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Technik und Wirtschaft : Monatsschrift des Vereines Deutscher Ingenieure, Jg. 25, H. 10

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Technik und Wirtschaft

H e r a u s g e b e r: Dr.-Ing. O tto B re d t und Dr. Ge o rg F re ita g / V DI-V erlag GmbH, B e rlin N W 7 25. J a h rg a n g

O k t. 1 9 3 2

H e ft

10

I Kompensationstheorie

Von H. HIN N EN TH AL, Berlin und Murnau

Unter K om pensationstheorie versteht man die Lehre, daß der F ortschritt in der Gestaltung unsres wirtschaftlichen Lebens seine zerstörenden W irku n ­ gen a u f alles Bestehende immer wieder aus sich selbst heraus kom pensiere. Hieraus entstehe nicht nur eine mengenmäßige Steigerung der Gütererzeu­

gung und eine qualitative Verbesserung der E rzeug­

nisse, sondern ergäben sich auch imm er wieder neue Arbeitsbedürf nisse und Arbeitsm öglichkeiten.

In der Tat kann a u f eine lange Z eit praktischer Bestätigung dieser Theorie hingewiesen werden. Sie beruft sich darauf, daß die Eisenbahn den P ost­

kutschenverkehr, die Glühlampe das Petroleumlicht, der Motor die D am pfm aschine verdrängt habe, und daß hier wie bei unzähligen ändern Fortschritten unmittelbar oder m ittelbar zusätzliche A rbeit fü r eine große Zahl von Menschen geschaffen wor­

den sei.

Diese E rfahrung gilt ohne Z w eifel fü r die A u fb a u ­ zeit unserer modernen W irtschaft, in der, von Schwankungen abgesehen, die Konsum ptionslinie m it reichlicher Spanne über der Produktionslinie ge­

legen hat. D arf m an aber deshalb schon die K om ­ pensation als ein wirtschaftliches Naturgesetz an- sehen, das zwar Störungen erfahren kann, sich aber immer wieder durchsetzen w ird ?

Die K rise erfaßte momentan und elementar Sieger und Besiegte, Länder m it hoher und. zerstörter W äh­

rung, K reditgebende und Kreditnehm ende, land­

wirtschaftliche und industrielle, binnemnarkt- und ex­

portbetonte, über- und unterbevölkerte, rohstoffarme und rohstoffreiche Länder. Sie läßt sich n i c h t a l l e i n aus den politischen' Umivälzungen und ihren Folgen erklären. Die Gleichzeitigkeit und Gleich­

artigkeit des Geschehens fü h rt zu dem Schluß, daß irgendwie e i n e Ursache der W andlung doch in der ganzen W elt die gleiche gewesen sein m uß. Diese kann nur in der W irtsch a ft selbst liegen. Die K o m ­ pensationstheorie ist offenbar nicht mehr zuver­

lässig.

Bei ihrer N achprüfung d a rf man nicht, wie dies häufig geschieht, die beiden großen Bewegungen, die unsre W irtsch a ft beherrschen, nämlich den techni­

schen F ortschritt und die Rationalisierung, zusam ­ m enfassen und die A rgum ente fü r jenen auch au f diese übertragen. Beide Bewegungen können die gleichen W irkungen haben, aber in ihren M otiven und in ihren Zielen sind sie grundverschieden.

1. K om pensationstheorie und technischer Fortschritt

Eine Bestimmung des Begriffs „technischer F o rtsc h ritt“

ist kaum erforderlich. Nach v. G ottl-O ttlilienfeld1) ist

„technischer F o rtsch ritt seinem U rsprung nach entweder Erfindung oder — Einfindung“ . „Als Erfindung ent­

springt der F o rtsch ritt aus bewußt geistiger Tat, besagt sprunghafte N euerung“ , „als Einfindung vollzieht er sich als ein mehr „unbewußtes W erden und fü h rt allmählich zu einer N euerung“ .

1) v . G o ttl-O ttlilie n fe ld , V om S in n d er R a tio n a lis ie r u n g . J e n a 1929, G u sta v F isc h er.

Dem technischen F o rtsch ritt geht der „technologische F o rtsc h ritt“ voraus, d. h. die Lösung des technologischen Problems. Der Ausdruck technologisch ist insofern nicht ganz treffend, als der Ingenieur unter Technologie im wesentlichen „A ufbereitung“ versteht. Aber was dam it gemeint ist, ist klar, nämlich die Lösung des Erfindungs­

oder Einfindungsproblems, unabhängig davon, ob hieraus ein technischer F ortsch ritt, also ein neuer F ak to r im W ech­

selspiel von Produktion und V erbrauch entsteht. E in gro­

ßer Teil der technologischen Fortschritte kommt nicht zur w irtschaftlichen Auswertung, wird somit nicht technischer F ortschritt, sondern verbleibt in den Laboratorien, K on­

struktionsbüros, in den Akten und ruhenden Patenten.

Jed er technische F o rtsch ritt bedingt irgendwie und irgend­

wo das E ntstehen von etwas Neuem und die V erdrängung oder Zerstörung von etwas Bestehendem. D er kompen­

satorische Gewinn sowohl in bezug au f die Technik als au f die Arbeitsversorgung der Menschen ist die Differenz zwischen beiden. Eisenbahn — A utoverkehr, Strom - und G asfernleitung — K ohlentransport, unm ittelbare musika­

lische V orführung — Radioübertragung, Zucker aus Rohr oder Rüben — Zucker aus Holz, Stickstoffgewinnung aus der L u ft — Chilesalpeter, Energie aus K ohle und aus W asser­

kräften mögen als Beispiele unter vielen ändern genügen.

I n bezug au f die Technik muß dieser V organg immer positive Ergebnisse haben, sonst wäre er nicht vorstellbar.

Ob aber das gleiche der F all ist in bezug au f die Arbeits­

versorgung und die Beschäftigungsmöglichkeit der Men­

schen, ist eine andere Frage. E s k a n n so sein, aber es m u ß nicht so sein. W enn es in der V ergangenheit so war, und heute nicht mehr im gleichen M aße zutrifft, so liegt dies an der Spannung zwischen dem sich immer mehr überstürzenden T e m p o des Fortschritts, begründet durch eine stetig tiefer eindringende Forschung und der bewußt oder unbew ußt zunehmenden Unwilligkeit und U nfähig­

keit des Menschen, diesem Tempo im gleichen S chritt zu folgen.

Eine Maschine, ein Auto, ein Radio, ein technisches V er­

fahren entw ertet sich nicht n u r durch Abnutzung, son­

dern durch den technischen F ortschritt, und zwar in einer F rist, von deren K ürze w ir uns frü h e r keine Vorstellung gemacht haben. Die Vervollkommnung der D am pf­

maschine hat hundert Jah re beansprucht, die der D am pf­

turbine kaum zehn, umstürzende Neuerungen im F u n k ­ wesen erscheinen von J a h r zu Ja h r. Durch Überschnei­

dung von Tempo und A ufnahm efähigkeit versagt die kom­

pensierende W irkung, und dann entsteht Arbeitslosigkeit.

Trotz des größten Drucks, der von dem Durchsetzungs­

willen des teehnisijhen F ortschritts ausgeht, kann die A uf­

nahme von der Produktionsseite her nicht immer erzwun­

gen werden.

Die K om pensationstheorie gilt daher — wie jede Theo­

rie — fü r den technischen F o rtsch ritt n u r u nter be­

stimmten Voraussetzungen, und, kann keine abso­

lute Gültigkeit haben. Denn der technische F ortschritt

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hat nicht zum Beweggrund, den Menschen A rbeit zu ver­

schaffen, sondern eine N euerung durchzusetzen, gleich ob dies mit einem M ehr oder einem W eniger an A rbeits­

gelegenheiten verbunden ist. E r steht also der A rbeits- kom pensation zunächst indifferent gegenüber. Aber er rechnet natürlich dam it, daß sie zur Steigerung seines eigenen E rfolges einsetzen wird. Diese Spekulation ist aber nicht entscheidend dafür, ob das W agnis des Schrittes unternom m en werden soll oder nicht. W enn der tech­

nische F o rtsch ritt trotzdem die K om pensation bislang im gewaltigen A usm aße geleistet hat, so w ar dies nicht das Motiv seines Entstehens, sondern die Gegebenheit der er­

füllten V oraussetzungen f ü r seine kompensatorischen W irkungen.

Die Möglichkeiten, von außen her S tärke und Tempo des technischen F o rtsch ritts so zu regeln, daß immer ein kom­

pensatorisches P lus entsteht, sind gering. Die U naufhalt- samkeit gehört zu seinem Wesen. Eine Regelung findet er aber in sich selbst nach seiner Fähigkeit, entgegenwirkende W iderstände zu überwinden. Seine K om pensationsleistung kann erst nachträglich festgestellt werden. Sie ist nicht z w a n g l ä u f i g durch ihn bedingt. Ob a u f die D auer eine kompensierende W irkung im Sinne der Theorie zu erw arten ist, oder ob der W eg zu einer wachsenden „Be­

fre iu n g “ von A rbeit führen wird, ist offen.

2. Technischer Fortschritt und R ationalisierung

Ebenso wie man die unbestrittene K om pensationsfähigkeit des technischen F o rtsch ritts nicht bedingungs- und voraus­

setzungslos zum' Gesetz verallgem einern darf, d a rf man nicht m it dem Hinw eis a u f seine Kom pensationsleistungen auch die G ültigkeit der Theorie fü r die R ationalisierung beweisen wollen.

Die bew ußte R ationalisierung ist ebenso wie die K om pen­

sationstheorie ein Begriff, den w ir erst etwa seit K riegs­

ende kennen. V orher w ar R ationalisierung auch vorhan­

den, aber als Begriff noch nicht ins Bew ußtsein getreten.

N un ist es nicht immer leicht, technischen F o rtsc h ritt und R ationalisierung streng voneinander zu scheiden. Ist z. B.

die E in fü h ru n g von Buchungsmaschinen das eine oder das andere? W a r m ehr die K ostensenkung und die größere Sicherheit des Buchungsvorganges Beweggrund und Ziel oder die E in fü h ru n g der neuen M aschinen?

Ganz ohne Zweifel gibt es viele technische F ortschritte, die niem and als R ationalisierung bezeichnen würde, wie z. B.

A tom zertrüm m erung, Erzeugung hochgespannter Ströme, Flugzeugm otore, und ebenso wird man bei den B estre­

bungen nach g rößerer Vereinheitlichung oder O rdnung nicht vom technischen F o rtsc h ritt sprechen. Zwischen die­

sen beiden angedeuteten Grenzlinien liegt ab.er ein weites Gebiet, besonders da, wo es sich m ehr um Einfindungen als um Erfindungen handelt. Und hier berühren sich beide Bewegungen eng.

F ü r den Begriff R ationalisierung bestehen viele Definitio­

nen. K eine davon ist völlig treffend, und erschöpfend.

D er Begriff ist imm er unklar geblieben. D er Versuch einer neuen Definition ist so wenig aussichtsvoll, daß er nicht unternom m en w erden soll. H ie r kann es sich n u r darum handeln, ihn gegenüber dem feststehenden Begriff des technischen F o rtsch ritts ausreichend zu kennzeichnen und d araus f ü r die K om pensationsw irkung Schlüsse zu ziehen.

Rationalisieren kann man immer nur etwas Bestehendes und Gegebenes. D er technische F o rtsc h ritt gestaltet sich immer wieder neu und ist immer „ein S chritt w eiter in unserer Gewalt über die N a tu r“ .

Beide haben aber etwas Gemeinsames, was darin besteht, daß die R ationalisierung immer technisch ist, technisch im w eitesten Sinne verstanden, also z. B. auch verw altungs­

technisch, organisationstechnisch, bürotechnisch usw. H ier haben einige Bezeichnungen große V erw irrung angerich­

tet, die vielleicht der K larstellung bedarf. „Technische“

R ationalisierung einerseits und „volksw irtschaftliche“ und

„w eltw irtschaftliche“ R ationalisierung anderseits sind weder kom mensurable Begriffe, noch stellen sie eine S tufenleiter von aufeinanderfolgenden Perioden dar, etwa so, daß w ir uns zur Zeit noch in dem Stadium der tech­

nischen R ationalisierung befänden und sp äter in ein glücklicheres der volksw irtschaftlichen und w eltw irtschaft­

lichen R ationalisierung übertreten würden. Sondern

„technische R ationalisierung“ ist in sich eine Doppel- bezeiehnung. W ollte m an nach O bjekten eine Größen­

ordnung bilden, so könnte m an etwa sagen: Rationalisie­

rung von V orgängen (etwa F ließ arb eit) oder Vorlagen (etw a N orm ung), eines U nternehm ens, einer U nterneh­

m ensgruppe, einer V olksw irtschaft, der W eltw irtschaft.

Dabei ist es aber durchaus möglich, daß Rationalisierungen der unteren S tufe, z. B. bestimm te Vereinheitlichungen, sich volks- und w eltw irtschaftlich auswirken, während w eltwirtschaftliche Planungen kleine Wirtsc-haftszellen, wie ein einzelnes Unternehm en, nicht berühren.

Auch die U nterscheidung nach S ubjekt und Objekt der R ationalisierung ist n u r schwer durchführbar, U nterneh­

men, V erband, S ta a t können beides zu gleicher Zeit sein.

„Komm erzielle“ R ationalisierung ist nicht etwa die R ationalisierung der kaufm ännischen Tätigkeit, sondern ein G esichtspunkt, u n te r dem die technische Rationalisie­

rung so erfolgt oder erfolgen soll, daß ein E rtra g oder ein M ehrertrag erzielt wird.

Is t der Beweggrund des technischen F o rtsch ritts, eine N euerung durchzusetzen, so ist Beweggrund und Ziel der R ationalisierung, den geringsten A ufw and fü r die E rfül­

lung eines gegebenen technischen (im w eitesten Sinne) Zweckes zu erreichen. Sie zielt also ausgesprochen auf A rbeits- und K osteneinsparung ab. A llerdings tu t sie dies in der Hoffnung, daß durch K osten- und dam it Preis­

senkung oder die Q ualitätsteigerung ein erhöhter Absatz, durch den erhöhten A bsatz eine w eitere Kosten- und P reissenkung usf. entsteht, daß durch die Verbesserung und V erbilligung der Betriebs-, V erw altungs- und Organi­

sationsverfahren, der A usbildung und Auslese der Mit­

arbeiter größere E rsp a rn is und größere Sicherheit, durch V ereinbarung und Abstim m ung g rößere E inheit im Be­

d a rf und dam it größere Massen gleichartiger Erzeugnisse entstehen. D aß diese W echselw irkung nicht beliebig stei­

gerungsfähig ist, sondern u n te r U m ständen sehr bald eine Grenze finden m uß, liegt au f der H and.

Die Tendenz ist also grundlegend anders wie beim tech­

nischen F o rtsch ritt. W enn m an in kurzen Merkmalen, die n atürlich euin grano salis zu verstehen sind, beide m it­

einander vergleichen will, so verhalten sich technischer F o rtsc h ritt zu R ationalisierung ihrem W esen nach etwa wie E rfinder zum A rzt, Besserkönnen zu Gleichmachen, In d i­

vidualism us zu G em einschaftsarbeit, R isikofreudigkeit zu V erlustverm eidung, V o rsprung zu P lan w irtsch aft, V er­

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trau en au f eigene K ra ft zu H ilfe von außen, Expansion zu K ontingentierung, Forschung zu Kontrolle, W e tt­

bewerb zu Bindung, P atentschutz zu V orschrift und R icht­

linie, Glaube an die eigene B erufung zu Berufsauslese und Eignungsprüfung, W eitblick zu Spezialistentum , Gewinn­

sicherung zu Gemeinnützigkeit.

Damit soll weder eine H öherbew ertung des einen noch eine H erabsetzung des anderen ausgesprochen sein. Bei­

des ist nötig. E s kommt hier n u r d ara u f an, die Tendenz klar zu erkennen und zu prü fen , welche Aussichten fü r eine K om pensation bestehen.

3. R ationalisierung und K om pensationstheorie Ebenso wie beim technischen F o rtsch ritt die Kompensie- rung seiner zerstörenden W irkungen nicht zwangläufig begründet ist, fehlt auch der E rfü llu n g der Rationalisie­

rungshoffnung, daß die zunächst einmal vorgenommenen Kosten- und A rbeitseinsparungen sich in einem Absatz- und damit Arbeitszuwachs umsetzen werden, die Zwang- läufigkeit. Neben der Hoffnung steht die Gefahr, daß Rationalisierungs-Einsparungen an einer Stelle, z. B.

im M aterialverbrauch oder im Personalstand, weitere Schrum pfungen an anderen Stellen verursachen, wenn nicht durch einen entsprechenden M ehrverbrauch bzw.

M ehrbedarf an anderen Stellen eine K om pensation ein- tritt. Das rationalisierende Unternehmen kennt aber weder diese anderen Stellen, noch weiß es, ob die K om pensation stattfinden wird, noch h at es hierau f irgendeinen Einfluß.

Ohne Zweifel entsteht durch die E insparung fü r das be­

treffende Unternehmen zunächst ein in Zahlen ausdrück- b arer Vorteil. Schalten w ir die von der R ationalisierung erwartete A bsatzsteigerung aus und nehmen w ir an, daß Umsatzmenge und Preislage der Erzeugnisse vor und nach der Rationalisierung dieselbe geblieben sei, so kann sieh fü r Länder mit Arbeitslosensteuer folgender engerer Grenz­

fall ergeben:

Einsparung sierung.

durch Rationali- Aufwand für Rationalisierung.

Mehr an Arbeitslosensteuer, so­

weit sie anteilig durch die Rationalisierung verursacht ist und auf das Unternehmen entfällt.

Sind beide Seiten einander gleich, so ist das Ergebnis gleich Null. Is t die rechte Seite kleiner als die linke, er­

gibt sich ein Gewinn und umgekehrt ein Verlust. Die Rationalisierung kann ziemlich weit getrieben werden — und dies ist eine G efahr — bis ein V erlust entsteht, da von der durch sie ausgelösten Arbeitslosensteuer n u r ein Teil von dem U nternehm en selbst getragen wird, der andere der Allgemeinheit zur Last fällt. Der Grenzfall, beide Seiten gleich, ist insofern von Bedeutung, als er die Linie darstellt, au f der die W ettbew erbfähigkeit des U nter­

nehmens nicht b erü h rt wird. Denn auch die Arbeitslosen­

steuer ist ein Kostenteil, und es ist fü r den P reis des E r ­ zeugnisses ohne Belang, ob die K osten durch Steuern oder Aufwendungen f ü r die R ationalisierung entstanden sind.

Wenn m an die erhoffte Absatzsteigerung oder die wider E rw arten eintretende A bsatzm inderung einsetzt, so ergibt sich

Einsparung durch Rationali- j Aufwand für Rationalisierung,

sierung. Mehr an Arbeitslosensteuer

(wie oben).

Gewinn aus Absatzsteigerung oder Verlust aus Absatzminderung.

Gewinn und Verlust aus Absatzänderung enthält bereits den Einfluß der etwa vorgenommenen Preisänderung.

Der U nternehm er kann wohl den K räftek reis des eigenen U nternehm ens übersehen, er kann aber nicht wissen, ob und in welchem M aße andere U nternehm ungen, und zwar nicht n u r die in seiner Branche, rationalisieren werden.

W ie soll er die Rückwirkungen der eintretenden oder aus­

bleibenden K om pensation seiner E insparungen au f sein eigenes Unternehmen in seine Rechnung einsetzen ? E r ist hier in einer ganz ändern Lage als beim technischen F o rt­

schritt, dessen E rfo lg er leichter abschätzen und sich allein sichern kann. W enn aber die Rationalisierungen massiert einsetzen, so kann zwar rechnungsmäßig, wenn auch auf sehr unsicherer Grundlage, ein Vorteil fü r das einzelne Unternehmen veranschlagt werden, aber die Lebensatmo­

sphäre des Betriebes kann durch die Rückwirkungen anderer Rationalisierungen, die eine unberechenbare Größe darstellen, so zersetzt werden, daß das U nterneh­

men in G efahr kommt.

Abgesehen davon, daß es Rationalisierungen gibt, deren letzte Auswirkungen au f das eigene Unternehmen schwer zu übersehen sind, z. B. Normungen und Vereinheitlichun­

gen, liegt es im Wesen der Rationalisierungsbewegung, daß sie fa st alle Unternehm ungen gleichzeitig und gleich stark zu erfassen versucht, denn eine der wichtigsten F o r­

men, in der sie sieh vollzieht, ist die Gemeinschaftsarbeit, nicht n u r von Sachverständigen, Unternehmungen und V er­

bänden. sondern auch international u nter den Ländern.

E rfüllen sieh die Hoffnungen, au f denen die Rationalisie­

rung aufgebaut ist, so können die Vorteile solcher Gemein­

schaftsarbeit gegenüber dem Grundsatz des „laissez fa ire “ groß sein, erfüllen sie sich aber nicht — und die Gründe dafü r liegen überwiegend außerhalb des R ationalisierungs­

gedankens — so kann das Ergebnis auch nur das sein, daß ohne wesentliche V eränderung der R elativität die Waffen des K onkurrenzkam pfes verschärft und die K am pfebene au f ein anderes Niveau gehoben werden.

Auch der Zeitpunkt, zu dem eine R ationalisierung ein­

setzt, ist von großem Einfluß. Eine mögliche, aber noch nicht vorgenommene R ationalisierung ist wie eine poten­

tielle Energie oder eine noc-h nicht ausgeschüttete Reserve.

I s t sie vorzeitig und voreilig vertan, so ist es manchmal nicht mehr möglich, das Unternehmen unter noch härteren Existenzbedingungen zu halten, und mit seiner Ausschal­

tung werden kompensierende K rä fte vernichtet.

Bleibt der E rfo lg aus, so spricht m an gern erklärend und entschuldigend von Fehlrationalisierungen. Das ist häu­

fig eine Fehlbezeiehnung. Denn ob eine R ationalisierungs­

maßnahme E rfolg oder M ißerfolg haben kann, ist bei dem Entschluß dazu schwer zu übersehen, weil eben die E n t­

scheidung darüber n u r zu einem, manchmal kleinen Teil in der Rationalisierung selbst begründet liegt und von außenstehenden F aktoren abhängt, durch deren Einsetzen oder Ausbleiben der V erlauf bestimmt wird.

D aß aber diese sogenannten Fehlrationalisierungen nicht selten festzustellen sind, erklärt sich leicht aus dem Wesen der Bewegung, die die ganze W elt ergriffen hat. Sie geht den W eg des geringsten W iderstandes, und den findet sie am leichtesten bei den lösbaren Problemen der Produktion und der Verwaltung. H ier kann man anfassen, weil man die Objekte in der H and hat. Den größten W iderstand aber bietet die Rationalisierung des Verbrauchs, die sieh nicht in gleicher Weise erfassen und erzwingen läßt.

D araus erklärt es sich, daß weitaus der größte Teil aller R ationalisierungen au f die P roduktion geht und eine Über­

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leistungsfähigkeit entstanden ist, der der M arkt nicht fol­

gen konnte. Das M ißverhältnis der R ationalisierungs­

stärke in P roduktion und V erbrauch und die Ungleich­

zeitigkeit der beiden A ktionen sind die stärksten Gründe f ü r das Ausbleiben der Kom pensation.

H ier zeigt sich in ih rer ganzen G röße die Gegensätzlich­

keit der beiden F orderungen, des Rechtes der Menschen a u f A rbeit und der E rreichung des geringsten A ufw an­

des f ü r die E rfü llu n g eines w irtschaftlichen Zweckes. Sie wird dadurch v erstärkt, daß der U nternehm er n u r u n te r­

nehm enswirtschaftlieh und nicht volks- und w eltw irtschaft­

lich denken und handeln kann und im Interesse des ihm näherliegenden U nternehm ens M aßnahm en ergreifen m uß, deren volks- und staatsw irtschaftliche Rückw irkungen auf den A rbeitslosenstand und dam it au f die K a u fk ra ft wieder­

um in schweren Belastungen und M arktschrum pfungen a u f das U nternehm en zurüekstrahlen.

D aher kann die letzte Konsequenz des R ationalisierungs­

gedankens n u r eine planw irtschaftliche V orregelung sein, die an sich außerordentlich schwierig ist und zu der Ten­

denz des U nternehm ertum s im inneren Gegensatz steht.

Die Verlustverm eidung, die die R ationalisierung am besten kennzeichnet, unterbindet schon an sich viele B eschäfti­

gungsmöglichkeiten, steigert aber n u r jenseits einer ge­

wissen Grenze die Überlegenheit. In den U nternehm un­

gen ist sie bereits sehr weit getrieben. A ber die großen V erlustquellen sind noch nicht e rfa ß t. Sie liegen nicht hier, sondern in der w eltw irtschaftlichen U nordnung, die wiederum n u r m it M itteln der Rationalisierung, wie V er­

einbarung, Zwang, V orschrift (Beispiel etwa Chadbourne- P la n f ü r Zucker) v ersto p ft werden können. A ber selbst wenn dies tro tz der großen politischen und w irtschaft­

lichen W iderstände gelänge, so w ird die P roduktion die Neigung haben, wieder vorzueilen, so daß immer wieder

mehr oder w eniger hohe W ellen rückläufiger K om pensa­

tionen entstehen müssen.

Letzten Endes ist es eine F rage, wieweit es gelingt, den Menschen die möglichst gleichartigen und gleichgerichteten Bedürfnisse beizubringen, die die R ationalisierung an­

strebt, und wie die hieraus unvermeidlich entstehenden menschlichen M assenkräfte sich verhalten.

Ganz von selbst erg ib t sich die F ra g e nach der Regelung der K om pensation durch Eingriffe von außen. W ir haben gesehen, daß sie beim technischen F o rts c h ritt kaum mög­

lich ist, sondern in ihm selbst liegt, wie z. B. technische F o rtsch ritte in der K ohlengew innung und technische F o rt­

schritte in den w ärm everbrauchenden Maschinen. Auf die hieraus sich ergebenden V orteile zu verzichten, kann niem and zugem utet werden.

A nders liegt es bei der R ationalisierung. Auch sie regu­

liert sieh — wenn auch m it weit grö ß erer U nsicherheit — nach dem E rtra g . A ber n u r bis zu einem gewissen Grade.

Eine gewisse R egulierung liegt schon in der Unter- stiitzungs- und E rh altu n g slast derjenigen Arbeitslosen, deren A usschaltung durch die R ationalisierung unm ittelbar oder m ittelbar verursacht wurde. Diese Regelung von außen ist je nach der Gesetzgebung in den einzelnen Län­

dern verschieden. A u f einen ändern Regulierungsgedanken neuester Zeit sei hingewiesen: In der September-Notver­

ordnung ist eine P räm ie f ü r M ehreinstellung von Arbei­

tern ausgesetzt worden. Da nicht anzunehmen ist, daß der P ersonalstand irgendeines Unternehm ens aus bösem W illen eingeschränkt sein könnte, sondern dies nur aus bitterem Zw ang geschehen sein wird, so erhält eine solche Präm ie, falls die erhoffte W irtschaftsbelebung sich nicht oder unzureichend einstellt, den Sinn einer Entschädigung f ü r den Verzicht a u f Rationalisierungsvorteile zur Minde­

ru n g der A rbeitslosigkeit. [1466]

T ech n ik und W irtsch aft in den geistigen E rscheinungen d er G e g e n w a rt1)

Technik und W irtsch a ft stehen im B rennpunkt des gei­

stigen Ringens der Gegenwart. M annigfach sind die A n­

griffe, welche imm er wieder von den verschiedensten Sei­

ten aus nam entlich gegen die Technik und ihren beherr­

schenden E influß a u f die w irtschaftlichen und sozialen E ntw icklungen der letzten Jahrzehnte gerichtet werden.

Dabei w ird dann meist verkannt, daß es eine A ufgabe des Menschen ist und der menschlichen Gemeinschaft, sich ihre positiven Ergebnisse im Sinne einer immer mehr veredelten kulturellen Entw icklung nutzb ar zu machen.

Technische D inge und w irtschaftliche F rag en stehen nicht

— wie vielfach behauptet w ird — außerhalb oder u n te r­

halb der K u ltu r, sondern sind als reale Begebenheiten w ichtige K u ltu rträg e r, die gerade heute m ehr als je der harm onischen Verschmelzung m it den geistigen E rru n g e n ­ schaften au f idealer G rundlage bedürfen. E s m utet daher wie „eine F lu ch t aus der V erantw ortlichkeit“ an, wenn immer wieder der Versuch unternom m en wird, die Technik oder die W irtschaft, und dam it einen E inzelfaktor unseres heutigen K u ltu r- und Gesellschaftslebens, f ü r die K risen­

erscheinungen verantw ortlich zu machen, an sta tt den Men­

schen selbst als verantw ortungsvollen T räger der E ntw ick­

lung in den V ordergrund zu rücken.

E s ist ein uraltes Gesetz des Lebens, daß jedem errunge­

nen V orteil au f der einen Seite ein N achteil a u f der ändern gegenübersteht. Die A rbeitsteilung, eines der wichtigsten M ittel im A ufstieg des Menschen, h at zu einer Absonde­

ru n g von Theorie und P ra x is und einer Trennung der ein­

zelnen B erufe und F achrichtungen geführt. D er geistige Mensch verm ag sich vielfach heute ü berhaupt nicht mehr um die F ra g e der Anwendung seiner Ideen in der P rax is

*) V o n P r o f. D r . E. B öhler (K u ltu r- u n d S ta a ts w is s e n s c h 8 ftlic h e S c h r ifte n d er E id g e n . T e c h n is c h e n H o c h s c h u le , H . 3) V e r la g H . R . S a u e r lä n d e r &

Co. in A a r a u . 1931.

zu kümmern, w ährend anderseits die praktische Welt heute an ihrer U ngeistigkeit aus den F ugen geht.

Auch die rein w irtschaftliche Entw icklung weist ähnliche Erscheinungen auf. Ih re Loslösung aus den traditionalen Form en vergangener Ja h rh u n d e rte w ar einst der gewal­

tigste Im puls zum A ufstieg der menschlichen Gesellschaft.

Die Folge davon w ar, daß sich in den letzten Jahrzehnten mehr und m ehr der w irtschaftliche W e rt von der sittlichen W ertordnung gelöst hat, so daß heute u n te r dem Zeichen des P rim ates der W irtsch a ft die W iederherstellung der

„E inheit der geistigen und m ateriellen W e lt“ eine der w ichtigsten A ufgaben des einzelnen Menschen und der menschlichen Gemeinschaft geworden ist. Gerade diese E inheit aber ist sowohl ein intellektuelles wie ein ethisches Problem. H ierbei ist die Gem einschaft, die V erbunden­

heit der einzelnen Individuen, N ationen, K lassen, U nter­

nehm ungen ebenso real wie ihre Selbständigkeit. Beide m iteinander in E inklang zu bringen, ist nicht etwa eine bloße F ra g e des Ausgleiches von Interessen, sondern eine geistige A ufgabe, welche vor allen Dingen ethisches H an­

deln voraussetzt. Niem als aber ein ethisches H andeln auf G rund allgem einer G rundsätze allein, sondern au f Grund eines _ sorgfältigen Studium s und der B eherrschung des w irklichen Lebens. E s kommt somit d a ra u f an, bei An­

erkennung der realen T rieb k räfte des Menschen und des tatsächlichen S tandes ihres Schaffens das V erantw ortungs­

bew ußtsein jedes einzelnen f ü r das Schicksal der Allge­

meinheit zu wecken.

N ur so w ird es möglich sein, aus der derzeitigen künst­

lichen T rennung der geistigen und m ateriellen K u ltu r und der dadurch bedingten offensichtlichen Lebensschwäche des Menschen den W eg zur neuen G em einschaftsbildung auf dem Boden der Tatsachen zu finden und dam it die posi­

tiven Ergebnisse des technischen, w irtschaftlichen und intellektuellen F o rtsch ritts im Sinne k u ltureller G estaltung

zu nutzen. 0 . B. [1458]

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Geldwesen

und Wirtschaftskrise

D ie „V ier G esetzen tw ü rfe“ und ihre Z ie le Von Dr. H. RITTERSHAUSEN,

Dozent an d e r U n iv e rs itä t F ra n k fu r t a. M.

l n einer Umgestaltung unsres Geldwesens wird von vielen berufenen K ennern der W irtsch a ft im In- und A usland die Grundlage fü r eine wirkliche und dauernde Sanierung der gesamten W irtschaft er­

blickt. A n H a n d der „Vier G esetzentwürfe zur B ekäm pfung der Deflation, Verhinderung der I n ­ flation und Senkung des Zinses“, zu deren Ver­

fassern Dr. Rittershausen gehört, werden in dem folgenden Beitrag Grundlagen und Ä nderungs­

vorschläge fü r unsre Geldverfassung dargelegt.

Dr. Rittershausen fordert die A bkehr vom Lombard­

geld und die R ückkehr zum Diskontgeld au f Grund des reinen Handelswechsels als A usdruck des tat­

sächlich durchgeführten W arengeschäftes. E r sieht in der freien M öglichkeit zur Gründung von Ver­

rechnungsbanken das wichtigste M ittel, einen nor­

malen Um satzkreditverkehr wieder in Gang zu

bringen. Die Herausgeber.

Dem Ingenieur, dessen gewichtigen Anteil an der Form ung der heutigen W elt niemand mehr leugnen kann, wird häufig vorgeworfen, er vermöge den volksw irtschaftlichen Problemen nicht gerecht zu w erden; die O rganisation der W i r t s c h a f t bleibe seinem Denken verschlossen. Der Ingenieur- wiederum entgegnet, in W irtschaft und S taat habe bisher allzusehr d a s D e n k e n d e s I n g e n i e u r s gefehlt, n u r s e i n e Denkmethode werde einmal imstande sein, die „Soziale F ra g e “ , die heute in Gestalt der A rbeits­

losigkeit und des Absatzmangels vor uns steht, zu lösen.

W orin besteht der H auptunterschied der Methode des I n ­ genieurs zu der des „Geisteswissenschaftlers“ ? Jen er geht nicht von Begriffsdefinitionen aus, die aus gedachten M erk­

malen zusammengesetzt sind, sondern er versucht sich seine Begriffe aus dep E rfa h ru n g täglich neu zu schaffen; er zieht nicht verallgemeinernde, „ideologische“ Konsequenzen größten Umfanges aus erdachten Begriffen, ohne dauernd auf den m it dem Begriff gemeinten Gegenstand zurüek- zugehen, sondern er hütet sich vor solchen weltfremden Verallgemeinerungen. Sicherlich h at der Ingenieur recht, wenn er der schulmäßigen Nationalökonomie diese Fehler vorhält, der überhaupt älteren W issenschaften eigen­

tümlich zu sein scheint. A u f der ändern Seite d a rf der eigene C harakter der Sozialwissenschaften, die es mit der F ü h r u n g von Menschenmassen zu tu n haben, nicht ver­

kannt werden. A ber das Z u r ü c k g e h e n a u f d e n V o r g a n g in der N atur, die Entw icklung der wissen­

schaftlichen G rundsätze aus dem natürlichen bzw. sozialen Tatbestand heraus scheint m ir eine so fruchtbare Methode, daß ich m ir erlauben möchte, von h i e r aus das Problem der A r b e i t s l o s i g k e i t , der K r i s e d e s Ü b e r ­ f l u s s e s , das P a r a d o x o n d e s G e l d m a n g e l s b e i Ü b e r f l u ß an W aren zu beleuchten.

1. Die Entw icklung d er G eldw irtschaft

Der Vorgang, der untersucht werden muß, ist offenbar die Ü b e r f ü h r u n g d e r f e r t i g g e s t e 111 e n P r o ­ d u k t e v o n d e r I n d u s t r i e i n d i e H ä n d e d e r V e r b r a u c h e r . Is t dieser V organg richtig in Gang, so m üßten alle Fabriken voll beschäftigt laufen können (mit Ausnahme der fehlgeleiteten), und die Bevölkerung m üßte imstande sein, die ganze P roduktion laufend ab­

zunehmen. Gegenüber den enormen technischen Schwierig­

keiten — etwa der Plerstellung von K unstbenzin —• scheint diese „V erteilung“ eine lächerlich einfache A ufgabe zu sein; es erscheint insbesondere jüngeren Menschen un­

begreiflich, warum m an der Schwierigkeiten der G üter­

verteilung im W ege des Geldes und des K redits nicht H e rr wird. Ich möchte im folgenden insbesondere einige A n­

deutungen geben, wo die Probleme stecken, um dem N ach­

denken und eigenen Forschen den W eg zu ebnen.

Nehmen w ir zuerst die einfachen w irtschaftlichen V er­

hältnisse einer kleinen I n s e l an. Jederm ann produziert und jederm ann tauscht seine Güter gegen die P rodukte der ändern Produzenten aus, deren er bedarf. D er nötige Im p o rt w ird durch den E xport bezahlt. Als Tauschmittel im weitesten Sinne sind dabei T r a n s p o r t m i t t e l mi d G e l d erforderlich. Schon je tzt ist deutlich, daß aus­

ländische Einflüsse diesen einfachen T ransport- und Zah­

lungsverkehr nicht unm ittelbar stören können, ebenso­

wenig wie Störungen im G ütertransport Englands den W arenversand au f der Strecke Leipzig— Gotha stören können. M an stellt sich den Geld- und K reditverkehr da­

bei am einfachsten als e i n e n a l l g e m e i n e n W e c h ­ s e l v e r k e h r dar. Jeder bezahlt alles mit Wechseln:

Durch den V erkauf meines Produkts erwerbe ich eine K a u f­

preisforderung, ein Guthaben in Geld. Dieses so erworbene Guthaben ist nun genau wie in der modernen W irtschaft das natürliche Zahlungsmittel des einzelnen, das grund­

sätzlich überall ausreicht. W enn ich selbst meinen B edarf bei verschiedenen Lieferanten einkaufe, so brauche ich den Lieferanten n u r Wechsel zu geben, in denen ich ihnen diese F orderung abtrete. Diese L ieferanten wiederum können das nun ihnen gehörende Guthaben benutzen, um das zu bezahlen, was sie gekauft hatten. Stellte m an diese Wechsel au f den wichtigsten jährlichen Messetag, so brauchte man bei Fälligkeit n u r alle diese Wechsel zu kompensieren, genau so, wie dies heute an den Liquidations­

tagen an der Börse geschieht. H atte man also erst einmal seine W are oder seine Dienste verkauft, so ermöglichte es der Anw eisungscharakter des Wechsels, die Verkaufserlöse als allgemeine Zahlungsmittel zu verwenden und alle Zah­

lungen bargeldlos auszugleichen, so daß n u r geringe Spitzenbeträge in b ar beglichen werden mußten.

Diese W irtschaftsform verschwand in E u ro p a im wesent­

lichen mit der Abschaffung der Z ünfte und dem Aufsteigen eines namenlosen P roletariats. H atte man bis dahin eine A rt Zahlungsgemeinschaft gehabt, die gegenseitige Be­

kanntschaft und V ertrauen ihrer M itglieder zur V oraus­

setzung hatte, so fielen diese Voraussetzungen im F ab rik ­ zeitalter fort. Die städtische A rbeiterschaft hatte zudem mehr und mehr Barlohn an Stelle der freien Station beim M eister und der bis dahin üblichen einmaligen Zahlung im Ja h re am M eßtage zu erhalten. Diesen A ufgaben w ar das alte System nicht gewachsen: Die Wechsel lauteten meist über große und unrunde Beträge;' sie waren unteil­

bar, f ü r Lohnzahlungen also unverwendbar; dazu w aren sie nicht gegen V erlust versichert und meist noch nicht fällig.

H ier tr a t die B a n k n o t e s c h o t t i s c h e n U r ­ s p r u n g s ein. Die Notenbanken ta ten nichts, als die großen und unrunden Beträge von Wechseln umzutausehen gegen Wechsel in kleinen und runden Beträgen. Sie tauschten die ungeraden und über viel zu große Beträge lautenden Wechsel um in typisierte, sagen w ir über 10, 20, 50 100 M ark lautende Wechsel und gaben ihre eigene

221

(6)

U nterschrift dazu, um das K reditrisiko auszuschalten1).

D erartige B anknoten w aren also, wie ein kluger deutscher B auer einmal gesagt hat, nichts als „zerhackte W echsel“ . Ih re Einlösung brauchte nicht in Gold zu erfolgen, sondern ganz natürlich dadurch, daß derjenige, der die fällig ge­

w ordenen W echsel zu bezahlen hatte, zu ih rer Bezahlung die B anknoten einreiehte, wodurch ein R ü c k t a u s e h möglich w urde: das anfängliche Tauschgeschäft wurde rückgängig gemacht, indem der eine seine (nun bezahlten) Wechsel zurüekerliielt, und der andere seine Noten. M it diesem M ittel — über das sieh naturgem äß noch manches sagen ließe, steckt doch die ganze N otenbanktheorie da­

hinter — konnte m an also auch im Z eitalter der Technik und der In d ustriearbeitersehaft des Problem s des A us­

tausches der W aren H e rr werden: Je d e r verkaufte seine P ro d u k te und Dienste gegen Wechsel, jed er bezahlte m it Wechseln, und da, wo das nicht angängig war, ließ er sieh fü r die Wechsel Banknoten geben, die aber nichts als eine F orm von Handelswechseln waren.

Um uns den heutigen Z uständen zu nähern, haben w ir zu­

nächst noch den G i r o v e r k e h r einzuschieben. Der D etaillist, dem wohl in Deutschland drei V iertel des Volks­

einkommens zufließen, m acht sieh nicht mehr die Mühe, die eingegangenen B anknoten zu verpacken und als W ertb rief an seine meist ausw ärts wolmenden L ieferanten zu senden, dam it der K reislauf des Geldes über den F abrikanten, der den ersten N otenkredit bekam, geschlossen w erden kann, wie das nach dem obigen Schema nötig war. Vielmehr zahlt er die Tageslosung schon am nächsten Tage bei einer benachbarten D epositenkasse oder Bankstelle ein und be­

nutzt das so gewonnene Guthaben zu Überweisungen an seine L ieferanten. W ährend frü h e r das K reislaufsehem a wohl f ü r 90 % des um laufenden Bargeldes la u te te : E rste r Teil: B ank — Lohntüte der F ab rik — Lohnem pfänger — Laden; zweiter Teil: Laden — G rossist — F ab rik an t — zurück zur Bank, wird heute n u r noch der erste Teil dieses K reislaufes vom Banknoten- und Stückgeldum lauf besorgt, da bereits der L adeninhaber die N oten zur B ank zurück­

b rin g t und dam it den N otenum lauf beendet. Allerdings zahlt der Ladeninhaber diese Banknoten nicht a u f das K onto des F ab rik an ten ein, dem Wechsel in N oten umge­

tauscht worden w aren, sondern a u f seines. M it der E in ­ zahlung der Banknoten durch den D etaillisten bei der Bank ist also der K reditvorgang keineswegs beendet, sondern n u r um geform t. D er F ab rik an t, der der Notenbank Wechsel gegeben hatte und d a fü r Lohngelder erhielt, h at diese B anknoten noch nicht zuriiekgebracht, diese Wechsel also noch nicht bezahlt. Durch die E inzahlung des Laden­

inhabers sind aber die Girodepositen der B ank um genau den B etrag angewachsen, um den sieh am gleichen Tage der N otenum lauf verm indert hatte. Mit diesen zusätz­

lichen Passivm itteln fü h rt die Bank die aktive K re d it­

gew ährung weiter. D i e s e , n e u e n G i r o d e p o s i t e n , die an die Stelle des zweiten Teils des klassischen K reis­

laufsehem a s treten-, d u r c h w a n d e r n nun in F orm von Überweisungen die lange K ette der B ankkonten der Liefe­

ran te n und U nterlieferanten, bis sie zuletzt au f dem K onto des ursprünglichen F ab rik an ten landen, womit der Noten- U m tauschkredit zurückgezahlt ist, von dem der N otenum ­ la u f seinen A usgang nahm. Gleichzeitig sinken die Giro­

depositen au f den ursprünglichen B etrag zurück. Nähere U ntersuchungen zeigen, daß der B argeldkreislauf heute etwa 11 Tage und der anschließende G irokreislauf durch die verschiedenen Gironetze noch etwa 15 Tage dauert, so

*) V g l. m ein B u c h „ D e r N e u b a u d es d eu tsc h e n K r e d its y ste m s , e in e ze n ­ tra le n a tio n a lp o litis c h e A u fg a b e “ , B e r lin 1932, S tilk e . S . 20 b is 48.

daß die K r e d i t f r i s t e n von den B anken bei der- artigen K rediten im D urchschnitt au f etwa 26 Tage ge­

setzt w erden m üßten. Nicht mehr die G esam theit der B anknoteninhaber ist es also heute, die durch ihren N oten­

besitz, der ja eine K reditgew ährung bedeutet, die G üter­

verteilung in Ebbe und F lu t elastisch finaiiziert, sondern fast drei F ü n fte l des K reditspielraum es entfallen heute au f die Inhaber von tatsächlich dauernd umgeselilagenen Giro­

konten. N otenum lauf und G irodepositen z u s a m m e n müssen imm er ausreichen, um die gesamte richtig geglie­

derte P roduktion nach ihrem V erk au f an den Grossisten in die H an d des letzten K äu fers zu überführen. Beide entstehen durch den LTm tauschkredit und vergehen durch seine R ückzahlung; beide sind unabhängig von der Höhe der Spareinlagen, der K apitalbildung, den Auslandsgeldem und den D evisenguthaben; sie bedeuten k e i n e r l e i p r i n z i p i e l l e V e r ä n d e r u n g g e g e n ü b e r d e m a n f ä n g l i c h e n e i n f a c h e n M e c h s e l a u s ­ t a u s c h s c h e m a , s o n d e r n n u r e i n e V e r f e i ­ n e r u n g .

2. V erfallserscheinungen

Die V erfasser der „V ier G esetzentw ürfe zur Bekäm pfung der Deflation, V erhinderung der Inflation und Senkung des Zinses“ , zu denen ich gehöre, und über deren Gedanken ich hier au f A u fforderung des H erausgebers von „Technik und W irtsc h a ft“ zu referieren habe, sind nun der Ansicht, daß ein gesundes Zahlungsm ittel- und Währungssystem auch heute nicht viel anders auszusehen habe. Sie gehen nach wie vor von dem einfachen V organg aus: den aus den F ab rik to ren herausrollenden Warenmengen, die den K onsum enten zugeführt werden, die ihrerseits wiederum ihre A rbeitsleistung hingegeben haben. Sie halten es fü r entscheidend wichtig, die V erkaufserlöse zwischen diesen G ruppen von Leistenden und Liefernden zu kompensieren, sei es nu n im W ege des Wechsel Verkehrs, der Girozahlung- oder der V errechnung von F orderungen und Schulden auf Bankkonten. I s t dieser P rozeß in O rdnung, so l ä u f t die W irtsch aft, jedenfalls ist sie von der m onetären Seite her nicht gehemmt. E s ist dann nicht nötig, „Initialzün­

dungen“ oder „A nkurbelungen“ zu versuchen, „zusätz­

lichen“ K re d it heranzuholen, den S ta a t zu bemühen (viel­

mehr die R äte in seinen M inisterien) oder andere künst­

liche Aktionen vorzubereiten.

Nach dieser A nsicht stellt sich die g e s a m t e m o d e r n e E n t w i c k l u n g d e s G e l d - u n d F i n a n z w e s e n s a l s e i n e E n t a r t u n g , a l s e i n I r r w e g dar. Die Trennung zwischen Noten- und D epositenbanken, die Zentralisation des Notenbankwesens, die A ufgabe der E inlösbarkeit (1914) und die E in fü h ru n g des Zw angskurses (1910) f ü r P ap ie r­

geld, der 1931 erfolgte Ü bergang vom Handelswechselgeld zum Lom bardgeld — sie alle stellen nicht Spitzenleistungen der Finanzkunst, sondern V erfallserscheinungen dar, die den einfachen V organg der G üterverteilung nicht befördern, sondern n u r verschleiern und erschweren. D enn dadurch sind unsere großen B anken heute ebenso „v e rsto p ft“ wie G üterbahnhöfe, in denen sich H u n d erte von Zügen fest­

gefahren haben. D er kunstvolle A u fb au der modernen F inanztechnik, die in ihrem volksw irtschaftlichen Sinne von beinahe niem andem m ehr verstanden w ird, j a ein gro ß er Teil der modernen Geldlehre erscheinen dieser Be­

trachtung, wie der M anchester G uardian Commercial in einem ausgezeichneten A rtikel am 23. J u li sagte, als I rr- tüm er. Sie betrachtet die A ufgaben einer B ank als nicht sehr verschieden von denen einer E isenbahn und eines G üterbahnhofes.

222

(7)

Diese Theorie ist nicht etwa neu. A dam Sm ith h at Teile daraus genau beschrieben, überhaupt ist sie die eigentliche klassische Theorie, die m an so oft überwunden glaubte.

Die Entartungserscheinungen, die w ir heute beobachten, sind in den meisten Ländern alle p a a r Jahrzehnte vorge­

kommen, und man hat fa st immer dieselben ungeeigneten Mittel zur W iederherstellung ergriffen, bis die E rfa h ru n g lehrte, daß es n u r den alten einfachen W eg gibt, der sich an den „V organg“ anschließt und die ideologische Speku­

lation beiseite läßt.

So unterscheiden sich die „V ier G esetzentw ürfe“ gru n d ­ sätzlich von den 20 000 W ährungsprojekten, die es heute geben soll. Sie wollen n i c h t n o c h m e h r L o m b a r d - g e l d , d .h . noch m ehr V erstopfung der G üterbahnhöfe des Geldverkehrs, n i c h t n o c h m e h r Z e n t r a l i ­ s i e r u n g m it ihren deflationistischen Folgen, n i c h t n o c h m e h r A n n a h m e z w a n g fü r Banknoten und womöglich auch f ü r G iroguthaben, sondern sie wollen Dis­

kontgeld, wie es oben beschrieben wurde, und zwar nur auf Grundlage schon k urzfristig v e r k a u f t e r W are;

sie wollen r a d i k a l e R e i n i g u n g d e s K r e d i t ­ a p p a r a t s, um die V erstopfung, soweit sie schon besteht, zu beseitigen; sie wollen D e z e n t r a l i s a t i o n des Kredits und dam it der Industrie, wie sie das Zeitalter der Elektrizität möglich macht, und wie w ir sie brauchen, um die W irtschaft wieder hochzubringen, genau wie sie der Freiherr vom Stein vor 125 Ja h re n brauchte, um die M iß­

wirtschaft der zentralen preußischen B ürokratie zu be­

seitigen; und die Gesetzentwürfe wollen schließlich die A b k e h r v o m A n n a h m e z w a n g , der die zivilrecht­

liche Voraussetzung ist, ohne die Inflation sich im V erkehr nicht durchführen läßt, und der überall m it Notwendigkeit zur E ntartung des Bankwesens führt.

3. Die „Vier G e s e tze n tw ü rfe “

Dementsprechend sehen die „V ier G esetzentwürfe“ in erster Linie die freie Möglichkeit zur G ründung von „V er­

rechnungsbanken“ vor. Diese Verreehnungsbanken sind lokale selbständige N otenbanken, die aber nicht typisierte Wechsel (Banknoten) ausgeben, sondern t y p i s i e r t e V e r r e c h n u n g s s c h e c k s au f G rund des § 1 des Scheckgesetzes. Diese sollen von der ausgehenden Bank akzeptiert und in bestim m ter W eise ausgefertigt sein. In jeder G roßstadt können sieh z. B. nach diesem Vorschläge u. a.

die dort vertretenen Banken und B ankiers eine solche V er­

rechnungsbank gründen, die die V errechnung von F orde­

rungen und Schulden innerhalb des Bezirks in vollkomme­

nerer Weise leisten soll, als es die lokale Abrechnungsstelle, insbesondere auch die Reichsbank heute kann. Denn die Reichsbank, die mit Finanzwechseln überlastet und vom Ausland abhängig ist, h at nicht die F reiheit, gute H andels­

wechsel so leicht und billig in ty pisierte Schecks umzu­

tauschen, wie das die V errechnungsbank vermag. Durch ein geradezu raffiniertes System von M aßregeln w ird d afü r gesorgt, daß diese V errechnungsbanken immer genug

„Rückstrom“ haben, und daß M ißbrauche ausgeschlossen werden. Die lokalen Verrechnungsbanken sollen durch spezielle G i r o - u n d A u s t a u s c h z e n t r a l e n inter­

lokal verbunden sein.

So soll ein Netz gesunder, durch die K rise und allzuviel

„F inanzkunst“ nicht belasteter K reditanstalten geschaffen werden, dam it der normale U m satzkreditverkehr wieder in Gang kommt, die monetären H emm ungen des G üteraus­

tausches also beseitigt werden. Diese Reservefront im Bankwesen soll die R e i c h s b a n k zugleich e n t ­

l a s t e n und kam pffähiger machen. Inflation kann davon ebensowenig befürchtet werden, wie von jeder ändern A us­

dehnung des bargeldlosen Verkehrs. Z ur Inflation gehören immer zw ei: Einer, der das Geld äusgibt, und ein Zweiter, der es annimmt. Besteht kein A nnahm ezw ang2), so wird man den Zweiten nur finden, wenn m an m it den Schecks voll­

w ertig kaufen kann. Das w ird immer der F all sein, wenn die V errechnungsbank sich au f die Diskontierung und Z er­

stückelung von echten kurzfristigen W arenforderungen be­

schränkt, weil diese Rückstrom haben. Treibt sie M ißw irt­

schaft, so werden ihre Schecks entwertet, wie heute die Schecks, die m an au f eine zahlungsunfähige Bank ziehen w ürde; eine E ntw ertung der E inheit „G oldm ark“ oder anderer Zahlungsm ittel kann dadurch nicht erreicht werden.

H ierm it ist aber n u r dem privatw irtschaftliehen Sektor der W irtschaft gedient. Über 40 % der W irtschaft gehören heute durch Steuerzahlung, öffentliche Beiträge und S taats­

betriebe dem sogenannten öffentlichen Sektor an. H ier ge­

nügt nicht die eben beschriebene Ausdehnung des bargeld­

losen Zahlungsverkehrs au f die Lohnzahlung und die V er­

rechnung der Lohn- und Gehaltsforderungen der V erbrau­

cher m it den Lieferantenforderungen der Firm en, sondern liier h at e i n e z w e i t e A r t d e r V e r r e c h n u n g er­

gänzend einzutreten: Die Verrechnung zwischen den Lohn- und Gehaltsforderungen der Staatsangestellten und -liefe- ranten g e g e n d e n S t a a t mit den Steuerforderungen d e s S t a a t e s gegen die Bürger. Die Verrechnung, wel­

che überhaupt die leitende Idee der ganzen Gesetzentwürfe ist, erfolgt hier zweckmäßig nicht durch „Scheck“ ge- - nannte V errechnungszettel, sondern durch andere staatliche Verrechnungszettel m it dem alten Namen „Reichskassen­

scheine“ . Auch diese Reichskassenscheine dürfen, um vor Inflation gesichert zu sein, keinen Annahmezwang fü r P rivate haben, sondern sie haben n u r „S teuerfundation“ , d. h. sie müssen von den öffentlichen K assen bei Steuer­

zahlungen zum Nennwerte genommen werden (vgl. die neuen „Steuergutscheine“ ). Auch hier ist die Rück­

ström ung durch genaue V orschriften gesichert und M iß­

brauch ausgeschlossen. So wird das A ufhören der De­

flation im öffentlichen Sektor der W irtschaft erreicht, K a u fk ra ft dargeboten, die sieh zwangläufig in zusätzlichem Absatz der Industrie äußern muß und eine r e i n l i c h e S c h e i d u n g d e s S t a a t s k r e d i t s v o m P r i v a t ­ k r e d i t d e r R e i c h s b a n k erreicht, deren Vermen­

gung heute eine der schlimmsten Hemmungen des Gesun­

dungsprozesses darstellt. Zugleich kann den Kassen­

schwierigkeiten des Reichs abgeholfen werden, soweit diese nur Überbrückungsschwierigkeiten sind, denn echte Defizite des E ta ts können durch private V errechnung naturgem äß nicht ausgeglichen werden.

E in w e i t e r e r G e s e t z e n t w u r f beschäftigt sich so­

dann mit dem l a n g f r i s t i g e n K r e d i t des Reichs.

Fällige Anleihestücke, bei der E rbschaftssteuer auch n i c h t fällige, sollen zu Steuerzahlungszweeken verwendet werden dürfen, um hierdurch mehr V ertrauen und Nach­

frag e nach Reichs-, Länder- und Gemeindeanleihen zu schaffen. Durch ein Netzwerk von Bestimmungen soll dieserart das K ursniveau der Anleihen, das heute überaus schlecht ist, dem P aristande von 100 % angenähert wer­

den. W enn man m it Recht gesagt hat, daß ein Volk, das nicht baut, stirbt, so d arf m an auch behaupten, daß e i n V o l k s t i r b t , w e l c h e s e s n i c h t v e r s t e h t , s e i n e f e s t v e r z i n s l i c h e n P a p i e r e a n d e n P a r i s t a n d h e r a n z u b r i n g e n . Diese Sanierung

2) D ie s e r b e steh t in D e u tsc h la n d n u r fü r R eic h sb a n k n o ten u n d erst s e it 1910; n ic h t z. B . fü r R e n te n b a n k sch ein e.

223

(8)

des la n g fristig en K red its und des A nleihem arktes, v erstä rk t durch die F lüssigkeit am G eldm arkt infolge der Zulassung von Y errechnungsbanken und Reiehskassenscheinen, w ürde drei W irkungen h a b e n : einmal w ürden die S parkassen und V ersicherungsträger, die einen großen Teil der Volks­

ersparnisse verwalten, wieder bilanzieren können, zum ä n ­ dern hätte der S ta a t K re d it und zum dritten wäre die V or­

aussetzung f ü r eine Belebung des B aum arkts gegeben:

billiger K redit.

Die w e i t e r e n V o r s c h l ä g e , a u f die hier nicht eingegangen werden s o ll3), beschäftigen sich m it der Sa­

nierung der Reichsbank, der H erstellung einer gesunden und unanfechtbaren W ährungseinheit in Gold, wobei aber Gold n u r Index, nicht aber Deckung oder Zahlungsm ittel sein soll, der A brundung des System s der papierenen Zah­

lungsm ittel und schließlich m it der A bdrängung der geham ­ sterten Reichsbanknoten in eine Goldanleihe des Reichs („S teuerguthaben“ ).

4. Zu sam m en fassun g

So ist hier der V e r s u c h e i n e r u m f a s s e n d e n K r i s e n b e k ä m p f u n g gem acht worden, ’ die in den kurzen M onaten seit dem Erscheinen bereits nicht ganz ohne W irkung gewesen ist. Die „Steuergutscheine“ der R eiehsregierung von P apen sind u nter Benutzung der hier geleisteten V orarbeiten geschaffen worden, ihre Steuer- fundation, ihre K ursnotierung und Zahlungsm ittelähnlich­

keit weist d a ra u f hin. Ü berhaupt ist die P olitik der An- - passung an die K rise überwunden, m an h a t sich allgemein zur energischen B ekäm pfung der K rise durchgerungen.

W ird der beschrittene W eg w eiter verfolgt, w oran wohl nicht zu zweifeln ist, so wird m an nach manchen U nfällen

3) V g l. „ D a s a n d e r e S y ste m “ , ein W ir tsc h a fts - u n d F in a n z v o r sc h la g in v ie r G e se tz e n tw ü r fe n , B e r lin 1932, S tilk e , w o d er T e x t d er G e se tze n t­

w ü r f e e b e n fa lls a b g ed ru ck t ist. D ie O r ig in a la u s g a b e d ie s e r E n tw ü r fe n e b st e in e r o ffiz ie lle n B e g r ü n d u n g v o n D r . W. Zander is t zu b ezieh en d u r c h D r . Ram in, B e r lin N W 7, F r ie d r ic h E b ertstr. 28 (1 RM).

noch weitere der A nregungen in A nspruch nehmen, denn der K u rs der neuen G eldpolitik geht bereits in der hier geforderten R ichtung (S taatsp ap ierg eld usw.).

Dabei sollte m an sieh hüten, die F ehler der üblichen un­

wissenschaftlichen W ährungsvorsehläge m itzum achen: den Zentralism us, der nie sagt, wie die P erip h erie und das p la tte L and m it K re d it versorgt werden soll; die B egünsti­

gung der K reditm ißbräuche, die heute so groß und offen­

kundig sind, die aber nie durch blindes V ertrauen, sondern n u r durch zwangläufige gesetzliche V orkehrungen ausge­

schlossen werden können; die V ernachlässigung des A g ra r­

kredits; die Ü berschätzung unseres M enschenm aterials (als ob w ir geniale Übermenschen hätten, die Riesenbanken zu leiten verm öchten); die H offnung a u f die ankurbelnde W irkung der Inflation, obwohl doch das W irtschaftsleben im Inflatio n sjah r 1923 fa st zum S tillstand gekommen w ar;

die H offnung au f Schuldabw ertung, obwohl w ir doch nicht in der Überschuldung, sondern in dem A bsatzm angel das prim äre Übel sehen müssen; die Neigung, nicht Diskont­

geld, sondern nach am erikanisch-russischem M uster noch mehr Lom bardgeld auszugeben, w orauf ja fa st alle V or­

schläge heute hinauslaufen. Vermeiden w ir diese Fehler, die sich bei jedem im A nfänge der Geldstudien einzustellen pflegen, so w erden w ir eine gesunde G rundlage fü r ein s e l b s t ä n d i g e s f r e i e s U n t e r n e h m e r t u m schaffen. D er gesunde Verkehrsmechanismus, der damit im Gelde und den B anken au fgebaut ist, ist naturgem äß kein Endstadium . Vielmehr w ird jed er Betrieb dann mit verdoppelter E nergie zu g e s u n d e r B e t r i e b s w i r t ­ s c h a f t , insbesondere zu einer g e s u n d e n K a p i t a l ­ w i r t s c h a f t hinstreben müssen, wie das in den Leit­

aufsätzen dieser Z eitschrift so eindringlich gefordert wor­

den ist (vgl. 1932 Nr. 3, 4, 5, 6). N ur zwischen gesunden E inheiten ist ein gesunder A ustausch möglieh, n u r sie können eine gesunde V olksw irtschaft bilden. [1470]

Zur Steuerfreiheit von Unternehmungen der öffentlichen Hand

Von HEINRICH BÜGGELN, Stuttgart

Die Untersuchung stellt einen Beitrag zur Frage der zw eckm äßigsten Verw endung der Ersparnisse dar, die die U nternehmungen der öffentlichen H and aus ihrem Steuerprivileg erzielen. Dem Charakter der Unternehm ungen und dem S in n des Privilegs entsprechend sollen diese Ersparnisse nicht un­

m ittelbar in F orm von Preissenkungen einem Teil der B evölkerung zugute kom m en — dies auch schon nicht aus Gründen des W ettbew erbs m it privaten U nternehm ungen — sondern restlos an den S taat oder die Gemeinden abgeführt werden, um dadurch die A llgem einheit zu entlasten.

U nternehm ungen der öffentlichen H an d sind solche, die sich im Besitze des Reiches, der B undesstaaten oder der Kom m unen befinden, einerlei ob sie als sogenannte unselb­

ständige U nternehm ungen u n te r der unm ittelbaren A u f­

sicht der P arlam ente oder Gem eindeverwaltungen stehen, oder ob sie selbständig in einer nach kaufm ännischen Grundsätzen, geleiteten Gesellschaftsform , z. B. als A ktien­

gesellschaft, betrieben werden. I n beiden F ällen ist die öffentliche H an d in diesen U nternehm ungen allein m aß­

gebend. A ußerdem ist sie vielfach an sogenannten ge­

m ischt-w irtschaftlichen U nternehm ungen beteiligt.

Alle diese U ntem ehm ungsarten sind je nach ih rer Eigen­

a rt in größerem oder kleinerem U m fange im Gegensatz zu den entsprechenden reinen P rivatunternehm ungen von Steuern befreit. Die grö ß ten V ergünstigungen genießen in dieser H insicht die sogenannten Versorgungsbetriebe, aus denen die B evölkerung m it E le k trizität, Gas und W asser versorgt wird, w ährend B etriebe mit gewerblichem C harakter weniger begünstigt sind.

D er Sinn der S te u e rfre ih e it

Der Sinn der gesetzlichen S teuerbefreiung ist ohne Zwei­

fel der gewesen, der öffentlichen H an d durch den Steuer- naehlaß größere M ittel f ü r ihren H a u sh a lt zu verschaffen und in gleichem M aße das Reich, das seinerseits einen Teil der Steuereingänge an S taaten und Gemeinden w eiter­

geben m uß, zu entlasten; fe rn e r sollte dadurch ermöglicht w erden, die Gemeindeumlagen a u f einer f ü r die Bevölke­

ru n g trag b a re n H öhe zu halten.

I n W irklichkeit w ird die S teuerfreiheit n u r in den selten­

sten F ällen ihrem eigentlichen Zweck entsprechend ver­

wendet. Die e rsp a rte Steuer w ird vielm ehr in der Regel den Abnehm ern in F orm der L ieferungsverbilligung ge­

schenkt und dam it m. E. ein g ro ß er volksw irtschaftlicher Schaden angerichtet, indem einerseits H an d el u nd Ge­

werbe durch erhöhte Gemeindeumlagen zu leiden haben, anderseits aber p rivatw irtschaftliche V ersorgungsbetriebe

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triebe kann aber eine verschleierte V erleitung zum B ruche des Betriebsgeheim nisses oder sonst eine unlautere A bsicht erblickt w erden. H ier ist eine Verständigung der

H ier handelt es sich also um die unterteilte E igenw irtschaft der Betriebzellen, wie um die W irtsch a ft des Gesamtbetriebes, nicht m inder aber auch um den

rieller Bedürfnisse verlangt, und daß ein menschenwürdiges Leben erst dann beginnen kann, wenn die tägliche Not überwunden. G etragen aber werden letzten Endes

ten Absatz, der Wert eines Patentes in gleichem oder in einer Einsparung von Betriebsausgaben. Dasselbe gilt vom Kredit und anderem. Der Wert einer

—- Der K ra ftb ed a rf einer Reis- mühle, deren zur Zeit noch viele tausende in China m it dem Göpel durch E sel angetrieben werden, ist eine banale Frage und

wendigen Absatz auch fü r die Z ukunft zu sichern, führt nicht n u r zur immer weiter getriebenen K onzentrierung der Betriebe und Intensivierung des M arktes,

käm pfung der immer mehr zunehmenden Erwerbslosigkeit f ü r einige Zeit in den H in terg ru n d treten lassen. betrug, längst die 6 Mill.-Grenze beträchtlich

Nicht nur, weil so allein die in den übersteigerten Investierungen vorweg genommenen Chancen (Abschreibungs- und Nutzungsmögliehkeiten) zukünftiger Um satzleistung