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Die Zukunft, 3. Juni, Bd. 27.

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Academic year: 2022

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Berlin, den Z.Juni 1899.·

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Kellnerlehrlingekh

WorJahren hatte ich unterwegsmaleinenaltenFreundgetroffenund saßmitihmimGastzimmerdesHotelsbisnach Mitternachtzu- sammen.Wirwaren dieVorletzten,die dasLokalverließen; zurückblieb nocheineSkatgesellschaftvom Ort. BeimHinausgehen fielmirderver- schlafeneKellnerjungeinseiner dunklenEckeauf. Jch sagtemir: Daßim Gasthasuse,namentlichwenn spätabendsnochZüge ankommen,dieFremden einigeLeutewacherhaltemDas läßtsichwohl nichtvermeiden. Ehedetnreiste jakeinvernünftigerMenschnachts;aberheute habennuneinmalderDampf, dashöchstvollkommenekünstlicheLichtunddie dummeEinbildung, daßwir in denzwölfTagesstundenmitunsererArbeitnicht fertigwürden,auch für diesemeist überflüssigeVerrichtungdieNachtzumTage·gemacht. Dagegen istesdocheinreinerSkandal, wenn Leutevom Ortmitihrem Skatspiel oderihrer politischenKannegießereioderihren faulenWitzen einemjungen MenschendennothwendigenSchlaf entziehen.SiesollenDas inihrer Wohnungabmachen,undwollensie dazutrinken,so mögen siesicheinpaar FlaschenBierholen lassenundsich selbstdamit bedienen;auch ihre eignen Dienstbotenum einesso lumpigenZweckeswillenaufdenBeinenzuerhalten, würdeungerechtfertigtsein.Seitdem habe ich, auf ReisenundzuHause,

’«·)Dieser Aufsatzwarschon geschrieben,alsdieNr.29der,,Sozialen Praxis«heraus-kammitdeWArtikel:»DieReichserhebungüberdie Lageder KellnerundKellnerinneninDeutschland.«DadarindasLehrlingswesenso gut wie garnichtberücksichtigtwird, sowerdendieMaßgebendengut thun, diehierfolgen- denBetrachtungenüberdiesen ZweigderKellnerei zurErgänzung heranzuziehen.

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dasKellnerleben beobachtet; ich habe mich gefragt:wann essen dieseLeute, wann schlafen sie,wann erholen sie sich? Jch habedieZuständesehrver- schiedengefunden. Jn besserenHotels,derenGaststubekeineKneipe ist oder vielmehr:die keineGaststube, sondernnur SpeifesaalundFrühstückszimmer haben—,genießendieLeutezwischendenHauptmahlzeitenlängereRuhepausen;

sie sindzwarstets gebunden,abereigentlichnichtangestrengtunddieNacht- ruhedauert gewöhnlichvon elfbissieben Uhr, ist also ausreichend.Sie nehmen auchvorderTable d’h6teihr gemeinsamesMittagmahlinRuheein.

AnfrequentenVergnügungorten,zudenenmanche Berggasthäusergehören, gehtinderSaison derRummel TagundNachtmiteinerganzkurzen Unterbrechungnach Mitternacht ohne sonstigePause fort; docharbeitenin solchenHäufernnur erwachseneKellner,diesichdannimWinter einruhiges Plätzchenaussuchen,auch wohlmitdemErsparteneinFerienvergnügenbe- reiten. Sehr verschiedensinddieVerhältnissein denBahnhofrestaurationen;

manche großstädtischeerforderneinenso anstrengendenDienst, daßesdie KellnertrotzguterEinnahme nicht langedarinaushalten;unterdenWirthen der mittleren Bahnhöfekenneicheinensehr humanen,derabendsumelfUhr seinejungenLeuteinsBettschicktunddenunbedeutenden Nachtdienstselbst versieht. JnschlechtgehendenRestaurationen istdie Kellnerarbeit natürlich

nur eingeschäftigerMüssiggang.Den Kellnern, dieja fastimmeraufTrink- geld angewiesensind, istdamitjedochnicht gedientund diesogenanntenLehr- linge, soweitesdasolchegiebt,verlottern beidieserArt»Arbeit«.

Dieser Gefahr sind sienun allerdingsingut gehendenRestaurationen nicht ausgesetzt. JneinemmitFestsaalverbundenen Cafå-Restauranthabe ich folgendeunverbrüchlicheTages-undJahresordnungkennengelernt.Die

»Lehrlinge«stehenum siebenUhr auf,werdenzweibisdrei Stunden mit PutzenundAufräumenbeschäftigtundbekommen dannihren Frühstückskaffee, dieeinzigeMahlzeit,diesie gemeinsamundeinigermaßeninRuhe einnehmen;

inzwischentreffendieerstenGästeeinundnun gehtdieBedienungununter- brochenfortbisMitternacht, manchmalbiszwei, drei,vierUhr morgens.

DasMittag-undAbendessennehmensie abwechselndein undmüssenesrasch hinunterschlingen,werden dabeiauch öfter abgerufen, so daßesihnenkalt wird. Derältestewird manchmal noch nach SchlußderReftaurationim Saal bei Bälleu beschäftigt;istererstum sieben Uhrzu Bettgekommen, soläßtman ihnbiselfUhr schlafen. Manchmal machendieJungenim Sommer morgensvon fünfbissieben UhreinenSpazirgang.Einmal im Vierteljahr gehen sie, ebenfallsvorsieben Uhr (dieGegend ist katholisch),in dieKirche.EinmalimVierteljahr dürfen sie aufeinenTag,dieauswärtigen imletzten Jahr auf zwei Tage,die Elternbesuchen. Jungenvon auswärts bekommenaußerdemWegezurPostundderChaussee,dietraditionell für

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Kellnerlehrlinge. 41 l denSommermorgenspazirgangbenutztwird,vonderStadt undihrerUmgegend nichtszusehenundgehen nachdreiodervierJahren so fremd fort,wiesie angekommensind.UndeinsolchesLeben,ohneSonn- undFeiertag, ohne RuheundRast, ohne wirkliche Erholung, ohne ausreichendenSchlaf, ohne geselligesMahl führenvierzehn-bisachtzehnjährigeKnaben imunmittelbaren DienstvonMenschen,diesichvergnügenunderholenundvondenenManche überhauptnichtsAnderes thun,alssichvergnügen!

Das aberist noch nichtdasSchlimmste.EinesTages fielmirein:

welchergeistigenVerödungmußeinjunger Mensch verfallen,dernichtnur keinenFortbildungunterrichtgenießt,sondern auch nichteinmaleinStündchen zumLesenfrei hat, ja, nichteinmal etwabeimFamilienmahl,wieesKauf- mannslehrlingenund denLehrlingenanständigerHandwerkergebotenwird an einervernünftigenUnterhaltungtheilnehmenkann? DasExperimenthatmeine Befürchtungenübertroffen.Jcherbotmich,einemsolchen»Lehrling«wöchent- lichzweiStunden zugeben.DerPrinzipal gestatteteesfreundlichundbereit- willig,aberda derJunge nicht eher gehendurfte,alsbiserseinArbeitpensum erledigt hatte,und zumFrühschoppenwiederzurücksein mußte,so schrumpften diezweiStunden zuanderthalb, oftzu einer,ja,zu einerhalbenStunde zusammen;undoftgenug, wenn andeinTageoderam Tage vorherwas Besonderesloswar, fiel unserBischen Unterrichtganzaus. Beidiesem Unterrichtsah ichnun mein blaues Wunder. Der Junge fiebenzehn Jahrealt! wußte wederdenNamen unsererRegirungbezirkshauptstadt nochdenunsererProvinzialhauptstadt,eben sowenigdenderReichshaupt- stadt.VonLändergrößenundEinwohnerzahlenhatteernichtdie Jdee einer AhnungeinesBegriffes.Als ich nachdendeutschenKönigreichenfragte, nannte erzunächstPommern DieMarkgrafenderSiegesalleeimberliner Thiergartenkenne ichja selbstnicht,abervomAltenFritzen,FriedrichWilhelm demDritten,von derKöniginLuife weißvielleichtsogar mancherFranzosen- jünglingEtwas zuerzählen;meinFranz wußtevon ihnen so wenigwie ichvon denHerrschernderTsin-Dynastie.Apropos Dynastie: auchden Familiennamen Hohenzollernkannteernicht.Erwußtenicht,wasaufder LandkarteNorden,Süden,OstenundWestenist,undohnemeineDazwischen-.

kunftwürdeer, wenn ernach beendigter,,Lehr«-Zeitanderswo eine Stelle bekommenhätte,nichtimStande gewesensein,sichdenWeg aufderLand- kartezusammenzusuchenEr wußtenatürlich auch nichtsvon derEnt- stehungdespreußischenStaates und desDeutschen Reiches,nochweit wenigervon denStaatseinrichtungen,an deren Ausbau undReformer

Nach wenigen Jahrenals wahlberechtigterStaats- undReichsbürgermit- zuwirken berufen seinwird,erwußtenichtsdavon,daßesimpreußischen Staat undimReich Polen,DänenundFranzosenoderFranzöslingegiebt,

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die zubekämpfenPflicht jedes Patrioten ist; nachdenSozialdemokratenhabe ich nicht erst gefragt.Undwas einPatriot ist, weißer heute noch nicht, weilich,wiemirjetztebeneinfällt, vergessenhabe,esihmzu erklären.Und wasfüreinenKellnerweitwichtigeristalsdie ganzeWeltgeschichtesammt StaatsverfassungundPatriotismus —: erwußte nicht, daß jenseitsder nahen GrenzedieZecheinFrancs undCentimes bezahltwird. Kurz, außerDem,waszumKellnerdienstinseiner augenblicklichenStellungge- hörte,wußteernichts.

WerDas liest,wirdvielleichtglauben,eshandle sichum einen Aus- nahmefall:um einenpolizeiwidrigdummen Menschenoderum Einen,der garkeineSchule besuchthat,oderum einenPolaken,derseinendeutschen Lehrernichtverstandenhat. NichtsvonAlledem. DerJunge isteinDeutscher.

Erist nicht begabt diemeistenderJungen,dieman aufs Gymnasium schickt,sindes, nebenbeibemerkt, ebenso wenig—, aberer hatnormalen MenschenverstandundeinmittelmäßigesGedächtnißundistnachträglichim Stande gewesen, sichdieAnfangsgründedesFranzösischenanzueignen.Er hat zuersteineVolksschulegewöhnlicherArt,dann allerdingsein paarJahre langeineungewöhnlichschlechteDorfschule besucht, zuletztabereinehöhere Bürgerschule,dieihmeinganzgutes Zeugnißmitgegebenhat.Alsernach beendigter,,Lehr«-ZeiteinigeWochenPrivatunterricht genossen hatte, tauchten dieimKellnerdienstunter dieSchwelledesBewußtseins hinabgedrückten ErinnerungbilderausderSchulzeitwiederemporundeszeigte sich, daß einige BruchstückeeinerGrundlage vorhandenwaren, aufder,wenn Zeit zurVerfügunggestandenhätte,wohlweitergebautwerdenkonnte;

Jch gehörenun keineswegszu denBildungfanatikern, huldigeviel- mehrder erzreaktionärenAnsicht, daßesnichts taugt,wenn einMensch mehr weiß,als er für seinen Beruf braucht. Jn einemunter hundert Fällen benutztderArme, derNiedrige,derSklave dasüberseinenStand hinausreichendeWissen,um sichentwederin einehöhereLebensstellungempor- zuarbeitenoder sicheineninwendigenLustgarten anzulegen, wohinersich von ZeitzuZeitzurückzieht,umsichvonseinen Mühenzuerholenundin geistigenGenüssenfür leiblicheEntbehrungenEntschädigungzusinden;aber in denübrigen neunundneunzigFällenmachtderBlicküber die Kerker- mauern hinausnur unglücklich.Und dieJungen,von denen ichrede, fühlensichnicht unglücklich,so langein die Mauer ihrer Unwissenheitkein Fenster gebrochenwird. Unglaublichund dennoch wahr! Das eben be- schriebeneHundeleben, dieses ewigeallwork and noplay, aus demsich jeder griechischeoderrömischeSklave,wenn ernichtangekettetwordenwäre, durchdieFlucht gerettet hätte,erträgt unsere durch ,,Genußsucht,Begehrlich:

keitundZuchtlosigkeit«soberüchtigtedeutscheJugend ohne Murren, ja,

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Kellnerlehrlinge 413 ohne sichGedankendarüber zumachen.Jchwürdeesdaheransichgeradezu füreine Sünde halten,einensolchenJungeneingemüthlichesFamilienleben kennen zulehren, ihmLiebe zugeistigenBeschäftigungeneinzuflößen,kurz, ihnzumMenschenzumachen.Erwürdedadurchentwederuntauglich für seinen Lebensberufodererwürdesich fortanbeiseiner Lebensweiseunglück- lichfühlen.DieGesellschaftfordert zweibeinigeBedienungmaschinenzund werdarauf angewiesenist, sichalseinesolcheseinBrotzu verdienen, Der darf nicht Mensch seinwollen. HätteeinsolcherJungeeinenHerrn,der ihn zeitlebensfütterte, kleidete, beherbergteundbeschäftigte,müßteernicht ins Lebenhinaus,woersichalsfreierundverantwortlicherKämpferdurch- schlagen soll: ichwürdemich wohl hüten, ihmdenStaar zustechenund durch Unterricht seinen Gesichtskreiszu erweitern,ihnzu einemMenschen zumachen!WärenwirChristen, sowürdenwirja freilich glauben, daß jederZweihändereinMensch sein soll,undwirwürdenfürchten,uns den ZornGotteszuzuziehn,wenn wirirgendEinemdiePfortezumMenschen- thumverrammelten. Wirwürdenuns aucherinnern,daßderJudengott, dernachderKirchenlehremitdemChristengottidentischist,vormehrals dreitausend Jahren denMann zusteinigen geboten hat,dernicht jeden Sabbath auch seinem ausländischenSklaven undseinem Lastthier, geschweige denneinemseiner Bolksgenossen,dievollkommensteRuhe gönnt.Aber wo giebts heute noch Christen?Das ,,WortGottes« hatdurchdieJahr- tausende lange Praxis,eszuverkündenunddabeivorauszusetzen,daßes nicht befolgtwird, alleKraftverloren. Wirhaben wohl Christenthumsheuchelei zupolitischenZweckenund Bigotterie,aberkeinChristenthum mehr;es wäre also thöricht,gegendieAusbeutungderKellnerjungendieBibelan- rufen zu wollen. DiezweiteSorte dersogenanntenChristen,diebigotte, wird sogarden bestehendenZustandganz vortrefflichfinden.Wennder JungedenganzenTagimJoch läuftundnichtinsBettkommt, alsbis

er vorMüdigkeitumsinkt,wenn erkeineGelegenheithat,wasSchlechtes zusehen,zuhören,zulesen, sowirdernicht fündigen;wenn erüberhaupt keineZeitzum Denkenhat, sowirderauchnichts Bösesdenken. Und in der That:darintäuschtsichderBigotte nicht.DieheiligenJünglinge,diesich aufs Priesteramtvorbereiten und denhalben Tagbetend aufdenKnien liegen,würdensichglücklichschätzen,wenn sie halb soreinwärenwiemancher verachteteKellnerbub. DeristindiesemStück—- welchesStückich meine, weißman schon,dennbei dem Worte,,Sünde«denkt derFromme jaimmer

nur andie eineSünde, dieerunaufhörlichbekämpft,um sichunaufhörlich mitihr beschäftigenzukönnen—, Der istindiesemStückso unwissend wieinallenanderen Dingen. Tippemalfragendanbeisoeinemsieben- zehnjährigenRestaurationsklavenunderwirdDichmitdenselbengroßenun-

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schuldigenAugen ansehenwie einsiebenjährigesKind,dasDu fragst: Weißt Du,wasdieeoncupiscentiacarnis ist?DieWüstenheiligenmußtensich mitTeufeln herumschlagen,dieihneninGestalt schönerWeibererschienen.

Der Restaurationburschekommt alleTagein engste Berührungmitleib- haftigen schönenWeibern, aberan deneninteressirt ihnweiternichts,als was sie sich aufderSpeisekarte aussuchen.Selbstverständlichsind diese BurschenauchMusterderMäßigkeit.WieWeinund Branntwein schmecken, wissen sie nicht,anBierdürfen sie jeden Sonntag nippenundvorVöllerei undGourmandise sind sie durchdie Quantität undQualität derSpeise- reste,diesie bekommen,hinlänglichgeschützt.UndansolcheMäßigkeitwerden sie gewöhnt,währendsiealleschönenundgutenSachen,die denGaumen erfreuen, täglichvonfrühbisindieNachtvorAugen habenund sichselbst vordieNase halten müssen. JnvielengroßstädtischenWirthschaftenmögen jadieBurschenverdorben werden; ichredevon solchen,dieichankleineren Orten kennengelernt habe.Deren Seelenheil ist durch ewige Leibespeinso

sichergestelltwie daskeinesHochgebildetenundkeinesMönches.

Allerdingsnur aufdreiodervierJahre!Damit sindwirbei dem Punkt angelangt,wodieSachefür dieRegirung interessantwird. Man denkesicheinenJungenvonderbeschriebenenUnwissenheitins Lebenhinaus- gestoßen:wieDerdurcheineWelttaumelu wird, dieernichtkennt! Man denkesich diesen Jungen,der dreiodervierJahrmitLeibundSeele so unter fremdemWillen gestanden hat, daß ihmkaumeinGedankegehörte, dernichtdiegeringsteUebungimGebrauch seines eigenenWillens, inder freien Bewegung hat wenigeralseinamerikanischerNegersklavevor der Emanzipation hatte,dennDerwar am Feierabend undjeden Sonntag sein eigner Herr—, man denkesichihnmitfünfzigMark in derTascheeineWoche langim vollenBesitzunumschränkterFreiheit, ohne Aufsichtundwohlwollende Leitung!Man denkesicheinenBurschen,derdreibisvierJahre lang nicht einmaldenZustand körperlichenBehagenskennengelernt hat,wieernun dieWollustkennenlernt undZeit hat, sich ihr hinzugeben!Mit welcher Gierwirdergenießen!Undwer wird ihndierechte Art,wer wirdihn MaßundZiel lehren?Man denkesich diesen BurscheninderHerberge oderinderKellnerschlasstubeeinerGroßstadtwirthschaftunter Kameraden, die«das Lebenschonkennen wassieinihrerDummheit ,,kennen«nennen-, oder imTingeltangelund im berlinerBall-Lokal! WirdernichtweichesWachs seinindenHändenderAusgelerntenundderDirnen? Jchkennenichtdie EinzelheitenderVerbrecherstatistik.Jch weißnur, daßdie Kellner einen be- deutendenProzentsatzderGästederArbeiterkolonien undder ingroßenStädten bummelndenArbeitlosenbilden,daßsieinStrafgerichtssitzungenziemlichhäufig vorkommenunddaßsienichtimbestenRuf stehen; haben sie sich dochvorein

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Kellnerlehrlinge· 415

paarJahren genöthigtgesehen,gegen denHerrnAkademiedirektorvonWerner zuprotestiren,dersieineinerKunstkritikmitVerbrechernundZuhälternzu- sammengestellthatte.Jchwürdeeserstaunlich, unbegreiflichfinden,wenn nichteingroßerTheilvon ihnenimGefängnißund inderGosseendete.

Dazu nehmeman denUmstand, daßderKellnerauf Trinkgeld angewiesen,.

also nichtetwa einesMannes treuer Dienerist,was sichmiteinemehren- haften Charakternichtblosverträgt, sonderneinensolchenvoraussetzt, sondern Jedermann-s Speichelleckerzuseingezwungenist. Kann daüberhauptein Charakterzu Stande kommen? Doppelte EhreDem,deresdennochzu einem bringt! DaßderKellner leicht unverschämtwird,woersich z. B.in einemüberfülltenHotel alsden Stärkeren fühlt,Das istnur dienatür- licheReaktion gegendenZustandderHerabwürdigung,worin ergewöhnlich lebt. Endlichbedenkeman nochdenGrad seiner Strafmündigkeit.Wir sindja heute,wokeinMenfh mehr weiß,wasnoch nichtverbotenist,alle- sammtgewissermaßenstrafunn·.ündig,abernun denkeman sicheinenMenschen, dervonDingenwie sagenwir Kontrakt, Urkunde,Fälschungkeinen Begriff hatunddersichohneeinenBeratherinderWeltdurchschlagensoll!

Eskanndochnur reinerZufall sein,wenn erinkeine dertausend Schlingen fällt,dieGesetzgeberundJustizimVereindemErdenpilger legen,unterdem Vorwand,-ihnzubehüten. Industriearbeiter lesen doch wenigstensnochden

«Vorwärts«, dereinigen UnterrichtinderGesetzeskundeundim Wandeln zwischenFallstricken ertheilt;abee derwirdnatürlichingutenHäusernnicht gehalten. Habenwirnicht hiereinsderLöcher,ausdemdievielbejammerte Kriminalität quillt,undkönnte dasnicht verstopftwerden?

Außerder Kriminalität ist auchdieGesundheitvonMenschundVieh einGegenstand,umdensichdieRegirungvonAmts wegensorgt, je länger, destoeifrigersorgt,undwenn auchamEifrigstenfürdie desViehs, so dochauch ziemlich eifrig fürdiederMenschen.NunistderGesundheitzustandder Kellnerlehrlingegarnichtschlecht.Von einerernstlichenErkrankungeines solchenhabe ich nochnievernommen, undwennman einenfragt, sobekommt man gewöhnlichzurAntwort, erseiganzmunter. Doch istzu bedenken, daßindiesemLebensalter Erkrankungenüberhauptäußerstseltensind;kommt einHandwerkerlehrlinginsKrankenhaus, so ist gewöhnlicheineVerletzung schuld.Dann abersinddiegesundheitschädigendenVerhältnissederLehrlings- zeitindenGastwirthschaftenso beschaffen, daß sie nicht leichteineakute Erkrankungverursachenkönnen.Dagegenkannich mirnichtvorstellen,daß Ueberanstrengung,Schlafentziehungund derbeständigeAufenthaltineiner mitTabaksqualmund Alkoholdünstenerfüllten Luft zusammen nichtden Organismus schwächensollten.DiefürdenAugenblickunmerklichenSchwäch- ungen, dieschonim AlterderEntwickelungbeginnen,werdensichsummiren

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undschulddaran sein, daßeinso großerProzentsatzvonKellnernanTuber- kulose stirbt; auftausendSterbefälle kamenbeiihnenimerstenundzweiten Vierteljahr1897 nicht wenigerals528Schwindsuchtfälle.

AuchdieGefährdungvonPersonen,Gebäuden und anderen Werth- gegenständenisteinAnlaß fürdieBehörden, sichum dieArbeitzeitund diesonstigenArbeitverhältnissevonAngestelltenundLohnarbeiternzu kümmern.

DieKellner nun kommenzuihrem Unglücknicht so oftwie Lokomotiv- führerundWeichenstellerindieLage, ihren Mitmenschen Lebensgefahren bereitenzukönnen. JmvorigenSommer hatineinemBadeort einWache haltender Hotelknabesein Licht herunterbrennenoderumfallen lassen, dadurch dasHaus angezündetunddasLebeneinerAnzahlvonGästeninGefahr gebracht;wenn ich mich rechterinnere,isteineDame verbrannt. Einpaar Tage hindurchwurdeindenZeitungendarübergeschimpft,wie derWirth einenunmündigenKnaben zumNachtwächterhabe bestellenkönnen;aberda esbei demeinzelnen Falleblieb,so hatdas RaisonnirenundLamentiren weiter keineFolgen gehabt. DaßeseineGrausamkeit sei,Knaben einen Sommer langdenNachtschlafzu rauben,unddaßman, auchwenn jeder GefährdungderBadegästevorgebeugtworden wäre,zum Wachtdienster- wachsenePersonen hättebestellensollen:Dasist natürlichweder einemZeitung- schreibernocheinemBadegast eingefallen.

DieGefahrderBrandstiftung istzugering,alsdaß siedemKellner- jungenEtwas nützenkönnte; dagegen dürftendie Kriminalität unddie Volks- gesundheit hinreichendeBeweggründefürdieRegirung abgeben,sichmitseinen 360siebenzehn-biszwanzigstündigenArbeitstagenzubeschäftigen.Siethut esauch,denndieReichskommissionfür Arbeiterstatistikist ja wohlein Stück Regirung,um uns derKürze halber diesesimDeutschen Reiche höchst unkorrektenAusdruckes zubedienen. Vielherauskommenwirddabeinicht, sdennderindenoberenRegionen wehendeWindistderAusdehnungdes Arbeiterschutzesnicht günstigundderBundesrathwird nochandemAerger genug haben,denihmdieBäckereiverordnungzugezogen hat;magalso aucheineKleinigkeitgeschehen,sowirddenKellnernfür zukünftigeAgitation nochgenugStoff übrigbleiben. Unddamöchteich ihnennun sagen, daß sie sich selbstamBesten helfenwerden, wenn sie zuerstden»Lehrlingen«

helfen.Dennwürde z. B. verboten,dieseJungenin derZeit zwischenzehnUhr abendsundsechsUhr morgensundanSonn- undFeiertagenzubeschäftigen, sowürdendieRestaurateuregar keine»Lehrlinge«mehr haltenkönnen, währendderHotelwirth auchmitdieser Beschränkungnoch welchegebrauchen könnte. AberdieAbstellung dieses »Lehrlings«-Unfugeserfordertgarkein Arbeiterschutzgesetz,dasieaufGrundderGewerbe-ordnungmöglichsein muß.

Gottsollmich behüten,daß ichdenLesermitetlichenvon denvielhundert

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Kellnerlehrlinge. 417 Paragraphenaus dieserundihren ,,Novellen«biszumJnnungsgesetzvon 1897 herunter belästige;ichkennediese Paragraphengar nicht.Aberich- meine,daßinjedem Gewerbegesetz,esmaginChina,inRußlandoder im Deutschen Reich erlassenwerden,unter einemLehrlingeinMenschverstanden werdenmüsse,derEtwas lernt;unddaderKellner-»Lehrling«thatsächlich nichtslernt, soistergar keinLehrling, sondernnur einjugendlicherArbeiter undich versehe ihn deshalbmitGänsefüßchen.EinTischlerjunge,dernicht alleinTische, sondern auchalle anderenArtenvonMöbeln undaußerdemdas Fourniren,AuslegenundSchnitzen,dasEntwererneuer Formenundguten Geschmacklernt, isteinLehrling; sein Lehrer,mageseinAltgeselleoder derMeister sein, muß ihm jedenderunzähligenHandgriffe vormachen, muß ihmVieleserklären,muß ihm Gelegenheitgeben, jeden Handgrisfzu üben, muß dabei viel GeduldbeweisenundmanchesverdorbeneStück in den Kauf nehmen. Einsolcher Lehrherr hat natürlichdasRecht, sich seine Mühebe- zahlenzulassen, seiesmitGeldodermit Arbeit, dieihmderschon einiger- maßenausgebildeteLehrling ohne Lohn leistct.Wieweitunsere Handwerks- meisterdemJdealeinesLehrherrnentsprechen,Dasgehtunshier,woes sichnur um dasGrundsätzlichehandelt, nichtan.Undauchdergeringge- achteteSchusterjungeisteinLehrling, fallsernichtetwablosinderFabrik Theilarbeit macht;undhatereinengutpassenden, schöngeformten Stiefel anfertigen gelernt,dann darfersichmitStolzeinenKünstlernennen; denn derGeheimrath,dergelehrte Professor,derGeneral bringen,undwenn sie sich aufdenKopf stellen,keinenStiefel fertig,nicht einmaleinen plumpen undschlechtgenähten,geschweigedenneinenschönen,gutpassenden.Was abermühsam gelerntwerdenwill,eheman eskann,Das isteineKunst- WaslerntdagegenderjungeKellner? Garnichts!DenTischdecken, die Bestellungenentgegennehmen,dieSpeisen auftragen,Biervorsetzen:Das könnteauchderGeheimrath,derProfessorundderGeneral,wenn sieLust dazu hätten; ich selbstmachemichanheischig,alleKellnergriffemitderEleganz eines»gelernten«Kellners auszuführenundauch,wieesjetztdieausOester- reicheingeführtedummeModewill,denKasseclöffelaufs Wasserglaszulegen.

JnderThat gebendrüben,übermgroßenWasser, entgleisteAkademikerund Adelige perfekteKellner ab,ohne auchnur einenTag Lehrzeit durchgemacht zuhaben,besorgenbeiuns zu LandeSoldaten und stellenloseHandwerker alsAushilfekellnerdieBedienungzurallgemeinenZufriedenheitundist jede Frauensperson,die einenkleinenGastwirth heirathetodersichalsMagdin eineWirthschaft verdingt, ohneWeiteres eineperfekteKellnerin. Esgiebt dennauch .,Lehrherren«unter denGastwirthen,die mitihren »Lehrlingen«

niemals auchnur einWort sprechen;dasBischen Dressur,dasinvier WochenvollendeLisLüberlassensiedenKellnern. Dieeinzige Verrichtung

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Das frühesteZeugnißdafür ist der Zolltaris von Aosia (960), der beweist, daß damals sowohl die Produkte Flanderns als auch die von Byzanz her eingesührten Waaren des Orients über

Immerhin ist es von Wichtigkeit,irrthümliche Unterscheidungmerlmale fallen zu lassen, um der richtigenEinsicht näher zu kommen. Deshalb wird die Erkenntniß, daß die unorganische

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Dann stellte sich aber heraus, daß er zum Lernen keine Lust hatte, und man wollte ihn auch nicht an- strengen; der alte Landarzt warnte dringend davor, geistige Ueberreizung konnte

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