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Die Zukunft, 23. März, Bd. 34.

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Academic year: 2022

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Verlin, den 23.März 1901.

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Stumm.

HeuMonaten warKarlFerdinand FreiherrvonStummein·verlorener

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Mann. LängstwußteIeder,desstämmigenSechzigersTage seienge- zähltunderwerdedenReichstagssaal nicht mehrbetreten. Dennochwirkte dieNachrichtvonseinemTode mit derWuchteines unerwarteten Ereignisses.

Allenfehlter; denFreundenkannihndasmüdeScheltendesHerrnvon Kardorff nicht ersetzenunddieFeinde suchenihren PfeilenundSchleudern vergebensnun einragendesZiel.Bei derBerathungdesneuen Zolltarifes wirdman ihnvermissen,derinseinerEigenschaftalsGroßindustriellerund GroßgrundbesitzerübermanchenInteressengegensatzhinwegzuhelfenver- mochte,undjedeSozialistendebattewird unsein Echoseiner zornigenRede bringen.In fastallenFragen derWirthschaftund dessozialenRechteswar erdereigentlicheFührerderkonservativenParteien;undtrotzdemseinReich imäußerstenWesten lagundfeinweitüberwiegendesInteresseandie Ent- wickelungderGroßindustriegekettetwar,wurdeerselbstvondenwildesten Agrariern Ostelbiens nicht gehaßt.UnterlauenLaodicäernwächstdiesug- gestiveMachteinerstarkenPersönlichkeitUndeinesolchePersönlichkeitwar Stumm. Erwußtestets,waseriwollte,undauchdie Anderenkanntenihn alseinenfest bestimmten«inseinemWerthunwandelbaren Faktor,mit dem man rechnenkonnte. SeinWillewar vonGewissensbedenkennichtange- kränkelt;auchvonehrfürchtigenGefühlennicht«ErhattealsIndustrie- lapitän Großes geschaffen,dasvomVaterererbteEisenwerlinNeunkirchen aufeinefrüher ungeahnteHöhegebracht,derhalbergerundderdillinger

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488 Die Zukunft.

HütteRieseneinnahmen gesichert,einArbeiterheergutversorgt: sollteerda vor irgendeinerExcellenzzittern,dienochgestern vielleichtmitdevotem DankseinenMaximin Grünhäusergeschlürfthatte?Wennersichärgerte, wenn Etwas ihm unbequemwar,setzteersichindenSchnellngundfuhr zumOberpräsidentenodernachBerlinzumMinisterundruhte nicht, bis seinWunsch erfüllt,derGegenstandseiner Beschwerdebeseitigtwar. Wenn erin denParlamenten aufSchwierigkeitenstieß,versammelteerdiewich- tigsten AbgeordnetenimKaiserhofum seinen Tischundhatte sie, noch ehe derKasfeeservirt wurde,inseinesWillens Richtunggezwungen. Erwar so verwöhnt,daßseineWuthkeineGrenze kannte,wenn erirgendwoWider- stand fand.Namentlichin denletzten Jahrenwar er,indessenFamilie zwei Fälle psychischerErkrankung vorgekommenwaren, hypernervösge- worden. Sein Selbstbewußtseinnahm krankhasteFormenan.Erwähnte sichzumReichsretter geboren.Die Brutalität seinerRedesteigertesich,im Verkehrmit minderMächtigenversagtendieHemmungenundschlotteend sahen seine journalistischenDienstboten ihn nahen.»WelcherOchse hat denndiesenArtikelgeschrieben?«»WelchesRindvieh hatdieNotizin die Zeitung gebracht?«Sowetterte erundschimpftevonfrühbisspät.Und immerböserflackerteausseinemdickenSchädeldasAuge hervor.

EingütigerHerrwar erwohl nie gewesen. Ungewöhnlichtüchtige Männersind fürdieihnen Untergebenen fastimmereinKreuz.Siefordern diehöchsteLeistungundwerdenungeduldig,wenn derDiener anflinkerGe- wandtheit ihnen nicht gleicht.Doch auchderfinstereMärchentyrann,als den manihndarzustellenliebte,warStumm nicht.Esistbekannt,daßersrüher alsirgendein AndererfürdieInvalidenversicherung eintrat, daßeralle»

Wittwen undWaisenderimTagelohnArbeitenden vom Staat versorgt wissenwollteunddaßseineLeute wederÜberungerechteBehandlung noch überKargheitzuklagenhatten.Erverbarg sichnicht,wieeinmystischdräu- enderGott, hinter Wolken, sondern öffneteJedem, auchdemGeringsten, seinOhr,Jedem auch,derihm würdigschien,seineHand.Nur Ordremußten dieLeutepariren.Siedurften nichtwiderdenStachellöken underst recht nichtsichauf sozialistischeFaxeneinlassen.UndeineFaxewar ihm derganze Sozialismus,derMarxenswie deraufKathedernundKanzeln gepredigte.

EinegefährlicheSchrulle,dieaber,wenndieRegirenden Muthund Rück- sichtlosigkeitgenugausbrächten,leichtwideraus denHirnenzuscheuchen wäre. DerSohndesEisenfabrikanten hatte auf seinemüber Bonnund BerlinführendenStudienwege nicht allzuvielgelerntundhieltdensozia-

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liftischen Spuk füreineneumodischeErfindung.Noch 1869, so sprach er,warvonderSozialdemokratie ,,nicht ernstlichdieRede«;dabeistammt dasKommunistischeManifestausdemJahre1848,LassallesAllgemeiner DeutscherArbeiterverein wurde1868begründetundvierJahre späterzogen LiebknechtundBebel in denReichstagein.DenBrauch,voneinem Vierten StandeunddessenbesonderenInteressenzureden,nannte er»diereineFik- tion«;HerrnRichard Roesicke,demBierkönig,aberwarfervor,erhabe

»dieInteressen seinesStandes verletzt«,und bewiesgerade durch dieseun- vorsichtigeEmpörung, daßesauch nach seiner AnsichtspezielleStandes- interessengab,die dannerstbei einerbestimmten geringenEinnsahmequote in denBereichderreinenFiktionen überzugehenbegannen.MitsolcherAuf- fassungwarnicht ernsthaftzustreiten.Stumm wärewüthendgeworden- wenn ein Laieihminseinen halbergerHüttenbetriebhineingeredethätte;er abervermaß fich,,ohne Kenntnißderwirthschaftlichensundderpolitischen GeschichtedenLebensfragen einer großen,gährendenNation die Antwort zufinden.Warum auchnicht?Geschichteund alleBuchweisheitwarihm Krimskrams Er kannte dendeutschenArbeiternnddessenBedürfnisse,hatte alsindustriellerFeudalherr Tausenden auskömmlicheNahrung, sogarein gewissesWohlleben verschafftundhielt streng darauf, daßinseinenWerken diehöchstenLöhnegezahlt wurden; sollteerauf seinealtenTagenun etwa zuProfessorenundPastorenin dieSchule gehen,—.zuVolkswirthen,die dasVolk nieauchnur mit einerBrotkruste bewirthet,kaumje vielleichteines leibhaftigenJndustriearbeitersHandgedrückthatten? Solche Zumuthung wieserweitvonsich.DererfolgreichePraktikerverachtetealle graueTheorie undverstand gewißgarnicht,wasTreitschkemeinte,alsdieserwissenschaft- lichamBesten gerüsteteGegnerdesSozialismusihmin denTagendeswüste- stenUmsturzlärmeszurief,derSchuster mögebeifeinemLeistenbleiben.

Einmal nuristersichselbstuntreu geworden.Els Jahre istesjetzt her.Schonwar dasWort gefallen: »SechsMonate willichdenAlten nochverschnaufenlassen;dannregire ichselbst.«Schonwaren dieFebruar- erlasseWilhelmsdesZweiten erschienenundhattendie ganzeGroßindustrie inAufruhr gebracht.Jn Friedrichsruh hatteStumm vonBismarck ge- hört, »diemaßgebendeZukunft« wünscheoffenbareinenneuen Diener, wolle den altensichsobaldwiemöglichvom Halseschaffen.Dawarder Freiherr aufgebraust.Wirsindauch nochda! WirstehenMannvorMann hinterJhnen! WirwerdenunsereStimme erhebenundsolautreden, daß man es bisinsJnnerstedesKaiserschlofseshört.Wirstehenundfallen

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490 DieZukuan

mitEurerDurchlaucht.Soungefähr pflegteBismarck denVorgangzu schildern.DannwurdederStaatsrath einberufenundderKönigundKaiser sprachin derEröffnungrededenSatz: »Derden Arbeitern zugewährende Schutzgegen einewillkürlicheundschrankenloseAusbeutungderArbeitkraft, derUmfangdermitRücksichtaufdieGebote derMenschlichkeitundder natürlichenEntwickelungsgesetzeeinzuschränkendenKinderarbeit,die Berück- sichtigungderfürdasFamilienlebeninsittlicherundwirthschastlicherHin- fichtwichtigenStellungderFrauenimHaushaltundandere,damit zu- sammenhängendeVerhältnissedesArbeiterstandes sindeinerverbesserten Regelung fähig.«KarlFerdinand FreiherroonStumm saßim Staats- rathundfandkeinleises WörtchendesWiderspruches. Auchin der inter- nationalen Arbeiterschutzkonferenznicht, trotzdemin demEinladungschreiben gesagtwar: Leselasses ouvrieres desdifferents pays, serendant eomptede eetetatdesehoses nämlichvonderNothwendigkeit,die ArbeiterverhältnisseinderJndustrie internationale ordnen-, ontetabli des rapports internationaux quivisent ä Pamelioration deleur Situation. Dawurdedeutlichalso gesagt,dieproletarische Jnternationale habedenZweck,bessereLebensbedingungenfürdieArbeiterzuerreichen,da wurdesie,dieso langeallenStaaterhaltendeneinSchreckbildgewesenwar, denRegirungenalsleuchtendes Muster empfohlen.Das hätte genügen sollen,um Stumm zurRasereizu treiben. Erschwieg.Ermachte mit, weilersichdiemaßgebendeZukunft nicht verfeindenwollte. Bismarckzürnte:

,,Stumm hat michimStich gelassen!«Aber derFreiherr hatte richtigge- rechnet. ErstalsderlängstschonlästigeKanzler endlichabgeschütteltwar, stiegdemHalbergerdie SonnederGunstausdesHimmelsHöhe.Er wurde- derBeratherdesMonarchenundsprachnununwilligüber denFrondeurim Sachsenwald.DieGunst haterspäterdurch allzu burschikosesWesenund durchJndislretionenverscherztzundhätteersolcheFehler vermieden,dann.

hättederScheineinesEinflussesihnvomGipfel gestürzt.Vorheraberwar eransZiel seiner Wünschegelangt.Woist heutedieStimmungderFe- bruarerlasse?UndauchBismarckreichtedemReuigen versöhntwieder die- Hand.DasalteVertrauen wargewichen;denMann ab;rkonnteerbrauchen, dennDersprachmuthigaus, wasAnderescheuin desBusensTiefe bargen.

AnMuth hatesStumm nicht gefehlt.Ersehnte sichnicht nach Po- pularitätundfürchtetekeinenFeind.RedlichenWillens warerundruhigen Gewissens,waserauchsagteundthat,seinesWeges sicher,seines Werthcs bewußt.Erkam nieinKonflikre,dennseianllebeherrschtcdieVorstellung.

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Einen»treuen SohnderprotestantischenKirche«nannteer sichundgerieth garnichtinVerlegenheit,wenn man ihnandensanften Sozialismusder Evangelienerinnerte oderan Luthers BannflüchewiderdenMammon.

DaswarenebenandereZeiten gewesen.Heutewirdfürdie Armengesorgt.

Wenigstensvonmir,vonKarlFerdinand FreiherrnvonStumm. Die An- derensollenesnachmachen,statt Phrasenzudreschen. Ohne Sklavenkaste kommen wirnun einmal nichtaus,ohneleitendeHerrenköpfeläßtder schwierige Prozeßmoderner Großproduktionsich nicht so gestalten, daß wirmit anderen Nationen denWettbewerb wagenkönnen. Deshalb darfman dieHörigennicht unzufrieden machen, darfmaninihnen nicht erstdenGedankenaufkommen lassen, daßsiemitdemselbenRechtwie die Herrengeboren sind.Mehrwerth? GleichheitderRüstungbeimBeginn desKampfesumsDaseinPVergesellschaftungderProduktionmittelPUnsinn!

DerArbeiter willsichsattessen,eineerträglicheWohnung habenund eines gerechtenHerrnHandübersichfühlen.Alles AnderehabendieHetzerihm in denKon gesetzt.Diesollman wegjagen,mitFeuerundSchwertver- tilgen;dann wirdim Land wiederRuheundFriede sein...Dasglaubte Stumm ehrlich;und dieser starkeGlaube hob ihnüber dieSchaarder Schwächlinge,derMaulheldenundDutzendmirabeau hinausundmachte ihnzumprachtvollen TypuseinerZeitftimmung,zumDonQuijoteder niedergehendenBourgeoisherrlichkeit.Einneuer Beaumarchaiskönnteihn als deninteressanterenundstärkerenAlmavioa desneunzehntenJahrhun- dertspoetischderNachwelt gestalten.DerfranzösischeGraswarliebens- würdiger,aberauchlüderlicherzerlief zierlichenSchürzen nach, mehrte durchkeine ArbeitdesKopfesoderderHändeseinErbe undlächeltenuran- muthig,alservonseinem privilegirten Platz weichenmußte. Der deutsche FreiherrwareinSchöpfer;erhatdasererbteGutnicht verschleudert,son- derninrastloserArbeitvervielfachtundistseinemVolkamEisenhammer undin derHütteein Vatergewesen.Einstrenger, doch nicht tyrannischer Vater, einer,derstarrköpfigjeden EingriffinseineRechte abwehrte, stets aber zuweitherzigerErfüllung seinerPflichtenbereitwar. NichtausLiebe zuseinen Kindern, nein:weilersich geschämthätte,aus«einerPflicht- widrigkeit ertapptzu werden. DieMachtderMenschenliebewar inihm, dersichfüreinenChristen hielt, nichtstark.Und wieAllen,derenWesendieser wärmende,erwärmendeHauch fehlt, folgt auch ihmzwar dieAchtungdes Feindes, dochkaum einesFreundesliebevollesGedenken in dieGruft.

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492 DieZukunft.

Die Siegesallee.

Wiemonumentale und dekorative Skulptur istvon derBaukunst nicht zutrennen;dieser,derMutter allerbildendenKünste, istdiePlastik dasliebsteKind. JnZeiten starkerKultur schreitenBeideimgleichenTakt voran. Eine Epoche,diedieses Verhältnißsprengt, trifft sich selbst;ein Geschlecht,dasseineBaukunst vernachlässigtund gering schätzt,darf auch- von seinerBildnereinicht Großes verlangen.

DasVolk,dassichaus derTiefe seinesGeistes Tempelbautoder

nur aufanderen Wegen architektonischerBethätigungeinVerhältnißzum Erhabenen sucht, darf seiner selbst sichersein. DieFähigkeit,nach eigenem SinnHeimundKirchezu bilden, bedeutetstetsdenReifepunktdergesammten PhantasieproduktioneinerNation;aberdasregstegeistigeLeben, die denkbar weitesteBerbrsitungderschilderndenKünste,undginge siebiszu einemdie- ganzeGesellschaftumfassendenDilettantismus, dasAlles istkeinBeweis derKulturfähigkeit,ist höchstens,unter besonderen Umständen,dieVor-v bereitung dazu. Währenddiepoetischenund malenden Künste geradeim Getümmelwirrer Untergangszeiteneinereiche,wenn auch nichtebenedle- Bethätigungfinden, istdieSkulpturinsolchenPerioden ihren wesentlichsten, denmonumentalen Aufgaben gegenübervollständigmachtlos.Sieempfängt vonderBaukunstLinie,MaßstabundRhythmus, jedes ihrer Darstellung- mittelwurzeltinabstraktenarchitektonischenGesetzen, ihreWerkewerdenerst geschmeidig,ihre Stilformen erst lebendigimSchatten großerBaumassen;

diedekorative Bildsäule istinersterLinieeineAnthropomorphisirungder imsteinernen GefügeverborgenenSeele· Hier herrschtnichtderNaturalismus, sondernderStil, nichtdiegenialeLaune,sonderndasGesetz.Darum ist diegroßeSkulpturimmer ernst,wie dieBaukunst.Dievonihren Basta- mentengenommenen Statuen alterTempel stehenfremdimMuseumssaal.weil sienur dievon einem universalenBaugedankengetrenntenGlieder sind.

Man findetzu dengriechischenodergothischenBildwerken keinrechtesVer- hältniß,bevorman nichtimGeist Säulenreihen,Tempeldächer,Spitzbogen undStrebepfeiler dahinter sieht·Selbstdasornamentale Gliederspielbirocker GruppenwirderstvordenBauformen jener Zeitganzverständlich.Das Maßvon Naturalismus, dasdieKleinplastikerlaubt,ja,zuweilen fordert, zerreißtjedeMonumentalität,wenn derBildhauer sichdieses Mittelsbedient, umtoteTraditionen miteinemScheinvon Lebenzufüllen.

Dasneunzehnte Jahrhundertzeichnetsich durcheinenscharfen Kunst- verstandaus. WasmitWissenschaftund Vernunft, mitsinnlicherVergleichs- möglichkeiterreichbar ist, hat diesesJahrhundert vollbracht.Eswar eine

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DieSiegesallee. 493

Epoche temperamentvollerAnalyse aufallen·Gebieten;aberdarüberistdas stolzesteBesitzthumderKunst,dieSynthese,verlorengegangen. DerVerstand istvielfürdaskünstlerischeSchaffen,derInstinkt mehr, ist Alles,weilnur er dasMedium seinkann, dasewigen JdealeneinenAstralleib schafft. Erst seit Kurzem weisen hierund daSpuren aufein Erwachen schöpferischer KräftefnachdeminderBaukunst langeeinZustand geherrschthat,dermit Kunstnicht mehrdasGeringste, sondernnur miteitlerPrunksucht,arm-

säliger Verlogenheitund frechem Diebstahlzuthun hatte. Muß unsere Großstadtarchitekturgeschildertwerden? EinGang durchdiewestlichenStraßcn derHauptstadt sagt jedem Sehenden mehr,alshundert paradoxe Wahrheiten ausdrücken können-

Dennoch:dertiefstePunkt ist überschrittenundwirdürfen froh sein, indieserZeitzu leben.Jst ihre grandios scheinendeRuhelosigkeitim Grunde auch kleinlich: siekündetdoch Großesan. Wasnochvor wenigen Jahren wieeinewildeUtopieklang, heute istesfastzurGewißheitgeworden:die insozialenRevolutionen gewandelteundsichnochstetigwandelndeGesellschaft wirdeineeigene Kunst haben.Eine schöpferischeThatenlust,zuderwir ungläubigerstaunt aufblicken,regtsichüberall, ein Wille, der alleunsere Empfindungmitsichfortreißt, drängtintausend JndividualitätenzurThat.

Eins istentscheidend:dieBaukunst,derenPlatz so langeeinewiderliche Pseudokunst eingenommen hat,erwachtwieder. UntrtiglicheZeichen sprechen dafür.Dermodetne Architektdenktnicht mehr-an RomundFlorenz;er steht sinnendvorderSchönheiteiner DynamomafchineUndabstrahirtvon den Konstruktionender Ingenieure Gesetze für seine Kunst. Von der brutalen Nützlichkeitaus gelangterzurKraftundvondaistesnichtweit zurSchönheit. Freilich:dieErfüllungliegtimblauen Fernenlicht.Wenn aberderWeltenwille demMenschendasGroße erst enthüllthat, so istein Schicksal verhängt,dasfortwirkt,bisderWeg durchmessenist.Obdie zweiteGeneration dieFruchterntet odererstdiezehnte: was-thutes? Der Weg istdasZiel.

SolcheHoffnungen verpflichten.Eskannnoch-nichtvoneinerBau- kunstgesprochenwerden, die dieSkulptur stützenkönnte;aberdarfderBild- hauer darum trägewarten, bisihnderStrom mitfortreißt? Auchdie Plastik istinden vergangenenJahrzehntenimTiefsten korrumpirt worden;

man solltedenken, damüßtederBildhauer,vollEkelvor derZweideutig- keitseinerLage,mitallenSinnen derjungen Hoffnungzustreben.Aber geradeer scheintderLetzte bleiben zuwollen. Er steht abseitsunddie KämpfederZeit berührenihnkaum.

WirhabenvierBildhauer,diezählen;drei davonsindAusländer.

Rodin, vielleichtdasstärksteTemperamentderGegenwart, wüthetimwider-

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494 DieZukunft.

sirebendenMaterial undsucht,mitverbissenemTrotz, dieihm stetsins Malerische entgleitendeFormohne Hilfeeiner Baukunstmonumental zu bändigen.ErversetztdenPhilisternFaustschlägeinsGesicht,läßt,inruhe- loser Schaffenswuth, sein BerserkergenienachallenRichtungen thätig sein undquält sichfaustisch,dentiefsten psychologischenAusdruck architektonisch zuumschreiben.Erverrichtetdievorbereitende ArbeitvielerGenerationen.

Meunier istderWeisere. Seinen ursprünglichengroßenStilgedanken hat

eraufdasMaß beschränkt,dasdieZeitderSkulptur gestattet. Jedes seiner Werkesagt:was seinkönnte.Von AllenistervielleichtamMeisienein OpferderZustände,weiler insichderReifsteundAbgeklärtesteist. So hatersichselbstdieGrenzengezogen,dieRodinvomSchicksalgesetzt-sind.

Anden Dritten, denBelgier Minne,denkt,werträumt, wie diekünftigeBau- kunst seinwird. Man darfvielleichtsagen mitallemVorbehalt,ein Schlagwort prägenzu wollen—: eineRenaissancederGothik.Minne ist nichtderGrößtealsKönner, aber Der, dessen Instinktam Reinsten ist.

Hinter seinen starren, feierlichemvon romantischemLebenerfülltenGestalten zeichnensichdie Konturen einersenkrechtstrebendenArchitektur-.EinAhnen- derscheinter,der weitvorauseilt,Einer,indemderKulturdrang,wie in seinemLandsmann Maeterlinck,eineokkulteFormangenommen hat. Unser Hildebrand endlich beweist, daßman derneuen Zeitkaltgegenüberstehenund docheingroßerKünstlersein kann. Erist einVerstand,demnichts legitim genug scheint,um derbewährtenalten Schönheitan die Seite gestelltzu werden. Seine Werkekännenbiszueinem gewissenGrademonumental sein,weilihnenalsFoliedieklassischeBaukunstzu Gutekommt. Erist eingenialer Rekonstrukteurmitstarkem Wirklichkeitsinn.Mit derZukunft hat seine Kunst wenigzuthun;sie zeigtaberallenBildhauern,diesichauf sdenDornenwegzuneuen Zielen nichtwagenmögen,wie derernste Künstler derFüllevon Traditionen künstlerischgerechtwerdenkann undwiefeinster Nachempsindung,selbstineinerschwachenZeit, nocheinevergeisiigteSchön- heitundeinmilderAbglanz hoherKultur gelingen.

Leicht ist vorauszusehen, daßdieKämpfederMalerei sichinder Skulptur inähnlicherWeise wiederholen müssen.Leiderscheintesnicht, alsob diezunächstbetheiligtenKünstlerausderGeschichtederletztenJahr- zehnte viel gelernt hätten.DiePhilisterhaftigkeitistdenBildhauern eigen- thümlicheralsdenMalern,dennDiese sind mehr literarisch beweglichund inihren Reihen istdasintelligenteTalent häufigerzufinden,dasinder Skulptur äußerstselten ist.DereinzigeWeg fürdiePlastik, durchdie Ueber- gangszeitzu kommen,ist:dieAusdrucksmöglichkeitenzuvervielfältigen,für diepsychologischeEindringlichkeit,dieunserEmpfinden fordert,neue, resu- mirende Darstellungmittelzufinden;denn denharmonischenFormen,den

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DieSiegesallee. 495

reinen DreiklängenderRenaissanceplastikkannsichdermoderne,hysterisch schwankendeGeist nicht anpassen.DieMalerei hat aufkleinen Leindwand- flächenihre sormal technischenExperimentegemachtundsiewirdnun bereit sein fürgroßedekorativeAufgaben, sobalddieneue Baukunst solche stellen wird. EinerähnlichenSchulung bedarfdieSkulptur. Das weiteGebiet derplastischenJmpression istzu bearbeiten, derlange WegvomCharakteristi- schenzumSchönenzurückzulegen,dieschwierigePhantasiethatzuvollbringen, denRealismus, ohne seineinnereWahrheitzuschädigen,zuridealenStil- thpe zuerheben.Es giebt generell gesprochen-—keineandereDispo- sition,dieneuen Aufgabenzubewältigen,alsdie der modernen Franzosen undBelgier,vonCarpeauxund Cariids bisRodin,vonDubois bis Meu- nier undMinne. EsistdieDispositioneiner sozial-künstlerischenNoth- wendigkeit.NurdasreineGenie,indessenSeelepsychologischeundformale Erkenntnißzugleich,wieBlitzundSchlag, fallen, stehtaußerhalbderkritischen Berechnung.Diemittleren Begabungenwerdensich,daeinestützendeBau- kunst fehlt, aufsichselbst angewiesensehen, aufden kleinenMaßstabund Aufgaben wenigmonumentaler Art. Eswidersprichtdeminnersten Wesen derSkulptur,aberesist ihrSchicksal,ihr Uebergang.NurWenigewagen, diese Konsequenzenzuziehen;dashöchsteZielderRechtenundSchlechten bleibtnachwievordasDenkmal.

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DasDenkmal alsSelbstzweckisteinProdukt, würdigunsererZeit.

Früher gabesBildsäulennur innaheroder entfernterer Beziehungzur Architektur.Standbilder wurden demGebäudean denEnd- undRuhe- punktendesarchitektonischenProblemseingefügtund ihr Tempo gliederte undbelebte diegroßenMassen. Selbstwenn sieweitervom Gebäude ab- rückten,hatten siedenHauptzweck,denstrengenBaugedankenimlebendigeren, sinnlicherenSpiel unmerklich aufzulösenund zusteigern,einsdurchsandere-.

Später,etwa gegendasEndederRenaisfance,trat derskulpturale Zweck oftselbständigerauf; stetsaber wurdeihmmitseinemTaktein architektoni- scherBorwand gesucht:eineBrücke,einBrunnen aufdemMarktplatz,vor alten Gebäuden,eineRuhebankmitschlichterBüsteoderauchHermenin regelmäßigenAbständen,zwischenglatt geschorenenTaxushecken,dochinsolcher NähedesSchlosses, daßderMaßstab herüberundhinüberwirkte. Noch die berlinerPhilhellenen, Schadow, Schinkel, Rauch, hattendenrechtenJn- stinkt, soweiterindemunmöglichenKompromiß:antikeKunstformund moderneStraße,zumAusdruck kommen kann. Nachdem dieser letztever- zweifelte Versucheines ernsthaften GeschlechtesnacheigenerArtgescheitert war.wurde dasStraßendenkmalinallseiner Scheusäligkeitdenästhetischen Anschauungenfesteinverleibt. WojetzteinPlätzchenfrei ist, dichtneben denHäuschen,dieweniger ästhetischenBedürfnissendienen, wirdirgendein

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496 DieZukunft.

BerühmterinMarmor oderBronze aufgestellt.DergefeierteAusgehauene stehtinschneidigerUniformattitudeoderin hilfloser Frackverlegenheitaus einemcigarrenkistenförmigen,allegorischverziertenPostamentnndringsherum werden »gärtnerischeAnlagen«undSpielplätzefürKinder gemacht. Fürsten sitzenauf Pferden,allesAndere muß stehen, irgendeine derneun Musen hocktvor demSockelundschreibtmitdemAusdruckeinesAnalphabetenden NamendesossiziellBedeutenden auf,eineanderemitLorberhält ihrdas ornamentale GleichgewichtundeineisernesGitter schütztdas»Kunstwerk«

vorVerunreinigungen. AuseinemsolchenPostamentkannstehen,wer will:

espaßt immer; diese Aufgaben sindkaum anders zulösenalsmitHilfe derkonventionellen Allegorie.

JchwollteinflüchtigenUmrissenandeuten,welcher Wahlder Bild- hauerunsererTage gegenübersteht.Nimmt erseineKunst ernst, so mußer RevolutionärseinunddieromantischeReise zumDornröschenschloßunter- nehmen;wenn ersichdengeltenden AnschauungenmitallseinemKönnen unterordnet, magereinsehrgeschickterHandwerkeksein,demgroßekünst- lerischeFeinheiten gelingen: aufdenEhrentitel Künstler hatertrotzdemnicht mehrAnspruchalsder’Kaufmann,dereinenAuftrag gewissenhafteffek- tuirt. AlsdritterWegbleibtderKlassizismus Hildebrands;abereristnur derfeinstenBildung,demzartesten Epigonengesühlmöglich,weilhiereine Nuance überdenWerthderKunstleistung entscheidet.Nur derhellenisch freien Sinnesart, derSchönheitundHeiterkeitzumLebennothwendigsind, denseltenen aristokratischenNaturen,dievom sozialenTrieb derZeit nicht imGeringsten berührtsind, stehtdieses engbegrenzteGebiet einExil offen.Man solltemeinen, derJugendkönnte dieWahl nicht schwer sein.

Wirwerden anders belehrt;undesistwiederBerlin, dasuns dieThat- sache,wiesichdieSkulpturdemelendesten,verlogenstenTraditionengetnisch, dasdieKunstgeschichtejemals zurThat werdenließ,zugewandthat, soüber- zeugend demonstrirt, daßuns dieAugen beißen.

Fastunmöglichistes, dieneueste berlinischeKunstthatinderSieges- allee anders zubesprechenalsin einerThersiteslaune.Die Sympathie- gefühle,die einerehrlichenKritiksonöthigsindwiegute LustdenLungen, müssenschweigen.EswäreVerrathandenbestenKultnrhosfnungen,wenn man gegenüberdiesem für Jahrhunderte statuirtenMerkmal einerbarbarisch empfindendenEpochenur denVersuch unternahme, Einzelneszu retten,wo dasGanze so sehrdenWiderspruch herausfordert.WelcheinJammer,daß dieungeheuren Geldsummen,diederKaiser geopfert hat,vondenKünstlern soübel verdientwordensind!

DerKaiser siehtin derKunstinersterLinie einVolkserziehungmittel.

BestimmteRedenüber dasTheater gebendieGewißheit,daßesihmvor I

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