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Die Zukunft, 27. Mai, Bd. 27.

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Academic year: 2022

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HeylSArmee.

Wenn

ich auf dieEntwickelungmeinessozialenEmpfindens richtiger Youndbescheidener:desEmpfindens sozialer Gegensätze zurück- blicke,glaubeich,dreiEpochendeutlichunterscheidenzu können. DieGestalt eines trunkenen Bettlers liefert,alseinausdemAssoziationcentrumun- verwischbaresSymbol,demGedächtnißdiestützendenKrücken. VorJahren sprachmich nachtsanderPotsdamer Brückeeinwüst aussehenderGeselle» UmeinAlmosenan. DenZerlumpten umschwebteeinFuselduft;dieNase kupfersarbig,eiterndePustelnundeklePickelimstoppeligenGesicht,das Augealkoholischverblödet undstier.EinböserStrolch, dachteich, während erseinen BettlerspruchstammeltezeinSkandal, daßman solchesGesindel NichtvonderStraße entfernt.Mitleid? Wer zwang den Kerldenn,müssig vonSchänkezuSchänkezu taumelnundinchronischerTrunkenheitzuver- kvmmen?Wäreernüchterngeblieben,hätteersichredlichumArbeitbemüht Und einrüstigesMädchengesreit,dannstündeesheutewohlandersum ihn.

MitkeinemHellerdarfman solchesWegelagererthum unterstützen-Für ehklicheArmuth geschiehtjagenug;vagabundirendeSäufermögenzu Grunde Schen...Dannwurdeichälter,lasLassalleundLange, schwärmtefürTolstoi, denNeonazarener,undsogdenGeist Anderewerdensagen:dasGift—

des modernen Sozialismusmitjungem Entzückenein.Oft dachteichda- mals-deslungernden StrolchesundmeinfrühererStandpunkt schienmir UUsäglichthöricht.BourgeoisbeschränktheitzläppischesVorurtheildesin

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einem leidlichen Wohlstand ErwachsenenundVerwöhnten.War dieser Trunkenbold nichtdasbejammernswerthe OpferderbürgerlichenGesell- schaft,einsvon denOpfern,diesietäglichzuHekatombenhäuft? Ich sah seinLebenvormir. KeinElternhanszdieerstenJahreimDachstübchen einerNäherin, die,umihrKleinesdurchzufüttern,sichprostituiren muß;

imHalbschlummerhorchtderKnabeaufdenHaderum denSexuallohn, beiTagewirdervonälteren Kindern in dieGeheimnissedervorstädtischen Zotensprache eingeweiht. Völlige DepravationderPhantasie, verfrühte Gier und Onanie sinddieFolgen.Dann in dieFabrik,in diefastununter- brocheneGemeinschaftmitlockerenMädchenaus demselbenMilieu. Er weiß,wie dieMutter esmachte,lebteals KindvondenPfennigen,diesie alsGefäßbrünstigerEjakulationenerwarb. Weshalb solls so nichtweiter- gehen?Erist auf ein winziges TheilchenderMaschinenbedienungdressirt:

sonst haternichts gelernt;kaumnothdürstiglesenundschreiben.Nacheinem Strike,einerBetriebseinschränkungliegterarbeitlos aufderStraße; woher sollerdenMiethzins nehmen? Unser Gesellschaftgebäudeist ja soherrlich eingerichtet, daßderAermstedarin demHausherrneinenunvergleichlich höherenTribut zahlen mußals derReichste:derBesitzeinerArbeiterkaserne trägt mehrein als der einerüppigenThiergartenvillaDerObdachlosezieht zuseinemMädchenundman theilt,wiesichsunterVerliebtenziemt·Nur...

für Zwei reichtderkarge Taglohn nicht;undder zumFaullenzenVer- dammte magseinenMorgenschnapsunddasHalbdutzendDreipfennig- cigarren nicht entbehren. Fürdie drallenReizedesMädchensfinden sich zahlungfähigereFreier,derBettgenoßdrückt gern beideAugenzu undräumt, wenn die Kunden kommen,dasLager.Und da indieserniederenFormdie Lieberasch wechseltunddieArbeitlustmählichentschläft,istdereinst tüchtig Schaffendebald, ohnedesWandels sichrechtbewußtzusein,indieSchlamm- schichtderZuhälterhinabgesunken.Dasgehteine Weile. DannkommtKrank- heit,Gefängniß,Polizeiaussicht,Verruf KeineMöglichkeitmehr,Arbeitzufin- den.DirnenreiztderStruppige nicht, dessenvorher strotzendeManneskraft nun durchAlter, schlechteErnährungundAlkoholgemindert ist. Alsobetteln.

AuseinemPolizeikäfigin den anderen. AlsZwischenstationdie»Destille«.

AlsEndzieldasZuchthaus...UnddiesemElendenkonnteichprotzigmein Mitleid versagen? Ihm,demdieGesellfchaftnichts mitgab alsihrer Fläche schlimmsten,demsieAllesweigerte,wasaus demzweizinkigenGabelthier erstdenaufrecht schreitendenMenschenzumachen vermag?Weristdenn sicher, daßernichtdenselbenGanggegangen wäre,wenn man ihnelternk

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HeylsArmee. 363 los, ohne Erziehung, ohnediedürftigstenGrundlagen sittlicherundgeistiger Bildungnackt undbloßin dierauhenWirbelwinde desirdischenSchlacht- feldesgestoßenhätte?JstderStrolchschuldig,weilerschlechtriecht,sichnicht wäscht,inseinen LumpendenDunstderHöhlen,in denenernächtigt,mit- schlepptundimFuselgenußBetäubungsucht?Gebtihm rechtzeitigSeife, salbt ihnmitWohlgerüchen,setztihmein StückFleischundeinGlasBier vor, underwirdals einAnderer, MenschenähnlicherervorEuremBlick stehen! DarfeinChristdieSchwachheitdesFleisches strenger,unerbitt- licherrichten,alsderGaliläeresthat?DarfderModerne,derin dem MenschendasProduktderihn bestimmendenundgestaltendenVerhältnisse erkennt,demEinzelnen pharisäischaufbürden,was dochnur dieWirkung uralter Gesellschaftsündenist?... Vielevon denjetztbis zur Mannes- altersgrenze Erwachsenensind wohl durch diese Phase sozialerRomantik geschritten. Alle lange währte siebei mirnicht; dochihre guten, Frucht verheißendenKeime suchte ich reifendmir zuretten. Bismarck und Nietzschewaren, diehart Scheinenden, wirksameErzieher;sie jätetendie zärtlichkränkelnden Triebeaus undpflanztenanihreStelle dasgläubige Vertrauenin diestählerneKraftderstarkenPersönlichkeitDerverlumpte Bettlerwar mirnun wedereinGegenstand hochmüthigenAbscheuesnoch blinder Bewunderung,keinSchurke, dochauchkeinHeiligermehr,—sondern eindurch sein lichtlosesLebensschicksal,aberauch durchererbtenBesitzoder MangelanWiderstandsfähigkeitundWillenskraftdeterminirter Mensch.

JhnmitzeternderStrafredeanzufallen,wärezweckloszdennerbessertsich dochnicht mehr,kannausderFäulniß nichtmehr gerettetwerden. Vorihm, alseinem SündenbockbourgeoisenFrevels,intolstoischerVerzückungan- betendzuknien,wärekindisch;dennKeinerkann heutenochwissen,obindem MorschenjedasZeugzu einembrauchbarenGliede derGesammtheitsteckte.

Ein Almosenmagmanihmimmerhinreichen;denn zumVergnügenstelltkein vom Weibe GeborenersichinLumpen nachtsandieStraßeneckeundheimst für jedes FünfpfennigstückzwanzigSchimpfwörterein.DenkärglichGe- labtenabersollman, als eineantisozialeErscheinung,einenfürdieMensch- heitarbeit Untauglichen,inGewahrsam bringen, undmitklugerKraft dann dafür sorgen, daßdieWurzeln solcherErscheinungenausdemheimi- schenBodengerissenwerden.

AusdeninnerenErlebnissenderEinzelnen entsteht,wenn nichtdie stärkeresuggestiveMachteinesGroßenwirkt,dieGesammtstimmungeiner KlasseundeinerZeit.DiegewandelteArt desEmpfindenssozialerGegen-

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sätzekündet denWechselderGenerationen inDeutschlandan. Nochragen-, bröckelnden Ruinengleich,ausderEpochederRoheitein paar Vertreter in unsereTagehinein;undMancherwirdmeinen,in denorthodoxenMarxisten müsseman dieVertreter derEpochederThorheit, dersozialenRomantikund Mystik, sehen.Allgemachaber wirdeseinsamundnachtfrostigumdenFrei- herrnvon Stumm; undanMarxens,desgenialenGewissensrüttlers, thönernemDogma habenimLagerdereinst strengGläubigenselbstdie FingerehrfurchtloserJugend längstdiehohlenStellengefunden.Eine Ver- ständigungzwischendenbeidenNationen,diediJsraelidurcheinen unüber- brückbarenAbgrundgetrenntfah,scheint,für einenichtallzukurzeZeitspanne wenigstens, heute möglich;undMarx feiertin demselbenAugenblick,der seinemDogmadasSchicksalallerDogmen bereitet,alssozialer Prophet einenneuen Triumph.Kleinkrämermögennachweisen,daßerimEinzelnen geirrtund demKomplexwirthschaftlicherFragenvomengbegrenztenStand- punkteines Kritikers derbritischen Baumwollindustrieaus die Alles ent- scheidendeAntwortgesuchthat:diegroßeLinie derEntwickelunghatermit demScharfsinneines inIsraelwiderGötzeneifernden Richtersund dem kühl wägendenGenie einesMathematikers vorausgeahnt. Eineneue SchichtungdesökonomischenUnterbaues derGesellschaft, undoben, imideologischenUeberbau,merkenmählichsogar schondieBlöden, daß erstdas wirthschaftlicheSein dasBewußtsein stimmt. Keine Buß- predigt,keinWeckrufandasEthos hätte vermocht,was imBewußtsein derBourgeoisiedas erwachende Verständniß fürdas eigene Interesse vermochte.KeinStraßensieg,keinerfolgreicherPutsch hättedemProle- tariat dieVortheile gesichert,dieihm, ohne daßimBruderkampfBlutver-

"gossenward,dasstilleWaltenderEvolution gewährte.DieGelegenheit-,dem deutschenNordostendieagrikulturellenGrundlagenzuretten, istunwieder- bringlich versäumt. Deutschland rüstet sich,einkapitalistisch-industrielles Reichzuwerden,einEnglandoderdocheinBelgien. Diese nicht mehrzu hemmendeEntwickelung birgt schwereGefahren; abersiekann,bei derschnell steigendenBevölkerungzifferunddemStreben dervonderLandarbeit Un- befriedigtennacheinemUnterstandinderJndustrie,diedrohendeSlavifirung desOstensaufhaltenundsiehat schonjetztzumErwachendersozialenVer- nunftausdenMohnsäftendesWahnes geführt.EinJndustriestaat mußsich bemühen,dieintelligentestenArbeiterzuwerben;undunsere klügstenJn- dustriekapitänehaben nachgerade erkannt, daßdieintelligentenBediener feinerMaschinennurnochimsozialdemokratischenLagerzufinden sind.Sie

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HeylsArmee· 365 habendengeheuertenHaufenjahraus, jahreinaufmerksamgemustertund ge- funden, daßsichsmitihmganzgutwirthschaftenund auskommen läßt.Die Aktienstiegen,derDividendenstrom schwoll:danimmtman einBischenUn- botmäßigkeitundMangelanEhrerbietunggern in denKauf;mit unter- würfigen,täppischenSklavenwärejadochnichtszumachen.Undsoentwöhnen dieMächtigensichvondergrassenVorstellung,einSozialdemokrat seiein Subjekt,das dermannhastePatriot anfpeien,derStaat mitdrakonischenGe- setzen,imNothfall mitPulverundBleibehandelnmüsse...Aus den inneren EtlebnifsenderEinzelnen entsteht,wenn nichtdiestärkeresuggestiveMacht einesGroßen wirkt,dieGesammtstimmungeinerKlasseund-einerZeit.

Diese Stimmung hat sichunter derOberflächegeändert. Inder Pressemerktman davonnichtviel;unddochhandeltessichumeinEreigniß, daswichtiger istalsallerDiplomatentratschvon derFriedenskonferenz, wichtigerauchals dieFrage,obHerrvonMiquelHerrnvonBülowoder HerrvonBülowHerrnvonMiquelausderFackeltanzgesellschaftdrängen wird.Als imReichstagneulichderFreiherrvonHeylgegendie,,Zuchthaus- vorlage«undfüreinegesetzlichgiltige OrganifirungderIndustriearbeiter gesprochenhatte,nannte derKönigvonSaarabien denfrüherenFreundeinen BundesgenossendesHerrnPaulSinger.IndemgroteskklingendenWuth- schreieinesVerzweifelndenspürtderHellhsörigedasDämmern einerwehenEr- kenntniß:derFreiherrvonHeylhatsich,vielleichtohneWissenundWollen,auf den Boden desKlassenkampfesgestellt,diesehärtesteFormdersozialenAuslese alsberechtigtanerkannt, und damitist seinGeschickimSinn deshalberger Patriarchenentschieden.WaswürdeausdenheiligstenGüternderProfit- patrioten,wenn dieGroßindustriellenihremGottesgnadenthumentsagten undderlegitimen MachtderimTagclohnarbeitenden Klasse ihreReve- renzerwiesen?KeineRegirungwäre dannstarkgenug, denSchleifstein inschnelleDrehungzubringen.DieumStumm konntenschmunzeln,so langedieMehrheit ihrer Klassengenossenin demstinkendenBettlernurden ftrasbarenStrolch,in demumseinDaseinsrechtinReiheundGliedkämpfen- den Arbeiternur denschamlosenEinbrecher sah.Siekonntenauch noch lächeln,als imMondenscheinsozialerRomantik mancher Thor jeden Pro- letarierzumMärtyrer, jedenzerlumptenTrunkenbold zumHeiligenerhöhte.

Ihre Sache ist verloren,wenn umdieverständigenundmit denInteressen derbesitzendenBourgeoisie verträglichenAnschauungendesFreiherrn VOUHeylsicheine Armeeschaart,dieihreAusgabedarinsieht,gegenlähmen- denGespensterspukzukämpfenunddiedurch künstlichanerzogenes Miß- trauen getrenntenKindereines Volkes einanderkennen zulehren.

J

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·366 DieZukunft.

Vom Kunstaffekt

Wer

einmal, inträger Sieftastimmung, ruhebedürftigundflüchtigenBlicks, Bücheroder Bilderdurchblätterthat,kenntdasberüchtigteSurrogat desKunstgenussesjenen passivenUnterhaltungsgenuß,zu demauch künstlerische ErzeugnissemißbrauchtwerdenundStoff liefernkönnen.Unddannist ihm auch vielleichtdie alteFrage ausgestiegen,wohereswohlkommt, daß diese zwei so wesensverfchiedenenWeltendesGenießensnichtnur innerhalbeines breitenPublikumsimmer noch einigermaßenmiteinander verwechseltwerden, sondernselbstinaesthetifch-theoretischenStreitigkeiten oftmalsnur ungenau präzisirteGrenzen aufweisen.Esist nämlichpfychologifchinteressant, sich klarzumachen,wiesehrdieUrsachedieser Erscheinung doch nicht lediglichin theoretischerKonfusionliegt, vielmehraufeinerunleugbaren praktischenAnalogie beruht,die dasbloßeUnterhaltungvergnügenzur reinkünstlerischenHingebung bildet. DerHauptpunkt dieser scheinbarenWesensähnlichkeitist zunächstim Negativenzusuchen:in dem in beidenFällenanalogen Fortfallvonaller- leistörendenHemmungen,von allerleiMomentsorgenund Tagesinterefsen, aus denenwirsowohlimtiefen Kunstgenußalsauchindervergnügten TrägheitderSiestastimmungunshinüberrettenwieaufeine stillegrüne Jnfel inmittenderMeeresbrandung.Nur weilesso ist, darum konnteeinem publizistischenUnternehmenderköstlichunfreiwillige Witz pasfiren, daßes eineNovellensammlungmitderVersicherunganpries: ,,Meisterstückeerster Autoren,höchstgeeignet füreinViertelstündchennachTisch« Im leichten HalbfchlafderSeelegleitetinsolchemViertelstündchenderLeferinderThat willenlosdorthin, wohindiefremdePhantasie ihn entführenmag,undgehorcht mitfeinem gelähmtenGehirn wenigstens gewissenihrer Suggestionenum so besser.Ja,sogareine ArtvonGefchmacksauswahl individuell verschiedener Siefta-Kunstgeschmack! macht sichmitunter deutlichgeltend;derEinewünscht vorzugsweisevonsolchenBildern imHalbschlummerumgaukeltzu werden, die ihn möglichstweitausallemerifch-Trüben hinweglocken,währendderAndere mitEntschiedenheiteine,,realistische«Färbung vorzieht,dieihmdieIllusion erleichtert, sichwirklichmittenin derfremdenPhantasieweltzubefinden. Auch über denSiesta:Gefchmackläßt sichnicht streiten,ebenso wenigwie über den künstlerischen,undum dieser ihnengemeinsamennegativen Grundlagewillen hörensichdieMeinungverschiedenheiteninbeidenFällenmanchmalfo verblüfsend ähnlichan. Nurdeshalb auchit esmöglich,daß nochimmer einegroße MengevonLeuteneineAhnungvonanderemGeschmackinKunstdingenüber- haupt nicht besitzt, undauchnichtzugiebt,eskönne dabeietwasAnderesin der Seele zumDurchbruchkommen,außer allenfalls nochdieverftändnißvolle Freudeam»reinTechnifchen«,wovon der»Laie«freilich nichts habe·

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VomKunstaffekt. 367

Auchhier berührensichdieExtreme, scheinenwenigstens sichzu berühren,geradeweilzwischenihneninWahrheit nicht mehrundnichtminder liegtalsdieGesammtheitdes ganzenmenschlichenJnnenlebens Dasträge BehagenamUnterhaltungstoffstammtaus derErmüdungunddemmomen- tanenNachlasfenderverbrauchtenKräfte,die zuihrerErholungeinWenigdie klarenWillensimpulfeundwachenGedankenbetäubenwollen;amentgegen- gesetztenEndedavon aber,inderäußerstenSteigerungderLebensenergie, imZusammenfassenallerinnerstenSeelenregungen,nochvorihrer Sonderung undZersplitterunginDenken oderHandelnodersonsteineSpezialfunktion, findetman dasWesenallesKunstschöpferischenundinfchwächeremAnklang daranauchdasWesen desKunstgenusses,dernichtsAnderes alseinleise mitklingendesNachschaffen,Wiedererschaffenist. JnbeidenFällenalso besteht dasGenießenineinerAbkehrvom Wachen, Gesonderten, praktischRegulir:

barendesKräfteverbrauches,in einergewissenHeimkehrzu einemverträumteni Gefammtzustandeder Seele,nurdaßim einen Fall dieMattigkeit schulddaran ist,inderalleEinzelbethätigungenerlahmenundabnehmen,im anderenFall eineso tiefe, produktive Erregung, daß ihrdasSonderfpieldervereinzelten Kräfte nicht genugthunkann,sie vielmehralle ingewaltigemGriff einheimsen muß,umsichzu entladen. Diese Konzentrationwirktebenso besiegendauf störendeTagessorgenoderTageszerstreuungen, durchdieMacht ihresEnt- zückens,wieesderseelischeHalbschlummerdesbehaglichgenießendenPhilister-s inseiner Weise auchzu Stande bringt: sokommtesbeideMale zuRausch undTraum, zumkünstlerischenRauschundTraum, demallesEinzelne sichimJubeleinerschöpferischenGesammtstimmungläst,oder zujenemwillen- loerPhantasirendesMüden,Geschwächten,derseine Kräftelähmungals Fesselfreiheitgenießt.

WährendbloßerUnterhaltungsgenußdaher stets ausruht, stetswie das bewußteViertelstündchennach Tischwirktundsomitinseinen verschiedensten FormenalsProdukteinerSiestastimmung aufgefaßtwerden kann,istaller tiefereKunstgenuß wenn auch nichtdem Grade,so dochdemWesen nach

ähnlichangreifendundanspannendwiedasKunstfchasfen selbst.Denn dasWesentlicheam Kunstfchasfenist nichtdasAngreifendederArbeitam

betreffendenWerk, sondernderSeelenzustand,ausdemheraussieermöglicht- wirdundderkraftverzehrendbleibt,auchwenn die Arbeitleicht fließt,kürzere Zeit erfordertodereinenGegenstand behandelt,derharmlosoderidyllisch scheinenmag. WasdenKünstler aufreibt, gleichviel,obseineKunsteinen MordodereinekleineBlume schildert, setztauchimwahrhaft nachempfin- dendGenießendennocheineKraftsteigerungvoraus, dennderKünstlerist-der einsame Mensch,vondemauskeine andereBrücke zu denübrigenMenschen führtalsdieUebertragbarkeitfeines schöpferischenRauschzustandesdurchdie

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Kunstleistungaufverwandte Seelen. DieseBrückeistinunseren Alltags- stundenundAlltagszuständenunauffindbar,unbetretbar, ja, sie ist auch fürdenKünstler selbst,als sein Wegzusich selbst, abgebrocheninseinen eigenenmatten oder trivialen Stimmungen; auchernimmt,je nachdergerade vorherrschendenSinnesoerfassung, demeigenenWerkgegenüberalle dreimöglichen Standpunkteein:den desSchaffenden,dendesGenießendenunddendesEr- müdeten,Zerstreuten, Gelähmten,derwederschaffen nochgenießen,sondern

nur noch Alltäglichesbegehrenkann. Nurdaß diesedritteMöglichkeitfür ihnetwas ganzAnderes bedeutetalsfür unschöpferischeMenschen,weiler

sichdarinvon seinem wirklichenIch abgeschnittenfühlen muß: nicht gleich ihnenvonanstrengendenZumuthungen ausruhend. Jhmalleinunter allen Menschenheißt,unschöpferischsein: beschämtundnicht mehr Menschsein.Er identifizirt sichmit demnothwendigintermittirenden Schaffensrauschundspürt außerhalbdieses RauschesnurdessenschmerzlicheAbwesenheit,nichtaber Freude anDem,wasihmvom sonstigenLebenoderKönnenauchdannnoch übrig bleibt. Daher schätztermeistensdiebesten, wachsten,klarstenGeisteszustände

nur gering gegenüberdemTraum, indemersie manchmalalleüberfliegen kann;derbestgeordneteHaushaltinseinenFähigkeitenerscheintihm unerträglich undverkehrt,weilersich selbstindenZwischenzeitenvonRauschzuRausch dochimmernur alsdenSchauplatz,alsdasLokalempfindet,wosolchehohe Feier stattfandundwiederstattfindensoll,woaberjetztdieerwartungvolle öde Leere einesFestsaales herrscht,aus demdieGäste sich entfernt haben.

UnddieseUnmöglichkeit,selbstmitnoch so kraftvollvereintenVerstandes-und Willenskräften auchnur dasGeringstedavon eigenmächtigzurückzurufen, trägtindieleereErwartung zuletzt auch nochdenZweifelundUnglauben, ob dasEntschwundene auch wirklichebenso wiederkehrenundden altenGlanz siegreichmibringenwird. Dann istkeinAlltag mehrin der Seele,sondern dieHölle. Selbstverhöhnung,HilflosigkeitundgepeinigterHochmuth,Lebens- überdruß,ja Verzweiflung!AllesHerrlicheist versunkenundentflohensvielleicht fürimmer-. DeralsoElendegrübeltfinsterüberBerufswechsel;erdenktnach-, warum nicht nochvielmehr Menschen sichdasLebennehmen.Denn seine versunkenenHerrlichkeitenbedeutenja nichtsAnderesals das versunkeneLeben;

erlebtnur nochwieeinGalvanisirterundmitdergleichenMiene scheint ihmAllesumihn herum dazustehen, Alles,nichtetwanur ein paar Arbeit- pläne.WaswäreihmdannimGrunde nicht·widerlichundekelhaft? Ja, diese Arbeitpläneselber, sobaldersie anrührt,sobaldersie durch vorsichtige Kombinationenzuklärenversucht,zerfalleninFetzen:erfühlt, daßer,mit all seinem Wissenund Verstehen,übersie dochnur sohinredetwieein Kammerdiener über dieverborgenenIntentionen seines Herrn.

Obgleich solche StimmungenbeimUnbetheiligten leichteinLächeln

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VomKunstaffekt. 369 wecken können undgernalslaunenhafteundreizbareSchwächedesKünstler- gemüthesausgelegtwerden,sogiebtesdochnichtvieleSchmerzen,dieso echt, so wenig eingebildetwären. Der schaffendeMensch istdasseligeund schmerzensreicheGeschöpf,das seinenNormalzustanddasucht,wonur ein intermittirender Ausnahme- undHöhezustanddenkbarist,unddasdeshalb inderNormalverfassungandererMenschennichtim Stande ist, seelischganz gesundzufunktioniren.DennwährenddieAnderendieempfangenenLebensreize imDasein selbst fortwährendundmöglichstrestlosinpraktischeodertheo- retischeBethätigungenirgend welcherArt umzusetzenbestrebt sind, stauen sichimschaffendenMenschen,sobaldernicht schafft,diemeistendieserReize an, ohne ausgegebenzuwerden, weilseineArt, dasLeben zu leben, das Leben zu verdauen, ebendessenkünstlerischeVerwandlung ist.Wie Vieleser

also auchdavon zuverschluckenundtiefunter sein Bewußtseinhinunter- zudrückensucht,damitesihn nicht belaste, soVielesbleibt dortdoch, dumpf wirkend,in ihm nachund ersehntdieihmallein gemäßeAussprache, jene seltenste, höchsteundfeinste AusspracheundErledigungallerDinge:

diekünstlerische.So isterimGrundebeständig,auchbei vollernervöser Gesundheit,einWenigvonderGefahr bedroht,unter derschwereHysteriker stehen: jene TypenvonMenschenmitseelischunverdauten Lebensresten,die auchnur erleichtertzuwerden pflegen,wenn glücklicheUmständeodereine glücklichverlaufendeHypnose sie dazu bringen, sichüberdieKrankheit- Ursache,von dersie bewußterWeiseselbst nichts ahnten, auszulassen,aus- zutoben,bissieausihrem Gemüthgleichsamhinausgeschleudertwordenist- Hysterikersind selten heilbar, trotzdem sogroße,schwere,traurige Erlebnisse beiihnen aus sotrivialem Wege hinwegbefördertwerden können;der schaffendeMensch,dergroßeGesunde, heilt sich selbst, trotzdemin ihm sogar nochdiezartestenEindrücke undsubtilsten Ereignisseseines Jnnenlebens auf keinem dergewöhnlichenundgebahntenWege, sondernnur auseinemüber- aus komplizirten,indirekten,von tausendStörungen gefährdetenwie dem deskünstlerischenSchaffens,hinankönnenaus demSeelendunkel ans Licht.

SeinscheinbaresKranken atnLebenistebennichtsalsdieKehrseiteseiner Machtüber alleTiefendesLebens:dieverletzlicheSensitivität nichtsalsein Werkzeugder alleDinge besiegendenunddurchströmendenhohenLebens- energie.Er ist nichts wenigeralsder»Entartete«,abergerade deshalb berührter sich scheinbar mehrmit ihmalsmitdemgesunden Alltags- menschen,wieersichmitdemMenscheneinerverträumten Siestastimmung durchdasExtremdesGegensatzesnäherzuberührenschienalsmitden klaren,wachenEinzelstimmungengesondertenDenkens,FühlensoderHandelns.

WoimKünstler UnruheundReizbarkeit,DruckundSehnsucht sich geltend machen,da sindsie sogar schonSymptome, daßerüber dieschlimmste

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370 DieZukunft.

Wartezeit hinaus ist,—- neue Lebenssymptome,wiebeieinemgenesenden Kinde, daszurFreudederSeinigen nach schlimmer Apathiewiederun-

artigzuwerden beginnt. Wohl schaffternoch nicht,aber»es«schafft, unter derSchwelle seines Bewußtseins,inihmbereits,esdrückt undbohrt und läßt ihnbei keinerBeschäftigungrasten,weileinejede zwecklosscheint unddenstummen, verborgenenArbeiter daunten instörendeMitleidenschast ziehenkönnte. Endlich umhüllt-all seinWollen undDenkeneindichter Gefühlsnebel, aberschonkann dieseneineinziger Strahl lichtenund lösen!Für Den, dersichauchnur ein kleines,bescheidenesRestchenGeduld irgendwiewunderbar erübrigt hat,vermag dieserMoment vor sicherem Sonnenaufgangein Glückfast ohneGleichenzu bieten. Undschon ergießt sichdann dasvolleLichtumihn,einSonnenstromvonLiebeundWonne, dernichtimmer soforteinenbestimmten Gegenstand beleuchtet,sondernzu- nächstnur warmer Glanz ist, nichtsalsWärmeundGlanz. Denn im letzten Grunde sinddieGegenstände,an denenerdannwirksamwird,nur

Gelegenheitursachenfür ihn, sichvollauszustrahlen;indiesemStadium giebteseinenAugenblick,woderganze leuchtendeLiebes-undMachtstrom noch zögert, sichendgiltig auf »Dies«oder»Das«zuwenden,woeineEnt- scheidungnochinseinemBelieben zustehenunddasgesammteLeben, wie eine weiteLandschaftharrend,vor ihmdazuliegenscheint.Dasistnur ein Augenblick,denkeinesMenschenGedanken klarerfassen,keines Menschen Hand greifenunduntersuchenkann, unddoch blitztinihmmitunter eine spontane Gefühlserkenntnißdavonauf,wie engverschwistertalleschöpferifchen Mächtemiteinander sindundwiealleDingeinihnen so sehr ihrenatür- liche Heimath haben, daß KunstundLebenineinanderrinnen,allesLeben schöpferischkünstlerischesWerk, alles Werk unmittelbares Lebensganzeszu werdensichsehnt. Daher erfährtauchvonhieraus dasganzeDasein-eine solcheunmittelbare Beseelung, Befreiung, ErhebunginallenseinenBezieh- ungen zugleich,als seidiecentralste LebensthätigkeitimMenschen erhöht undaufgeschlossenundkeinDingberaubt,vielmehreinjedes bereichert,da- durch, daßandiesemeinenPunkt seine schöpferischeKraft sichregt. Und dennoch muß gleich daraufderseelischeProzeßsichengzusammenzichenzu so unwillkürlicher,inbrünstigerWahl seines künstlerischenGegenstandes,daß nunmehralleSchaffenskraftindiesenallein eingeht,indiesemalleinauf- geht,als lägeallesLebensSeligkeit einziginihm beschlossen,—— gerade wiegewaltige Liebeskraft,dieplötzlichfindet,woran sie fich zeugendent- laden könnte. So istesgewissermaßen,alsgrüßederSchaffendenur einen Augenblicklang,miteinerweitenGeberde, alleDinge,diestumm harrenden

·ringsum ihn,um alsdann diegroßeschöpferifcheAlleinheit hinzuopfern für einenPunkt, aufdemersieinfeinemWerkwahrundlebendmacht.

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