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Technik und Wirtschaft : Monatsschrift des Vereines Deutscher Ingenieure, Jg. 25, H. 9

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Technik und Wirtschaft

H e ra u s g e b e r: Dr.-Ing. O tto B re d t und Dr. G e o rg F re ita g / VDI-V erlag GmbH, B e rlin N W 7 25. J a h rg a n g

Deutsch-französische Wirtschaftsverständigung

Die G rundlagen fü r den W iederaufstieg Europas Von Konsul Dr. E. RESPONDEK, Berlin

M it den nachfolgenden Ausführungen schließt K o n ­ sul Dr. Respondek fü rs erste den Gedankenaustausch über die künftige Gestaltung der europäischen W irt­

schaftsordnung au f der Grundlage einer deutsch- französischen W irtschaftsverständigung ab, den er im A p rilh e ft begonnen, und den der französische Industrielle de Peyerimhoff, Paris, im A ugustheft fortgesetzt hatte. Die Herausgeber.

Die Antw ort eines Mannes, der zu den höchst verantw ort­

lich denkenden und angesehensten W irtsehaftsführem Frankreichs gehört, dessen tatvolles E intreten fü r eine völkerverbindende Zusam menarbeit ich auf internationalem Felde oft genug bewundern konnte, bejaht den G rund­

gedanken einer deutsch-französischen K ooperation; sein Bekenntnis, daß „Frankreich und Deutschland künftig ge­

meinsam weit mehr als eine Strecke au f dem Wege des w irtschaftlichen W iederaufbaues E uropas zurüeklegen werden können“ , ist auch das unsrige; an seiner V erw irk­

lichung arbeitet eine große Zahl deutscher W irtschafts- Persönlichkeiten, wie ich zu meinem kleinen Teile.

Die Idee der Verständigung zwischen unsern beiden Ländern hatte ihre große Zeit, als Stresemann und Briand ihr leiden­

schaftlich dienten und den einfachen Mann aus dem Volke hüben und drüben gewinnen konnten. Beide Staatsmänner sind tot. Es besteht kein Zweifel, daß wir heute in einer neuen Aera der wechselseitigen Beziehungen stehen, die be­

dauerlicherweise von der bereits so weitgehend erzielten Verbun­

denheit und dem Gefühl des Vertrauens weiter denn je entfernt ist. Ja, die Gefühle schwanken zwischen gefährlichem Mißtrauen und lähmender Gleichgültigkeit. Und alle jene Unentwegten, für die eine Idee nicht an innerem Wert verliert, weil ihre Wirkungskraft im Augenblick abgenommen hat, gelten als hoffnungslose Ideologen oder verkappte Interessenten. Von unserer Seite ist gewiß zuzugeben, daß die Abwehrstellung Deutschlands gegen Frankreich heute schärfer ausgeprägt ist als umgekehrt; sie bringt diese ihre innere Haltung auch un­

verbindlicher zum Ausdruck, als man es drüben gewohnt ist.

Gilt doch bei uns stets das Primat des Gehalts vor dem der Haltung.

Den B etrachtungen de Peyerimhoffs folge ich in dem Be­

streben, eine Synthese zwischen unsern beiden A uffassun­

gen zu finden, mag auch de Peyerimlioff eine solche Syn­

these fü r die K ategorie der deutschen V ernunft, wie er sie au ffa ß t, als schwer zugänglich halten. N ur über die Brücke der Offenheit in der Sache und des V ertrauens auf den ehrlichen Willen zur Gerechtigkeit werden unsre beiden Länder heute oder in der Z ukunft zusammenzuführen sein.

Einfuhrkontingente — internationale K artelle Im ersten H auptp u n k te, dem handelspolitischen, ver­

teidigt de Peyerimlioff die französische These der E in fu h r­

kontingentierungen und K artellabreden; er sieht in ihnen das Streben nach Entw icklung zur O rdnung verkörpert und fü g t hinzu, daß diese M aßnahmen keine verdeckten Schutz- oder Bevorzugungsmittel darstellen dürften.

Niemand wird internationalen Kartellen mit Kontingentierun­

gen, welche diese Eigenschaft aufweisen, seine Zustimmung versagen. Soweit internationale Kartelle bisher praktisch

Vorkommen, bei der chemischen Industrie, beim Rohstahl, Kali, Stickstoff, Aluminium, den Glühlampen u. a., mag die Idee des Gebietsehutzes und der Weltmarktaufteilung mit der ändern, der rationellen Produktionsgestaltung, im harmoni­

schen Einklang stehen; es mögen auch in ändern Rohstoff­

industrien die Grundsätze des Gebietsehutzes und der Ratio­

nalisierung gleichzeitig zu verwirklichen sein. Aber wie steht es mit den Abreden für die verarbeitenden Industrien, mit den Kontingentierungen gerade der deutschen Industrieerzeug nisse in diesen Branchen durch Frankreich? .D iese Maß­

nahmen, die wir zu spüren bekamen, haben nur- Geltung im Sinne der Sicherung des eigenen Produktionsvolumens. Die starke deutsche Fertigwareneinfuhr nach Frankreich verdankt ihre Absatzmöglichkeit auf dem französischen Markte nicht etwa einem Dumping, sondern sie entspringt den wohlbekann­

ten natürlichen Gegebenheiten. Eine Kontingentierung für diese Erzeugnisse bedeutet keinen wirtschaftlichen Ordnungs­

faktor. Im Gegenteil; sie ist ein wirtschaftlich höchst un­

erwünschter und unzweckmäßiger Vorgang. Ihr weiteres Ziel, nämlich die französische Handelsbilanz zu verbessern, hat diese Kontingentierung nicht erreicht: das Defizit der Handels­

bilanz im Jahre 1931 beträgt fast 12 Mrd. Es ist nicht, wie de Peyerimhoff meint, ein Zeichen unegoistischer W irtschafts­

politik Frankreichs; es rührt vielmehr von der mangelnden Kaufbereitschaft des Auslandes her, die vielfach eine Re­

pressalie gegenüber der autonomen französischen Kontingen- tierungs- oder besser gesagt, Absperrpolitik darstellt. So ging die französische Fertigwarenausfuhr von einem Aktivsaldo von 27 Mrd. im Jahre 1927 auf einen Saldo von 10 Mrd. im Jahre 1931 zurück; der Ausfuhrrückgang an Fertigwaren im ersten Halbjahr 1932 betrug gegenüber der entsprechenden Zeit von 1931 weitere 40 %. Daher „der Angstschrei des Außenhandels! “

Schwebende Verhandlungen mit verschiedenen Ländern dürften der französischen K ontingentierung allmählich ein Ende bereiten. D aß die K ontingentierung kein ständiges instrum ent zur Regelung des Handelsverkehrs darstellen kann, betont neuestens auch ein Bericht des französischen nationalen W irtsehaftsrats. Als Übergangsmittel zum internationalen Kostenausgleich mag die K ontingentierung ihre Berechtigung behalten; sie kann und d a rf aber nicht hindern, daß F rankreich die P assivität seines W aren­

verkehrs behält, die durch seine Gläubigerstellung bedingt ist. Neue Hemmungen würden in letzter Linie nicht allein dem französischen Ausfuhrhandel, sondern auch dem fra n ­ zösischen K apitaldienst zur Last fallen.

W ir wenden uns mit de Peyerimhoff gegen jede au f Ob­

struktion gerichtete H andelspolitik in der W elt, bediene sie sieh eines noch so barbarischen oder künstlichen M it­

tels; der w irtschaftliche F ortschritt der W elt ist und bleibt in einem ungehemmten natürlichen W arenaustausch be­

gründet, der allein durch ein wohlabgestimmtes V ertrag­

system zu regeln ist.

Finanz- und K reditpolitik

De Peyerimhoff ist betroffen über meine E rklärung — der zweite H au p tp u n k t — daß die französische Finanz- und K reditpolitik ihre M itarbeit am W iederaufbau E uropas allzusehr im Dienste politischer Ziele sehe. E r wird be­

troffener sein, erfahren zu müssen, daß diese These in Deutschland als so gesichert gilt, daß es uns erstaunen macht, sie bestreiten zu hören. Und die Tatsachen in dieser H insicht dürften die A ntithese Peyerimhoffs wenig stützen.

Jene Beträge, die Rumänien, Jugoslavien, die Tschechoslo­

wakei, Österreich. Ungarn und Bulgarien an französischen Staatsanleihen aufgenommen haben, sowie die vom französi-

193

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sehen Kapitalmarkt zur Verfügung gestellten privaten Kre­

dite und Anlagen nach diesen Ländern mögen hunderte von Millionen Goldfranken oder Milliarden Papierfranken aus- maehen. Die Höhe aller dieser Anleihetransaktionen ist völlig unabhängig von ihrer finanziellen und politischen Bedeutung.

Es braucht nicht der Ansicht beigestimmt zu werden, daß Frankreich nur kleine Kreditbrocken austeile, um mit neuen Bitten neue Abhängigkeit zu sichern; es mag die Gering­

fügigkeit der Anleihebeträge im Einzelfalle durchaus in der Situation der französischen Staatskasse begründet gewesen sein, die seit dem Rückgang der Steuereinnahmen und dem Aufhören der deutschen Reparationszahlungen die Fülle früherer Zeiten verloren hat, Aber es ist unbestreitbar, daß dieser französische Kredit im Ausland seinen Effekt durch die Gelegenheiten erhielt, bei denen er gegeben wurde, durch die Tatsache, daß er Monopolcharakter trug, daß kein anderer Kapitalgeber zur Verfügung stand. Diese Gelegenheiten nutzte Frankreich politisch aus. Es genügen für Deutschland die Ereignisse um Österreich, angefangen von dem berühmten französischen Ultimatum im Juni 1931 bis zu den Bedingun­

gen des Lausanner Protokolls; nicht weniger politisch endeten alle französischen Anleihen in Jugoslavien, Ungarn, Rumä­

nien, und oft wieder war es Deutschland, das vor allem die wechselnde Gesinnung der wechselnden Regierungen spüren mußte.

A uf dieser kapitalpolitischen Linie, deren G efahr mein A ufsatz vom w irtschaftlichen S tandpunkt aus kennzeich­

n t e , stellte de P eyerim hoff die F rage, ob denn D eutsch­

land, falls ihm K redite von F rankreich eingeräum t worden wären, eine bessere Sicherheit geboten hätte. E r verneint und verweist dabei au f den Irrtu m Deutschlands in seiner industriellen E xpansion; de P eyerim hoff sieht die ge­

w altigen K apitalinvestitionen vom finanziellen S tand­

punkte aus fü r nicht vorbildlich an, da Deutschland seinen K redit in einem allzu großzügigen V ertrauen a u f einen unerschütterlichen F ortbestand der E rfolgskurve über­

spannt habe und dazu kurzfristige K redite in illiquiden A nlagen verwendete.

D e P eyerim hoff betrachtet den W irtschaftskörper D eutsch­

lands von F rankreich aus, einem Lande, das dank seiner wundervollen natürlichen K rä fte und tro tz allem erhalten gebliebenen hohen Reserven sein altes w irtschaftliches und finanzielles Gleichgewicht rasch wiederhergestellt, neu ge- k rä ftig t und bis heute unangetastet erhalten h at; er sieht von einem ökonomisch arrondierten und politisch sa tu rier­

ten F rankreich in ein Deutschland, das w ertvollste W irt­

sc h aftskräfte verlor, das eine sehr viel größere Bevölkerung nach restlosem V erm ögensverlust beinahe zu 100 % au f die tägliche A rbeit gestellt hat, das über einen unerhörten m ilitärischen, politischen und w irtschaftlichen Zusam men­

bruch um eine neue politische Existenz au f eigenem Grunde und in der W elt jahrein und ja h ra u s bis heute verzweifelt ringt. E in solches Deutschland ist und bleibt au f höchste w irtschaftliche A ktivität angewiesen, au f natürlich schöpferische Initiative, die tro tz Einengungen, Belastungen den W eg zur A rbeit um jeden P reis schlägt.

W ir nahm en das frem de K ap ital, kom pensierten nach K rä fte n die V erluste des V ersailler V ertrages und. seiner Folgen, en tfalteten die w irtschaftlichen K rä fte , um m it einem hochleistungsfähigen P ro d u k tio n sap p a ra t das wachsende Volk zu ernähren, zu bekleiden, zu behausen, nicht zuletzt auch um die R eparationsverpflichtungen aus jenem V ertrage zu erfüllen. D er Dawes- und Young- P lan m it ihren steigenden A nnuitäten beruhten au f einem nicht bei uns, wohl aber bei den G läubigerländern gern gehegten Optimismus einer unaufhaltsam en Steigerung des W elthandels, dem W ert und dem U m fang nach. Von diesen frem den Geldern gingen, was von dem internationa­

len Baseler Gremium festgestellt wurde, seit 1924 10,3 Mrd.

f ü r R eparationen ab, von denen F rankreich 54 % e rh ie lt!

W ir — wie die V ereinigten S taaten und andere — haben expandiert; unsere industrielle K ap a zität, die je tz t zu einem D rittel oder einem V iertel ausgenutzt ist, w ird nach Ü berw indung der K rise wieder ihre Existenzberechtigung erweisen; W irtschäftsentseheidungen großen Stils gehen au f lange F risten. W ir haben unsre industrielle A rbeits­

a p p a ra tu r nicht f ü r den gegenwärtigen Elendzustand, son­

dern f ü r einen A ufstieg von Volk und S taa t aus ökono­

mischer und politischer Not errichtet.

W as den V orw urf de Peyerim hoffs angeht, daß Deutsch­

land kurzfristige Gelder nicht, wie sich das f ü r einen ordentlichen K aufm ann und B ankier gehört, liquide an ­ gelegt hat, so sagt der gewiß unvoreingenommene Layton- Bericht, daß die U m wandlung dieser kurzfristig en K redite in langfristige nicht vorgenommen, werden konnte. An wem diese Unmöglichkeit lag, beweist deutlich genug die P an ik der Gläubiger im J a h re 1931.

Eine beschleunigte Lösung allein kann helfen Ich komme zum letzten H a u p tp u n k t, der den K ern deutsch­

französischer Gem einschaft oder Trennung b ild e t: w ir be­

wegen uns, ja w ir drängen m it jed er F aser unsres Denkens und W ollens in w irtschaftlicher und politischer Richtung nach einer endlichen Lösung unserer Lage; F rankreich hingegen w artet ab, hemmt oder arbeitet dagegen.

Der Grund ist ein politischer. Soweit die Politik Frankreichs z. B. seine Finanz- und W irtschaftskraft zur Ordnung der europäischen Dinge einsetzt — von der militärischen sei hier abgesehen — dient sie nach französischer Auffassung nicht einem imperialistischen, sondern einem konservierenden Zweck;

sie ist in der Tat von französischer Warte gesehen eine Politik der Sicherheiten, eine Politik zur Stabilisierung der gewonnenen Friedensverträge. Mit Recht können amtliche und private Kreise Frankreichs diese ihre Politik als der Siche­

rung der Ordnung und des allgemeinen Friedens dienend be­

zeichnen. Wir aber, die wir im Schatten stehen, haben ein anderes Blickfeld. Ich erlebte die Entgegnung de Peyer­

imhoffs, als- ich in dem durch Versailles zerrissenen Osten Deutschlands Wochen hindurch Tag für Tag im inneren poli­

tischen Kampfe unsres Volkes um seine staatliche Zukunft stand. Dieses Versailles schuf hier eine einzige wirtschaft­

lich, kulturell und national blutende Wunde. Dort begegnete mir bei den vielen Tausenden aller politischen Schattierung und aller sozialen Schichten des an das Leid gewöhnten deut­

schen Ostvolkes immer wieder der Hinweis, daß das unüber­

windliche Hindernis für eine Wendung unsres verzweifelten Schicksals im Osten, wie im ganzen Deutschland, nur Frank­

reich sei. Jenes Frankreich, von dem in den letzten 14 Jahren so unendlich viel abhing, und mit dem wir über Locarno zu einem loyalen Ausgleich zu kommen bestrebt waren, jenes Frankreich, das als die stärkste politische und militärische Macht einen hoffnungsvollen Weg freigeben konnte und noch heute kann, für die, wie de Peyerimhoff ahnend sagte: „ n o c h stumme Gegenwart von Millionen auf Arbeit wertender Ar­

beitsloser“ in ganz Europa.

D e P eyerim hoff spricht von der K atastrophenstim m ung, in der Im m anuel K a n t — wenn e r wieder a u f die Welt käme — die „K ategorie“ der deutschen V ern u n ft erblicken w ürde, und die jene psychologische U nsicherheit schaffte, die allgemein einem vertrauensvollen W aren- und K ap ital­

verkehr abträglich sei. W enn die deutsche Jugend im 20. bis 30. Lebensjahr bald nicht m ehr an sich selbst glaubt, alles in F ra g e stellt, so liegt das nicht in einem Stim m ungsgefühl begründet; der G rund liegt vielmehr in der F rage, ob fü r eine Millionenzahl im leistungsfähigsten und willigsten A lter stehender ju n g e r Menschen der Weg endlich fre i wird. Diese Ju g en d blickt nicht m it Neid auf das N achbarland F rankreich, welches ein geordnetes, auf bürgerlichem W ohlstand begründetes, friedliches, häusliches Leben führen kann, seinen Ju n g e n und Ä lteren den Segen der A rbeit gew ährt und eine der K rä fte e n tfa ltu n g freie W elt offen hält. Diese deutsche Jugend h at Ideen der W ohlfahrt schon längst über B ord geworfen, sie käm pft tagein, tagaus verzweifelt um das nationale Recht ihrer politischen F reiheit in der W elt und um das menschliche Recht, durch ihren B eitrag an A rbeit an dem W achsen und G estalten der W elt teilzunehmen. Ich bin überzeugt, daß der gem einschaftliche gute W ille, daß eine beider­

seitig m it w ah rh aftig er innerer V erbundenheit geführte P olitik jenes Ziel verw irklichen wird, dem zu dienen eine heilige Pflicht is t: die V ölker in F rieden zu einen, dam it ihre K rä fte zum W ohle aller arbeitenden

Menschen gereichen können. [14 4 g]

19 4

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Die Zukunft

des Welteisenmarktes

Von Dr. Dr. HANS J. SCHNEIDER, Berlin Die K iise verfü h rt leicht zu einer unrichtigen E in ­ schätzung der kommenden E ntw icklung Der langfristige Trend der Eisenerzeugung in der Nach­

kriegszeit zeigt deutlich eine kräftige A u fw ä rts­

entwicklung — Der Kriseneinbruch 1930/32 ist nur vorübergehender A r t — In der langfristigen E n t­

wicklung ist teilweise bereits das letzte Vorkriegs­

wachstum erreicht — Technisch liegt kein Grund zu einer Verminderung des Eisenverbrauchs vor — Die Gesamtentwicklung wird entscheidend von einer Gesundung der weltwirtschaftlichen Verhältnisse abhängen.

Kein M arktgebiet hat den Z erfall der W eltw irtschaft in solch außerordentlichem M aße verspürt, wie der M arkt der e i s e n s c h a f f e n d e n I n d u s t r i e . Die ver­

hängnisreichen Folgen der politischen Kurzsichtigkeit, die Zerstörung der weltwirtschaftlichen Verbindungen und des feinmaschigen Kreditsystem s, die ganze A era der Un­

sicherheit, H ilflosigkeit und Verzweiflung — all das fand seine plastische Versinnbildlichung in den ins Riesenhafte anwachsenden Kohlenhalden, in den verschlossenen Werk- und H üttentoren, in den stillgelegten Hoch- und Stahlöfen und in den ruhenden W alzenstraßen. Und wie in allen übrigen Eisenländern ist das gleiche Elendsbild vor allem in dem eigentlichen K risenherd der W eltw irtschaft, in dem dam iederliegenden D eutschland festzustellen: Überall steht die Großeisenindustrie unter unerhörtem Krisendruck.

Mit Lausanne könnte ein entscheidender W endepunkt in der Krisenentw icklung erreicht sein. Sollten die neuen Ergebnisse wirklich den A uftakt zu dauernder verant­

wortungsbew ußter Zusammenarbeit bilden1? Sollten jetzt endlich die gefährlichen Schuldentilgungsillusionen be­

seitigt und dam it die weitere Zerstörung des K red it­

mechanismus unterbunden werden? Vielleicht gelingt es noch in letzter Stunde, dem Zerfall der W eltw irtschaft Einhalt zu bieten. I n diesem folgenschweren Augenblick, wo die K rise -— wie auch mannigfache Symptome des W eltkapitalm arktes bereits andeuten — eine Erleichterung, wenn nicht eine e n t s c h e i d e n d e W endung zum Bessern erfahren könnte, d ü r f t e a u f a l l e n W i r t ­ s c h a f t s g e b i e t e n e i n e g e w i s s e S e l b s t b e ­ s i n n u n g a m P l a t z e s e i n .

Niemand w ird leugnen, daß der geistige Einfluß einer jeden K rise zum großen Teil zerstörender A rt ist. A uf der einen Seite zwingt jede K rise erfreulicherweise zum Nachdenken und zur Richtigstellung übertriebener Hoff­

nungen. A uf der ändern Seite wird aber n u r allzu leicht selbst ein wirklich angemessener W irtschaftsoptim ism us, der durch die E rfahrungen der gegenwärtigen und der vergangenen K risen bereits erhärtet sein sollte, vernichtet und zerstört. Von einer K rise von dem Ausmaß der gegenwärtigen w ird dies in besonderm M aße gelten. Und so ist es nicht verwunderlich, daß in weiten Kreisen ein schier unüberwindlicher W irtsehafts„defaitism us“ P latz gegriffen hat. Die K rise ist die goldne Zeit des Pessimis­

mus au f lange Sicht.

Darum ist es Pflicht, allenthalben einen gewissen Abstand von den Tagesereignissen, von den niederdrückenden psychologischen Einflüssen der Gegenwart zu gewinnen, um die wirklich langfristige Gesamtentwicklung — selbst­

verständlich u nter Einschluß der K rise — ins Auge zu fassen.

Will man das Ausmaß und die Folgewirkungen der K rise a u f dem E i s e n m a r k t richtig beurteilen, so geht man am besten von der Analyse der augenblicklichen Lage aus und stellt die dadurch gewonnenen Ergebnisse in die lang­

fristige Entwicklung hinein.

Die augenblickliche Lage

Schon die S tru k tu r der augenblicklichen K rise ist fü r die kommende mutmaßliche Entw icklung aufschlußreich.

Das Schwergewicht d'er K rise liegt nicht in Europa, son­

dern in den Vereinigten S taaten von Amerika, eine T at­

sache, die durch die Entw icklung der S tahlproduktion und auch durch andere statistische Ziffern belegt wird.

Za h le n ta fe l 1 . Die Flußstahlerzeugung d e r w ic h t ig ­ ste n E is e n lä n d e r

Jahr D e u tsc h ­ land

Saar­

g e b iet B elgien L u x em ­ burg

Frank­

reich G ro ß ­ britannien

V erein ig te Staaten

von Am erika

i n 1 0 0 0 t

1913 12 183 2080 2467 1336 4687 7787 31 802

1927 16 311 1895 3680 2471 8306 9243 45 654

1928 14 517 2073 3905 2567 9500 8656 52 369

1929 16 246 2209 4110 2702 9699 9790 57 336

1930 11 539 1935 3390 2270 9412 7415 39 915 1931 8 291 ■ 1538 3123 2035 7809 5258 25 299

i n % d e r G e s a m t e r z e u g u n g

1913 18,9 3,2 3,8 2,1 10,8 12,0 49,2

1927 18,6 2,2 4,2 2,8 9,5 10,6 52,1

1928 15,5 2,2 4,2 2,7 10,2 9,2 56,0

1929 15,9 2,2 4,0 2,6 9,5 9,6 56,2

1930 15,2 2,5 4,5 3,0 12,4 9,8 52,6

1931 15,5 2,9 5,9 3,8 14,6 9,9 47,4

Q u e lle : Stahl und Eisen.

Die Rohstahlerzeugung der g a n z e n W elt betrug 1931 nur noch 57,5 % der Erzeugung des Jahres 1929. W äh­

rend der Rückschlag in Gesamteuropa im Ja h re 1931 gegenüber dem Ja h re 1929 n u r 33,6 % ausmachte, stellte er sich in den Vereinigten S taaten au f nicht weniger als 53,3 % . Die Leistungsfähigkeit der amerikanischen S tahl­

industrie, die rd. 70 Mill. t betragen haben dürfte, und die im Jahresdurchschnitt 1922/1929 mit rd. 64 bis 87 % aus­

genutzt gewesen ist, ist z. Zt. n u r noch mit rd. 10 % be­

ansprucht. Das spricht fü r den unerhörten Tiefstand der Erzeugung, denn selbst in der schweren W eltm arktkrise des Jahres 1920/21 w ar die Leistungsfähigkeit der am eri­

kanischen Stahlindustrie immer noch mit 37 % ausgenutzt.

Abgesehen von dieser Sonderstellung der Vereinigten Staaten, die in dem jahrzehntelangen W ettstreit zwischen E uropa und Amerika nunmehr wieder au f ihren alten P latz vor dem Ja h re 1911 zurückgeworfen worden sind, ist auch sonst d a s K r i s e n a u s m a ß i n d e n e i n ­ z e l n e n E i s e n l ä n d e r n - r e c h t u n t e r s c h i e d ­ l i c h . Im Zeitraum Ja n u a r 1930 bis März 1932, der das Fortschreiten der Kriseneinflüsse in den einzelnen Ländern besonders deutlich hervortreten läßt, betrug der Er£eu- gungsrüekgang in Rohstahl

in D eu tsch la n d ... 65,9 %

„ den Vereinigten Staaten . . . 62,7 „

„ Frankreich 42,0 „

„ Großbritannien... 40,0 „

„ L u x e m b u r g ... 29,1 „

„ B e l g i e n 26,4 „ .

Wie man sieht, besteht zwischen Deutschland einerseits und zwischen F rankreich und Belgien-Luxemburg ander­

seits ein erheblicher Unterschied im K risenausm aß, eine Tatsache, die um so beachtlicher ist, als bekanntlich

195

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verlängertes Wachstum—}

/ mitiojähritji

Karenzzeit

y3 3 ,0SSX?*71l?lStX*72}it,966

A b b . 1. D ie R o h s ta h le rze u g u n g in den V e re in ig te n S ta a te n von A m e rik a

das Schwergewicht der europäischen Erzeugung heute in den westlichen E isenländern und nicht, wie vor dem Kriege, in D eutschland liegt.

Die Z u k u n ft d er W elterzeugung

Bei der Bedeutung der am erikanischen S tahlindustrie m uß die Höhe der künftigen W elterzeugung entscheidend davon abhängen, wie sich die P roduktion in den V er­

einigten S taaten entwickeln wird. E rst in zweiter Linie kommen die übrigen E isenländer einschließlich Deutsch­

land in B etracht. A m erika h at bekanntlich den höchsten Eisen verbrauch der W elt.

Z a h le n ta fe l 2. Die V e rs o rg u n g m it Eisen und Stahl

(in k g /K o p f d e r B ev ö lk eru n g )

Jahr Ver. Staaten von Amerika

Deutsch­

land

Groß­

britannien Frankreich Belgien- Luxemburg

1927 4 4 2 ,1 27 5 ,6 33 7 ,5 15 4 ,1 263,5

1928 4 8 0 ,3 23 3 ,4 27 1 ,0 199,1 3 5 6 ,8

1929 5 1 8 ,5 239,8 294,5 23 1 ,3 393,8

1 9 3 0 377,2 16 6 ,4 252,6 226,9 296,1

Quelle: Statistisches Jahrbuch für die Eisen- und Stahlindustrie 1931.

I n norm alen Ja h re n ist also der V erbrauch an Eisen und S tahl je K o p f der Bevölkerung in den V ereinigten S taaten mehr als doppelt so hoch gewesen wie der V erbrauch in den übrigen großen Eisenländern. Am erika ist d a s Stahlland. Im Z eitraum 1917 bis 1929 haben die V ereinig­

ten S taaten etwa 500 Mill. t B austahl verbraucht. Die Gesamtmenge des seit Bestehen der am erikanischen G roß­

eisenindustrie verbrauchten B austahls w ird a u f 1 M rd. t geschätzt. K raftfah rzeu g in d u strie und Eisenbahnen sind drüben hervorragende Stahlabnehm er. Die Petroleum ­ industrie und die L andw irtschaft nehmen ebenfalls Eisen­

mengen auf, die nach europäischen M aßstäben ungeheuer­

lich erscheinen. K urzum : die Entw icklung der am erika­

nischen Eisen- und S tahlindustrie ist gradezu der G radm esser f ü r die gesamte w irtschaftliche Entw icklung in den V ereinigten S taaten. D aher h at auch die am erika­

nische E isenindustrie nach Aussagen ih rer F ü h re r in den letzten Ja h re n m it einer jährlichen Produktionszunahm e von rd. 10 % oder rd. 5 Mill. t gerechnet. K eine In d u strie h a t auch d e ra rt m it der Technik S chritt gehalten wie die am erikanische G roßeisenindustrie. Jam es A . Farrel, der P rä sid en t der U nited S tates Steel C orporation h at bei einer Tagung im J a h re 1930 ausdrücklich erklärt, die am erikanische G roßeisenindustrie rechne dam it, daß auch

die modernsten maschinellen E inrichtungen nach 15 bis 16 Ja h re n veralten.

E s ist kaum anzunehmen, daß diese lan g fristig e blühende Entw icklung als Folge der augenblicklichen K rise fü r immer mit einem Schlage unterbrochen sein sollte. Gewiß ist das A usm aß der K rise in den V ereinigten Staaten schwer. N achhaltige Folgen sind bereits zu verzeichnen und werden noch zu verzeichnen sein. A nderseits aber ist Am erikas W irtsc h a ftsk ra ft d era rt stark, daß über kurz oder lang wieder m it einem W achstum des Eisen Ver­

brauchs gerechnet w erden kann, und zwar — wie noch gezeigt werden soll — wie es zum mindesten in den letzten Ja h re n vor dem K riege sta ttg e fu n ­ den hatte. M an denke n u r daran, daß der V er­

brauchsrückgang bei der deutschen E isenindustrie in den K risen ja h ren 1873 bis 1879 48 % und in der K rise von 1901 sogar 62 % betragen hat. Trotzdem ging es nach Be­

endigung der K rise wieder aufw ärts. Dies h at nach allen bisherigen E rfah ru n g en auch f ü r die V ereinigten Staaten zu gelten.

Es ist in der T at lehrreich, das W achstum der Eisenerzeu­

gung in der Vor- und Nachkriegszeit in A m erika zu ver­

gleichen. In Abb. 1 ist die Entw icklung der Stahlproduktion in den V ereinigten S taaten in den Ja h re n 1889 bis 1913 wiedergegeben. Das W achstum dieser Erzeugung wird durch einen parabolischen T rend gekennzeichnet, dessen Glei­

chung aus dem Schaubild hervorgeht. W ürde das W achs­

tum der Stahlerzeugung das gleiche wie in der V orkriegs­

zeit gewesen sein, w ürden also die Trendwerte willkürlich über das J a h r 1913 verlängert werden, so hätte sich beispielsweise fü r das J a h r 1925 ein hypothetischer T rend­

w ert von 61,6 Mill. t ergeben. In W irklichkeit lag die tatsächliche Erzeugung beträchtlich darunter. Sie betrug im J a h re 1925: 46,1 Mill. t und im Ja h re 1926: 49,1 Mill. t.

D as W achstum der V orkriegszeit ist also bis zum Jahre 1925 in den V ereinigten S taaten nicht erreicht worden.

A n sich ist dies aus m ehreren G ründen nicht verw under­

lich. Im Z eitraum von 1889 bis 1913 ist in den Vereinig­

ten S taaten ein ganzer K ontinent dem Eisen erschlossen worden. Es m ußte sich gerade in den ersten Jahrzehnten ein W achstum ergeben, das von J a h r zu J a h r rasch zu­

nehmende Beschleunigung aufwies. M it der allmählichen E rschließung des K ontinents m ußte die Erzeugungs- Z u n a h m e wieder langsam gedrosselt werden, obgleich von J a h r zu J a h r immer noch ein w eiteres W achstum zu verzeichnen ist. Dazu kommen w eiter die w irtsehafts- hemmenden Einflüsse des K rieges und der Nachkriegszeit.

W ieweit diese sich tatsächlich ausgew irkt haben, soll in folgendem gezeigt werden.

D aß die Zunahme der Eisenerzeugung in den Vereinigten S taaten immer noch sta rk ist, zeigt nachstehende Über­

legung. N immt m an (vgl. Abb. 1) an, daß m an rd. 10 Ja h re benötigt hätte, um die F olgen des K rieges, die F olgen der K rise von 1920/21 und die von 1930/32 zu überwinden, schiebt man also gew isserm aßen das W achs­

tum des Trends der V orkriegszeit um 10 Ja h re zurück, dann w ürde die tatsächliche E rzeugung des Ja h re s 1929 m it 57,3 Mill. t bereits dem hypothetischen T rendw ert des noch nicht erreichten Ja h re s 1934 m it 58,7 Mill. t ent­

sprechen. Angesichts solcher V erhältnisse k ann kein Zweifel bestehen, daß bei der gesunden W irtsch a ftsstru k ­ tu r Amerikas, bei dem großen latenten E isenhunger dieses Landes über kurz oder lang wieder m it einem ähnlichen W achstum der Eisenerzeugung zu rechnen sein w ird wie in den letzten Ja h re n der V orkriegszeit, wo die jährliche

196

(5)

Trenderhöhung rd. 3 Mill. t betrug. E in W achstum von 5 Mill. t, wie dies die F ü h re r der am erikanischen Eisen­

industrie in den letzten Ja h re n angenommen haben, d ü rfte wohl in kurzer F ris t kaum erreicht werden.

Es ist eingangs gezeigt worden, welche Bedeutung die amerikanische Produktion fü r die ganze W elterzeugung hat. Angesichts der wahrscheinlichen W achstumsverhält- nisse muß dies schwerwiegende Folgen fü r d i e k o m - m e n d e W e l t e r z e u g u n g haben. In Abb. 2 ist das W achstum der W elterzeugung an Rohstahl im Zeitraum 1889 bis 1913 wiedergegeben. Die Gleichung des Trend ist aus der Abb. ersichtlich. V erlängert m an wieder will­

kürlich die Trendw erte der Periode 1889 bis 1913 über das J a h r 1913 hinaus, nimmt m an also an, daß das W achs­

tum der Nachkriegszeit das gleiche wie in der V orkriegs­

zeit gewesen wäre, so würde sich f ü r das J a h r 1930 ein hypothetischer Trendw ert von 176,9 Mill. t ergeben. Es liegt auf der H and, daß bei den schweren Folgen des Krieges, der F riedensverträge und der Tributabkommen eine solche Erzeugung bis zu diesem Z eitpunkt nicht er­

reicht werden konnte. Tatsächlich betrug die Produktion in diesem J a h r n u r rd. 120 Mill. t. Aber schon, wenn man wieder eine K arenzzeit von 10 Jah ren annimmt, würde das tatsächliche W achstum m it dem hypothetisch erreeh- neten W achstum aus der Vorkriegszeit einigerm aßen über­

einstimmen. Auch die tatsächliche Entwicklung der W elt­

rohstahlerzeugung in den letzten Jahren ist dam it geeignet, überzeugend darzulegen, daß man gut daran tut, die niederdrückenden K risenziffern der letzten Ja h re nicht zu überschätzen, sondern sie im Rahmen der langfristigen Entwicklung abzuwägen. D er in sämtlichen Abbildungen ersichtliche Kriseneinbruch 1930/32 wird überwunden werden. D ann d ü rfte sich die Erzeugung wieder einer langfristigen A ufw ärtsentw icklung erschließen.

Dies fü h rt an das K ernproblem heran. E s l i e g t t e c h ­ n i s c h k a u m e i n G r u n d v o r a n z u n e h m e n , d a ß i n Z u k u n f t d a s W a c h s t u m d e s E i s e n ­ v e r b r a u c h s g e r i n g e r s e i n s o l l t e a l s i n d e r V o r k r i e g s z e i t . Immer neue Verwendungszwecke fü r Eisen tun sich auf, die noch lange nicht voll ausgenutzt sind. Fälschlich wird immer wieder d ara u f hingewiesen, daß in der Vorkriegszeit der Bau der Eisenbahnen fü r das Tempo der Entwicklung der Eisenindustrie der Welt bestimmend gewesen, und daß dieser antreibende F aktor jetzt zum großen Teil weggefallen sei. H ier liegt inso­

fern ein F ehlurteil vor, als allzuleicht übersehen wird, daß das eigentlich starke Anwachsen der Eisenbahnen bereits in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen J a h r­

hunderts beendet war, und daß in den letzten V orkriegs­

jahren bereits eine ähnliche Entw icklung im Eisenbahnbau Platz gegriffen hatte wie in der Gegenwart. A n Stelle der bis zu den siebziger und achtziger Jah ren stark forcier­

ten N eubauten ist aber jetzt der E rsatz der bereits be­

stehenden Eisenbahnbauten getreten und vor allen Ding-en der Eisenverbrauch in den vielen neuen Verwendungs­

zwecken, die zur Zeit des verstärkten Eisenbahnbaues noch nicht bestanden haben (Bauwesen, Elektrotechnik, A uto­

mobilindustrie, Schiffbau usw.). D aher hat die englische W ochenschrift „The S ta tist“ durchaus Recht, wenn sie vor kurzem über die Reorganisation der britischen Eisen- und S tahl-Industrie geschrieben h at: „W e do not believe, however th a t it is necessary to be pessimistic about the fu tu re of B ritish iron and steel. T a k i n g t h e b r o a d v i e w t h e s t e e l a g e c a n h a r d l y b e s a i d t o h a v e b e g u n y e t . The use of steel in building con-

structure has hardly touched its potential field. There A bb. 3. D ie R o h s tahlerzeugun g in den w ich tig s te n e urop ä is c h e n E isenlän dern

7 Karenzzeit

y - 0,082 X 212,678 X *30,652

A b b . 2. D ie R o h s tahlerzeugun g d e r W e lt

197

(6)

are still vast areas to be opened up by railw ays in the F a r E ast, South-and C entral A merica and the undeveloped B ritish colonies and there rem ains plain ty o f scope for new uses in fu rn itu re , railw ay sleepers, p it pro p s etc.

M oreover it is possible th a t the replacem ent demand for steel already in use has not as yet made itself fully fe lt“ 1).

Abschließend d a rf noch au f d i e u n t e r s c h i e d l i c h e E n t w i c k l u n g - i n d e n e i n z e l n e n E i s e n l ä n - d e r n hingewiesen werden. W ie aus Abb. 3 hervorgeht, die un ter den gleichen G esichtspunkten wie die vorhergehenden' gezeichnet ist, ist zwar die Erzeugung in allen E isenlän­

dern, und zwar z. T. erheblich, hin ter dem hypothetischen W achstum der V orkriegszeit zurückgeblieben, die erreichte E rzeugung hat sieh aber — selbst u n ter Einschluß der K rise von 1930/32 —- u ngefähr dem W achstum der V or­

kriegszeit angepaßt, wenn man eine angemessene K aren z­

zeit berücksichtigt, die den F olgen des K rieges, der F riedensverträge und der Tributabkom m en entspricht, und die G e s a m t h e i t der w esteuropäischen L änder berück­

sichtigt. W ie zu erw arten w ar, ist das W achstum der Eisenerzeugung in Deutschland am stärksten zurückgeblie­

ben. Bei der w irtschaftlichen S tru k tu r Deutschlands

*) „ T h e S t a t is t “ vom 11. J u n i 1932, S. 966.

d ü rfte aber ein Eisenverbrauch von 275 kg je K o p f selbst in N orm aljahren angemessen sein, wenn die deutsche Volks­

w irtschaft ihre H auptaufgabe, E rn ä h ru n g der G e s a m t ­ h e i t der Volksgenossen, erfüllen soll. Das aber ent­

spräche einer Erzeugung von rd. 17,5 Mill. t allein fü r Inlandverbrauch. Im übrigen wird f ü r den W ettbewerb im In- und A usland d i e H ö h e d e r S e l b s t k o s t e n letzten Endes den Ausschlag fü r die A usdehnung der P ro ­ duktion un d dam it f ü r die A rbeitsbeschaffung der Volks­

genossen geben.

Es gibt jedenfalls zu denken, daß selbst in dem Zeitraum der verhängnisvollen N achkriegspolitik sich das W achstum der Eisenerzeugung fa st überall dem Vorkriegswachstum genähert hat, sofern m an eine angemessene K arenzzeit berücksichtigt. W ürde es jetzt den M aßnahm en einer verantw ortungsbew ußten W eltw irtschaftspolitik gelingen, die Folgen des K rieges und der F riedensverträge rasch zu beseitigen, dann d ü rfte sogar sicher sein, daß sieh das W achstum der Eisenerzeugung in den meisten Eisen­

ländern dem jenigen der letzten V orkriegsjahre wieder völlig angleichen würde. Das trendm äßige W achstum der W eltrohstahlerzeugung in den letzten Ja h re n vor dem K riege betrug rd. 4,5 Mill. t! Das Beibehalten eines solchen W achstum s liegt daher durchaus im Bereich der

Möglichkeit. [1431]

I Die Abschätzung

des stillen Geschäfts- oder Firmenwertes industrieller Unternehmungen

Von Dr. FELIX MORAL, Berlin,

Z iv ilin g e n ie u r und b e e id ig te m S a c h v e r s tä n d ig e n

S chluß von S e ite 1 7 4

D as P roblem d e r B erech nu n g des stillen G esch äftsw ertes

Sind sich, wie aus V orstehendem hervorgeht, unsere Be­

triebsw irtschafts-S chriftsteller d arüber einig, was unter dem Begriff des „stillen Geschäfts- oder Firm enw ertes“ zu verstehen ist, so gehen anderseits ihre Ansichten sehr weit in der F ra g e auseinander, wie denn nun der „stille G eschäftsw ert“ einer U nternehm ung zu berechnen und zifferm äßig festzustellen ist. F ü r diese Berechnung w er­

den die verschiedensten M ethoden em pfohlen. Diese M ethoden gehen jedoch so weit auseinander, daß m an fü r den stillen G eschäftsw ert einer und derselben U nterneh­

mung, je nachdem m an ihn nach der einen oder nach der ändern der verschiedenen M ethoden festzustellen versucht, zu Endergebnissen kommt, bei denen sich Differenzen untereinander ergeben, die um das E in- bis V ierfache des errechneten G eschäftswertes voneinander abweichen. Auch die Rechnungsm ethoden selbst und die aus ihnen abgelei­

teten F orm eln sind zum Teil so verwickelt und so subtil ausgearbeitet, daß m an in einzelnen F ällen ein g uter M athem atiker sein m uß, um m it ihnen rechnen zu können.

A llerdings geben die m eisten unserer B etriebsw irtschaft­

ler, die diese B erechnungsform eln aufgestellt haben, selbst zu, daß ihre Rechenmethode unzulänglich sei, weil zu viele U m stände w irtschaftlicher A rt vorlägen, die sich nicht in ein und dieselbe Rechenform el zusam m enfassen lassen. So sagt z. B. auch Z w iedineck:

„Jede Unternehmung ist ein Individuum für sich, hat beson­

dere Lebensfunktionen, wurzelt in.einem besondern Boden, muß die Nährstoffe aus besondern Quellen ziehen, um leben zu können 17) .

Auch der A usgangspunkt, von dem aus die einzelnen F o r­

meln entwickelt werden, ist sehr verschieden. W ährend die einen den stillen G esehäftsw ert einer U nternehm ung aus ihrem Umsatz errechnen wollen, benutzen die ändern hierzu den E rtra g , den die U nternelunung abw irft, und wiederum andere wenden eine kom binierte Methode an, bei der sich der stille G eschäftsw ert aus einer Zusammen­

fassung des Kostenwertes der U nternehm ung m it ihrem E rtra g ergibt. H ierbei ist u n ter K ostenw ert der Neu­

anschaffungswert zur Zeit der Abschätzung der verschie­

denen Aktiven, wie Grundstücke, Gebäude, maschinelle E inrichtungen, V orräte usw. abzüglich ih rer bereits er­

folgten A bnutzung, also der Zeitw ert dieser Aktiven am Tage der Abschätzung zu verstehen. D er aus dieser Kom ­ bination von K ostenw ert und E rtra g errechnete Gesamt­

w ert der U nternehm ung w ird der „T auschw ert“ der U n ter­

nehm ung genannt. E r bezeichnet den K au fp re is, den ein E rw erber der U nternehm ung fü r sie zu zahlen hätte.

Als G rundlage fü r die E rtrag serrech n u n g w ird der D urch­

schnittsertrag einer Reihe der letzten vergangenen Jah re angenommen, bei denen, je nach den verschiedenen Me­

thoden, der D urchschnitt aus 3 bis zu 10 J a h re n errech­

net wird. Dabei werden auch die verschiedensten Zins­

sätze in V orschlag gebracht, ‘zu denen der E rtra g zu kapitalisieren wäre.

H ierzu w äre zunächst zu sagen, daß die E rrechnung des stillen G eschäftswertes aus dem Umsätze der U nterneh­

m ung sich wohl bei einzelnen kleineren H andelsgeschäf­

ten, wie z. B. bei Schlächtereien, Bäckereien, Apotheken usw. anw enden lä ß t und auch vielfach angew andt wird, weil hier vor allem der K reis der K u n d sch a ft der be­

treffenden U nternehm ung, nicht aber ih r vorhandenes

17) Z u 'ied in ec lc, O tto v . : ,»K ritisch es u n d P o s it iv e s zu r P r e is le h r e “ in d er „ Z e itsc h r ift fü r d ie g esa m te S t a a t s w is s e n s c h a f t “ , 6 5 . J a h r g a n g , T ü b in g e n , 1 9 0 9 , S. 9 3 .

198

(7)

Inventar eine Rolle spielt. A uf industrielle U nterneh­

mungen ist diese Rechenmethode, die den Geschäftswelt allein aus dem Umsatz bestimmen will, nicht anwendbar, weil bei industriellen U nternehm ungen in erster Linie der Kostenwert der Sachgüter, wie Grundstücke, Gebäude, Maschinen usw. in F ra g e kommt. Ähnlich liegt die Sache auch bei den Rechenmethoden, die sich ausschließlich auf den E rtra g der U nternehm ung stützen. Auch diese Me­

thode ist allenfalls bei kleineren H andelsgeschäften an­

gezeigt und dort auch in vielen Fällen gebräuchlich, aber aus dem soeben vorerwähnten Grunde nicht bei industriellen U nternehm ungen.

Was nun die kom binierten Rechenmethoden anbetrifft, die sich au f eine Zusam menfassung des Kostenwertes mit dem E rtrage stützen, so w ären dieselben bei industriellen U n­

ternehmungen allenfalls anwendbar, wenn wir noch die bis zu einem gewissen Grade stabilen w irtschaftlichen V er­

hältnisse der Vorkriegszeit hätten. Der W eltkrieg mit seinen Nachwirkungen hat es jedoch zur Unmöglichkeit gemacht, den stillen Gesehäftswert einer industriellen Un­

ternehm ung mit H ilfe irgendwelcher rechnerischer F o r­

meln aus den E rträg en errechnen zu wollen, die die U nter­

nehmung in der Vergangenheit erbracht hat.

Auch Schmalenbach sagt dies wie folgt:

,,Es kommt bei dem Werte einer Unternehmung ebensowenig wie bei einer ändern Sache, nicht darauf an, was dieser Gegen­

stand gekostet hat, was er geleistet hat, oder was sonst in der Vergangenheit von ihm bekannt ist, sondern lediglich zukünf­

tige Umstände sind für den Wert des Gegenstandes bestim­

mend. Nur deshalb, weil wir nicht in die Zukunft sehen können, und weil wir das für Zukunftsschätzungen nötige Material aus der Vergangenheit gewinnen müssen, hat das Vergangene für unsere Schätzungen Interesse. Man sollte glauben, daß dieser Fundamentsatz der Schätzungslehre viel zu selbstverständlich sei, als daß er verdient, ausgesprochen zu werden. Aber man findet in der praktischen Schätzungs­

technik Verstöße gegen diese Regel in großer Zahl.

Nur dort, wo es sich nicht um einen wirtschaftlichen, sondern um einen Liebhaber- oder Affektionswert handelt, spielt Ver­

gangenes in die Bewertung hinein; hier wird die wirtschaftliche Betrachtung durch eine sentimentale verdräng!.

Derjenige, der eine Unternehmung kaufen will, ist wirtschaft­

lich an nichts anderm interessiert als daran, was eine Unter­

nehmung ihm in Zukunft erbringen w ird 18).

In ähnlicher Weise h at sieh auch Prion über das Wesen und die Bedeutung des Ertrag.swertes ausgesprochen. E r v ertritt gleichfalls den Standpunkt, daß es bei einem lebenden Betrieb immer au f den zukünftigen E rtra g an­

komme, der zu kapitalisieren sei. Bei dieser schätzungs­

weisen Berechnung könnten die Ziffern der Vergangenheit (Gewinn- und Verlustrechnung, Umsatz, Preise) mit als U nterlagen herangezogen werden; entscheidend bleibe aber der zukünftige E rtra g , der — heute mehr wie je — nur mit großen Schwierigkeiten zu schätzen s e i19).

Die w irtschaftlichen V erhältnisse in Deutschland haben sich seit Beendigung des W eltkrieges in der Nachkriegs­

zeit so veränderlich erwiesen, sind von so schweren K risen und bis dahin unbekannten Neuerscheinungen erschüttert worden, wie z. B. in der Inflationszeit, und die zukünf­

tige Entw icklung der deutschen W irtschaft ist auch heute noch in ein solches Dunkel gehüllt, daß es meines E r­

achtens unmöglich ist, die künftige Entwicklung einer heute in Betrieb befindlichen industriellen Unternehmung irgendwie vorauserkennen zu wollen. W ir haben es in

18) S ch m a le n b a c h , E .: „ F in a n z ie r u n g e n “ , 4. A u fla g e, L eipzig, 1 9 2 8 . S. 1 ff.

19) P r io n , W .: A u s sein em V o rtra g e über „ F in a n zieru n g u nd S a n ie­

ru n g “ in dem 1. W ir tsc h a ftsp rü fer-K u rsu s, v er a n sta ltet am 20.

J a n u a r 1 9 3 2 ,

der Nachkriegszeit erlebt, daß eine große Zahl unserer an ­ gesehensten deutschen industriellen Unternehmungen, darunter hervorragende Unternehmungen, von denen manche schon seit vielen Jahrzehnten bestanden und sich des besten Rufes erfreuten, und daß große Konzerne und nach menschlichem Erm essen au f das beste begründete und geleitete Unternehm ungen unter den ungünstigen w irt­

schaftlichen V erhältnissen zusammenbrachen und ihnen erlagen. Wie will man da Voraussagen, wie sich die w irt­

schaftlichen V erhältnisse in Zukunft gestalten werden, um au f Grund vergangener Jahreserträge mit m athe­

matischen Form eln die künftigen E rträ g e zu errechnen 1 W enn heute ein U nternehm er aus irgendwelchen privaten Gründen es fü r angebracht hält, in seinen Jahresbilanzen einen besondern Posten als „stillen Geschäftswert“ unter den Aktiven aufzuführen, so ist dies ohne jede Bedeu­

tung. Dieser „stille Geschäftsw ert“ ist gewissermaßen ein Liebhaberwert, den er seiner Unternehmung beimißt, in ähnlicher Weise, wie ein Sammler von K unstgegenstän­

den seine einzelnen K unstgegenstände bewertet. E rst wenn sieh ein K äu fer fände, der bereit wäre, die U nterneh­

mung zu kaufen und dabei auch den von dem Eigentümer in der Bilanz aufgeführten „stillen Geschäfts w ert“ zu be­

zahlen, würde die Ansicht des Eigentüm ers der U nter­

nehmung über den „stillen Geschäfts- oder F irm enw ert“

seiner Unternehmung eine reale Bedeutung erlangen. Bis dahin ist diese Bewertung des „stillen Geschäftswertes“

eben n u r ein fiktiver Begriff.

A llgem eingültige Formeln g ib t es nicht

M. E. kommt aber noch ein anderer Umstand hinzu, der dagegen spricht, allgemeine Formeln aufzustellen, mit deren H ilfe der „stille G eschäftswert“ einer jeden in­

dustriellen Unternehmung berechnet werden könnte. Die industriellen Unternehmungen, d. h. alle diejenigen ge­

schäftlichen Erwerbsuntemelim ungen, die man unter den Begriff „industrielle Unternehmungen“ zusammenzufassen pflegt, weil es sich bei ihnen nicht um ein reines H andels­

unternehmen handelt, das fertige W aren ankauft, um sie m it einem Gewinnaufschlag weiter zu verkaufen, sondern vielmehr um Unternehmungen, die irgendwelche W aren unter Zuhilfenahme von maschineller K ra ft und maschi­

nellen Einrichtungen aus einem Rohstoff erzeugen, sind so verschiedenartig und in ihrem Gedeihen und ihrer Bewer­

tung von so verschiedenen Grundlagen und Umständen ab­

hängig, daß es nicht möglich ist, sie in eine gemeinsame G ruppe zusammenzufassen.

M an stelle sich beispielsweise nur die Versehiedenartigkeit der Unterlagen vor fü r die Berechnung des stillen Ge­

schäftswertes einer Bergwerkunternehmung, einer Brauerei, einer Schokoladenfabrik, einer Lokomotiv- und W aggon­

fabrik oder einer M aschinenfabrik, die sich m it der H er­

stellung von elektrischen A pparaten befaßt. Bei der Ab­

schätzung des stillen Geschäftswertes einer B rauerei wird es z. B. davon abhängen, ob sie langfristige Lieferverträge mit zahlungsfähigen Gastwirten fü r den Absatz ihrer Biere abgeschlossen h a t ; bei einem H üttenw erk wiederum, wie ausbeutungsfähig seine Rohstoffquellen sind, und ob es an K artellen oder ähnlichen Verbänden beteiligt ist, bei denen ihm durch seine Beteiligungsquote ein Mindestumsatz seiner P rodukte garan tiert w ird; bei Lokomotiv- und W aggon­

fabriken, ob ihnen langjährige und um fangreiche Liefer­

au fträge von Behörden erteilt sind, und ähnliches mehr.

In W irklichkeit sind die verschiedenen industriellen U nter­

nehmungen selbstverständlich noch weit mehr voneinander

199

(8)

verschieden als die n u r als Beispiele soeben genannten G ruppen. A ußerdem k ann m an auch noch V erkehrsunter­

nehm ungen, wie K leinbahnen, Flugverkehr, Schiffahrts- untem ehm ungen und ähnliche mehr zu der G ruppe der in­

dustriellen U ntem elim ungen rechnen und nicht zu der der Handelsgeschäfte, wenngleich sie andere Zwecke verfolgen, als W aren zu erzeugen und w eiterzuverkaufen.

Bei den einzelnen verschiedenen industriellen U nterneh­

m ungen hängen nun alle die einzelnen im m ateriellen W erte, wie günstige Lage, gute O rganisation, K un d sch aft usw.

von so verschiedenartigen U m ständen ab, daß eine Be­

rechnung des stillen Geschäftswertes au f G rund einer all­

gemeinen F orm el von vornherein aussichtslos erscheint.

Alle rechnerischen F orm eln müssen sich au ß er a u f den K ostenw ert der industriellen U nternehm ung auch noch a u f einen ih rer ändern W erte, sei es ih r Umsatz, sei es ihr E rtra g , sei es irgendein anderer ähnlicher W ert, stützen und diese m iteinander verbinden. N un kennt m an wohl die Umsätze und die E rträ g e, die die betreffende U nterneh­

m ung, deren stiller G eschäftsw ert berechnet w erden soll, in der V ergangenheit erzielt hat, jedoch nicht die E r ­ träge, die die U nternehm ung in der Z ukunft abw erfen wird. Gerade h ie ra u f kommt es jedoch an, denn der „stille Geschäfts- oder F irm enw ert“ einer industriellen U nterneh­

m ung ist nicht ein V ergangenheitsw ert, sondern ein Zu­

kunftsw ert.

E s ist n un m. E. geradezu unmöglich, fü r alle die verschie­

denen industriellen U nternehm ungen Form eln aufstellen zu können, m it deren H ilfe m an aus den E rträ g en und sonstigen U m ständen vergangener J a h re die Entw icklung vorausberechnen könnte, die die einzelnen U nternehm un­

gen in Z u k u n ft nehm en werden, und danach ihren stillen G eschäftsw ert zu bestimmen. Selbstverständlich bilden die E rträ g e einer industriellen U nternehm ung eine der H au p tg ru n d lag en f ü r die Abschätzung ihres stillen Ge- sehäftsw ertes. W ürde die U nternehm ung stillgelegt sein und daher auch keine E rträ g e mehr bringen, so käm e ein stiller G eschäftsw ert ü b erhaupt nicht mehr in Frage.

B eispiele fü r d ie W ertab sch ätzu n g

W irft m an nun die F ra g e auf, wie denn n un der stille Ge­

schäftsw ert einer industriellen U nternehm ung erm ittelt w erden soll, so k ann m. E. diese F ra g e n u r da­

hin beantw ortet werden, daß es u nter den heutigen w irtschaftlichen V erhältnissen eine reine Gefühls- und A n­

sichtssache ist, wie hoch u nter den jeweilig vorliegenden U m ständen des Einzelfalles der stille Geschäftsw ert an­

genommen w erden kann. Z ur B egründung dieser Ansicht braucht m an n u r die industriellen U nternehm ungen in drei G ruppen zu teilen, und zw ar in kleine, m ittlere und große Unternehm ungen. Es lä ß t sich alsdann an diesen G ruppen am besten erläutern, wie der stille G eschäftsw ert u n te r den zeitigen w irtschaftlichen V erhältnissen ohne A nw endung von m athem atischen F orm eln u. dgl. zwischen den P a rte ie n des V erkäufers und des K äu fers vereinbart w erden dürfte.

K le in -U n te rn e h m e n

Nehmen w ir als Beispiel f ü r eine kleine industrielle U nter­

nehm ung eine kleine R e p aratu rw erk stä tte bzw. Schlosserei an, die vielleicht m it zwei D rehbänken, einer oder zwei Bohrmaschinen, einer Schleifmaschine, einer Feldschmiede, einem E lektrom otor f ü r den A ntrieb der Maschinen, der erforderlichen Transm ission und einer F eilbank m it meh­

reren Schraubstöcken ausgestattet ist. E in K äu fer, bei­

spielsweise der W erkm eister einer M aschinenfabrik, der sich selbständig machen will, möchte diese R e p aratu rw erk ­ stätte erwerben, um sie selbst f ü r eigene Rechnung w eiter zu betreiben. Seine V erhandlungen m it dem zeitigen Eigentüm er der R ep aratu rw erk stätte d ü rfte n sich dann höchstwahrscheinlich in folgender W eise abspielen: Der K äu fer und V erkäufer, die beide Fachleute sind, werden gem einschaftlich den zeitigen W e rt der vorhandenen M a­

schinen und des sonstigen Inventars, wie W erkzeuge, Re­

gale, Schränke, V orräte an Eisen usw. feststellen und sich über den zeitigen W e rt dieser Gegenstände leicht einigen.

D ann w ird der V erkäufer a u f die günstige Lage seiner R e p araturw erkstätte, a u f seine K undschaft usw. hin- weisen und u n te r D arlegung der E rträ g e, die e r in den letz­

ten Ja h re n durch seine fleißige T ätigkeit mit seiner R epa­

ratu rw erk stätte erzielt hat, noch einen A ufschlag a u f den bereits gem einschaftlich gefundenen In v en ta rp reis als E n t­

gelt fü r den „stillen G eschäftsw ert“ fordern. D er K äu fer w ird im P rin z ip dam it einverstanden sein, einen gewissen Preisaufschlag au f den In v en tarp reis zu bewilligen, einmal weil er dadurch sofort eine gu t eingeführte W e rk statt mit einem bereits vorhandenen K undenkreise erw irbt und nicht erst das Risiko zu übernehm en braucht, sich gegen die K onkurrenz dieser bereits vorhandenen W erkstätte mit einer von ihm neu zu eröffnenden W erk stätte durchzusetzen und sein neues G eschäft in G ang zu bringen. A nderseits aber w ird er den V erk äu fer d a ra u f hinweisen, daß dieser nicht verlangen könne, nun er sein in die U nternehm ung hineingestecktes K a p ita l herausgezahlt erhält, sich m it ihm zur Ruhe setzt und keinerleit weitere A rbeitstätigkeit mehr auszuüben braucht, auch in Z uk u n ft den gleichen E rtra g , d. h. das gleiche Jahreseinkom m en zu haben, wie er es bisher aus seiner R ep aratu rw erk stätte u n te r E in ­ setzung seiner ganzen A rb e itsk ra ft und u n te r T ragung des m it der U nternehm ung verbundenen Risikos erzielt hatte.

Das Risiko, das eine jede industrielle U nternehm ung für ihren E igentüm er in sieh birgt, spielt eine große Rolle, weil ja niem and bei den heutigen w irtschaftlichen Ver­

hältnissen davor geschützt ist, daß seine U nternehm ung zurückgeht und V erlust bringt. So sagt auch K overo:

„Insbesondere ist dies der Fall bezüglich des Unternehmer­

einkommens. Gerade liier kann häufig gar nicht von dauern­

den Ertragsquellen oder von der Regelmäßigkeit der Ein­

nahmen gesprochen werden. Auch wenn die Unternehmungs­

tätigkeit als Ganzes als eine Quelle gedacht wird, kann dieselbe nicht als eine dauernde oder dauernd gesicherte Quelle gelten;

es hängt schon von der besonderen Natur der Unternehmungs­

tätigkeit ab, daß vielmehr das Gegenteil der Fall ist. So kann die Unternehmungstätigkeit nicht nur periodisch, sondern auch überhaupt lediglich in Verlust resultieren“ 20).

Bei den in Rede stehenden K aufverhandlungen w ird der K ä u fe r dann auch noch seine Geldverhältnisse berück­

sichtigen, sich darüber schlüssig werden, wieviel er von seinem Gelde zurückbehalten m uß, um ein B etriebskapital f ü r die von ihm zu kaufende LTnternehmung zu haben, und wieviel er anlegen k an n und will, um die in Rede stehende R e p aratu rw erk sta tt zu kaufen, zugleich damit auch die K onkurrenz dieser U nternehm ung a n sich zu be­

seitigen und die U nternehm ung sich selbst dienstbar zu machen. E s w ird alsdann also eine reine Gefühlssache und ein H in- und H erverhandeln zwischen K ä u fe r und V erk äu fer sein, um sich über den stillen Gesehäftsw ert, d. h. über den P reisaufschlag a u f den In v en ta rp reis zu einigen. D aß aber K ä u fe r und V erk äu fer diesen stillen 20) K o v e r o , J . : „ D ie B e w e r tu n g d er V e r m ö g e n s g e g e n s tä n d e in den Ja h resb ila n zen , d er p r iv a te n U n te r n e h m u n g e n “ , B e r lin , 1 9 1 2 , S. 1 5 7 .

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H ier handelt es sich also um die unterteilte E igenw irtschaft der Betriebzellen, wie um die W irtsch a ft des Gesamtbetriebes, nicht m inder aber auch um den

rieller Bedürfnisse verlangt, und daß ein menschenwürdiges Leben erst dann beginnen kann, wenn die tägliche Not überwunden. G etragen aber werden letzten Endes

ten Absatz, der Wert eines Patentes in gleichem oder in einer Einsparung von Betriebsausgaben. Dasselbe gilt vom Kredit und anderem. Der Wert einer

—- Der K ra ftb ed a rf einer Reis- mühle, deren zur Zeit noch viele tausende in China m it dem Göpel durch E sel angetrieben werden, ist eine banale Frage und