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Die Zukunft, 27. Februar, Bd. 46.

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Academic year: 2022

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Berlin, den 27. Februar NOT

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Moltke ll.

Mutopatkinhin,Kuropatkin her: laßtdenManndoch erstin dieSocken

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sahreniVielleichtkannerwas.Gegendie Türkengefochten,als Scabs- chefdieAsiatischeAbtheilung geleitet,inTurkestan Ordnung gemacht;kennt alsodieJuchtenweltundhat Pulver gerochen. DaßderKriegsministerdie Truppen führt,kommtuns komischvor,nichtaberdenMoskowitern,die eine ganz andereOrganisation haben. DrübenistderGeneralstabschesdemKriegs- minister untergehenundbesorgtfastden ganzen Kram derVerwaltung,der beiuns in derLeipzigerstraßeerledigtwird.Abwarten alsound dannThee trinken; jenach demAusgang chinesischenoderCeylon.Vorläufigist noch garnichtszusagen.DierussischeMobilmachungwar flau.KeinMensch hatteesanders erwartet. Flaueralsflau,weilderversuttnertekleineNiklas sichnichtentschließenkonnte,Ernstzumachen,undzujedemSchrittchen sanft gezwungenwerdenmußte.0rdre, contreordre, deåsordre. Wennsieihre Menagerieabererstzusammenhaben,kanns anderswerden.Zweihundert- tausend Kerls,die bereitsind,mitAnstandinsGras zubeißen:dageht amEndeauchdenCitronengelbendiePusteaus. NurnichtzufrühVik- toriaschießen.Ueberhaupt nichtimmerschandbar finden,was die Anderen leisten.Wir waren dreiunddreißigJahre nichtimFeuer.Werweiß-Wie derHasejetztliefe?Bleibt mir mitKuropatkinund dem ganzenmandschu- rischenQuarkvomHals,bisesdahintenmalordentlichgeknullthat- Jch warin Berlin. Eine Stimme bei allenKarmesinenemwenn Väterchennicht nervös wird undChamade schlägt,werdendieJapans-rzeklillelschksMan

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redetkaumnoch davon.DasHundist näherals derRock.MoltkeGeneral- quartiertneisterimGroßenGeneralstabiDasistdieletzteStufezumChef.

Gefürchtethattemans schonimHerbst, aber·gebetet,derKelch mögevor- übergehen.Sieht nicht danachaus. S.M.willjeinenMoltke. Kuno,ge- nannt Tütü, istzwar eingroßerStratege, dochmehrinhöfischeanternis.

BleibtHellmuthDieneun Zackenbekämeernatürlich freiinsHausund wirhättendannwieder einenGeneralstabschefGrafenHellmuthvonMoltke.

Nurdavon wirdnoch geredet.Wennin derBeletagederArmeeabgestimmt würde, kriegte,beigeheimerWahl,derMann nichteinenZettel. So»beliebt undcharmanterist. Kreuzbrav,alterStils»undbescheiden.Dieihn lieben, sagten auch,ertraue sichsselbstnichtzu und werdeschließlichablehnen. Muß ich erleben,ums zuglauben.S.M.wirdihnbeimPorteepee packenund vordieFrage stellen: ChefoderPension.Da bleibt dasNeinhübschin der Kehle.Warum nahmerdennsonstauchdenQuartiermeisteran?«

,,Pardon,HerrGeneralmajor...JstdieChosedennso wichtig?

Wennwirwirklichnochmallosschlagen,übernimmtS.M. ja dochdieFüh- rung der Armee. Das weißjedesKind. ObderGeneralstabschefdann MülleroderSchulze heißt,ist Jacke wie-HofeSchlieffenistauchnichtNum- mer Eins. SeiteramKönigsplatzsitzt,scheintderPosten abgeschafft.Nichts zuhörenundnichtszusehen. ThränenwirdihmdasOfsiziercorpsnicht nachweinen,wenn erimSommer geht«Jn SachenLandesoertheidigung- Kommission,Außenrahonsetceterapp.haternicht Stange gehalten. Auch isterüber dieSiebenzig.Warum nichtMoltkeP Erist jung, hatdasOhr desMonarchenundwirdsichMühe geben, seinemNamenEhrezumachen.

NeuerBeson.UndTraditionistimmerwaswerth. DaßdieBerliner keinen Appetit draufhaben, beweist noch langenichtsgegen dieWahl. Diesenaller- seinstenHundensoll täglicheineExtrawurst gebratenwerden«

,,Stimmt meinetwegen.Aber,Herrschasten,inwelcherWeltlebtJhr eigentlich?JchklebeauchnichtamberlinerAsphalt.Woichaberhingehört habe:überallhatdieNachrichtwie eineBombeeingeschlagen.Undhierwild gezweifelt,obdieSache wichtigist! Geradezu höllischernst,meineHerren-.

Wasmanso Lebensfragenennt. Schlikffengebeich billig. Immerhin ister secundum ordinem ausgerückt.KinddesGroßenGeneralstabes.Unter demMarschall Chefder dritten Abtheilung Schon70so weit, daßerwas lernen konnte. AlsAlsredWalderseesachtandieWasserkantebefördertwurde, wärewohleinbessererErbe zufinden gewesen. Schlieffen hießauch Alfred undhielt sichstiller.Mäuschenstill.Konduite tadellos. Doch ichkäme in

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MoltkeU- 323

Verlegenheit,wennichiihmdenNekrolog schreibensollte.DieUniformge- schichtengehörenja nicht auf seinKonto.Na,erruheinFrieden.Denndaßer geht,istsicherznichtimApril,wieverabredet,aberbestimmtnichtlangedanach.

Rundheraus meinHerzwarunterKameraden nie ’neMördergrube—:

wirhattenunsauf diesenAbschiedgefreut.Alle.HofstenAlleaufGoltz.Der könnte das Liedblasen.Wäreauch derMann,sichendgiltigmit derverkürz- tenDienstzeiteinzurichten,anderjetztnochAlles laborirt. Schons77sprach erfürdiezweiJahre.Und hatden Magen, jedeSappe auszuessen,dieersich eingebrockthat. GoltzChZfundEinemMinister:Daswäre einStaatsge- worden.AuchandereNamenkonnteman schließlichnennen; einen besseren sindtstDunicht.Undnun Moltkel Jünger isteralsColmar Goltz.Das mitderJugend istaberauchnur’nePuschel.FritzwarSechsundsechzig,als erfürdiebayerischeErbfolgevomLeder zog, undBlücheranno 13noch älter. DerKönig, Moltke, Roon,Blumenthal habenihre Sache dochleidlich gemacht.UndwasbringtderneueMann außerseinerJugendins Amt mit?

DenmitRecht so geschätztenguten Willen, noblenCharakterundkonzilian- tesWesen;vielleichtzukonziliantes. DaßerHaare aufdenZähnen hat, habe ichniegehört.InderFront ausgewachsen.Das Bischen Adjutanturbeim Marschall machtdeanohlnicht fett.Undsollnun aufzdenPostemvondem Allesabhängt!Abhängensollte. Müßte.Bis in dieaschgraueEwigkeithinein.

Anders gehtsgarnicht.Ob S.M. wirklichdaran denkt,dieTruppen selbst insFeldzuführen,zugleichStratege undOberfeldherrzusein,weißichnicht.

Einhalb Abgesägteristin dieAllerhöchstenIntentionen nicht eingeweiht.

Bebenklichwäre es.EinGeniesogarbrauchtKriegserfahrung;undwasim Manöoergeländevertuschtwerdenkann,könnte imErnstfall böseausgehen.

Dochdarüberzerbrecheiclstirheute nichtdenKopf. Wirhaben Friedenund scheinenihnumjedenPreis behaltenzuwollen; obwohl jetztdieGelegenheit wäre,sicheinenordentlichenFetzenausunseremPlanetenherauszuschneiden unddenDegenerirtenmal wieder zubeweisen,was sieanderverlästerten Armeehaben.Einerlei.Ich rechnemitdemFtiedenJstdaetwaamKönigs- platz nichtszuthun?Wollenwir warten,biswir überholtsind?Dankeer- gebenst; ich passe.DerbesteMann istfür diesesAmtgeradegutgenug.

FassadezeigenkannJeder.Caprivi hat ja auch Kanzler gespielt;nurwars danach.UndimHeersind gewisseFehler nichtzurepariren.Seitwir den langen Degen tragen, habenwiruns über dieGeneralstrebfsmkeitlustig gemacht.Ganzschön; aberderSegen muß dochvondakommen- Wer da vornan sitzt,mußGedankenhaben,alle ArmeenausdemFF kMMUUUdfür

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834 DieZukunft·

denrichtigen Geist sorgen.BloßeRoutine thutsnicht: sieheSchlieffen.Ohne Routine gehts noch weniger:Daswird unsMoltkederZweite lehren.«

»Wennerkommt. DieErnennung ist ja noch nicht’raus.«

»Erkommt.Wennnicht vorherAlarmgeblasenwird. DieLeute,die amNächstendransind, zweifeln nicht mehr. Hatten auf ihn gehofft.Der thutsnicht, hießes. DerhatdenMuth, offenzusagen: Jchkannsnicht.

AufdieGefahr,inPensionzugehenundeinesTages vielleichtdie alteScholle zubeerben,diejetztmitderPuderperrückeundP·ortiergalonsdenSchloß- krüppelnbefiehlt.Profit Mahlzeit!NurdieFreunde glaubenesheutenoch.

Alle Anderen sehen sichschonnach Trauerflörenum.Mirgehts nichtin den Schädel,wieJemand sichentschließenkann, dieseRiesenverantwortungauf sichzunehmen,wennerseiner Fähigkeitnicht bombensicherist. Passeaber längstnicht mehrindie Welt.Die Kommandirenden haltendenSchnabel.

Niemand rührt fich.Statt S.M. dieeinfacheWahrheitzusagen: daßschon derbloßeGedanke die Armee nervösgemacht hat.Hülsenschweigtauch. Für dieZeitungen schreibenübersolcheDingefastnurOsfizierea.denenneu- lich erstdieZügel festergezogenwurden. Diewerden sichhüten,insFett- näpfchenzu treten. Wersollaber denAufklärungdienstleisten?Dasverehr- licheParlamentkönnteesthun.VierterArtikel derReichslverfassung,Num-

mer 14,wenn ich nicht irre; ReichundGesetzgebunghabendasMilitär- wesenzubeaufsichtigen.MitdemGeredeüber dieunumschränkteKom- mandogewalt kämeman danichtaus. Undwer an derStellesteht,wo alleFäden zusammenlausenund Alleszuorganifiren ist, welcheQualitäten derMann aufweisen kann,deruns dieGeneralstabsoffizierederZukunft erziehensoll:Dasist doch, scheintmir,noch einengutenHappen wichtiger alsderödeTratschüberMißhandlungen,Duelle, Luxuslieutenantsund Kummerfalten. Unsere famose FriedensliebeinEhren:die ultima ratjo regum kann unsabereinesschönesTages aufgezwungenwerden.Und dann könnte das Stück mit demLustspieltitel,Der Neffeals Onkel« alsTragoedie enden. Dazu gebenwirdasvieleGeldwahrhaftig nichtaus. Mirkanns Salamiseinzbisessoweitist, sitzeich ohne OrdonnanzamNerobergoder inLoschwitz.WünschemichabernichtindieHautderKameraden,die ein ge- schlagenesHeerin dieFabrikstädtezurückführenmüßten...Unsinn.Der reineBeherlein schon,nicht wahr? Wegen Raisonnirens schleunigzuver- abschieden.EineRundenur noch.UndnurnochüberernsthafteDingege- redet ; über Kuropatkinund denSeeheldenkampfunsererjapanischenBrüder.«

Z

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PsychologiederKaiserin-. 325

Psychologieder Kaserne.

ÆinFeldwebelsprichtzudenRekruten: ,,Kerls,merktEuch den Unter- schiedzwischenCivilundMilitär. JmEivil istAlleserlaubt,was nichtverbotenist,undbeimMilitär Allesverboten,wasnichterlaubtis

Diese Kasernenhofblüthefand ichin einemWitzblatt. DerFeldwebel sagte

»nichtdieganzeWahrheit.Diewäregewesen:Beim Militär istAllesge- boten,was nichtverboten ist.So sprachwenigstensdas Gefühl,dassich mirbeklemmendaufdieSeelelegte,alsichdenersten«Tagmeines Dienst- jahres hintermirhatteundganzerschöpftinderKantine kauerte. Hier Gebot,dortVerbot. DasganzeriesengroßeMittelgebiet,auf dem wir leben, Personen, Menschensind,dasGebietderWahl,derWillkür, derFreiheit ist abgesperrt. Später freilichmerkteich,daßichnur dasStoppelfeldder Theorievor mirgesehen hatteunddaßnirgendsderWegvonderTheorie zurPraxisso weitistwieimHeer.Für denBereichderTheorie giltaber diestrenge Scheidung. Nur einenkurzenBruchtheilseines Lebensbraucht derBürger heutedemDienstzuopfern; deshalbsollerihmganzundgar, mitjeder Faser seiner Persönlichkeitgehören.EinJahr,zwei,dreiJahre ist Dienst,nurDienst.NichtnurMarschiren,Reiten, Schießem auch Essen, Schlafen, Ausgehen,Baden ist Dienst.DerBefriedigungdieser Bedürfnisse istjanur dasMinimum anZeitundKapital gewidmet,daserforderlich ist,um denSoldaten beivollerDiensttauglichkeitzuerhalten.Weralso von derVergünstigung,schlafen, essen,badenzudürfen,nicht genügenden Gebrauch macht, schädigtseineDiensttauglichkeit.Deshalb mußderSoldat zumMittagsmahlantreten, mußumNeunoderZehnimBettliegen;wer sichweigert,wirdbestraft.NurPflichten giebteshier,keineRechte;denn Rechte,zu derenWahrnehmungman gezwungenwird,empfindetman nicht mehralsRechte.DieTheorie,die allesozialeWürde desMenschen auf- heben müßte,kann nievölligdurchgeführtwerdenundso mußimmerwieder irgendeinKompromißdenSachverhalt verschleiern.Das führt manchmal zukomischenZuständen.So wurdebeiunserem süddeutschen Truppen- theildermitdenPferden beschäftigtenMannschaftaus der Kantine stetsein KorbmitWurst,Brotund Bierinden Stall geschickt.Danun einzweites FrühstücknichtzurMenage gehört,auchNiemandgezwungenwerdenkonnte, für seinGeldEtwaszukaufen, so hätteeinePauseinderArbeitfür die Leute, dieessenwollten, dasmilitärischeGrundgebotverletzt,daskeine Will- kür kennt. Niemanddurfte daherdasStriegeln,das AuskratzenderHufe unterbrechen;dierechte Handmußte weiterarbeiten, währenddielinke die SpeisenausdemBauschderSchürzeinden Mund führte«Daswar frei-

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lich nicht-nur unappetitlich, sondern kosteteauch mehr Zeitalseinekurze Frühstückspause, aberderScheinwar gerettet.

DieseFrühstücksmöglichkeithattenwirunseren Pferdenzuverdanken;

schondieVorstellung, JnfanteristenkönntenaufdemKasernenhofoderam

Schießstandfrühstücken,müßte Sachkundigeheiter stimmen. JmLebendes Jnfanteristen giebt eskeinAnalogonzudemtäglichmehrstündigenDienstin demhalbdunklenStall, wodiegroßenLeiberderPferde Manchesverdecken.

Das weist schon aufdenHauptunterschiedzurück.DerGegenstandinfante- ristischerThätigkeitisteinMechanjsmus:dasGewehr;derkavalleristifcher einOrganismus:dasPferd. Daher sind hier fastalle Arbeiten komplizirt, von FallzuFall veränderlichundschwerkontrolirbar,dort bisinsKleinsie geregeltundimmergleichartig: hier istviel,dort fast nichtszuverheimlichen.

DiesenGegensatzfindenwir,aus denselbenGründenundmitsehrweiten Konsequenzen,übrigensin demUnterschiedlandwirthschaftlicherund indu- striellerBetriebstechnikwieder. HatderGewehrlaufRostflecke,so istderMann verantwortlich; hatmeinPferd Läuse, so istseineberechtigteEigenthümlich- keit desguten Thieres. Ohne Verantwortlichkeit,als eineunvernünftigeMacht, diedennochso oft störendindieGeschäfteeingreist, daß auchkeinemAn- derenbilliger Weisedie ganzeVerantwortung aufgebürdetwerden kann:so stehtdasPferd zwischenVorgesetztenundUntergebenen;ungefährwiemancher Monarch zwischenVolksvertretungundMinisterium. Darunter leidetnatür- lichdieDisziplin,die bei einerreitenden Truppe nicht annäherndsostuff seinkannwie bei einerFußtruppe.VeiderJnfanterie heißts:,,Krrt!«, bei der Kavallerie »Ke—eh—rt!«;denndieBewegung istvielumständlichen Dort derEinzelnenur winziges, gleichgiltigesGlied, Jeder gleichlang, gleich breit,gleich dick; hier immerhinetwasIndividualität, Persönlichkeit,dankder PersönlichkeitdesPferdes. UeberhauptkommtdurchdasThier,soparadox esklingt,etwasMenschlichesindieSache.DerKavallerisihatinseinem GauleinWesen,daserliebt,achtet, verehrt;derJnfanterist hatdieVor- gesetzten. Jchwerde nieeineSzene vergessen,diesichwährendderersten RekrutenzeitimStall abspielte.Nachdem wirdenganzen TagmitFrei- übungen,StrammstehenundähnlichemVergnügenabgerackertworden und anjedeArbeit nur beklommen, mitinneremWiderstrebenundscheuemHaß herangetretenwaren, solltenwirabends diePferde füttern.WiedaAlle nachdenBeuteln griffenundsichum denFutterkasten drängten!Siebalgten sich förmlichum dieReihenfolgeundeiltenhastigindie Ständezurück;sie fühltensichwieder, dennsie hattennun Etwas,wofür sie sorgenkonnten.

Neigungund Pflichtwaren zumerstenMal wiederinEinklang.

Das System höchsterZweckmäßigkeit,in dasman sich plötzlichein- gereiht sieht, hatinguten Stunden,wenn man nicht aufgelegt ist,bisans

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PfychvlogtederKasernr. 327 Endziel dieses Systems weiterzudenken,etwasästhetischBefriedigendes.Wenn ich einsamundfrierendin bitterlalter SchneenachtamPulvermagazin Posten stand, hatte ichdietröstendeGewißheit:genau zumGlockenschlag,nicht früher undnicht später,würdedieAblösungkommen. DerGefreitevoran, drei Schritte hinter ihm, nicht mehrundnicht weniger,derneue Posten.Der Gefreitewürde brüllen:,,Ablösungvor!« Ichwürde brüllen:»Auf Posten nichtsNeues!«Und derAndere würde brüllen:»Postenrichtigübernommen!«

Das wußte ich so sichervorherwie derAstronomdieSonnenfinsterniß.

Wenn ichvonmeinemFensterausdieriesigenThürmemeinerKaserne ragensah,beschlichmich oftdas·Gefühl: hier istdieQuelleallerMacht.

Warum bezahlt mich dieser Lump,der meinSchuldner ist?MeineMahnung kannerverlachen,denSpruchdesRichters mißachten,denGerichtsvollzieher dieTreppe hinunterwerfen,gegendiePolizei sichverrammeln. Dann aber kommtdasMilitär undesistaus. Deshalb bezahlterliebergleich.Und weshalbgehorche ich diesemKerlvon Unterosfizier? Weshalb gehorcheich blitzschnellund immer wiederwie einsorgsam dressirter Affe,wenn erschnarrt:

»Knie beugt!Bein —- schwingt!«,obwohlmiralleGlieder vor Er- müdung zittern? Jchbin stärkeralser. Aberichbinnur ichunderist dieArmee. Daß hierdieRechtsnormunddieMacht, aufderschließlich ihreAutoritätberuht, nicht,wiesonst, durchvieleZwischenstufengetrennt sind,sondern sinnsälligunmittelbarzusammenliegen:Dasgiebtdermilitärischen Autoritätihrevon jederanderenspezifischverschiedene,überwältigendeEin- dringlichkeit.Unddoch:weristdieseAutorität? Sind ihre Träger nicht Menschenwieich? Gehorchen nicht auch sie fastsämmtlichnur widerwillig?

UndgiebtesinderganzenWelteinenSoldaten, dernichttagaus,tagein, ,,Parole« dieTagebis zurEntlassung zählt?’!«)WennalldieseLeute sicheinmalverabredeten, einesschönenMorgens durchsKasernenthor hinaus zuspaziren,indieHeimath, stattindenHof:werkönntesie hindern,wer ihr:mGlück imWege stehen?Niemandnatürlich,dennaußer ihnen. ist ja Niemand da.Aber siekönnensichebennichtverabreden. NichtdieMassen entscheideninderWelt,sonderneinGeistiges,dieOrganisation;unddie beherrschtihre eigenenTräger.Alle gegenJeden:soheißtdieLosungder organisirten Macht,Allefür Jedendie desorganisirtenRechtes.Wirddiese suggestiveGewalt derOrganisationaberauchdieProbe bestehen, aufdie heuteAlleszugespitztzscheintPWerden dieHelme aufdieHüte schießen?

DaskannNiemand sagen. Freilich:wenn drübengeschossenWürde- bliebe Its),,UnterofsizierN.zählt Parole« heißt:erdientimletztenJahr.Die deutschenSoldaten zählenmeistnurdasletzteJahr,diefranzösischenVOUAUfCMgTU-

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dieAntwortnichtaus. DaslöstjadasRäthseldesKrieges,derhöfliche HerreninwürgendeTeufelverwandelt. JchtöteDich nicht,weilich Dich tötenwill, sondern,weilDumichtötenwillst.

AllegegenJeden. Von dieser Machtsotmel militärischerOrdnung hörtderSoldat nichts;um so mehr,von der erstenAnsprachebiszur letztenJnstruktionstunde,vonderanderen: JederfürAlle, Allefür Jeden.

ZwardenktNiemand daran.Allezubelohnen,wenn Einer sichausgezeichnet hat; wohlaber habenvieleVorgesetztedieGewohnheit,Alle zu bestrafen, wenn Einergefehlt hat. UeberschreitetEiner denUrlaub,sowitderAllen entzogen;kannEiner dieGriffe nicht, fo müssenAlleweiter üben. Man willdadurcherreichen, daßAlleandemVerhalten jedes Einzelnen interessirt sindundihren kameradschaftlichenEinflußbenutzen,umihnzubessererLeistung zuerziehen. Diese Psychologieist sehr falsch.KeinemSoldaten liegtdaran, daß nachderVorschrift gehandeltwird,jedem ists beinahe Ehrensache,den Vorgesetztenzutäuschen,und dasSolidaritätgefühlregtsichnur, wenn sichEinerertappenläßt.DerArme,derdurch seine MissethatAllenden Urlaub:’»verscherzt«hat (mit diesem neckischenWortpflegtderEompagniechef sein Prinzip,dieSchuldlosen büßenzulassen,zubezeichnen),wird,,gewickelt«.

SechsoderAchtaus derSchaarderGeschädigtenschleichennachtsindas ZimmerdesSünders;·vonrechtsundvon links ziehenzwei Mann ihm plötzlichdie Decke über denKopf, so daßerwedersehen noch schreienkann unddemErsticken nah ist;andere Leutehaltenihn festundwieder andere bearbeiten seinennacktenKörper unbarmherzigmitdenStöcken, die zum ReinigenderGewehreoderderKleiderdienen. Wenn ihreRachsuchtge- kühlt istund dasOpferaus zwanzig tiefenStriemen blutet,verschwinden sieebensolautlos,wiesie gekommen sind;Niemand hatvon demganzen VorgangEtwas gesehenodergehört,undwerzufällig wachwar,darf nichts sagen,daesihm sonst wohl noch schlimmer ginge.DieWicklerwerden selten entdeckt;unddereigentlichschuldigeCompagniechef,derdie Leute zur Mißhandlung aufstachelte,brauchtkeineStrafe zufürchten.Die Com- pagniechefstragen, nebenbeiseisbemerkt, die volleVerantwortungfür alle Mißhandlungen,die inihremTruppentheilvorkommen. Sie brauchtennur die LeutevonZeitzuZeitinAbwesenheitderUntetofsiziereenergischaus- zufragenunddieMissethäterstrengzubestrafen:dann würdenalleUeber- griffe schnell verschwinden.Sothatunser Rittmeister,mitdemErfolg,daß beiuns Mißhandlungenundenkbar undselbst Schimpfwörterseltenwaren.

DieKollektivverantwortlichkeit,einsicheres Kennzeichenbarbarischer Rechtszustände,istnur einSymptomdesSystems,dasdieSchuld noch nichtzurwesentlichen VoraussetzungderBestrafung, wenigstensderdiszi- plinarifcheu,gemachthat. DerSoldat, dereinenSeiner Majestätvorge-

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PsychologiederKaserne. 329 führtenParademarsch»umwirft«,wirdstreng bestraft, auchwenn erganz schuldlos dazu gekommenist.Eine strammeDisziplinkannsichja nicht erstmitsubtilen UntersuchungenderSchuldfrage,die eineausgiebigeVer- theidigungvoraussetzt, abgeben; sie muß sichandasSinnfällige, Aeußerliche halten. So zeigt sichauchhier,daß roheSitte sich rechtgut miteiner FormhöchstertechnischerEivilisationverträgt-

Die strammeHaltung,diederSoldat anzunehmen hat,wenn ein Vorgesetztermitihm spricht, isteinraffinirtausgedachtesMittel, um den Mann keinenAugenblickvergessenzulassen, daßerinsolchenMomenten willenlos ist. SieistinjederBeziehungdasGegentheilderHaltung,die man freiwillig annehmenwürde, undeswirktwieIronie,wenn man im ExerzirreglementdieVorschrift ,,zwangloser«Haltung liest. JederStellung einesGliedeswirddurcheineandereentgegengewirkt;dieSchultern zurück- genommen, aberdieEllbogen herausgekehrt;denHals gereckt,aber dasKinn eingezogen;die Brustheraus,aberdenLeibherein. Besondersschlau ist, daßman denschweren PallaschmitdreiFingerneinpaarZollüber dem Erdboden haltenmuß,sodaßman immer inVersuchungkommt,ihn straf- barerWeise ganzauf den Boden zusetzen. Dazudenkeman sichdie ab- sichtlichnonchalante Haltungdesetwa einenBericht entgegennehmendenVor- gesetzten. Welche Mühe kostetes, biseinBauernschädelbegreift, daßdirekte Vorgesetztedurch Frontmachen,anderedurch Handaufhebenzugrüßen sind, undbiserdann-auchfür diekomplizirtestenFällemiteinerunfehlbaren Regel ausgestattet ist! So heißtesin einem halboffiziellenLeitfaden:

»Das Frontmachenhatvor unmittelbaren Vorgesetztenauchdann stattzu- finden,wenn DieseinGesellschafteineshöherenOffiziers sich befinden,vor denenderSoldat nichtFront zumachenhätte.Zum Beispiel:derSoldat begegnetdemHerrnHauptmannodereinemHerrnLieutenant seinerCom- pagnie,dersichinGesellschafteinesStabsofsizierseinesanderenRegimentes besindet.Ermacht Front,siehtdabeiaberdenStabsofsizieran«. Wäre dasGebietnicht so unfruchtbar,dannkönnteman sichdarüberfreuen, daß hier Mancherzumerstenund einzigenMal inseinemLebenfeine begriff- licheDistinktionen vornehmenlernt.

Zum Wesen militärischerVorschriften gehörtaber auch ihreUnaus- führbarkeit.Esgiebtkaum eineeinzigeBewegung, Haltung, Ehrenbezeugung- Formation,diebuchstäblichinderbis inskleinsteDetailinDruckvorschriften angegebenenWeise ausgeführtwerdenkönnte.Daher schiebtsichdennzwischen dieEiswüstendesGebotes und desVerbotes einegrüneMatte desGe- duldeten,aufder, eintragikomischesGewächs,diemilitärischeFreiheitwuchert.

JenachderWitterungwird dieseMatte breiteroderenger. DerUnter- gebeneaber dafür sorgtdasSystem kommt nie zurRUheUndhat

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330 DieZukunft-

immer ein«böses Gewissen.WillihneinVorgesetzterhineinlegen,so kann ers stets,dennJeder hat,dadieVorschriftenUnmöglichesverlangen,immer irgendEtwas aufdemKerbholz. Darauf, daß solcheUebertretung bisher geduldetworden sei, darfsich natürlichKeiner berufen:dieeinzigeFolge wäre,daß derVorgesetzteeinenRüsselbekommtund sichmitdengeschädigten Kameraden desDenunziantenzurRachevereint. Hier öffnet sichnun für dieunteren EhargeneinereicheQuelle derAusbeutung, zumalderEin- jährigen.AngewiesenistJeder auf dieDuldungderUebertretung,aber einen Anspruchdarauf hater nichtundist deshalbgenöthigt,seine Unterofsiziere in eineStimmungzuversetzen,diesievoneinerAnzeigeabhält.Mitwelchen Mitteln man aufdieStimmungzuwirkenversucht, ist leichtzuerrathen.

Einsehr wichtigesKapitel,dashierher gehört,ist dasderKleidung.Wenn man nach einiger ZeitdieAusgehmontureinesEinjährigenmustert-,wird

man schwerlichnochein Stücksinden,dasderVorschrift genügt.DieKragen zuhoch,dieAchselklappenzuschmal,dasAuszeichnungtuchzuhell,die Sporenzuelegant,der Säbelzuleicht,dieKoppelzufein. Anfangs wagt derEinjährigenicht, sichindiesemAufzuge aufderStraße sehenzulassen;

am SchlußdesJahreskommterunbeanstandetinihmzumAppell.

, EinfriedlichesEiland ineinem empörtenOzean scheintManchemdas Lazarethmitseinem Hafen,demRevier. WiedieErinnyenvonihremOpfer lassen mußten,wenn esdiegeweihteStelle betrat,sohörtalleQual aus, wenn derSoldat sichkrankgemeldet hat.Das bleibtdennauchimmerdas letzteRettungmittel.Wieerlöst schien ichmir,alsichgleichindenersten Wochen, ohnedieKaserne vorher verlassenzuhaben, aufkurze Zeitins Lazareth hinüberwanderte. Statt desSchmutzesundderHäßlichkeit,aus demesin derKaserne keinEntrinnen giebt, saubere, freundliche, lichteSäle, stattderStrohsäckeguteBetten. Endlichkonnteich dochwiederzurBe- sinnungkommen,lesen, schreiben,denkenundausschlafen, besondersaus- schlafen.StattwüthenderKommandorufeeinfreundliches:»Wie gehtsIhnen?«

Statt desHohnes Theilnahmeundeinefast sosorgsameBehandlung,als wäreichkein Soldat, sonderneinPferd. VorallenDingenaber: keine Disziplin. AufdemPapier ists freilichdasSelbe. EineärztlicheHierarchie, dieStufe für Stufedermilitärischenentspricht,undunbedingter Gehorsam hierwie dort. Nunaberseheman, wasdaraus inderWirklichkeitwird.

Zunächstdie Kranken selbst: Unterofsiziere,Einjährigeundandere Gemeine liegen zusammen;diemilitärischenUnterschiedesind gänzlichverwischt.Der Ankömmling,dersichin derneuen Umgebungnicht zurechtsindet,istimNach- theilgegendie älterenKranken,einerlei,welcherCharge, ist auf ihreUnter- stützungdurchRathundThat angewiesenundläßt sichvonihnenüberseine

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