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Die Zukunft, 27. August, Bd. 48.

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Hex-os--O-OHD-Q-O-OOO-OOCZOIcskskksskkkchks FULL-F10L-

Berlin, den 27. nguft 1904.

V F sls I s-

Der Kluge Hans-.

WogoundKuroki,Möller undMirbach habeneinen Rivalem Fastsfo

J viel wie über die viergroßenOrganisatoren iftin denletztenWochen über einWesen geschriebenworden, dessenLeistungendiedeutscheMenschhcit zunichtgeringeremStaunen reizen.EinPferd.Name: DerKlugeHans-.

Titel:DasWunderpferd.Das Bild desneuen Preszgiinftlings ist sicherin Scherls Depeschenfaal, wahrscheinlichauchinScherls illustrirtenBlättern zusehen. VierzehnTage langwaren alleZeitungenvomRuhm seinerThaten voll;wardunsberichtet, daßeslesenundrechnen, Farben unterscheidenund Menschenerkennen,zwarnur mit demHuf reden, dochoffenbarmitdem-Hirn afsoziirenunddenken kann.NichtetwavonderSorte,die im CirkusTaschen-—

tücherundZuckerftückchenfuchtund manchmal auch findet.Einintelligentes undintelligibles Wesen. Deshalb drängtsich Ganzberlinzu denVorfüh-.

rungen. HoherAdel, Generale, Professoren. Nächstenswird derKaiserdas Pferd examiniren.LindHaeckelhatseinenBesuchangesagt; »dieserGelchrte«, standimLokalanzeiger,»vertrittdieAnsicht, daßdieSeeleuthätigkeitder Thierevondermenschlichennur graduell verschiedenfei«. Unglaublich, auf welcheTollheitensolchegottloseLeute kommen.Jedenfalls iftderKlugeHans abereineSel)enswürdigkeit.Togo oderKuroki,Möller oderMirbach:Einer derVierestecktin demThiere.Als dieBewunderungdenGipfel erreicht hatte»

gingesbergab. Schwindel, lasenwir;keineSpurvoneineijeistr Alles Dressur. Hans gehorchtdemAugenwinkdesStallknechtes,derin derschlau inszeuirtenKomoedie dieHauptrolle spielt.DerschlichteMann ausdem Volk

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320 - DieZukunft.

hatesselbsteinemJnterviewer gestanden.EinemJnterviewer!Warum, sprach ichzumir,warum kamDir,DuTropf, nicht dieser Einfall? Wirst Dudenn nieredigiren,dasBedürfnißDeiner Zeitnieempfindenlernen?

Natürlich mußteman interviewen,wasirgend zuinterviewen ist:dasPferd, denBesitzer,denStallburschen.Daslagdochso nah. Ließsichvielleichtaber nachholen. Noch istdieöffentlicheMeinung getheilt,dieEntlarvung nicht völliggelungen.GenNorden, schnell,ehedergroßeStreit verstummt.

Jch ging,wardohneallzuvieleUmständeeingelassenund-fandHansens PflegernebendemStall. JnderDrillichjackesaßer,qualmteenglischen Tabak und las.Laswirklich;dickeBücher.Alsichmichvorgestellthatte, stießer sievomSchemelund ludmichzumSitzenein. NannteaberseinenNamen nicht.

Bescheidenheit;oderdasHochgesiihl,daßjeder Europäer«ihnkennenmüsse?

»KeineEntschuldigung,HerrDoktor«(derTitelbewiesmir, daßer andenUmgangmitJournalistengewöhntsei); »mir ists eigentlichlieb, mich malaussprechenzu können.Ihre Zeitungen schreibenja sonderbare Sachen überuns. Mirwar gesagt worden,wir kämenhierin dieStadt derJntelli- genz unddürftennicht drauf rechnen,wie einWunderthier angestauntzu werden. Und nun? Bei denJndianernwärees unsnichtanders ergangen- Diehättenuns vielleichtsogar besserverstanden,weilsieanderVernunft derThiereniegezweifelthaben.Das scheint hierwasganzNeues. Merk- würdig. LeseninBerlin die Leute denn nieBücher?UeberdieseDingewird dochseit Jahrhunderten geschrieben.Antonius vonPadua(1195bis 1232) hättedenFischennichtgepredigt,wennernicht GehörundVerständnißvor- ausgesetzthätte.Undlangevorihm hatten Parmenides,Empedokles,De- mokrit, PorphyriosundAnderegelebt,diesichmitThierpsychologie beschäf- tigten.WasderLokalanzeiger(schicktScherlSieetwa?)alsHaeckelsAnschau- ungverbreitet,ist janur eineWiderholunguralter porphyrischerErkenntniß.

Die Krone derSchöpfung,dergöttlicheOdem: allsolches anthropocentri- schesZeug hat erstdieKirchein die Weltgebracht. DochwederRåaumur noch Trembley,wederReimarus noch Brehni ließensichdurch dieseSpin- nengewebe aufhalten.Hatman hiernievonSchopenhauerundRomanes, vonLubbocksBienenstudien, Forels Ameisenforschunggehört?UndDar- wini Denführt dochjeder ZeitungschreiberimMund. Jeder schwatztvon ,Entwickelung«.sKommtsaberdraufunddran,somerkt man,daßAllesin theologischenBorstellungenlebt.WunderlichesLand. WiehießdochderMann, dersagte,dieGedankendergroßenGeister seien spurlos,wie einKranich- schwarm, hochüber denHäupternderDeutschen dahingezoge112«

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DerKluge Hans. 321

,,Lassalle.Aber verzeihenSie ichbinerstaunt,SieimBesitz einerwissenschaftlichenBildungzufinden,diefür JhrenStand ..

»Redenwirzunächstmalnichtvonmir und meinemStand, sondern vonderSache. SehenSie:ichhabedaeinBischen populäreLiteraturher- ausgesucht.Neueres undNeustesnur;wasman soimKofferhat.Wundts ,GrundrißderPsychologie«.HörenSiezu:,Das Thierreichbietetuns eine ReihegeistigerEntwickelungen,die wir alsVorstuerdergeistigenEntwicke- lungdesMenschen betrachten dürfen, insofernsichdasgeistigeLeben der Thiereüberall als ein dem desMenscheninseinenElementenundin den all- gemeinstenGesetzenderVerbindung dieserElemente gleichartiges verräth.

DieVersuche,dasVerhältnißzwischenMenschundThier psychologischzu definiren, schwankenzwischenzweiExtremeu,nämlichzwischenderin deralten . PsychologieherrschendenAnschauung, daßdiehöherenSeelenvermögen,na- mentlichdieVernunft,demThier vollständigfehlen,undderbeiVertretern derspeziellenThierpsychologieverbreitetenMeinung, daßdieThierein Allem, auchin derFähigkeit,zuüberlegen,zuurtheilen undzuschließen,inihrenmora- lischenGefühlenundso weiter-vollständigdemMenschengleichen.«Eineandere Tonart ;Mauthners ,KritikderSprache«:,Jst SprachedasSelbe wie Denken undistDenken nichtsalsthätigesGedächtniß,soistnichtderkleinsteGrund,am Denken derThierezuzweifeln.DaßderHundsogarabstraktdenkenkönne,hat Darwin einmalselbst beobachtet. Jn ihrerArtverstehensichdieThiere sogar schon auf Naturgesetze.Sie,dieinihrerArtNaturwissenfchafttreiben, ohne Menschensprache,sind auchLogiker,wiederohneMenschensprache.Sieziehen Schlüsse.DaßbeidemschimpflichenGeschimpfgegeneineThierseeleoderThier- sprachenichtdieBeobachtungderWirklichkeitwelt,sonderndieWirkungalter Pfaffenscheu einbläst:Daswirdman mirwohl zugeben,wennichanein Worterinnere,dasumnichts unterschiedärmeristals dieSpracheund das dennochunbefangenvonThieren gebraucht wird,nur weileswenigerals dasGehirnalsSitzeinerunsterblichen,alsogöttlichenSeeleangesehenwird.

Ichmeine:dieHand.Das Wortwirdneuerdingsin denWissenschaftenun- bedenklichvondenanalogenStücken derThierextremitätengebraucht,vom Vorderfuß,derVorderflosse.DieJäger sindgarsogottlos,dieVordertatzen desLöwen,ja,denGreisfußdesFalkenHandzunennen. Unddagegen hat nochkeinPfaffe geeifertund gegeifert.cUndtrotzdemdasAllesseitJahrund Taggedrucktist, trotzdem Schopenhauer,derdochin EurerModegewesen sein soll, schonvoreinerhalben EwigkeitdenThieren Verstand zusprachund KeinerdieJntelligenz seinesHundes,Pferdes,Zimmervogelsbezweifelt,—

trotz Alledemthutman jetzt,alsbehauptetenwirFunkelnagelneues.«

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322 DieZukunft.

»Den RuhmderNeuheit begehrenSiealsonichtSehr vot"nehm.Jm- met-hin leistetJhr Hans höchstUngetröhnlichesErrechnet,schreibt,unter- scheidetdicFarbenpreußischerUniformen,beantwortet Fragen. Freilichnur, wenn sieihmvonJhnenoder den anderen ihm vertrautenHerrenvorgelegtwer- den.Das ist aufgefallen. Unthnen wirdnicht unbekanntsein,daßman fagt,es handle sichumGaukelei,dieentlarvtwerdenmüsse.DerZweckmeinesBesuches war,IhnenGelegenheitzueinerVertheidigunggegendieseAnklager geben.«

»Vertheidigung?Dankebestens.Gegen solcheEselei vertheidigtein gescheiterMenschsichnicht.Wasman unsvorwirft, isteben unserVerdienst;

daseinzige, aufdaswirstolz seinkönnten.Darum lasich Jhnen jaein paarStellen aus leichterLiteratur. DaßdieThiere Verstand haben, weiß schonderHereroknabeimBusch;nur,wieesscheint,dieöffentlicheMeinung EurerKulturhauptstadt noch nicht.Wo aberVerstand ist,dakommtsnur aufdieErfahrung,dieUebungdesGedächtnissesan; umeinhierbeliebtes Schlagwortzu gebrauchen: aufErziehung.Daran glaubtJhrdoch? Schön.

WirhabendenHanserzogen.Dazuwaren Eselsbrückennichtzuentbehren.

Fehlendie EurerMenschenerziehungetwa? Jhr hathibeln,Grammatiken, Wörterbücher,Enehklopädien,Kollegienhefte, Kodices, Dicnstregelements, Lehrbücher,Citatenlexika,Geheimrätheund dasWichtigste Zeitungen.

Jeder Stand, jedeKaste hat ihre besondereBodenkammer,woallesWissens- werthe aufgehäuftist;einGriff,ein Blättern: undman hat,wasman just braucht.DerStudent schlägtsein Lehrbuchnach,derMinister preßtseinen DezernentenausunddiegroßeMenge hält sichandieJournale.Dasteht, wassiezudenken,zuglauben,zufühlenhat«Ueber den liebenGott und den neuen Zolltarif,überJapanerundRussen,Kultur undKunst.Werassoziirt, werempfindetdennselbständig?Ein paarDutzendunter Millionen. Die Anderen sind ,erzogen«.Aberfragt sienur: um Antwort werdensienicht verlegen sein.DervonAbgeordneteninterpellirte Ministerwirdüber dieent- legenstenDingewundervoll schwatzen,wennseinGeheimrathihmdierichti- gen Daten gegeben hat;derStudent wirdüberPflanzengedächtniß,der KriegsschülerüberdieinnereLinienachdemSchnürchenreden,wennersgerade ,gehabt«hat;undderApothekerlehrlingwirdIhnenallestrategischenFehler KuropatkinsundStoessels erzählen,daßSie Mund undNase aufsperren.So weit werdenwir denguten-Hansniebringen. UnserErziehungapparatmußte vieleinfachersein. Schweißgenughatsgekostet; aber wirhaben auch erreicht, ausdemPferdeinfür seine Verhältnissegelehrtes Hauszumachen.Der Vorwurf, daßesnichtIedem auf jedeFrage antworte, ist läppiseh.Erstens hat

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dasThier seineNerven, StimmungenundMucken wieder-HerrMensch.Und zweitens: laßtmaleinenunvorbereiteten Minister ausfragen, Schüler von einemExaminator,densienicht kennen, prüfen,dieJnstruktionstundc voneinemdenRekruten fremdenLieutenant abhaltenoderzwingt selbstei- nenProfessor, eine,Autorität-,zu einemKolloquiummit einemKetzer.Jhr werdetWunderdingeerleben. Erziehung istKrückenlieferung;undnur der Lieserant weißganzgenau,waserdemKundenzumuthen darf. Spricht Jeder ja auch seine besondere Sprache,andie der Andereerstgewöhntsein muß.WennhierirgendeinversportetesBankierweib dasHänschenexami- nirt, ists,alswolltederalteBebel den KadettendieLektionabhören.Keiner brächteein Wortheraus.Der Kontaktfehlt; denschafftnur dieGemeinsam- tkeit des Drills. Jch«binHansens Lehrbuch,KonversationlexikonundVor- ragenderRath;bindieZeitung,dieseineGedanken vordenkt. Aufmein Augeblickterundsprichtmit demHuf,bis meineWimperihn schweigenheißt.

Weilerskann, ister,gebildet«.VonGeistkeineSpurundAllesDressur?

DenUnterschiedhateinliiderlicher Magisterin denOsterferien erfunden.«

DerSkeptikerin derStalljackewurdemirunheiznlichOffenbarein geriebenerKerl,derdenProfunden spielteundfein Sprüchlein gut einge- lernthatte.Kein Wurm aus derNasezuziehen.»IchwilthrekostbareZeit nicht längerbelasten; möchtemirnur nochdieFrage erlauben,obJhrin- teressantes Experimenteinenbestimmten ZweckinAussichtnimmt.«

»ZweckPOhneTelosgehts also auch nicht.Wenn Sie drüberschreiben wollen, sagenSie: Ja; dieSache hateinenZweck.Mehrals einen. Den Zweck,dasSenkblei indieTiefenEurerBildungzutauchen. Zu zeigen,daß EureGottlosigkeitinderWurzel theolegischgefärbtist.Daß Erziehungresul- tateauchdamöglichsind,wodergöttlicheOdemfehlt. Daßderbewährte Lehrtrichter selbstinThierpsychenpaßt.UnddaßJeder angestaunt wird,der kann,wasernichtzukönnenbraucht.BoxendeKänguruhs,rechnendePferde, witzigeMinister:Das dünktEuchGebildetedochimmerdasHöchste.«

»Und darf ichfragen,mitwemichdieEhre hatte? JhrKleid stimmt sogarnichtmit der ArtIhrerRedeüberein,daßich wirklichnicht..

,,SamuelLee.Diakon inMassachusettsgewesen.Dann Pedellin Harvard. Makrelenfänger.Vermögengemacht.EinRegimentfürdenkuba- nischenKrieg gestellt.Bei einergroßenKornschwänzeAllesverloren. Crou- pier, ohnezuwasRechtemzu kommen.JetztmitdemStudium derPhysiologie europäischerKultur beschäftigt.Wünsche,wohl gespeistzuhaben.«

Z

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324 DieZukunft.

In tyrannosi

WerrpnWilly Hellpachstellte sichmirinder»Zukunft«neulich höchst liebenswürdigalsLandsmann vor undsprachdieAnsichtaus, ich würdedenGlauben an dengeistigenUrsprungderKrankheit Nietzschesaus- geben,wenn ichdasBuchvonMöbius gelesen hätte. Jn derThat habe ichdieses Buch nicht gelesen,kenneaberdieAnsichtdesberühmtenNerven- arztesvonderEntstehungderParanoia ausseinenanderen biographischen Werken,besondersaus demüberRousseau,und habe michvon ihm nicht überzeugenlassen.Diemoderne Psychologieohne Psychehalte ichfürUnsinn, binvonderSubstantialitätmeiner eigenenSeeleüberzeugtundweißaus Erfahrung, auch ohnedievon Eharcot beobachtetenHeilungen durchAuto- fnggistion, daß nichtalleinderKörper,am Unmittelbarsten natürlichdas Hirn,denGeist, sondern auch dieser jenen beeinflußt.Das Erste ist selbst- verständlich;auchderbesteGeigerkannohneGeigegarnichtundmiteiner fchadhaftenGeige nichtgutgeigen.DasAnderelehrt michdietäglicheEr- fahrung. Frohe Stimmung erhöhtdaskörperlicheWohlsein; jedeunange- nehme Gemüthsaufregungverursachtmir eineVerdauungstockung,dieich augenblicklichspüreunddiemitunter Kopfschinerzenzur Folge hat. Wenn ichnun glaube, daß Nietzschean seinerPhilosophieerkranktist,sourene

ich natürlichnicht, daß ihn»der intellektuelle JnhaltseinerDenkarbeit«auf dieselbe Weisekrankgemacht habewieeingenossenerSchnaps,eineein- genommene MedizinodereinsonstigesGift. Sondern ismußten,abge- sehenvon derUeberarbeitung,dieErgebnisse seinerDenkaibeit eineAuf- regung undeineanVerzweiflunggrenzendeunbehaglicheStimmungerzeugen, derenverhängnißvolleWirkung aufdieleiblicheGesundheit nichtausbleiben konnte. DerleidenschaftlicheAbscheuvor allem Bestehenden,dersichim ,,Zarathustra«ausspricht,unddervergeblicheVersuch, sichalslachenderLöwe undalsTänzerüber dieThatsache hinwegzutäuschen,daß einohnmächtiges Einzelwesenrettunglesverlorenist,wenn esnur nochdieWahlhatzwischen derGesellschaftdurchausverkommenerMenschenundderabsoluten Einsam- keit, in deressein eigenerGott seinmüßte: einsolcherGemüthszustandist schonWahnsinnundmuß,meineich,mitderZeitdasDenkorganzerstören.

Das hat Nietzscheselbst gewußtundbezeugt.WieRaoul Richter einführt, hateranMalwida von Meysenbugeinmal geschrieben: »Meine sehrpro- blematifcheNachdenkereiund Schriftstellereihatmichbisherimmer krank gemacht; solange ich wirklichGelehrterwar, war ich auch gesund.«Wenn NietzscheanGehirnerweichunggestorbenist undtrenn dieWissenschafterwiesen hat, daß dieseFormderGehirnkrankheitennur durch äußereEinwirkungoder durchererbte Schäden erzeugtwird,dann hatsichebenmitdergeistigen

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lntyrannos! 325

Krankheitursachenacheinekorperlicheverbunden. Das erscheint übrigens meinem Laienverstande schon deshalb sehr glaublich,weilichalsWirkung einerinungelöftenund quälendenWidersprüchensteckengebliebenenDenk- arbeitlebhaftesJrrereden erwarten würde,nichtdieVerblödung,derdieser Unglücklichein seinenletzten Lebensjahren verfallen istunddieaufeine körperliche,äußereUrsache hinweist.VorderFachwissenschaftverbeugeich mich selbstverständlichinstummer Ehrfurcht.

Nurnichtzutief. Offen gestanden: unbedingtenGlauben schenkeich

nur denVertretern derimstrengstenSinn desWortes exaktenWissenschaften, weilnur derenErgebnisseallgemein,auchvomLaien, kontrolirtwerdenkönnen.

DieKonjunkturenderHimmelskörper,die derAstronom voraussagt, treffen ein«Damit beweister,daßerrichtig rechnet,undich halte ihn für unfehl- barinallseinen Bevechnungen.DieMaschine,die derJngenieurgebaut hat, leistet,was ervonihr verspricht.DieLichtwirkungenundTemperatur- veränderungen,diederPhysikerund derChemikerbeiihrenExperimenten voraussagen,treten ein. Darum glaube ich, daß sie richtigdenkenundin ihremFach unfehlbar find.Dagegen halte ichdieprähistorischeWissenschaft, dieBiologie,dieBakteriologie,dieAssyriologieunddie Egyptologie,soweit sieüberdieBeschreibungvon GegenständenundVorgängenhinausgehen,

nur füreinenamusantenZeitvertreib Jch leugne natürlichnicht, daßdie altenTöpfe,dieEmbryonen,dieZellenundZellgewebeundihre beobachtetenVer- änderungen,dienurmikroskopischerkennbarenLebewesen,dieHieroglyphenund dieKeilinfchiiftenvorhandensind;aberichkanndieZusammenhänge,diezwischen jenen angenommen werden, dieFolgerungen,dieman daraus zieht,die Deu- tungen derSchriftzeichenuntergegangenerSprachen nichtkontroliren undin einigenFällenreichenmeineKenntnisseaus,denFachgelehrtenfalscheSchluß- folgerungennachzuweisen.Undzudennicht exaktenWissenschaftengehört auchdieMedizin,diesichinneuerer Zeit besonders auf zwei äußerst problematischeWissenschaften,dieBiologieunddieVakteriologie,zustützen pflegt. Professor LudwigWoltmanns Politisch AnthropologischeRevuegehört zu denZeitschriften,derenMitarbeiter über denVerdachtlaienhafteroder garpfäffischerVorurtheilegegendie moderneWissenschafterhaben sind.Da hatesmirnun unendliches Vergnügenbereitet, imAugustheftdenSatzzu finden:»AmAllerwenigstenistdieLungenheilstätten-Bewegungoderder Serumfchwindel dazu berufen,dieTuberkulofe auszurotten.«3-)

i)JchkanndemverehrtenFreundeJentsch nochwirksamere Citateausbe- rühmtercrQuelle liefern· Jneiner ArbeitüberTuberkulose sagt ProfessorDI-.

Winternitz:»DerCholerabaeillusallein,wenn erauchin denDarmeingedrungen ist,macht nochkeineCholera,wieesjadieBacillenfrühstückevonPettenkoferUnd Einmericham eigenen Körper bewiesen haben. Hier gehörtzurErkrankung nebst

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326 DieZukunft.

AlsoichbekennemichdenFachmännernallernicht exaktenoder minder exakten Naturwissenschaftengegenüberschwachgläubigundsehrzumradikalen Unglauben geneigt.Kommt man indieLage, aufeinemGebiet,woman Laieist, handelnzumüssen,dannmußman sich ja blindlingsderFührung derFachmännerüberlassenBekanntist,wie BismarcksichausDelbrückver- lassen hat, so langeernochnicht Zeit gefunden hatte, sichselbstmitHandels fragenzubeschäftigen.Ererzählte,alserdasGeständnißmachte (Harden wirdDas genauer wissen)dieAnekdote: AlsdersrankfurlerRothschildein- malgefragtworden sei,wieerüberamerikanischeHäutedenke,habeersich

ansein FaktotummitdenWorten gewandt:»Meyer,was füreineMei- nunghabe ichüberamerikanischeHäute?«Undwenn sich demnächstGevatter Todbei mirdurcheineErkrankungmeldet, beidervonmeinen sechs Heil- mitteln Spazirenlaufen, Baden, Schlafen, Buttermilch,Limonadeundge- backenePflaumen keinsmehr anschlägt,sowerdeich michvielleichtdemArzt überlassen;nichtin derMeinung,erkönne denabgelaufenenLebensfadenweiter spinnen, sondern,weileswahrscheinlichmeineUmgebungverlangenwirdund weil, wie der alte Görresinseiner letztenundeinzigenKrankheit sagte,die Fakultät dochebenihr Rechthaben will, namentlichdasRecht,dieangebliche TodesursachemiteinemschönengriechischenNamen zubezeichnen.

Möglichist also, daß icheinmal denArzt rufe;aberso lange ich ihn nicht rufe, soller mich ungeschorenlassen.EinBad imFlußoderSee gehörtzudenköstlichstenundreinsten Genüssen,fördertauchinhohemGrade dieGesundheit,nndwenn man daran gewöhntist,wirdesznmBedürfniß.

EinpaarWochenhatte ichesentbehrenmüssen,dannmichwiederein paar Tagedamiterquickendürfen. Gesteinwandleich hinausmitdemfrohen Gedanken: heutewirdesnoch schönersein,danicht,wieamTag vorher, einkühlerWind dasaufsWasserbad folgendeSonnenbad beeinträchtigtAls ichhinkomme, istdasBad gesperrt.Warum? »DerKreisarzt hatver- derspezifischenBakterienoch einhäufigunbekanntesDriltes, diegünstigeBedingung fürdieEntwickelungdesKrankheitkeimes,dasYPettenkofers,dieallgemeineoder persönlicheDisposition.Nurweildiese BedingungimJahr1892fehlte, hat sichdie CholeraepidemievonHamburg nichtüber ganzEuropaverbreitet, trotzdemdiemehr alshunderttausendFlüchtlinge,darunter viele mitDiarrhöeBehaftete,den Bacillus gewißnachallenRichtungen verschleppthatten...Dergiftigste Tuberkclbacillus wird oftinderMund-undNasenhöhle,denLuftwegendesgesunden Menschen gefunden, ohne daßdeshalb eine Jnfektion erfolgen müßte...DerKrieggegenKochsBacillus kannkeinResultathaben.Undwenn man diegesammte Menschheitzum,Spuckre—

glement«erzogenhätte: MyriadenundMyriaden Bacillen,dieausreichen,die ganze Menschheitzuinsiziren,entgingen dochdemSpucknapfoderSpuckfläschchen...Für dieBekämpfungderTuberkulosealsVolkskrankheit habendieLungenheilstätten geringenWerth.«WieSchweningerüber dieBaeillenfurchtdenkt, wissendieLeser.

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Intyrannosl 327

muthet, daßbeidemniedrigen Wasserstand (im Bassin reichtdasWasser immer nocheinem mittelgroßenMann bisans Kinn)dasWasserverun- reinigt sei.Erhatesuntersuchen lassenundin einem Litersind415 Milli- grammFäulnißstoffegefundenworden. AuchdieMilitärschwimmanstalrist geschlossenundans Freibad(inderoffenen Neisse)einWachpostengestellt worden, derdasBaden verhindert.«WievieleMilligramm Fäulnißstoffe enthält wohleinLiter derMistjauehe,dieeineKuhmagd,mitdenbloßen Füßendarinstehendundsichüber und überbespritzend,insJauchesaßschöpft?

WievieleMilligramm FäulnißstoffeenthältwohlderTier-undMenschenkoth, den der Bauerhinausfährtund,Händeund Kleider besudelnd, aufdemFelde ausbreitet? Natürlich athmcterauchdieGaseein,die derDüngeraus- strömt;undnichterallein,sondern Jeder auf tausend Schrittin derRunde;

ists Menschenkoth,danndringtderDuft auf nochweitereEntfernung durch diegeschlossenenFensterindieWohnräumeein. Landwirth,nimm Dichin Acht!DerKreisarztkommtundlegtDirdasmörderischeHandwerk. Betten- kofer,derBegründerdermodernen Bolkshygiene, hat bekanntlicheinenLöffel vollCholerabazillen (oderwaren esmehrere Löffel?) verspeist, ohne nach- theilige Wirkungenzuspüren;undnun soll ich glauben, daßeinknappes halbesGrammSchmutzinBacillenformoderinanderer Form,dasvielleicht beimBaden meineHaut berührt, jedochvon den9991X2Gramm reinen Wassers sofortwiederweggeschwemmtwird, meineGesundheitgefährdenkönne!

DaßeinedenganzenLeibodereinen großen TheildesLeibesbedeckende, dieHautrespiration hindernde SchmutzkrustedieGesundheitschädigt,wissen wirwohl;miteinersolchenSchmutzkrustemüssen sichviele Arbeitertäglich überziehenlassen,unddaßihnen jetztverboten wird,sietäglichin derNeisse abzuwaschen,wird sie ernstlichschädigen;abereinwinzigesoderein paar mikroskopischeStäubchen?FürsAugeund dieEmpfindung istdasWasser köstlichrein. UndmögenalleAerzteder altenundderneuen Welt,zu einem ökumenischenKonziliumvereinigt,dieSchädigungbehaupten:ichwerdeihnen insGesicht lachen. Geschädigthat michdieVerhinderungdesBades,und zwarin’dreierlei Weise:erstens durchdieEntziehungderErfrischungund Reinigung, zweitens durchdieEntziehungderimBadestetseintretenden MilderungkleinerHämorrhoidalbeschwerden,drittens durchdendieVerdauung störendenAergerüberdieseSchädigungundüber dieUnvernunftdesVor- falles. Unddiese wirklicheSchädigung,dieich ebensodeutlich empfinde, wieichan denvorhergehendenTagendiewohlthätigeWirkungdes Bades empfundenhatte, soll ichmirgefallen lassen,um einerimaginärenSchädi- gungvorzubeugen,anderenMöglichkeitnur eindurchdie moderne Bakterio- logieaus demnormalen DenkgleisgeschleudertesFachhirn glaubenkann!

Jch sollmirsie fürallenoch übrigenSommertage gefallen lassen;dennder 26

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328 DieZukunft.

gründlicheRegen,derdenWasserspiegelhebtundvon demdieAufhebung desVerbotesabhängiggemachtwird, kommtschwerlichvordemgroßenHerbst- wettersturz,derallerSommerlusteinEndemacht.Unddie selbeSchädigung erleidenvieleHundert,wenn sie sichihrerauchnicht so deutlichbewußtwerden, weilsieüberDergleichennicht reflektirengelernt haben.Statt vieleHundert müßteman sagen: mehrere Tausend,wenn esnicht noch sovieleEselgäbe, die denhhgienischenWerthnnddieWonneeinesnatürlichenBades nichtzu schähenwissen.Und die Vielenwerdennoch schwerer geschädigtals ich;denn für sie istdasBaddasEinzige,wasihnendenheißenSommer erträglich macht.Seitich hier wohne,war esmirimmer einerfreulicher Gedanke, zuwissen, daßdieindumpfen WerkstättenundStuben Arbeitenden jeden Abend denSchweiß,Staub,RußundsonstigenSchmutzimschönenStrom abspüten,ihrer gereinigtenunderquicktenGliederundso ihres Daseins froh werdenkönnen;dieBäcker,dienachtsamOfen schwihen müssen,verschaffen sichdieWohlthatamTage.Undseitder Verein für Gesundheitpflegemit beträchtlichenGeldopfernseineBadeanstalt errichtethat, genießtauchdieärmere weiblicheBevölkerung,inbescheidneremMaßeundgeringeremGradefreilich, dieWohlthät. MehrereSommer haben durchKälte,Regenwetter, Hoch- wasserdas Vergnügenbeeinträchtigt;jetzt habenwirendlichwiedereinmal einenschönenSommer (daßeinschönerSommer heißund regenarm ist, liegtinseinem Begriffundinseinen Daseinsbedingungen;daß aber unsere FlußbettenundFlurenzuwenig Wasser haben,daran istdieseitfünfzig Jahren selbstverständlichnachstreng wissenschaftlichenGrundsätzen be- triebeneverrückte Wald-undWasserwirthschaftschuld),einenSommer,in dem man dasBadevergnügentäglichhabenkonntetundnun wirdunsdieses,das einzige,wasdieheißenTagedenEinengenußreich,den Anderenerträglichmacht, vor seinem natürlichenEndedurcheinenärztlichenMachtspruchverboten!

MögendochdieHerren Aerzteihre MachtandenBesitzernvonFabrilen undGruben erweisen,dieLuftundWasserin einerfür AugenundNase deutlich wahrnehmbaren Weise verpesten.Dem Einzelnen wehren, seine Nebenmenschenzuschädigen:dazu hatderStaat dasRecht, ja,Dasisteine derwichtigstenseiner Pflichten.Dagegen haterundhaben seine Organe wederdasRecht nochdiePflicht,denEinzelnenanderSchädigungseiner eigenen Personzuhindern. Angenommen,dieMöglichkeit,ja,dieWahr- scheinlichkeiteinerGesundheitschädigungdurchBaden in derNeissewäre erwiesen:wen,zumTeufel, gehtdennDasan,wenn ich michschädigenwill?

Wenn ich sage: Jch verzichtenicht aufdasBad,magich auch augenblicklich denToddavonhaben?AußerGottundmirselbst hatkeinMenschüber meinenLeib undmeinLeben zuverfügen.Wenneswirklicheinen(ichwill höflichsein) sonderbaren Schwärmergiebt,derehrlich überzeugtist, daßein

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