• Nie Znaleziono Wyników

Unterrichtsblätter für Mathematik und Naturwissenschaften, Jg. 9, No. 5

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Unterrichtsblätter für Mathematik und Naturwissenschaften, Jg. 9, No. 5"

Copied!
24
0
0

Pełen tekst

(1)

J a h r g a n g IX .

U nterrichtsblätter

1 90 3. N r. 5.

fü r

Mathematik und Naturwissenschaften.

O rg a n d e s V e r e in s z u r F ö r d e r u n g

d es U n te r r ic h ts in d e r M a th e m a tik u n d d e n N a tu r w is s e n s c h a f te n .

B e g rü n d e t u n te r M itw irk u n g von

B ernhard. S c h w a lb e ,

herausgegeben von

F. P i e t z k e r ,

P r o fe sso r am G ym n asiu m zu N orilhausen.

V e r l a g v o n O t t o S a l l e i n B e r l i n W . 30.

Redaktion: A lle f ü r d ie R e d a k t i o n b e s ti m m t e n M i t t e i l u n g e n u n d S e n d u n g e n w e r d e n n u r a n d i e A d r e s s e d e s P r o f . P i e t z k e r i n N o r d n a u s c n e r b e t e n .

V erein: A n m eld u n g en und B e itr a g sz a h lu n g e n fü r d e n V e r e in (s Mk. J a h r e sb eitra g oder e in m a lig e r B e itr a g v o n 45 Mk.) sind an den S c h a tzm eiste r , P ro fesso r P r e s l e r in H annover, L in d en crstra sso 47, zu rich ten .

V erlag: D er B e z u g s p r e i s fü r den J a h r g a n g v o n 6 N um m ern is t 3 M ark, fü r e in z e ln e N um m ern 60 P f . D io V ercin sm it- g lic d e r e rh a lte n d ie Z e itsc h r ift u n e n tg e ltlic h ; frü h ere J a h r ­ g ä n g e sin d durch d e n V e r la g b ez. e in e B u c h h d lg . zu b e zieh en . A n z e i g e n k o s t e n 25P f . fü r d ie 3 -g c sp . N o n p a r .-Z eile; hei A u fg a b e h a lb er od. g a n z e r S e ite n , so w ie h e i W ie d e r h o lu n g en E rm ä ssig u n g . — B cila g eg c b ü h r en nach U eb e re in k u u ft.

N a ch d ru ck der e in z e ln e n A r tik e l is t, w en n ü b erhau p t n ic h t b esond ers au sg en o m m en , nu r m it g e n a u e r A n g a b e der Q uelle und m it der V e rp flic h tu n g der E in sen d u n g e in e s B eleg e x e m p la r s an den V e rla g g e sta tte t.

I n h a lt: Der biologische U nterricht am humanistischen Gymnasium. Von B. L a n d s b e r g (S. 93). — Der bio­

logische Unterricht an den ueunklassigen Realanstalten. Von K. F r i c k e (S. 94), — Diskussion über die Stellung der Schulreform zum cxaktwissenschaftlichen Unterricht (S. 99). — Ueber endlichgloicho Prismen und Pyramiden. Von H. V o g t (S. 102). — Ueber Niiherungsformeln zur elementaren B e­

rechnung der Zahl . t , Schluss. Von Dr. W. K o c h (S. 104). — Ueber physikalische Schüleriibungen.

Von H. H a h n (S. 108). — Kleinere M itteilungen (S. 109). — Vereine und Versammlungen [III. Inter­

nationaler Mathematiker-Kongress zu Heidelberg] (S. 110). — Lehrmittel-Besprechungen (S. 110). — Bücher-Besprcchungen (S. U l ) . — Zur Bespr. eingetr. Bücher (S. 112). — Anzeigen.

D e r b io lo g is c h e U n te r r ic h t a m h u m a ­ n is t is c h e n G y m n a s iu m .

Bericht, erstattet auf der Hauptversammlung zu Breslau.*) V on B, L a n d s b o r g (Allenstein).

D ass die B iologie ein w ic h tig e r B ild u n g s­

fa k to r u n d ih r B etrieb a u f den O berklassen der h ö h ere n S chulen zu w ünschen ist, d a rü b e r b estellt w ohl kein Z w eifel. Die an d er H and d er neuen p reu ssisclien L e h rp lä n e auch in den O berklassen des G ym nasium s m ögliche g eleg en tlich e B eh an d ­ lu n g b iologischer und h ygienischer F ra g e n k ann m an n ic h t fü r eine E rfü llu n g d er au f E rw e ite ru n g des b iologischen U n te rric h ts g e ric h te te n B e­

stre b u n g e n h alten . D och lä sst der W u n sch , ein erseits dem je tz t schon sich em pfindlich g e lten d m achenden M angel an biologisch g e ­ n ü g e n d g e sc h u lte n L e h rern abzuhelfen, an d e re r­

se its den S chülern des G ym nasium s auch u n te r den h e u tig e n V erh ältn issen die B iologie n ic h t ganz v o rz u e n th a lte n , gew isse U ebergangsm ass- reg eln zw eckm ässig erscheinen. B ed in g u n g fü r eine erfolgreiche A u sg e sta ltu n g d er in den m eth o d isch en B em erkungen d er L eh rp län e g e­

g eben en A n reg u n g en is t das V orhandensein

*) S. Unt.-Bl. IX , 3, S. 60.

eines L eh rers, dessen In te re sse auch d er bio­

logischen S eite z u g e w a n d t ist. D ie in den leh rp lan m ässig en S tu n d en e r t e i l t e n B e l e h r ­ u n g e n m ü s s e n i h r e E r g ä n z u n g in w ah l­

freien V o rträg en finden, doch m uss d e r lehr- p lan m ässig e U n te rric h t eine G ru n d lag e schaffen, denn m an k ann doch n ic h t m einen, dass fü r alle m it d e r B iologie in Z usam m enhang steh en d en F ra g e n en zyklopädische B eleh ru n g und V o rtra g s­

form g en ü g en d seien.

E ine B eh an d lu n g g ew isser p h y sik alisch er F ra g e n m ach t schon d e r biologische U n te rric h t d e r U n te rstu fe n o tw e n d ig ; d ah er w ird das V er­

stän d n is e rle ic h te rt, w enn d er eig en tlich e P h y s ik ­ u n te rric h t an diese b e k a n n te n P ro b lem e a n k n ü p ft (etw a hei d er B eh an d lu n g des L u ftd ru ck s) od er F ra g e n , an die d e r B io lo g ie u n te rric h t n u r h e r­

an fü h ren k o n n te (z B. das F lu g p ro b lem ) g e n au er b eh an d elt. M anche andere G eleg en h eit zu r A n k n ü p fu n g b io lo g isch er und h y g ien isch er B e­

leh ru n g en is t im P h y s ik u n te rric h t zu finden, w ird auch, n ach A usw eis m e h re rer L eh rb ü ch er, b e n u tz t.

A u d i d er b e sc h rä n k te C hem iekursus des G ym nasium s g e h t d e r R egel nach n ic h t ach tlo s v o rü b er an den N atu rp ro zessen d er Stoffw ander-

(2)

S. 94. Un t e r r i c h t s b l ä t t e r. Jahrg. IX. No. 5.

ungen und W an delungen, die in dem P rin zip von d er E rh a ltu n g des Stoffs ih re n A bschluss finden und e rst d u rch H in ein b ezieh u n g biolo­

g isch er M om ente voll verstä n d lich w erden. An einem einfachen B eispiel (K ohlenw asserstoffreihe C n H 2 n _p2) k an n auch d er S ch ü ler des G ym ­ nasium s zu einer A uffassung o rg an isch er Stoffe als K o h lenstolfverbindungen von verw ickeltem M olekülbau g e fü h rt w erden. (Die d u rch sic h tig e G esetzm ässig k eit e rg ib t sich schon aus den beiden A n fangsgliedern d e r R eibe). D am it w ird die B esp rech u n g d e r N a h ru n g sm itte l (L ehrpl.

S. G7) und d u rch H ineinbeziehung der F e rm e n t­

w irk u n g (G ärungsversuch, den P f u h l schon in U I I I a n s t e l l t : „ U n te rric h t in d e r P flan zen ­ k u n d e “, L eipzig 1900, S. 58 und 59) auch ein V erstän d n is d er S toffw echselvorgänge an g eb ah n t, so w e it beides dieser S tufe zu g än g ig ist. (D er V o rtrag en d e le g t den „L eitfad en fü r den A n­

fa n g s u n te rric h t in Chemie und M ineralogie“ von D r. S c h r e i b e r , K assel, 1901 vor, d e r b e re its an zw ei h u m an istisch en G ym nasien ein g e fü h rt ist, dessen L eh rsto ff er aber, besonders auch a u f dem G eb iet d er K ohlenstoffchem ie, fü r diese A n sta lte n zu re ic h h a ltig f in d e t)

D ie im R ahm en des leh rplanm ässigen U n te r­

ric h ts g eb ra c h te n hygienischen u n d biologischen B eleh ru n g en m üssen m ö g lich st so a u sg ew äh lt w erden, dass sie dem P h y sio lo g iek u rsu s d e r I V orarbeiten. A uch dessen E in fü h ru n g , so n o t­

w en d ig sie an sich nach den v o rh erg eh en d en z e rstü c k e lte n u n d b e sc h rä n k te n biologischen D arb ie tu n g e n ist, w ird sich n u r em pfehlen, w enn ein L e h re r m it d e r n o tw en d ig en V or­

b ild u n g u n d dem ebenso n o tw e n d ig e n In te re sse fü r diesen L e h rg e g e n sta n d z u r V erfü g u n g ste h t.

R ü c k sic h t a u f das L eh rziel d e r P h y sik , besonders auch a u f die in den L eh rp lä n en an g e o rd n eten W ied erh o lu n g en und E rg än zu n g en , lassen eine v öllige U n te rb re c h u n g des P h y sik u n te rric h ts w ä h re n d eines H a lb ja h re s bed en k lich erscheinen.

W o h l ab e r sch ein t es an g än g ig , A k u stik und O p tik a u f U I zu verlegen und eine W o ch en ­ stu n d e des W in te rh a lb ja h re s d e r P h y sio lo g ie zu überw eisen.

B e d e n k t m an, dass die U n te rrieh tserg eb n isse, an die dieser K u rsu s an k n ü p fen m uss, teilw eise w e it zurückliegen, b e rü c k sic h tig t fern er, dass m anche F ra g e n des biologischen U n te rric h ts dem V erstän d n is d er M ittelstu fe beinahe u n zu ­ g ä n g lic h sind, w äh ren d ihnen, die s e it A lters die W isse n sc h a ft vom L eb en anziehend g em ach t haben, die P rim a n e r ein g e ste ig e rte s In te re sse en tg e g e n b rin g e n , so e rg ib t sich als angem essener U n te rric h tsg a n g d e r fo lg e n d e : A n w enigen aus­

g e w ä h lte n T ypen d e r nied eren T iere w ird ein k la re r B egriff d e r Z elle und ih re r L eb e n säu sser­

ungen, d er in d e r F u n k tio n b estim m ter Z ellen j sich au ssp rech en d en A rb eitsteilu n g , d e r G ew ebe, j

d e r O rgane und O rgansystem e e ra rb e ite t. H ie rb ei j

e rg ib t sich d er tierisch e, schliesslich auch der m enschliche O rganism us als ein Z ellen staat, und dem P rim a n e r e n ts te h t die F ra g e , w ie diese V ielh eit zu einem ein h eitlich w irk en d en O rga­

nism us verb u n d en w ird . E r v e rfo lg t die F u n k tio n des N ervensystem s m it ganz anderem V e rstän d ­ nis, als es a u f d er M ittelstu fe zu erreich en is t, von d er S tufe d er blossen R e izle itu n g bis zu d er im m er w e ite r gehenden Z e n tra lisie ru n g . M it d e r B eh an d lu n g einzelner N erv en zen tren aber, m it unserem W issen üb er R eiz u n d E r ­ reg u n g , m it d er B eh an d lu n g einzelner fü r die P h y sio lo g ie w ich tig en g eo rd n e te n Reflexe, e n d ­ lich m it d e r Sinnesphj'siologie, wie sie schon die B eh an d lu n g von A uge und O hr n o tw en d ig m acht, b rin g t ein solcher P hy sio lo g iek u rsu s einige w ich tig e G ru n d lag en d er em pirischen P sy ch o lo g ie und e rw e c k t den W u n s c h nach e ig e n tlic h e r psy ch o lo g isch er B eleh ru n g , als nach dem S ch lu sstein dieses L ehrgebäudes.

Ic h k a n n m ich a u f P a u l s e n berufen (N atu r und Schule 1. J a h rg ., S. 20 ff.), w enn ich die M einung au sspreche, dass ein au f n a tu rw isse n ­ sc h a ftlich er G ru n d lag e a u fg e b a u te r K ursus d er p hilo so p h isch en P ro p ä d e u tik , d e r auch au f die F ra g e n d er kosm ischen, tellu risch en u n d b iolo­

g ischen E n tw ic k e lu n g einen A usblick g e s ta tte n m üsste, von hohem W e rte sein w ürde, u n d auf L e h m a n n („E rzieh u n g und E rz ie h e r“ , B erlin 1901) dafür, dass in n ic h t w enigen F ä llen d er N a tu rw issen sc h aftsle h rer einen solchen U n te r­

ric h t erfo lg reich w ü rd e ausgesta 11en können.

S e lb stv erstän d lich w ären d a fü r am G ym nasium beso n d ere S tu n d en n ö tig . D afür, M ath em atik , N a tu rw isse n sc h a ft und P ro p ä d e u tik m ö g lich st in eine H and zu legen, s p ric h t sich schon ein ä lte re r E rla ss (vom 24. O k to b er 1837) aus.

D e r b io lo g is c h e U n te r r ic h t an d e n n e u n k la s s ig e n R e a la n s ta lte n .

Bericht, erstattet auf der Hauptversammlung zu Breslau*).

Von K. F r i c k e (Bremen).

H . H . ! Zu d er F ra g e des biologischen U n te r­

ric h ts steh en die n eu n k lassig en R e alan stalten , das R e a l g y m n a s i u m u n d die O b e r r e a l - j s c h u l e , schon h isto risch in einem an d eren V erh ältn is als das hum anistische G ym nasium . B eide v erd an k en ih re n N am en den r e a l e n W issen sch aften , und es v e rd ie n t in d er G egen­

w a rt h erv o rg eh o b en zu w erden, dass zu diesen realen W issen sch aften die n eueren S prachen eb ensow enig geh ö ren w ie die alten, w enn sie auch an d e r E n tw ick elu n g des R ealschulw esens dasselbe In te re sse haben w ie die N atu rw issen ­ schaft.

Als im J a h r e 1859 u n te r dem K u ltu sm in ister v. B e t h m a n n - H o 11 w e g die „ U n te rric h ts-

*) S. Unt.-Bl. IX , 3, S. 60.

(3)

1 9 0 3 . No. 5 . De r b i o l o g i s c h e Un t e r r i c h t a n d e n n e u k k l a s s. Re a l a n s t a l t e n. S. 95.

und P rü fu n g so rd n u n g fü r die R eal- und höheren B ü rg e rsc h u le n “ erschien, da t r a t d er n atu rw isse n ­ schaftliche U n te rric h t an d er dam aligen R e a l ­ s c h u l e I. 0 ., d er V orgängerin des R ealgym ­ nasium s, in den oberen K lassen m it d er s ta tt­

lichen Z ahl von je s e c h s U n te rric h tsstu n d e n auf, die in U n ter- und O bersekunda wohl durch- gehends so v e rte ilt w aren, dass je zw ei S tunden a u f die F ä c h e r P h y sik , Chem ie und N a tu rg e ­ schichte v e rw a n d t w urden, ln der P rim a sc h ein t die S ache verschieden g e h an d h ab t zu sein, an m anchen Schulen w ohl ähnlich w ie in den beiden Sekunden, an den A n s ta lte n , an denen ich p ersö n lich seit dem J a h re 1875 u n te r­

ric h te t habe, w a r die V erteilu n g so g eordnet, dass in dieser K lasse d rei S tu n d en fü r P h y sik , zw ei fü r Chemie und eine fü r N atu rg esc h ich te a n g esetzt w ar.

D ass eine S tö ru n g in diesem V erhältnis zu U ngunsten des n a tu rg e sch ich tlic h en u n d schliess­

lich auch des gesam ten n aturw issenschaftlichen U n te rric h ts e in tra t, lag an den b e k a n n te n und in d er letzten Z e it genugsam e rö rte rte n V or­

g än g en im J a h re 1 8 7 9 , die sich an den N am en des um die W issen sch a ft w ie um die M ethode des U n te rric h ts gleich hochverdienten B lü ten b io lo g en H e r r n . M ü l l e r in L ip p sta d t knüpfen. E s folgten die L eh rp lä n e von 1882, die die L e h rv erfassu n g d er h öheren Schulen n ic h t u n w esen tlich v erän d erten . F ü r die neun- k la ssig e R ealschule m it L a te in w a r das E rg e b ­ nis, dass die Z a h l der latein isch en U n te rric h ts­

stu n d e n v e rm e h rt w urde u n d zw ar auf K osten d e r n atu rw issen sch aftlich en , deren Z ahl in den oberen K lassen von s e c h s auf f ü n f h e ra b ­ g e se tz t w u r d e ; sie fü h rt von nun an den N am en R ealgym nasium . E s w a r ein trag isch es G e­

schick, dass die von den R ealschulfreunden d a ran g ek n ü p fte n H offnungen a u f w eiterg eh en d e B erech tig u n g en n ic h t frü h e r in E rfü llu n g gingen, als bis auch d er O berrealschule, d er n eu n ­ klassigen R e a la n sta lt o h n e L atein dieselben B ere ch tig u n g en zugesprochen w urden.

D ie K osten des V erfahrens h a tte ab e r einzig und allein die o r g a n i s c h e N atu rw issen sch a ft zu tra g e n , indem d e r n atu rg esch ich tlich e U n te r­

ric h t in d er O bersekunda u n d P rim a ganz g e ­ stric h en w u rd e, und durch die B eseitig u n g der Chem ie aus d er U n tersek u n d a eine V erschiebung e in tra t, durch die auch die organische Chemie fü r die n äch sten D ezennien aus dem L eh rp län e des R ealgym nasium s v e rd rä n g t w urde.

F ü r die T ra d itio n des biologischen U n te r­

ric h ts kom m t die O b e r r e a l s c h u l e , die frü h ere G ew erbeschule, aus dem G runde w eniger in B e tra c h t, w eil sie e rst um die g en an n te Z eit, im J a h re 1879, vom K u ltu sm in isteriu m ü b er­

nom m en w urde und e rst durch die erw äh n ten L e h rp lä n e von 1882 ih re L /ehrverfassung als allgem eine B ild u n g sa n sta lt erh ielt. A uch in

dieser S c h u la rt w urde gleich von vornherein d er des M aterialism us verd äch tig e b io lo g isch -n atu r­

g esch ich tlich e U n te rric h t a u f die u n te re n und m ittleren K lassen b e sch rä n k t. N u r in einer H in sic h t b eh ielt d e r L eh rp lan dieser Schulen einen V orzug in unserem Sinne, als w egen des grösseren Spielraum s, d er dem U n te rric h te in d e r Chemie b e w illig t w ar, die o r g a n i s c h e Chemie der P rim a erh alten blieb, und sich so w en ig sten s au f e i n e m G ebiete G eleg en h eit bot, au f die E rsch ein u n g en und G esetze d er lebenden N a tu r auch in d er o b ersten K lasse einzugellen.

G egen diese V erd rän g u n g der W issen sch aft von d er o rganischen N a tu r aus dem U n terrich te d er oberen K lassen rich ten sich b ek an n tlich die T hesen, die a u f d er 73. N atu rfo rsch erv ersam m ­ lu n g in H am burg am 25. S ep tem b er 1901 von den v erein ig ten biologischen A b teilu n g en g e ­ n eh m ig t w u rd e n , und die in dem W u n sch e gipfeln, dass w ieder ein b iologischer U n terrich t, w en ig sten s an den R ealan stalten , m it etw a zw ei S tu n d en w öchentlich durch alle K lassen d u rch ­ g e fü h rt w erde, w ie es frü h e r am R ealgym nasium d e r F all w ar. (T hese 7.) D ie schon in H am ­ b u rg ausgesprochene A b sich t, die F rag e des biologischen U n te rrich ts auch v o r das P l e n u m d er N a tu rfo rsch erv ersam m lu n g zu b rin g en , w ird in diesem J a h re v e rw irk lic h t w erden, indem das in H am b u rg g ew äh lte K om itee a u f V eran­

lassu n g des H e rrn P ro f. K r a e p e l i n den A n­

tra g g e ste llt h at, dass die in H am burg ange­

nom m enen T hesen seitens des P lenum s d er N aturforscherversam m lung g e b illig t w erden. W ie m ir H e rr P rof. K r a e p e l i n m itte ilt, w ird die G esch ä ftsleitu n g d er diesjäh rig en N atu rfo rsc h e r­

versam m lung in K assel dieser A n regung F o lg e geben.

Ganz u n ab h ä n g ig von dieser B ew egung h a t die v o rjäh rig e V ersam m lung d e r D e u t s c h e n G e o l o g i s c h e n G e s e l l s c h a f t au f A n tra g des H e rrn Geh. B e rg rats v. K o e n e n , P ro f.

d er G eologie in G ö ttin g en , den einstim m igen B eschluss gefasst, eine E in g ab e an alle K u ltu s­

m in isterien d e r d eutschen B u n d esstaaten zu rich ten , „dass au f den höheren und m ittleren L e h ra n sta lte n auch U n te rric h t in den E lem enten der G e o l o g i e e rte ilt w erde, n ic h t in solcher W eise, dass das G edächtnis dam it irg en d w ie erheblich b e la s te t w erde, sondern dass die A n­

schauung und B eo b ach tu n g dadurch g e k lä rt und g esch ärft, und eine A nzahl von B egriffen u n d B ezeichnungen des täg lich en L ebens v erstä n d lic h gem acht w e rd e .“ *) Das A usland, u n d u n te r den d eutschen S taaten W ü rtte m b e rg , B aden und Sachsen sind uns in dieser H in sich t schon v o r­

aus, und, w ie m ir H e rr v. K o e n e n vor ein ig en

*) V ergl. Zeitschr. d. Deutschen Geolog. Gesellschaft.

Bd. 54. 1902. Protokolle S. 137.

(4)

S. 96. Un t e r r i c h t s b l ä t t e r. Jahrg. IX. No. 5.

T agen p ersö n lich m itte ilte , haben einige andere B u n d e ssta a t en d er E in g ab e je tz t auch en tsp ro ch en .

B e k an n tlic h h a t d er in H am b u rg erlassene A u fru f auch in diesem K reise seinen W id e rh a ll g e fu n d e n , indem die v o rjä h rig e V ersam m lung in D ü sse ld o rf nach e in g eh en d er E rö rte ru n g fast einstim m ig „die D u rch fü h ru n g des biologischen U n te rric h ts d urch alle K lassen w enigstens der realistisch en h öheren S chulen f ü r n o tw e n d ig “ und „auch die V e rw irk lich u n g d ie se r F o rd e ru n g ohne B e e in trä c h tig u n g d e r ü b rig en Z w eige des ex a k tw issen sch aftlich en U n te rric h ts fü r m ö g lich “ e rk lä rt hat.*) D ieser B eschluss b ild e t die G ru n d ­ lag e u n serer heu tig en B esprechung.

D u rch g ü n stig e äussere U m stände h a t es sich erm öglichen lassen, dass an dem frü h ere n R ealgym nasium , d er je tz ig e n O b errealschule in B r e m e n , an d e r ich g e g e n w ä rtig s e it fa st 25 J a h re n u n te rric h te , ein er A n stalt, die im ü b rig en den preussischen L eh rp län en angeglichen ist, auch nach 1882 ein b io lo g isch er U n te rric h t b is in die O b e r s e k u n d a d u rch g efiih rt w ird.

Ic h habe ausserdem schon an an d e re r Stelle**) veröffentlicht, dass w ir infolge d er H am b u rg er T hesen s e it B eginn dieses J a h re s auch in d er P r i m a w ied er einen einsfjiindigen geologisch- p aläo n to lo g isch en K ursus e in g e ric h te t haben, d er schon frü h e r b estan d en h atte, a b e r dem Einflüsse d e r preu ssisch en L eh rp län e von 1882 zum O pfer gefallen w ar.

S om it d ü rfte unsere A n sta lt g e g e n w ä rtig die einzige sein, die d er a lte n T ra d itio n d e r R eal­

schule I. 0 , folgend einen n a tu rg esch ic h tlich en U n te rric h t d u rch alle K lassen b eib e h alten hat.

D a m ir nun schon v o r einem J a h re in D ü ssel­

d o rf von m ehreren S eiten d er W u n sch ausge­

sprochen w urde, zu b e ric h te n , in w elch er W eise m an diesen G eg en stan d in den oberen K lassen beh an d eln k an n , so b in ich h eu te d er lieb en s­

w ü rd ig en A ufforderung m einer g e e h rte n M it­

re d n e r gern g efo lg t, die F ra g e des biologischen U n te rric h ts an den n eu n k la ssig en R e a lan stalten zu besprechen. Ic h g laube allerd in g s, dass bei den vielen V orschlägen, die in d ie se r A n g eleg en ­ h e it g em ach t sind, auch die E in ric h tu n g e n Be­

a c h tu n g verdienen, die b e re its in d e r P rax is des U n te rric h ts e rp ro b t sind.

A u f d er D ü sseld o rfer V ersam m lung fü h rte b ek a n n tlic h schon die F ra g e , w as u n te r B i o l o g i e ü b e rh a u p t zu v ersteh en sei, zu ein er län g eren A u seinandersetzung, die ab e r n ic h t zu ein er b efrie d ig en d en K lä ru n g fü h rte. In z w isch en h a t sich auch H e rr Geh. R a t R e i n k e ü b er diese F ra g e ausgesprochen***); er w ill das W o r t „B io­

lo g ie “ n u r als zusam m enfassenden A u sd ru ck fü r

*) Unterrichtsblätter für Mathematik und Natur­

wissenschaften. Jahrg. V III. 1902. No. 6, S. 133.

**) Natur und Schule. Bd. II , S. 142.

***) .1. R e i n k e . Was heisst B iologie? Natur und Schule. Bd. I, S. 449 u. fg.

das ganze W issen sg eb iet g e lte n lassen, das die L eben sersch ein u n g en d er T iere und Pflanzen vom ein fach sten P ro to p lasm ak lü m p ch en bis zum M enschen au fw ärts um fasst. G egen diese A uf­

fassung lä s s t sich im G anzen n ic h ts einw enden, n u r is t n ic h t zu v erk e n n e n , dass auch d er engeren B ed eu tu n g des W o rte s, die R e i n k e b ek äm p ft, eine gew isse B e rech tig u n g n ic h t a b ­ zusprechen ist, insofern es auch fü r das grosse G eb iet d e r A n p a s s u n g s e r s c h e i n u n g e n g e b ra u c h t w i r d , die dem Z w e c k e d e r L e b e n s e r h a l t u n g dienen und fü r alles o r­

ganische G eschehen bezeichnend sind. D er B egriff der Z w e c k m ä s s i g k e i t ist, wie auch O s t w a l d * ) in sein er N a tu rp h ilo so p h ie an e r­

k e n n t, ein d er o rganischen N a tu r durchaus eigentüm licher, d er d er an o rg an isch en N a tu r n ic h t an g eh ö rt. W ir finden ih n in dem T rieb e alle r L ebew esen, n ic h t n u r das individuelle L eben zu erhalten, sondern auch die E rh a ltu n g des Stam m es zu sichern, in einem T riebe, d e r sich a u f die m an n ig faltig ste A rt in den E in ­ ric h tu n g e n d e r S elb ste rh a ltu n g und d er F o r t­

pflanzung zu erk en n en g ib t. E s is t n ic h t die A ufgabe d e r B iologie an die A n erk en n u n g dieser

„ Z w e ck m ässig k eit“ , od er m ag m an m it M o e b i u s von „ E rh a ltu n g sm ä ssig k e it“ od er m it K. E.

v. B a e r von „ Z ie ls tre b ig k e it“ reden, w e ite r­

gehende S p ek u latio n en zu k n ü p fen , dam it w ü rd e sie ih r G ebiet ü b e rsc h re ite n u n d in das d er M etap h y sik ü b e rg re ife n ; w ohl ab er w ird man zugeben, dass dieser G e sic h tsp u n k t g erad e das u n tersc h eid en d e M erkm al aller L ebensvorgänge von den V orgängen in d er leblosen N a tu r h erv o rh e b t. W ie eiu je d e r ohne w eiteres zugeben w ird, dass unsere H an d zum G reifen, d e r F lü g e l des V ogels zum F lie g e n z w e c k ­ m ä s s i g g e b a u t ist, dass gew isse F orm en d er B lü ten und B lu te n stä n d e d er B e stäu b u n g d urch den W in d , andere dem In sek ten b esu ch e z w e c k ­ m ä s s i g a n g e p a sst sind, so w en ig w ird m an in dem B au d e r M ineralien u n d G esteine, in dem p h y sik alisch en und chem ischen V erh alten d e r F lü ssig k e ite n u n d G ase eine S p u r von

„ Z w eck m ässig k eit“ od er „ Z ie lstre b ig k e it“ e n t­

decken. So e rk lä rt es sich, dass g erad e fü r diese zw eck en tsp rech en d en A n p assu n g sersch ei­

nungen d er B eg riff d e r B i o l o g i e i m e n g e r e n S i n n e in den S p rach g eb rau ch ein g ed ru n g en is t u n d sich aus m anchen W o rtv e rb in d u n g e n w ie „B lü ten b io lo g ie“ w ohl so bald n ic h t v er­

tre ib e n lassen w ird. W ü n sc h e n sw e rt is t es allerdings, diesen D oppelsinn zu verm eiden, und besondere A u sd rü ck e w ie etw a E t h o l o g i e fü r die A npassungen an die L eb en sg ew o h n h eiten d er T iere o d er Ö k o l o g i e fü r die A npass-

*) W . O s t w a l d , Vorlesungen über Naturphilo­

sophie. 1902. Vergl. namentlich die 15. Vorlesung S. 312 u. fg.: „Das L eben“ und die 16. Vorlesung S. 332 u. fg.: „Zwecke und M ittel der Lebeweseu.“

(5)

1903. No. 5. De r b i o l o g is c h e Un t e r r i c h t a n d e n n e u n k l a s s. Re a l a n s t a l t e n. S. 97,

u n g en d er P flanzen und T iere an ih re U m ­ g e b u n g zu verw enden.

D iese S o n d erstellu n g d e r organischen W e lt, in d er die N o tw e n d ig k e it eines f i n a l e n G e­

schehens neben d er k a u s a l e n N o tw e n d ig k eit b e s te h t* ), lä s s t ersten s erk en n en , w ie u n g e ­ r e c h tf e rtig t es ist, dieses ganze G eb iet von d er M itw irk u n g an dem W e rk e d er allgem einen B ild u n g g erad e a u f den oberen S tu fen u n serer S chulen auszuschliessen, w o das V erständnis f ü r F ra g e n von allgem einer B ed eu tu n g e rs t an­

f ä n g t; zw eitens ab er le u c h te t ein, dass der G e sic h tsp u n k t eines zw eckm ässigen Zusam m en- stim m ens von O rganisation und F u n k tio n m it R ü c k sic h t au f L ebensw eise und A u fe n th a lt oder, w enn es noch g e s ta tte t ist, so zu sagen, der b i o l o g i s c h e n B e t r a c h t u n g s w e i s e i m e n g e r e n S i n n e , sich w ie ein ro te r F a d en durch den U n te rric h t h in durchziehen muss, dass dieser G e sic h tsp u n k t w ie k ein a n d e re r g eeig n et ist, d u rch V e r k n ü p f u n g d e r T a t s a c h e n ein w irk lich es V e r s t ä n d n i s fü r die so m annig­

fa ltig en und so n d erb a ren G estaltu n g en der organischen N a tu r zu erw ecken.

T ro tz d ieser hohen B e d e u tu n g der A n­

passu n g sersch ein u n g en w ü rd e ich ab er doch n ic h t b e fü rw o rten , dieselben d ire k t als E i n t e i 1 u n g s - p r i n z i p zu verw enden. F ü r die V erteilu n g des U n terric h tssto ffes b ie te t jed en falls die M o r p h o l o g i e u n d S y s t e m a t i k des T ier- und P flanzenreiches die g e e ig n e tste G rundlage.

E in e Z usam m enstellung d e r F o rm en n ach ih re r A e h n lich k eit und V e rw a n d tsch aft b ie te t je d e n ­ falls die b e ste U e b e rsic h t ü b e r das G esam t­

g eb iet, zum al doch auch in vielen F ä llen die A eh n lich k eit d er G e s ta lt zusam m enfällt m it d er U e b erein stim m u n g in der L ebensw eise u n d in den L eb en sg ew o h n h eiten . **)

N ach diesen G ru n d sätzen hab en w ir an u n serer A n s ta lt den U n te rric h tssto ff in d er Z o o l o g i e in d er W eise v e rte ilt, dass in den K lassen S e x t a bis Q u a r t a die W i r b e l t i e r e zu r B esp rech u n g kom m en, in d er u n te rste n K lasse z u n ä ch st die R a u b t i e r e , an knüpfend an b e k a n n te H a u stie re w ie H u n d und K atze, die je d e r S c h ü ler h in reich en d G elegenheit h at, le b en d ig zu b e o b ach ten , und dann w e ite r g leic h ­ falls in A n k n ü p fu n g an b e k a n n te F orm en die H u f t i e r e und N a g e t i e r e . A us dem selben G runde m achen w ir u n te r den V ögeln den A nfang m it den aus dem täg lich e n L eben b e ­ k a n n te n H ü h n e r n und T a u b e n , u m mi t

*) Auch R e i n k e betont die Bedeutung der F i n a ­ l i t ä t neben der K a u s a l i t ä t i m Ablaufe aller Lebens­

vorgänge. V ergl. darüber die beiden W erke: „Die AVelt als T at“ und „Theoretische B iologie“ 1901.

**) An dieser Stelle möchte ich auch auf die sehr beachtenswerten Ausführungen von W o r g i t z k y hin- weisen, die er in dem Aufsatze „Blütenbiologie und System atik“ dargelegt hat. Natur und Schule. Bd. IT, H eft 1, 2 u. 3.

V erw ertu n g d e r h ier gew onnenen B egriffe in S ex ta und Q u in ta alle anderen an das L and- und L u ftleb en an g ep assten W irb e ltie re aus den K lassen d er S ä u g e t i e r e , V ö g e l und R e p ­ t i l i e n in g e eig n eten V e rtre te rn zu besprechen.

E inen besonderen eth o lo g isch en und ö k olo­

gischen G esic h tsp u n k t haben w ir in d e r Q u a r t a in den V o rd erg ru n d g e s te llt, indem w ir aus allen K lassen u n d O rdnungen d er W irb e ltie re die d urch ihre L ebensw eise an den A u fe n th a lt im od er a m W a s s e r gebundenen W irb e ltie re, die W ale u n d F lo ssen fü sser u n ter den Säugern, fe rn e r die Sum pf- und Schw im m vögel und neben den F isch en die A m phibien, also die Ic h th y o p - siden im Sinne H u x l e y s , dem P ensum dieser K lasse z u g e te ilt haben. U eb erall geben die B eziehungen d er F ä rb u n g und G e sta ltu n g zu dev U m gehung und d er L ebensw eise, in sb eso n ­ dere die U m form ung d er G liedm assen und des G ebisses die R ic h tsc h n u r fü r die B eschreibung u n d V ergleichung d er Form en.

In U n t e r - u n d O b e r t e r t i a lassen w ir dann den g rossen K reis d er G l i e d e r f ü s s l e r folgen, allen voran die K lasse der I n s e k t e n m it ih ren w ic h tig ste n O rdnungen, von denen die H a u tflü g le r, S c h m e tte rlin g e , F lieg en und auch m anche K ä fe r als V e rm ittle r d er B e­

stä u b u n g zu dem b otanischen P ensum in B e­

zieh u n g steh en . D aneben ab e r b ie te n gerade diese T iere das re ic h h a ltig ste biologische I n te r ­ esse, indem ihre F orm en sich in verschiedenen L eb e n sa lte rn v e r s c h i e d e n e n L ebensw eisen anbequem en, eine A npassung, die sich w ie auch b ei den A m phibien in d er m erk w ü rd ig en E r ­ schein u n g d er M e t a m o r p h o s e a u s s p ric h t;

w e ite r b rau ch e ich n u r zu erw ähnen die au f­

fallenden T atsach en d er S c h u t z f ä r b u n g und M i m i k r y , die in v erschiedenen O rdnungen der In se k te n die A n p assu n g sfäh ig k eit an die U m gebung in ein er auch fü r L aien geradezu verblüffenden D e u tlic h k e it vo r die A ugen fü h rt.

A uch die S ta aten - u n d G enossenschaftsbildungen m an ch er In se k te n nehm en das biologische I n te r ­ esse in hohem G rade in A nspruch.

In d er U n t e r s e k u n d a folgen die T ypen d e r W ti r m e r u n d M o l l u s k e n . Bei den e rs t­

g en an n ten tre te n w ohl die A npassungen an die p a r a s i t i s c h e L e b e n s w e i s e in den V order­

g ru n d , die in V erb in d u n g m it dem W irtsw ech sel o ft einen m ehrfachen G e n e r a t i o n s w e c h s e l z u r F o lg e haben. A uch k an n man in V erb in d ­ u n g m it d e r p a ra sitisch en L ebensw eise o ft eine g rosse V erein fach u n g d e r m orphologischen V er­

h ältn isse , gleichsam einen R ü c k s c h r i t t in d e r E n tw ic k e lu n g e in tre te n sehen, w ä h re n d die M ollusken ein B eispiel b ieten , w ie von den zu­

w eilen fe stsitzen d en F o rm en der k o p flo sen M uscheltiere u n d von den u nsym m etrisch g e ­ b a u te n langsam k riech en d en Schnecken bis zu den auch p sychisch h o ch steh en d en K ra k e n und

(6)

S. 98. Un t e b r i c h t s b l ä t t e r. Jahrg . IX. No. 5.

anderen K opffüsslern m it d er fo rtsc h re ite n d e n kö rp erlich en D ifferenzierung auch ein m e rk ­ lich er F o r t s c h r i t t in d er ganzen L eb e n s­

w eise zu b eobachten ist. Dass in allen diesen T ypen neben den biologischen A npassu n g en und V eränderungen auch der bleibende, den K reis k en n zeichnende m orphologische G ru n d riss h e rv o rtritt, is t selb stv erstän d lich .

In d er O b e r s e k u n d a endlich finden die einfachsten T ypen ih re n P la tz , die E c h i n o - d e r m e n , C o e l e n t e r a t e n u n d P r o t o z o e n . A n ihnen lä sst sich w ohl am d eu tlich sten k lar m achen, w elche B ed eu tu n g d er D ifferenzierung und A rb e itste ilu n g fü r den F o r ts c h r itt in d er E n tw ic k e lu n g zukom m t, ein G esic h tsp u n k t, d er j a auch fü r die m enschliche G esellsch aftso rd ­

n u n g Geltung- h a t. Schon bei den einzelligen I n f u s o r i e n w ird ein F o r ts c h r itt in der B e­

w eg u n g sfä h ig k e it d ad u rch erzielt, dass die äu ssere S c h ic h t des P ro to p lasm as sich in eine schützende H a u t v e rw a n d e lt; au f ih r finden W im p erh aare P la tz , die durch schw in g en d e B e ­ w egungen sow ohl fü r die g ew an d te F o r tb e ­ w eg u n g des K örpers w ie au ch fü r das H e ra n ­ stru d e ln von N a h ru n g steilc h en g e e ig n e t sind, w äh ren d die w andungslosen A m o e b e n sich n u r langsam k rie c h e n d fo rtb e w e g e n ; ih re n ic h t differenzierte O berfläche m uss j a n ic h t allein d er B ew eg u n g und W ah rn e h m u n g , sondern auch d er A ufnahm e und A usscheidung der N a h ru n g s­

stoffe w ie d er A tm u n g sg ase dienen.

U n te r den m ehrzelligen W esen erregen zu ­ n ä c h st die G o e l e n t e r a t e n durch eine A rb e its­

te ilu n g in d o p p e lte r H in sic h t u n se r In teresse, einm al fü h r t die D ifferenzierung d er Z ellen zu der A u sb ild u n g einer in n eren und äusseren Z ellen sch ieh t, die ih re r L ag e e n tsp rech e n d e n t­

w e d e r der E rn ä h ru n g oder dem Schutze des Z ellen staates d ien t, dann ab er hab en w ir u n te r den Schw äm m en, P o ly p en und A k tin ie n die w u n d erb are A u sb ild u n g von T ierstö ck e n , von In d iv id u en h ö h e re r O rdnung, in denen die E in z e ltie re zu O rganen des G anzen w erden, eine D ifferenzierung, die h e i den S ip h onophoren ih ren h ö ch ste n G rad erreicht. M it fo rtsc h re ite n ­ d er D ifferenzierung der O rgane ste ig en w ir au f zu den E c h i n o d e r m e n m it ihrem e ig en artig en B ew eg u n g sa p p arat. H ie r finden w ir z u e rst die A u sb ild u n g ein er L eibeshöhle, die zu r A ufnahm e d e r E in g ew eid e, in sb eso n d ere des fü r alle h ö h e­

re n T iere so w ic h tig e n D rü se n ap p arates dient, ebenso finden w ir liier den U eb erg an g von d e r stra h lig e n zu d e r seitlich sym m etrischen K örperform , die allen höh eren T ierform en e ig en ­ tü m lic h ist. D och es w ürde zu w e it führen, n äh e r a u f die T a tsach e n und G e sic h tsp u n k te einzugehen, die im In te re sse d e r allgem einen B ild u n g h ie r v e rw e rte t w erden können.

W ir w enden uns zu d e r B esp rech u n g des m e n s c h l i c h e n K ö r p e r s , die wi r a u f die

U n t e r - und O b e r s e k u n d a v e rte ilt haben, w eil in diesen K lassen, in denen die S chüler b ere its einige p h y sik alisch e u n d chem ische K en n tn isse b e s itz e n , ein besseres V erstän d n is fü r die p h y s i o l o g i s c h e n V orgänge zu e r­

w a rte n ist, als a u f den frü h eren S tufen. In d er U n t e r s e k u n d a b ehandeln w ir n ach einer allgem einen B esp rech u n g d er G lied eru n g des K örpers an d er H an d des K nochenbaus die v e g e t a t i v e n O rgane, also die O rgane der V erdauung, des B lu tlau fs, d e r A tm u n g und der A usscheidung, w ä h re n d w ir den a n i m a l i s c h e n A p p a ra t, die O rgane d er w illk ü rlich en B ew egung und E m pfindung, also K nochen und B änder, die M uskeln, S in n eso rg an e u n d die nervösen Z e n tralo rg a n e, insb eso n d ere R ü ck en m ark und G ehirn als den sch w ierig eren T eil d er O b e r - S e k u n d a zugew iesen haben. E s w äre nach m einer U eb erzeu g u n g fü r die Z w ecke des U n te r­

ric h ts ganz v e rfe h lt, die A natom ie von der P h y sio lo g ie zu tre n n en . W ie bei B esp rech u n g der Z ähne n ic h t n u r ih r B au, so n d ern auch ih r Z w eck und ih re L e istu n g e r lä u te r t w ird, so m uss auch bei der E rk lä ru n g d er S p eich eld rü sen die F ä h ig k e it des von ihnen ab g eso n d erten F erm en ts, des P ty a lin s, S tä rk em eh l in D ex trin u n d Z u ck er um zuw andeln, d urch V ersuche d a r­

g e le g t w erden, u n d ebenso bei B esp rech u n g des M agens die W irk u n g des sa u re n Blagen­

saftes, das A ufquellen von E iw eiss in v e rd ü n n te r S alzsäure bei K ö rp e rte m p e ra tu r und die U m ­ w a n d lu n g dieses P ro d u k te s d urch P e p sin lö su n g in lösliches P e p to n , w ie m an auch die V er­

d au u n g d er m it W a sse r n ic h t m ischbaren F e tte d urch das H erv o rru fen einer E m ulsion au f Z u ­ satz von N a tro n la u g e d em o n strieren kann. E b e n ­ so w enig d a rf m an versäum en bei B esp rech u n g d er A tm u n g die U m w andlung des d u n k e lro te n B lu tes in hellro tes d u rch E in leiten von S a u e r­

sto ff oder a tm o sp h ärisch er L u f t und die U m ­ k e h ru n g d u rch E in le ite n von K o h len säu re, das A ufquellen u n d die Z e rstö ru n g d er B lu tk ö rp e r­

chen d urch Z u satz von W a sse r zu r A nsch au u n g zu bringen. In äh n lic h e r W eise w erden auch die ü b rig e n O rgansystem e beh an d elt. S o w eit es die zugem essene Z e it und das v o rh an d en e A n­

sc h a u u n g sm aterial e rla u b t, m uss auch eine V er­

g leich u n g d er m enschlichen O rgane m it denen a n d e re r W irb e ltie re G eleg en h eit g e b e n , die V o rstellu n g zu b e fe stig e n , dass alle O rgane in ihrem B au d er besonderen L ebensw eise des T ieres en tsp rech en , und zu v ersteh en , in w elch er W eise diese A n p assu n g den allgem einen B au p lan m odi­

fiziert. D er an th ro p o lo g isch e U n te rric h t b ie te t so auch eine w ertv o lle E rg än zu n g d er in den u n te re n K lassen abgeschlossenen Z oologie d er W irb e ltie re .

Von b eso n d erer B ed e u tu n g is t n a tü rlic h die B e h an d lu n g d er Z e n tra lo rg a n e unseres N e rv en ­ system s. W e it e n tfe rn t, zu ein er m ateriali-

(7)

1903. No. 5. D i s k u s s i o n ü b e r d e n e x a k t w i s s e n s c h a f t l i c h e n Un t e r r i c h t. S. 99.

stisclien A uffassung zu v e rle ite n , t r i t t uns an dieser S telle die U n m ö g l i c h k e i t entgegen, d i e E r s c h e i n u n g e n d e s S e e l e n l e b e n s , i n s b e s o n d e r e d i e T a t s a c h e n d e s B e ­ w u s s t s e i n s a u s r e i n m e c h a n i s c h e n o d e r c h e m i s c h e n E n e r g i e n z u e r ­ k l ä r e n . W ie w e it m an a u f diesem G ebiete in die E in z elh eiten e in g e h t, w ird se lb stv e r­

stä n d lic h sow ohl von dem L e h re r w ie von d er je w e ilig e n F a s s u n g s k ra ft d e r K lasse abhängen.

Ic h k an n n u r sagen, dass ich z. B. fü r die U n tersch eid u n g d e r in d er g rau e n H irn rin d e lo­

k a lisie rte n B ew u sstsein sv o rg än g e von den Reflex­

ersch ein u n g en und den von u n te rg e o rd n e ten N erv en zen tren au sg elö sten au to m atisch en B e­

w egungen bei den O b ersek u n d an ern grosses In te re sse u n d auch ein au sreichendes V erstän d ­ nis gefunden habe, w enn auch die W ied e rg ab e in W o rte n o ft au f S ch w ie rig k e ite n stö sst. A uf ein er h öheren S tu fe w ü rd e m an se lb stv e rstä n d ­ lich a u f eine tiefere A u ffassu n g rech n en können.

A uch a u f das G eb iet d er S in n estäu sch u n g en bin ich w ohl im In te re sse ein er ric h tig e n W ü r­

d ig u n g des n eu erd in g s w ied er au fta u ch en d en s p iritistisc h e n S p u k s g ele g e n tlic h eingegangen.

A b er abgesehen davon g ib t d ieser a n th ro ­ pologische K u rsu s in a l l e n seinen T eilen G eleg en h eit zu h y g i e n i s c h e n B elehrungen, von d e r B esp rech u n g d er N ah ru n g s- und G enuss­

m itte l an, die auch G eleg e n h eit b ie te t, au f die w ic h tig e A lk o h o lfrag e einzugehen, bis zu r B e­

sp re c h u n g d er S innesorgane u n d d e r H ygiene des N ervensystem s, B eleh ru n g en , die a llerdings n u r dann von dauerndem W e rte sein w erden, w enn sie n ic h t n u r a u f th e o retisc h e M itteilungen, sondern so w eit w ie m öglich a u f A nschauung u n d p ra k tisc h e U n terw eisu n g , n a m en tlich a b er a u f ein w irk lic h es V erstä n d n is von dem B au u n d den L e istu n g e n u n se re r O rgane g e g rü n d e t sind.

D ass Z o o l o g i e und A n t h r o p o l o g i e einen re ic h lic h e n , j a ü b erreich en S toff des W isse n sw e rte n auch fü r den S c h u lu n te rric h t b ie te n , w ird w ohl allgem ein zu g estan d en . W e n ig e r allgem ein sc h ein t dies fü r die B o t a n i k zuzutreffen. Ic h las noch v o r kurzem einen A rtik e l in „ N a tu r u n d S ch u le“, d e r d a ra u f h in ­ w eist, dass die Zoologie den biologischen S toff reich lich er, b eq u em er u n d fasslich er lie fe rt als die B o tan ik . E rste re s is t zuzugeben. B ei dem P eh le n des psychischen G ebietes und dem A us­

fall d e r anim alischen L e b e n stä tig k e ite n und O rgane ü b e rh a u p t t r i t t h ier eine B e sch rän k u n g ein a u f das G eb iet des v eg etativ en L ebens, d er E rn ä h ru n g u n d F o rtp fla n zu n g . D a a b e r das le tz te re in d e r Zoologie aus naheliegenden G ründen n ic h t in d e r A u sfü h rlic h k e it zum G eg en stän d e des S c h u lu n te rric h ts g em ach t w erd en k ann, w ie a u f dem d e r B o tan ik , so b ie te t es h ie r einen w e rtv o llen E rsa tz , und zw ar

: um so m ehr, als in dem gro ssen K reise der

! P h a n e r o g a m e n g erad e die E ortp flan zu n g s- organe, die B lü te n , B lü ten stän d e u n d F rü c h te , die am m eisten in die A ugen fallenden O rgane sind und auch fü r die E i n t e i l u n g au sg ieb ig v e rw a n d t w erden. N ic h t n u r die B l ü t e n - b i o 1 o g i e , sondern auch das g ro sse K a p itel von den V e r b r e i t u n g s m i t t e l n d e r F r ü c h t e u n d S a m e n , dann a u f ö k olo­

gischem G ebiete die S c h u t z m i t t e l d e r Pflanzen g eg en überm ässige V e r d u n s t u n g , die E in ­ ric h tu n g e n d e r k l e t t e r n d e n G ew ächse, um das L i c h t zu erreich en , ab e r auch die S c h u tz m itte l an d erer Pflanzen geg en ü b e r m ä s s i g e B e - s o i i n u n g , die S c h u tz m itte l gegen T i e r f r a s s , die F an g - u n d V erdauungsorgane der i n s e k t e n ­ f r e s s e n d e n Pflanzen u. dergl,, b ie te t ein so w eites und auch bequem zu v erw erten d es G e­

b iet, dass ich ü b er T eiln ah m lo sig k eit auch in den u n te ren K lassen keine besondere K lage fü h ren kann. E in n ic h t zu u n te rsc h ä tz en d e r V orteil is t es hier, dass au ch das A n sch au u n g s­

m aterial in d er R egel re ich lich e r fü r jed en einzelnen S ch ü le r zu r V erfügung ste h t, als in d e r Zoologie. A uch B eobach tu n g sau fg ab en im F reie n , sow ohl a u f gem ein sch aftlich en A usflügen, als auch, w enn m an die S ch ü ler v eran lasst, ü b e r bestim m te F ra g e n a u f ih ren S p a zierg än g en B eo b ach tu n g en an zu stellen und darü b er zu b e ­ ric h te n , kö n n en in w irk sam er W eise zu r B e­

le b u n g des In te re sse s v e rw e rte t w erden. Ich k an n n u r die schon von H e r r n . M ü l l e r ge­

m ach te E rfa h ru n g b e s tä tig e n , dass b e isp iels­

w eise d u rch dieses A ufsuchen u n d F in d e n von W e chselbeziehungen zw ischen B lum en u n d I n ­ se k te n die b o tan isch en S tu n d en zu den a n ­ re g e n d ste n U n te rric h tsstu n d e n g e m ach t w erd en können, u n d dass d ad u rch auch ein b eleb en d er E influss a u f den entom ologischen U n te rric h t z u rü c k g e ü b t w ird. *) (Schluss fo lg t.) D isk u ssio n über die S te llu n g der Schulreform zum

e x a k tw issen sc h a ftlich en U nterricht auf der Hauptversammlung zu Breslau**).

In der an den P i e t z k erseh en Vortrag***) an- knüpfenden Diskussion ergriff zunächst der Rektor der Universität. Geh. .Tustizrat Prof. Dr. L e o n h a r d das Wort, der in längerer Rede ausführte, er sei ein Freund der Vereinsbestrebungen, müsse aber vor Uebcrgrifl'en auf andere Gebiete warnen. E r unternehme cs seiner­

seits nicht, über die Bedürfnisse des mathematischen Unterrichts zu urteilen, könne aber auch umgekehrt eine Kompetenz des Mathematikers zum U rteil über die juristische Vorbildung nicht anerkennen. A uf Grand seiner Sachkenntnis müsse er jedenfalls im Gegensatz zu dem Vortragenden daran festhalten, dass für den jungen Juristen die Kenntnis des Lateins

*) H. M ü l l e r , D ie Hypothese in der Schule und der naturgoschichtliche U nterricht an der Realschule zu Lippstadt. 1879. S. 21.

**) S . U n t.- B l. I X , 3, S . GO.

***) S . U n t.-B l. I X , 4, S . 69—78.

(8)

S. 100. Un t e r r i c h t s b l ä t t e r. Jahrg . IX . No. 5.

unentbehrlich sei, erstens, w eil es die technische B e­

rufssprache bilde, zweitens w eil die Formen der Gesetz­

anwendungskunst und drittens der R echtsinhalt sich in steter Anlehnung an römische Quollen ausgebildet'haben und der Entwickelungsgedanke für alle Geisteswissen­

schaften uns nötige, auf die Ueberlieferungen der V er­

gangenheit zuriiekzugehen, deren Urkunden selbst auf dem Gebiete rein deutscher Rechtsbildungen zum grossen Teil in lateinischer Sprache geschrieben seien.

D ie Ausbildung der Juristen müsse stets einen ge­

schichtlichen Charakter tragen.

D e r V o r t r a g e n d e erkannte das M issliche an, das ein U rteil über die Fachvorbildung in einem fremden Fache, wie er C3 über die juristische Ausbildung aus­

gesprochen habe, m it sich bringe. Er wolle indessen I bemerken, dass ihm eine ganze R eihe von praktischen Juristen bekannt sei, die die von ihm vertretene A n­

sicht teilten. U ebrigens seien die Schulmänner ge­

wöhnt, dass über ihre Angelegenheiten von nicht fach­

männischer Seite viel geurteilt werde, ja dass geradezu die Entscheidung über ihre Verhältnisse au nicht fach­

männisch gebildete Instanzen gewiesen sei. In seinem Vortrage habe er nur.betonen wollen, dass neben dem gymnasialen Bildungswege auch noch andere W ege möglich und zulässig seien, von denen übrigens keiner einen Ungeschicktlichen Charakter tragen würde. Von weiteren. Ausführungen sehe er m it R ücksicht darauf ab, dass der Gegenstand für den Hauptinhalt seines Vor­

trages verhältnissmässig geringe Bedeutung habe.

V o g t (Breslau): Ich bin dem verehrten Herrn Vorsitzenden unseres Vereins zw grossem Danke ver­

pflichtet für die ehrenvolle und anerkennende W eise, m it der er meines Aufsatzes in den Neuen Jahrbüchern Erwähnung getan hat. Mehr noch danke ich ihm für das sachliche Eingehen auf die Punkte, in denen seine A ufltssung von der meinigen abweicht. Meine A rbeit hat das eigene Schicksal gehabt, von Gesinnungsgenossen und durch sie Ueberzeugten viel gelobt und zitiert zu werden; die Gegner aber haben sich einen T eil meiner Ausführungen zu eigen gemacht, als ob ich ganz Selbst­

verständliches gesagt hätte; für das, was sie in ihrem System gar nicht unterbringen konnten, haben sie die bequemste und unter Umständen sicherste A rt der W iderlegung gew ählt: nämlich das Totschweigen.

W eder von Frankfurt aus noch von Cassel hin ich m it irgend einer öffentlichen oder privaten Erwähnung oder W iderlegung beehrt worden.

Ich möchte zunächst zu der Behauptung, in welcher Herr K ollege P i e t z k e r mir zustimmt, nämlich dass nach dem Frankfurter Lehrplan die Mathematik g e ­ schädigt werden muss, einige W orte hinzufügen; die Versicherung des Herrn Geheimrats D ir. Dr. R e i n ­ h a r d t , dass die Leistungen in Mathematik in Frank­

furt nicht gesunken sind, braucht man nicht anzu­

zweifeln. Das persönliche M oment ist in der Lehr­

tätigkeit so gross, dass eine geringere Stundenzahl und schlechtere Stoffverteilung sehr wohl durch hervor­

ragend tüchtige Lehrer w ettgem acht werden kann;

können doch unter unfähigen Lehrern trotz reichlich bemessener Stundenzahl die Leistungen ganz dürftig sein, und umgekehrt frühere Verbummelung einer K lasse ohne Mehraufwand von Stunden durch Energie und Geschick ausgeglichen werden. Aber nicht darauf kommt es an, was unter günstigen Umständen ge­

schehen kann, sondern was die Logik der Tatsachen m it sich bringt und was vom Durchschnitt zu erwarten ist;

und hierin stehe ich fest auf dem R esultat meiner

Untersuchung: R ückt man einmal den Schwerpunkt der alten Sprachen in die oberen Klassen, so müssen die Realien weichen, der Frankfurter Lehrplan streicht ein volles Halbjahr vom mathematischen Unterricht, folglich müssen im a l l g e m e i n e n die Leistungen sinken; 3 ist eben nicht 4.

Für meine Abschätzung der Stellung der Mathe­

matik im Frankfurter Lehrplan habe ich kürzlich in Herrn Direktor S c h o t t e n einen sehr wertvollen Eides- helfcr gefunden. Im letzteren H efte seiner Zeitschrift weist Herr Direktor S c h o t t e n an der Hand einer von Herrn Oberlehrer S p r i n g m a n n - Stettin aufge­

stellten V ergleichung nach, dass die Mehrstunden für Mathematik in d e r O b e r r e a l s c h u l e , verglichen m it den Pensen und den Stunden des Gymnasiums, nur knapp, in manchen Klassen auch nicht ausreichen, das erwei­

terte Pensum zu bewältigen und zum geistigen Eigentum der Schüler zu machen. Der Frankfurter Plan aber hat statt der 5 Stunden der Oberroalscliule in den Tertien 4, von da an nur 3 Wochenstunden; trotzdem konkurriert er im Ansatz seiner Pensen für die M ittelklassen m it der Oberroalscliule!

Herr K ollege P i e t z k e r hat als eine von mir auf­

gestellte Ansicht bekämpft, dass das Französische in den Unterklassen des Reformgymnasiums eine schlechtere Vorbereitung für die Blathematik sei, als das Lateinische im alten Gymnasium. Ich habe mich in meiner A rbeit grundsätzlich auf Argumente beschränkt, die ich aus meiner engsten Erfahrung als Blathematiklehrer am Gym­

nasium schöpfen konnte. In der einen Frage der Stellung der Blathematik in Quarta zwangen mich die Versicherun­

gen des Frankfurter Programms von 1898 über die be­

deutenden Leistungen in dieser Klasse, die m it meinen eigenen Erfahrungen gar nicht stimmten, alle überhaupt erreichbaren Argumente, also auch die im Sprachunter­

richt liegenden, heranzuziehen; ich musste eben alle B lögliehkeiten erschöpfen. Ich habe dies mit der grössten Vorsicht getan und habe mich in diesem A b ­ schnitt nicht assertorisch, sondern nur hypothetisch aus­

gedrückt. Der Schlusssatz dieser Ausführungen la u te t:

„Komme ich so im letzten Punkt trotz aller Blühe über Blögliehkeiten nicht hinaus, so stehen auf der anderen Seite doch auch nur Einzelbcobachtungen und nicht berechtigte Verallgemeinerungen. V ielleicht führt ein umfassendes Probieren und Diskutieren zu einer exakten Antwort auf die Frage, ob der veränderte Sprachunter­

richt im Reformgymnasium für die Blathematik förder­

lich, hinderlich oder indifferent ist; vielleicht auch nicht. Ich behaupte nicht mehr, als dass vorläufig in der Abschätzung des Lelirwertes und der Lehraufgabe der Mathematikstunden in den mittleren Klassen des Reformgymnasiums dieses M oment als unberechenbar und strittig anzusehen ist.“

Ich denke, hiernach ist es klar, Herr K ollege P i e t z k e r hat, wie vor ihm H err Direktor AYe t e - k a r n p in der Zeitschrift für Schulreform, eine Be­

hauptung w iderlegt, die ich nicht aufgestellt habe.

Seine positive Geringschätzung der Vorbildung durch das Lateinische nötigt mich aber leider auch jetzt diesen mir fremden und überhaupt unsicheren Boden zu betreten. A ber auch jetzt stelle ich keine Behauptung auf, sondern die Frage: W enn das Lateinische keine gute Vorbildung gib t; woher nimmt der Herr K ollege das Recht, vom Französischen eine bessere zu erwarten? Das Lateinische besitzt eine alte, durchgebildete Blethodik; im H eere der Neusprachler tobt ein erbitterter Kam pf um dieB Ietliode; jeder neu

(9)

1 9 0 3 . N o . 5 . Di s k u s s i o n ü b e r d e n e x a k t w i s s e n s c h a f t l i c h e n Un t e r r i c h t. S . 1 0 1 .

cintretende Lehrer muss seine Stellung zur Methode sich selbst erkäm pfen; ich habe kritische, an sich selbst arbeitende Lehrer, nicht mehr Anfänger, an ihrer M ethode irre werden und sie wechseln seh en ; zwischen zuviel Sprachübung oder zuviel Grammatik den richtigen M ittelweg zu finden, das ist das vorläufig noch nicht befriedigend gelöste R ätsel. Auch bei Revisionen pflegt gerade diese Unsicherheit m it den daraus hervorgehenden Missgriffen zur Sprache zu kommen.

Zu meiner Freude hat H err K ollege P i e t z k e r das in Cassel vorgeschlagene Rettungsm ittel für die Mathematik im Reformgymnasium abgelelmt, nämlich den alten Sprachen zu nehmen, was man braucht. Es ist in der T at eine merkwürdige Begründung: wenn man die alten Sprachen von 104 auf 83 AYochenstunden reduziert habe und die Begeisterung und Kunst der Altphilologen imstande sei, diesen Verlust auszugleichen, so werde dieselbe sich aufs kräftigste bewähren, wenn man eine weitere Kürzung der Stundenzahl ein treten lasse.

Aber auch m it seinem eigenen Vorschläge, der Gabelung der oberen Klassen nach realen und sprach­

lichen Fächern, kann ich mich nicht befreunden.

Herr K ollege P i e t z k e r hat vorhin in seiner Er­

widerung der Begrüssung durch den Herrn Rektor der Universität darauf hingewiesen, dass auch wir in der Schule eine Universitas, allgemeine Bildung anstreben.

Wo bleibt diese Universitas, das höchste und schönste Ziel des humanistischen Gymnasiums, wenn wir die oberen Klassen nach Fächern scheiden und die A ll­

gemeinbildung zu Gunsten der Berufsbildung opfern ? W ohl gibt es eine berechtigte Gabelung unserer ■- höheren Schulen. Der Kaiserliche Erlass hat für die Gleichberechtigung der realistischen und der humanisti­

schen Schulen den Boden geebnet und jeder Schule die Pflege ihrer E igenart zum R echt und zur Pflicht gemacht. Warum soll nun dem einen dieser Zweige | das Entfalten einer kräftigen Eigenart unmöglich ge- j macht und eine seiner Idee fremde Trennung aufgenötigt ! werden? Vor dem Jahre 1901 war es verständlich, wenn die um L icht und L uft ringenden Realanstalten : nicht nur das Monopolrecht des humanistischen Gymna- j siums,sondern zuweilen auch seinLebensrecht bekämpften, j

H eut ist die volle Freiheit zu gewährleisten, dass die­

jenigen, welche an die Bildungskraft der alten Sprachen glauben, und das sind nicht wenige, ihre Kinder in einem humanistischen Gymnasium diesem Ideal entsprechend erziehen lassen, die aber, welche die anderen Erziohungs- elementc höher schätzen, ihre B efriedigung in den Rcal- nnstaltcn finden können.

Auch wir als Lehrer der Mathematik und der Naturwissenschaften sind nicht zu der A nsicht ver­

pflichtet, es könne gar nicht genug in Mathematik und Naturwissenschaft unterrichtet und den Sprachen gar nicht genug Stunden und Seelen abspenstig gemacht werden. Ich persönlich gehöre meiner ganzen Bildung und Denkart nach an das humanistische Gymnasium, wo mein Fach nicht die erste R olle spielt, sondern nur als Gegengewicht und A usgleich gegen die E inseitig­

keit einer ausschliesslich humanistischen Erziehung seine nicht entscheidende, aber doch w ichtige Stelle hat. Wer anders denkt, mag seine Tätigkeit lieber auf dem Realgymnasium oder auf der Oberrealscliulo suchen. Keinesfalls haben wir Mathematiker heute noch einen Grund, weder vom allgemeinen noch vom persönlichen Gesichtspunkt aus, die Eigenart der Schulen zu Gunsten unserer Fächer zu verwischen. 1

| Speziell das Reformgymnasium ist ins Leben getreten, : mit dem ganz bestimmten Versprechen, die Lehrziele j des alten Gymnasiums festzuhalten. Das wurde betont i in dei' Eingabe, die seinerzeit der Verein für Schulre­

form an den preussischen Kultusminister richtete, ferner j in allen Acusserungen des Goethe-Gymnasiums, ebenso

j bei Gründung des Reform-Friedrichs-Gymnasiums und

j der Reformschule, die in diesem Hause ihren Sitz hat.

j A lle diese übereinstimmenden Erklärungen sind dem

j Publikum gegenüber eine Verpflichtung, ein Vertrag,

j D ie Eltern haben das Recht, von dem Reformgymnasium j die ihnen so oft versprochenen Leistungen des alten

Gymnasiums zu fordern.

W as soll geschehen, wenn dieses Festhalten der Ziele sich als unmöglich erweist? Die erste Pflicht ist volle O ffenheit; cs nützt nichts, sich zwischen vier Wänden die aufgestiegenen Bedenken zuzuraunen. Es muss H ilfe geschafft, oder die U nm öglichkeit der H ilfe eingestandeu werden. D ie in Kassel versammelten Leiter und Freunde der Reformschulen haben die zu­

tage getretenen M ängel nur als Schönheitsfehler betrach­

tet, die man beseitigen werde, oder auch nicht. Ich stehe auf einem anderen Standpunkt: Wenn auf dem R eformwege die Eigenart des Gymnasiums nicht zu er­

halten ist, wenn entweder die Realien, insbesondere die Mathematik, oder die alten Sprachen geschwächt werden müssen, oder eine Gabelung die R ettung sein soll, oder, was aupli vorgeschlagen worden ist, Vermehrung der Gesamtstundenzahl und Mehrbelastung der Schüler, die sicher nicht lange ertragen werden würde, dann wird man erwägen müssen, ob die durch Einrichtung des Reformgymnasiums gewonnenen Vorteile den gezahlten Preis wert sind. Man wird sich erinnern, dass das Reformgymnasium ein Versuch und dass Reform nicht Selbstzweck ist.

R i c h t e r (Breslau) w eistau f die an seiner Schule, die eine Reform-Doppelanstalt ist, gemachten Erfahrungen hin. Ohne dem endgiltigen U rteil vorzugreifen, das erst nach der zu Ostern 1904 abzuhaltenden ersten R eifeprüfung gefällt werden könne, wolle er doch be­

tonen, dass er einen Unterschied zwischen den mathe­

matischen Leistungen der Lateinsehüler und denen der anderen Schüler nicht bemerkt habe ; die Stundenzahl am Reformgymnasium auf die gewünschte Höhe zu bringen, sei ihm zwar nicht gelungen, aber in seiner Realabteilung habe (worauf übrigens auch der Vortragende bereits hingewiesen hatte) der mathematische Unterricht dieselbe Stundenzahl wie am alten Realgymnasium.

S c h o t t e n (Halle) bedauert die geringen Erfolge, die die Reformschulen aufzuweisen haben, er führt diese auf die zu grosso M annigfaltigkeit des Reform- schullehrplanes zurück, die notwendig zur Verflachung führen müsse. Darum sei ihm auch der P ie t z k e r s c h e V orschlag einer Stoffbeschränkung durchaus sympathisch, nur möchte er für Beibehaltung der Kombinatorik eintre- ten,der er einen allgemeinen Bildungswert zuspreche. Für den Sprachunterricht komme es weniger auf die Art der Sprache, als auf die A rt des B etriebes an, wobei er vor einer zu weitgehenden Zurückdrängung der Grammatik warnen möchte. Hinsichtlich der Frage, ob der praktische Jurist des Lateins bedürfe, stehe er auf dem Standpunkte des Vortragenden, die Berufung auf den Umstand, dass viele alte Urkunden lateinisch abgefasst seien, könne er nicht gelten lassen, weit häufiger kämen dem modernen Juristen Schriftstücke zu Gesicht, die in einer modernen, ihm nicht geläufigen Fremdsprache verfasst seien ; wie er da sich de3 Ueber-

Cytaty

Powiązane dokumenty

wickelung der Verhältnisse auf die D auer doch mehr und m ehr in die m ir als richtig erscheinende Bahn hineingedrängt werden wird.. dass dieser Beitrag nicht ganz

stiel“ ( K i r c h h o f f), m ittelst deren das Kartenbild durch wiederholtes Zeichnen eingeprägt werden sollte, müssen endlich verlassen werden. Und nicht allein

1 bedeutet: Eine Zirkelspitze (die nichtsclireibende!) ist unter Beibehaltung der Zirkelöffnung auf einen beliebigen Punkt einer vorher gezeichneten Linie

stelligkeit und Geschicklichkeit und besonders die scharfe Beobachtungsgabe, sowie eine klare Darstellungsweise bei der Zusammenstellung der Note ausreichend

langen, dass die Druckverflüssigung keine notwendige Voraussetzung der Regelation ist. B ei der Firn- und Gletscherbildung aus den immer höher getürmten Schneemassen

Dass von p' aus zwei Tangenten an eine K egelspur gezogen werden können, b ringt die bekannte T hatsache zum Ausdruck, dass es auch auf dem schiefen

[r]

führbar sei... Dabei befinde ich mich im Gegensatz zu den Herren , die gerade das Schwierige in der M athematik nicht entfernen m ögen, die von einem formalen