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Die Zukunft, 27. April, Bd. 35.

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Berlin, den 27.-April 1901.

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Deutschlandin China.

IrafWalderseewirdvomUnglückverfolgt.Als derehrgeizigeHeldeiner mühsaminJahren geschaffenenLegendenachChinageschicktwurde, durfteman zweifeln,obeinMann,derKlima, Terrain, Volkssitteund Vollscharakter nicht kannte,mitderAussicht auf ErfolgdenOberbefehl führenkönne. DiezahlreichenReden desvorderThat schonGefeierten, seine Bereitwilligkeit, jedemphotographischenApparatStand zuhalten,die ganze Art einesAuftretens,deminPreußens Militärgsschichkekein Vorbild zu finden ist:dasAllessprach sichernicht fürdie Güte dergetroffen-enWahl.

Dann kam dasersteMißgeschick:als derGeneralissicnusinAsien landete, waren dieinPeking bedrohtenFremden schonbefreitundandieserBefreiung hattekeineinziger deutscherSoldat mitgewirkt.Seitdem sindwirbeinahe täglichmitDepeschen bewirthet worden,diemilitärischeoderdiplomatische Erfolge meldeten;keinMenschaberglaubt, daßbisjstzt irgendein wahrhafter Vortheil erreichtworden ist. Der Marschallwar gewiß nicht müßig;erhat »pazifizirt«.«,unruhige Dörfer bestraft, Boxerban- denzerstreut,inScharmützelngesiegtund um bekannteWünschezu streicheln denFranzostnallerleiArtigkeiten erwiesen,dieaufdasgal- lischeVolksempfinden natürlichnichtdiegeringsteWirkungüben können;

Diese Thätigkeitforderte nicht geradeeinenFeldherrn;jedertüchtigeMajor hättesiezuleisten vermocht.Undnun istdasberühmteAsbesthaus,andem sovieleWitzeemporgezüngelthatten, daßdieOffiziösendesGrafenesmit

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eisernerStirn bereitsinsMärchenreichwiesen, istdervonWalderfeebe- wohnteTheildespekingerKaiserpalastes verbrannt,derFeldmarschall hat seineganzeHabeverlorenundseinLeben mitfremder-HilfedurcheinFenster desbrennenden Hauses gerettet.DemsolchenStrapazenundGefahrenaus- gesetztenGreiswirdNiemandmitleidige Achtung versagen;denGlanzdes Feldherrnnamensaber kanndiesertraurigeZwischenfallnicht mehren.Ein Oberbefehlshaber,denseineLeutedurchsFensterzerrenmüssen,ist,mager noch sotapfer,anderKatastrophenochsounschuldigsein,umseinenNimbus.

DasFeuer, sowird unserzählt,ist nicht angelegt worden, sondern zufällig entstanden.Dasklingt seltsamundkann dieErinnerunganderHunnen- königinChriemhildloderndeRacheundandenmoskauer Brandnichtver- scheuchen.UeberallflackernsolcheErinnerungen auf;denn überallherrscht heutedieGewißheit,daßderKrieggegenChinadergrößteFehlerwar,den diedeutschePolitik nachallenfrüherenIrrungen nochmachenkonnte... Mußte dieseErkenntnißso spätkommen?

»Es klingt recht schön,wenn in derSchreibstube,beimwarmen Kachelofen,tapfereMänner dasMichelthumderDeutschenhöhnen,dassich noch immer nichtüber denOzeanwage, in diegroßenWelthändelnichtver- wickeltseinwolle. DieMuthigen,dieinfremdenZonen fürsVaterland ihr Lebeneinsetzen,sind nicht geringzuschätzen,nichtvielgeringeraber die An- deren,moralischMuthigen,die in derHeimath,ohnenachGunstoderHaßzu fragen,desLügnerchoresGeheul schrillmitschmerzenderWahrheit durch- brechen, unddieserWahrheitkünderZeitscheintnungekommen.Wir leben nichtmehrin denTagenHeinrichsdesSeefahrers,desPrinzenvonPor- -tugal,deraufderEntdeckerfahrtnacheinemMärchenindiendieGoldküstefand;

wirsindvoneisersüchtigenNachbarnundinihrer Zuverlässigkeitunerprobten Freunden umringt, müssenheutenochinjedemAugenblickfürdenKampfum unserDaseinsrecht gerüstetsein unddürfenunsnicht leichtherzigmitMacht undEhreinWeltwinkeln festlegenlassen,woderleisesteAnstoßzuungeheu- ren ErschütterungendesErdkreises führenkann,zu einem derzoologischen Kriege,in denen ganzeRassen vernichtetwerden. JnOttoBismarck lebt-e sicherstetsderempfindlic,steSinn sürnationaleGrößeund derEinzigebebte

vorkeinerGefahr; unddochhatersichzwanzigJahre langunterOpfern bemüht,zwischenDeutschlandund demerwachendenReichderRassen,deren ZukunftinAsien liegt,dieFlächezuverkleinern, aufderReibungenmöglich sind, haternichteine Sekundevergessen,daßsein Deutsches ReichaufEu- ropasf estemBoden mit ganzerKraft früheroderspäterdieGroßmachtstel-

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DeutschlandinChina. 131 lungzuverthtidigenhabenwird. Erhat vorsichtiggezögertundjededenk- bareFolgeerwogen, eheerauchnureineKohlenstationmitdemRechtder Gewalterwarb. Erwußte,alsguter Gärtner, daßdiebestenFrüchtein der Stillereifen, hatteindreiKriegen gelernt, daßjedes vorzeitigeGeräuschnur demlauernden Feind nützlichwird,undhätte,bevorerseineLandsleute in dieGefahreinesWeltkriegeslockte,sichwohl gefragt,obselbstdasgünstigste Spielerglückeinen demhohenEinsatz entsprechendenGewinnbringenkönne-

DerdeutscheStamm brauchtanderbewohnbarenErdemehrRaum, abererbrauchtnochdringendereinruhiges, flackerndenWünschennichterreich- baresLebenscentrum,einestilleundstetigeRegirung,dienichtwähnt,mitdem kaltenStrahlelektrischerScheinwerferdenHimmelerhellen,mit demLicht bunter LämpchendasReisen löstlicherFrucht beschleunigenzu können. Wer denDeutschen sagt, siekönntenvoneinemzum anderen Tage geologische EntwickelungzeiträumeüberspringenunddieWesensformihres geschichtlich bedingten Daseins ändern,wieeinenFlottenplan,eineUniform,einenDenk-

malsentwurs, täuschtsichselbstoderwillAndere täuschenund wirdernsten MännernalseinBringer schlimmerBotschaft erscheinen-

...DerMagisterGermaniae hätteuns,wennernochwachte,nicht dieFrage verwehrt: Mußteeswirklich soweit kommenund istderGegen- stand großgenug,umdasOpfer deutscherLeben zulohnenundfürdie Be- drohungderpolitischen RuhedesReiches Ersatzzu bieten? SeitJahr- zehnten habenwir denfranzösischen,seit JahrendenenglischenChauvinis- musverhöhntund triumphirend gerufen, solcheWucherpflanzehabeim deutschenLand keineWurzel.Wirdürfenjetztnicht schweigen,dürfennicht ruhig, nicht ohne entschiedenenWiderspruch zusehen,wenneinekurzsichtige Staatskunst,diesichaucoeur legergeräuschvollselbst ihre Erfolgebe- scheinigt,demkünstlichenReichsbaudasstarkeFundamentzuzerstörendroht.

DerKaiserhatbeimAbschiedsgrußandienachChinagesandtenTruppen gesagt, ihm seiderKrieg—ergebrauchtediesesunzweideutigeWort—nichtan- erwartet gekommen.AuchausdiesenBlätternkonntemanschonvordreiJahren lesen,dernachOstasienübergreifendeJmperialismusmüssenachmenschlicher BoraussichtineinenWeltlrieg führen.LeiderreichtdieUebereinstimmung desUrtheils nichtweit.Des Kaisers WortsolltewohlandasBilderinnern,das er1895 voneinemKunsthandwerkermalenließ,dasbekannteAmazonenbild vomSchutzderheiligstenGüter,dasschlaueSchmeichlerinEngland jetzt als einen BeweisfürdieProphetengabeWilhelmsdesZweiten reproduzirt haben.DieBriten wissen,zuwelchemZwecksieihreGuirlanden verwenden.

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AusRußlandaberdringen andereWeisenanunserOhr.Daruft derFürst Uchtomski,veinGünstlingdesZarenund einMann,derChinaauseigenerAu- fchauungkennt,nurderhastigzufahrendeEingriffder deutschenPolitikhabedie chinesischenWirrenverschuldetundEuropavordieAufgabegestellt,einem VolkvonvierhundertMillionen MenscheneineRegirungzuschaffen, Europa, dessenasiatischePolitikdurchdieVerschiedenheitderInteressen zerklüftetundgelähmtist. Jn PetersburgundParis,in NewYorkund TokiosprechenAnderedieses Urtheil nach. DürfenwiresmitgutemGe- wissenungercchtnennen,weilesvoneinemFremden stammt? DieChinefen hielten sichruhigunderholtensichsachtvon denNiederlagen,dieJapan sieerleidenließ.Dem deutschenHandelbotOstasiendiebeste Aussicht, denndiepekingerRegirung hattedennatürlichenWunsch, ihre Aufträge einemJndustrievolkzuzuwenden,dessenLeistungenüberallgerühmtwerden undvondemsiekeinepolitischeBedrängnißfürchtenzumüssenglaubte.Von Unruhen hörteman nur, wenn gegen denfrommenUebereifer christlicher Missionare sichdieVollswuth regte.DerChinese hateine uralteKultur, eine bis in dieTiefe reichende,wenn auchnur dürftigeVolksbildungund eineReligion,diesichmehrandenVerstandalsanPhantasieundGefühl wendet.Esistbegreiflich,daßersichgegen einenBekehrungeiferempört,der in wildenLändern,nichtaber ineivilisirtenGegendenangebrachtseinmag.

DochderEiferderMissionare hättedengelbenMann kaumzumAufruhr getrieben. Auchin denGedankenhatteersichgewöhnt,daßRufsen,Briten, Franzosen ihmvonJahrzuJahr näher aufden Leib rückten·Das war nun einmalnichtzu ändern. Jetztabergriff Deutschlandzu,plötzlichund ohne denChineseneinleuchtendenGrund, unddamitwardasSignalzur ZersetzungdesLandesgegeben.Jeder heischteherrischseinen Theilvonder Beute,denGroßen folgtendie KleinenunddieschwacheRegirung sah sich gezwungen,jedemAnspruch,auch demkecksten,nachgiebigzuweichen. Daß dieseLänderjagddiechristlichenVölker insiltsamem Licht erscheinenließ,ist natürlich-;undnichtmindernatürlich,daßdieMands chu-Dhnastie,diewehrlos alleWünschederweißenVarbarenerfüllenmußteundsichohnmächtigzeigte, imLandeumAutorität undAchtungkam.DieMandschus habendasLand nichtvorderZerstückungzuwahren vermocht,dergepanzerten Faust,die über denOzean drohte, hat sichdiePatriotenfaustderVoxerentgegengeballtunddie nationaleLeidenschasthat selbstdieReichstruppenin denDienstder Anarchie gezwungen. DemdeutschenHandelaberist auf-Jahrehinausdieostasiatische Hoffnungzerstört.Mußteeswirklichsoweit kommen?

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DeutschlandinChina. 133 Lord RobertClivewollteum dieMittedesvorigen Jahrhunderts alsGeneralgouverneurderOstindischenCompagniemiteinemHeervon dreißigtausendMann Chinaerobern. DerkühnePlanwurdenicht ausge- führt,weil ClioesKollegendieunberechenbaren KostendesFeldzuges scheuten undfürchteten,derEhrgeizige,derSpekulantundFeldherrzugleichwar, werdesichnachdemSieg selbstaufdenmitihremGelde erobertenThron setzen.

Seitdemist dieVolkszahldergelbenMännerumhundertMillionen gewachsen und imGroßenwirdsichnächstensnun wiederholen,wasdamalsim kleinen BezirkeinerWelthandelssirma sichtbarwurde: jedeRegirungwirdvorehr- geizigenPlänenderliebenNachbarn zittern.MitallenKünstenderListund desTrugeswirdeinKampf begonnenwerden,in dem dasDeutscheReich wenigzugewinnen,aber viel zu verlierenhat.MiterschreckenderSchnelle habendieFolgeneinerallzulautgepriesenenPolitik sichenthülltunddie Berantwortlichen mögenvordemTagderAbrechnungbeben. Eswird Zeit, daßderwache Deutsche sichaus sichselbst, seinePflichtenundRechte undaufdenUrsprung seiner Macht besinntundalseinMündigerent- scheidet,oberdenWegeinesJmperialismus nachrömisch-britischemMuster weiterwandelnwill.Er wirdgewissenhastzuprüfenhaben,ob esnöthig war,wegeneinerKolonie,derenklimatischeundwirthschaftlicheVorzügejetzt schonvonKennernrecht gering geschätztwerdenund dieeinstweilennur ein paarSyndikaten Vortheile verheißen,dasLebendeutscherMänneraufsSpiel zusetzen,diefür solcheKämpsenicht gerüstetsind und,wenn siefallen,nicht alsBertheidiger heimischenBodens sterben,obesnöthigwar, sichin einen Welthaderzumischen,dessenGefahrenBismarcks tapfere Staatskunst weise stets mied,und einMißtrauenzuwecken,dasinkritischenTagen verhängniß- voll werdenkann.Noch istesZeit, sichmit einerweithin sichtbarenGenug- thuungzubegnügenundBritenundRussendannihre chinesischenHändel alleinaussechtenzulassen. EinedeutscheRegirung hatzuHausegenug zu thun,kann imDeutschenReich RuhminFülle erwerben, ohne sich,nach üblemVorbild,inimperialistischeRäuschezustürzen.«

Diese Sätzewurden geschrieben,alsdesDeutschen ReichesKanzler nochHohenlohehieß,desDeutschenReichesBürger noch, froherHoffnun- genvoll,derschönenMärvon demPlatzanderSonne lauschten.Dersie schrieb,wurdedamals,weilihm fürdieGrößedernationalen Ausgabedas Betständnißfehle,inallen Tonarten getadelt.VielleichtwirdseinBemühen, denfür Deutschlands EntwickelungnützlichstenWegzuerkennen,jetztfreund- licherbeurtheiltwerden.

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Max Von Pettenkofer.

»WerdalebtaufErden,willgesund sein,denneinLebenohne Gesundheit isteineQual,eineMarter,vonder JederErlösung wünscht,und —wenns nicht Mehranders sein kann selbst mitVerzichtung auf dieses Leben, durch den Tod« (M.v.Pettenkofer: Posau- läreVorträge, Heft II.)

MSPettenkofervor beinahedreißigJahrendiehiercitirtenZeilennieder- schrieb, dachtewohlNiemanddaran,daßsie sichauf so tragischeWeise

anihm selbst bewahrheitenwürden;aber sie beweisen, daßderEntschluß, eigenhändigseinen Lebensfadenzuzerschneiden,nichteinerzufälligenMiß- stimmung Pettenkofers seine Entstehungverdankt,sonderndaßereinertief wurzelnden Lebensanschauung dieses seltenenMannes entsprach.Bange Sorgenum diefernereErhaltung seiner körperlichenundgeistigenKräftebe- wogenPettenkofer,trotzderihmvon allenSeiten inso reichem Maßezu Theil gewordenenLiebeund!Verehrung,inseinem dreiundachtzigstenAlters- jahrdieErlösungznwünschenund dieErfüllung dieses Wunsches,,mit VerzichtungaufdasLeben«selbstherbeizuführen·WelchetraurigeUeber- legungen, welcheSeelenkämpfemußtendiesemEntschlußvorausgegangensein!

Und wietief mußtedieUeberzeugung,»daßesnicht mehranderssein könne«, Wurzel gefaßthaben,bisPettenkofer sichzudiesemletztenSchrittentschloßt EintiefesMitleidmitdemgroßenTotenergreiftuns beidiesemGedanken undseinAndenken istuns durch seintragischesEndenur noch lieber,nur noch theurer geworden.

Pettenkoser hatte nichtnur einan geistigerThätigkeitreichesund mannichfaches,sondern aucheinäußerlichsehr bewegtesLeben. Ergehörte nichtzuDenen,dievonJugendaninsrichtigeGleise gerathen,dieaufdem einmaleingeschlagenenPfade ruhignndunbehelligtweitergehenbisanihres LebensEnde. OhnebestimmteSteuerung tanzte sein Schifflein einigeZeit aufdenLebenswogenherumunderhatte schoninverschiedenenRichtungen seinen.regsamenForschergeistbethätigt,bevorsichdasgroßeZiel,demervon daabunentwegt zusteuerte, seinemgeistigenAuge erkenntlichmachteund bevor, ihm seineäußereStellung gestattete,diesem Ziel zuzustreben

MaxvonPettenkoferwurdeamdrittenDezember1818zuLichtenheim, imGerichtsbezirkNeuburgD.(Bayern)alsSohneinesLandwirthesge- boren. Nebenihmwaren noch siebenGeschwisterda undsowar esMaxens Vaterganzwillkommen,daß sein Bruder,Dr.FranzXaverPetteniofer,der

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MaxvonPettenkofer. 135 seit1823 königlicherLeib- und Hofapothekerwar und inkinderloserEhe lebte,nachundnachdreiGeschwisterPettenkofersundschließlichauchihn selbstinseinHaus aufnahm.Jn MünchenbesuchteMaxdieSchulenund auchdashumanistischeGymnasium,daser,achtzehnJahrealt, im Sommer 1837 mitAuszeichnungabsolvirte. Undnun standerzumerstenMaleam Scheideweg.Seine persönlichenNeigungenwandten sichderPhilologiezu, aberseinOnkelwünschte,daßderJunge Naturwissenschaftenstudirenund dann sichderPharmaziewidmen solle. Offenbar lagesimPlandes Onkels, denNeffen, fürdenereinebesondereVorliebe hatte,inseine Fuß- stapfentreten zulassen.Pettenkofer gab nach, hörte zunächstander Uni- versität MünchenphilosophischeundnaturwissenschaftlicheKollegienundtrat nachzweijährigemStudium alsLehrlingindieLeib-undHofapothekeein.

Doch schien ihmdiestrenge Schule seines Onkels,indieerhiergerathen war,nichtzubehagen.Daswar wohldieHauptursacheeinerzeitweiligen Entgleisung,diePettenkoferderBühne zuführte.DasregensburgerTheater nahmdenjungen, poetischangelegtenMann alsStatisten auf. »Jn Angs- burg«, erzähltePettenkofer humoristisch,»ließichalsenragirter Schauspieler einigeBuchstabenmeinesNamensweg undtratunterdemPseudonym Tenkof alsBrackenburgin Goethes ,Egmont«,als AstolfinCalderons ,Leben einTraum«auf;aucheinigeandereRollen eigneteichmiran. Inder freien Zeit ging ich nachdemnahen FriedbergDa lebtealsRentbeamter meinOnkelJoseph Pettenkofer,derhöchlichüber meinen Schauspielerberuf entrüstetwar. AusdieserEntrüstunghätte ichmirnun nichtvielgemacht, aberwohlaus seiner schönen,liebenswürdigenTochterHelene,dieichliebte.

JhreErklärung,siewollemirHerzundHand schenken,wenn ichnur wieder zurückkehrteundeinordentlicherMenschwürde,machtemirEindruck. Jch verließ die Bretter, verlobtemich mitHelene, ging nachMünchenundarbeitete anderUniversitätmitmeiner ganzenKraft,um baldangestelltzu werden undheirathenzu können.AusderHofapothekewar ich durchmeinenOnkel Xaver verbannt,denn einehemaliger Schauspielerkonntesichnach seiner Meinung höchstensnochzumMediziner eignen.« .

Esistnun ein beredtesZeugniß fürdiegewaltigeArbeitkraftund fürdiemoralischeStärkePettenkofers, daßerschon zweiJahre nachWieder- aufnahme seinerStudien inrascherFolge zuerst sein Approbationexamenals Upothekerunddann dasmedizinischeDoktorexamenmachen konnte. Doch verspürteer keinegroßeLust, Apothekerzuwerden; auchder praktischen Medizin standerschondamals skeptischgegenüber.Sofolgteerdenngern demRath väterlicherFreunde,diefür ihndieakademischeLaufbahnimAuge hatten,und begab sichzumspeziellenStudium dermedizinischenChemie zuerst nach Würzburgunddann nach GießenzuLiebig,indessenLabora-

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torium er seine ersten wissenschaftlichenArbeitenausführte (Entdeckungdes Kreatinins imHarneunddiesogenannte pettenkoserscheGallenreaktion).

Abernocheinmal wurdeeraus demneubetretenen Gleise herausge- worfen.Die Kreirungeiner Professur für medizinischeChemiean der münchenerUniversität,aufdieergerechnet hatte,unterblieb damals undder junge Gelehrtewar genöthigt,imJahre1845 eineAssistentenstellebeim Münzamtin München anzunehmen. Hier begannnun Pettenkofereine Reihe chemisch-technischerArbeiten(überdenScheidungprozeßderEdelmetalle;

überdenUnterschiedzwischendenenglischenunddendeutschen hydraulischen Kalten;über dieWiederherstellungantiker Glasfüße),dieihninweiteren Kreisenbekanntmachten.UndalsdanninFolgeeinesMinisterwechsels derLehrstuhl für medizinischeChemieinMünchengeschaffenwurde,erhielt Pettenkoferam neunundzwanzigstenNovember 1847 dieErnennungzunt AußerordentlichenProfessorandermedizinischenFakultät München,mit einem Jahresgehaltvon 700Gulden inGeldundeinemNaturalbezugevon zwei Scheffeln WeizenundsiebenScheffelnKorn.

Jn seinerneuen Stellung kündigteerVorlesungenanüber»diätetische Chemie«,diesichallmählichzurGrundlagevonBetrachtungenüberhygienische Fragenausbildeten undzurUntersuchungderUmgebungdesMenschenmit Hilfechemisch-physikalischerMethoden Veranlassung gaben. Uebrigensbe- thätigtesichderschöpserischeGeist Pettenkofersindieser Zeit nachdenver- schiedenstenRichtungen;nebenmedizinisch-chemischenAufgabenwandte ersich auchjetztwieder chemisch-technischenFragenzuGerstellungdesLeuchtgases aus Holzu.s. w.)undarbeitetesogarimGebietedertheoretischenChemie.

Soschätzendennauchdie«Chemikervor allenDingen PettenkoferalsVor- läuferunter den Begründerndesperiodischen Systemswegenseinerim Jahre1850 der münchenerAkademie der Wissenschaften vorgelegtenAb- handlung: »UeberdieregelmäßigenAbständederAequivalentzahlenderso- genannten einfachenRadikale«.Leiderkonnteerdamals seinen Plan,dieser Hypothese durcheineReihegenauer Aequivalentbestimmungeneinesichere Grundlagezugeben,wegenMangelsanMitteln,dieervergeblichvonder Akademieerbetenhatte, nicht ausführen.Aber seine Verdiensteumdiese wichtige wissenschaftlicheFragewurden dennochanerkannt unddieDeutsche Chemische GesellschafthatdasfünfzigjährigeJubiläum seiner Veröffent- lichung benutzt,umPettenkofereinegoldeneErinnerungmedaillezuüberreichen.

Jm Jahre1850 gingeinewesentliche Aenderungin deräußeren Stellung Pettenkofersvorsich.Sein Onkel Dr·F.X.Pettenkofer starb undMax Pettenkofer wurdezu seinemNachfolgerernannt. Damit aber dieUebernahme diesesAmtes ihn nicht hindere,wiebisher seiner Lehr-und Forscherthätigkeitobzuliegen,wurdedieunmittelbare FührungderGeschäfte in derHofapothekeseinemBruder MichaelPettenkoferübertragen.

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MaxvonPettenkofer. 137 ImJahre1852 wurde PettenkoferzumOrdentlichen Professor für medizinifcheChemieernannt. AlsLaboratorium hatte ihmbisjetzteinrecht beschränkterRaum imUniversitätgebäudegedient. Ietztaberstellte ihmder damalige PhysiologevonSiebold einigeLokalitätenimneuerbauten Institut

anderFindlingftraßezurVerfügung« Doch bestand auch hierdasganze KönigreichPettenkofersaus vierkleinenZimmern;underst später,unter demNachfolgerSiebolds,demPhysiologenVoit, der einer derältestenSchüler Pettenkofers gewesenwar, erhielterdieMöglichkeit,sichimInstitutetwas weiter auszudehnen. Immerhinwar dieEinrichtungdesLaboratoriums zujener Zeit,aus Mangelan verfügbarenMitteln, einerecht ärmliche, namentlich,wenn man sie mit denForderungen vergleicht,dieheutzutagean derartigeStättenderwissenschaftlichenForschunggestelltwerden. Andieser primitiven Ausstattung seiner »Werkstätte«hattedie imIahre1865 erfolgte ErnennungPettenkoferszumOrdentlichenProfessor für Hygiene,womit dieEbenbürtigkeitdervon ihmgeschaffenenneuen Wissenschaftmitden übrigen medizinischenDisziplinenanerkannt wurde, nichtsWesentlichesge- ändert; erstvielspäter,durchdenBau unddieimIahre1878 erfolgte Eröffnungdesneuen hygienischenInstitutes anderjetzt nach Pettenkofer benannten früherenFindlingstraße,erhieltenderMeisterundfein Facheinen Tempel,derihrer würdigund für Forschungzweckedenmodernen Anfor- derungen entsprechendeingerichtetwar. NochimphysiologischenInstitutwar übrigensdererste große Respiration-Apparatzur Aufstellung gekommen, dernachdenAngabenPettenkofers konstruirtwurdeundzudessenHerstellung König MaxIl. ausseiner Prioatschatulledie Summe von 10000 Gulden bewilligte,daandereMittel für diesekostbareAnlage nichtzurVerfügung standen. DieserApparatwar dererste,derin Folge seiner genialenKon- struktion gestattete,mitgroßerGenauigkeitdenGaswechselerwachsenerMenschen undgrößererThierezubestimmen.Erwar esdenn,dessenPettenkoferund Voit,inunverbrüchlicherFreundschaft,zuihrengemeinschaftlichvorgenommenen, bahnbrechendenForschungenimGebietederErnährunglehresichbedienten-

LangebevorPettenkofer»offiziell«Vertreter derHygieneinMünchen war, schonin denfünfzigerund imAnfangedersechzigerIahre, hatteer ansdemGebietderexperimentellenHygiene Manches geleistet.Geradezn jener Zeit drängtensich hygienischeFragen mächtiganihn heranundschon damals entstandenvor seinem geistigenAuge jene Aufgaben, die,wieer allerdings erst späterinsystematischemZusammenhangeausführte,denInhalt derhygienischenForschungund ihreEigenartbildensollten.Ihmwurde immerklarer,daß unser BefindenvonsoVielemabhängt,was außerhalb desOrganismus liegtundwaswirvorläufigoft noch sehrunvollkommen oder garnichtkennen. Hier sollte, nach Pettenkofers Ansicht,dieHygiene

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einsetzen. »Ihrgenügt,« sagteer, »nichtdiePhysiologiedesKörpers;sie braucht, fozusagen, aucheinePhysiologie seiner Umgebung, soweitder Grad feinerGesundheit dadurch beeinflußtwird... -So braucht sieeine PhysiologiederLuft,desWassers,desBodens, derNahrung,desHauses, derKleidung,desBettess.w.,sozusageneineüber denOrganismus hinaus fortgesetztePhysiologieundPathologie«.Das war, wenigstensin großenZügen,eineigentlichesArbeitprogramm fürdieexperimentelleHygiene undPettenkofer machte sich schonamEndederfünfzigerJahremitgroßer Energiean seine Bearbeitung.Seinen Forschungen lagvon nun an ein vollkommen bewußtesVorgehenzuGrunde aufeinemGebiet,dasvorihm Niemandbebauthatte, ja,von dessenExistenzzujener Zeit außer ihm wohl- Niemandeine klareVorstellunghatte. PettenkoferwirdalsogewißmitRecht alsder»VaterderexperimentellenHygiene«bezeichnet.

ZunächstwandteersichdemStudium derLuftbeschaffenheitbewohnter Räume undderenVentilationverhältnissenzu. ErhattedasGefühl, daß

»wireshiermiteinemfürdasGesundbleibendesMenschen sehr wichtigen Faktorzuthun haben.Undertäuschtesichnicht,dennwirwissen ja jetzt aus demKampfmitderTuberkuloseunddendabeigewonnenenErfah- rungen, daßderAufenthaltin reiner, unverdorbener LuftvonhöchsterBe- deutung fürdieGesundheitdesMenschenist. Jn ersterLinie arbeiteteBetten- kosereineleichtaussührbareundhinlänglichgenaueMethodederLuftunter- suchung (dienach ihmbenannte undauchjetzt noch allgemein gebräuchliche MethodederKohlensäurebestimmunginderLuft)ausundgabuns durch zahlreicheUntersuchungeninKrankenhäusern,Auditorien undPrivatwohnungen einenMaßstab fürdenGrad derLustverunreinigungunddieGrenze,die invonMenschen benutztenRäumennochzu duldensei (lVolumen Kohlen- fäure auf1000 Volumina Luft). Dann unterwarfer dieinjener Zeit gebräuchlichenSystemederkünstlichenVentilation einerexperimentellenPrü- fung, verglichdenEffektderaus TemperaturdifferenzengegründetenSysteme mitdenen, diesich mechanischerKraftbedienen,studirtedenEinflußder Verkoppelungvon Ventilation undHeizungundgelangte auf diese Weise dazu, GrundsätzefürdenkünstlichenLuftwechselundseine nothwendigeGröße aufzustellen,dieauchvonderheutigen, ziemlichentwickeltenVentilationtechnik berücksichtigtzu werden verdienen. AuchwieserderVentilationfürimmer ihre richtigeStellungan,wenn ersie vornehmlichnur gegendiejenigeLuft- verderbnißangewandt wissen wollte,dieunter gewöhnlichenVerhältnissen auchbeiBeobachtungstrenger Reinlichkeit unvermeidlich ist.»Ein Raum, dereinenverwesendenMisthaufen einschließt«,sagteerinseiner drastischen Weise, »wirdtrotz allerVentilation eineekelhafteWohnstätte,einHerd für schlechtesLustbleiben. ErstwodieReinlichkeitdurch rascheEntfernungoder

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