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Magazin der Wirtschaft : eine Wochenschrift, 1927.04.28 nr 17

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3 . JAHRGANG 28. April 1927 NUMMER

Jflap3tn Der

* EINE WOCHENSCHRIFT *

j v

3nfjalr:

arme Gemeinden . . . 7o lf Dubois, S trafboykott

645 648

650 655 Reiche um

D r. jur.

gegen Hiljpmelsbach

Geheimrat D r. F. Demuth, D ie Selbst Verwaltung der W irtsch a ft in den Ind u strie - und Handelskammern . D r. Buß, D ie Nöte des Mehlhandels . D r. Heinz Hermick, D er K am pf um

den W e ltm a r k t...655 D ie Probleme der W o c h e ...658

Die überflüssige Golddiskontbank . 658 D er Außenhandel im 1. Q uartal 1927 659 Neue Zuspitzung am Schrottm arkt 659 Reorganisation der Siegerländer

E is e n in d u s trie ...661 Versteckte Krupp-Subvention? . . 661 Das Ende der alten U fa . . . . 662 Die künftige Wintershall-Ausbeute 662 Das Holland - Experiment von

D yckerhoff & W idmann . . . . 663 Diskontherabsetzung in England . 664 Diskontermäßigung auch in F rank­

reich ... 665 Polens Sanierungsanleihe . . . . 666

Auflösung der A rm our G rain C a . Finanzkrise in J a p a n ...

K onjunktur-B arom eter . . . . D ie W a re n m ä rk te ...

D er G eld- und K a p ita lm a rk t . . D ie E ffekten-Börse . . . .

Berliner B ö r s e ...

Hamburger B ö r s e ...

D ie W irtsch a ft des Auslands . . D r. Max de Vries, Holland — K a­

p ita lm a rkt und Emissionsgeschäft W irts c h a fts -L ite ra tu r...

Eingegangene Bücher ...

S ta tis tik ...

Terminnotierungen und L iquida­

tionskurse ...

Reichseinnahmen im März B ö r s e n k u r s e ...

Reichsbank-Ausweis

Ausweise deutscher Privatnoten­

banken ...

Der deutsche Außenhandel im März C h ro nik . . .

666 667

676 676

681

VIERTELJÄHRUCH 12 M K .

e in z e l h e f t

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BERLIN $W4 8*VE RLÄNG ERTE.HEDE MANN STRJ3

(2)

DARMSTADTER UND NATIONALBANK

K o m m a n d i t g e s e l l s c h a f t a u f A k t i e n

B E R L I N W S » B e h r e n s tr a ^ c 6 8 / 7 0

Z a h lr e ic h e N ie d e r la s s u n g e n in a lle n T e ile n D e u ts c h la n d s

K o r r e s p o n d e n t e n i n a l l e n W e l t t e i l e n

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Kommunaler Giroverkehr

Durch das über ganz Deutschland verbreitete Gironetz werden Ueberweisungen an j e d e r m a n n und nach a l l e n O r t e n k o s t e n l o s ausgeführt

G i r o g u t h a b e n w e r d e n v e r z i n s t .

Kommunaler Zairischem / Eilfiberweisnngsverkehr / Scheck- und Wechsel-Inkasso / Reisekreditbrief

N ä h e r e A u s k ü n f t e e r t e ile n d ie ö r t li c h e n S p a r k a s s e n u n d G ir o z e n t r a le n

(3)

MAGAZIN DER WIRTSCHAFT

* ^Vereinigt m il—^PEUTUS' *

3, JA H R G A N G B ER LIN , DO NNERSTAG , 28. A P R IL 1927 NUM MER ~l?

und atme (Gemeinden

A u f Grund des vorläufigen Finanzausgleichs fä llt das Mehr der Überweisun­

gen nicht den Gemeinden, sondern fast ausschließlich den Ländern zu.

N icht ganz so deutlich ist, daß die Verteilung der Steuern zwischen den j i c'AlOW{,q \ Gemeinden die Großstädte und die reicheren Kommunen benachteiligt, was : ff ; j . an Hand der Einzelbestimmungen nachgewiesen w ird. Der Schematismus

dieses Verfahrens hat seine Gefahren. Zu empfehlen ist ein System von Ausgleichskassen fü r gewisse begrenzte Aufgaben und einen jeweils eng

begrenzten Kreis von Gemeinden unter staatlicher Aufsicht.

Bei cler provisorischen Neuregelung des Finanz­

ausgleichs zwischen dem Reich einerseits, den Län­

dern und Gemeinden andererseits, sind diese über­

legene Sieger geblieben. Sie haben diesen E rfolg sehr wesentlich der G eschicklichkeit zu danken, m it der die im Deutschen Städtetag organisierten Kom ­ munen ihre Finanznöte darzustellen und ih re Sache zu vertreten wußten. A ber kaum w ar dieser K am pf um den Steuerzahler siegreich beendet und das Reich geschlagen, als gerade fü r die größeren Städte deut­

lich wurde, daß n ich t sie die N utznießer des Erfolges sein w ürden, sondern daß dieser ausschließlich den Ländern zugute kommen würde, die schon bisher bei der V erteilung der Steuern ihre staatliche Ober­

hoheit über die Kommunen im fiskalischen Interesse ausgenutzt hatten. So entbrennt ein neuer K am pf, der K am pf um die Beute; und die großen Gemein­

den, voran B erlin, sind h ie r in einer besonders schwierigen Lage, w e il sie einerseits m it den anderen Gemeinden zusammen in der F rontstellung gegen das Land käm pfen müssen, andererseits wegen der V er­

teilung der den Gemeinden zugewiesenen Steuern zwischen den Kommunen m it den kleinen und m itt­

leren O rten in S treit liegen. A u f beiden Gebieten glauben sie über schwere Benachteiligung klagen zu dürfen.

Es ist n ich t leicht, sich über die Berechtigung dieser Klagen ein U rte il zu bilden. Noch im m er fe h lt die lang versprochene F in a nzsta tistik fü r die Länder und Gemeinden, die a lle in eine zuverlässige Beurteilung erm öglichen würde. A ber auch das vo r­

liegende M a teria l erlaubt, gewisse E inseitigkeiten der Steuerverteilung festzustellen und einige p rin z i­

p ie lle Bedenken zu begründen. Betrachten w ir zu­

nächst ku rz das Verhältnis zwischen Ländern und Gemeinden. W ir können aus den erwähnten G rün­

den angesichts der Verschiebung des Aufgaben­

kreises zwischen Land und Gemeinde heute noch nicht sagen, ob die V erteilung der Reichsüber- weisungen, w ie sie z. B. Preußen vorgenommen hat, gerecht ist. (Bei der Einkom m en- und K örperschaft­

steuer 55% der überwiesenen Beträge an das Land,

45% an die Gemeinden und Kom munalverbände, bei der Umsatzsteuer 45 und 55%, bei der G rund­

erwerbs- und der K raftfahrzeugsteuer volle 100%

an diese, bei der Rennwettsteuer um gekehrt 100%

an das Land, bei der Hauszinssteuer T eilung je zur H ä lfte.) A ber es muß festgestellt werden, daß die Länder m it großer Konsequenz jede der sehr erheb­

lichen fin an zie lle n E rleichterungen, die sie vom Reich erkäm pfen können, fü r sich behalten und de Gemeinden so gut w ir gar nichts weitergeben. D ie is t bei der letzten Regelung des Finanzausgleichs be­

sonders kraß in Erscheinung getreten. G ew iß : durch die Übernahme der Zuschüsse zur unterstüt • zenden Erwerbslosenfürsorge a uf das Reich is t auc den Gemeinden eine E rleichterung (um etwa 65 M i' - lionen) geworden. A ber diese E rleichterung wird, fast v ö llig durch das Anwachsen der Gemeindeaus­

gaben fü r die K risenfürsorge ausgeglichen. Bereits vor sechs Wochen betrug die Zahl der K risenunter­

stützten über 200 000, gegenwärtig werden es n ich t v ie l unter 300 000 sein und selbst, wenn man an­

nim m t, daß ein weiteres Anwachsen dieser Z iffe r

— an sich w ahrscheinlich bei der großen Zahl der la n g fris tig Erwerbslosen — durch deren stärkere Be­

schäftigung in der p ro duktiven Erwerbslosen­

fürsorge ausgeglichen w ird , so w ürde doch das V ie rte l der K risenunterstützung, das den Gemeinden zur Last fä llt, diese im Jahre 1927 m it 50—60 M il­

lionen belasten. Ganz anders ist die Lage der Län­

der: Sie ersparen durch das Entgegenkommen des Reichs in der Erwerbslosenunterstützung 260 M il­

lionen RM., ohne durch die Krisenfürsorge irgend­

w ie belastet zu sein. — W eiter: D ie Steigerung der Reichsgarantie fü r die Steuerüberweisungen um 200 M illio n e n is t verbunden m it einer V e rp flich tu n g der Gemeinden, die Realsteuern, also G rund- und Gewerbesteuer, um den gleichen Betrag zu senken;

andererseits steht noch n ich t einm al fest, daß die Länder ihre Ausführungsgesetze zum Finanzaus­

gleich nun dahingehend ändern werden, daß den Gemeinden auch w irk lic h zum Ausgleich dieser Realsteuersenkung ein Voraus von 200 M illio ne n aus

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646 MAGAZIN DER WIRTSCHAFT Nr. 1?

den Reichsüberweisungen zugestanden w ird . Aber selbst, wenn das geschielit, fe h lt den Kommunen noch der Ausgleich fü r die Beseitigung der kommu­

nalen Getränkesteuer in Höhe von 75 M illio n e n ; denn die in le tzte r M inute zugelassene kommunale Biersteuer d a rf vom Land n ur genehmigt werden, wenn die betreffende Gemeinde eine entsprechende Senkung ih re r Realsteuern vornim m t. Im E ndeffekt bedeutet also der Finanzausgleich fü r die Gemein­

den eher eine kleine Verschlechterung, fü r die Län­

der aber eine Verbesserung von über einer V ie rte l­

m illia rd e ; und das, obwohl, w ie w ir z. B. seinerzeit bei der Besprechung des Preußischen Etats nach­

gewiesen haben, die Finanzlage der Länder keines­

wegs ausgesprochen ungünstig ist.

N ic h t ganz so deutlich, aber im m erhin noch recht charakteristisch, sind die finanzpolitischen Ten­

denzen bei der Verteilung der Steuern zwischen den Gemeinden. D ie Großstädte, voran B erlin , be­

haupten, hier sehr erheblich benachteiligt zu sein.

U nd zw ar deshalb, w e il die V erteilung der Steuern

— ebenso w ie z. T. die Steuerverteilung zwischen den einzelnen Ländern — keineswegs überall nach dem ö rtlichen Aufkom m en der Steuer, also der S teuerkraft der Bevölkerung des Gebietsteils erfolgt, sondern w e il Maßstäbe gew ählt sind, die den ärmeren Gebietsteilen erhebliche Steuerm ittel auf Kosten der reicheren zuführen. Bei der V erteilung der Reichssteuerüberweisungen zwischen den Län­

dern w ird zw ar fü r die Einkom men- und K örper­

schaftssteuer grundsätzlich das regionale A u f­

kommen als G rundlage gew ählt (ebenso bei der Grunderwerbssteuer), aber der Um satzsteueranteil (und darüber hinaus ein B ru chte il der Einkom m en­

steuer bis zu einem Gesamtbeträge von 450 M illio ne n fü r Einkom m en- und Umsatzsteuer zusammenge­

nommen) w ird n u r zu einem D ritte l nach dem A u f­

kommen, zu zwei D ritte ln nach der Bevölkerungs- zahl der Länder v e rte ilt; und eine solche V erteilung nach der Bevölkerungszahl muß stets die steuer- schwachen Länder bevorzugen. Ä h n lich w ird die dem Wege- und Brückenbau gewidmete K ra ftfa h r­

zeugsteuer n ur zu einem V ie rte l nach dem A u f­

kommen, zu einem w eiteren V ie rte l nach der Be­

völkerungszahl und zur H ä lfte nach dem Gebiets­

um fang v e rte ilt (welch letztere Bestimmung sich im m erhin aus dem engen Zusammenhang zwischen Wegelänge und Gebietsum fang rechtfertigen läß t).

Sfchließlich bestim m t der berühm te § 55 des Finanz­

ausgleichgesetzes, daß denjenigen Ländern, die

Unsere G eschäftsräum e

sind infolge Erweiterung des Betriebes am 1. A p ril 'dieses Jahres nach der

Verlängerten Hedemannstraße 11 (Berlin SW 48) verlegt worden. Fernruf: K u rfü rs t 5645, 5646, 5647.

Magazin der W irtschaft Redaktion und Verlag

weniger als 80% der durchschnittlichen Kopfquote an Einkom m en- und Körperschaftssteuer beziehen, der Fehlbetrag aus R eichsm itteln zu ergänzen ist (neuerdings is t dieser Zuschuß auf ein D ritte l des regulären Steueranteils des betreffenden Landes be­

grenzt worden).

Dieses Ausgleichsystem is t in noch vie l stärkerem Maße bei der Steuerverteilung zwischen den Ge­

meinden innerhalb Preußens durchgeführt worden.

D ie M ehrzahl der Überweisungssteuern, und von den Landessteuem die bei weitem w ichtigste, näm lich die Hauszinssteuer, werden von diesem System be­

tro ffe n . M an kann im E in zelfa lle niemals sagen, daß diese Regelung, also die Zuleitung von Steuer­

erträgen der wohlhabenderen Gemeinden an die ärmeren, offe n sichtlich ungerecht wäre, man w ird aber, im ganzen gesehen, einige p rin z ip ie lle Be­

denken gegen die einseitige D urchführung dieses Systems n ich t unterdrücken können. Betrachten w ir zunächst die w ichtigsten Steuern im einzelnen. Bei der Einkommen- und Körperschaftssteuer und ent­

sprechend bei der Gewerbesteuer als dem R ückgrat der kommunalen Finanzen ist zw eifellos ein Aus­

gleich zwischen den Gemeinden, also eine Abände­

rung des allgemeinen P rinzips der V erteilung nach dem ö rtlichen Aufkom m en, nötig: Denn sonst würden alle diejenigen Gemeinden, in denen sich der Sitz eines steuerzahlenden größeren in d u strie lle n U n ter­

nehmens befindet, gegenüber den Wohngemeinden der A rbeiterschaft dieses Unternehmens sehr bevor­

zugt sein, die die großen k u ltu re lle n und sozialen Lasten zu tragen haben, welche le tz tlic h aus der E x i­

stenz des Unternehmens entspringen. Einen ge­

wissen Ausgleich schafft h ie r schon (ähnlich w ie in der V orkriegszeit) die E in rich tun g der Landesschul­

kasse, die die Schullasten gerechter zwischen W ohn- und Betriebsgemeinde v e rte ilt. Außerdem hat Preußen ein System eingeführt, das bei der V er­

teilung der Einkommensteuer die ärmeren Gemein­

den bewußt bevorzugt: es legt zunächst einen älteren Verteilungsschlüssel aus der P apierm arkzeit zu­

grunde, der fü r die großen Gemeinden weniger günstig ist, und berücksichtigt außerdem bei der V erteilung das w irk lic h e Aufkom m en in Gemeinde­

einkommensteuer in der V orkriegszeit, so daß die ärmeren Gemeinden, die vor dem Kriege höhere Zu­

schläge zur Staatseinkommensteuer erheben mußten, bei der V erteilung heute besser fahren. (D ie V or­

schläge, die die Staatsregierung in dieser R ichtung machte, sind durch die Beschlüsse des Landtags noch w e ite r zuungunsten der wohlhabenden Städte verändert worden.) Bei der V erteilung nach der B evölkerungsziffer werden die großen Städte durch rechnungsmäßige Erhöhung ih re r Einwohnerzahl etwas bevorzugt, aber auch h ie r ist eine wesentliche Verschlechterung eingetreten, so daß die Verluste, die die preußische Regelung der Einkom m en­

verteilung fü r die Gemeinden m it sich b rin g t, nur zum geringen T e il ausgeglichen werden. Am krassesten w irk t sich das A usgleichsprinzip bei der V erteilung der Hauszinssteuer aus. H ie r is t es fre i­

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MAGAZIN DER W IRTSCHAFT

28. April 1927 647

lie h unm öglich, ausschließlich nach dem örtlichen Aufkom m en zu verteilen, w e il B e rlin infolge der höheren Grundstückspreise und M ieten a lle in vier E lfte l der Hauszinssteuer a u fb rin g t, aber man ist so w e it gegangen, dieses P rin zip n u r fü r 30% der Haus­

zinssteuer gelten zu lassen, hingegen 62% nach der B evölkerungsziffer unter besonderer B erücksichti­

gung der K le in - und Sozialrentner zu verteilen und die restlichen 8% in eine besondere Ausgleichskasse zu zahlen.

Im einzelnen lassen sich offenbar stets gute Gründe fü r die D urchführung des Ausgleichsprinzips bei den in Frage kommenden Steuern anführen.

A ber in ih re r Gesamtheit betrachtet, erweckt die Regelung doch Bedenken. Zunächst könnte man ja p rin z ip ie ll einwenden, daß das Reich gegenüber den Eändern und das Land gegenüber den Gemeinden die gegebene „Ausgleichskasse“ darstelle, daß also die ärmeren G ebietsteile dadurch —- auf Kosten der wohlhabenderen — unterstützt werden sollen, daß eben die Zentralinstanzen unter ih re r K ontrolle und V erantw ortung einen T e il der bei ihnen gesammelten ö ffe n tlich e n M itte l in bevorzugtem Maße den ärmeren Gebietsteilen zuführen; fü r alle diejenigen Aufgaben aber, deren Erledigung man ausschließlich den Gemeinden überläßt, und bei denen die Z entral­

instanzen keine m aterielle U nterstützung gewähren und keine sachliche K ontrolle ausüben, müßte den Gemeinden auch ih re in d ivid u e lle S teuerkraft un­

geschmälert verbleiben, sta tt daß zwar, w ie es heute der F a ll ist, die Verantwortung fü r die D u rch füh ­ rung der Aufgaben den Gemeinden verbleibt, die Disposition aber über die M ittel, die sie dazu brauchen, großenteils schematisch von den Z entral­

instanzen ausgeübt w ird . Das Bedenkliche des jetzigen Zustandes lie g t auf der Hand, wenn man erwägt, daß fü r die Entschlüsse der Regierung und des Landtags, fü r die V erteilung der Steuerzuwei­

sungen an die einzelnen Gemeinden in erster L in ie Politische M otive maßgebend sind und daß es sehr le ich t Vorkommen kann, daß schließlich die ärmeren Gemeinden a uf Kosten der wohlhabenderen so reich­

lic h m it S teuerm itteln versehen werden, daß die ärmeren ihre Aufgaben besser e rfü lle n können als die wohlhabenderen. Berlin zahlt (abgesehen von Steuerleistungen an Reich und Land) an die anderen Preußischen Gemeinden a lle in 42 bis 43 M ill. RM.

Einkommen- und Körpersohaftssteuer und behält n ur 66 M ill. RM.: es zahlt an sie an Hauszinssteuer 23,4 M ill. RM. (und auch die B erlin er Hauszins­

steuererträge, die der Staat fü r Bauzwecke erhält, werden fast ausschließlich außerhalb B erlins ver­

wendet) ; es g ib t sechs Siebentel seines K ra ftfa hrzeu g ­ eteueraufkommens an andere Gemeinden ab und behält n u r 2,3 M ill., und als einzigen Ausgleich hat es einen G ew inn von etwa 11 M ill. an Umsatzsteuer.

B e rlin w artet denn auch m it einer langen Liste der dringendsten Ausgaben auf allen Gebieten auf, die wegen Geldmangels in den letzten Jahren n ich t ge­

macht w eiden konnten. Um einige Beispiele aus der B erlin er D e n kschrift anzuführen: In Hannover ent­

fielen 2,15 qm an Spiel- und S portplätzen auf den K op f der Bevölkerung, in B e rlin n u r 1,28 qm. F ür je 10 000 Einw ohner standen in Ham burg 109, im Deutschen Reich 54, in B e rlin 53 K ra n ­ kenbetten zu r Verfügung. D ie P rovinz Brandenburg hat 1926 f iir Straßenunterhaltung 3,70 RM. je K op f der Bevölkerung ausgegeben, die Stadt B e rlin n ur 2,87 RM. usw.

Es w ird deutlich, w o rin der Fehler des bisherigen Systems liegt: Es p rü ft n ich t den w irklich e n Bedarf der einzelnen Gemeinde und ih re Versorgung m it gewissen K ultu rg ü te rn , sondern es v e rte ilt die M itte l schematisch nach einigen einfachen P rinzipien, nach K o p f der Bevölkerung, Größe des Gebiets usw. Es ist darum ke in W under, daß die benachteiligten Ge­

meinden danach streben, daß das bisherige System der Steuerüberweisungen w ieder durch die V or­

kriegsregelung ersetzt Averde, bei der die Gemeinden zu der Staatseinkommensteuer, die entsprechend niedrige T a rife hatte, Zuschläge fü r eigene Rech­

nung erheben konnten, so daß die Steuerleistung der eigenen Bevölkerung ih r v o ll zugute kam. Diese Lösung des Problems ist nun fre ilic h auch einseitig.

Was aber v ie lle ic h t m öglich ist, und jedenfalls ernst­

h a ft d isku tie rt werden sollte, is t die F ortentw icklung des jetzigen Systems zu einem System der Ausgleichs­

kassen fü r gewisse begrenzte Aufgaben der Kom ­ munen und vor allem fü r einen je w eils eng be­

grenzten Kreis von Gemeinden, w ie es im Schul­

wesen schon besteht (also fü r Krankenhäuser, Straßenbau usw.).

D ie Gemeinden, die eine w irtsch a ftlich e E inheit bilden, (W ohn- und Betriebsgemeinden vor allem) müssen auf diese Weise auch fin an zp olitisch fü r w ichtige Zwecke vereinigt werden. So kann die Versorgung auch der inneren Gemeinden m it einem M inim al-S tandard garantiert werden, ohne daß in der zuschießenden Gemeinde das G efühl einer w ill­

kü rlich e n und ungerechten Schröpfung entsteht. E in weitgehender Ausgleich ZAvischen reicheren und ärmeren Regionen d a rf n u r im Wege über den Staat erfolgen, zu dessen Einnahmen alle Steuerzahler bei­

tragen, der sich aber bei seinen Ausgaben — n a tü r­

lic h n ur zum T e il — nach der B edürftigkeit der ein­

zelnen Schichten und Gebietsteile richten kann. N u r dann ist die sachliche K ontrolle der gesamten Finanz­

gebarung aller in Frage kommenden Instanzen (gerade auch der „subventionierten“ ) m öglich, ohne die das interurbane Ausgleidhssystem schließlich in Verschwendung und politische Demagogie ausarten muß»

(6)

648 M AGAZIN DER W IRTSCHAFT N r. 17

■... . a . . ■

tfteaffoyfofl gegen fjimtmlsCrarff

Üott De. juc. RJoff Dufroté

Der F a ll Himmelsbach, über den schon seit Jahren eine öffentliche Polemik geführt w ird, hat durch die gerichtlichen Darstellungen über die Bedeutung der Coupes supplémentaires ein neues Gesicht erhalten. Der Verfasser des folgenden Beitrags behandelt den Strafboykott, den die Forstoermaltungen von Bayern, Hessen und Preußen gegen die Himmelsbach-Gesellschaft ver­

fä n g t haben, und unter dessen W irkungen die Gesellschaft an den Rand des Zusammenbruchs gedrängt wurde. Das M aterial zu den Ausführungen lag teils in Form von Gerichtsurteilen und Gutachten vor, teils basierte es auf einer Darstellung der Himmelsbach-Gesellschaft. D ie Stellungnahme der beteiligten Regierungen mar dagegen bei Redaktionsschluß noch nicht

bekannt, so daß noch ein gewisser Vorbehalt notwendig ist.

D er „F a ll Himmelsbach“ ist in diesen Tagen in ein neues Stadium getreten. Das Stammhaus, die Gebr. Himmelsbach A.-G. in F reihurg i. B r., h at an das dortige G ericht den A ntrag auf Anordnung der Geschäftsaufsicht gestellt. Im Zusammenhang h ie r­

m it wurden die B ila n zziffe rn per 31. Dezember 1926 bekannt. D ie B ilanz schließt m it einem Verlust von 6,40 M ill. RM. ab, von dem 3,33 M ill. RM. aus dem V orjahre vorgetragen und die restlichen 3,07 M ill.

RM. im B erichtsjahre entstanden sind. A ber diese V e rlu s tz iffe r kennzeichnet noch n ich t den wahren Stand des Unternehmens. Dieser e rfä h rt eine w ei­

tere Verdunkelung durch die M itte ilu n g , daß die in den A ktive n der B ila nz/ enthaltene B eteiligung an der Mologa-Gesellschaft im Betrage von 1,37 M il­

lionen RM. als größtenteils verloren bezeichnet w er­

den muß, während andererseits aus der Verbindung m it der Mologa gegenüber der Gelsenkirchener Bergwerks-A.-G. in Essen V erpflichtungen in Höhe von rund 8,7 M ill. RM. entstanden, die unter den Passiven der A bschlußbilanz noch n ich t aufgeführt sind. U nter Berücksichtigung dieser beiden Posten ergibt sich ein Gesamtverlust von 16,47 M ill. RM.

Demgegenüber steht eine Forderung gegen das Reich und die Länder Preußen, Bayern und Hessen auf Schadenersatz wegen der Verluste, die der Ge­

sellschaft infolge des staatlichen Boykotts beim H olzeinkauf und beim Absatz ihrer Waren seit 1924 entstanden sind und die in einer Berechnung vom November v. J. auf 20,10 M ill. RM. b e z iffe rt wurden.

S te llt man diese Forderung in v o lle r Höhe in die Rechnung ein, so ergibt sich ein Uberschuß der A ktive n über A k tie n k a p ita l -f- Reserven + Schul­

den von rund 3,63 M ill. RM. B etrachtet man die E ntw icklun g des Gesellschaftsvermögens (also des Überschusses säm tlicher A k tiv a über die Schulden) in den letzen Jahren, so e rgibt sich folgendes B ild : das Gesellschaftsvermögen hatte per 1. 10. 24 12,35 M ill. RM. betragen; es verm inderte sich bis Ende 1925 auf 6,27 M ill. RM. und ging bis Ende 1926 a uf 3,20 M ill. RM. zurück. In den letzten 214 Jahren hat der bilanzmäßige Vermögensschmund (bei dem d ie oben angegebenen besonderen Posten n ich t berücksichfigt sind) n ich t weniger als 9,15 M il­

lionen RM. betragen.

Soweit lä ß t sich d ie E ntw icklun g der Gebr.

Himmelsbach A.-G . — eines seit über 80 Jahren bestehenden und in der H olzindustrie führenden Unternehmens — in Zahlen ausdrücken. A ber diese Zahlen bedürfen einer eingehenden E rläuterung, wenn man verstehen w ill, was die letzten drei Jahre fü r Himmelsbachf w irk lic h bedeutet haben. Aus der Pressekampagne der Jahre 1924/25 sind die V or­

w ü rfe bekannt, die im Zusammenhang m it den Coupes supplementaires-Vertragen gegen Him m els- Bach erhoben wurden. Man behauptete, daß H im - melsbaoh diese Verträge in bewußter Schädigung deutscher Interessen abgeschlossen und ihren nähern In h a lt den Regierungen verheim licht habe. Bei der A usführung der Verträge habe die F irm a rücksichts­

lose Wäldvermüstung getrieben, denn sie habe den staatlichen Forst m it größter Beschleunigung heruntergeschlagen. M ehr oder m inder deutlich liefen die Anschuldigungen a u f den V o rw u rf des Landesverrats hinaus. Diesen A n g riffe n ist die Him m elsbach-G ruppe jahrelang ausgesetzt gewesen und zw ar in erster L in ie von seiten des Heraus­

gebers einer F achzeitschrift, dem es (nach der Fest­

stellung im U rte il des Landgerichts I zu B erlin) im wesentlichen gar n ic h t darauf ankam, der W ahrheit zum Siege zu verhelfen und der deutschen Sache zu dienen, sondern der seine Behauptung in über hun­

dert A rtik e ln während eines Zeitraumes von Wz Jahren imimer w ieder wiederholte, w e il es ihm darum zu tu n w ar, die K lägerin fü r a lle Zeiten zu brandmarken und sie zum w irtschaftlichen Ruin zu bringen. T ie f bedauerlich ist an diesem Vorgang n ich t nur, daß. die A n g riffe überhaupt erfolgten, sondern, daß sie in der deutschen Ö ffe n tlic h k e it einen außerordentlich guten Nährboden fanden. D ie Coupes supplem entaires-V ertrage litte n in ih re r Be­

u rte ilu n g darunter, daß ihre Entstehungsgeschichte in eine Periode zurückreichte, in der die politische und w irtschaftliche Zerrüttung der besetzten Ge­

biete und der angrenzenden T eile des unbesetzten Deutschlands tro tz der inzwischen vorgenommenen W ährungsstabilisierung noch außerordentlich groß w ar, in der Frankreich noch unter dem dom inieren­

den E in flu ß Poincares stand und die Neuordnung der Reparationsfrage durch den Londoner V ertrag

(7)

28. April 1927 M AGAZIN DER W IRTSCHAFT 649

noch n ich t geschaffen w ar. N ichts ist natürlicher, als daß die breite Ö ffe n tlic h k e it in Deutschland den Abschluß von Verträgen deutscher Firm en m it fra n ­ zösischen Verw altungsstellen über die E xploitie ru n g deutscher W älder in einer so kritischen S ituation zunächst m it M ißtrauen betrachtete, besonders nach­

dem deutsche Holzfachorgane 60 ungeheuerliche V or­

w ü rfe gegen den deutschen V ertragspartner erhoben haben, und nichts ist menschlich begreiflicher, als daß das gepeinigte N ationalgefühl den B lic k fü r die nüchternen Tatsachen und fü r die E rkenntnis dessen, was die Stunde gebot, trübte. A ber unfaßbar er­

scheint es, wenn je tz t, nachdem die politischen und w irtsch a ftliche n Verhältnisse Deutschlands im V er­

gleich zu jener Epoche eine weitgehende S ta b ili­

sierung erfahren haben, das Haus Himmelsbach im m er noch unter dem B annfluch leidet, der in der dam aligen überhitzten Atm osphäre ausgesprochen Wurde.

Es is t daher dringend erforderlich, die Ö ffe n tlic h ­ k e it a uf die Erkenntnisse hinzuweisen, die in dem U rte il des Landgerichts I zu B erlin vom 6. O k­

tober 1926 niedergelegt sind. (Es handelt sich um einen Zivilprozeß der Him m elsbach-Gesellschaft gegen den Redakteur und Herausgeber der Fachzeit­

s c h rift „D e r H olzm arkt“ .) In der Begründung dieses U rteile werden alle V orw ürfe gegen Himmelsbach a|s „im wesentlichen unw ahr“ charakterisiert. Dies g ilt zunächst fü r die Behauptung, Himmelsbach habe un Geheimen m it den Franzosen über die Coupes 8npplem entaires-Verträge verhandelt und die deut­

schen Interessen bei Abschluß der Verträge ge­

schädigt. Es w ird sogar hervorgehoben, daß sich Himmelsbach und die übrigen vertragschließenden deutschen Firm en — tro tz w iederholter Ablehnung seitens der Regierungen (gemeint sind die Verhand­

lungen m it deutschen Regierungsstellen) — große Mühe gegeben haben, die Einschläge im Staatswald zu verhüten. Ebenso w ird der V o rw u rf, Himmele- bach habe le d ig lich aus' P ro fitg ie r gehandelt, im U rte il zurückgewiesen und die Zwangslage betont, ,n der sich Himmelsbach durch die G efahr befand, daß seine W erke von den Franzosen beschlagnahmt Werden konnten. Uber die Schw ierigkeiten, die Lage Himmelsbachs und überhaupt des besetzten Ge­

bietes psychologisch ric h tig zu erfassen, fin d e t sich ju dem U rte il der Satz: „D e r Beklagte fre ilic h konnte sich schw erlich eine rich tig e Vorstellung von dem D ru ck der Franzosen machen, der damals a ll­

gemein auf dem besetzten Gebiete lastete, ein D ruck, der auch nach Beendigung des passiven Widerstandes

“7 *u der h ie r fraglichen Zeit — Februar 1924 — Dich t nachgelassen hatte.“

Diese gerichtliche Feststellung g ilt n ich t n u r fü r den Beklagten, sie g ilt ebenso fü r weite Kreise der deutschen Ö ffe n tlich keit und sie g ilt w ohl auch fü r diejenigen Stellen, die die Ä chtung der Him m els­

bach-Gesellschaft am längsten und leider auch am wirksam sten durchgesetzt haben, fü r die Forstver-

^ultungen Preußens, Bayerns und Hessens, sowie ü r diejenigen Reichsstellen, die sich m it der p o liti-

schen und w irtsch a ftliche n Seite der ganzen A k tio n befaßt hatten. S tatt in der ungeheuer kom plizierten w irtschaftspolitischen S ituation, die sich durch die E instellung des passiven W iderstandes einerseits, durch das Fehlen einer politischen Neuordnung bis zum Abschluß des Londoner Vertrages andererseits ergeben hatte, der deutschen Unternehm erschaft im besetzten Gebiete verantwortungsbew ußt eine Stütze zu sein, haben es die V erw altungen vorgezogen, sich a uf der bequemen Linie des geringsten Widerstandes zu bewegen. A ls im Februar und M ärz 1924 H im ­ melsbach noch vor Beginn der Fällungen zusammen m it den übrigen beteiligten Firm en die ernstesten V er­

suche machte, die Regierungen zu einem Eingreifen zwecks Erhaltung der Holzschläge zu bewegen, zeigten sich a lle in Erage icommenaen ammcnen Stellen außerordentlich passiv. A ls dann aber Poin­

caré am 11. M ai 1924 gestürzt w a r und die Behörden M orgenluft w itte rte n , haben die beteiligten hessi­

schen, bayerischen und preußischen M inisterien un­

gefähr gleichzeitig in Schreiben vom 15., 26. und 28. M ai gegen die Zusatzhiebe Stellung genommen und zum Ausdruck gebracht, daß n u r solche H olz­

vergebungen als zu Recht bestehend anerkannt w er­

den könnten, die von der a lle in verfügungsberech­

tig te n staatlichen V erw altung ausgingen. Nach den Presseangriffen gegen die F irm a Himmelsbach und nach der Koblenzer Konferenz im O ktober 1924 setzte dann a u f der ganzen L in ie ein Boykott der staatlichen Forstoerwaltungen gegen Himmelsbach und die übrigen Kontrahenten der Coupes supplé­

mentaires ein. Him melsbach w urde von jedem H olz­

bezug aus den Staatswaldungen der genannten Län­

der ausgeschlossen; selbstverständlich regte dies Vorgehen bei dem p riva ten und kommunalen W ald­

besitz zur Nachahmung an. D ie staatlichen Forst- verw altungen haben jedoch den Abbruch ih re r Be­

ziehungen zu Himmelsbach tro tz der klarliegenden Vorgeschichte n ich t m it der Übernahme der Coupes Supplémentaires durch Him melsbach m o tivie rt, sondern m it Beleidigungen, die sich V ertreter der F irm a Himmelsbach im V erkehr m it Beamten der Forstver- w altungen hätten zuschulden kommen lassen. In dem Schreiben vom 2. A p r il 1925, in dem Preußen den Abbruch der Beziehungen zu Himmelsbach bekannt­

g ib t, w ird unter den „Verletzungen der Staatsautori­

tä t sogar die „hemmungslose K r itik “ der „a n w a lt- schaftlichen V ertretung“ Himmelsbachs in dem Privatklageoerfähren gegen den L eite r des „H o lz­

m a rkt“ hervorgehoben!

W ie es sich auch im einzelnen m it den .B e le id i­

gungen ‘ — die im übrigen nach Angabe der H im ­ melsbach-Gesellschaft zurück genommen worden sind verhalten möge, die deutsche Ö ffe n tlic h k e it w ird es n ich t fassen können, daß ein maßgebender Holzkonzern, von dessen T ä tig ke it 1000 bis 2000 A rb e ite r m it ihren F am ilien abhängig sind, durch ein V erhalten, das von juristischen G utachtern als

„reiner S trafboykott“ bezeichnet w ird , gemaßregelt und an den Rand des w irtsch a ftliche n Ruins gebracht w ird . Es erhebt eich die Frage, m it welchem Recht

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650 M AGAZIN DER WIRTSCHAFT Nr. 17

sich die Forstverw altungen in Verkennung ih re r eigentlichen Aufgaben Gerichtsbefugnisse in Fragen der allgemeinen Staatspolitik anmaßen und hierbei weder den Ergebnissen der zivilprozessualen V er­

handlungen Rechnung tragen, noch die völkerrecht­

lichen Faktoren der Angelegenheit, — es handelt sich hier um die Amnestiebestimmungen auf G rund der Londoner und Koblenzer Verhandlungen von 1924 —

berücksichtigen. D ie Gleichsetzung fo rstw irtsch a ft­

lich e r P o litik m it allgem einer S taatspolitik, die in der Behandlung der Him m elsbäohgruppe durch die Forstverw altungen der Länder eingeschlossen ist, ist ein Modus, gegen den man sich aus prinzipiellen Gründen und n ich t n ur um des an sich w ichtigen Falles Himmelsbach w ille n m it a lle r D e u tlich ke it wenden muß.

•Ute U elfrltoectB olhm g f e H P tetfífjafí in ¿ten

J n ö u j l t t e * u n d I j o n f t e t e f o m m e m

Don «Beffcimcflt D t. $. Dentuffp Dynflífuá flet ünflultete* utifi Sjonfletefamraec/ Dtrfin Die Debatte über die künftige Gestaltung des Reichsroirtschaftsrats rü ckt die Industrie- und Handelskammern, die als Zellen des endgültigen Reichswirt- schaftsrats gedacht maren, in den Bereich allgemeiner politischer Erwägungen.

Die paritätische Zusammensetzung der Kammer aus Arbeitgebern und A rb e it­

nehmern ist abzulehnen. Eine derartige Neuordnung würde nur dazu führen, die Kammer, deren Aufgabenkreis im Anschluß an das Buch von Most

eingehend geschildert w ird, arbeitsunfähig zu machen.

D ie Frage der Organisation von Industrie- und Handelskammern, die bislang überwiegend nur den verhältnism äßig engen Kreis der nahe B eteiligten beschäftigt hat, ist neuerdings von allgem einer p olitische r W ich tig ke it geworden. D er in Aus­

führung von A rtik e l 165 der Reichsverfassung ge­

bildete Reichsmirtschaftsrat soll aus seiner vor­

läufigen nunm ehr in eine endgültige G estalt über­

fü h rt werden. Gedacht ist der R eichsw irtschaftsrat gemäß den Bestimmungen des A rtik e ls 165 als der Oberbau verw andter E inrichtungen von Bezirks- w irtsehaftsräten, die den U m fang eines großen Gebiets, etwa einer preußischen Provinz, umfassen sollen, sowie von diesen nachgeordneten örtlichen Vertretungen der A rb eite r und Angestellten einer­

seits, der Unternehm er andererseits. Bei den Be­

ratungen über die endgültige G estaltung des Reichs­

w irtschaftsrats hat die Frage: soll dieser Unterbau nunm ehr geschaffen werden, aus dem der Reichs­

w irtsch a ftsra t erwächst, eine große R olle gespielt;

es steht zu erwarten, daß sie auch bei den kommen­

den Reichstagsverhandlungen zur Sache stark er­

ö rte rt werden w ird . V ielfach ist der Vorschlag her­

vorgetreten, die Industrie- und Handelskammern paritätisch aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu besetzen und sie derart zur grundlegenden Stufe des Rätesystems gemäß A rtik e l 165 auszugestalten.

Bei dieser Sachlage erscheint die S c h rift von Dr. O tto Most, Syndikus der Industrie- und Handels­

kam m er D uisburg: Die Selbstverwaltung der W irt­

schaft in den Industrie- und Handelskammern (Verlag Gustav Fischer, Jena 1927) zur rechten Zeit, um die vielfach recht undeutlichen Anschauungen über das Wesen und die Bedeutung der Industrie- uncl Handelskammern zu klären. Most g ib t nach einem einleitenden K a p ite l über die Bedeutung der

Selbstverwaltung einen Ü berblick über die E nt­

stehung und E ntw icklun g der Industrie- und Handelskammern und geht sodann ausführlich auf die Aufgaben und die T ä tig ke it der Kammern ein, die er in Staats-, obligatorische Selbstverwaltungs­

und fa k u lta tiv e Selbstverwaltungs-Angelegenheiten te ilt; er b rin g t sodann eine Übersicht über die V er­

fassung der Kammern und ih r V erhältnis zu den Gem eindeverwaltungen. D er w ichtigste T e il der S ch rift ist der Ü berblick über die Arbeiten der Kammer; sein In h a lt sei ku rz angedeutet. Kern der Betätigung is t die gutachtliche Äußerung gegenüber staatlichen Organen über w irtschaftspolitische Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsmaßregeln.

Eine P flic h t des Staates zur A nhörung der Kammern ist n ur in einzelnen F ällen vorgesehen, der E in flu ß der Kammern auf dem Gebiete der gutachtlichen B erichterstattung hängt also überwiegend von der E insicht der staatlichen Behörden und von der Q u a litä t der Kam m erarbeit ab. M it dem Reiche stehen die Kammern als Landesorganisationen in keinem unm ittelbaren Zusammenhang, sie haben sich aber als Spitzenorganisation den fre ilic h gesetz­

lic h n ic h t verankerten Deutschen Industrie- und Handelstag geschaffen, der m it Geschick bem üht ist, auch den Reichsstellen gegenüber die A rb e it der Kammern zu r G eltung zu bringen.

E in T e il der B erichterstattung der Kam m ern fü r die Behörden is t auch die Ausarbeitung des Jahres­

berichts über den Geschäftsgang im Bezirke. So verschieden diese Berichte ihrem W erte nach aus- fallen, so läß t sich doch n ic h t verkennen, daß manche von ihnen die W issenschaft und Praxis w esentlich befruchtet haben.

Von größtem G ew icht is t die T ä tig ke it der Kammern fü r die Rechtsbildung. H ie r stehen die

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28. April 1927 M AGAZIN DER W IRTSCHAFT 651

E rstattung von G utachten an G erichte und die K o d ifik a tio n von Handelsgebräuchen im V order­

grund. Eine große Kam m er hat in ihrem letzten G eschäftsjahr mehr als 5500 G utachten an Gerichte erstattet. D ie rechtsbildende T ä tig ke it der Kammern w ird ergänzt durch den E in flu ß , den sie bei der Besetzung der Beisitzerstellen in den Kammern fü r Handelssachen ausüben und durch die schieds­

rich te rlich e T ä tig ke it, die sie auf G rund fre ie r In ­ anspruchnahme seitens der B eteiligten von F a ll zu F a ll oder auf G rund einer ständigen Rechtsprechung, insbesondere im Anschluß an die K od ifizie ru n g von Handelsgebräuchen, in den fü r einzelne Geschäfts­

zweige gebildeten ständigen Schiedsgerichten leisten.

E rheblich ist die T ä tig k e it der Kam mern bei Be­

kämpfung des unlauteren Wettbewerbs, w ie sie sich z- B. in der Überwachung des Ausverkaufswesens und der Schw indelauktionen abspielt. D ie Kammern haben fü r die R einerhaltung des Handelsregister»

von irreführenden Firm en Sorge zu tragen, die Be­

stellung von Revisoren zur P rüfung des Gründungs­

herganges bei Aktiengesellschaften sowie die ö ffe n t­

liche A nstellung und Beeidigung von Sachverstän­

digen der verschiedenen A rt vorzunehmen, zu denen auch die Bücherrevisoren gehören. D ie B erliner Kammer hat zur Zeit mehr als 1000 Sachverständige vereidigt, die ih re r A ufsich t unterstehen.

In das Gebiet der obligatorischen Selbstvermal- hingsangelegenheiten rechnet Most insbesondere die vielgestaltige T ä tig ke it, die den Handels­

kam m ern während der Kriegs- und Übergangswirt­

schaft zufiel. H ierher gehören auch die Delegierung von V ertretern der Kam mern in die verschiedenen Beiräte ö ffe n tlic h e r E inrichtungen, w ie die Bezirks- eisenbahnräte, die W asserstraßenbeiräte, die V er­

w altungsbeiräte bei der Reichspost und die Ind u strie ­ rung der Beiräte, d. i. die M ita rb e it an der Leitung des Verkehrswesens, ferner die M ita rb e it beim Aus­

hau und der V erbreitung des M aterials der Reichs- nachrichtenstelle, die d ie vom Auslande am tlich Angehenden Berichte w eitergibt. A u f steuerlichem Gebiete is t hervorzuheben, daß die Kammern von le ite n der Kommunen gehört werden müssen, sofern die Gewerbesteuer einen bestim m ten Satz über­

schreitet, D ie bei den Finanzäm tern eingerichteten Steuerausschüsse und Oberbewertungsausschüsse fü r die Veranlagung der Einkom m en- und K örper­

schaftssteuer werden zu einem bestim m ten T e il auf G rund von Vorschlägen der am tlichen Berufsver- Retungen besetzt.

A ls fa ku lta tive SelbstDermaltungsangelegenheiten der Kam mern betrachtet Most diejenigen A rbeiten, die sie im Dienste der Firm en ihres Bezirks fre i­

w illig erledigen; h ie r sind z. B. Beratungsstellen fü r Verkehrswesen, Z oll- und Steuer-Angelegenheiten zu nennen, die E rhaltung von H äfen und Lager­

häusern oder doch die M itw irk u n g hierbei, die E r­

richtung von A nstalten zur E rfü llu n g besonderer Bedürfnisse des Gewerbes, w ie von W arenprüfungs- nnitern. E ndlich gehören in diesen Zusammenhang die Börsen. D ie großen deutschen Börsen sind in

der M ehrzahl Eigentum der Kammern, in den Hanse­

städten üben diese die gesamte fin an zie lle V erw al­

tung, w ie die Bestellung des Vorstandes aus, in B erlin, F ra n k fu rt a. M., K öln und Leipzig lie g t die fin anzielle V erw altung bei den Kammern, daneben ist den Börsenbesuchem ein erhebliches Recht der Selbstverwaltung eingeräum t. D ie Kam mern üben h ie r die Börsenaufsicht in der ersten Instanz aus.

Von größter Bedeutung fü r die Gesunderhaltung der W irtsch a ft ist die H eranbildung eines geeigneten Nachwuchses. Dife Kam mern widm en deshalb der Lehrlingsausbildung in Ind u strie und Handel und dem Fachschulwesen ein besonderes Augenm erk, zum T e il sind sie in den K urato rie n der Fach­

schulen und Fortbildungsschulen vertreten, zum T e il erhalten sie solche Schulen selbst. Auch die Handelshochschulen haben eine wesentliche Förde­

rung durch die Kammern erfahren, die B erlin er Handelshochschule w ird le d ig lich durch die B erliner Industrie- und Handelskammer unterhalten. D ie V eranstaltung von Vorträgen und Kursen schließt sich solchen Bestrebungen an.

Enge F ühlung erstreben die Kammern m it der Presse, viele von ihnen geben eigene Z eitschriften heraus, daneben erscheinen w irtschafts-w issen- schaftlidhe P ublikationen in Buchform , die in der Regel im Kam m erauftrage von dazu berufenen P ersönlichkeiten verfaß t werden.

Ih re Grenze fin d e t die T ä tig ke it der Kammern nach Most zuvörderst in der verhältnism äßigen E ngigkeit ih re r fin an zie lle n M öglichkeiten. N ich t sehr erheblich sind die eigenen Einnahm en aus Ge­

bühren, im wesentlichen sind sie auf Beiträge ange­

wiesen, die als Zuschläge zur Gewerbesteuer er­

hoben werden. Sehr viele Kam m ern müssen m it bescheidensten Etats auskammen; von den 122 deut­

schen Kam mern konnten sich im E tatsjahre 1924/25 45 n u r einen Gesam taufwand von weniger als 50 000 RM. und n u r 4 einen solchen von über 500 000 RM. leisten. Eine w eitere Grenze fü r die H andelskam m ertätigkeit zieht die gebotene R ück­

sicht a uf die Fąchverbände. D oppelarbeit muß ver­

mieden werden, eine vernünftige A rbeitsteilung muß eintreten.

In k la re r und e in dringlicher Weise zeichnet Most sein B ild der deutschen H andelskam m ertätigkeit.

Es e rg ibt fü r den kritisch e n Betrachter Züge reger und bedeutsamer T ä tig ke it. W er das W erk gründ­

lic h liest, w ird zu der Überzeugung gelangen, daß die Kam m ern eine nützliche T ä tig k e it in durchaus befriedigender Weise ausüben. Dies w ird , was die E inzelarbeit a n b e trifft, von der ö ffe n tlich e n K ritik ziem lich uneingeschränkt anerkannt, hin sichtlich ih re r gutachtlichen A rb e it, der eigentlichen Beein­

flussung der W irts c h a fts p o litik w ird ihnen bisw eilen angeraten, daß sie neben den großen Verbänden der W irtscha ft stärker w irk e n sollten. Einen V o rw u rf in dieser R ichtung zu erheben, wäre ungerecht, die Kammern stehen m it den Spitzenverbänden der deutschen W irtsch a ft freundschaftlich in einer F ront, sie haben sich in steigendem Maße, n ich t

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652 MAGAZIN DER W IRTSCHAFT Nr. 17

zum wenigsten dank der T ä tig k e it ih re r eigenen Spitzenorganisation, des Deutschen Ind u strie - und Handelstages, über lokale Zuständigkeit hinaus großen E in flu ß erworben. Das ist zum V o rte il der A llgem einheit auch dringend zu wiinsehen, denn die Kam m ern werden ih re r N a tu r nach als V er­

tre te r der G esam tw irtschaft, sie umfassen ja Industrie, Handel, Banken usw., das allgemeine Interesse in den V ordergrund stellen, während der Fachverband bei bestem W ille n o ft bestrebt sein muß, die Dinge aus der R ichtung der besonderen ihm anvertrauten Interessen anzuschauen. Träten die Kam m ern dennoch h ie r und da neben den V er­

bänden zurück, so müßte es an anderen Gründen, als an ih re r O rganisation liegen. D ie Kammern unterstehen den Landesbehörden, die Reichs­

regierung arbeitet le ich ter m it den großen Verbän­

den, die das Reichsgebiet umfassen. D ie großen Verbände suchen ih re Sachverständigen ohne vie l Hemmung in ganz Deutschland unter den Tüch­

tigsten aus, der Kam m erspitzenverband ist w e it­

gehend an die D elegation der zuständigen Kammer gebunden. In den großen Verbänden sp rin g t häufig ein in te llig e n te r M ann m it einem Satze in die vor­

derste Reihe, in die Kammern muß man a uf dem Wege der üblichen K arriere hineinkom m en, indem man sich zunächst die Sporen als M itg lie d und V or­

sitzender irgendeines ö rtlich en Fachvereins verr dient. Männer, n ich t W ürdenträger irgendeines Fach Vereins in die Kammern zu entsenden, ist das Gebot, das die Freunde der Kam mern berück­

sichtigen sollten, wenn sie diesen im Interesse der A llgem einheit den größtm öglichen E in flu ß zu ver­

schaffen beabsichtigen.

Soweit das U rte il über den gegenwärtigen Stand der Kam m ern, das sich aus dem Mostschen Buche ergibt. Was h a rrt nun der zukünftigen Lösung auf diesem Gebiet? Auch bei einer noch so w eiten Aus­

dehnung der A rbeitsziele w ird es zu einer Selbst­

verw altung der W irtsch a ft im weitesten Sinne in den Industrie- und Handelskammern n ich t kommen.

Was wäre auch da fü r ein Gebiet zu meistern, Kartellw esen, Tarifw esen, um n u r Beispiele zu nennen. Von einer solchen weitgehenden Selbstver­

w altung kann n ich t die Rede sein; die Kammern werden sich gemäß den fü r ih re A rbeiten geltenden gesetzlichen V orschriften stets darauf beschränken müssen, E in g riffe in irgendwelche geschäftlichen Maßregeln zu vermeiden. H ie r dürfen sie weder fördern, noch hemmen. Sie können und sollen zu etwaigen Gesetzentwürfen über K arte lle S tellung nehmen, sie können bei S treitigke ite n m it K artellen, wenn sie angerufen werden, Schiedsgerichte bilden, a k tiv aber in die Betätigung der einzelnen W irt­

schaftsfaktoren einzugreifen, muß ihnen nach ih re r ganzen S tru k tu r verw ehrt sein.

D ie Aufgaben fü r die Kammern sind groß genug.

Um sie erledigen zu können, müssen sie fin a n z ie ll w e it besser gestellt sein als bisher, was fre ilic h O p fe rfre u d ig ke it von ih re n Angehörigen erfordert.

Sie müssen aber auch Bezirke umfassen, die w irk ­ lic h leistungsfähig sind, Zwergkammern, w ie w ir deren heute in Deutschland noch so viele besitzen, sollten verschwinden; fre ilic h , die B eteiligten dazu zu bewegen, ist ebenso schwer, w ie den kleineren Ländern das Aufgehen in einen der größeren deut­

schen Staaten beizubringen.

Um a u f den Ausgangspunkt der Besprechung zurückzukom m en: soll die U m bildung der Kammern in paritätische Vertretungen, denen Arbeitgeber und Arbeitnehm er angehören, gutgeheißen werden?

Eine solche Zusammensetzung hätte keinen Zweck.

Gemeinsamer Forschung beider Parteien zugängig w ären sozialpolitische und U nterrichts-Fragen; h ie r könnte eine Zusammenarbeit an sich in einer zu ver­

einbarenden losen Form fruchtbringend sein, aber schon bei der Beratung von G utachten über allge­

meine W irtschaftsgesetze und Maßnahmen w ird es vielfach den A rbeitnehm ern schw ierig 6ein, die ge­

eigneten Sachverständigen in den zahlreichen Kam m erbezirken zu stellen. D ie E rfahrungen m it den A rb eite rve rtre tem in den A ufsichtsräten der A ktiengesellschaften bedeuten eine eindringliche Lehre in dieser H in s ic h t F ü r die E rstattung von gerichtlichen G utachten über Handelsgebräuche, fü r die Bestellung von Sachverständigen, die Be­

schickung der Beiräte der Verkehrsunternehm ungen, fü r die Börsenaufsicht, die schiedsrichterliche T ä tig k e it werden auch bei sozialer und politischer W eitherzigkeit die Unternehm er als die a lle in ge­

eigneten Sachverständigen erscheinen. D ie V er­

handlung der paritätischen Kam mer w ird allzu le ich t von vornherein a u f gegebene Beschlüsse fest­

gelegt sein, die Gesamtheit der A rbeitgeber w ird m it ja , die der Arbeitnehm er m it nein oder umge­

ke h rt stim m en, wobei n ich t einm al w ie im Reichs- w irtsohaftsrat die M öglichkeit der M ehrheitsbildung durch N eutrale gegeben wäre. A nstelle sachlicher Beratung w ird die w irtschaftspolitische Tendenz treten, M änner in bedeutsamer und w ich tig er Stellung werden das Zeitopfer der sich ergebenden langw ierigen Diskussions-Veranstaltungen n ich t bringen w ollen und sich zurückziehen. P aritätische Ind u strie - und Handelskammern w ürden der A ll­

gem einheit und den B eteiligten, darunter der A rbeiterschaft, schaden, da ihre E in fü h ru ng die Zer­

schlagung eines w ichtigen Instrum entes der W irt­

schaft bedeuten würde. Sie w ürden den Interessen der A rbeiterschaft h in sich tlich Regelung des Arbeitsvertrages nichts nützen, da eie fü r tarifarische Abmachungen über Löhne n ich t zuständig sind und es niemals sein können.

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28. A p ril 1927__________ ________ MAGAZIN DER W IRTSCHAFT 653

U te H o le ö « f

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Die Überproduktion an Mehl hat zu einem scharfen Absatzkam pf geführt, der auch den Mehlhandel in eine schwere Lage bringt. Die Mühlen suchen an den Verbraucher d ire kt heranzutreten, während die Einkaufsgenossen­

schaften der Bäcker den Handel ausschalten wollen, der seinerseits ohnehin m it geringem Nutzen arbeitet und die gewohnte Kreditgewährung an den Abnehmer — infolge des Kapitalschwundes der Inflationszeit — einschränken

muß. A b h ilfe kann nur der Zusammenschluß bringen.

D ie gegenwärtige Ü berproduktion an M ehl und die d am it verbundenen Schw ierigkeiten des Absatzes w irke n sich naturgemäß bei allen am Mehlgeschäft beteiligten Berufsgruppen in mehr oder weniger un­

günstiger Weise aus und tragen dazu bei, die Ren­

ta b ilitä t der einzelnen Betriebe stark zu beschränken.

A n dieser Stelle w urde vor kurzem in ausführlicher Weise die ungünstige Lage geschildert, in der sich die deutsche M ühlenindustrie derzeit befindet. Wenn dabei im G esam turteil die Lage der M ü lle re i als büchst p re kär bezeichnet wurde, so ist die S ituation, 1Q der sich seit einigen Jahren der M ehl handel be­

fin de t, noch w e it schw ieriger und hoffnungsloser.

Seit der S tabilisierung der M ark ist das während der In fla tio n blühende zw eithändige Mehlhandelsge- fichäft, das einen ausgesprochen spekulativen Cha­

ra kte r hatte, nahezu restlos verschwunden. Dem M ehlhandel b le ib t heute im großen und ganzen nur noch die E rfü llu n g der volksw irtschaftlichen Funk- üon einer Versorgung des Konsums. Dieses reguläre Konsumgeschäft, das in den Zeiten vor dem K rieg fast auschließlich durch den M ehlhandel in einer Weise besorgt wurde, die einen auskömm lichen V er­

dienst und ein m aterielles A ufblühen dieses Erw erbs­

zweiges zuließ, is t heute n ich t zuletzt durch die scharfe K onkurrenz der beteiligten M ehlgroßhändler selbst so ru in ie rt worden, daß von einer R e n ta b ilitä t des Handelsgeschäfts kaum die Rede sein kann.

D ie Auswüchse im M ehlhandel haben in jüngster Zeit Dimensionen angenommen, die unbedingt auch zu einem Zusammenbruch des Konsumhandels fü h ­ ren müssen, wenn sich dieser Handel n ich t endlich lQ le tzte r Stunde auf sich selbst besinnt. N ich t allein aus den in d ustrie llen Bezirken, sondern auch aus den G ebietsteilen m it überwiegend la n d w irt­

schaftlicher Bevölkerung mehren sich die Klagen arüber, daß der M ehlgroßhändler tro tz konzentrier­

fester Anstrengungen n ich t mehr auf seine Rechnung kommt. M it A llg em eing ü ltig keit ist festzustellen, aß am M ehlm arkt eine vö llig e D irektionslosigkeit

"Und Zerfahrenheit P latz gegriffen hat, die m it in - uerer N otw endigkeit unverzüglich Maßnahmen des

“ lehlhandels selbst erfordert, um ihm den noch ver­

bliebenen Absatz und seine Existenz zu erhalten.

Zu diesem Z e rfa ll des Mehlgroßhandels haben ver­

schiedene Umstände beigetragen. Von seiten des Mehlgroßhandels w ird zunächst über die mangel­

hafte Unterstützung der Handelsinteressen durch ie Großmühlen Klage geführt. Diese K r itik macht

den Großm ühlen V orw ü rfe darüber, daß sie den M ehlhandel durch ihre ungünstigen V erkaufs- und Zahlungsbedingungen gefährden, und daß sie davon abgegangen sind, in ih re r V erkaufstätigkeit, w ie früher, ausschließlich den H andel zu berücksichtigen.

Es w ird dabei insbesondere und m it Recht darauf hingewiesen, daß manche M ühlen durch P latzver­

tre te r den Konsum d ire kt bearbeiten und dadurch den Mehlkonsumhandel ausschalten. Außerdem sind viele Großm ühlen dazu übergegangen, nach auswär­

tigen Plätzen Sammelladungen per Bahn zu versen­

den, um daraus den Kleinabnehm er zu speisen, der bis je tz t vorzugsweise vom H andel bedient wurde.

Es is t zw eifellos ric h tig , daß durch ein verständiges Zusammenarbeiten von M ühlen und M ehlhandel, woran es bei der D irektionslosigkeit des M ehlhan­

dels mancherorts fe h lt, eine Verbesserung der k r it i­

schen Lage des Mehlhandels zu erm öglichen wäre.

Voraussetzung d a fü r ist, jedoch, w ie später noch näher ausgeführt werden soll, das Vorhandensein einer geschlossenen, regional gegliederten O rgani­

sation des deutschen Mehlhandels.

Ale ein w eiterer G rund fü r den Rückgang des Mehlgroßhandelegeechäftes w ird das Eindringen der Bäcker-Einkaufsgenossenschaften in das Konsumge- schäft angeführt, das sehr dazu beigetragen hat, den M ehlhandel, insbesondere in den großen Städten, weitgehend auszuschalten. Es ist bekannt, daß die Bäcker-Einkaufgenossenschaften seit langem vielfach ihre Mehle d ire k t von den M ühlen zu kaufen in der Lage sind. Schon dieser Umstand a lle in hat n a tu r­

gemäß zu einer Ausschaltung des Handels gefü hrt;

er d a rf jedoch in seiner A usw irkung n ich t über­

schätzt werden, da der U m fang dieser direkten ge­

nossenschaftlichen E inkäufe n ich t so groß sein d ürfte , w ie gem einhin angenommen w ird . Denn viele Genossenschaften haben es bisher aus begreif­

lichen Gründen ablehnen müssen, zu den scharfen V erkaufs- und Zahlungsbedingungen der Groß­

m ühlen ihren Bedarf einzudecken. Sie haben es vor­

gezogen, sich bei ihren E inkäufen des MehlhandsLs zu bedienen, der ihnen erleichterte Zahlungsbedin­

gungen zu gewähren in der Lage ist. Geschädigt w or­

den ist der M ehlgroßhandel aber ohne Z w eifel durch die T ä tig ke it der Bäcker-Einkaufsgenossenschaften und die dam it verbundene Verdrängung von der Konsum belieferung sowie durch die Ü bergriffe mancher Einkaufsgenossenschaften, die ihren A k ­ tionsradius über ihren lokalen Absatzbezirk hinaus

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654 MAGAZIN DER W IRTSCHAFT Nr. 17

erw eitert haben. In diesem letzten F alle handelt es sich jedoch um eine Ausnahmeerscheinung, der zu­

gunsten des Mehlhandels die Tatsache entgegensteht, daß in der letzten Zeit eine große A nzahl Bäcker- Einkaufsgenossenschaften infolge schlechter Ge­

schäftsführung und m angelnder R e n ta b ilitä t ver­

schwunden ist oder ein bedeutungsloses, den Handel n ich t behinderndes Dasein fris te t. D ie Bäcker selbst, die sich heute durchweg in einer fin a n z ie ll günstigen Position befinden, haben sich n ich t zuletzt infolge der o ft sehr weitgehenden statuta­

rischen H aftung in den meisten Städten n ur zum T e il den Genossenschaften, angeschlossen, und sie kaufen auch n ich t regelm äßig von der Genossen­

schaft, sondern in gleicher Weise vom M ehlhandcl.

M ehr als diese Hemmungen hat noch der K ap ita l- und Substanzverlust, den der M ehlhandel in vie l stärkerem Maße als die M ühlen durch die Zwangs­

bew irtschaftung und die In fla tio n e rlitte n hat, dazu beigetragen, den Um fang des Mehlhandelsgeschäfts zu verringern. V or dem Kriege w ar es einer der wesentlichsten Vorzüge des Mehlhandels, durch lang­

fris tig e Kreditgew ährung den Bäcker als Abnehmer fin a n z ie ll zu unterstützen. Diese Tatsache hat, volks­

w irts c h a ftlic h betrachtet, die Position des M ehlhan­

dels in der E rnährungsw irtschaft außerordentlich ge­

stärkt. D ie D ezim ierung des H andelskapitals ge­

stattet es jedoch heute dem Mehlgroßhandel n ich t mehr, eine Kreditgew ährung in diesem Ausmaße der K undschaft gegenüber vorzunehmen. D er H ändler erhält selbst n u r von der M ühle die Skontovergün­

stigung von 1 % bei E inhaltung der siebentätigen Zahlungsfrist, und da er zum Umsatz seiner be­

schränkten B etriebsm ittel fortw ährend K a p ita l be­

d a rf, ist er n ich t mehr in der Lage, größere K redite einzuräumen. Ebensowenig vermag er es heute noch, erhebliche Mengen von den M ühlen auf M einung vo r­

zukaufen, um sie dann gegebenenfalls bei einer a u f­

steigenden P reisentw icklung zu günstigen Preisen fü r den Konsum abzusetzen. D er ganz ungewöhnliche K a p ita lve rlu st des M ehlhandels hat daher in erster L in ie und ausschlaggebend den Geschäftsumfang re­

duziert. H inzu kom m t, daß das Ringen des M ehl­

handels um den noch verbliebenen Absatz gegen­

w ä rtig unter einem Preisdruck e rfolgt, der eine Ren­

ta b ilitä t ausschließt. Daß das M ehl heute um nur 25 Pfennig über dem M ühlenpreis vom Handel an den Platzkonsum abgegeben w ird , ist zu einer allgem ein zu beobachtenden Erscheinung geworden. D er eine M ehlhändler unterbietet im K onkurrenzkam pf den andern, um überhaupt, sei es auch ohne Verdienst, im „G eschäft“ zu bleiben und Fühlung m it dem Kon­

sum zu behalten. Es ist ausgeschlossen, daß bei die­

ser Schleuderkonkurrenz ein rationelles Geschäft ge­

fü h rt werden kann, und es is t selbstverständlich, daß eine Fortdauer dieses Zustandes die Existenz des M ehlhandels v ö llig erschüttert.

Es d a rf w ohl behauptet werden, daß in keiner andern Branche, in der Industrie und Handel der T ra d itio n und der w irtsch a ftliche n S tru k tu r nach so eng v e rk n ü p ft sind, solche "Mißstände eingerissen

sind. In einigen Branchen hat die neueste Phase der industriellen Konzentrations- und R ationalisierungs­

bestrebungen zu dem Ergebnis geführt, daß der H an­

del als selbständiger W irtsch a ftsfa kto r ganz ver­

drängt wurde. In der M ehlbranche besteht bei dem Mangel einer in d ustrie llen K a rte l­

lierungsbewegung keine von der Ind u strie und ih re r w irtsch a ftlich e n E ntw icklun g ausgehende Tendenz zur Ausschaltung des Mehlhandels. H ie r ist es v ie l­

m ehr in erster L in ie der Mehlhandel selbst, der durch seine eigene Indolenz und seine innere U neinigkeit eine Gesundung des Handels- und Mehlkonsumge­

schäfts in erstaunlicher Verkennung seiner Interessen verhindert und dem n u r geholfen werden kann durch die S elbsthilfe einer aktiven Handelsorgani­

sation, die bei der U nm öglichkeit von allgem ein ver­

bindlichen Preiskonventionen, durch ständigen inne­

ren D ru ck erzieherisch auf die M itg lie d e r und die Außenstehenden e in w irk t.

U nter dieser ungünstigen E ntw icklung des M ehl­

handelsgeschäfts haben naturgemäß auch die V er­

tre te r der M ühlen, die sogenannten Mühlenagenten, zu leiden. D ie im m er schärfer sich durchsetzenden Rationalisierungsbestrebungen, die sich in der M ehl­

branche insbesondere auf die Kostenersparnis beim V erkauf und die Ausschaltung verm eidbarer Z w i­

schenglieder konzentrieren, w irken sich ganz beson­

ders scharf in Gestalt einer Einschränkung des T ä tig ­ keitsgebiets der M ühlenvertreter aus. Beispielsweise haben die süddeutschen G roßm iihlen m it W irkun g vom 1. A p ril 1927 n ich t a lle in den Provisionssatz auf 30 Pfennig per 100 kg fü r M ehl und auf 10 Pfennig per 100 kg fü r F u tte rm itte l gegen bisher 1 % herab­

gesetzt, sondern sie sind zum T e il auch dazu über­

gegangen, m it den M ühlenvertretern besondere A n ­ stellungsverträge abzuschließen, die ihrem Sinne nach eine wesentliche Verschlechterung der Rechte des M ühlenvertreters herbeiführen müßten. Diese V er­

träge stellen eine bedeutende Einschränkung der nach dem Handelsgesetzbuch den Handelsagenten zu­

stehenden Rechte dar, indem sie beispielsweise der M ühle die M öglichkeit geben, auch bereits angenom­

mene Geschäftsabschlüsse zu annullieren. Eine solche Vertragsklausel ist m it den geltenden R echtsvorschrif­

ten des § 85 des Handelsgesetzbuches n ich t zu verein­

baren. Das gleiche g ilt fü r die vorgesehene V er­

tragsbestimmung über die Kündigung, die ein K ün­

digungsrecht m it sofortiger W irkun g vorsieht, w äh­

rend nach § 92 des Handelsgesetzbuches das auf un­

bestimmte Zeit geschlossene V ertragsverhältnis zw i­

schen Geschäftsherrn und Handlungsagenten von jedem T e il n ur fü r den Schluß eines K alenderviertel­

jahres unter E inhaltung einer K ündigungsfrist von sechs Wochen gekündigt werden kann.

Auch in der praktischen Geschäftsgebarung haben die Mühlenagenten heute schwer unter den Umge­

hungsversuchen und Ausschaltungsbestrebungen von seiten der M ühlen und H ändler zu leiden. Es kom m t im m er häufiger dazu, daß die M ühlen zum T e il nicht n ur am Platze ihre F abrikate d ire k t an den Handel und die Genossenschaften absetzen, sondern auch in

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