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Technik und Wirtschaft : Monatsschrift des Vereines Deutscher Ingenieure, Jg. 25, H. 8

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Technik und Wirtschaft

H e ra u s g e b e r: Dr.-Ing. O tto B re d t und Dr. G e o rg Fre ita g / VDI-V erlag GmbH, B e rlin NW 7 25. J a h rg a n g

I

Die wirtschaftliche Organisation Europas

Von H. DE PEYERIMHOFF, Paris

Im A p rilh e ft haben wir einen A u fsa tz von Konsul Dr. E. Respondek, Berlin, über „Europäische W irt­

schaftsordnung, französische Thesen — deutsche Antithesen“ veröffentlicht. W ir freuen uns, heute unser» Lesern zu diesem wichtigen Z u ku n ftsp ro ­ blem eine Stellungnahm e von berufener französischer Seite bringen zu können. H . de Peyerimhoff, Paris, einer der führenden französischen In d u ­ striellen, Präsident des französischen National­

komitees fü r den Steinkohlenbergbau und Vertreter Frankreichs im Beratenden W irtschaftskom itee des Völkerbundes, ist auch in den Kreisen der deut­

schen W irtschaft als Sprecher Frankreichs auf zahlreichen internationalen W irtschaftskonferenzen wohlbekannt. Sein stets verbindliches und ver­

ständigungsbereites, die Interessen seines Landes vorbildlich wahrendes Verhalten, verbunden mit der ihm eigenen großen Sachkenntnis auf allen Gebieten der W irtschaft, hat ihm die Achtung und Anerkennung in weiten K reisen Deutschlands er­

worben. Seine A usführungen sind darum um so höher zu, werten. Dr. Respondek wird im S e p ­ tem berheft au f diese Darlegungen nochmals ab­

schließend von deutscher Seite erwidern.

Die Herausgeber.

Oer französische Plan im Spiegel deutscher Kritik

Konsul Respondek legte in der A prilnum m er der Zeit­

schrift „Technik und W irtsch a ft“ die „ d e u t s c h e T h e s e“ und die nach seiner A uffassung „ f r a n z ö s i ­ s c h e T h e s e “ in bezug au f die w i r t s c h a f t l i c h e R e o r g a n i s a t i o n E u r o p a s dar. Der V erfasser ist einer von denen, deren so interessante Arbeiten auf dem Gebiete der S tatistik und der W irtschafts- und H a n ­ delspolitik den Beifall der W irtschaftsführer verdienen.

Bei seiner D arlegung der Ziele und Methoden des „ f r a n - z ö s i s e h e n P l a n e s “ — nicht etwa des französischen Planes, wie er insbesondere im P rojekt Briands von 1930, in dem im Mai 1931 dem Völkerbund unterbreiteten A uf­

bau - M emorandum, im E n tw u rf Tardieus bezüglich der Donau-Organisation und in zahlreichen privaten Exposes zum A usdruck kommt, sondern so wie ihn eine aufgeklärte Anschauung meistens in Deutschland a u ffa ß t — ent­

rinnt Konsul Respondek nicht dem in dieser gegenwär­

tigen K risenzeit deutlich auftretenden Einfluß, dieser furchtbaren Nemesis : d e r U n m ö g l i c h k e i t , s i c h v o n N a t i o n z u N a t i o n z u v e r s t e h e n , wenn­

gleich zahlreiche Gründe vorhanden sind, die die Völker bestimmen sollten, gem einschaftlich zur T at überzugehen.

Eine nach O berherrschaft lechzende, imperialistische Macht soll in einer gewaltigen Expansionsanstrengung begriffen sein, um E u ro p a zu unterw erfen, wobei sie sich zur E r ­ reichung politischer Ziele w irtschaftlicher und finanzieller

M ittel bedient, die in der Alten W elt ohnegleichen s in d ! Wie ist es möglich, daß das wahrscheinlich konservativste Volk der Erde, ein Volk, das am allerwenigsten geneigt ist, sich durch den Größenwahn verleiten zu lassen, einem sicherlich scharfsinnigen Beobachter von außen d erart erscheinen kann? Von allen K ritiken, die an die F ra n ­ zosen von außerhalb gerichtet wurden, und unter denen es manche gibt, die sie berühren und zum Nachdenken zwingen, ist keine so geeignet, ihr Befremden und ihre Be­

stürzung zu erregen wie diese. Und nichts erscheint ihnen fü r eine ernste P rü fu n g entm utigender als der V orw urf eines Cäsarentums, das sich an die W irtschafts- und Finanzpolitik ihres Landes knüpfen so ll!

Frankreich wurde durch das große W eltdram a in zu starkem Maße verwundet. Es verspürt noch zu h art die Nachwehen, um nicht an erster Stelle eine Wiederholung vermeiden zu wollen. Aus seinem gewiß nicht schlechte­

sten Los den besten Nutzen zu ziehen — unter K u ltu r­

bedingungen und wirtschaftlichen Klimaverhältnissen, die ihm eigen sind, durch vernunftgem äßes H andeln und inne­

ren Ausgleich den verlorenen W ohlstand zurückzuerlangen und die gegenwärtig absteigende K urve des F ortschritts wiederaufzurichten — nichts von eines anderen Gut zu begehren und die fü r alle nützlichen Entwicklungsmög­

lichkeiten des Nachbarn in keiner Weise zu hindern, das sind, glaube ich, die vornehmsten Grundlagen der fra n ­ zösischen Bestrebungen.

Bis au f die letzten Mopate durch die Schlage der K rise etwas weniger als die anderen Länder in M itleidenschaft gezogen, wünscht unser Land nicht noch mehr unter der W irtschaftsnot zu leiden. Es ist bemüht, seinen inneren M arkt gegen die A u s b r e i t u n g d e r U n o r d n u n g zu schützen, lim eine bewährte Stabilität aufrecht zu er­

halten. Ich ersehe daraus nicht, inwiefern diese Abwehr­

maßnahmen, die übrigens fast überall, und noch dazu in weit drastischeren Form en als in Frankreich, in Erschei­

nung treten, U n f r i e d e n hervorrufen könnten.

Denn das, was man als eine etwas engherzige Vorsicht an- sehen könnte, würde jedenfalls sich in genau entgegen­

gesetzter Richtung auswirken, als die uns vorgeworfenen expansionistischen Vermessenheiten, die sie begleiten müßten.

Was bedeutet denn eigentlich der französische Plan?

W as ist denn eigentlich der französische P lan des w irt­

schaftlichen W iederaufbaus E uropas? E in politischer Feldzug? Nein, sondern die Bestätigung einer der selbst­

verständlichen A u f g a b e n d e r S o l i d a r i t ä t , an der F rankreich übrigens ein unm ittelbares Interesse hat, ein Interesse, das aber nicht in einer V orherrschaft über die Alte W elt besteht. M an braucht sich n u r zu vergegenwärtigen, daß das Unglück des einen das Unglück des anderen selbsttätig nach sich zieht,

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daß ein neuralgischer P u n k t sehr rasch und sehr weitgehend den Schmerz ausstrahlt, daß die V erbin­

dung der M ärkte unvermeidlich das Unheil verbreitet, wo es auch a u ftritt, um die Notwendigkeit zu begreifen, und sei es von einem egoistischen S tandpunkt aus, dem gemein­

samen Übel abzuhelfen, indem man schnellstens hier oder dort besonders kritische S ituationen abwehrt.

Abgesehen von der Unsieherheits- und M ißtrauens- Psychose, deren belastenden Ausw irkungen au f die gegen­

w ärtigen Schwierigkeiten w ir n u r sehr schwer abwägen können, liegen die katastrophalen Merkmale der heutigen Zeit in der m angelnden A npassung der P roduktion an die Absatzmöglichkeiten, in dem daraus entstehenden chaoti­

schen K onkurrenzkam pf und im Zusam menbruch der V er­

kaufspreise, deren Sturzhöhe bei weitem die a u f die Ge­

stehungskosten erzielten Gewinngrenzen überschreitet.

D er K a m p f um die um strittenen M ärkte w urde zunächst a u f dem W ege über eine sowohl straffe, als auch sinn­

reiche Ü b erprüfung der Selbstkosten und das Verschwin­

den der unfähigen oder sehwerkranken Unternehm ungen durchgeführt. Zweifelsohne eine fruchtbare W andlung und ein E rfo lg des F ortschrittes. Beide Epochen sind in­

zwischen vorüber. Schon seit vielen M onaten lä ß t sich die Senkung der E ngrospreise nach E rschöpfung der Ge­

w inngrenze n u r noch durch die fortschreitende Schwächung der F in an z k rä fte des Erzeugers, durch K ündigung des P ersonals, durch K ürzung der A rbeitzeit und der Löhne, durch staatliche U nterstützungen, kurz ge­

sagt, durch angehäufte O p fer — von denen m an sagen kann, daß sie aufgehört haben, erträglich zu sein — des K ap itals, der A rbeitnehm er und der S taaten bewerk­

stelligen.

M a n i s t b e i d e r V e r n i c h t u n g d e r M ä r k t e a n g e l a n g t , ohne dam it irgendwelchen N utzen zu er­

reichen, auch nicht fü r die Z ukunft. D enn die Selbst­

zerstörung ist niemals ein M ittel zur B ereicherung oder E roberung gewesen. Zudem ist ein Teil des intern atio n a­

len V erkehrs dadurch gelähmt worden, daß m an ganze Provinzen dem Austausch verschlossen hat, die entweder dadurch der A nsteckung entzogen w urden oder sterben mußten.

W i e s o l l m a n n u n d i e W i e d e r a u f r i c h t u n g v o r n e h m e n 9 U nd was setzt sie v o rau s? Gehen w ir geradezu an die tiefen U rsachen des Übels heran. E s m u ß d u r c h e i n e m e t h o d i s c h e u n d g l e i c h ­ z e i t i g e A n s t r e n g u n g , d i e d i e l e i t e n d e n P r o d u k t i o n s z w e i g e d a z u f ü h r t , i h r e M ä r k t e s e l b s t z u o r g a n i s i e r e n , d a f ü r g e ­ s o r g t w e r d e n , d a ß d i e s e l b e n w i e d e r a u f ­ n a h m e f ä h i g w e r d e n . D i e v e r s c h i e d e n e n A b s p e r r u n g s m a ß n a h m e n m ü s s e n e b e n s o w i e d i e v e r d e r b l i c h e n W e t t b e w e r b e z u e i n e r E n t s p a n n u n g k o m m e n .

W enn in einer gewiß beschränkten A nzahl von Schlüssel­

industrien, die zur S erienfabrikation übergegangen und ausreichend entwickelt sind, sowohl nationale E inverständ­

nisse zwecks R a t i o n a l i s i e r u n g d e r P r o d u k ­ t i o n u n d Z u t e i l u n g i n j e d e m L a n d e , als auch i n t e r n a t i o n a l e Z u s a m m e n s c h l ü s s e zustande gekommen sein werden, um das „D um ping“ auszuschlie­

ßen, einfach dadurch daß dasselbe durch eine V erteilung der A nteile jed er nationalen G ruppe an dem Gesamt­

verbrauch überflüssig geworden ist, dann w ird m an sagen können, daß ein O rdnungsfaktor ins Leben gerufen und

eine Richtschnur gefunden ist. Niem and von französi­

scher Seite w ird verhehlen, daß eine solche F orm el der V erständigung kein U niversalm ittel darstellt, und daß diese n u r einen Teil des Problem s befriedigt. Jedoch w ird eine in solcher Weise g eführte Rationalisierung, wenngleich sie auch n u r au f einige wesentliche Zweige der industriellen und landw irtschaftlichen Erzeugnisse be­

grenzt bleibt, eine G rundlage f ü r den W iederaufbau eines w irtschaftlichen Gesamtgebäudes und auch ein Vorbild f ü r die anderen W irtschaftszw eige sein.

Nichts anderes als das Streben nach Entw icklung zur Ordnung!

D i e E n t w i c k l u n g z u r O r d n u n g — O r d n u n g i n d e r P r o d u k t i o n , O r d n u n g i m V e r k a u f — m u ß i n f r e i e r W e i s e a u f G r u n d d e r a u f a l l e n S t u f e n d e r w i r t s c h a f t l i c h e n B e t ä ­ t i g u n g a u s g e ü b t e n S e l b s t d i s z i p l i n d e r F a c h k r e i s e v o r s i c h g e h e n . D er Selbsterhal­

tungstrieb, der nicht anders als w achgerufen werden kann, die roten Zahlen in den Bilanzen, die noch stumme Ge­

genw art von M illionen a u f A rbeit w artender Arbeitsloser, scheinen zur Zeit genügend dringliche A nregungen zu sein, um sich des gesetzlichen Zwanges nicht bedienen zu müssen. M an m üßte sonst an der menschlichen Vernunft verzweifeln. A n sich w äre ein solcher Zwang schon im nationalen Rahm en unbequem zu handhaben und auch nur von unvollkom mener W irkung. Um so weniger würde er sich aber a u f dem internationalen Felde ohne zahlreiche Schwierigkeiten und Zusam m enstöße verwirklichen lassen.

Man m uß d arin eine A rt F u rc h t erblicken, ohne sich über das E rgebnis Illusionen zu machen.

S o l a n g e d i e O r d n u n g n i c h t d u r c h d i e d i r e k t d a r a n i n t e r e s s i e r t e n K r e i s e d e r i n F r a g e k o m m e n d e n B e r u f e d u r c h g e f ü h r t s e i n w i r d — wobei nochmals betont sei, daß die Ver­

ständigung m it ihren so zahllos verschiedenen A rten nicht als die ausschließliche Form el der O rdnung anzusehen ist

— m u ß m a n e s d e n R e g i e r u n g e n ü b e r l a s ­ s e n , d i e s e O r d n u n g v o r z u b e r e i t e n und,wenn sie im Begriff ist, zustande zu kommen, nötigenfalls ihre Z erstörung durch schlecht gesinnte oder kurzsichtige Geister zu verhindern.

Die K o n t i n g e n t i e r u n g e n sorgen d afür. Wie es alle Kreise, die in F ran k reich diese M aßnahm en forderten, und alle Behörden, die m it ih rer D urchführung b e a u ftra g t w aren, betont haben, müssen diese Kontingen­

tierungen allerdings dem A usnahm echarakter der Verhält­

nisse und den abnorm en Bedingungen der internationalen M ärkte entsprechen. Sie dürfen keine v erk a p p ten Schutz­

oder Bevorzugungsm ittel darstellen. W o sich Fortschritte zur Erzielung der O rdnung zeigen, d ü rfen sie nicht ab- sehwächend wirken. D adurch daß die am tliche Bestäti­

gung dieser M aßnahm en die vorläufig getroffene V erstän­

digung zwischen den E rzeugern zweier oder mehrerer L änder rech tfertig t, was bei einer guten Anzahl von mehr als fünfzig priv aten V erträgen der F a ll ist, bei deren Ab­

schluß die Deutsch-Französische W irtschaftskom m ission nicht unbeteiligt blieb — dadurch daß sie die zukünftigen Abm achungen anspornen, haben sie eine momentane W irksam keit. Sie können p riv aten V ereinbarungen das Feld räum en und auch zum Teil gegenüber denjenigen E rzeugern oder N ationen bestehen bleiben, welche sich weigern würden, billige Abkommen anzunehm en. I n jedem F alle dienen sie der Sache der Ordnung.

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Man scheint dem französischen Plane vorzuw erfen . . .

M an scheint dem logischen P lan, den praktischen Metho­

den, die unsere W irtsch aftsfü h rer und Regierenden empfehlen — die von vormals und jetzt -— vorzuwerfen, daß sie die im hohen G rade bewegliche Situation erstarren lassen, die natürliche Umwandlung der M ärkte und Preise zum S tillstand bringen und so zu der Beseitigung der schlecht gelegenen Produktionsstätten führen.

Bezüglich des ersten Punktes erscheint die Auslegung unrichtig: es handelt sich nicht darum, die g e g e n w ä r ­ t i g e n P o s i t i o n e n abzuklatschen, sondern den Bei­

tra g des einzelnen an der Gesamtheit der inländischen, wie internationalen Tauschgeschäfte dem verschiedenarti­

gen Gebot der Bedürfnisse genauer anzupassen.

Zu dem zweiten P u n k t möchten wir noch unterstreichen, daß die E n t w i c k l u n g d e r P r e i s e der wichtigen Rohstoffe nicht durch eine vernünftige Deflation — einen sicheren F ak to r technischen und sozialen F ortschritts — sondern durch einen wirklich übertriebenen Sturz — ein Zeichen des Elends — gekennzeichnet ist.

W as nun die G efahr der Z e r s t ö r u n g g a n z e r I n ­ d u s t r i e z w e i g e in diesem oder jenem Lande an­

belangt, so erscheint sie als im aginär. Die Produktion kann dort, wo sie am leichtesten und am w irtschaftlichsten ist, u n te r der Bedingung gesteigert werden, daß sie einen Abnehmerkreis hat, ohne dazu genötigt zu werden, die Absatzgebiete durch künstliche oder betrügerische M aß­

nahmen zu erzwingen und somit die Unordnung zu ver­

schlimmern. Die K ontingentierung ermöglicht es in einem vernünftigen Maße, die sogar ungünstig gelegenen I n ­ dustrien, deren Bestehen fü r die nationale Sicherheit fü r unentbehrlich gehalten wird, in einem vernünftigen Um­

fange aufrecht zu erhalten.

Dies ist nicht zuletzt ein weniger barbarisches, weniger künstliches und weniger gefährliches System fü r die Zu­

k u n ft als die fortw ährende A nhäufung und Erhöhung der Zollschranken, unter deren Sc-hutz man in manchen F ällen die Einpflanzung und E n tfaltu n g ebenso kost­

spieliger wie unrationeller Betriebe beobachten konnte.

W enn Konsul Respondek unserem Lande die Absicht vorhält, aus politischen Zwecken einen machiavelli- stischen Gebrauch seiner „außergewöhnlichen Finanz­

k r a f t“ zu machen, so ist der Irrtu m ein doppelter, und zwar in bezug au f die französischen Ansichten wie auch hinsichtlich des Gebrauches, den man von diesen Möglich­

keiten zu machen in der Lage wäre.

Die f r a n z ö s i s c h e n H i l f s q u e l l e n a n e i g n e n a u s f ü h r b a r e n K a p i t a l i e n sind bei weitem nicht unbegrenzt. F rankreich ist nicht in der Lage, wahllos, kreuz und quer K redite au f Grund seiner freundschaft­

lichen Beziehungen oder nach Belieben seiner politisch- sentimentalen Einfälle geben zu können. K aum kann es das Nötigste f ü r diejenigen Länder tun, bei denen die Stützungsarbeit ihrer Bedeutung nach begrenzt erscheint und unbedingt erforderlich ist. Das ist es, was F ra n k ­ reich im Laufe der letzten Ja h re fü r U ngarn, Jugoslawien und Polen getan hat, und zwar m it Beträgen, die w ahr­

lich nicht riesenhaft zu nennen s in d : 684 Millionen F ra n ­ ken, unbeschadet der B ankunterstützungen, die verschie­

denen Em issions-Instituten bewilligt wurden, und der Be­

teiligungen an den W iederaufbau-Darlehen, die unter der S chutzherrschaft des V ölkerbundes ausgegeben worden sind.

K ann bei diesem V erfahren von einem p o l i t i s c h ­ f i n a n z i e l l e n I m p e r i a l i s m u s die Rede se in ? Es fällt schwer, ernsthafte Illusionen bei derartigen K re ­ diten zu nähren, die höchstens einen politischen W ert so lange besitzen, als man sie erhofft, und die, wenn sie ein­

mal ausgegeben sind, jeden W ert verlieren.

Ist das ein F ak to r w irtschaftlicher D urchdringung, ins­

besondere in den europäischen Donauländern?

Die D urchführung des sogenannten französischen Planes erfordert die M i t w i r k u n g a l l e r g r o ß e n e u r o ­ p ä i s c h e n S t a a t e n . — Diese M itwirkung w ird durch gewisse O pfer ausgedrückt, die übrigens vorübergehend und ganz oder teilweise ausgleichbar sind, au f jeden F all aber schnell wieder gedeckt werden können, sobald der er­

w artete E rfolg durch die allgemeine W iederaufrichtung des europäischen Geschäfts eintritt.

Als G e g e n l e i s t u n g f ü r d i e a n f ä n g l i c h e n O p f e r seitens der großen S taaten müssen die begünstig­

ten Länder E uropas dem gesamten E uropa, ohne Aus- nalime, den Nutzen aus ihren durch die geplante Reorgani­

sierung unterstützten Bemühungen zukommen lassen. Sie müssen ferner nach und nach die Übergriffe der Schutz­

zölle und der A utarkie fallen lassen und auch allmählich zu den Prinzipien der w irtschaftlichen W eisheit zurück­

kehren, die die W elt braucht, wenn sie gesunden soll.

Nein, die „K a p i t a l m a c h t “ i s t k e i n f r a n z ö s i ­ s c h e r B e g r i f f ! Ebensowenig wie F rankreich gewillt ist, sich den O pfern zu entziehen, die man von verschiede­

nen Seiten von ihm verlangt, weil es mehr als andere in der Lage zu sein scheint, einen beträchtlichen Anteil an dem kollektiven Einsatz zu übernehmen, will F rankreich den etwaigen Nutzen fü r sich beschlagnahmen. W enn außerdem das, was man ihm an Finanzm acht zuschreibt, zu rein egoistischen und m erkantilen Zwecken verwendet worden wäre, so würde seine H andelsbilanz nicht ein jährliches Defizit von etwa 10 M illiarden in den drei letzten Jah ren aufweisen und sein gefährdeter A ußen­

handel brauchte dann nicht seinen gegenwärtigen A ngst­

schrei auszustoßen.

N e i n , F r a n k r e i c h v e r t e i d i g t „ s e i n e R e n t e “ i n Z e n t r a l e u r o p a — oder andernorts — n i c h t ! Es arbeitet daran, den am schwersten betroffenen L än­

dern eine die Existenz ermöglichende W irtschaftsgrund­

lage zurückzugeben und einen M indestnutzen fü r die großen Produktionszentren zu schaffen, mit denen alle öffentlichen Staatshaushalte sowie alle sozialen Schichten heutzutage das traurige Los teilen.

Wie aber erscheint dem Franzosen Deutschland?

Es steht keineswegs fest, daß die bereits gewährten K redite an die kleinen Staaten oder kleinen W irtsehafts- körper mit absoluten Sicherheiten gegeben wurden. I n ­ sofern hat Konsul Respondek vollkommen recht. E r be­

findet sich aber im Irrtum , wenn er glaubt, daß F ra n k ­ reich vor irgendwelchem Risiko bew ahrt geblieben wäre und fü r die Z ukunft eine unbedingte Sicherheit gehabt hätte, falls es derartige K redite, noch dazu in weit größe­

rem M aßstabe, Deutschland gewährt haben würde.

Vom technischen S tandpunkt aus erscheint die deutsche G eschäftsführung wohl bemerkenswert. Vom finanziellen S tandpunkt aus betrachtet aber ist sie in den Augen einer großen Anzahl gut unterrichteter Franzosen durch­

aus nicht als vorbildlich zu bezeichnen: G e w a l t i g e I n v e s t i e r u n g e n , d i e d u r c h k u r z f r i s t i g e

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K r e d i t e g e s p e i s t w e r d e n ! E i n e E r ­ h ö h u n g d e r P r o d u k t i o n s m i t t e l , d i e a u f d e n u n e r s c h ü t t e r l i c h e n F o r t b e s t a n d d e r E r f o l g s k u r v e f u ß t e ! V or dieser Anschwellung erschrak unsere vielleicht kleinzügige A uffassung. Neh­

men w ir einen Augenblick an, daß die E rs ta rru n g der ausw ärtigen K redite, das M oratorium und die peinlich genaue Zuteilung der Devisenbezüge als die natürliche Folge der V erirru n g der Gläubiger, der gegenw ärtigen A ustauschanarchie, der Einschränkungen, die der E in ­ fu h r deutscher W aren au f erlegt w urden, anzusehen seien, und nicht a u f Irrtü m e r in den w irtschaft­

lichen und finanziellen E inschätzungen zurückzufüh­

ren sind — die übrigens häufig durch die K re d it­

geber selbst u n te rstü tzt w urden, welche der V er­

suchung zu hoher Geldsätze nachgebend, ihre Schuldner zur K reditaufnahm e verleitet haben. Es w ürde alsdann die Tatsache des seit so vielen Semestern drohenden M oratorium s übrig bleiben. D er K re d it ist das empfind­

lichste und zerbrechlichste aller Im ponderabilien.

„ D e u t s c h l a n d h a t g e g e n w ä r t i g k e i n e n K r e d i t “ .

A nderseits ist es vom S tan d p u n k t der R egierungsfüh­

rung und des öffentlichen Empfindens unleugbar, daß eine A rt K a t a s t r o p h e n s t i m m u n g vorliegt, in der Im m anuel K a n t — wenn er w ieder au f die W elt käme — heutzutage d i e „K a t e g o r i e “ d e r d e u t s c h e n V e r n u n f t erblicken würde. Jene so rasche U m kehrung der O rientierungen, die die Masse eines Volkes vom E xtrem der These zum E xtrem der A ntithese w irft, ohne einen regulierenden M ittelpunkt zu haben, der die Schwankungen abdäm pft, nennen w ir es beim W ort, diese

p s y c h o l o g i s c h e U n s i c h e r h e i t , deren A usw ir­

kungen durch die K rise noch mehr zu erb ittern scheinen;

all dieses verbreitet nicht den E indruck des V ertrauens und der Ungezwungenheit, der fü r den freien V erkehr von K rediten in noch höherem M aße als f ü r denjenigen der W aren unum gänglich erforderlich ist.

Es wäre vergeblich, zu verhehlen, daß noch v i e l g u t e r W i l l e , V o r b e r e i t u n g s a r b e i t u n d g e g e n ­ s e i t i g e A u f k l ä r u n g e n n o t w e n d i g sein wer­

den, um die M auer des N ichtverstehens niederzureißen, die, obgleich bereits beträchtlich herabgesetzt, die M einun­

gen unserer beiden L änder tren n t. Ich bin m it Konsul Respondek der festen Überzeugung, daß F r a n k ­ r e i c h u n d D e u t s c h l a n d k ü n ftig gemeinsam weit m ehr als eine Strecke au f dem W ege des wirtschaftlichen W iederaufbaus E u ro p as zurücklegen werden können.

Ü berhaupt wäre auch ohne weitgehendes Einverständnis der beiden W irtsch aftsk ö rp er ein solches Zusammen­

arbeiten möglich, welches die E n tsp a n n u n g in den Ge­

m ütern und in den H erzen verlangt, und durch das, wenn es sein Ziel erreicht hat, viel ungezählte, zur Zeit beun­

ruhigende Schwierigkeiten ganz von selbst aus dem Ge­

sichtskreis verschwinden würden.

Diese aufrichtigen B etrachtungen wollen nicht die fran­

zösische These zum A usdruck bringen; ich glaube jedoch nicht, daß sie wesentlich von denjenigen abweiehen, die von der M ehrzahl aller leitenden Persönlichkeiten der französischen W irtsch a ft aufgestellt werden, wenn sie dazu ihrerseits angehalten w ürden. Ich wünsche, daß sie dazu beitragen werden, das, was noch au f beiden Seiten an lähmendem M ißtrauen üb rig bleibt, zu verringern!

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Landwirtschaft und Autarkie

Von Kam m erdirektor a. D. Dr. J. FROST, P riv a td o z e n t an d e r U n iv e r s itä t München

Die F örderung der landw irtschaftlichen Erzeugung zwecks Erreichung einer möglichst ausreichenden und vollständi­

gen V ersorgung des heimischen M arktes mit Lebensmitteln bildete schon in der V orkriegszeit ein wichtiges Ziel unserer A grarpolitik. Sehr m aßgeblich beeinflußt w urde diese P olitik durch die Absicht, im F alle eines K rieges m it den wichtigsten Lebensmitteln, B rot und Fleisch, in ausreichen­

der Menge aus der heimischen P roduktion versorgt zu sein.

I n den interessanten „A ufsätzen und R eden“ des damaligen R eichstagspräsidenten G raf von Schw erin-Löw itz w ird be­

sonderes Gewicht a u f die E rreichung einer ausreichenden B rotgetreideversorgung gelegt. Roggen und Weizen waren die A ckerfrüchte, deren E rzeugung m an soweit steigern wollte, daß möglichst jede A uslandzufuhr dieser P rodukte überflüssig würde.

M an h a t zu jen er Zeit in Gedanken an eine mögliche K riegsgefahr nicht voraussehen können, daß der nächste K rieg über vier Ja h re dauern und uns fa st völlig vom A usland abschneiden würde. M an h at demzufolge auch nicht voraussehen können, daß uns infolge Ausbleibens der ausländischen Z ufuhren an Gerste, Mais, Ölsaaten u. dgl.

die notwendigen Rohstoffe f ü r unsere landw irtschaftliche F etterzeugung fehlen würden. B rot und Fleisch waren, als der K rieg ausbraeh, fü rs erste in ausreichender Menge

vorhanden, aber an B u tter und an ändern Speisefetten begann es sehr bald zu mangeln. M an wird sich noch der bösen Folgen erinnern, die der F ettm angel damals fü r die E rn ä h ru n g unseres Volkes nach sich zog.

Als die uns durch den K rieg aufgezwungene Autarkie vorüber w ar und w ir wieder vom A usland reichliche Zu­

fuhren von all dem erhielten, was in den K riegsjahren kn ap p geworden, zum Teil ganz ausgegangen war, stand die F örderung des W arenaustauschs m it dem Ausland zu­

nächst im V ordergrund unserer H andelspolitik. Die Förde­

rung der landw irtschaftlichen E rzeugung tr a t hinter der F örderung des A ußenhandels um so m ehr zurück, als man es in den ersten Ja h re n nach dem K riege fü r unerreichbar hielt, die sta rk zurückgegangene landw irtschaftliche E r­

zeugung wieder au f ihre V orkriegshöhe zu bringen.

Es geschah dann aber in den Ja h re n 1920 bis 30 das W under, daß die L andw irtschaft nicht n u r die H öhe ihrer V orkriegserzeugung erreichte, sondern diese sogar über­

tra f. D am it m ußte sich n aturgem äß auch die Einstellung unserer P olitik ändern. Die F ö rd eru n g der heimischen P roduktion, die A nem pfehlung deutscher vor ausländischen W aren und der E rsatz dieser durch heimische W aren w ur­

den wieder ein wichtiges politisches Ziel.

E s begann der K a m p f gegen die ausländischen K onkur­

renzw aren a u f unsern M ärkten, der am heftigsten dort g e fü h rt wurde, wo es sich um W a ren handelte, die wir selbst herzustellen in der Lage sind. M an h atte teils w ährend des K rieges, teils in den J a h re n nach dem K riege im A usland, besonders in dem durch den K rieg weniger berührten neutralen A usland und in den Überseeländem , die landw irtschaftliche und gärtnerische E rzeugung ver-

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stärkt, verfeinert und verbilligt. Die nach Kriegsende in Massen au f den deutschen M arkt geworfenen ausländischen Agrarerzeugnisse begannen daher unsere heimischen Erzeugnisse von unsern eigenen M ärkten zu verdrängen;

sei es, daß sie billiger w aren oder in den gewünschten feineren Q ualitäten und in einer fü r den G roßm arkt p ra k ­ tischeren V erpackung angeboten wurden.

Die seitens der L andw irtschaft g e fo rd e rte ' U nterstützung im K am pfe gegen die Auslandskonkurrenz au f den heimischen M ärkten wurde von der Reichsregierung schritt­

weise gewährt, sofern ihr nicht handelsvertragliche B in­

dungen hindernd im W ege standen. D er Rückgang der M ehreinfuhren an lebenden Tieren, Lebensmitteln und Ge­

tränken von 4,8 au f 2,2 Mrd. RM in der Zeit von 1928 bis 1931 kann zum Teil au f die M aßnahmen der Reichs­

regierung zurückgeführt werden. Zum ändern Teil findet er seine E rk läru n g in der V erarm ung und V erbrauchs­

einschränkung unseres Volkes und in dem zunehmenden Mangel an ausländischen Zahlungsm itteln — ohne daß man sagen könnte, welcher dieser F aktoren am stärksten ge­

w irkt hat. Sie w irkten alle gleichzeitig au f die H erab ­ setzung unserer E in fu h r ein.

W enn man die heute stärker als je von der Landw irtschaft vertretenen W ünsche nach einer Zurückdrängung der agrarischen A uslandzufuhren von unsern M ärkten richtig beurteilen will, m uß man einen Blick d ara u f werfen, wie sich diese fü r das J a h r 1931 mit 2,2 Mrd. RM bezifferten M ehreinfuhren zusammensetzen.

U nter ihnen befinden sieh fü r rd. 600 Mill. RM koloniale und südländische P rodukte, Kaffee, Tee, Kakao, Süd­

früchte, Reis, Mais, Gewürze u. a., die w ir in Deutschland gar nicht oder so gut wie g ar nicht erzeugen können. Sie stellen keine direkten K onkurrenzw aren dar. W enn wir durch unsere schlechte W irtschaftslage gezwungen werden sollten, die E in fu h r der K olonialprodukte einzuschränken, so würden d afü r finanzpolitische, aber nicht agrarpolitische Gründe entscheidend sein. Ähnlich liegt der F all bei den Südfrüchten, die f ü r unser Obst n u r dann zum gefährlichen K onkurrenten werden, wenn sie in solchen Massen und zu so niedrigen Preisen au f unsere M ärkte kommen, daß sie den V erkauf gleichwertigen deutschen Obstes erschweren oder unrationell machen. Auch bei Mais (wichtiges land­

wirtschaftliches F utterm ittel) und Reis hat die Landw irt­

schaft kein Interesse an einer Abdrosselung der Einfuhr.

A ußer den genam iten K olonialprodukten und Südfrüchten um faßt unsere E in fu h r eine statistisch als Lebensmittel oder als Rohstoffe verbuchte Zahl von W aren, die in großen Mengen als industrielle Rohstoffe hereinkommen, so z. B.

Ölfrüchte, Rohtabak, Flachs, H anf, H äute, Felle, Wolle, F edern u. a. m. Diese W aren werden zwar auch von unserer Landw irtschaft erzeugt und au f den M arkt ge­

bracht, aber im V erhältnis zur E in fu h r in so geringen Mengen, daß von ih rer Einfuhrabdrosselung aus ag ra ri­

schem Interesse keine Rede sein kann.

Es ist immer w ieder von berufener landw irtschaftlicher Seite betont worden, daß die L andw irtschaft g a r nicht daran dächte, unsere an sich äußerst schwierige W irt­

schaftslage durch rücksichtslose Eingriffe in den A ußen­

handel zu erschweren oder gar eine völlige A utarkie durch­

zuführen. E s sei aus letzter Zeit au f die Reden verwiesen, die am 11. Ju n i d. J. in der Vollversammlung des D eut­

schen L andw irtsehaftsrats von dem neuen Reichsernäh­

rungsm inister Freiherr von Braun, von dem P räsidenten des Deutschen Landw irtschaftsrats Dr. Brandes und dem H auptgesehäftsfülirer des Deutschen L andw irtschaftsrats

R egierungspräsident a. D. Dr. K utscher gehalten wurden, und die sich sämtlich gegen den V orw urf wandten, die Landw irtschaft erstrebe eine völlige Autarkie.

Die Landw irtschaft fo rd ert heute genau so wie vör dem K riege die F örderung der heimischen Produktion und deren Schutz gegen konkurrierende Auslandswaren, die ih r den Binnenm arkt versperren. Dabei handelt es sich im wesent­

lichen um einen Schutz f ü r jene Agrarerzeugnisse, deren E rzeugung und V erkauf fü r den W irtsehaftserfolg unserer Landw irte entscheidend sind. Das sind, wenn m an die wichtigsten Positionen aus der E infu h rstatistik von 1931 herauszieht,

Butter (Mehreinfuhr) für . . 219,5 Mill. RM E i e r ... . 181,3 »» »»

Obst ohne Südfrüchte . . . 156,8 »»

G e m ü s e ... 87,7 ,, W e i z e n ... . 81,4 »» »»

Schmalz und Talg . . . . . 81,3 »»

F u tte r g e r s te ... 58,8 »» »*

K ä s e ... 58,3 F l e i s c h ... . 47,4 »> >>

u. a.

zusammen E infuhren in einem W ert von etwa 1 bis 1,5 Mrd. RM. W enn diese Auslandswaren in einem ver­

hältnism äßig großen Umfange (der Gesamtverbrauch an in- und ausländischen Lebensmitteln wird au f 24 bis 25 Mrd. RM geschätzt) au f deutschen M ärkten Abnehmer finden, so m uß das seine Gründe haben. D ann liegt, wenn auch nicht eine Notwendigkeit fü r ihre E in fu h r in allen Fällen, so doch eine tatsächlich vorhandene N achfrage nach ihnen vor.

Die Notwendigkeit der E in fu h r kann ohne weiteres in Abrede gestellt werden fü r Fleisch, K äse und Kartoffeln, an denen w ir zur Zeit eine Ü berproduktion haben. A uf Leckermäuler, die schon einen Monat vor der deutschen E rnte ausländische Frühkartoffeln, andere Frühgem üse und O bstarten oder ausländische Spezialsorten von K äse haben möchten, brauchte eine haushälterische Regierung in schwe­

re r Notzeit keine Rücksicht zu nehmen. Bei den ändern landwirtschaftlichen und gärtnerischen Erzeugnissen, die oben genannt sind, liegt der F all so, daß entweder unsere E rzeugung der Menge nach unzureichend ist oder der Q ualität nach nicht den A nsprüchen des M arktes und der Verbraucher entspricht. Es kommt auch vor, daß unsere L andw irtschaft von den best marktgängigen Produkten zu wenig, von weniger gefragten zu viel erzeugt.

D araus ergibt sich ein A ufbauprogram m , das von der Reichsregierung vertreten wird, und dem alle W irtsehafts- kreise zugestimmt haben, in der Richtung der V ergrößerung, V erbesserung und M arktanpassung der landw irtschaft­

lichen Erzeugung. Das ist der K ern des landw irtschaft­

lichen A utarkieprogram m s. Nicht Zerstörung bestehender M arktverbindungen nach dem Ausland, sondern A ufbau der heimischen Erzeugung zwecks Entbehrlichm achung der entsprechenden Auslandwaren.

E in Program m , das nicht von heute au f morgen durch­

geführt werden kann, sondern f ü r die verschiedenen P ro ­ dukte verschieden lange Zeiträume beansprucht, um ans Ziel zu kommen. Beim Weizen und bei den E ie rn w ird es sich in verhältnism äßig kurzer Zeit, bei B utter, Obst und Gemüse erst im L auf längerer Ja h re verwirklichen lassen;

zumal da die V ermehrung, Verbesserung und Umstellung der landwirtschaftlichen Erzeugung in der heutigen Zeit nicht durch größere Geldinvestierungen beschleunigt w er­

den kann und auch nicht zu einer V erteuerung der heimi­

schen Erzeugnisse A nlaß geben darf, die deren Absatz

erschwert. [1419]

173

(6)

I Die Abschätzung

des stillen Geschäfts- oder Firmenwertes industrieller Unternehmungen

Von Dr. FELIX MORAL, Berlin,

Z iv ilin g e n ie u r und b e e id ig te m S a c h v e rs tä n d ig e n

Der angelsächsische B egriff des „Goodwill“ deckt sich nicht vollständig m it dem deutschen B egriff des

„stillen Geschäfts- oder F irm enw ertes“. E in e Begel, wie der Goodwill bzw. der stille G eschäftswert be­

rechnet werden kann, läßt sich nicht a u f stellen, weil man wohl die bisherigen E rträge, die eine Unter­

nehm ung erbracht hat, kennt, nicht aber die zu ­ kü n ftig en E rträge vorausberechnen kann. Zudem sind auch die verschiedenen industriellen U nter­

nehm ungen von zu verschiedener W esensart und in ihrer Größe und Organisation zu verschiedenartig, als daß sich Form eln aufstellen ließen, nach denen der „stille G eschäftsw ert“, der ein Z u ku n ftsw ert und kein Vergangenheitswert ist, rechnerisch er­

m ittelt werden kann. E s w ird sich vielmehr in jedem einzelnen F all um eine gefühlsm äßige A b ­ schätzung des „stillen G eschäfts- oder F irm en­

wertes“ handeln; in ähnlicher W eise, wie die B ör­

senkurse an den E ffektenbörsen mehr oder weniger gefühlsm äßig geschätzt werden, und in ähnlicher W eise, wie am Schlüsse der nachstehenden A rbeit die Überlegungen geschildert sind, die ein K ä u fer anzustellen hat, um sich ein B ild über die H öhe des von ihm zu bewilligenden K aufpreises einer in­

dustriellen Unternehmung zu machen.

Ingenieur E rn s t A xe r, A ltona, h a t im F e b ru a r d. J . im H am burger Bezirksverein des Vereines deutscher I n ­ genieure einen eingehenden und sehr beifällig aufgenom ­ menen V o rtra g über den ideellen F irm enw ert (Goodwill) von industriellen U nternehm ungen g eh a lte n 1). A nläßlich der V orbereitung dieses V ortrages h a t m ir A x e r sein Be­

frem den darüber geäußert, daß ich in meinem Buche „die A bschätzung des W ertes industrieller U nternehm ungen“

a u f die Goodw ill-Frage und a u f die W ertabschätzung des stillen G eschäfts- oder F irm enw ertes nicht näh er ein­

gegangen bin.

Ich h atte in meinem Buche in dem K ap itel „die Berech­

nung des W ertes der U nternehm ung“ bereits d a ra u f hin­

gewiesen, d aß es nicht möglich wäre, den W e rt einer in­

dustriellen U nternehm ung zilferm äßig genau zu berech­

nen, und daß eine jede derartige B erechnung n u r immer als eine S c h ä t z u n g angesehen w erden könne. Im m er­

hin h atte ich als einen gangbaren Weg, zu einer möglichst richtigen Schätzung zu gelangen, d a ra u f aufm erksam ge­

m acht, daß m an den G e s a m t w e r t einer industriellen U nternehm ung e i n s c h l i e ß l i c h ihres stillen Ge­

schäfts- oder Firm enw ertes, in ähnlicher W eise berechnen könne wie den W e rt von bebauten Grundstücken. Bei diesen ist es üblich, den G rund- und Gebäudewert durch A bschätzung festzustellen und außerdem ihren X utzungs­

w ert zu dem jeweiligen landesüblichen Z insfüße zu k a p i­

talisieren. D er zu erm ittelnde Gesamtwert des bebauten

Grundstückes liegt alsdann in der M itte zwischen dem G rund- und Gebäudewert einerseits und dem k ap italisie r­

te n Xut zungswert anderseits. Diese meine dam aligen A us­

führungen beruhten noch a u f den A nschauungen der \ or- kriegszeit, d a die bisher erschienenen A uflagen meines Buches noch vor der H auptinllationszeit des Ja h re s 1923 von m ir v e rfa ß t w orden w a re n 2). Die erst nach Erschei­

nen der beiden A uflagen meines Buches sieh zur Höchst­

grenze entwickelnde Inflation und die verschiedenen seit­

dem eingetretenen neuen w irtschaftlichen K risen haben zur Folge gehabt, daß mein dam als gem achter V orschlag zur B erechnung des G e s a m t w e r t e s einer industriellen U nternehm ung überholt und heute nicht m ehr zweckdien­

lich anw endbar ist.

A u f die besondere Berechnung des „stillen Geschäfts- oder F irm enw ertes“ und a u f die „G oodw ill-Frage“ in meinem Buche näher einzugehen, h atte ich unterlassen, weil ich dam als schon in diesen F ra g en einen ablehnenden Stand­

p u n k t einnahm. D a in neuerer Z eit jedoch die Berech­

nung des „stillen G eschäftsw ertes“ 3) auch in der deut­

schen betriebsw irtschaftlichen L ite ra tu r eingehend behan­

delt w ird und ich der A nsicht bin, d aß hierbei einige wichtige grundsätzliche E rw ägungen nicht genügend be­

achtet werden, möchte ich meine ablehnende H altu n g in folgendem näh er begründen:

Der angelsächsische B e g riff des „G oodw ill“

Die sogenannte Goodwill-Frage, d. h. die F rage, wie hoch der W ert einer kaufm ännischen oder industriellen U nter­

nehm ung au ß e r aus ih ren gesam ten greifbaren und im ein­

zelnen verw ertbaren Aktiven, wie Grundstücke, Gebäude, Maschinen, M aterialien- und W arenvorräte, Außenstände, P atente, Konzessionen, Miets- und Paehtreehte, sowie ähn­

liches mehr, auch aus der H inzunahm e ih rer immateriellen Güter, wie günstige Lage, K undschaft, gute Organisation, guter R u f und ähnliches mehr, geschätzt werden soll, spielt vornehmlich in den angelsächsischen L ändern eine große Rolle. I n E ngland und in A m erika findet man häufig in den Gesehäftsbilanzen kaufm ännischer und in­

dustrieller U nternehm ungen den P osten „Goodwill“ unter den A ktiven der U nternehm ung besonders a u f geführt. Bei der großen Bedeutung, die der G oodw ill-Frage in den angelsächsischen L ändern beigelegt w ird, ist es selbst­

verständlich, daß sich dort auch eine um fangreiche Lite­

r a tu r über die Goodw ill-Frage entwickelt h at und zahl­

reiche englische u nd am erikanische Betriebswirtschafts- S chriftsteller sieh m it der Berechnung des Goodwillwertes eingehend beschäftigen.

W enn ich trotzdem h ier im folgenden a u f die Goodwill- F ra g e in den angelsächsischen L ändern nich t näher ein­

gehe, so geschieht dies vornehm lich aus dem G runde, weil der Begriff des „Goodwill“ u n d des ihm entsprechenden deutschen Begriffs des sogenannten „stillen Geschäfts­

w ertes“ oder auch „F irm enw ertes“ nicht ganz überein­

stimmen. W ährend in D eutschland zu dem sogenannten

„stillen Geschäfts- oder F irm en w ert“ n u r immaterielle G üter, wie die bereits vorerw ähnten, also m ehr oder m in­

der günstige örtliche Lage der betreffenden U nterneh­

m ung zu ihren Bezugsquellen und ihren Absatzgebieten, ihre K undschaft, ihre innere O rganisation, ih r weit ver­

breiteter g uter R u f, ihre besonderen Beziehungen zu Liefe­

re rn und A bnehm ern, geheime F ab rik atio n sv erfah ren und ähnliches m ehr, gerechnet werden, zählt m an in den angel-

3) So n e n n t d e r R eich sfin an zh o f d en F irm e n w ert.

17 4

(7)

sächsischen L ändern außer diesen im m ateriellen Gütern in vielen F ällen auch noch die in gewissem Grade materiellen Güter, wie P aten t- und Lizenzrechte, Konzessionen, H an ­ delsmarken, Schutzrechte aller A rt und ähnliches m e h r4) dem sogenannten „Goodwill“ hinzu. Trotzdem ist in den angelsächsiclien Ländern weder die W ertabschätzung des Goodwill noch seine einheitliche Begriffsbestimmung ein­

deutig g ere g e lt5).

D er „stille G eschäfts- oder F irm en w ert“

in Deutschland

Auch in Deutschland ist bereits eine sehr um fangreiche L ite ra tu r über den stillen Geschäfts- oder Firm enw ert und über seine Berechnung vorhanden, und es ist f ü r die Be­

deutung, die dieser F ra g e beigelegt wird, kennzeichnend, daß sich vor allem unsere hervorragendsten V ertreter der betriebsw irtschaftlichen L iteratur mit dieser F rage be­

schäftigen und das Problem der Berechnung des stillen Geschäftswertes zu lösen suchen. Dabei wird von einzel­

nen deutschen B earbeitern dieses Problem s bereits die F rag e erörtert, unter welchen Umständen es sich empfiehlt, ähnlich wie in den angelsächsischen Ländern den stillen Geschäftswert als Aktivum in den Jahresbilanzen der U nternehm ung aufzuführen 6).

Oie G esetzgebung

Das deutsche Handelsgesetzbuch enthält hierüber keine näheren Bestimmungen. Dagegen lä ß t das Steuerrecht bereits das Bestreben erkennen, den stillen Geschäftswert in die Steuerbilanzen einzubeziehen. Allerdings ist auch im Steuerreeht die F rage der Feststellung des stillen Ge­

schäfts- oder Firm enw ertes nicht eindeutig gelöst. Zwar sucht das Steuerrecht den „stillen G eschäftswert“ zu er­

fassen, jedoch haben selbst die V orschriften fü r die A uf­

machung der Steuerbilanzen, wie sie in der Reichs­

abgabenordnung und in dem Reiehsbewertungsgesetz ent­

halten sind, eine klare Lösung des Geschäftswertproblems noch nicht herbeigeführt. W ohl als eine Folge hiervon liegen bereits eine Reihe Entscheidungen von Oberlandes­

gerichten, Oberverwaltungsgerichten, des Kammergerichts und des Reichsgerichts vor, die sich m it der F ra g e der Aufnahm e des Geschäftswertes, d. h. von immateriellen W erten in die Bilanz und mit der F rage der Abschreibun­

gen au f diese immateriellen W erte in der Bilanz beschäf­

tigen 7).

Diese gerichtlichen Entscheidungen sind nicht einheitlich.

Sie beziehen sich durchweg auch n u r au f die F ragen der B ilanzfähigkeit im m aterieller W erte und au f ihre selbstän­

dige V eräußerlichkeit, beschäftigen sich jedoch in keinem einzelnen F alle mit der Abschätzung des W ertes der im m ateriellen G üter selbst. F a ß t m an den K ern xder ver­

schiedenen ergangenen gerichtlichen *Urteile kurz zusam­

men, so ergibt sich, daß wohl diejenigen immateriellen W erte m it ihrem • K aufpreise in der Bilanz der U nterneh­

mung besonders au fg efü h rt werden dürfen, fü r die der Erw erber der Unternehm ung an ihren bisherigen Eigen­

tüm er einen besonders vereinbarten K aufpreis bezahlt hat, also z. B. fü r das Recht, die bisherige F irm a der U nter­

nehmung in unveränderter Weise, ohne jeden Zusatz w eiterführen zu dürfen, oder z. B. f ü r den Erw erb eines Fabrikations-Geheim verfahrens und ähnliches mehr. Im ­ materielle G üter dagegen, f ü r die ein besonderer K a u f­

preis nicht besonders vereinbart und bezahlt worden ist,

dürfen auch nicht abgeschätzt und mit diesem Schätzungs­

werte in die Bilanz eingesetzt werden. Am bestimmtesten bringt dies die „Aktiennovelle“ (V erordnung vom 19. Septem ber 1931) in ihren V orschriften über die Ja h re s­

bilanzen der Aktiengesellschaften zum Ausdruck. Ih r

§ 261, Abschnitt 4, lautet:

„Für den Geschäfts- oder Firmenwert darf ein Posten unter die Aktiven nicht eingesetzt werden. Übersteigt jedoch die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung die Werte der einzelnen Vermögensgegenstände des Unter­

nehmens im Zeitpunkt der Übernalime, so darf der Unterschied gesondert unter die Aktiven aufgenommen werden. Der ein­

gesetzte Aktivposten ist durch angemessene jährliche Abschrei­

bungen zu tilgen“ .

Das Vorstehende ist auch verständlich, wenn man sieh klar macht, daß der W ert dieser immateriellen G üter ja bereits in dem E rtrag e der U nternehm ung ihren Ausdruck findet. Ohne die günstige örtliche Lage der U nterneh­

mung z. B., oder ohne ihre gute Organisation, ihren guten R uf, ihre ausgedehnte K undschaft usw. würde ja der E r ­ tra g der Unternehmung nicht so groß sein, wie er tatsäch­

lich ist. Dieser hohe E rtra g wird jedoch bereits bei der Abschätzung des Gesamtwertes der Unternehmung berück­

sichtigt und bildet einen der G rundpfeiler fü r die Bewer­

tung der Unternehmung. Wollte man unter A ußeracht­

lassung dieses Umstandes die in Rede stehenden immate­

riellen Güter außerdem noch mit einem Schätzungswerte in die Bilanz einsetzen, dann würde man eine Doppel­

bewertung vornehmen, die nicht zulässig ist.

Dies bringt auch Rehm zum Ausdruck, indem er s a g t:

„Der wirtschaftliche Wert der Kundschaft, des Geheimverfah­

rens eines ausgearbeiteten Projekts, zeigt sich in dem vermehr­

ten Absatz, der Wert eines Patentes in gleichem oder in einer Einsparung von Betriebsausgaben. Dasselbe gilt vom Kredit und anderem. Der Wert einer Eisenbahnkonzession erscheint in den Betriebseinnahmen. Bilanzmäßig kommt dies alles aber darin zum Ausdruck, daß der Kaufmann -wegen des vermehrten Absatzes ein größeres Warenlager und mehr Bargeld oder Effekten oder Wechsel und andere Forderungen besitzt. Bei Einsparungen an Geschäftsunkosten gehen weniger Werte aus seinem Vermögen hinaus. Mit ändern Worten: Der Wert aller"

derartigen Güter tut sich schon in ändern, in der Bilanz ent­

haltenen Aktiven kund. Wollte man sie selbst noch ins Aktivum bringen, so würde eine D o p p e l b e w e r t u n g statt­

finden, und eine solche ist durch HGB § 40 verboten, indem nach ihm alle Vermögensgegenstände nicht über ihren wirk­

lichen Wert angesetzt werden dürfen. Die nicht greifbaren Vermögensgegenstände sind b i l a n z f ä h i g , wenn für ihren Erwerb oder ihre Herstellung (z. B. Akquisition der Kund­

schaft) A u f w e n d u n g e n gemacht wurden. Dann haben sie einen nicht schon in ändern Vermögensgegenständen mit dargestellten Wert. Verursachte eine Erfindung einen Ver­

suchsaufwand von 50 000 oder wurde die Erfindung für diesen Preis käuflich erworben, so darf ein Patentkonto mit 50 000 als Aktivum in der Bilanz erscheinen. Nur die ohne allen Aufwand von Geldwerten erworbenen immateriellen Güter, die selbstgewählte Firma, das selbsterworbene Benomme des Ge­

schäftes, die ohne alle Experimentierkosten erfundene Fabri­

kationsmethode, die selbstentdeckten Bezugs- und Absatzquellen dürfen nicht als besondere Aktiva in die Bilanz Aufnahme finden“ 8).

Die vorstehenden A usführungen von Rehm sind allerdings inzwischen bereits zum Teil überholt worden. W ährend Rehm z. B. P atente, Eisenbahnkonzessionen usw. ge­

wissermaßen zu den immateriellen W erten zählt, die nicht in die Jahresbilanz hineingehören, zählt die schon weiter vorerwähnte „Aktiennovelle“ diese W erte m it Recht zu den m ateriellen W erten, wie Grundstücke, Gebäude, M a­

schinen usw. I h r § 261 a la u te t:

175

(8)

„In der Jahresbilanz s i n d ...folgende Posten gesondert auszuweisen:

A. A uf der Seite der Aktiven:

1...

2

...

3...

4...

5. Konzessionen, Patente, Lizenzen, Marken- und ähnliche Rechte.

Die B e griffsbestim m un g in d e r L iteratu r

D urchforscht m an nun die deutsche L iteratur, die sich m it dem stillen Geschäfts- oder F irm enw ert beschäftigt, so findet m an zunächst, daß sich unsere angesehensten Be­

triebsw irtschafts-S chriftsteller in der Begriffsbestimmung, was u nter dem „stillen Geschäfts- oder F irm enw ert“ einer U nternehm ung zu verstehen ist, einig sind, wenn sie auch ihre A nsicht in verschiedenartiger W eise zum Ausdruck bringen.

So sagen z. B., um hier n u r einige A usführungen als die hervorragendsten aus der B etriebsw irtschafts-L iteratur herauszugreifen:

A u le r :

Der Unternehmungsmehrwert tritt uns als Vorteil der bereits bestehenden Unternehmung gegenüber der Neugründung in vielfältiger Form entgegen. Einrichtung und Verwaltung — insbesondere gute Leitung — langjährige Erfahrungen, ge­

schultes Personal, Kapitalform und soweit vermögensrechtliche H aftung von Gesellschaftern in Frage kommt, deren günstige Vermögenslage, geheime Erzeugungsverfahren, Monopolstellung durch Konzessionen, Patente, Marken-, Musterschutzrechte u. a.

Rechte, Zugehörigkeit zu Kartellen oder Interessengemeinschaf­

ten, persönliche Beziehungen des Unternehmers zu einfluß­

reichen Stellen, anhängliche Kundschaft, gesicherte Absatz­

verhältnisse, guter Ruf der Firma, günstiger Standort der Unternelrmung, alles das sind Imponderabilien, die auf den Ertrag einwirken und den Wert der Unternehmung als W irt­

schaftseinheit zu erhöhen vermögen 9) . Goedecke:

Der Firmenwert stellt gewissermaßen die Seele des Geschäfts dar; er entspricht einem Überertrag über die Zinsen des Neu­

wertes, neben glücklichen Umständen vornehmlich herrührend - aus dem Zusammenstimmen von Menschen und Maschinen 10) . An einer anderen Stelle sagt Goedecke dann weiter: Der Er­

tragswert eines Unternehmens ist dessen Wert in Rücksicht auf den Ertrag, und in dem besonderen Fall, daß der Ertrags­

wert gleich dem Verkaufswert oder dem gemeinen Wert sein soll, ist er gleich einem Kapital, das sich als Summe der auf

heute diskontierten zukünftigen Einnahmen und sonstigen aus dem Unternehmen zu ziehenden Vorteilen e r g ib t11).

L eitn er:

Der Geschäfts- oder Firmenwert ist ein immaterieller Ver­

mögenswert, ein Mehr über den Wert des Sachvermögens; er entsteht durch Versachlichung der Kenntnisse und Erfahrun­

gen der Unternehmertätigkeit im Betriebe und ist mit der Substanz der Produktionsmittel übertragbar 12) .

M ellero w icz:

Der immaterielle Geschäftswert haftet dem Unternehmen an;

es ist das Mehr an Wert, das eine Unternehmung außer dem reinen Sachvermögen besitzt. —

Der gute Ruf einer Firma ist so recht der Inbegriff des ideellen Geschäftswertes, der darum oft auch als Firmenwert bezeichnet wird 13) .

R ech tm a n n :

Der Geschäftswert ist der Gesamtwert der einzelnen Ver­

mögensteile als Bestandteile eines organisierten und in den Markt eingeordneten Unternehmens, also der Wert der Unter­

nehmung im ganzen, vermindert um die Summe der als isoliert gedachten Einzelwerte 14) .

Schubert

schließt sich zunächst der im V orstehenden bereits an­

geführten B egriffserklärung von R echtm ann an, führt dann aber w eiter aus:

„Doch mit einer so einfachen Begriffserklärung ist auf dem durch vielseitigste Verschlingungen der einzelnen Unterbegriffe ausgezeichneten Gebiet der Wertung (Taxation) nicht viel an­

zufangen. Klarheit können wir nur dann erlangen, wenn wir uns grundsätzlich von den Werten und Wertbegriffen frei machen, die der Kaufmann in seiner Bilanz zu verwenden be­

liebt, und wenn wir uns nicht nur auf den Standpunkt stellen, der bei der s t e u e r l i c h e n Wertermittlung einzunehmen ist, sondern auch auf den, der für die Wertung bei einer E n t ­ e i g n u n g angenommen werden m uß: also auf den Stand­

punkt der Ermittlung des Gemeinen Wertes der Unternehmung, d. h. des Wertes, den sie als Ertragsquelle für alle die hat, die sie in gleicher Weise nutzen w ollen16).

A n einer anderen Stelle sagt dann Schubert in ähnlicher W eise wie „A uler“ :

Als wertbildende Elemente des Geschäftswertes werden in der Regel gute Beziehungen, treue Kundschaft, gute Organisation im Einkauf, Erzeugung und Absatz, Kenntnisse der Bedürf­

nisse der Kundschaft, Reklame, guter Ruf der Firma, bewährte Fabrikationsmethoden, Patente, gute Rezepte und dgl. mehr angegeben. Im Grunde genommen sind es aber v i e r E l e ­ m e n t e , ohne die sich ein Geschäftswert überhaupt nicht bilden kann: B e s i t z , K a p i t a l , m e n s c h l i c h e A r ­ b e i t und ein A b s a t z m a r k t 16).

L i t e r a t u r v e r z e i c h n i s

1) A x e r , E r n s t : „ P e r V e r k a u fsw e r t in d u str ie lle r U n te rn eh m u n g en u n te r b eso n d erer B e r ü c k s ic h tig u n g d es id ee lle n F irm en w ertes (G ood ­ w i l l ) “ , B e r lin 1 9 3 2 ( V e r la g G eorg S ie m e n s ) ; vgl. a u ch T ech n . u.

W ir tsc h . B d . 25 (1932) S. 119.

2) 1 . A u fla g e , v e r fa ß t 1 9 1 9 , e r sch ien en B e r lin 1 9 2 0 ; 2 . A u fla g e , v e r ­ f a ß t 1 9 2 2 , e r sch ien en B e r lin 1 9 2 3 .

4) M ild e ir a th , G e o r g : „ D ie th eo retisc h e n G ru n d la g en u n d d ie p ra k ­ tis c h e B e h a n d lu n g d es G ood w ill in den a n g elsä ch sisch en L ä n d e r n “ ( D is se r ta tio n , G ieß en , 1 9 3 1 , S. 9 ff.)

5) M ild e b r a th a. a. 0 . S. 1 6 ff.

6) B e r lin e r , M a n f r e d : „ V e r g ü tu n g fü r d en W er t d es G e sc h ä fts bei d esse n Ü b e rg a n g in a n d e re H ä n d e “ , H a n n o v e r u n d L eip z ig , 1 9 1 3 , S. 22 ff.

1) S c h r e ie r , J o h s .: „ D e r G e sc h ä ftsw e r t“, H a m b u rg , 1 9 2 8 , S. 5 2 ff u n d S. 1 3 0 ff.

8) B e h m , H e r m a n n : „ D ie B ila n z e n d er A k tie n g e se llsc h a fte n u s w .“ . 2. A u fla g e , B e r lin u n d L eip z ig , 1 9 1 4 , S. 1 5 ff.

9) A u le r , W ilh e lm : „ D e r U n te rn eh m u n g sm eh r- u n d -m in d e rw e rt in der B ila n z “ in d er „ Z e itsc h r ift fü r B e tr ie b s w ir tsc h a ft“ , B e r lin , 4 . J a h r g a n g 1 9 2 7 , S. 6 5 5 .

10) G o ed eck e , O. H .: „ G e m ein er W er t, A k tie n w e r t u n d S teu erw er t von U n te r n e h m u n g en " in „ T e c h n ik u n d W ir tsc h a ft“ , M o n a tsch rift des V erein es d eu tsc h e r I n g e n ie u r e , B e r lin 1 9 2 7 , H e f t 1 2 , S. 3 2 9 . 11) G o ed eck e , O. H .: „ S a c h w e r t u n d E r tr a g sw e r t n e b st B a u k o n tier u n g u n d A b sch re ib u n g v o n W e r k e n m it B e tr ie b s n e tz e n “ , M ü n ch en 1917, S. 1 4 0 .

12) L e itn e r , F r ie d r ic h : „ W ir tsc h a fts le h r e d er U n te r n e h m u n g “ , 5. A u f­

la g e d er P r iv a tw ir ts c h a ftsle h r e , B e r lin 1 9 2 6 , S. 1 8 7 .

13) M e llero w icz, E o n r a d : „ G r u n d la g en b e tr ie b sw ir ts c h a ftlic h e r W er­

t u n g s le h r e “ , B e r lin , 1 9 2 6 , S. 1 4 4 u. S. 1 4 5 .

14) R e c h tm a n n , E d u a r d : „ D ie B e h a n d lu n g d es G e sc h ä ftsw e r te s der U n te rn eh m u n g en in d er B ila n z “ in d er „ Z e itsc h r ift fü r h a n d e ls w iss e n ­ s c h a ftlic h e F o r sc h u n g “ , L eip z ig , 2 0 . J a h r g a n g , 1 9 2 6 , S. 1 0 6 . 15) S c h u b e r t, A . A . : „ B e r e c h n u n g d es G e sc h ä fts w e r te s “ in d er Z eit­

s c h r ift f ü r B e tr ie b s w ir tsc h a ft, B e r lin , 4 . J a h r g a n g , 1 9 2 7 , S. 6 1 0 . 16) S c h u b e r t, A . A . : „ B e r e c h n u n g u n d V e r te ilu n g d es G e sc h ä ftsw ertes beim A u ssc h e id e n e in e s G e se llsc h a fte r s“ in „ J u r is tis c h e W o c h en sch rift O rgan d es D e u tsc h e n A n w a ltv e r e in s “ , H e f t 1 0 , 1 9 2 8 , S. 5 9 8 .

(Fortsetzung folgt.)

1 7 6

(9)

I Vertriebsorganisation und Vertriebstechnik im deutschen Gasfach

Von Direktor W. A. FRANKE, Berlin

Durch einheitliche, in der „Zentrale fü r G asverw er­

tung e. V .“ zusam m engefaßte G em einschaftsarbeit aller am G asfach interessierten W irtsch aftszw eige, d. h. der G aswerke, der G erätefabrikanten, des H an d­

w erks und des Einzelhandels, sind W erbung und V ertrieb im großen S til und m it bestem E rfo lg f ü r die A bsatzsteigeru n g organisiert.

Gliederung des Gasfachs

D as Gasfaeh tr itt am deutschen M arkt als V erkäufer des Gases und seiner N ebenprodukte und als V erkäufer der zugehörigen Geräte fü r die V erfeuerung des Gases auf.

E s ist in sich gegliedert in Gaswerke, G erätefabrikanten, Installateure und Gerätehändler.

Die G a s w e r k e sind teilweise in P rivathand ( 1 2 % ) , teilweise gem ischtwirtschaftlich finanziert (8 % ), größ­

tenteils jedoch im Besitz der öffentlichen H and (rd. 80 % , deren V erw altungsform en allmählich immer mehr den privatw irtschaftlichen angeglichen werden, auch wenn privates K a p ita l dabei nicht investiert ist). Alle Gas­

werke sind Inhaber von Lieferungsrechten bzw. S traß en ­ benutzungsrechten f ü r den G astransport, die ihnen ent­

weder unm ittelbar verliehen sind, oder die sie als K on­

zessionsbetriebe fü r kürzere oder längere Zeit gegen Ab­

gaben erhalten haben. Man nennt sie dieserhalb auch gelegentlich M onopolinhaber. D aß und inwieweit dies falsch ist, wird später zu erörtern sein.

Die G a s g e r ä t e f a b r i k a n t e n sind nur zum gerin­

gen Teil a u f Gasgeräte spezialisiert. In der Mehrzahl der Fälle werden Gasgeräte von solchen Firm en geliefert, die ganz allgemein H erde oder Badeöfen bauen und nach W ahl des K unden fü r die Beheizung mit festen Brennstoffen, mit Gas oder E lektrizität einrichten. Einige liefern auch Konstruktionen, die mit flüssigen Brennstoffen beheizt werden. Besonders deutlich tr itt diese Kom bination bei der H erstellung gewerblicher und industrieller F euer­

stätten hervor, wo sie sich teilweise sogar als konstruktiv störend erweist. Die Betriebsform der Gasgerätehersteller ist z. T. kaum über das M aß eines Handwerkbetriebes hinaus entwickelt, meist gehören sie den m ittleren F a b ri­

kantenkreisen an, nur einige sind ausgesprochene G roß­

betriebe.

Die I n s t a l l a t e u r e nehmen u nter den H andw erkern insofern eine besondere Stellung ein, als sie verhältnis­

m äßig häufig Ladengeschäfte betreiben; das Schwerge­

wicht der Tätigkeit bei großen Betrieben liegt in der Regel im K onstruktions- und Baubüro. Die K reise des E i n z e l h a n d e l s , die sich mit dem V ertrieb von Gas­

geräten befassen, sind beschränkt. Die E igenart des Ge­

schäfts bringt dies mit sich, denn n u r wenige Gasgeräte sind ohne weiteres über den Ladentisch verkäuflich; die meisten bedürfen der Installation. Ansätze des Einzel­

handels, das Gasgeschäft durch Hinzunahme der In stalla­

tionstätigkeit zu erweitern, sind vereinzelt geblieben. Denn die handwerkliche F acharbeit lä ß t sich in die V ertriebs­

organisation und die K alkulationsverfahren des Einzel­

handels n u r schwer einfügen.

V ertrieb der N ebenprodukte

Das S c h w e r g e w i c h t d e r V e r t r i e b s i n t e r ­ e s s e n liegt naturgem äß bei den Gaswerken, deren Um­

sätze vorsichtig a u f jährlich rd. 600 Mill. RM geschätzt w erden können gegenüber einem Umsatz von rd. 60 Mill.

RM bei der G asgerätö-Industric.

V orab sei kurz die Regelung des sogenannten N e b e n - p r o d u k t e n m a r k t e s gestreift, der zwar f ü r die Gas­

werke von großer Bedeutung ist, weil er ihre tarifliche Beweglichkeit und die Erzeugungs- und V ertriebstechnik f ü r das H au p tp ro d u k t Gas entschieden mit beeinflußt, aber im Rahmen dieser Betrachtung doch etwas abseits liegt. Das wichtigste Nebenprodukt ist G a s k o k s , der M arkt d afü r ist durch die W irtschaftliche Vereinigung deutscher Gaswerke Gaskokssyndikat A.-G. geregelt. Die aus dem Kohlenwirtschaftsgesetz entwickelte Regelung sieht vor, daß jedes Gaswerk n u r innerhalb seines V er­

sorgungsbezirks Gaskoks frei vertreiben darf. W as dort nicht abzusetzen ist, w ird von der W irtschaftlichen V er­

einigung bzw. dem Gaskokssyndikat übernommen und fü r solche W erke bereitgehalten, deren Gaskokserzeugung für den B edarf nicht ausreicht. Geringe Koksmengen werden auch im freien V erkehr der W erke untereinander gehan­

delt, beachtliche Q uantitäten vom Gaskokssyndikat ins Ausland abgesetzt. Im wesentlichen dient das Gaskoks­

syndikat dazu, den M arkt zu regeln, regionale K onkurrenz­

verschärfungen zu vermeiden und namentlich während der Zeit geringeren B edarfs (Sommer) fü r einen möglichst gleichmäßigen Absatz zu sorgen. Das Syndikat bemüht sich darum, den Gaskoks durch U nterrichtung der W erke und K ontrolle der zu übernehmenden Mengen qualitativ zu verbessern und namentlich auch hinsichtlich der Sor­

tierungen au f einen günstigen m arktfähigen Stand zu bringen. Dazu bietet es den W erken Reklameberatung und Reklamematerial. Ausgezeichnete V ertriebserfolge sprechen fü r die Richtigkeit der Methode: noch im Jah re 1931, ja bis in die letzten Monate hinein hat der Gaskoks so glatten Absatz gefunden, daß oftm als Mangel an W are verzeichnet werden mußte, während beispielsweise am Zechenkoksmarkt teilweise außerordentliche Absatzschwie­

rigkeiten auftraten.

Das zweite Nebenprodukt, T e e r , wird ebenfalls durch die W irtschaftliche Vereinigung deutscher Gaswerke be­

w irtschaftet, wenigstens soweit es sich um überschießende Mengen in den einzelnen Erzeugungsbezirken handelt.

H ierfü r liegt der sogenannte Teervertrag vor, nach dem die anderweit nicht unterzubringenden Mengen von den Rütgerswerken zur W eiterverarbeitung übernommen wer­

den. Der rückläufigen Bewegung am Teerm arkt h at man im Rahmen dieses V ertrages nicht vollkommen E inhalt

Anzahl der Betriebe Gaserzeugung in m 3

Jahr 1882 ! 1907 i 1913 i 1929 Jahr

I BTWBZl I 1 8 8 2 :9 0 0 Mill.

A b b 1. Entw icklung d e r A nzahl d e r W e r k e und Ih re r G ase rze u g u n g von 1 8 8 2 bis 1 9 2 9

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