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Die Zukunft, 30. März, Bd. 34.

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Academic year: 2022

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i e-

Zukunft

ABO-

Berlin, den 30.März l901.

TI sxs «- s

KröcherSTraum.

Wuhelos

wälzteHerr JordanvonKröchersichauf seinem Lager.Merk- würdig:sonst hatteerinVinzelbergstets bessergeschlafenalsinBerlin ; dieländlicheStillederAltmark hatte ihn eingewiegtund morgenswurdedas Aufstehenihm manchmal recht schwer.WederdieDirektorialsorgenderkur- undneumärkischenHauptritterschaftnochderheikleFallHammerstein hatten ihnjeumdenSchlummer gebrachtundauchdengeplagtenPräsidentendes Abgeordnetenhausesflohniemals derSchlaf. ErwarbeiallenParteien beliebt,Jeder rühmtedieGewandtheitundSchlagfertigkeitdesVorsitzenden, dessenWitzesogarimReichstagvonMund zu Mundgingen,undder Alt- märker wurdeals einmöglicherMinister genannt.Washielt heuteihm,der dieOsterferieninlangenSitzungenherbeigesehnthatte,dieNachtruhefern?

Jm Gewissenfühlteersichnicht belastet.Erhatte gethan, wasdiePflicht ihm gebot.

.

DasAbgeordnetenhaushatteihninsSchloß gesandt,umdem KönigzurRettungaus derbremerGefahrdenGlückwunschderzweiten preußischenKammer aussprechenzulassen. Dieses Auftrages hatteersich korrektentledigtund demHohenHausedanndie Antwort desKönigsmit- getheilt.DasfandEugen Richter unstatthaft.Dermeinte,einVerkehrdes Königsmit demLandtag sei ohne MitwirkungeinesMinistersin einem konstitutionellenStaat undenkbar. WennderMinisterdieVerantwortung fürdieAussprüchedesMonarchen übernehme,könne derLandtag siezum GegenstandeinerDiskussion machen; sonstseiderWegeinerAllerhöchften Botschaftzuwählen.Nie aberdürfemanPrivatäußerungendesKönigsaus

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demGedächtnißvomPräsidentenstuhlherabdemParlamentverkünden und danndieEröffnungderDebatte verweigern.KönnederPräsidentseinem Gedächtnißtrauen undhabeWilhelm derZweite wirklichgesagt,alle Stände seienanderbremer Thatmitschuldig,dieJugend sei entsittlicht,diemon- archischeGesinnung seitdemTode des altenKaisers geschwunden,dieKritik der Kroneund derRegirungzuschroffgeworden,dannmüssedasAbgeord- netenhaus, sobald solcheAeußerungenihm amtlichübermittelt sind, dazu auch Stellung nehmen.DieseDemokraten wollenimmer »Stellungnehmen«;

ekelhasteUnsitte! DochdieMehrheit hattedemPräsidentenzugestimmtund ihmallerleiSchmeichelhaftesgesagt.·DiePressewarfreilichein paarTage langwildgewesen«Um diePressehat JordanvonKröchersichabernie ge- kümmert;in derzweitenHälftederFünfzigwirdervorihr dochnichtetwa dasFürchtenlernen.UndgeradederPresse hatteder KönigmithartemTadel gedacht:nur natürlich,daßsienun tobt...DerVinzelbergerzog die Decke bis andenHalsundrieffreundlichereBildervorseines Geistes Auge.Hübfche Frau,dieSanderson. Auchdie DamevonMaximwarfürHerrennicht so schlimmgewesen,lange nicht sodoll wie inParis,warerzähltworden. Und denBordeaux vonBorchardtkönntemanPalmsonntagmalprobiren.Oder auch übermorgen.Füreinen Altmärkeristzu Bismarcks Geburtstagdas Beste gerade nochgutgenug-

EinRäuspernreißtdenHerrnvonVinzelbergausdemerstenSchlaf SollteFriedrich schonwecken kommen?

. NebendemBett einegroße schwarzeGestalt.Weißes, altmodisches Halstuch.DermächtigeSchädel scheintimDunkelzu leuchten.DasAuge ist ruhigundernstandenSchläfer gerichtet.

'»Morgen,lieberKröcher. Bitte, sichgarnichtzuderangiren. Ich bin inGeschäftenhier.DieSache gehtmirdochdurchdenKopf. Jeh fürchte dieWirkungim Ausland. Erstsiegesbewußt,Stolzin derBrustundnun plötzlichAllesinMoll: dieLeute werden sichkeinen Versdarauf machen können. P1«imoloc0, scheintmir,wäreder Lärmzu vermeiden gewesen.

DeshalbkommeichzuIhnen.DennSiehaben angefangen.Wareswirk- lichnöthig,gleichvoneinem,fluchwürdigenAttentatczu reden? Diefatale GeschichteiiiitdemEisenstiickwarschließlichjahakmios.Uudichhabeimmek gefunden, daßman gut thut,sich für Nothfälleeine-Steigerung vorzube- halten. Wirarbeitenheutezu viel mitSuperlativen.«

»Durchlaucht,geradebei denheutigen Zeitverhältnissenglaubte ich, daßeinkräftigesWort fürdieSicherheitderAllerhöchstenPerson..

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KröchersTraum. 529

»Ganzschön.Jch zweier nichtanIhrer guten Absichtund-habe,als Privatmann, nichtdasgeringsteRecht, Jhnen Vorhaltungenzumachen;

auch nichtdenWunsch,Siezu loramiren Als alterNachbarundPolitiker voneinigerErfahrungkannichabervielleichtgewissePrivilegieninAnspruch nehmen.Jch versteheIhr Vorgehen; nichts Konservatives istmirfremd.

SiesindinschwierigerLage.Kanal undZollgefchichtemachenIhnenzu schaffenundSiemöchtendenMonarchen auf IhrerSeitehaben.Daswar immerdasBestrebenmeineraltenfeindlichenFreunde;wenns nichtmit dem Ministerging,dann gegenihn.HeuteistdieSache besonderskomplizirt.

DerHauptgrundbraucht zwischenunsnichterörtertzu werden.Aberauch wegen derscharfenKonkurrenzdesCentrums,dasseineDienstejasehr eifrig anbietet. DaßSiesichnicht ausstechen lassenwollen, begreifeich;weniger,daß Siein derFragedes polnischenKrieges soschwachsind. Dasgeht dochüber den fraktionellenSpaßhinaus-NamentlichdürftedasHerrenhaussichnichttotstel- len,auf dieGefahr,daßdieAsfiliirtendesPolenthums mitBürgermeisternund Professoren sichzu einerneuen Mehrheit zusammenthun. Item, ich glaube, die Situation zuverstehen,undfindeesmenschlichundbesondersvomStand- punkt heutiger Konservativen begreiflich,daßSiedenWunsch haben, sich vorderEntscheidungüberdieHandelsverträge—-—dieJhnen übrigensnichts Rechtes mehr nützenwerden, als dieTreustenderTreueninempfehlende Erinnerungzubringen.NurdieNuancehätteichanders gewünscht.Aut aut. WenndieSache politisch verwerthetwerdensollte, durfteman nicht glissiren,derjunge Mensch sei Epileptikerundsoweiter. Da Dasmal ge- schehenwar,schienderVergleichmitHödelundNobilingmir einBischen gewagtundich hätte aufdas,fluihwürdigeAttentat« gernverzichtet.Cui bono?FürdenMonarchenkannesnichtangenehm sein,wenn dasAus- landsicht, wiedieGeschichteaufgebauschtwird.DerSchutzderAlleihöchsten Person istbeifast täglichenundmeistplötzlichenReisenleiderGottesnur inbeschränktemUmfangezuerreichen.DieGefahreinesKontagiumswird durch GeschreiundGraulichmachennur gesteigert.DaskannSchweninger Jhnen bestätigen.Jch habe nichtdenEindruck, daßwirdraußenjetztüber- mäßigbeliebtsind.Geradedeshalb müssenwirunshüten,unsereZustände gar zuschwarzzu malen. DaßeinKöniginseinemLandnichtvorbrutalen Angriffensicherist, sollman nur sagen,wenn dieBeliebtheitdes-Herrnkeine sichtbareLückezeigt.«

»Durchlauchtwollen aberauchgütigstbedenken,welchenVerdächtigun-

gen wirtäglichausgesetztsind. Nochneulich hatderAbgeordneteRichter...·«

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530 DieZukunft.

»Ja... Richter hatRccht.Undichfindeesbetrübend,daßman ihm immerdiedankbareRolleläßt. Auch ichvermissebeiIhrerAktion dasun- entbehrliche ministeriklleMedium WassollParlament,Presse, Publikum ausdiesen halb amtlichen, halb privaten Mitthcilungenmachen?Debattirt darfdarübernicht werden;dagehtdenn derAergerinsBlut. Und natür- lich ärgern sichAlle,weil Alleja mitschuldigsein sollen.Jn schlechterLaune, in derDepressionderKrankenstubenluft sagtmanManches;ich auch.Das brauchtabernicht gleichaufdenTischdesHausesgelegtwerden. Siehaben Politikgetrieben,lieberKröcher,Politik aus eigeneFaustundimInteresse derFraktion.Gerade weil derKönigbei unsnocheinlebendigerFaktor ist, nichtnur ein Ornament nach englischemMuster, istes amEndedochkeine Kleinigkeit,wenn Sieihn sagen lassen,dieJugend sei demoralisirt,diemo- narchischeGesinnungimRückgang,derbremerUnfugvonallenKlassen und Ständenmitverschuldet.Dasist,wie mans auchdrehtundretouchirt, einesummarische VerurtheilungderDeutschen,dieich stets fürdasvor- nehmsteVolkMitteleuropas gehalten habe.Siekonntennicht wissen,ob dieseheftigenAphorismenderministeriellen Politik opportunwaren. Wahr- scheinlichnicht;dennwirmüssenheutenach außenstark scheinen,umbei den verschiedenenSpielen,die beliebtwordensind, nichtSchwarzer Peterzu bleiben. Jchkenne Bülowwenig, namentlich nichtdasMaß seines persön- lichenMuthes,dasimAllgemeinen jadenGradderEmpfindlichkeitbe- stimmt.WäreichnochimköniglichenDienst,dannhätteichauseineeigen- mächtigeStörungmeinerKreise vermuthlich recht unangenehm reagirt.«

»WollenDurchlauchtnurüberzeugtsein, daßichnach bestenKräften demInteressederMonarchiezu dienenglaubte! Jchbinja keineswegsblind gegen dieUebelständedesheutigenRegimentes.EurerDurchlaucht frühere FraktionleidetvielleichtamMeistendarunter. Undwenn esunsvergönnt wäre,zurHebungderministeriellenAutoritätbeitragenzukönnen,würden wir esvonHerzengernthun.DieMißstimmunghat geradeinunseren Reihen erschreckendeFormenangenommen. Nur eineangemesseneErledi-

«

gungderZollsragekönntehier Abhilfe schaffen.Ebendeshalb schienes mir unumgänglich,beidiesem traurigen Anlaß darauf hinzuweisen,wo unter allenUmständendiefestestenStützendesThroneszufinden sind.

Alleswankt. Da mußman,alsalterPreuße,dieSache doch halten, so langeesirgend geht!«

»DieMelodiekenneich.UnddaßSiediligentiam prästirenwollten, kannich,wiegesagt, nach IhrenTraditionen begreifen.Jeder sieht,woer

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KröchersTraum. 531

bleibt. Aber... AlsSiemichmitLeopoldBuch eswarwohl nochunter Caprivi? imSachsenwalde besuchten,habenSie mirjaschonAehnliches vorgetragenundich habeIhnen nach leidiger GewohnheitinlängererRede geantwortet.MeineAnsichtensindIhnen alsobekannt.DieSache halten:

gewiß;wenn siezuhalten ist«Dasscheintsiemir abernicht.Wenigstens nicht aufdieDauer. Ich sehenur einebeständigeEntwickelunginpejus, die mit deiorativenEffekten nicht lange mehrzuverbergenseinwird. Ich habe frühgenug vordemöffentlichenAuftreten ohne ministerielleBe- lleidungstückegewarnt. Damals wurde ich gemiedenund alsder wü- thendeGreis aufdemDach,der sich nichtzu helfen weiß,meinen StandesgenossenvorgeführtxIetzt stellen sichdieFolgen allmählichher- aus. Undeswirdnochschlimmer kommen,innenundnamentlich außen.

In achtTagen istdasDeutsche Reich ja nichtzu ruiniren. Ichkönnte michingewissemSinn miteinem WortdesKönigs einverstandenerklären.

Auch ichmeine: alleKlassensind schuld.Keinehat Farbebekanntundoffen aufdieGefahrhingedeutet,die darinbesteht,daßderMonarchurbi etorbi alsUrheberallerpolitischenHandlungengezeigtwird. Dasreizt natürlich dieRoheitverhetzterFanatiker.DervernünftigeSchachspieler exponirtden Könignur inFällen äußersterNoth.AndieseSpielregelhabenSienichtge- dacht.Ihre AufgabealsaltmärlischerEdelmann war, denHerrn,wenn er SieaufdieSache ansprach,mitrückhaltloserWahrheitzu bedienen. Das ist nichtbequem.Aber Siesind jaeinunabhängigerMann. Undichwäre ummeinBischen Schlaf gekommen,wennich jemalsanmeineBequemlich- keitgedachtundverschuldet hätte,daßeinärgerlichesPrivatwortdesKönigs Wochenlangin der LeuteMundist«

»Durchlauchtkönnenunmöglichverkennen, daßdieInteressen,die ichvertrete ..

»SiebenUhr, gnädigerHerr.Ich habedreimal gellopft.«

EinenTag spätersprachHerr IordanvonKröcher,alsderneue Bordeaux eingeschänktwar,beiTischedenBismarcktoast. »Undso weihen wirdiesesGlasedlenfranzösischenWeinesdemdeutschenEdelmann,dessen monarchischeTreue,dessentiefeWahrhaftigkeitfiiralleZeiten unseremHan- deln einleuchtendesVorbildsein muß.«

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532 DieZukunft.

Die Renaissance im Kunstgewerbe.’««)

Wie

RenaissancedesKunstgcwerbesimneunzehntenJahihundert hattezwei deutlicherkennbarePhasenzudurchlaufen.Die einespieltesichgänzlichin Englandab undnahmum1860herum festereGestaltan(dieWirksamkeitvon Ruskin, W.Morris, W. Craneu.s. w.)Die anderevollziehtsichin diesemAugen- blick aus dem Kontinent undzeigtedeutlichihre eigentlichenZügeseit 1891.

Jch darfvonzwei Phasen sprechen,weildieheutige Renaissancedes KunstgewerbesausdemFestlandevonderenglischenRenaissancesoverschiedene Charakterziige aufweist, daß ihnen gemeinsam eigentlichnur dieIdeeeiner Renaissance,undnichts als Dieses, ist.Dochdenkeichnicht daran, zu leugnen, daßdiesestländischeRenaissancevon derenglischenherkommt;sie hängtvon ihrab wie dasPfropfreisvondem Baum,aufdenesgepfropst wurde. Abergleicheinemsolchensucht siedieFrüchteanders zugestalten.

Mehr durchdenEinflußderKunstwerkeselbstalsdurchdieKenntnißder verschiedenenTheorienundJdeale, ausdenendieenglischeRenaissanceer- wachsenwar,wurdediezweiteRenaissancebefruchtet.WirerfuhrendenEin- flußderWerke, dieman uns sehen ließ, früheralsdenderTheorien,von denenjene begeistertundbestimmtwurden,derenBeispielwirfolgten.

DieSchönheithat ihre unfehlbarstenundunmittelbarstenWirkung- mittel insich selbst.Es brauchen ihrwederTheorien noch Erklärungen noch literarischeAuseinandersetzungenvoraus zu gehen. Jm vorliegenden Fallegenügtees,daßdieSchöpfungeneines Morris,Crane,Vrysey,Cobden- Sandersonuns schönerschienenunddaß sichkeineSchrankederSprache oderderSchrift zwischenuns undsie stellte, umuns sogleichfür den Ge- danken einerRenaissancedesKunstgewerbeszugewinnen.

Wären wirdamals, indenTagenderersten Bekundung,über die persönlichen,gefühlmäßigenund sozialen,invielenPunkteneinander wider- sprechendenBeweggründederSchöpferderenglischenRenaissance unterrichtet gewesen,sowürden Vielevonuns sichihrgarnichtundAnderewiederum zuleicht überlassenhaben.Wirhättennicht so leichtdieeigentlicheTrieblrast erkannt, die Tradition,dieaufdieMenschheiterobernd wirktund dieihrdie Sorge fürdieSchönheitansHerz gelegt hat. Diese Wirkung ist nichtdem Zufall unterworfen; sie erscheintzu derStunde, wosichdieBedingungendes materiellen, geistigenundsozialenLebensgenügendgeänderthaben, hinreichend verschiedenvon denender vorhergehenden Epoche gewordensind,um eine neue »Epoche«zubegründen,diesich bisher erstin unvollständigenAus- drucksmitteln und insormlosen Versuchen verkärperthatte.Jetztwirdzu- sammengefaßtundveredclt, alledieseVersuche,alledieseAusdrückeerhalten alt)Aus einemgleichnamigenWerke,dasnächstensbeiBruno undPaul Cassirer, Berlin,erscheint.

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DieRenaissanceimKunstgewerbe. 533

einenneuen, bisherniegesehenenCharakterundvon daanbesitztman einen

neuen Stil, dersich sovieloderso wenigvon deatvorangehendenunter-

scheidenwird, wie dasmaterielle,geistigeundsozialeLebenderZeitvondem dervorausgehendenEpoche sichentfernthat.

«

Jm Allgemeinen sinddieStöße nicht sehr heftig, obwohldieZeit- räumezwischendenGeburtstundenderverschiedenenStile enorm sind.Dies kommtdaher, daßvieleVeränderungenim wirthschaftlichen,geistigenund sozialenLebenmehrimAeußerenalsim—Kernsich vollziehenunddaßdie Schönheit,dieihreSeele ist, unveränderlicheFormelnbesitzt,vondenenwir unsheuteebenso wenig befreienkönnen wieeinstdieEgypterundGriechen.

JohnRuskinundWilliamMorris haben sicheben sooftauf dieSchönheit wieaufdieTradition berufenundes warzweifellosdiekühnsteihrer Thaten, daß sie sich fürMänner derUebetliescrungerklärten. Ja einer Stunde, woNiemand insicheineVerwandtschaftmitdergothischenKunstempfand, haben sie sich für siebegeistertundsieaufdenSchild gehoben, haben sie erklärt,daßman andiegothischeUeberliefcrung anknüpfen,daßman den durchunreineundunberechtigteEinmischungenaberifsenen Entwickelungfaden wiederanspinnen müsse,haben siederWelt alsnachahmenswerthesBeispiel dieWerkehingestellt,diediegothischeKunstvor jener unheilvollenUnter- brechunghervorgebrachthatte. Siewollteneher aufeinebewußteundver- ständigeNachahmungdesVergangenen hinwirkenalsdieHerstellungvon GegenständenundWerkeninAngrisf nehmenund organisiren,dieinin- timemZusammenhangzuunseremJahrhundert, unseren Bedürfnissen,unserer Zeit ständen.Der ganzeCharakterderenglischen Renaissance hängtmit dieserAbsichtzusammen.Morris hatzwar versichert,daßdiegothischeKunst nochvieleVorräthe unverbrauchterKraft undJugend besäße,aberwederer

noch seineSchülerhabendenVersuch gemacht,dieseJugendunddieseKräfte ansLichtzuziehen.Undhiersind wir beimUnterschiedzwischenderenglischen undderfestländischenRenaissance angelangt. Das GeniederEngländer bestand besondersinihrem Geschmack,ihremSinn fürMaßundWürde undinderWeisheit,mitdersie ihreVorbilder wählten.

.

Die englische Renaissance hat besondersdasVerdienst,dergothischenKunstdenEinfluß, dessensieberaubt gewesenwar, wiedergegebenzuhaben.DieWerke der englischen Künstler entstanden alsoimAnschlußandienachsorgfältiger AuswahlalsdievollendetstenSchöpfungenderEpocheanerkannten Werke der letztengothischenZeit,unter Ablehnungalles Dessen,was zwischen jener Zeitundderihren geschaffenwordenwar. DurcheinbeständigesRück- wärtsstrebenhabensiedieFühlungwieder gewonnen. Jchvermuthe, daßWtlliam Morris, alsernach fester Knüpfung dieserBandeweiterrückwärts trieb,dazu gelangte,denGeistdergothischenKunstzu entdecken unddaßerindiesem

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53 L DieZukunft.

Augenblickihre ewigeVerjüngungskraftundihre nahe Wiedererftehungvoran-G- sagte.ErwirdinihrdieVernunft,dieSchönheitihrer Daseinsbedingungen unddieBerechtigungder Formen und Mittel, mitdenensieunaufhörlicheund unendlicheAbwechselunginderSchönheit erzielte,erkannthaben-

AberesistSacheAnderer,andieserVerjüngungzuarbeiten;erund seine Schülerwerden alsgläubigeVerehrerderSchönheitdergothischen Kunst fortleb·en,derenmittelalterlichenFormsietreu gebliebensind;undsie fühlten sichzudieserArtSchönheithingezogen,weilsie sieaus denMiß-

«bildunge:·s.,mitdenenihreZeit sie umgebenhatte,herausragen sahen,wie dieSpitzendergothischenKathedralenausdensieumgebendenHäusermassen.

JhreRolle undihrLebenruhenzuFüßen dieser Thurme.DieenglischeRe- naissance ist alsoeineUeberlieferungundkannnur alseinesolcheangesehen werden; sie entstandaus demlebhaftenSchönheitgefühleiniger Ausnahme- menschendenenesumsoleichterwurde,ihrenKultuseinzuführen,als inihrem LandeselbstdasGefühl fürdieGothiknievöllig erloschenwar.

DieCharakterverschiedenheitderbeidenRenaissancebewegungenstammt besonders daher,daß dieenglischenKünstler sichvon deräußerenSchönheit dergothischenKnnsterobernließen,währendwirvonder«schöpferischenSeite ihrrr Schönheit,von ihrem hohen,ausreiner Vernunft entspringendenund kristallklaren Grundgedankeneingenommenwurden. Jch glaube,daßihr

"ReizbeidenEngländern mehr aufdas Gefühl,beiuns mehr aufden Verstandwirkte. WirhabendenGeist derGothik mehrimAllgemeinen genommenunduns nicht knechtischanDasgehalten,was erimMkttelalter hervorgebrachthatte. DasGrundgesetzderSchönheit schienuns Ewigkeit zubesitzen;undwirhabenesangewandt,ohnedenHintergedanken,derGothik ihren verblichenen Glanz wiederzugeben-.

» DieheutigeRenaissaneedesKunstgewerbesist stark durch ihr Dogma, daßdieSchönheitaus der genauen undungezwungenen Dafeinsberechtigung derFornzenundMittel quillt,daß einGegenstandnur schönseinkann, wenn alleseine Einzelheiten,allerSchmuckseinenDaseinszkveckbereichern.

DieLehre sollbündigsein,wenn sie heilvoll seinwill, undwirbrauchen uns nichtüberdieMöglichkeitzubeunruhigen,daßdieseQuelle derEin- gebung sich schnellerschöpfenkönne;sie ist unerschöpflich,ebensowie die Ver-.

bindungmöglichkeitenderVernunft unendliche sindundunsere Bedürfnisse imendlosen Wechselsie hervorruer undinsLebenzaudernUnsereWerke werdendieFrischeund dieunversiegbareFülle der Quelle,saus derwir schöpfen,beweisen.

Jch möchtenunprüfen,welcheBande uns mitderKunstüberlieferung verknüpfen.Jchwerdemichvor dementwickelndenundbelebendenEinfluß dieserUeberlieferungbeugenundmichbemühen,siezu erkennenundaus ihr

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DieRenaissanceimKunstgewerbe. 535

nützlichsteBelehrungzuschöpfen.Aberwenn ich Das thue, so gedenkeich dochnicht,auf meinen freien Mannesstolz,dersichum dieVergangenheit nichtkümmert, zuverzichten;ichdenkenichtdaran,von derLeidenschaftzu lassen,diemich besessenhältund diemich dazutreibt,unserJahrhundert

zubegreifen,dieZusammenhängezwischenihmunduns auszusprechen,auf dieWohlthat hinzuweisen,die darinliegt,daß wir inihmlebenundnicht im vergangenen; ganzimGegentheil:meineAbücht ist, dieser LeidenschaftNah- rungzuzuführen,diebereits durchdieErfahrungderVergangenheitals gesund erprobtwurde.

Nicht wahr:wenn ich,denUrsachenundZufammenhängennachgehend, dieSpurendesneuen Geistes,deruns belebt, in dieGeschichtedeutlich und klarhinaif verfolgenkann,sowerdeichüber denkünftigenVerlaufunserer Bemühungen,insoferner mit der ganzen Vergangenheitunserer Risse übereinsti-·nmt,mich beruhigenkönnenund dieKraft,dieichaus dieser Entdeckung schöpfe,wirdmichmitgenügenderruhiger Heiterkeit erfüllen,um meinWerkzu vollenden trotz Allem,was man darübervonLob,Schmeichelei undUebertreibungsagenundwasman verkleinernd,lfeindsäligundungrei- fend dagegen vorbringen möge?Umruhigzuseinüber denWeg, aufdem ich gehe, istesgenug. wennich weiß,vonwannen ichkomme. Unddiese Untersuchungwirdauch fürAlle, die mirfolgen,eineBeruhigung sein.

Jch greife aufdieallgemeineStimmung zurück,inderwir uns vor etwazehn Jahren, um 1889 herum,befanden. Ich hattesie inmeinem WerkeDesbluiement d’Art geschildert,woraus ichhier einige Zeilenan- führen will,weilsichinihnendieganzeUnruheundUngewißheitspiegelt, von derdieMeistenunter denKünstlerndamals besessenwaren. Wir hattenzujener ZeitdieEmpfindung,daß wiruns auf nichts mehrstütztem ab:r wir vermochtenuns nichtzuentschließen,uns mitvollemVertrauen auf Niemanden zustützen. Hier finde ichdennauchdieverzwicktenBegriffs- verirrungen jenerausFugundRichtunggebrachtenGehirnewieder,anderen Verr-irrung freilichdiedamalige VerwirrunginderKunst,dieausMalern Literaten,aus LiteratenMaler undaus MusikernLandschafteroderPsycho- logen machte,denmeisten Antheil hatte.Jchcitire:

»Es ereignetesich,daßdieindustriellenKünsteerwachten.Aber Niemand erkannte,als esgeschah,vonwessen Hauch sieneu belebtwurden undzu welcherBestimmung; Jene, denendieGabeverliehenwar, dieKunstzuer- kennen und ihrzudienen,glaubten völlig aufrichtigan dieEhrenhaftig- keit desLuxusundverfielendarüberingroßeFreude. JnderThatereignete essichinallenVerfallzeiten, daßderKunstgegenstand,dieNippessache,r:ur

um ihrer selbstwillen ganzbesonderszärtlichbehandeltwurde.

DieübermäßigeVerfeinerung unddiegrenzenloseErschlaffungvon

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536 DieZukunft.

KörperUndGeistmachen dieMenschensür dasMächtigeundGewaltige unempsindlichundihre Sensibilitätentdecktdarinschnell einWenig dazuge- hörigerLeerheit.WieeineisigerpeitschenderWindstoßinHirnen,die stets ingeziemendlauer Temperatur erhaltenwurden, so erzeugtdieseLeerein ihnen bestimmte gebrechlicheVorstellungen.UndausdiesemGrunde schätzen sie denKunstgegenstandso hoch,indemesihnen vergönnt ist,die bewun- derungwürdigenVerwickelungenund Verschlingungendeseigenen Geistes wiederzuerkennen; ihr AugewirddanichtverletztdurchdieWirklichkeitder gar zubekannten rohenund anfdringlichenmenschlichenFormen,diefür Gemälde undBildsäuledenausschließlichenStoff abgeben;undihre Hände, ihrearmen Hände,die krankgeworden sind durchzuverwickelte,zugehalt- volle undinhaltreicheThä·tigkeit,sindendieKraft,überdieseunerwarteten undwillkürlichenFormen liebkosend hinzugleiten;undaus dieserunmitttel- barenBerührungmitder Kunst entstehtinihneneine kaumbemerkbare körperlicheErfchütterung,diesie glauben läßt,dieKunstganzzubesitzen- Und keineGrobheit istdabei, denndieseMenschen sind so wenig grob geartet,daß ihr Fleisch sichmitLiebkosungenbegnügt,dienur einleises Stieicheln sind,und mitüberleichterNahrung. SielassensichamStrande nördlicherMeerenieder,woesmildundgrauist,und Dieunter ihnen, die denweibischenund lasterhaften ReizdersinkendenlateinischenDichtung, dasGiftaller jener Werke,dieJ.K.Huysmansinseinem wundervollen KatalogA Rebours sorgsamaufzählt,ausgekostethaben, verbringennun lange schlaffeStunden mitLesenderchinesischenDichterdessechstenJahrhunderts, mit Sinnen über die GedankenZarathustrasodersie lassen sichblendenvon demPrismalichtderVerse HermannsGotter.

Alle, diesodie Kunstauskosien, unddieKünstler,diesieausüben, zweifeln freilichdaran, daßdasErscheineneinerneuen Kunst auf unserem Bodenmöglichsei; siemeinen,daßalleVersucheundalleKämpfeden zur ErdegesunkenenStil zuheben, fruchtlosbleibenmüssen;sie glauben, daßdie verwelkte,von hinschreitendenJahrhunderten zertreteneBlume inNachtver- sinken wird,wenn dievölligeZerstörungdesGeisteslebensderaltenWelt erst Ereignißgeworden ist.Siefühlenvoraus, daßdieneue Kunst her- ausgestammeltwerden wird voneinemunschuldigen,begeistertenVolk,das mit Liebe undSorgfalt seinen verschiedenenEntwickelungphasenfolgenund bei jedervon ihneninVerzückunggerathen wird, überzeugt,daßkeineglänzendere möglichseiund daßdieKunstzumanderen Mal westwärtsziehenund- denMenschen folgend,inAmerikaaufblühenwerde. DaßdieStunde abernoch nicht gekommensei,weildieAnswandernden nur ihre groben Begehrlichkeitenmitbrachtenund keinZusammenbruch ihnendasWissen raubte,dassie jenseitsdesOzeans hätten zurücklassensollen.Siewissen,

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