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Wochenschrift des Architekten Vereins zu Berlin. Jg. 5, Nr 52, 52a

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Academic year: 2022

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ee J I WOCHENSCHRIFT m HRCHITEKTEN-VEREINSULBERLIN]

: HERflUSGECEBEN™ VEREINE

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E rsch ein t Sonnabends n. M ittwochs. — Bezugspreis halbjährl. 4 Mark, postfrei 5,30 Mark, einzelne N ummern von gewöhn. Um fange 30 Pf., stä rk e re entspr. te u re r

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| D er A nzeigenpreis für die 4gespaltone P etitzeile b e trä g t 50 Pf., für B ehörden-A nzeigen und für Fam illen-A nzeigen 30 Pf. — N achlaß auf W iederholungen ^

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N u m m e r 52 Berlin, Sonnabend den 24. D ezem b er 1910 V. Jahrgang

Zu b e z ie h e n du rch a lle B u c h h a n d lu n g e n , P o stä m ter und d ie G e s c h ä fts s te lle C a r l H e y m a n n s V e r l a g in B erlin W . 8, M au erstraß e 4 3 .4 4

A ll o R e c h t e V orb e ha lte n

Das Schinkelfest des Architekten-Vereins zu Berlin im Jalire 1910 Der Wiederaufbau des Bömerkastells Saalburg

F e s tv o rtra g des L an d b a u in sp e k to rs Jacobi au s H om burg v o r d er Höhe

F o rtse tz u n g au s N r. 51 a, Seite 342

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ein e H erren! Ich h ä tte Ihnen im A n sch lu ß an diese B esch reib u n g der S aalb u rg m it ihren B au ten noch m anche E in zelh eiten zu erzählen a u s den versch ied en sten G ebieten d e r r ö m i s c h e n T e c h n i k , von H a n d w e r k u n d G e w e r b e in den G renzprovinzen. A b er d ieser S to ff w ürde allein einen gan zen A b en d fülleu. L a sse n S ie m ich nur zum V erstä n d n is des 'W iederaufbaues kurz folgen d es anfüliren: A ls die R öm er in den T au n u s kam en, fanden sie bereits überall germ a n isch e N ied er­

la ssu n g en vor. D ie se W o h n u n g en der sogen an n ten L a te n e -Z e it w aren m e ist ein fach e m ard ellen artige, m it D ächern au s Stroh oder Sch in d eln bed eck te G ruben, die w egen der S tr e n g e des W in ters en tw ed er g a n z in die Erde ein vegrab en w aren, oder nur zu r H ä lfte h ervorragten . Daß die R öm er äh n lich e A n la g en n achahm ten, zeig e n u n s ein ig e K ellerw oh n u n gen der S aalb u rg und vor allem so lch e vom N a ch b a rk a stell Z u g m a n tel. D aß es a u ssch ließ lich H olzb au ten

w aren, erzä h lt u n s s c h o n T a c itu s in sein er ,G erm ania1. „D enn die G erm anen“, h eiß t es dort, „sind des B a u es nur w en ig k u n d ig , kennen w eder M au erstein e noch Z ie g e l und b earbeiten nur un­

behauene S täm m e ohne R ü ck ­ s ic h t a u f S ch ön h eit und freund­

lic h e s A u s s e h e n .“ D aß sie aber dennoch in m anchen G egendon ihren H äu sern auch durch K erb sch n itt, M alerei und P u tz ein b esseres A u sseh en zu geben w u ß ten , ersehen w ir au s den h in teria ssen en W erk en ih rer sie nachahm enden B ezw in g er, die sich im g erm an isch en U rw ald zu n ä ch st eb en falls dem H olzbau zu w an d ten und d iesen bei ein ­ fachen k lein eren Gebäuden auch w ährend der gan zen B e sa tz u n g s­

z e it b eibehalten haben. U nd zw ar k a n n ten sie im T au n u s dam als nur die E ic h e a ls B au h olz, denn N ad elh olz is t dort n a ch w eislich e r st im 18. Ja h rh u n d ert im T au n u s a n gep flan zt; das v e r ­ ra ten u ns auch un sere B runnen-

fnude. D a g eg en i s t der Stoinbau Abb. 372. Pfeilerbeizuns; (H ypokaustum )

eino sp ezifisch röm isch e E rfindung, w a s sich am b esten schon darin z e ig t, daß fa st alle a u f den M auerbau b ezü glich en tech n isch en B ezeich n u n gen la tein isch en U rsp ru n g s sin d . D a s M auer w erk der Saalb u rg i s t u n reg elm ä ß ig es B ru ch stein m au erw erk , n ic h t anders, a ls w ir es h eu te m achen. N u r E cken und L aib u n gen sin d von H a u stein en ein gefaß t. D a s A eu ß ere is t o ft g e p u tz t und q u ad erartig g e fu g t. W enn auch K e ilsc h n ittb o g e n Vorkommen, so is t doch in der p rim itiven K rio g sb a u k u n st einfacher S ta n d la g er sch on w eg en des u n g eeig n eten M a teria ls der G ew ölbebau n ic h t v erw en d et.

E benso kom m t der e ig e n tlic h e B a ck stein b a u n ic h t vor. Z ie g e l sin d au f der S aalb u rg zu ta u sen d en , aber nur zu W an d verk leid u n gen und H cizu n gsp feilern verw en d et. D ie D äch er w aren m it S troh , S ch ilf, S chiefer, in Form von S ech seck sch a b lo n en au s der N äh e, g ed eck t. B eso n d ers ch a ra k teristisch und auch für u n ser m odernes M auerw erk n ach ah m en sw ert is t eine lo se fußstarko S e h o tte r ­

s c h ic h t u nter den F u n d am en ten ; sie e n tw ä sse r t die Mauern und nim m t das vom rin n en losen D a ch herab stü rzen d e R e g e n ­ w a sser m it fort. D ie W ände und D eck en w aren im Innern m it Z ieg elp la tten v e r k le id e t und diese v erp u tzt, g e m u ste r t, g e ­ fu g t und g em a lt. Z ur Is o lie ­ ru n g oder zur B e h e iz u n g w aren H ohlräum e durch vorgoblendote P la tte n oder H eizk ach oln h e rg e­

s te llt. D ie F ußböden bestanden entw ed er au s rauhen Q u arzit­

oder S ch ieferp la tten , T o n p lä tt­

chen oder rotgefärbtem , m an ch ­ m al fußstarkem E strich au s Z iegelb rock en . H eizbare R äum e h a tten G lasfen ster, die ja auch schon in Pom peji bekannt waren, B ru ch stü ck e von dicken, hlau- gr.ünen, g e g o sse n e n G la s­

sch eiben sind bis 2 F uß Größe h äufig gefu n d en . Daß dio innere A u s s ta t tu n g von der unsern oder von der m ittela lterlich en wre n ig a b w eich t, leh ren uns n ic h t nur die zah lreich en e is e r ­ nen B a u b esch lä g e, die raffi­

n ie r te ste n S ch ieb e- und D reli- 54

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W och en sch rift des A rch itek ten -V erein s zu Berlin Sonnabend, 24. D ezem ber 1910

Schlösser, V o rh a n g sch lö sser, T ürbänder, H aken, K lam m ern, Kram pen, sondern auch dio W erk zeu g e aller w ich tig en H an d ­ w erker an S te lle der n ic h t m ehr erh alten en P rod u k te. D anach muß die Zim m er- und T isch lerarb eit besonders o n tw ick olt gew esen sein. H obel aus E isen und H olz, profilierte H ob eleisen je d e s S y ste m s, M eißel, L o ch b eu tel, B ohrer, S ch n itzm esser, Z iehklingon jed er Größe, sind sich ere B ew eise, daß sauber g e g lä tte te , nach allen R eg eln der K u n st verbundene und g este m m te T iscliler- und Z im m erarbeit schon dam als n ich ts U n g ew ö h n lich es mehr war. A u ch d iese A rb eiten sind m itsa m t den eisernen W e r k ­ zeu gen E rzeu g isse röm isch er K u n sttä tig k eit.

E in K ap itel für sieh w ären ferner d i e H e i z - u n d B a d e ­ a n l a g e n , so w ie die B e - u n d E n t w ä s s e r u n g m it allen ihren tech n isch en E in zelh eiten . A u ch hierbei h a n d elt es sich w ieder um E rru n gen sch aften einer höheren K u ltu r, w elch e den G erm anen noch fremd, e r st von den röm ischen H eeren m itg eb ra ch t wurden.

D ie ch a ra k teristisch e F u ß b od en h eizu n g m it H y p o k a u sten is t in ihren versch ied en en A b arten o ft au f der S aalb u rg v ertreten . D a s S y stem is t einfach. D er auf P feilern h o h lg e le g te E strich ­ fußboden w ird v o n einem Praefurnium von außen erw ärm t, die aus H olzk oh len feu eru n g g ew on n en e w arm e L u ft str e ic h t zw isch en den P feilern um her und zirk u liert an den W än d en in H eizkanälen.

E infacher is t die K an alh eizu n g, bei w elcher sich die w arm e L u ft in klein en d irek t u nter dem Fußboden lieg en d en K anälen b ew egt.

D aß aber dabei in u n tergeord n eten R äum en auch offene F euer vorhanden w aren, is t fe s tg e s te llt . W ie g u t sich ein so lch es | g e sc h lo sse n e s S y ste m b ew ährt, h a t die R ek on stru k tion erw iesen.

S ow oh l in ein ig en klein en R äum en des P ra eto riu m s, wo die einfache B eh e iz u n g m it H olzk oh len sta ttfin d et, w ie auch im H orreum , w o eine m odifizierte röm ische H eizu n g für das M useum u nter V erw endung einor großen O fenanlage m it K ok sg ru sfeu eru n g an gow en d et is t, h a t sich ein seh r g ü n stig e r H eizeffekt erzielen la ssen . E n g m it d iesen H eiza n la g en hängen die B ad ean lagen zusam m en, w elch e die zu so r g fä ltig e r Körporpflego erzogenen Röm er auch vor dem F eindo n ic h t m issen w o llten . A u ch in ihrer A n la g e h a tte der röm ische S o ld a t groß e E rfah ru n g und w ir m ü ssen h eu te bedauern, daß u ns so w en ig von den E in zelh eiten w ie vom Oberbau d ieser B äder erh alten geb lieb en is t. A eh n lich w ar es m it der B e- und E n tw ä ssern n g au f der S aalb u rg. W enn w ir sehen, w ie w eit u n sere L an d b evölk eru n g zum T eil h eute noch in allem , w a s die H y g ien e a n b elan gt, zu rü ck steh t, so dürfen w ir auch h ier den R öm ern u n sere A c h tu n g n ic h t versagen . S o lb st in einer so b escheidenen A n la g e , w ie unserem G renz­

k a ste ll, b esitzen w ir g a n ze S y ste m e von K anälen, a u sg e s c h a lt m it H olzbohlen, au sgem au ert oder in T onröhren. A u ch L atrin en , die bei einer A n sa m m lu n g von M enschen a u s G esu n d h eits­

rü ck sich ten dringend erforderlich w aren, sind aus einzelnen R astollen bekannt. D aneben feh lt keinem B au eine Z istern e oder ein Tiefbrunnen und w ir keim en h eu te im g a n zen G ebiet sch on 90 B runnen in H olz und S te in neben zah lreich en kleineren Z istern en und größeren B a ssin s. S ü d lich vom K a stell h a t der K om m andant der B e sa tz u n g an einer frischsprudelnden Q uelle den N ym phen ein H eilig tu m g e w e ih t. D a uns aus dem p rim itiven Loben der Germ anen auch nach d ieser R ic h tu n g hin n ich ts bek an n t is t, w erden w ir auch hier w ieder die Römer a ls d iejen igen anzusehen haben, w elch e, b eg a b t m it reichen b ergm ännischen und g eo lo g isch en E rfahrungen, bahnbrechend g e w ir k t haben.

W a s, abgesehen von diesen rein te c h n is c h -k o n s tiu k tiv e n D in g en , d i e K u n s t f o r m e n a n la n g t, so is t das, w as davon er­

h alten is t, im Grunde einfach, w ie es die M ilitärarch itek tu r und der M angel an g eeig n etem M aterial m it sich brachte.

R ü ck sch lü sse erlauben h ier nur die U eb erreste der K lein k u n st, deren P rod u k te in u n g ezä h lten B eisp ielen u n ter den S a a lb u rg ­ funden v o rlieg en . A b er auch nur eine ob erflächliche B eh a n d lu n g dieser k lein gew erb lieh en L e istu n g e n würde über den Rahm en d ieses V o rtra g es hin au sgeh on . U n erlä ß lich is t aber ih r S tu d iu m deshalb, w eil gerad e die K leinfunde u ns am b esten durch die A uffindung der F abriken über die W e g e aufklären, w elch e der röm ische Im port und dam it g a n z e K u ltu rzw eig o genom m en haben oder, wo diese z e itlic h fe s tg e lc g t sind, u n s für die G e­

sch ich te des A b sa tz g e b ie te s se lb st w ertv o lle A u fsc h lü sse liefern.

G riech isch e, röm ische, g a llisc h e und g erm an isch e E lem en te sind in der P rovin z durch V e r m ittlu n g der S o ld a ten zu einem p rovinzialen S t il zusam m en geflossen , d essen B e sta n d te ile e r st nach und n ach h erau szu sch älen g elin g en w ird. V or allem bilden deshalb se lb st u nscheinbare K lein b ron zen , Sch m u ck und Z ierrat je d e r A rt, n ic h t z u le tz t die K eram ik, überhaupt allo O bjekte, eren F orm en einer stä n d ig w ech seln d en Mode u n terlieg en ,

G egen stan d besonderen S p ezia lstu d iu m s n ic h t nur für dio E n t­

w ick lu n g röm isch er-germ an isch er K u n st, sondern vor allem für die C hronologie. S tü c k e au s echtem M aterial sind darunter b eg reiflich erw eise ä u ß erst selten . B ezeich n en d für alle is t aber s t e ts eine b ew u ß te Z w eck m äß igk eit, eino nach ah m en sw erte B e ­ h andlung des M aterials und ein oinfach so lid e s D ekor, das sich oft nur au s P u n k ten , K reisen und L in ien g e sc h ic k t zusam m en­

se tz t. W a s hier von röm isch en Form en in die g erm an isch e K u n st eindrang, is t, w enn auch m ehrfach s t ilis ie r t uud v er­

m isch t, in sein em K erne n ie w ieder verloren g eg a n g en . D ie se E lem en te von neuem aufzu greifen , w äre ein dankbares F eld für das m oderne K u n stg ew erb e, das ja hier und da angefangon hat, se in e G eb rau ch sm u ster w ieder a u s der an tik -röm isch en K u n st zu entlehnen.

Ich kom m e h ierm it zum e i g e n t l i c h e n W i e d e r a u f b a u , der A u fg a b e, die uns se it m ehr a ls zeh n Jah ren b esch ä ftig t. D er G edanke, die S aalb u rg, oder w e n ig ste n s einen T eil derselben aufzubaueu, is t alt. S chon in der M itte des v o rig en Jah rh u n ­ derts is t m it B e z u g au f die F ü rso rg e Friedrich W ilh elm s IV . für F ließ em bei T rier der W u n sch rege g ew ord en , daß „auf der S a a lb u rg ein es der a lten R öm orgebäude w ied erau fgeb au t w ürde und die a lten S ch ä tze u m sch lö sse; hierdurch w ürden d iese e r st den h ö ch sten W e r t für den B etra ch ter erhalten, w ürde die alte S a a lb u rg den B esu ch ern d es B ad es H om burg den größten Genuß g ew ä h r e n .“ E in e V era n la ssu n g , ern stlich d ieser F rage näher zu treten , g ab en erst, nachdem w ährend einer la n g en R eihe von Jahren um fangreiche A u sg ra b u n g en die B ed eu tu n g des K a s te lls für die g e sa m te A ltertu m sfo rsch u n g in d a s rech te L ic h t g e s e t z t h a tten , die V erh an d lu n gen über die U n terb rin g u n g der­

je n ig e n F unde, w elch e bei den U n tersu ch u n g en der R eich slim es­

k om m ission erhoben w aren, in einem gem ein sam en M useum . A lle n S c h w ie r ig k e ite n , w elch e sich w egen der W a h l des O rtes h e r a u sste llte n , w urde durch die am 18. O ktober 1 8 9 7 ergan gen e E n tsch eid u n g u n seres K aisers die S p itze abgebrochen, „das P raetorium der S a a lb u rg a ls L im esm u seu m w ieder au fzu b au en .“

D ie R eich slim esk om m ission u nter dem V o rsitz M om m sens b e­

g rü ß te diesen E n tsch lu ß „als den w issen sch a ftlich en In ter­

e s s e n , w ie denjen igen des a llgem ein en P u b lik u m s durchaus en tsp rech en d .“ „ B ild et d o ch “, h eiß t es in dem D ankschreiben an S. M. den K aiser w eiter, „ d ieses b esterh a lten e K a ste ll einen M ittelp u n k t der röm ischen G ren zan lagen , d essen j e t z t sch on so in h a ltsr e ic h e s M useum , noch v erm eh rt durch ü b ersich tlich e Z u sam m en fassu n g der im G esa m tg eb iet des L im es gem ach ten F unde, im V erein m it dem N atu rb ild , im Z entrum des großen W e ltv erk eh rs, g le ic h g e e ig n e t sei, D eu tsch en w ieA u slän d orn , G e­

leh rten und U n g eleh rten h oh es in t e r e s s e und reiche B eleh ru n g zu b ieten , auch n ic h t z u le tz t die L im esarb eiten des D eu tsch en R eich s in der öffentlichen G eltu n g w ü rd ig zu krönen und ih re E rg eb n isse dauernd zu b ew ah ren .“

M it der A u sfü h ru n g w urde der B a u ra t J a co b i zu H om burg, der s e it Jahren die A u sg ra b u n g en g e le ite t und die F u n d e in einem von ihm g eg rü n d etem M useum zu H om burg v e r e in ig t h a tte, b etra u t und nachdem der preu ß isch e L a n d ta g die v er­

la n g ten M ittel g en e h m ig t h a tte, k on n te schon am 11. Ok­

tober 1 9 0 0 , röm ischem B rauch folgend, feierlich der G rundstein zum P raetoriu m g e le g t w erden. V or dem B eg in n der A rb eiten w ar eine gen au e A ufnahm e dos besteh en d en Z u sta n d es erfolgt und durch den G eheim en B au rat D r. M e y d o n b a u e r das gan ze K a stell in zah lreich en E in zelb ild ern p h otogram m etrisch auf­

genom m en.

D a s hohe In te r e sse , w e lc h e s W ilh elm II. diesen A rb eiten dauernd w id m ete, verm eh rte m it dom zunehm enden B esu ch auch die Z ah l der Gönner, so daß es m ö g lich w urde, u n ter d auern­

der U n t e r s tü t z u n g des preußischen K u ltu sm in isteriu m s aus S ta a ts- und P r iv a tm itte ln im A n sch lu ß an das P raetoriu m m it der Z eit auch das H orreum a ls besonderes Saalb u rgm u seu m , das Q uaestorium a ls B u reau und sch ließ lich a ls n a tü rlich ste U m ­ w eh ru n g die b ereits an der P o rta decum ana begon n en e R in g ­ m auer m it ihren Toren und T ürm en v o llstä n d ig w ied er aufzu­

bauen. D ie se B a u ten sin d je t z t b een d et und m it der A u fs te l­

lu n g der F u n d e in den einzelnen R äum en b egonnen; im vorigen H e r b st w urde b ereits der h u n d ertta u sen d ste B e su c h e r s e it der E röffnung des Saalb u rgm u seu m s am 17. J u n i 1907 g ezä h lt.

D ie e r s t e n A u s g r a b u n g e n g eh en in das E nde des 18. J a h r­

hu n d erts zurück, w urden aber dam als vom R e g iern u g sra t N eu h o f nur in gan z g erin g em U m fa n g e b etrieben. F o r tg e s e t z t sin d sie dann am A n fa n g des 19. J a h rh u n d erts durch U nberufene, bis die um die S aalb u rg h och verd ien ten H om burger L an d grafen

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Nr. 52. V . Jahrgang W ochenschrift des A rch itek ten -V erein s zu Berlin

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H in tergru n d eine M ilch g la ssch eib e b ild et, vor der sich ein roter S treifen um ein e zur B ild eb en e sen k rech te A c h se b e w e g t (s. A bb. 374). In der H a lts te llu n g des S ig n a ls lie g t der S treifen w a g erech t, w ährend er in der F a h r tste llu n g um 4 5 0 nach re c h ts oder lin k s oben ged reh t is t , je nachdem der frei­

zu gebende F a h rw eg nach lin k s oder rech ts g e r ic h te t is t. Im a llgem ein en is t für jed en abzw eigen d en F a h rw eg ein beson d eres S ig n a l a u fg e s te llt. B ei d iesen S ig n a len d reht sic h der S treifen nur in der einen R ich tu n g . Zur E rsparnis von S ig n a len is t aber auch an m anchen S te lle n für zw ei F a h rw eg e ein g e m e in ­ sam es S ig n a l angeord n et. D er S treifen n im m t dann bei freier F a h rt en tw ed er die 4 5 ° - S t o llu n g nach rech ts oder lin k s oben ein. W ährend der D u n k elh eit w ird die M ilch g la ssch eib e durch eine elek trisc h e G lühlam pe von h in ten h ell erle u c h tet, ein m erk­

lich er U n tersch ied zw isch en dem T a g e s- und N a ch tsig n a lb ild is t deshalb n ic h t w ahrzunehm en.

D ie A n trieb v o rrich tu n g en d ieser S ig n a le sind sehr einfach a u sg e b ild e t (s. A bb. 3 7 5 ). D er S ig n a lstro ifen is t m it einem D op p elan k er b au f einer gem ein sam en A c h se a g e la g e r t. D en A n kerenden geg en ü b er befinden sich zw ei E lek tro m a g n ete k t und k2. W ird durch das U m le g e n d es S ig n a lh eb els im S te ll­

Alib. 373, Stellw erksplan des St. Enoch Bahnhofs in Glasgow (ü la sg o w e r und Südw est Eisen­

bahn)

F riodrich J o sep h und F erdinand d iesen U n fu g n ich t nur dadurch steu erten , daß sie den b erufsm äßigen S ch a tzg rä b ern ein für allem al das H andw erk le g te n , sondern, w a s von ein sch n eid en d ster B e d eu tu n g w ar, in r ich tig er W ü rd igu n g der h isto risch en B e ­ d eu tu n g der S aalb u rg, den ga n zen W ald m it den R esten des K a s te lls 1821 käu flich erw arben. D a m it w ar auch dem A bbruch der M auern ein für allem al E in h a lt g eta n . D as w ar ein ra tio n elles und bei den b esch eid en en V er h ä ltn isse n d es L an d es ga r n ic h t hoch g e n u g a n zu sch la g en d es und n a ch ah m en sw ertes B eisp iel von prak­

tisc h e r D en k m alp flege! W ir danken diesem E in greifen der L a n d ­ grafen die E rh a ltu n g der S a a lb u rg ! In den fü n fziger Jahren finden au s M itteln der K u r h a u sa k tie n g e se llsc h a ft zu H om burg u m fangreiche A u sg ra b u n g en durch den n a ssa u isch en A rch ivar H ab el s ta tt, aber erst 1870 begannen sy s te m a tisc h e U n te r su c h ­ u n gen durch den K on servator, O berst von C ohausen au s W ie s ­ baden, dem für die S aalb u rg sein späterer N ach fo lg er zur S e ite tra t. D ie sta a tlich en A u fw en d u n g en , w elch e das E in greifen K aiser W ilh elm s I. zu den n o tw en d ig sten In sta n d setzu n g sa rb eiten erm öglich te, w aren seh r g e r in g ,'a u c h die U n te r stü tz u n g p riv a ter

G önner erlaubten nur A u sg ra b u n g en in kleinerem U m fan g. E r st das hohe In teresse, w elch es der n ach m alige K a iser F riedrich III.

und sein e k u n stsin n ig e G em ahlin dauernd der S a a lb u rg zu w andteu, h a t allm ählich den Grund g esch a llen , auf w elch em w eite r g e a r b e ite t und nach Jah ren so r g fä ltig ste r vorbereitender F o rsch u n g der W iederaufbau dos K a s te lls untornom inenw erden konnte.

D aß d ieser W iederaufbau des in nur w en ig en K reisen b e­

kannten L im e s k a ste lls B ed en k en erregen w ürde, die sich te ils in einer bew ußten U eb ertreib u n g der h isto risch en und k ü n st­

lerisch en B e d e u tu n g ein es G ren zk a stells, te ils in Z w eifeln an der A u sfü h rb a rk eit d es U n tern eh m en s u nter v o llstä n d ig e r V e r ­ k en n u n g sein es Z w eck s äußerten, w ar v o rau szu seh en , n ic h t zu reden von den V o ru rteilen der R uinenschw ärm er, w elch e hier die u n ersetzlic h e n V e r lu ste für die h isto risch e E rk en n tn is und die P o e sie des P la tz e s bew ein ten . V orher, a ls die Trüm m er der S a a lb u rg m ehrm als in Gefahr w aren, abgebrochen zu w erden, h a t sic h niem and g erü h rt. Im G eg en teil, die w en igen B esu ch er sind oft e n ttä u sc h t und v o ll S p o tt über die un sch ein b aren M auerreste d a v o n g eg a n g en . (F o rtse tzu n g folgt)

Neuere Signalemrichtungeii auf englischen Bahnhöfen

Nach einem im A rchitekten-V erein zu Berlin g eh altenen V o rträg e vom R egieru ng sbau m eister L am p

S ta tt Schluß, F o rts e tz u n g au s N r. 40, Seite 317 V . D i e R a n g i e r s i g n a l a n l a g e n d e s S t . E n o c h - B a h n h o f s

in G l a s g o w

A eh u lieh w ie v o r dem U m bau des Z entralb ah n h ofs w urden auch vor der ein ig e Jah re früher erfo lg ten U m g e sta ltu n g der B ah n an lagen des S t. E n och -B ah n h ofs in G lasgow , des E ndbahn­

hofs der G la sg o w er und S ü d w est-E isen b a h n , eingehende V ersu ch e m it den zur V erw en d u n g in B e tr a c h t kom m enden S te llw e r k s ­ bauarten a n g e ste llt. D a s E rg eb n is d ieser V ersuche b estim m te den B e tr ie b s le ite r der B a h n g e se llsc h a ft, Mr. E. C. C ockburne, sich für die A n w en d u n g des elek tro-m ech an isch en S y ste m s der F irm a W . R. S y k e s In terlo ck in g S ig n a l Co., L td . in L ondon zu en tsch eid en , bei dem die S ig n a le durch E lektrom otoro und die W eich en m itte ls G a sro h rg estä n g e g e s t e llt w erden. V o n der E in fü h ru n g ein es rein en , elek trisc h e n S te llw e r k sy ste m s w urde a b g eseh en , w eil hierbei die W e ic h e n s te llu n g nach den an­

g e s te llte n V ersu ch en um 50 v. H. höhere B etrie b s- und U n ter­

h a ltu n g sk o ste n erfordert h ä tte, und k ein e diesem M ehraufw audo en tsp rech en d en E rsp a rn isse an P erso n a lk o sten zu erzielen w aren.

E in e b em erk en sw erte N eu eru n g ste lle n die a u f diosem P er­

sonenbahnhof zum ersten M ale an gew an d ten R a n g iersig n a l­

an lagen dar. D er g a n ze B ah n h of, d essen G leis- und S te llw e r k s­

plan A bb. (373) wiedergibt', is t für die S ich eru n g der R an gier­

fahrten in beiden R ich tu n g en in etw a 2 5 0 G leisa b sch n itte ein ­ g e te ilt , die alle durch besondere, elek trisc h an gotrieb en e V e r ­ sc h ie b e sig n a le ged eck t sind. L e tz te r e könnon nur g ezo g en w erden, w enn dio für die R an gierfah rt in B e tr a c h t kom m enden W eich en r ic h tig lie g e n und kein fein d lich es B etrie b s- oder anderes R a n g iersig n a l au f F a h rt ste llt.

Ihrer F orm nach u n tersch eid en sic h die n euen R an gier­

sig n a le gan z w esen tlich von den so n s t ü b lichen B etrie b ssig n a len . S ie b esteh en aus einem runden gu ß eisern en G ehäuse, dessen

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W ochenschrift des A rch itek ten -V erein s zu Borlin Sonnabend, 24. D ozem ber 1910

w erk der S trom k reis g e sc h lo sse n , so durchfließt der elek trische Strom die Spulen der M agn ete, w odurch der D oppelanker an ­ g ezogen und m it ihm der S ign alstreifon um 4 5 ° ged reh t w ird.

B eim A u sse h a lte n des S trom es fä llt der S treifen , der e tw a s über seinem S ch w erp u n k te g e la g e r t is t, von s e lb s t in die H alt- , lä g e zurück.

Im A u ß en stellw erk sb ezirk am ö stlich en E nde des B ah n h ofs sind 60 und im Innenbezirko 173 solch er R a n g iersig n a le auf- g e s t e llt ; von letzteren sind 40 D o p p elsig n a le für zw ei F a h rw eg e.

D en für das B ew eg en säm tlich er B etrie b s- und R a n g iersig n a le erforderlichen elek trisc h e n S trom liefern A k k u m u latoren b atterien , die im E rd g esch o sse der beiden S tellw erk stü rm o u n terg eb ra ch t | sind. Ihro K apazität i s t so bem essen, daß sie nur alle drei bis vier W och en neu gelad en w erden m üssen.

B eson d ere W eich en sig n a le sind a u f dem B ahnhofo n ich t vorhanden, die j a auch nach unseren A n sch a u u n g en in sin n ­ g em äßer A u sle g u n g der B estim m u n g en der B etrieb so rd n u n g (§ '21 [11]) en tbehrlich sind. V or A u fste llu n g der R a n g ier­

sig n a le erfo lg te die V erstä n d ig u n g bei V ersch ieb efah rten durch F la g g e n - und L a tern en sig n a le. Z ur L e itu n g des R an g ierd ien stes w aren außer den S tellw erk sw ä rtern stä n d ig 3 B eam te erforder­

lich . D u rch die in fo lg e dor E in fü h ru n g d es R a n g ie r sig n a l­

s y s te m s ein g etreten en M inderausgaben an P erso n a lk o sten und die durch den W e g fa ll der W eich en latern en erzielten E rsp arn isse an B ele u e h tu n g s- und U n terh a ltu n g sk o sten sollen die A n la g e - und B etrie b sk o sten der neuen R a n g iersig n a lein rich tu n g en nahezu

g ed eck t w erden. V on der A n w en d u n g d es nouen S y s te m s vor- sprach m an sich abor auch ein e E rh ö h u n g der B etr ie b ssic h e r h e it au f dem B ahnhofe. N ach den b ish erigen E rfah ru n gen sollen dio in d ieser H in sic h t g e h e g te n E rw artu n gen in E r fü llu n g g e ­ g an gen sein . W äh ren d früher bei dem großen V erkehr des B ahnhofs v erh ä ltn ism ä ß ig h äu fig E n tg le isu n g e n und Z usam m en­

stö ß e bei V ersch ieb efah rten vorkam en, h at sich s e it m ehreren Jah ren kein n en n en sw erter U nfall m ehr ereig n et. Trotzdom d ürfte den R a n g iersig n a la n la g en insofern ein g e w is s e r b etrieb ­ lo ser N a ch teil anhaften, a ls bei der groß en Z ahl der d ic h t n eben­

einander a n g eo rd n eten , v ö llig g le ic h a r tig e n S ch eib en sig n a len V erw ech slu n g en von S ig n a len im m erhin n ic h t g ä n zlich a u s ­ g e sc h lo sse n sind. D aß so lch e B efü rch tu n g en b esteh en , g e h t auch au s ein zeln en in der S ta tio n sfa h ro rd n u n g en th a lten en be­

sonderen A n w e isu n g e n für die L ok om otivfü h rer hervor. D em neuen S ig n a lsy ste m w ird auch nach gerü h m t, daß es den R an gier­

d ien st b esch leu n ig en h ilft. B e i der alten R a n g ierw eise w ar die bei B en u tzu n g der H a u p tg le ise n o tw en d ig e V e r stä n d ig u n g zw isch en der R a n g iera b teilu n g und dem fah rd ien stleiten d en W eich en steller im m er m it einem g e w iss e n Z e itv e r lu st verbunden, sofern sich der R a n g ierzu g n ic h t in erreichbarer N äh e des S te llw e r k stu r m e s befand. Jotzt: kann der W eich en steller dio R a n g iera i'teilu n g unbedenklich bis in die N ähe der G efa h rstelle vorrücken la sse n und s ie sofort, nachdem die H a u p tg lo ise freigew orden sin d , durch Z iehen des R a n g io rsig n a ls zur W eiterfa h rt erm äch tigen .

(Schluß folgt)

Aus dem Bericht des Preisgerichtes über den Wettbewerb Groß-Berlin

F o rtse tz u n g au s N r. 61 a, S eite 343

E n tw u r f: „ D e n k an k ü n f t i g “ . V erfasser: Stadtbaurat a . D . P rofessor J o s e p h B r i x zu Cbarlottonburg. G eheim er H ofbaurat P rofessor F e l i x G e n z m e r zu B erlin und H och bah ngesellschaft zu B erlin — ein erster P reis

So worden fehlende Verbindungen, die jo tz t led ig lich als U n ­ bequem lichkeiten empfunden werden. Zw ischenverkehrsknotenpuukte, fehlende F ortsetzu n gen an Straßen und U m w ege sich in 3 0 —40 Jahren zu schw eren M ißständen ausw achsen.

D ie Verfasser em pfehlen deshalb, da das G esetz g eg en V eru n staltu n g von Straßen und P lä tzen nicht angow endet werden könne (d h. nieht ausreiche), den Erlaß ein es S o u d erg esetzes m it der W irk u n g, daß dio kü nftigen H auptgrundlinien von Groß-Berlin resp ek tiert werden m üssen.

Im vorliegenden E ntw urf is t auf dio V erkehrsfrago ein H aupt­

g ew ich t g e le g t; nam entlich sind für die G estaltu ng des Fern- und V orortverkehrs bedeutsam e L ösu n gen vorgesch lagen, die dem w ach­

senden V orkehr R echnung tragen, berechtigten A nforderungen en t­

sprochen und auch tech nisch und w irtschaftlich durchführbar er­

scheinen. Dabei is t der leiten do Gedanke, daß in gleich er W eise, w ie die Stadtbahn G roß -B erlin m it vielen Bahnhöfen von O sten nach W e ste n durchzieht, auch eino Nord-Stldverbindung der im N orden und Süden von B erlin endigenden Fern- und V orortbahnen geschaffen werden soll, und zwar unter m öglichster Schon un g der bestehenden A n lagen. D ie V erfasser halten e s n ieh t für zw eckm äß ig, den P o ts ­ damer und A n halter B ahnhof aufzugeben und durch einen w eiter ent­

fern t liegend en neuen Zentralbahnhof zu ersetzen , m achen vielm ehr die bestehenden B ahnhofsaulagen leistu n gsfäh iger und fügen zu den vorhandenen Stationen noch ein ige neue hinzu. S ie zen tralisieren also n ich t den V erkehr, sondern dezen tralisieren ihn, w as für W eltstä d te unbedingt richtig erscheint.

Der P otsdam er B ahnhof wird als Fernbahnhof aufgegeben und soll später led iglich dem Vorortverkehr dienen, während der A nhalter B ahnhof den gesam ten Fernverkehr der südlichen Bahnen aufnehm en soll. Um den Fernverkehr und Vorortvorkehr von diesen beiden Bahnhöfen durch Berlin nach N orden leiten zu können, so llen neben den bestehenbleibenden K opfstationen unterirdische Bahnhöfe an g eleg t werden. D abei sollen vier F ern gleise durch die K ön iggrätzer Straße am Brandenburger Tore vorbei nach einem neugeplanten Lehrter B ahn hof fuhren und zw ei V orortgleise die W annseeb ahn m it den V or­

ortbahnen des S tettin er Bahnhofs unterirdisch in Verbindung bringen.

Am Brandenburger Torplatze so ll an den F ern gleisen eine H ofstalion oin gerich tet werden. A n den V oro rtg leisen soll gleich ia lls eine H a lte­

ste lle a n g eleg t werden, von der eine A b zw eigu n g nach der Lehrter Vorortbahn führen soll. D ie durchgehenden F ernzügo der A nhalter und Potsdam er Bahnen sollen über den Lehrter und Gesundhrunnen- B ahnhof hinaus bis zu einer Z ugbildungsstation im Norden (Pankow) geführt werden, während die W eiterfü hrun g der F ern zü ge der Lehrter, der S tettin er und der Nordbahn südw ärts über den A n halter B ahnhof hinaus bis zu einer Z ugbildungsstation im Süden (T em pelhof) s ta tt­

finden soll. A u f diese W e is e is t es m öglich, die bei den heutigen K opfbahnhöfen befindlichen Zugbildungsanlagen w eiter hinaus zu ver­

legen und das hierdurch freiwerdende Gelände zur E rw eiteru ng der Eisenbahnanlagen (P ost, E ilgu t), sow ie für die V erb esseru n g der Straßenverbindungen auszunutzen.

Dio G örlitzer Bahn soll ihre F ernzüge an dio Stadtbahn abgeben, w elch e m it einem dritten G leispaar zu verseh en ist, und so ll als Vor­

ortbahn zw ischen Grünau— G örlitzer B ahnhof bis an das städ tisch e Schnellbahnnetz verlängert werden. A ufgegeben wird nur der heutige L ehrter Kopfbahnhof, an dessen S te lle der neue Lehrter Bahnhof tritt. D a der S tettin er B ahn hof und der A nhaltor B ahnhof nach w ie vor als K opfstation zur B ew ältigu n g des M assenverkehrs (Forienver- kehrs) erhalten bleiben, ferner Itlr U m steig em ö g liclik o it an der R in g­

bahn V orsorge getroffen ist, so kann angenom m en werden, daß durch die geplanten A n lagen der V erkehr für die nächsten 2 0 —30 Jahre b ew ältigt w erden wird.

D ie G üterbahnhöfe sind an ihren bisherigen S tollen belassen, was durchaus zw eckm äß ig ersch eint; der P otsdam er und A n halter Güter­

bahnhof m ußten in lo lg e der geplanten E isenbahn- und Straßenanlagen jed och eiuer A enderuug unterworfen werden.

Die im Entw ürfe vorgesehenen sieben Stad tschnellbahnen zeigen beachtensw erte V orschläge für den Aushau der bestehend en Bahnen und die E rgänzung geplauter Bahnen, w enn gleich die L inienführung einzelner Bahnen, z. B. die der Schöneberger L inie, n ich t einwandfrei erscheint.

Für die A u sgestaltu n g der Straßenbahnen sind ebenfalls zw eck- j m äßige V o rsch läge g em ach t worden, auch kann dio geplante U m ­ g eh u n g des Brandenburger T orplaizes als eine w esen tlich e V erbesse­

rung des je tz ig e n Z ustandes angesehen werden.

Im allgem ein en Grundlinienplan is t das je tz ig o G eb iet von Berlin nur von den vorhandenen G ürlelstraßen als G rüngürtel durchzogen gedacht. E rst w eit draußen zieh t sich hin ter dem geplanten N ord­

kanal und noch in beträchtlicher Entfernung von diesem ein breitere F lächen zeigen der Grünstreifen.

Die V erfasser leg en zunächst W e r t darauf, „die City markant herauszuheben“ durch Gronz- und T eilun gsstraß enlinien Der S ch n itt­

punkt U n ter den Linden Friedrichstraße soll als M ittelp unkt heraus­

gehoben, zu einem großen P la tz a u sg csta lte t w erden und durch große Trium phbogen g eg en Norden und Süden die Friodrichstraße unter­

brechen. A n den G em arkungsgrenzen sollen „zur O rientierung“ P la tz ­ bildungen angeordnet w erden und als neue T orplätze die H aup tein­

gangspforten zur In nenstadt bilden.

D en W a ld in der U m gebung von G roß-Berlin w ollen dio V er­

fasser m ö g lich st unverändert erh alten , das W iesen g o b iet dagegen durch U m w andlung von R ieselfeldern, für die w eiter außerhalb Ersatz geschaffen worden so ll, beträchtlich erweitern. E in T eil der aufzu­

hebenden R ieselfeld er so ll auch zur A n lage von G artenstädten ver­

w en d et w erden. So is t eine solche bei dem G u tsh of H einersdorf sü d ­ lich von L ankw itz auf dem je tz ig en R ieselfeld geb iet, eino andere sü d­

lich der C harlottenburger R ieselfeld er zw ischen H avel und G lienicker S e e , w eiter eine G artenstadt D iepenspe und ein e solch e M llggelsheim

■ im Sü dosten geplant, ferner Landhausansiedelungen bei Blum berg und A h rensfelde m it Friedhof. H och im N orden und in der Nähe dos T eg eler S e e s sind W ald sied elu n gen — bei ersterer auch ein W a ld ­ friedhof — geplant. (F o rtse tzu n g folgt) F ü r die Schriftleitung v eran tw o rtlich : B a u ra t hl. G u t h in Berlin tV. 57, B ülow str. 35

C arl lley m an as Verlag in B erlin W .8, M anerstr. 43/44 — G edruckt bei Jo ü n s Sittenfeld, H ofbnchdrucker., B erlin W. 8, MauerstT. 43/44 Nr. o2

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W o c h e n s c h r i f t d e s A r c h i t e k t e n - V e r e i n s z u B e r l i n

H E R A U S G E G E B E N VOM V E R E IN E

N u m m e r 5 2 a B e r lin , M ittw och den 28. D e z e m b e r 1910 V. Jahrgang

Alle R e ch te v o ibe halien

Das Schiiikelfest des Architekten-Vereins zu Berlin im Jahre 1010 Der Wiederaufbau des Römerkastells Saalburg

F e s tv o rtra g des L an d b a u in sp e k to rs J a c o b i au s H om burg v o r d er H öhe

F o rtse tz u n g -a u s N r. 52 Seite 347

Abb. 370. Uns P rü to riu m vo r dem W iederaufbau

eine H erren! W en n S ie m it ein ig er A u fm erk sa m k eit m einem Y o rtra g e g e fo lg t sind und sich von der auf sich eren G rundlagen ruhenden h isto risch en E n tw ic k lu n g der S aalb u rg und ih rer k u ltu rh isto risch -tech n isch en B ed eu tu n g einen un­

gefäh ren B e g r iff g e m a c h t haben, w erden Ih n en d iese B edenken v ie lle ic h t in etw a s anderem L ic h te erscheinen. W ie w ir sahen, i s t die S a a lb u rg ein m it den e in fa ch sten M itteln errich teter M ilitärb au , eine K om m ißkaserne nach Sch em a F , w ie so v iele andere an den d eu tsch en , österreich isch en , en g lisch en und afrik an isch en M ilitärgren zen . Ih r Grundriß au s der le tz te n P erio d e is t ein h e itlic h und ohne sp ätere Z u ta te n g u t erh alten . J e d e n fa lls w aren die M au erreste hoch g e n u g , um die K on ­ str u k tio n d es M auerw erk s und m ancherlei D e ta ils d eu tlich er- konnen zu la s se n , so daß es sich e ig e n tlic h eher um die V o llen d u n g ein es an g efa n g en en B a u w erk es a ls um einen N eubau handelte. D a s ihm w ie allen röm ischon L a g ern zu gru n d e lieg en d e B auprogram m s t e h t s e it lan gem fe s t und die B estim m u n g der H au p tgeb äu d e außer Z w eifel. T ech n isch kam en w eder sc h w ie r ig e K on stru k tio n en , n och irgen d w elch e k om p lizierten S tilfr a g e n für den W iederaufbau in B e tr a c h t: g ew ö h n lich es j B ru ch stein m au erw erk ohne jed en Sch m u ck , ein fach e H olzb au ten , w ie sie der P io n ier ohne groß en A p p arat h erstello n kann, a lles au s an steh en d em M aterial n irgen d s a rch itek to n isch e G liederungen aus H a u stein en , bilden die S ig n a tu r der gan zen A n la g e . D a es sich um n ü ch tern e D ien strä u m e h an d elt, so fiel eine e ig e n tlic h e A u s s ta t tu n g im In n ern überhaupt von s e lb s t fort.

W ir sah en ferner, daß für die D u rch fü h ru n g der E in zelh eiten die E rg eb n isse aller e in sc h lä g ig e n U n tersu ch u n g en im m er w ieder darauf h in au slau fen , w ie die röm isch e T ech n ik , w elch e die S o ld a ten in ih rer H eim a t üb ten und durch ja h rela n g e P io n ie r ­ arb eit in den K olonien w e ite r verv o llk o m m n eten , eine H öhe erreich t h a tte, daß ihr kaum ein m odernes K o n s tr u k tio n sm itte l, kaum ein W e r k z e u g , u n serer Z e it frem d w ar. E s d urfte deshalb beim W ied erau fb au je d e s V erfah ren , jed e V erb in d u n g v o n H olz, S te in und E isen , w elch e den g esu n d en R egeln der K u n s t e n t­

sp rich t und sich m it ein fach en W erk zeu g en h e r ste lle n läßt,

unbedenklich und ohne die G efahr ein es A n a ch ro n ism u s a n g e ­ w e n d e t w erden. A lle r d in g s m u ß te der im G eiste se in e s röm ischen V o rg ä n g ers A u fb au en d e sich die E n tsa g u n g a u ferlegen , daß er von vorn h erein au f je d e s ihm etw a die A r b e it oder die K o sten er­

leich tern d e n e u z e itlic h e V erfahren w ie au ch a u f die V erw en d u n g m oderner B a u sto ffe V er z ic h t le iste te . D ie se r u n b ed in gte A n sch lu ß an die a lte Form und das vorhandene M aterial, d essen B e z u g s ­ quellen e r m itte lt w aren, b ed eu teten sch on den halben E rfolg.

S c h w ie r ig blieb nur der Oberbau m it sein en F e n ste r n , w ährend die D achfrago le ic h t zu lö sen w ar. B e i dem au s zw e i großen S älen z u sa m m en g esetzten H orreum w ar der Oberbau v e r h ä ltn ism ä ß ig einfach. A u ch beim P rätorium w ar er n ic h t sch w er, da die beiden Innenhöfo m it ihren U m g ä n g en sich ere A u sg a n g sp u n k te für die H ö h en v erh ä ltn isse des au fgeh en d en M auerw erks g e ­ w ährten. F ü r die groß e ab sch ließ en d e E x erzierh a lle m it ihren sta rk en U m fa ssu n g sm a u ern ergab sich die H öh e au s den R aum ­ v erh ä ltn issen von selb st. B e s tä t ig t w urde sie durch die h eu te noch steh en d e H a lle des L e g io n sla g e r s zu L am b essa. D a s is t ja g erad e das C h arak teristisch e für d iese R öm erbauten, daß w ir bei der U n iv e r sa litä t d ieser g a n zen K u ltu r w ie bei der A llg e g e n w a r t d erselben A rm ee in allen S trich en des R eich es allü b erall W erk e w iederfinden, w elch e der g leich e G eist, w ie dorselbo Z w eck m it d enselben M itteln in s L eb en rief. W ir können doshalb unbe­

d en klich jed es M otiv b en u tzen , m ag es im Sande der Sahara oder in den B erg en S ch o ttla n d s, a u f den H öhen des B alk an oder des T a u n u s an s L ic h t g eb ra ch t w orden sein. D aß m an m a n g els jed er Z eich n u n g n ic h t a lle E in zelh eiten g en a u so w ieder h e r ste lle n kann, w ie sie w aren, und w ie sie eine p ed an tisch e A u fla ssu n g , die sich z. B . n ich t d am it b eg n ü g t, B ru ch stein m au erw erk als so lc h e s, sondern jed en S te in und je d e M örtelfugo da w o sie vor 2 0 0 0 Jah ren -wirklich w ar, zu seh en , a ls u n erläß lich v o r a u ss e tz te , w ar selb stv erstä n d lich . F ü r den Z w eck des W ied erau fb au es kam es nur a u f den G esam teindruck an, w enn d ieser nur ein h eitlich und frei von A n ach ron ism en b lieb ; für je d e s ein zeln e S tü ck is t ü b rigen s der B e la g am O rt se lb st, an irgend einem g le ic h z e itig e n B au oder in einem anderen M useum vorhanden. (F o rtse tzu n g folgt)

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W och en sch rift des A rch itek ten -V erein s zu B erlin M ittw och, 28. D ezem ber 1910

Aus Anlaß der bevorstehenden J a h rh u n d ertfeier der B e r lin e r U n iv ersitä t im Oktober d. J. veröffentlichte der damalige Dekan der juristischen Fakultät, der Geheime Justizrat Professor Dr. J . K ö h le r im Tag folgendes: Bei der Jubelfeier der Universität Berlin wird man sicher allgemein mit Bewunderung auf alles hinweisen, was die Universität in diesem Jahrhundert geloistot hat. Sind ja doch ihre w issenschaft­

lichen Taten mit dem ganzen Leben unseres Volkes während dieser bedeutungsvollen Periode seiner Entwicklung verknüpft gewesen; wie denn auch die Universität zu jeder Zeit in den Tagen des Danioder- liogens des Volkes wie in der Periode seines kühnen Aufstrebens, kraftvoll bestrebt war, für die höchsten Güter der Nation zu wirken und den Problemen des Lebens gerecht zu werden. So sehr man nun mit berechtigtem Stolz die Vergangenheit unserer Alma mater bis in die Gegenwart hinein rühmt, so darf man sich gleichwohl nicht ver­

hohlen, daß eine höchst wichtige Frage in diesem entscheidenden Wendepunkt sich aufdrängt und uns nicht ganz ohne Sorgo läßt, nämlich die: W ird d ie U n i v e r s i t ä t a u c h fe r n e r e in e a l l e r e r s t e S t o l l e im G e i s t e s l e b e n u n s e r e r N a t io n u n d zu g l e i c h e r Z e i t im B i l d u n g s s t r e b e n d e r g a n z e n K u l t u r w e l t e in n e h m e n ? W ir d s i e n i c h t Z u r ü c k b le ib e n in v e r a l t e t e n F o r m e ln und B r ä u c h e n , n i c h t Z u r ü c k b le ib e n in V o r s t e l l u n g e n , d ie e h e ­ m a ls ih r e B e d e u t u n g h a t t e n , a b e r l ä n g s t ü b e r w u n d e n sin d ? U n d w ir d s i e s t o t s e in v o l l e s V e r s t ä n d n i s fü r d ie n e u e n F r a g e n z e i g e n , w e lc h e d ie Z e i t e n an u n s s t e l l e n ? Denn es ist nicht zu bezweifeln, daß wir an einer Periode der Wissenschaft ohnegleichen angelangt sind, wo unendlich viel gostürzt und unendlich viel Neues aufgeführtwird, so daß gar manches, was bisher felsenfest stand, ins Wanken geriet, und niemand kann bestreiten, daß wir uns in oinor Zeit bowogeu, wo die ersten Grundlagen unserer Erkenntnis in Frage gestellt werden und eino Menge von Erscheinungen, an denen man früher achtlos vorbeigegangon ist, uns mit ernsten Blicken anschauen. D ie ganze soziale Ordnung hat sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich um gestaltet; an Stelle des isolierten Einzelwesens sind mehr und mehr die Gesamtheiten getreten; Erscheinungen, die man als die unverbrüchlichen Normen ansah, sind in ihrer Relativität erkannt worden, und Dingo, die bisher mißachtet beiseite lagen, drängten sich uns als notwendige Kulturelemento auf.

Als ehedem neben dem Christentum dor Kultus des Altertums auf­

kam und die Renaissance ihre Normen für das Studium des Wahren und Schönen schuf, trat eino neue Zeit ins Worden; als an Stolle des Schola­

stizism us die Systeme eines Cartesius, Leibniz, Spinoza, Hume und Kant auftauchten, kam die W elt in gew altige Gärung; als aber dann die fran­

zösische Revolution und die Befreior Nordamerikas die Grundsätze der Mensclienrochte aufstellten, glaubte man eino Zoitlang, daß die staatliche Organisation auf einem Höhepunkt angelangt soi; die Philosophie warf alle Schranken ab und schwelgte indenkühnstenKonstruktionen; unddoch schien die Beschäftigung mit dem Altertum stets noch die unerschütter­

lichen Ideale für die Kunst zu bieten, und m itten in der Periode modern­

ster Umwandlung vertiefte man sich in die Schätze des altgriechischen Lebens; Klassizismus und Pseudoklassizismus begegneten sich.

J etzt erblühten aber die Naturwissenschaften auf dem Boden völliger Voraussetzungslosigkeit mit neuer Kraft. Allmählich und zögernd wurde auch das Völkerleben durchforscht, und man erkannte, daß die Bildungsgabon des griechisch - römischen Altertums nur ein kleiner A usschnitt der ungeheuren Kulturergebnisse sind, welche die alten Zeiten geschaffen. Man erkannte die gew altige Bedeutung des indischen wie des semitischen Altertums, und Ostasion mit seinen Schätzen wurde den staunenden Europäern vertraut. Damit war auch die ganze Norm, welche das klassische Altertum für Kunst und Philo­

sophie geschaffen hatte, erschüttert, und neue Ideale mußten sich auf­

tun. Ja, man kam dazu, die vorher so verachteten Naturvölker zu studieren, und erkannte, daß in ihrer Sprache wie in ihren R eligions­

einrichtungen die Ergebnisse tausendjähriger Entwicklung onthalton sind. Die I le e der Einheit des M enschengeschlechts machte weitere Fortschritte, und die anthropologische und ethnologische Forschung lebte auf. J e tz t mußte auch die Lehro von den ökonomischen Ge­

setzen eine ganz andere Gestalt einnehmen, und auch für die Rechts­

forschung ergab sich ein neues Reich des Studiums. Schon hatte die Kunde des germanischen Altertums das einseitige Studium der griechisch- römischen Bildung zurückgodrängt; schon hatte die vergleichende Sprachwissenschaft an Stelle des einseitigen Klassizismus eine neue A rt der Philologie goschaffen. Da konnte auch das Rechtsstudium nicht zurückbleibon, und wie man die Bedeutung des germanischen Rechts vollauf erkannte, so mußte man auf das Studium des indo­

germanischen Rechts, ja des Rechts aller Völker hingedrängt werden.

N icht immer sind diese Erweiterungen und Umgestaltungen von den Männern der Zunft mit gnädigem Auge angesehen worden. Lange haben die Altphilologen gegen die vergleichende Sprachwissenschaft gekämpft, lange noch blieben diejenigen im Vordergründe, welche die Kunst des ciceronianischen Lateins als hervorragendes Bildungsmittel und als das Zeichen eines verfeinerten Geschmackes erklärten. Lange noch wurde das römischo Rocht als eine ewige Norm betrachtet, über die man nicht hinausgehen dürfe, das Recht Griechenlands vernach­

lässigt und die Rechte der übrigen Völker als minderwertige Erzeug­

nisse einer untergeordneten menschlichen Bildung beiseite gesetzt.

Aber der Drang der Zeit ließ sich nicht ab weisen, und wie in anderen Dingen, so is t auch, bis jetzt wenigstens, in Berlin der moderne Zug zum Durchbruch gelangt; denn, wie in den Naturwissenschaften, so ist hier auch in den Geisteswissenschaften ein frisches Leben wahrzunehmen.

Ebenso mußte sich aber auch das Studium der sozialen Erschei­

nungen der Gegenwart als eine Notwendigkeit erweisen, und wie nach der Revolutionszeit dor Napoleonismus neben einer modernisierten Klassizität eine gew isse Neuordnung der Gesellschaft erzielte, so ist in der jetzigen Zeit des sozialen Ringens die Staatsidee geläutert worden, und in der Läuterung der Staatsidee hat zugleich auch das Recht des Staates und der Gesellschaft nach allen Richtungen hin eine neue Durchbildung erfahren.

Die mächtigsten sozialen Aenderungen aber vollziehen sich im Verhältnis der Völker zueinander, und dieses hat seit der napoleoni- schen Periode eine ganz neue Gestaltung angenommen. Dort träumte man eine Zoitlang von einem napoleonischon "Weltreich — Träume, wolche wie Schaum zerfließen mußten, denn auf einzelne Persönlich­

keiten kann keine W elt dauernd g e s t e llt,werden. Hiergegen hat sich das Völkerbowußtsein aufgelehnt, und die Aeußerungen der nationalen D enkweise traten mit stolzer Kraft hervor. Die Ideen dor frideriziani- schen Zeit vom Staate, dem sich der einzelne aufopfern mußte, wur­

den wieder mächtig, aber in der Vereinzelung konnten die Völker nicht verharren, und die gemeinsamen Kulturinteressen mußten zu gemeinsamen Bestrebungen und Instituten führen. Die Idee dos Völkerfriedens durch das einheitliche Zusammentreten dor Nationen mußte immer größere Anerkennung finden, und so ist das Völkerrecht zu neuor Kraft und zu neuom Ansehen gediehen, zu gloicher Zeit als ein mächtigos Mittel der Verbindung der Staaten und der Förderung ihrer gemeinsamen Interessen.

Am meisten läßt sich der Sturz des Klassizismus in der Kunst wahrnehmen. W ir erkennen das Altertum nicht mehr als die einzigo Stätte unserer ästhetischen Erleuchtung an; wir wissen, daß im ger­

manischen Mittelalter ebenso wie im Orient eine ungeheure Fülle von Schönheitsideen zutage getreten ist, und beides hat unsere Kunst be­

w egt: aus dem germanischen Altertum wie aus Japan haben wir neue Schätze hervorgezogen. Daneben traten die Anforderungen unserer modernen Seele, welche eine reich nuancierte Farbonskala, eine B e­

tonung des innerlichen Empfindens und zu gleicher Zeit eine V er­

schmelzung des Volkslebons mit den tiefen Aeußerungen göttlichen G eistes verlangt. Ueber den Naturalismus und Symbolismus hinweg kamen wir unter neuer Erkenntnis der Farbenbrechungen zur modernen Malerei;

die alte Skulptur erlag dem G eiste Meuniers, Fremiets und Rodins.

Unendlich ist die Fülle dessen, was das moderne Herz an Symbolismen empfindet; die Kunst will Bewegung, und an S telle der alten Ruhe ist eine Fülle innersten Lebons getreten. So ist unsere ganze bildende Kunst in eine neue Phase eingetreten; obenso auch die Musik mit ihren feinen harmonischen W endungen und ihren chromatischen A us­

drucksformen für das Intime und W echselvollo unserer Gefühle.

In dieser neuen Phase der W issenschaft und Kunst hat die Philo­

sophie neue große Postulate aufgestellt; wir müssen jedoch diese Konstruktionen in Einklang setzen mit den Ergebnissen dor Natur- uud Geisteswissonschaften, von denen selbst Hegel noch koine Ahnung hatte. An Stelle des Positivism us und Matorialismus, an denen sich eine Zeit philosophischer Oede begnügte, aber auch an Stelle einer Philosophie der subjektivistischen Konstruktion mußte eine neue Philo­

sophie als Notwendigkeit empfunden werden, die auf der einen Seite eine subjektive Tat bildet, auf der anderen Seite gesättigt ist mit der unendlichon Objektivität, welcho uns das Einzelstudium gebracht hat.

Mit der Philosophie als der idealen Erkenntnis tritt die Technik als die reale Macht in Wettbewerb, die es uns ermöglicht, die Erde und selbst was über der Erde ist, zu beherrschen; die Technik aber steht mit der W issenschaft im nächsten Zusammenhang: zum genialen Erfinder tritt der Forscher hinzu, dor ihm die W ege ebnet und ihm die M ittel gewährt, mit denen er die Natur beherrscht; denn indem wir die Natur kennen, ist es uns möglich, sie an ihren Schwächen zu fassen, um sie zu über­

winden. Auch dieser Aufgabe muß die W issenschaft eingedenk sein;

welche Bedeutung sie hat, beweist schon dor Umstand, daß die einzig­

artige Kenntnis der Chemie es bewirkt hat, daß Deutschland an der Spitze der chemischen Industrie der ganzen W elt steht und wohl noch Jahrzehnte stehen wird. Auch hior hat dio W issenschaft sich zu ihrem eigenen Vorteil mit der Technik verschwistert; denn die W elt­

beherrschung .ist neben der W elterkenntnis ein Ziel der Menschheit.

Ob die deutsche Nation und vor allem auch dio Berliner Univer­

sität in Zukunft stets diese neuen Aufgaben ins Auge fassen wird, ob sie immer die Kraft in sich tragen wird, an der Spitze dor Völker zu wirken, während so viele andere Staaten mit ungeheuren Geldmitteln arbeiten und dio Jünger von frühen Jahren an für diese neuen Auf­

gaben erziehen? Hoffen wir es! Das aber muß der Gedanke sein, der uns bei dem F est der Universität beseelt, daß wir nie rasten dürfen, weder wir Lehrende noch die Lernenden; daß wir keine Zeit haben, weder in den Jahren der Lehre noch in denen der Meister­

schaft, uns mit Nichtigkeiten zu befassen; daß eine falsche P ietät uns niemals hindern darf, dio vorhandenen Irrtümer klarzulegen und die richtigen W ege zu weisen; daß eino Spezialisierung in der W issen ­ schaft zu nichts führt, wenn nicht eine allgemeine tiefere Bildung den Monschen auf eino höhere Stufe hebt, und daß eine Nation, wolche nicht fähig ist, die Aufgaben der Gegenwart, ja der nächsten Zukunft zu er­

kennen, nicht imstande ist, die Bildung des Geistes weiter zu tragen;

daß endlich einer W issenschaft, die sich nicht frei und ungehindert in ihren Bestrebungen und Normen entfalten kann, das beste und tiefste, was die Menschheit zu erlangen hat, stets versagt bleiben wird.

Mögen diese W orte nicht ungehört verhallen!

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