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Technik und Wirtschaft : Monatsschrift des Vereines Deutscher Ingenieure, Jg. 25, H. 11

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Technik und Wirtschaft

H e ra u s g e b e r: Dr.-Ing. O tto B re d t und Dr. G e o rg F re ita g / VDI-V erlag GmbH, B e rlin N W 7 25. J a h rg a n g

I Staat und Wirtschaft

Von Dr.-Ing. O TTO BREDT, Berlin

Das F reiheitsprinzip, einst im Staatsleben der A u s­

gangspunkt zur B efreiung des Menschen aus er­

starrten Form en und erdrückenden Bindungen, hat nach einem beispiellosen A u fstieg der Völker nur zu o ft zur Lösung aller Bindungen und Proletarisierung aller W erte geführt.

Das N ützlichkeitsprinzip, einst im W irtschaftsleben die treibende K r a ft zur Erschließung der W elt und zum menschlichen Fortschritt hat m it der K o m ­ merzialisierung aller Dinge fü r weite Kreise die Unmöglichkeit gebracht, sich von ihrer Hände Arbeit aus eigener K r a ft zu ernähren.

Der Freiheits- und N ützlichkeitsgedanke ist vor Jahrhunderten im K a m p fe gegen überspannte staat­

liche und wirtschaftliche Forderungen der herr­

schenden Klassen entstanden. Selbst überspannt und dam it sinnlos geworden, fuhren sie heute zur Forderung nach verpflichtender Bindung und L ei­

stung des einzelnen Menschen im Rahmen der ihm eigenen Gemeinschaft z u r ü c k 1).

Trotzdem sind die in allen derartigen Grundsätzen zum A usdruck kommenden, einstmals als neue W ahrheiten erkannten alten T riebkräfte des Lebens auch fü r die Z u k u n ft nicht tot. N ur sind sie heute verdeckt oder vielfach sogar verschüttet durch die bittere E rfahrung und N ot, welche die Gegenwart infolge der Übertreibung der Vergangenheit immer wieder aufs neue erlebt. Soll Ähnliches sich in der Z u k u n ft nur in um gekehrtem Sinn wiederholen?

Gibt es wirklich zwischen solchen E xtrem en keine M öglichkeiten der Überbrückung? K la fft hier ein unüberwindbares Entw eder —- Oder im herrschen­

den G rundsatz? Oder sind Freiheit und Bindung, Leistung und N utzen sowie viele andere ähnlich ge­

lagerte scheinbare Gegensätze nicht nur die Pool­

paare, in deren Felde sich das Leben vollzieht, und zwischen denen es im W echselspiel der Entw icklung gelebt und gelenkt werden muß? A ber auch in ge­

sunder W eise gelebt und gelenkt werden kann, wenn nur hier oder dort ein ziel- und verantwortungs­

bew ußter W ille, m it feinem Verständnis und tiefer E rkenntnis gepaart, in einer drohenden Überspan­

nung rechtzeitig die notwendige Umkehr findet.

Gerade ein solcher führender W ille tu t not, in jedem Einzelnen wie auch in ihrer Gemeinschaft. W o ist er zu finden? E in W ille, der nicht etiva nur schlechthin ein W ollen zum Handeln ist, sondern der feste E ntschluß, die E ntw icklung der Dinge aus ihren lebendigen K rä ften und dem S in n ihres W erdens heraus im Rahm en der vorhandenen Z u ­ sammenhänge und M öglichkeiten a u f ein gemein­

sames Z iel hin zu meistern.

Vor einer solchen Frage stehen wir heute in Staat und W irtschaft. Die Lösung ist fü r unser aller Z u k u n ft entscheidend.

1. Notwendigkeiten der Wirtschaft

Der U rsp ru n g jed er w irtschaftlichen B etätigung und dam it auch jeder W irtschaft ist das naturnotwendige Streben des Menschen nach Sicherung und Verbesserung von D a s e i n u n d L e b e n s g e l t u n g . Beide gehören stets

1) V g l. ..A u t a r k ie ? “ , T ech n . u . W ir tsc h ., 1932, H e f t 6, S. 121 ff.

untrennbar zusammen, mag auch zu Zeiten das eine oder das andere in der W irkung nach außen scheinbar ver­

schwinden. Beide beherrschen das Feld im Leben des E in­

zelnen wie der Gemeinschaft.

W ie sich der K am pf um Dasein und Lebensgeltung im einzelnen äußert, hängt von dem Willen der Menschen und den aus ihrer bisherigen Lebensgestaltung erwachsenen Grenzen und Möglichkeiten ab. In welcher Weise sich dieser W ille im Rahmen der gegebenen Verhältnisse aus­

w irk t, ist stets fü r die zukünftige Gestaltung der W irt­

schaft entscheidend. Damit ist gleichzeitig aber auch die Eingliederung der W irtschaft in die großen Zusammen­

hänge von Volk, S taat und Gesellschaft gegeben.

E rst das Streben nach Sicherung und Verbesserung von Dasein und Löbensgeltung schafft den B e d a r f , dessen Entstehung und Deckung in der W irtschaft seit jeher eine vorherrschende Rolle spielt. E in Bedarf, der somit niemals etwa nur der N otdurft oder dem W ohlstand des Daseins entspricht, sondern stets darüber hinaus auch noch all die Erfordernisse um faßt, welche ein Mensch oder Volk zur Erreichung seiner Lebensziele den ihm gegebenen Möglich­

keiten des Lebens abzuringen bereit ist. Jeder B edarf eines Menschen und eines Volkes und dam it jeder B edarf einer W irtschaft ist daher nicht nur von den vorhandenen

„B edürfnissen“ des täglichen Lebens abhängig, sondern

— und das oft noch in weit höherem M aße — von der Willensbildung, welche der Einzelne und die Gesamtheit in der Setzung und Verfolgung von Lebenszielen aufzu­

bringen vermögen. Das ist wichtig und fü r die F ührung von S taat und W irtschaft entscheidend.

W ill man daher eine W irtschaft in gesunder Weise ent­

wickeln, so kommt es d arauf an, den fü r ihre A rt und ihren U m fang richtunggebenden B edarf aus einer g e ­ s u n d e n Z i e l s e t z u n g v o n D a s e i n u n d L e b e n s g e l t u n g des Einzelnen wie der Gesamtheit heraus zu entfalten. Das aber bedeutet nicht etwa, den B edarf durch Registrierung und Planung mengenmäßig bis in alle Einzelheiten hinein von zentralen Stellen aus zu fixieren, sondern Ziele zu stecken und ihre V erfolgung dem Einzelnen und der Gesamtheit in individuell angepaßter Weise durch geeignete M aßnahmen zu ermöglichen. W e r e in e s o lc h e Z i e l s e t z u n g u n t e r g l e i c h z e i t i g e r S c h a f f u n g d e r h i e r f ü r e r f o r d e r l i c h e n p r a k t i ­ s c h e n G r e n z e n u n d M ö g l i c h k e i t e n e r f ü l l t , v e r m a g in W a h r h e i t e in e W i r t s c h a f t zu f ü h r e n .

Im M ittelpunkte des wirtschaftlichen Denkens steht heute nach wie vor der G r u n d s a t z d e r W i r t s c h a f t ­ l i c h k e i t . Im Grunde genommen ist er nichts anderes als das uralte Gesetz des nun einmal materiell bedingten Lebens, das auch dann noch Gültigkeit hat, wenn man dabei nicht die ideellen Ziele vergißt. Denn jedes Leben l’ä ß t sich nur dann erhalten oder entwickeln, wenn es gelingt, im Wechselspiele des Lebensverlaufs den inneren Ausgleich der K rä fte im Rahmen der Umwelt immer wieder aufs neue zu finden.

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W irtschaftlich leben oder w irtschaftlich arbeiten bedeutet daher nicht etwa nur, seine E innahm en und A usgaben so zu bilanzieren, wie es z. B. der öffentliche E ta t zum G rund­

satz erhebt, wobei m an dann je nachdem entweder au f die eine oder die andere Seite n u r in um gekehrtem Sinne zu drücken pflegt. E s bedeutet auch nicht nur, wie so m ancher B etriebsw irtschaftler m eint, die K u n st, seinen A ufw and und E rtra g durch geschickte K osten- und P re is­

gestaltung so in E inklang zu bringen, daß am Jahresende ein mehr oder w eniger g roßer Überschuß bleibt. W irt­

schaftlich handeln heißt vielmehr, die Sicherung und V er­

besserung des Daseins und die E rreichung der sich selbst oder von anderen gesteckten Ziele so zu verwirklichen, daß m an hierbei weder die eigene Lebenskraft noch das Lebensvermögen seines W irkungsfeldes au f die D auer schwächt oder vernichtet. W i r t s c h a f t l i c h e s H a n ­ d e l n i s t d a h e r a u c h n i e m a l s e i n e F r a g e d e r R e c h n u n g o d e r d e r T e c h n i k a l l e i n , s o n ­ d e r n l e t z t e n E n d e s s t e t s e i n e s o l c h e d e r F ü h r u n g , die sich der R echnung und Technik ziel- und verantw ortungsbew ußt von F a ll zu F a ll bedient, um die Schwierigkeiten der stets wechselnden A ufgabe zu meistern.

D er S chw erpunkt jeder W irtschaftlichkeit liegt daher nicht etwa in der Umsatzbewegung von G ut oder Geld, auch nicht in dem Ü berschuß innerer oder äu ß erer W ertbildung von K a p ita l oder Konsum, sondern darin, ob und inwieweit ein Mensch oder eine Gemeinschaft Dasein und Lebens­

geltung zu erhalten und zu entwickeln vermag, ohne au f die D auer D asein und Lebensgeltung ih rer Umwelt ver­

nichtend zu stören. Das aber ist o ft leichter gesagt als getan, auch dann, wenn der gute W ille dazu an sich vorhanden ist.

Vom S tan d p u n k t des Einzelnen wie einer Gemeinschaft kommt es zunächst d ara u f an, im eigenen Heim e O rdnung zu schaffen. D as eigene Dasein und die eigene Lebens­

geltung gesund zu erhalten und zu entwickeln, ist nicht nur eine berechtigte F orderung, sondern auch eine notwendige Pflicht jed er gesunden W irtsch aft. W ie dies im einzelnen ohne schwerwiegende Schädigung anderer geschehen kann, ist im voraus nicht immer leicht zu erkennen, um so mehr als die Lage in uns und um uns sich laufend verändert.

I n der Regel bietet die wohlverstandene und verständnis­

volle Pflege der in F ra g e kommenden W irtschaftsbeziehun­

gen im Rahmen der praktisch vorhandenen eigenen Mög­

lichkeiten die beste Gewähr fü r die gesunde W ahrung eigener und frem der Belange. Die Grenzen h ie rfü r sind infolge des stets wechselnden Geschehens zwar flüssig, trotzdem aber immer als solche vorhanden. Ih re Linien werden dabei von der allgemeinen E ntw icklung und dem jeweiligen S tand des einzelnen W irtsch aftsträg ers im Gesamtverbande bedingt, erst aber durch den menschlichen W illen, durch menschliche Zielsetzung und menschliche F ü h ru n g gezogen.

W irtschaftliches H andeln verlangt also von einem jeden im Grunde genommen nichts anderes, als sich so a u f die jeweilige Entw icklung in uns und um uns einzustellen, daß innerhalb der uns hier n un einmal gezogenen S chran­

ken eigenes Dasein und eigene Lebensgeltung im Sinne des oben skizzierten W irtschaftlichkeitsgedankens erhalten und entwickelt w erden kann. D as bedeutet m anchm al ein Schrum pfen, so etwa wie unsre Lunge schrum pft, um w ieder A tem zu holen.

D er G rundsatz der W irtschaftlichkeit g ilt f ü r jeden L ebensträger der W irtschaft. D as schließt aber nicht etwa

aus, daß im V erband eines solchen die Gesamtheit das eine oder das andere der Glieder aus diesem oder jenem G runde trä g t und dam it hier der G rundsatz der W irtsc h a ft­

lichkeit fällt. So müssen z. B. Forschungs- oder W ohlfahrt- einrichtungen, V erw altungsstellen von S ta a t und W irt­

schaft und vieles andere mehr stets als Glied von einer W irtschaftsgem einschaft erhalten werden. Sie können es aber n u r insoweit, als es die A u frechterhaltung der W irt­

schaftlichkeit in dieser Gemeinschaft zuläßt. N icht starr momentan, wohl aber beweglich a n g e p aß t a u f die Dauer.

Es liegt m ithin im ureigensten Interesse auch solcher von einer W irtschaftsgem einschaft gem einsam getragenen Glieder, zu r Sicherung und V erbesserung der W irtsch aft­

lichkeit des Ganzen nach M öglichkeit ihren B eitrag zu leisten, jedenfalls ihre E rzielung nicht von sich aus zu er­

schweren. H ier im einzelnen gangbare W ege zu finden, ist aberm als nicht allein Sache der Rechnung oder der Technik, sondern eine der w ichtigsten A ufgaben jeder F ührung, die nicht ob der E rfordernisse der Gesamtheit die N ot der Glieder vergißt.

Die A npassung eines Einzelnen oder einer Gemeinschaft an die E rfordernisse der jeweils v eränderten Lage unter dem leitenden G esichtspunkt der W irtschaftlichkeit ist d e r w a h r e S i n n d e r R a t i o n a l i s i e r u n g s ­ b e w e g u n g , ganz gleich a u f welchen Gebieten sie sieh nun a u s w irk t2). D arum kann auch R ationalisierung sieh niemals allein, wie dies lange J a h re hindurch geschah, m it der H erau sarb eitu n g von M itteln und M ethoden oder Form en und W egen, d. h. also von Technik und Organi­

sation an sich befassen, sondern m uß zunächst einmal E r­

kenntnis, E insicht und V erständnis innerhalb der großen Zusam m enhänge und Entw ieklungsriehtungen vermitteln, die allein w irtschaftliches H andeln ermöglichen, und ohne die Technik und O rganisation niemals einer Ziel- oder Zwecksetzung in w irtschaftlicher W eise nutzbar gemacht werden können. D a r u m k a n n a b e r w e i t e r h i n a u c h R a t i o n a l i s i e r u n g a l l e i n n i e m a l s W i r t s c h a f t s f ü h r u n g b e d e u t e n , weil sie die eigentliche Ziel- und Zwecksetzung und dam it die lebendige K ra ft in der W irtsch a ft nicht fa ß t.

Gerade aber eine solche imm er w ieder erneuerte Ziel- und Zwecksetzung ist notwendig, w enn es d a ra u f ankommt, fü r die aus irgendwelchen G ründen durch die w irtschaft­

lichen Entw icklungen des letzten Jahrzehntes freigesetzten A rbeitskräfte neue Erw erbsm öglichkeiten im eigenen Lande zu schaffen 3) .

2. Der S taat als W irtschafter

Bevor m an sich mit dem S taate als W irtsc h a fte r befaßt, m uß man sich darüber k la r sein, was denn eigentlich der S ta a t als solcher bedeutet. A ls Inbegriff der geltenden politischen Macht w ird er P erson und t r i t t als W irt­

schafter in den K reis der anderen W irtsehaftsubjekte.

D am it u n terliegt auch er dem G rundsatz der W irtsch a ft­

lichkeit, n u r m it dem U nterschied, daß ihm nicht n u r die Sicherung und V erbesserung des eigenen Daseins und der eigenen Lebensgeltung obliegt, sondern auch die seiner Staatsangehörigen. Das ist wichtig. D enn d arau s erwächst dem S taate die doppelte Pflicht, den G rundsatz der eigenen W irtschaftlichkeit m it dem seiner A ngehörigen in E inklang zu bringen und darüber hinaus noch in gesunder Weise sich selbst und den Seinen immer wieder au fs neue Ziele

2) V g l. „ I n d iv id u e lle W ir tsc h a fts fü h r u n g " (K o n z e n tr a tio n o d er K oope- r a t io n ) , V e r la g f ü r O r g a n isa tio n s -S c h r ifte n G m b H ., B e r lin 1 9 3 1 , S. 5 ff.

3) V g l. „ A r b e it ! “ , T ech n . u . W ir tsc h ., 1 9 3 2 , H e f t 5 , S . 9 7 ff.

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zu stecken, sowie fü r ihre V erfolgung die praktisch er­

forderlichen Grenzen und Möglichkeiten zu schaffen. W ird hierbei das eigene W irtschaftsinteresse, das man auch das fiskalische nennt, übersteigert, so tr itt der S taa t not­

wendigerweise in Gegensatz zur Gesamtheit der einzelnen Staatsangehörigen. Um so mehr, wenn nicht wirkliche Staatsbelange, sondern Interessen der S taatsbürokratie oder gar einzelner S taatsbeam ter die T riebkräfte bilden.

Jeder S taa t trä g t stets sein Gesetz in sich selbst. Das gilt nicht n u r von V erfassung und vom geschriebenen Recht, sondern in gleicher Weise von der Norm, welche den Trägern des Staates und seinen O rganen als Richtschnur fü r ihre H andlungen dient. Gerade aber diese, die eigent­

liche Staatshoheit versinnbildlichende, eigengesetzliche Bildung des W illens, verlangt von den jeweiligen Inhabern der Staatsgew alt, daß sie in sich klare Richtlinien fü r alle ihre H andlungen tragen und sieh nach außen offen zu ihnen bekennen. Das ist besonders bedeutungsvoll in einer Zeit, wo die Betätigung des S taates in der W irt­

schaft aus den m annigfachsten Gründen ein Ausmaß an­

genommen hat, wie dies heute der F all ist, und wo jede S taatsaktion in entscheidender Weise weite K reise der W irtschaft beeinflußt.

Eines aber ist f ü r S taa t und W irtschaft vor allem wich­

tig, nämlich daß eine offene V erständigung au f Grund der tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten darüber erfolgt, w o d i e G r e n z e n z w i s c h e n p r i v a t e r u n d ö f f e n t l i c h e r W i r t s c h a f t notwendiger- oder zweckmäßigerweise z u z i e h e n s i n d . E ine V erstän­

digung, welche nicht etwa n u r au f dem P ap ie r stehen bleibt, sondern getragen ist von dem Glauben an die Schieksalsgemeinschaft und dem Willen zum gemeinsamen H andeln. Bei der heutigen Lage w ird die Entscheidung hierüber im wesentlichen von S taats wegen fallen, die E in ­ stellung der T räger der Staatsgew alt hierzu also m aß­

gebend sein. H ier liegt die große V erantw ortung der heutigen Staatsgew alt vor Volk und Geschichte. Denn die Entscheidung d a rf n u r zum Wohl der Gesamtheit und im Sinne ih rer gesunden Zukunftsentwicklung getroffen werden.

Folgende Grundsätze sollte sich eine jede S taatsführung fü r ihre w irtschaftliche B etätigung stellen:

1. Der S taa t tr itt als W irtschafter n u r in folgenden Fällen au f:

a) in allen F ragen der Sicherung und Verbesserung von Dasein und Lebensgeltung des gesamten Vol­

kes, wie z. B. der Landesverteidigung, öffentlichen Ordnung, Volksbildung usw.,

b) in allen F ragen, wo eine privatw irtschaftliche V er­

sorgung nicht die Gewähr fü r eine ausreichende Förderung der E rw erbstätigkeit der breiten Schich­

ten des Volkes bietet, wie z. B. in gewissen H a u p t­

gebieten der V erkehrsm ittel (Eisenbahnen), der Energieversorgung (Überlandzentralen) usw.

2. Der S taa t enthält sich jeder w irtschaftlichen Betätigung als U nternehm er aus rein fiskalischen Interessen. Die fis­

kalischen Bedürfnisse des Staates sind stets aus Steuern und Abgaben, nicht aber aus Unternehm erverdienst zu bestreiten.

Die F rag en der Landesverteidigung usw. können hier un- erö rtert bleiben. Die w irtschaftliche B etätigung des S taates zur F örderung der allgemeinen Erw erbstätigkeit setzt voraus, daß hierbei nicht fiskalische Interessen ver­

folgt werden, wie das heute vielfach, so z. B. in der Energieversorgung, geschieht, sondern daß zielbewußt eine Verbilligung der Benutzungsmöglichkeiten im Dienste der erw erbstätigen Bevölkerung zwecks Schaffung neuer Existenzgrundlagen erfolgt. Gerade wenn es richtig ist, was seit langem von zahlreichen führenden Persönlichkeiten in S taa t und W irtschaft immer wieder betont wird, daß unsere wirtschaftliche Z ukunft in unseren Veredelungs­

möglichkeiten der Naturerzeugnisse liegt, ist es eine un­

serer wichtigsten Aufgaben, die h ie rfü r erforderlichen Voraussetzungen in möglichst preisw erter und weitver­

zweigter W eise zu schaffen.

Die E rfa h ru n g lehrt, daß es falsch ist, gem einw irtschaft­

liche U nternehm ungen im Sinne eines privatw h’tschaft- lichen Erw erbsunternehm ens zu führen, wie man dies viel­

fach nach dem K riege in der öffentlichen W irtschaft zum G rundsatz erhob. Nicht etwa deshalb allein, weil der S taa t die Übernahme eines U nternehm errisikos im In te r­

esse seiner selbst und seiner Angehörigen nach Möglich­

keit vermeiden muß, sondern vor allen Dingen deshalb, weil hier nicht Expansions- und R entabilitätsbestrebungen im V ordergründe stehen sollten, sondern der Dienst an der Gesamtheit bei voller W ahrung des Grundsatzes der W irt­

schaftlichkeit. Das sollte auch dann einer jeden S taats­

führung zur R ichtschnur dienen, wenn es gelingt, die I r r ­ wege zu meiden, au f die menschlicher Ehrgeiz und mensch­

liche Schwäche vielfach in der Vergangenheit die Entw ick­

lung auch gem einwirtschaftlicher Unternehm ungen gelenkt haben. Darum kann trotzdem auch der W irtschafter S taa t sich privatw irtschaftlicher E rfahrungen bedienen und ins­

besondere auch sich die Technik und O rganisation zunutze machen, welche die privatw irtsehaftliche B etriebsführung jeweils entwickelt hat.

Die A ufstellung und V erfolgung solcher W irtschafts­

prinzipien s c h l i e ß t dam it klar und deutlich e i n e o b r i g k e i t l i c h e P l a n w i r t s c h a f t aus. An ihre Stelle tr itt der S taat als Schützer und F örderer, oder m it anderen W orten als Pfleger der W irtschaft, die dam it erst in W ahrheit zur W irtschaft des Volkes wird.

D am it vermeidet der S taat gleichzeitig auch eine f ü r ihn doppelte Belastung:

a) das Risiko als Gesamtunternehmer zu tragen, b) das Risiko, im F alle verfehlter P lanung die S taats­

w irtschaft bis zum unerträglichen Zwang fü r den Einzelnen zu steigern.

Beides bedeutet fü r den Bestand des Staates G efahr und die Zusammenballung der politischen und wirtschaftlichen Spannungen in einer einzigen Spitze.

E rs t u nter solcher Losung erwächst S taa t und W irtschaft das gemeinsame Ziel und das gemeinsame Streben. E in Strdben, das nicht zurück zu der Ungebundenheit von S taat und W irtschaft vergangener Jahrhunderte führt, auch nicht zur E rstarru n g staatsw irtsehaftlicher Planung, sondern zu jener Bindung einer wahren Volksgemeinschaft, die dem Staate in der Zielsetzung von Dasein und Lebens­

geltung des Volkes die Führung, der W irtschaft aber die Möglichkeit gibt, die so ihr in der Gesamtheit gewiesenen Ziele in individueller A npassung an die W ege und F o r­

men der einzelnen Volksteile zu verfolgen.

3. Staatsführung und Wirtschaftskultur

E s gibt auch heute immer noch Kreise, welche sich aus innerer Überzeugung zu dem sogenannten „ P r i m a t d e r

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W i r t s c h a f t “ bekennen. H ieru n te r versteht man, daß die E rfordernisse der W irtsch aft die menschliche bzw. ge­

sellschaftliche W illensbildung maßgebend bestimmen oder w enigstens bestimmen sollten. D enn das „P rim at der W irtsch a ft“ w ar auch in den Ja h re n nach dem Kriege, wo es manchen vielleicht praktisch verw irklicht erschien, niemals mehr als eine F orderung, die das w irtschaftliche Interesse in den V ordergrund stellt.

Die F orderung „das P rim at — der W irtsch a ft“ ist jedem Einzelnen von uns seit 1914 sehr deutlich vor Augen g efü h rt worden. Ganz- besonders dem, der im K am pfe ums tägliche B rot in diesen Ja h re n die bittere E rfa h ru n g gemacht hat, daß auch die einfachste und sparsam ste Lebenshaltung noch notwendigerweise die Deckung m ate­

rieller Bedürfnisse verlangt, und daß ein menschenwürdiges Leben erst dann beginnen kann, wenn die tägliche Not überwunden. In sofern gibt es fü r jeden Einzelnen und jede Gemeinschaft ein P rim at der W irtsch aft, aber auch hier nur so lange, als die Sicherung und Verbesserung des Daseins nicht m it M itteln und M ethoden erk a u ft w er­

den muß, die sieh m it dem in uns vorhandenen Streben nach Lebensgeltung nicht mehr vereinigen lassen. W o dies dem Einzelnen oder der Gemeinschaft nicht mehr möglich erscheint, hört m it dem Leben auch hier das P rim at der W irtsch aft auf. Es ist also n u r eine sehr dünne und fü r S taa t und W irtsch aft sehr gefahrbringende Schicht des Lebens, wo das P rim at der W irtsch a ft gilt, so bedeutsam a u f der ändern Seite auch im Leben der Menschen oder der Völker die G eltendmachung w irtschaftlicher Belange und w irtschaftlicher F orderungen sein kann. G etragen aber werden letzten Endes auch diese Belange und diese F orderungen von der W illensbildung des Einzelnen oder der Gemeinschaft zur Sicherung und Entw icklung des eigenen Daseins und der eigenen Lebensgeltung, d. h. also von den Lebenszielen, die ein Mensch oder Volk sich steckt.

T r ä g e r d e r W i l l e n s b i l d u n g e i n e s V o l k e s und dam it von Gesellschaft und W irtsch aft i s t u n d b l e i b t h e u t e d e r S t a a t , m ag er nun in parlam en­

tarischem oder in autoritärem Gewände erscheinen. Denn in welcher F orm eine S taatsgew alt auch a u ftritt, sie ist n u r dann und n u r solange die oberste Macht, als sie gilt.

E rzw ungen oder freiw illig anerkannt, stillschweigend ge­

duldet oder ausdrücklich zustimmend bestätigt.

Als T räger der W illensbildung des Volkes h at also der S ta a t nicht n u r das Recht, sondern auch die P f l i c h t z u r F ü h r u n g , aber zur F ü h ru n g z u m W o h l e d e s G a n z e n , welches, wie bereits frü h e r erw ähnt, aus den Einzelnen, der Volksgem einschaft und dem S taa te besteht.

E rst wenn es der S taa tsfü h ru n g gelingt, alle diese F a k ­ toren zur stets neu zu suchenden H arm onie zu vereinen, k ann sie den A nspruch a u f E rfü llu n g ihres ureigensten Zweckes erheben.

D am it aber erwächst, vom S tan d p u n k t der W irtschaft gesehen, dem S taate die doppelte A ufgabe:

a) die großen Ziele zu stecken, welche fü r die Siche­

ru n g und V erbesserung von Dasein und Lebens­

geltung m aßgebend sind,

b) die W irtsch a ft im einzelnen wie in der Gesamtheit so zu beeinflussen, daß die Zielverfolgung in ge­

sunden Bahnen geschieht.

Die Z i e l s e t z u n g d e s S t a a t e s als M achtträger einer Gemeinschaft hängt von den V orstellungen ab, welche ein S taa t zur F orderung oder V erpflichtung im

Rahmen der jeweils gegebenen V erhältnisse erhebt. Die sind anders geartet im B ritish E m pire wie im Bundes­

staate der Schweiz, aber nicht etwa n u r der Größen- oder O rtsverhältnisse wegen, sondern weil hier S ta a t und V olk sich von je andere Ziele gesteckt haben. D enn jedes Volk und dam it jeder S ta a t trä g t wie jeder einzelne Mensch Sinn und Ziel seines Daseins und seiner Lebensgeltung in sich. D araus erwächst erst, immer im Rahmen der Tatsachen, in denen er steht, das ihm eigentüm liche Wesen, die Persönlichkeit und dam it die w ahre N ationalität.

Die B e e i n f l u s s u n g d e r W i r t s c h a f t v o n s e i ­ t e n d e s S t a a t e s kann au f sehr unterschiedliche Weise erfolgen. Jed er planw irtschaftliche E ingriff durch K ontingentierung der inneren W arenerzeugung von seiten des Staates ist zu vermeiden, weil er notwendigerweise die Entw icklung unterbindet und dem S taat, wie bereits erw ähnt, das gesam te w irtschaftliche Risiko aufbürdet.

W ill eine weitblickende S taa tsfü h ru n g die W irtsch aft in gesunder Weise beeinflussen, so gibt es h ie rfü r im wesent­

lichen zwei große G ruppen praktischer Möglichkeiten, die aber stets gemeinsam angew andt werden m üssen:

ec) Die fördernde B eeinflussung der P roduktion von der Seite der A uftragserteilung im Sinne der wieder­

holt erw ähnten Z ielsetzu n g 3),

ß) die regulierende B eeinflussung der K ap ital- und K re d itv e rso rg u n g 4) im Sinne der Verm eidung über­

m äßiger K apitalan sp an n u n g en und der E rhaltung einer gesunden K ap italw irtse h aft, wie sie im R ah­

men dieser Z eitschrift schon wiederholt dargelegt worden sind.

Beide, das sei nochmals ausdrücklich erwähnt, gehören fü r eine ziel- und verantw ortungsbew ußte W irtschafts­

führung zusammen. Sie sind aber vor allem so zu hand­

haben, daß das W ohl der Gesamtheit und nicht das In te r­

esse einzelner G ruppen, ganz gleich ob B erufstände oder P arteien, den Ausschlag f ü r alle M aßnahm en gibt.

Gelingt es dem S taat, bei wenn auch k n a p p e r Kredit­

versorgung, durch N euerschließung von Erwerbsmöglich­

keiten dem Volke und dam it der W irtsch a ft neue Wege zu weisen, so w ird er der G esam theit wesentlich bessere Dienste leisten, als wenn er F ürsorge treib t oder verlorene W irtschaftspositionen hält, weil die N ot der Zeit dies in mehr oder weniger großem A usm aß verlangt.

N un d a rf aber bei alledem niemals übersehen werden, daß auch d e r S t a a t s e l b s t I n t e r e s s e n t ist und als solcher die W a hrung seiner Belange von sich aus gegen sich selbst als R ep räsen tan t der Interessen seiner Ange- * hörigen und als T räg er des G em einsehaftsgedankens zu v ertreten hat. Die V ergangenheit lehrt, d aß der Ausweg oder gar Ausgleich in solchen K onflikten f ü r den S taat nicht immer leicht ist und von den In h ab ern der S taats­

gewalt und seinen O rganen ein außergewöhnliches Aus­

m aß von E rkenntnis der großen Zusam m enhänge und V erständnis fü r die jeweiligen Entw icklungen der W irt­

schaft verlangt.

Sicherlich w ird hier eine V erbesserung in der regionalen und branchenweisen A ufgabenverteilung u n te r H e ra n ­ ziehung der staatlichen G liederung des Reiches und ent­

sprechender Neueinstellung der W irtschaftsverbände an sich zur Überw indung der zweifelsohne bestehenden erheb­

lichen Schwierigkeiten beizutragen vermögen. Im m erhin setzt auch dann eine solche Regelung vor allen Dingen

‘) V g l. „ V o r d er E n tsc h e id u n g ;' (P r a k tis c h e M ö g lich k eite n g em ein - sa m er W ir ts c h a fts g e s ta ltu n g ), Z furO 1 9 3 2 , H e f t 7, S. 2 8 7 ff.

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Staatsbeam te voraus, die den Notwendigkeiten der W irt­

schaft ein ganz anderes V erständnis entgegenbringen, als dies heute häufig der F all ist. Die entsprechende Ausbil­

dung und Schulung des betreffenden Personenkreises wäre h ierfü r also die notwendige Voraussetzung. Aber auch dann bleibt noch manches Bedenken gegen eine derartige Regelung bestehen. So vor allem die Schwierigkeit, daß der obenerwähnte gegebenenfalls eintretende Interessen­

konflikt u. U. vom S taate verlangt, fiskalische Interessen­

positionen dem Gemeinwohl zu opfern.

Auch der andere heute vielfach vorgeschlagene Weg, die O r g a n i s a t i o n e n d e r W i r t s c h a f t und dam it die w irtschaftlichen Interessenvertretungen zu einem beruf­

ständischen U nterbau des S taates und dam it zu seinem Umbau au f w irtschaftlicher Grundlage zu verwenden, fü h rt hier nicht zum Ziel. Denn an Stelle des einzelnen G roß­

interessenten Fiskus tr itt dann nur die Fülle der Einzel­

interessenten u nter der Flagge K am p f oder Kompromiß.

Und weder der eine noch der andere kann den Inbegriff wahrer S taa tsfü h ru n g vom S tandpunkt gesunder W irt­

schaftsentwicklung bedeuten. Denn das sei nochmals aus­

drücklich betont. Die vornehmste, wenn auch nicht die einzige A ufgabe der S taatsfü h ru n g im Rahmen der W irt­

schaft ist es, die Ziele zu stecken, nach denen hin die E r ­ haltung und Entw icklung von Dasein und Lebensgeltung gemeinsam erfolgt.

Es bleibt somit im Sinne der hier gemachten A usführun­

gen nur der W eg — ähnlich wie in der Rechtspflege eine Dreiteilung in Rechtsgebung, Rechtsverfolgung und Recht­

sprechung besteht — auch in der W irtschaftspflege neben der Zielgebung der S taatsfü h ru n g und der Zweckverfol­

gung der W irtsch a fte r selbst eine u n a b h ä n g i g e I n ­ s t i t u t i o n zu schaffen, welche wie die Reichsbank nach den von der S taatsfü h ru n g allgemein gesteckten Zielen die Beeinflussung der W irtsch aft in dem oben erw ähnten Sinn übernimmt. In einem solchen „ W i r t s c h a f t s a m t “ , dessen organisatorischer A ufbau dem der Reichsbank ent­

sprechen kann, w ären zweckmäßigerweise nach der Seite der A ußenhandelspolitik die Beeinflussung der Zoll- und

K ontingentsfragen, im In n ern aber alle die Aufgabenkreise zu vereinigen, welche zur F örderung und B eratung der W irtschaft au f gem einnütziger Grundlage dienen. Ob und inwieweit es zweckmäßig ist, ein solches W irtschaftsam t mit der Reichsbank unm ittelbar oder durch Personalunion zu verbinden, mag dahingestellt bleiben. A uf jeden Fall muß eine einheitliche W irtschaftspolitik nach gemeinsamen Richtlinien gewährleistet sein. Im Rahmen einer solchen W irtschaftspolitik ist nach Möglichkeit die heute meist übliche schematisch generelle Regelung zu vermeiden, die gewöhnlich nur da durchbrochen wird, wo M achtgruppen ihre Interessen durchzudrücken verstehen oder besonderer Notstand herrscht. Eine individuelle A npassung an regio­

nale und branchenmäßige V erhältnisse unter Einrichtung entsprechender Zweigstellen und Verwendung der Branchenverbände ist nicht nur möglich, sondern auch notwendig, um F ühlung zu halten und in gesunder Weise Einfluß zu nehmen.

Die D urchführung einer solchen Aufgabe ist keineswegs leicht. Sie ist aber notwendig, wenn S taat, W irtschaft und Volk aus dem gegenwärtigen Chaos heraus zur Ge­

sundung geführt werden sollen. Denn das eine muß sich jeder von uns vergegenwärtigen, auch der, welcher die Zeichen der Zeit noch immer nicht s p ü r t: Der W ille des Einzelnen und der Gesamtheit wird in der Z ukunft in unserem Volke u n t e r d e m Z e i c h e n d e s n a t i o ­ n a l e n G e m e i n s c h a f t s g e d a n k e n s stehen und dam it der W iederaufstieg der W irtschaft i n d e m G e i s t e n a t i o n a l e r W i r t s e h a f t s k u l t u r er­

folgen. Gerade aber wer den tiefen Sinn der hier vor sich gehenden Entwicklung bejaht, w ird sich stets dafür einzusetzen haben, daß der Wille zur W ahrung der eigenen Belange sich mit dem Willen zu einer ehrlichen V erstän­

digung im Rahmen der internationalen S taats- und W irt­

schaftsbeziehungen paart. Ein Wille, der nicht ein Wollen der V erständigung um jeden P reis ist, • sondern das von einsichtiger Festigkeit getragene Streben, im Leben in uns und um uns zu sein und zu gelten, was Dasein und Lebens­

geltung von Volk, S taat und W irtschaft verlangt.

[1492]

Autarkie, Planwirtschaft und berufsständischer Staat

Das Ringen um N eugestaltung der W irtschaft ist mehr als ein K am p f m aterieller Interessen. Mit oder gegen­

einander streben allenthalben geistige K rä fte empor, um mit der besseren E rkenntnis auch bessere 1 ormen und Wege der W irtsch aft zu finden. In dem K am p f der Geister aber haben sich neue F ronten gebildet, von denen eine der wichtigsten das Erleben vor und nach 1914 darstellt. W er wie die Jugend die Zeit vor dem K riege nicht kennt, sieht die Dinge von heute anders als die ältere Generation, will sie auch anders sehen, weil die Not der Zeit den Glauben an die sieghafte K ra ft alter Ziele oder die W ahrheit alter E rfa h ru n g nichf aufkommen läßt. W er also aus dem heu­

tigen W erden heraus die Probleme nach eigenem LTrteil lösen will, m uß selbst den geistigen K am p f um das W er­

dende aufnehmen. Das aber kann er n u r dann, „wenn er den M ut und die Liebe au f bringt, zu den W urzeln geisti­

gen W erdens im Schöße der Völker herabzusteigen und sich dam it dem tiefsten Menschentum der ringenden B rü­

der zuzuneigen. Es geht also nicht m ehr um eine form ale äußere Auseinandersetzung, sondern um etwas Tiefinner­

liches.“

Das ist der S tandpunkt, von dem aus Clemens Lammers seinen am 24. J u n i 1932 au f einer Sitzung des H aupt-

ausschusses des Reichsverbandes der Deutschen Industrie gehaltenen V ortrag beginnt, der nunm ehr in etwas erwei­

te rter Form im Druck erschienen i s t 1). U nter Ableh­

nung von A utarkie und Planw irtschaft, mit denen er sich an H and der Entwicklung seit dem Kriege und nam ent­

lich der jüngsten Ereignisse eingehend auseinandersetzt, tr itt Lamrñers fü r einen W eiterausbau der kooperativen Organisationen der W irtschaft ein. E r verlangt, daß die inneren Aufgaben, welche diese Organismen volkswirt­

schaftlich zu erfüllen haben, in den V ordergrund gestellt werden und insbesondere bei der K artellpolitik eine V er­

lagerung und Ausrichtung von der Seite des Absatzes nach derjenigen der Erzeugung erfolgt. Die verschiedenen Möglichkeiten w irtschaftlicher K ooperation werden kurz gestreift. Die W iederherstellung einer stärkeren m ateriel­

len und ideellen Verbundenheit zwischen Unternehmer und Unternehmen wird gefordert und hier insbesondere au f die Irrw ege der heutigen B ankpolitik hingewiesen.

Eingehend wird zum Schluß das Problem des Stände­

staates a u f w irtschaftlicher Grundlage behandelt und die Neuordnung au f kooperativer Grundlage m it gleichzeitiger N euform ung des F ührertum s u nter bew ußter Betonung und Zusammenfassung der geistigen und materiellen

K rä fte verlangt. O. B. [1501]

1) V o n Clemens Lammers. B e r lin 1932, Carl H e y m a n n s V erla g .

245

(6)

I Die Neuregelung

des Verkehrsproblems

Die Zukunft der preußischen Kleinbahnen, insbesonderedie Neuordnung ihrer Rechtsver­

hältnisse auf reichsgesetzlicher Grundlage Von Dr. jur. Dr. rer. pol. W. BÖ TTG ER,

L e i te r d e s V e rk e h rs - und P re s s e a m te s d e r S ta d t W u p p e rta l

Unter den Problemen unsrer heutigen V erkehrs- w irtschaft hat bisher die Auseinandersetzung zw i­

schen Reichsbahn und K raftw agenverkehr im Vordergrund gestanden. So ausschlaggebend auch die gerade in dieser Beziehung zu treffenden E n t­

scheidungen fü r die Z u k u n ft unsrer gesamten W ir t­

schaft sein mögen, so darf trotzdem nicht übersehen werden, daß dam it die wichtigen verkehrsw irtschaft­

lichen Probleme noch keineswegs erschöpft sind.

H ierzu gehört insbesondre auch das Gebiet des Kleinbahnwesens, welches sowohl fü r die private, als auch die kommunale und staatliche W irtschaft nach wie vor von erheblicher Bedeutung ist.

Die nachfolgenden A usführungen, die, soweit sie a u f dem Gebiete der P lanw irtschaft Anregungen geben, sicherlich manchen W iderspruch hervorrufen werden, suchen aus den auch hier bestehenden A n - schauungs- und Interessengegensätzen einen ge­

meinsam betretbaren A usw eg zu finden. Bei der W ichtigkeit der zu k ü n ftig e n Gestaltung der Ver­

kehrsw irtschaft f ü r unser gesamtes W irtsch a fts­

leben w ird es notwendig werden, die hier zur E r ­ örterung gestellten Fragen durch weitere Beiträge von den verschiedensten S ta n d p u n k ten aus zu

. klären. Die Herausgeber.

1. Die reichsrechtliche Regelung

B etrachtet man aus dem engeren Blickfeld der p re u ß i­

schen K leinbahnpolitik die deutsche Verkehrsgesetzgebung, so d a rf m an feststellen, daß auch das preußische K lein­

bahngesetz au f dem W ege ist, sicheren und bedächtigen S chrittes in dem größeren Schicksal der deutschen V er­

kehrspolitik aufzugehen. Das Reich ist, soweit der all­

gemeine Eisenbahnverkehr in F rage kommt, nach der R eichsverfassung fü r die Gesetzgebung und A ufsicht re st­

los zuständig. Zu seiner Z uständigkeit gehört auch die E ntscheidung darüber, o<b und u nter welchen Bedingungen eine f ü r den öffentlichen V erkehr bestimmte Schienenbahn als dem allgemeinen V erkehr zugehörig anzusprechen ist.

Das Reich kann also eine Bahn, die von P reu ß en als K leinbahn zugelassen ist, als dem allgemeinen V erkehr dienend bezeichnen und sie der Reichsaufsieht unterstellen.

Die dem K leinbahngesetz zufolge angeordnete eisenbahn­

technische A ufsicht über die K leinbahnen w ird ebenfalls je tz t von einer R eichsorganisation — der Reiehsbahn- gesellschaft — vorgenommen, die diese A ufsicht im A u f­

träge des preußischen S taates besorgt.

E ine von der V erkehrspolitik des Reiches unabhängige preußische K leiribahnpolitik besteht daher nicht mehr. In den übrigen deutschen Ländern liegen die V erhältnisse meist anders. Den Begriff „nebenbahnähnliche K leinbahn“

kennt n u r noch P reußen. Zwar haben in A nlehnung an das preußische K leinbahngesetz auch andere L änder das K leinbahnw esen gesetzlich oder durch V erordnung geregelt, und zw ar M ecklenburg-Schwerin 1898, Baden 1900, Olden­

burg 1902, Schaum burg-Lippe 1913 x). B ayern h at das Lokalbahngesetz vom 21. A p ril 1884. Wo keine besondere R egelung erfolgt ist, gelten die allgemeinen Eisenbalin-

l ) D ie p riv a te n E is en b a h n u n tern eh m u n g e n , P r iv a tb a h n e n u n d N eb en ­ b a h n en . J a h rb u c h d es d eu tsc h e n V e r k e h r sw e se n s, B d . 1 ( 1 9 2 2 ) S. 2 6 6 .

gesetze oder Wegegesetze. Z w ar gibt es in den nicht­

preußischen Ländern neben den S traßenbahnen ebenfalls Bahnen, die nach ihrer V erkehrsbedeutung den neb n- bahnähnlichen K leinbahnen in P re u ß en gleichzustellen sind, tatsächlich aber als Nebenbahnen bezeichnet werden.

D a diese Bahnen vielfach vom S taa t erbaut w orden sind, so gingen sie bei der V erreichliehung der B ahnen in Be­

sitz und B etrieb des Reiches über. Die ursprüngliche A uffassung von der Bedeutung der nebenbahnähnlichen K leinbahnen als von „B ahnen überwiegend örtlicher Be­

deutung“ trifft nicht m ehr ganz zu. Das geht auch d ar­

aus hervor, daß die K leinbahnen größtenteils die S p u r­

weite von 1,435 m, 1,0 m, 0,75 m haben und n u r in ge­

ringem U m fange 0,6 m und einige abweichende Spuren.

Die Spurw eite 0,6 m h at sich nicht bew ährt und würde heute kaum noch ausgeführt werden. Sogar die S p u r­

weiten von 0,75 m und 1,0 m weisen bereits seit 1900 keinen nennensw erten Zuwachs an B etriebslänge m ehr auf.

E s sind fa st n u r noch norm alspurige Bahnen gebaut worden.

Z a h le n ta fe l 1. Die S p u rw e it e d e r Klein b a h n e n

1,435 m 1,000 m 0,7 5 0 m 0,6 0 0 m g e m isc h t ab­

w eichend

1913 2 0 2 = 6 2 ,3 % 4 5 = 1 3,9 % 3 9 = 1 2 % 9 = 2 ,8 % 20 = 6,2°/o 9 = 2 ,8 % 1920 201 = 6 5 ,2 ,, 4 0 = 1 3 ,0 ,, 3 5 = 1 1 , 5 „ 4 = 1 ,3 „ 19 = 6 ,1 „ 9 = 2 , 9 „ 1928 176 = 6 6 ,9 ,, 3 8 = 1 4 , 5 , , 3 8 = 1 4 , 5 , , 3 = 1 ,1 ,, 4 = 1 , 5 , , 4 = 1 , 5 , ,

E s zeigt sich hiernach die N eigung, die nebenbahnähn­

lichen K leinbahnen leistungsfähiger und den Eisenbahnen ähnlicher zu gestalten.

Die Folgerung ist berechtigt, daß sie die letzten und fein­

sten V erästelungen des großen Eisenbahnnetzes darstellen und im H inblick au f ihre technisch vervollkommnete An­

lage begrifflich allmählich dem preußischen Kleinbahn­

gesetz entwachsen sind. Es ist daher zweifelhaft, ob es richtig ist, daß die Reichsbahnverw altung und die preu­

ßischen A ufsichtsbehörden die K leinbahnen immer noch als B ahnen von geringerer B edeutung und als bloße Zu­

b ringer f ü r die H auptb ah n en behandeln. LIierdureh tritt auch eine B enachteiligung der preußischen Kleinbahnen gegen die gleichartigen U nternehm ungen der ändern Län­

der ein. E s ergeben sich ungleiche Bahnverhältnisse. Die Butzbacher Eisenbahn, die zum überw iegenden Teil in Hessen liegt, ist hinsichtlich dieses etwa 50 km langen Teils als Nebenbahn und hinsichtlich einiger Kilometer, die in P reu ß en liegen, als preußische nebenbahnähnliche K leinbahn konzessioniert w o rd e n 2). Z w ar kann keines­

wegs dem Gedanken Raum gegeben werden, die neben­

bahnähnlichen K leinbahnen nunm ehr zu Nebeneisen­

bahnen im preußischen Gesetzessinne zu erklären. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil die verschiedenartigen und verzettelten B esitzverhältnisse 'e in Aufgehen der K leinbahnen in die E rfo rd ern isse rechtlicher, betrieblicher, ta rifa risch e r und verw altungstechnischer A rt, die an die E isenbahn gestellt werden, finanziell erschweren. W o die Reichsbahn selbst Besitzer von K leinbahnen ist, liegen die V erhältnisse wesentlich einfacher, da dann die K lein­

bahnen als Teil des großen Eisenbahnnetzes behandelt werden können und dem gemäß auch im H inblick au f ihre W irtschaftlichkeit anderer B eurteilung unterliegen.

Z w ar h at m an wiederholt versucht, durch Zusam men­

fassung der K leinbahnen zu größeren leistungsfähigeren E inheiten eine bessere W irtschaftlichkeit zu erzielen die auch eine großzügigere gesetzliche B ehandlung gewähr- 2) J a h r b u c h d. d eu tsch . V e r k e h r s w e s e n s, B d . 1 S. 2 7 7 .

246

(7)

leisten könnte. Q ua a tz3) tr itt fü r die Zusam menfassung der K leinbahnen nam entlich in den gewerbereichen und dichter besiedelten Landesteilen ein. Als größere V erkehrs­

und V erwaltungsbezirke ergeben sich in P reußen n a tu r­

gem äß seine alten historischen Provinzen. In der S chrift der Gewerkschaft deutscher Eisenbahner „Zusammenbruch der deutschen K leinbahnen“ 4) wird ebenfalls ein w irt­

schaftlicher Zusammenschluß aller K leinbahnen gefordert.

Zu diesem Zweck w ird die B ildung einer zentralen Instanz unter F ü h ru n g und Beteiligung des S taats in Form einer Gesellschaft vorgeschlagen, der eine M itwirkung bei dem Ausbau, der U nterstützung und F inanzierung eingeräum t werden soll. In dieser S chrift wird weiter vorgeschlagen, alle K leinbahnen in einer Betriebsgemeinschaft zusammen­

zufassen, gleichgültig ob die Provinz selbst oder ein D ritter als B etriebsunternehm er a u f tr itt; der Einfluß der Z entral­

instanz au f die W irtschaftsführung soll aber bestehen bleiben. Diese Zusam m enfassung soll in erster Linie eine Vereinfachung und damit eine Verbilligung der Verw al­

tung und des Betriebes herbeiführen.

Diese Bestrebungen machen die Ü berführung des Eigen­

tums der K leinbahnen au f die Provinzialverbände oder ihre U nterorgane und dam it ihre E ntprivatisierung er­

forderlich. A nders w ird sich der verstärkte staatliche E in ­ fluß kaum durchsetzen lassen. Als Vorbild fü r diese Um­

gliederung ist die O rdnung des Kleinbahnwesens in Belgien wiederholt em pfohlen worden, das die A usführung von Kleinbahnen einer besondern Gesellschaft, der Société nationale des chemins de fer vicinaux, als ein ausschließ­

liches Recht übertragen hat, sofern die Regierung nicht im Einzelfall etwas anderes bestimmt. Diese Gesellschaft steht u nter der A ufsicht der R eg ieru n g 5). Im m erhin kann diese F rage nicht völlig losgelöst werden von der immer mehr geforderten a l l g e m e i n e n V e r w a l t u n g s - r e f o r m. Von der Regelung des Verhältnisses und der Zuständigkeit von Reich und Ländern ist auch das K lein­

bahnwesen finanziell abhängig. Es d arf nicht mehr Vor­

kommen, daß das Reich sich in der Fürsorge fü r die Kleinbahnen au f das Land oder umgekehrt, das Land auf das Reich verläßt. Dam it unlöslich verknüpft ist auch das Urteil darüber, in welchem U m fange die Länderzuständig­

keiten beibehalten werden sollen. Das schließt aber nicht aus, die gesetzliche N euordnung des Kleinbahnwesens grundsätzlich durch Reichsreeht vorzunehmen. Der V or­

schlag Blum s scheint erwägenswert, zumal er den Versuch macht, die unbedingt notwendige begriffliche Scheidung der Bahnen herauszuarbeiten. E r s a g t6) :

„D ie Kleinbahnen würden sich hiernach klar unterscheiden einerseits von den Vollbahnen, die als Hauptbahnen dem durchgehenden Verkehr, als Nebenbahnen dem Verkehr größerer Landesteile dienen, im Betrieb des Reichs stehen und stets regelspurig sind, andererseits von den städ ti­

schen Bahnen, die nur dem Verkehr einer Stadt und ihrer näheren Um gebung und den von Städtepaaren (Städ te­

gruppen) zu dienen haben, zum dritten von d ÿ i Förder­

bahnen, die nur fü r den nichtöffentlichen Verkehr be­

stim m t sind. J ed en fa lls brauchen wir für jede Art von Schienenwegen von Reichs wegen „Ordnungen“ , die für das ganze Reichsgebiet gü ltig sind.“

Als Ausfluß dieser E inteilung würde ein R e i c h s k 1 e i n- b a h n g e s e t z zu schaffen sein, in dem das Recht der den preußischen nebenbahnähnlichen Kleinbahnen ent-

3) D ie R eic h se ise n b a h n e n S. 64.

4) S. 1 6 .

5) Q u a a tz, a. a. O. S. 68.

K a y s e r , D ie b elg isch en K lein b a h n en .

6) D ie K lein b a h n en im n e u e n D e u tsc h la n d . V erk eh rstech n isch e W oche 1 9 1 9 , S. 3 6 9 .

sprechenden G attung von Bahnen zu regeln ist. In dieses Gesetz w ürden alle dem öffentlichen V erkehr dienenden Schienenbahnen aufgenommen werden, au f deren Bau und Betrieb das Reich keinen A nspruch gem äß A rt. 89 der Reichsverfassung erhebt. V erwaltungsorganisatorisch würde die E rrichtung einer K leinbahnabteilung im Reichs­

verkehrsm inisterium zu empfehlen sein, in der die Eisen­

bahnbehörden der Länder oder der an ihrer Stelle tätigen O rganisationen vertreten sind. Diesen Stellen ist ein mög­

lichst weitgehender Spielraum bei ihrer Betätigung zu lassen. Eine zu starke Zentralisierung sollte vermieden werden, denn die K enntnis der örtlichen Verhältnisse ist von hoher Bedeutung fü r eine volksw irtschaftlich richtige Regelung des Verkehrs. A uf die D urchführung einer ein­

heitlichen Behandlung der Kleinbahnen und der Aufsicht in letzter Instanz durch das Reichsverkehrsministerium ist jedoch besonderer W ert zu legen. Inwieweit die Reichs­

bahnbehörden und die innere Landesverw altung weiterhin die eisenbahntechnische und die landespolizeiliche Aufsicht als nachgeordnete Instanzen ausüben, oder ob der Schaf­

fung neuer, hierfü r zuständiger Behördenstellen der V or­

zug zu geben ist, müßte vor allem unter dem Gesichts­

winkel der neu entstehenden Verwaltungskosten g ep rü ft werden. E in m ehrspuriges Arbeiten sollte aber unter allen Umständen vermieden werden.

In Anlehnung an die Einteilung Blums würde das Recht der S traßen-, Überland- und Schnellbahnen reichsgesetz­

lich zu regeln sein. Das lä ß t sich um so mehr vertreten, als die Verkehrsbedeutung, die Bau- und Betriebsanforde­

rungen, die Besitzverhältnisse dieser Bahnen sich gegen die Verhältnisse bei den nebenbahnähnlichen Kleinbahnen

— beide strebten ehedem au f eine gewisse G rundform hin -—

wesentlich verschoben haben. Bei dieser B ahngruppe ist das Schwergewicht der Betätigung und der Einflußnahm e den Gemeinden und ihren Verbänden zuzuschieben, da hier kommunale Rücksichten eine ausschlaggebende Rolle spielen.

Der den Privatgleisanschlüssen gewidmete Teil des K lein­

bahngesetzes m üßte ebenfalls reichsrechtlieh geregelt werden. D er V erfasser h at die Notwendigkeit h ierfür im S chrifttum wiederholt d a rg e ta n 7). Diese Vorschläge, die im Reichsverband der Deutschen Industrie einen nach­

haltigen W iderhall fanden, haben schließlich gelegentlich der Beratungen des preußischen Handels- und Gewerbe­

etats im H auptausschuß des Preußischen Landtages, am 24. F eb ru ar 1928, zu einem A ntrag geführt des Inhalts,

„die Deutsche Reichsbahngesellschaft zu ersuchen, au f dem Gebiete des Privatanschlußvertragsw esens im engen Zu­

sammenwirken mit Industrie und H andel eine den all­

gemeinen volkswirtschaftlichen Interessen gerecht wer­

dende Regelung selbst herbeizuführen . . . “ .

Allerdings w ar diese F orderung in erster Linie diktiert von der A uffassung der Anschlußinhaber, daß die Reichs­

bahn zu wenig entgegenkommend sei. Allgemein hoffte man, durch eine reiehsrechtliche Regelung die Stellung der Anschließer der Reichsbahn gegenüber zu bessern. Die F rage ist seitdem nicht mehr zur Ruhe gekommen. Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, daß bei den A n­

schließern in letzter Zeit der E indruck vorherrschend ge­

worden ist, die Reichsbahn behandle, veranlaßt in erster

7) U . a. B ö t t g e r : Zur E r n eu er u n g d es R ech ts der P r iv a tg leisa n sch lü sse . V erk eh rstech n . W oche 1 9 2 5 S. 6 6 8 . Ztg. d. V ere in s d eu tsch. E isb.

V erw . 1 9 2 7 S. 3 3 2 ; fer n e r : A h re n s-B ö tt g e r : D a s R ech t d er P r iv a t­

g le isa n sch lü sse. U rsa ch en , M ittel u n d W ege ein e r N eu o rd n u n g . S ta h l u n d E ise n , 1 9 2 8 S. 8 2 4 .

247

(8)

Linie durch ihre W ettbew erbstätigkeit, die Privatanschlie- ßer wesentlich freundlicher als früher.

2. Das Reichsverkehrsmonopol und die Kleinbahnen

Die stärkere Einflußnahm e des Reiches au f die K leinbahn­

politik scheint auch notwendig zu sein im H inblick au f die Monopolbestrebungen im K raftw agenverkehr, dessen Be­

sitzergreifung die Reichsbahn im G ü terv erk eh r8) erstrebt, während die P ost im Personenverkehr sieh immer mehr behauptet. Diese Vorgänge sind insofern bedeutsam, als sie in einer Zeit zurüekgehenden Verkehrsvolum ens hervor­

treten. Die Reichsbahn will sich über den W eg der Mono­

polisierung des Güterverkehrs eine E rh altu n g ihrer g efä h r­

deten Anlagewerte sichern. Man mag darüber streiten, ob die gewollte Beschränkung des K raftw agenverkehrs sich z u n ä c h s t günstig oder ungünstig fü r die K leinbahnen auswirken würde. Tatsache dü rfte aber sein, daß die Z u­

sam m enfassung des Monopols der Eisenbahn und des K raftw agens in e i n e r H and die bisherigen W ettbewerbs­

grundlagen verschiebt. Die V erbindung zweier wesens- versehiedener V erkehrsarten zu einem Verkehrsmonopol stellt auch die K leinbahnen vor eine neue Sachlage.

B isher h at m an sich bei der E rö rte ru n g dieser F ragen mit den K leinbahnen eingehender nicht befaßt. Dies ist viel­

leicht auch solange nicht vordringlich, bis die grundsätz­

liche Seite des E isenbahn-K raftw agenproblem s gelöst ist.

W esentlich sind dabei die Grenzen des E isen b ah n -K raft­

wagenmonopols. Nach den bisherigen E rfah ru n g en d ürfte nicht anzunehmen sein, daß die Reichsbahn die V erkehrs­

kontingente der K leinbahnen beansprucht. Infolgedessen w ird auch der K leinbahn-K raftw agenverkehr von der Reichsbahn als eine ernstliche K onkurrenz nicht be­

fehdet werden. M an w ird die H offnung aussprechen können, daß die Reichsbahn die K leinbahnen m itsam t ihrem K ra ftv erk eh r als die Z ubringer und Abholer ihres großen V erkehrs behandeln wird.

Gewiß würde die D urchführung des Gedankens eines Güterverkehrsm onopols eine A bkehr von den bisherigen W irtschaftsm ethoden bedeuten. Diese Problem e hängen innig m it den Bestrebungen vieler K reise zusammen, einem größeren Staatsinterventionism us zur Abwendung der die V olksw irtschaft schädigenden K onjunkturfolgen den W eg zu ebnen, eine F orderung, die selbst von denen erhoben wird, die an sich dem G rundsatz des „laissez fa ire “ huldi­

gen. Die K onjunkturbeeinflussung durch staatspolitische M aßnahm en ist heute an der Tagesordnung. Sinnfälliger Ausdruck h ie rfü r sind die N otverordnungen des Reichs­

präsidenten vom Dezember 1931, die in einer in der W irt­

schaftsgeschichte beispiellosen W eise das M achtinstrum ent der staatlichen Intervention zur E rreichung w irtsehafts- politischer Ziele benutzen, und die auch dem Gedanken des Güterverkehrsm onopols Raum gegeben haben. Gewiß m uß in Zeiten des allgemeinen M ißtrauens, wie den jetzigen, dem S taa t als B ürgen fü r die A ufrechterhaltung des Ge­

meinschaftslebens eine bevorzugte Stellung eingeräum t werden; schließlich h at auch der S ta a t in Notzeiten die P flicht, sich schützend vor seine B ürger zu stellen. Ebenso gewiß ist aber, daß die M achtfülle des Staates dabei a u f K osten einer Einengung der privaten W irtsch aft zunimmt, die W irtsch a ft abhängiger von der P olitik und ihrem ge­

staltenden W illen wird. Häufig begegnet m an der A u f­

fassung, daß m an in den gegenwärtigen K risenvorgängen

8) M o st „ E in G ü ter v erk eh rsm o n o p o l f ü r d ie R e ic h s b a h n ? “ D e r D e u tsc h e V o lk sw ir t. 1 9 3 2 . S. 1 0 1 3 .

den Abschluß des kapitalistischen Z eitalters sehen müsse und eine P lanw irtschaft des S taates als zwangläufige Folge der bisherigen W irtschaftsentw icklung eintreten werde.

E in Güterverkehrsm onopol der Reichsbahn ist ein Stück solcher P lanw irtschaft. Die W irtschaftsvertretungen wen­

den sich gegen diese P läne m it aller Entschiedenheit, da sie in der E rfü llu n g individueller V erkehrs- und T ra n sp o rt­

wünsche eine wesentliche V oraussetzung fü r die neuzeit­

liche M arktgestaltung und A bsatzpolitik sehen und der B ildung eines Verkehrsm onopols in der H and der Reichs­

bahn (und der Reichspost) ablehnend gegenüberstehen.

M an glaubt in W irtschaftskreisen, daß der letzte Schritt, auch die W asserstraßen in das V erkehrsm onopol ein­

zubeziehen, dann bald getan sei.

N un braucht nicht notwendig die angebahnte Monopol­

tendenz in einem völligen A ufgehen aller V erkehrstätigkeit in der alleinigen H and der staatlichen M achtfaktoren zu enden. Das liegt auch wohl nicht in der Absicht der Reichsbahn. Man sollte, nachdem die ersten Wogen der E rregung abgeebbt sind, einer ruhigen Überlegung Platz machen. Es w ird dann wohl möglich sein, einen vom.

Monopol freien Sektor den nichtreichseigenen und privaten V erkehrsunternehm ungen zur V erfügung halten. Das w iderspricht durchaus nicht einer vernünftigen P lanw irt­

schaft. So sagt auch Som bart 9)

„P lan w irtsch aft steht im Gegensatz — nicht notwendig und ohne weiteres zu freier In dividualw irtschaft, sondern

— zu wilder, chaotischer, ungeordneter, plan- und sinn­

loser W irtsch aft, natürlich vom Gesichtspunkt der Gesamt­

w irtsch aft eines größeren K reises wirtschaftender Men­

schen aus gesehen, innerhalb dessen es unzählige wohl- geordnete E inzelw irtsch aften geben kann.“

Besehreitet das Reich den W eg der fortschreitenden Regle­

m entierung des V erkehrs, dann ist es recht und billig, ihm die F ürsorge fü r die K leinbahnen im Rahm en seines Ge­

sam treform planes anzuvertrauen.

3. Die Finanzwirtschaft

D er überwiegende A nteil der öffentlichen H and an den K leinbahnen jed er A rt m acht die R egelung ihres Schulden­

dienstes und ihren weiteren A usbau im wesentlichen ab­

hängig von der F inanzw irtschaft der öffentlichen K örper­

schaften. Alle B estrebungen sind gegenw ärtig darauf gerichtet, m it den vorhandenen V erkehrsm itteln und ihren Betriebsanlagen auszukommen. M an kann geradezu von einer A ngst vor dem Bauen sprechen. Das ist angesichts unserer F inanzlage im allgemeinen und der der öffent­

lichen K örperschaften im besondern durchaus verständlich.

Soweit die V erkehrsunternehm ungen mit ä u ß e rst drücken­

den k urzfristigen K om m unalschulden belastet sind — und das ist eine sehr große Zahl — ist in nächster Zeit an eine U m w andlung in langfristige Schulden nicht zu denken.

D er K ap italm ark t bietet h ie rfü r und f ü r die Aufnahm e regulärer Anleihen keine A ussichten. Auch der W eg, über eine Ablösungsanleihe eine Regelung zu suchen, ist nicht gangbar. D er Versuch, die V erkehrsunternehm ungen durch A ufnahm e von P riv a tk a p ita l finanziell zu entlasten, muß ebenfalls scheitern, da auch au f p riv a te r Seite gegenw ärtig kaum das dazu notwendige K ap ital aufgebracht werden kann, es sei denn, daß der B esitzstand zu einem Schleuder­

preis abgestoßen wird. Auch d a rf man nicht vergessen, daß nachdem die K lein- und S traß en b ah n ak tien vom Börsenkurszettel so gu t wie verschwunden sind, das In te r­

esse der breiteren Öffentlichkeit geringer geworden ist.

9) D ie Z u k u n ft d es K a p ita lism u s, S. 1 9 .

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