprechen m öchte. Sie w iegen sich nich t in Illu sionen, dürfen sich, als G eschäftsführer eines bis ins M ark getroffenen V olkes,

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D er harte Friede 155

anicht den L uxus gestatten, m it Phraseologie M agen u n d H irn zu füllen: u n d Phraseologie ist Ih n en A lles, was nicht schon einm al gew esene E ntw ickelung zu erneuen verheißt. W ie .grimmig haben Sie, als H o m m e Enchaine, das E vangelium des"Präsidenten W ilso n verspottet! A llm ählich aber hat es auch Sie in seinen Bann gezw ungen: u n d als sein E xp o n en t sitzen Sie heute hier. D as d ü rfen Sie nicht vergessen.

D ie Z eit drängt. Lassen Sie m ich m it der letzten Offen«

heit, wie einen Sterbenden, reden, für ein Land, das sterben m ü ß te, w enn Ih r h arter W ille alle weicheren R egungen der M en sch lich keitü berw ände. A b e rn ic h tn u rfü r dieses Deutsch*

land, in dem , w ahrhaftig (Sie w erden von m ir keine Lüge ihören), nicht n u r Boches leben, das auch die W iege wür*

<ligster K u ltu r, nicht n u r berüchtigter Professoren#,K ultur4, w ar uftd dem A b en d lan d , dem W eltw esten seine duftigste B lüthe, M usik, geschenkt hat, — nein: auch für das kos«»

m ische T elos u n d , schließlich, fü r Sie selbst.

Ih n en g en ü g t die H eim k eh r des E lsaß u n d L othringens nicht, au f die doch n u r Ih r k ü h n ste r T rau m zu hoffen wagte.

Sie w ollen das Saarbecken, die politische oder w enigstens w irthschaftliche H errschaft ü b er das linke R heinufer u n d ein G e b irg von M illiarden. B egreiflich. Frankreich ist nach dem Sieg unvergleichlich viel schw erer v erw u nd et als 1871 nach der N ied erlage. S ech su n d d reiß ig M illio n en E in w o h n er:

u n d davon drei M illionen d er kräftigsten, zeugungfähigsten M än n er gefallen o der an K riegsfolgen gestorben. D as wich*

■tigste In d u strieg ebiet, die Schatzkam m er der R epublik, ver*

w üstet, ihr Frucht* u n d W ein*Paradies zerstam pft, ihre Kohlen*

schachte ersäuft o d er au f Jah re hinaus zerstört. W ie soll Frankreich, das allein fü r M u n itio n achtu nd zw anzigtausend M illio nen Francs ausgegeben hat, sich erholen, w enn ihm nicht D eu tsch lan d s G eld, A rb eit, Rohstoffe aufhelfen? D er sozialistische A nh än ger der Longuet, C achin, M istral, auch m anche an Zolas ,La Terre* erinnernde Bauerfam ilie w ürde, w enn die riesige K o n trib u tio n ausbliebe, zornig auf brüllen:

.,La gloire, je m ’en fiche! L’Alsace»Lorraine, je m ’en fiche! Ich w ill nicht, daß wir, d aß unsere K inder u n d Enkel von der S te u erlast erd rü ck t w erden. W ir h ab en die Q ual, das Ent*

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156 Die Zukunft

setzen dieses ungeheuersten aller K riege nicht g e d u ld ig a u f uns genom m en, um nach dem Sieg selbst in tieferem E lend zu stö h n en als je zuvor.4 D ie R egirung m u ß eine so ziale R evolution, m u ß noch viel G rauseres als eine neue Jacq u erie für den Fall fürchten, d a ß die V olkshoffnung auf G e w in n enttäuscht w ird. D eshalb , n ich t aus U eb erm u th , fo rd ert sie so U nerm eßliches. Sie w ill u n d b rau ch t die M öglichkeit, in ihre Ja h resb u d g ets gew altige P osten d eutscher M illiarden, einzusetzen. D e n n so o ft sie der N a tio n neue O p fer abver*

langte, h a t sie, zum T ro st, ih r gesagt: ,L’A llem agne payera!1 D iese O pfer, G eld o p fer w aren nicht schwer. D ie Am e*

rikaner haben, vom ersten T a g an, fast allen K riegsprofit in die Staatskasse gezw ungen; E ngland hat einen H au p tth e il der K riegskosten schon im K rieg bezahlt, h a t die Steuern bis a u f d en Jah resb etrag v on elf M illiarden erh ö h t; Deutsch*

land h at zw ar die G ew innscheffier (w er hatte Krupp* A k tien ? ) allzu zärtlich geschont, die Steuerschraube aber, in Staat.'und G em einde, höllisch fest angezogen. N u r Frankreich w ich nicht aus ererb ter S teuerscheu; u n d steht n u n vor H im alayas staatlicher u n d kom m un aler Schulden. W a r so bequem e Lässigkeit der Säckelm eister vor dem R ich tstuhl strenger Staatsvernunft, so lch eM u th lo sig k eit derR eg irungen u n d Par*

lam ente vor dem unerm üdlich tapferen H eer zu v e ra n tw o rte n ? ’ K onnte ein w acher K opf glauben, der Besiegte, selbst v ö llig E rschöpfte w erde die K raft zu A b trag u n g dieser Hoch*

gebirge h a b e n ? D och die B ourgeoisie sollte n icht aufge*

schreckt, ihre .Stimmung* sollte (b ei uns versuchte m ans m it Siegesbericht, A nleiherum m el, Lüge von nahem Zusamm en*

bruch der F einde) .gehalten* w erden. T äglich w u rd e Ih ren V olksgenossen d ru m vo n schlechten o der k in d h aft gläubigen H irte n das M ärchen erzählt: .D eu tsch lan d zahlt Alles*.

A b er D eu tsch lan d k an n nich t zahlen. G e w iß : es h ? t noch ü b er sechzig M illionen M enschen, w ü rd e m it den deut*

sehen O esterreichern ungefähr siebenzig haben; seine Ma*

schinen sind nicht, wie N o rd fran k reich s, zerschlagen o d er gerau b t; seine In d u strieg ebiete u n d sein technischer A p p a ra t sin d unversehrt, ganz intak t, wo n ich t die b lin d e W u th d e r eigenen L andeskinder sie zerstört hat. D eshalb fürchtet das-

(21)

D er harte Friede 157 siegreiche Frankreich dieses geschlagene V olk; u n d tra u t ihm zu, d aß es seine M ilitärm aschine w ieder aufbauen u n d , w enn die herbeigeeilten A m erikaner u n d B riten ü b e r den Kanal u n d den O zean heim gezogen sind, den grausam sten Rache*

krieg beginnen u n d m it seiner M enschenzahl ,1a douce France*, ehe ih r H elfer übers M eer nahen, erdrücken w erde.

D as ist unm öglich. G an z unm öglich, H e rr Clem enceau.

K om m en Sie, sich zu ü b erzeu g en , her; oder schicken Sie H e rrn T ard ieu , Ju le s C am bon, Delcasse, m einetw egen den w ildesten A ntibo che: Je d e r w ird , w enn er A lles gesehen u n d A lle g eh ört hat, erkennen, d aß dieses V olk den Franzosen n u r d ann noch gefährlich w erden k ö nn te, w enn es von ihnen in Sklavenarbeit gezw ungen uijd d ad u rch in Sklävenaufruhr u n d u nnatürliches B ü n d n iß m it seinen U rfeind en getrieben w ürde.

Ich w eiß nicht, ob Sie den Bericht des M r. V anderlip von der n ew yorker N a tio n a l C ity Bank gelesen haben. Selbst diese m eisterliche D arstellu n g der U n m öglichkeit, hohe Ent*

schädigungsum m en aus D eu tsch lan d zu pressen, m alt un*

seren W irth sch aftzu stan d noch m it zu hellen Farben. Sie be*

n u tzt die Ziffern, m it denen H e rr D r. H elfferich ein Kaiser*

ju b ilä u m au fp utzen w ollte u n d die, wie ihr Finder, bei uns im m er belächelt w urden. D e r B ericht schloß m it dem Epi*

gram m vo n C harles L am b: ,N u r, was ich nicht kenne, kann ich hassen.* P räsident W ilso n hats in L o n d o n citirt; u n d ich bitte auch Sie, es in Ih r B ew ußtsein aufzunehm en. N o c h hassen Sie, was Sie nich t kennen. D eu tsch lands A ckerb au k an n h öchstens für fün fun d v ierzig M illionen M enschen Nah*

ru n g liefern; auch fü r sie n u r m agere K ost. D ie ü b rig en zw anzig M illio n en m u ß der E rtrag ex po rtirter W a are n er*

nähren. D as h e iß t: M it diesem Ertrag m üssen w ir Lebens*

m ittel u n d zugleich Rohstoffe für die In d u strie im A u slan d kaufen. J e tz t fehlen alle R ohstoffe; fehlen sogar dem Bauer*

lan d Salpeter, V ieh, gute Spannpferde. W ir selbst hab en im Land n u r K ohle (v o n der wir, w enn uns das Saarbecken oder gar O berschlesien genom m en w ürde, nichts m ehr ex*

portiren k ö n n ten ) u n d Kali (w ov o n w ir m it dem Elsaß einen T h eil verlieren u n d das durch die neuen F u nd e in Spanien u n d andersw o entw erth et w ird ); von unserem Erz bleiben

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158 Die Zukunft

nach dem V erlust L othringens n u r n och zw anzig P rozent, eine Bagatelle. U n se r G o ld sch atz ist zerronnen; die M ark n o ch siebenundzw anzig C entim es (v o r dem K rieg hundert*

zw anzig) w erth. D ie ersten In d u striek ap itän e u n d Finanz*

m änner sagen m ir, d a ß w ir zur W ied erh erstellu n g unserer In d u strie, nach A ussch altu n g aller L uxusbedürfn isse, in den nächsten zwei Jah ren , nach d er V aluta von heute, hundert*

tau sen d M illionen M ark n ö th ig haben. D ie V erzinsung un?

serer eigenen K riegsschuld friß t in jedem J a h r acht Mil*

liarden, m indestens, auf. D azu kom m t d er G eld au fw an d fü r N äh rm ittel. A n W aaren h erstellu n g u n d E x p o rt in auch n u r an n äh ern d ähnlichem U m fan g wie vor dem K rieg ist nich t zu denken. K ünstlich w erden g ro ß e T heile der In*

d u strie noch gehalten. N ic h t lange m ehr. Sie zehren ihre Reserven auf, sind durch Strikes u n d m aßlose L ohnzulagen, d ie n o th w end ig e Folge m aßlos h o h er W aare n p re ise , zer<*

rü tte t u n d arbeiten m it ru inö ser U n terbilanz. N o c h w erden d ie A rb eitlo sen von Staat u n d K om m unen, die nicht n u r d a d u rc h im kaufm ännischen Sinn b a n k e ro t w erden, unter*

stützt. B ald w erden w ir, spätestens im H e rb st, M illionen?

heere v o n A rbeitlosen h aben (d en n die M aschinen w erden stillste h e n ): u n d die k an n das reichste L and n icht ernäh*

ren, am W en ig sten aber ein so armes, so völlig erschöpftes L a n d , wie unseres jetzt ist. U nsere K leid u n g , auch der schein bar noch W o h lh a b e n d e n , ist schäbig; unsere Stiefel sin d geflickt; unsere A nzüge lassen w ir .w enden4, weil neuer Stoff nicht zu^haben ist; w as"auf die L ebensm ittelkarten, z a haushohem Preis, an ratio n irte rJN a h ru n g geliefert w ird, reich t n icht aus, ein K ind satt zu m achen. * S o 'le b e n wir seit Jahren . Sehen keinen T ro p fen reiner M ilch, w issen nicht m ehr, wie das Fleisch vo n kräftigem , g u t gefüttertem V ieh schm eckt (die Kleie, die sonst die Schweine bekam en, essen w ir selbst jetzt in unserem ,B ro t‘) , haben an dem H alb?

p fu n d , das seit der S endung aus A m erika Je d er für eine ganze W o c h e erhält, seit Ja h re n zum ersten M al w ieder ei*

k a n n t, wie unverfälschtes W eizenm ehl aussieh t, u n d wer*

d e n im M ai nicht einm al m ehr Kartoffeln haben. Fahl, d ü n , m orsch sind die M änner, schlaff u n d faltig, wie ungefettete

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