XVIIL Jahrg. Berlin,den13.August1910. Ye.46.
Herausgehen
Maximilian Hardew
Inhalt :
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Seite
Gespenster..............................205
Devslfeger. Von-Wilhelm Schmidtbonn ..............221
Vvika.«VonOrla Holm .............·.........225
Goldschuktpvliiikr. VonFr ankWeil..·.·..............231
Riederdeukfclxe Dankt vonc a d on ...................241
Unchdruckverboten.
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Erscheint jeden Sonnabend.
Preisvierteljährlich 5 Mark, die einzelneNummer 50Pf.
Berlin.
Verlag der Zukunft.
Wilhelmstraße"3a.
1910.
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Berlin, den 13.August 1910.
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Gespenster.
mneunundzwanzigsten Juni 1868hatte Pius derNeunte dierömischenVischöfedesErdrundes zumKonzileingela- den.DieBulle, die aus derOikumene nachRom rief,war aufden meisten Staatshöhen zunächstfastunbeachtet geblieben-JmLauf desWinters überzeugthnazDöllingerdenbayerischenMinister- präsidenten Fürsten Chlodwig zuHohenlohe-Schillingsfürst, daß derbedrohteStaat sichfrüh zurAbwehr rüsten müsse.Der soeben fürLebenszeitindenNeichsrath berufene Stiftspropstvon Sankt Kajetanverfaßtdas NundschreibemdasHohenlohe unterzeichnet undamneunten April1869an dieVayerischenGesandtschasten verschickt. »DieFragenachderUnsehlbarkeitdesPapstes reicht weitüber dasreinreligiöseGebiet hinausundist hochpolitischer Natur,dahiermit auchdie Gewalt derPäpsteüber alleFürsten undVölker, auchdiegetrennten,inweltlichen Dingen entschieden undzumGlaubenssatz erhobenwäre.«Vayerns Gesandte sollen dieRegirungen, bei denen siebeglaubigt sind, fragen,obihnen nichteinegemeinsame Verwahrung gegensolcheBeschlüssenöthig scheine,,,dieeinseitig, ohne Zuziehungder Vertreter der Staats- gewalt,ohnejede vorhergehendeMittheilung,überstaatskirchliche FragenoderGegenstände gemischterNatur vondemKonzilium gefaßtwerden möchten.«Gohenlohesprachundschriebindieser Zeitnur, was ihm Döllinger soufflirteunddiktirte.) GrafBray bringtausWien denerstenKorbheim. Beust verwirftdenPro- testgedanken.Diebloße,nochnichtbegründbareBermuthungeiner
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206 DieZukunft.
Gefahr könne imdiplomatischenVerkehr nichtzu einerAbwehr treiben ;erstwenndasOekumenische Konzil sich,,wirklichanschicke, in dieRechtssphärederStaatsgewalt überzugreifen«,könneman Kollektivschritteerwägen.Döllingerwüthet.»Auch derAnsichtdes HerrnvonBeustwäre zubesorgen, daßeinzeitigesHervortreten derRegirungen eherermuthigend aufdie ultramontane Partei wirken undsieinRom zuentschlossenemFortschreitenaufderbe- tretenen Bahn bestimmen möchte.Dagegenistaber zuerinnern,daß dieRömischeKuriesich seitJahrhunderten durchdasMotiv der Furchtleitenläsztundalsbald zurückzuweichenodereinzuhalten Pflegt,wosie auf energischen Widerstand stößt,ganz besonders dann,wenn dieser Widerstand einkombinirter mehrerer Mächte wäre.« Vergebens. AuchBismarck hatsia einstweilen nichtge- rührt;hat,alsderruhloseEhrgeiz Harrys vonArnim,der Preußen imVatikan vertritt, einen frühen Eingriff empfahl, geantwortet, Preußenwerdegelassenabwarten,wasdasKonzil beschließe.Drei Wochen danach schreibteranArnim,die,,Kundgebungder Ne- girung, Uebergriffe nichtdulden zuwollen, kann,als heilsame Mahnung undWarnung,auchimVoraus nützen«;denninRom solle offenbar ,,überdas Verhältniß zwischenStaat undKirche mitdemAnspruch verhandeltwerden,bindende Normen aufzu- stellen, ohnedenbeidiesen Dingen interessirtenStaat alsgleich- berechtigtenFaktor zurBerathung zuziehen«.Daderösterreich- ische Kanzleraber für gemeinsamesHandelnnichtzuhaben ist, müssedieSache ruhen;,,selbständigvorzugehen, sehe ich nichtals unseren Beruf an,undwenn diekatholischen Negirungen nicht vorgehenwollen, sobleibtfüruns nichtsAnderes übrig,alsdem dendeutschen Episkopat beseelenden Geistzu vertrauen undihn durchdieVersicherungzustärken,daß,solange undso weiterselbst eswolle,eraufuns rechnenkönne «. AmzwölftenJunibespricht ermitHohenlohe(deralsBicepräsidentdesNorddeutschenNeichs- tagesinBerlin ist)und mitdemWürttembergerVarnbüler die römischenPläne. SchonalserArnims Vorschlag,Oratores ins Konzilzuschicken,ablehnte, haterdieAbsichtangedeutet,inGe- meinschaftmitdensüddeutschenNegirungen »Einwirkungen auf die Kurie zuversuchen, welcheihrdieGewißheitgebenwürden, daß siebei etwabeabsichtigtenAusschreitungeneinementschiede- naniderstand derdeutschenNegirungen begegnenwerde«.Jm
Gespenster-· 207 Garten desKanzlerhauseswirderdeutlicher.Bayern soll ,,einen Reisenden vonDistinktion« nachRom schicken,der dortnur als offiziösBevollmächtigter austreten dürfe,alsKreditiv aber die Note derdeutschenRegirungen vorlegen müsse.Dieser Gesandte, heißtsinAbekens Promemoria, ,,würde nichtimNamen Vayerns sallein, sondernimNamen aller deutschenRegirungenzusprechen haben,deren Vetheiligung an diesem Schrittdurch besondere Schreibenzukonstatiren sei«.LudwigderZweitehatZweifel;in einem Marginalreskript sagter: »DieAbordnungeinesAgenten ohneKreditiv,jedochmitderBestimmung,imNamen sämmtlicher deutschenRegirungen zusprechen, scheintmirgegenüber derbis- herigen Ablehnung gemeinschaftlichen Handelns und derver- schiedenenStellung der Negirungen nicht recht ausführbar—.«
Doch dürfederMinisterpräsident,wenns ihn nothwendig dünke, spezialisirteVorschläge machen.JmAugust hatHohenloheden fürdieheikle Mission tauglichenMann noch nichtgefunden.Die Hauptsätzeaus Bismarcks Antwort auf diese (schon rechtmüde klingende)Mittheilung: ,,JnRom giebteseinePartei, welche mitbewußterEntschlossenheitdenkirchlichenundPolitischenFries denEuropas zustören bestrebt ist,inderfanatischen Ueberzeu- -gung,daßdieallgemeinenLeiden,welcheausZerwürfnissenher- vorgehen,das AnsehenderKirche steigern werden, anknüpfend an dieErfahrungen von 1848undaufdiePsychologische Wahr- heit fußend, daßdieleidende MenschheitdieAnlehnung andie Kirche eifriger suchtals dieirdischbefriedigte.DerPapstindessen sollangesichtsdesWiderstandes, dersichinDeuts chland ankündet, bedenklicherunddemEinfluß jener Partei wenigerzugänglich geworden sein.«Jm SeptemberkonferirtDöllingerinHerrnsheim mitdemVischofDupanloup von Orleans und demLordActon;
und schreibtdann anHohenlohe,erwissenun vonDupanloup,
»daßdieZahlderVischöfe,diedenrömisch-jesuitischenPlänen sentgegentreten wollen,dochbedeutend größer ist,als ichzuhoffen wagte; ermeint aber,diedeutschenVischöfewerden berufen sein, denAusschlagzugeben«. Gustav Hohenlohe,derKardinal und Jesuitenhasser, möchtedenBruder Ehlodwigins Feuerhetzen.
Warnt ihn vorDupanloup undschildertdasganzerömischeTrei- benals eineJntriguenkomoedie derBäterJesu,denen er»falsche -Moral« und »Gottlosigkeit«vorwirft. ,,Pius derNeunte muß
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208 Die Zukunft.
vollständigisolirkbleiben ;deshalbhetzen sie ihn ausgegenalle Regirungen, damit er,allenRegirungen verfeindet,niemehr auf«
einengrünenZweigkomme.VielleichtbesinntsichderHeiligeVater noch.Dochzweifleichdaran. BeiallemRespektfürdasOberhaupt derKirchewird mein Gehorsam auseinehast-teProbegestellt.«
WeilGustavmitHerrnvon Sigmund nicht zufrieden ist, schickt EhlodwigdenMißliebigen nachHollandundersetzt ihnin Rom durchdenGrafen Tauffkirchen Am elftenNovember erscheint Dupanloups »Lettreauclergedesondiocese relativement å la defini- tiondePinkallibilitåau prochainconcjle«. DreizehnTagedanach- wirdinBayern einneuerLandtag gewähltund Ehlodwig(dersich ebenerst gerühmt hatte,allenichtvondenJesuiten beherrschten Katholiken für sichzuhaben)vonsderPartei, dieerultromontan nennt,so hart aufs Haupt geschlagen, daszerseineEntlassunger- bittet. Erbleibt,weils derKönig wünscht;wird aberdurch die«
Mißtrauensvota,dieimReichsrath Freiherr vonThüngen,in der Kammer derAbgeordneten Edmund Jörg begründetunddie mitstarkerMehrheit angenommen werden,zumNücktrittgezwuns gen. AmsiebentenMärz1870wird ihmderAbschied gewährt.
Vorher hatteHerzogKarlTheodor inBayern »dieNothwendig- keit derWiederherstellungeinesganzDeutschlandumfassenden nationalen Bandes« betont undderJesuitPerrone dasschema deecclesiaChristi veröffentlicht,dasdenpäpstlichenAnspruchauf dasOberhirtenamt, aufdieHerrschaftüberFürstenundVölker erneute. National oderultramontan? Solautetenun dieFrage- AmTagvor Hohenlohes Entlassungwar demKonzilder Artikel vorgelegt worden, derdenPapst für unfehlbar erklärte (und fürdessenBerathung dieMehrheit balddanachdiePriori- tätforderte).Bruder Gustav stöhnt:»StupiditätundFanatismus reichensichdieHand, tanzendieTarantella undmachen dazueine- Katzenmusik,«daßEinem HörenundSehen vergeht.DerBischof- vonMainz (Ketteler), fürchteich, führtdiedeutscheMinorität in einen Ehausseegraben;erbestichtdieHerrendurchsein Schimpfen gegenRom undso weiter,aberhinterdemRücken agitirtergegen sieunddiegutenHerren glauben ihm aufsWort. «Derbayerische Planistversickert,seitEhlodwiginschmale Minderheit gedrängt ward;unddeneinzelnenDiplomaten, diedemKardinal-Staats- sekretärdieBedenken ihrerRegirungenandeuteten, hatAntonelli
Gespenster-. 209
höflichgeantwortet, dasOekumenischeKonzil sei völlig frei,keiner Einwirkung zugänglich,derPapstselbstwissenicht,wasdortbera- thenundbefchlossenwerde,undbegreifedeshalbnicht,wiedraußen jetztBedenken entstehenkonnten. JnBerlin aberdonnerts fchon :leise. Augustakannnichtfassen,daßOlivier unddieOeffentliche
"MeinungFrankreichsMänner vomSchlageMontalemberts und Dupanloupsnichtunterstützen.DerKönigwiederholtgläubig,was ihmArnim berichtet hat.VennigfenundLöwescheltendieUltra- montanen, dieman mit allenStaatskräften bekämpfen müsse.
ChlodwigerklärtJedem,dershörenwill,seitderEncyklikaGregors des Sechzehnten,inder dieForderunggesetzlichverbürgterGe- wiss ensfreiheitals dieFrucht absurdenJrrglaubens undWahn- sinns bezeichnet werde,undseitderDezemberencyklikaaus dem Jahr 1864,diebestritten habe, daßderPapst jedie modernen Gedanken, denLiberalismus undFortschrittbilligenkönne, sei er, eindemRömerbekenntnißtreuerMann,derKirche entfremdet.
Bismarck stöhntundschimpftnicht. ,,WirgebenkeinerleiVefürch- jungen Raum, weilwirdieGewißheit haben, aufdemFeldeder Gesetzgebung,unterstütztvonderMachtderOeffentlichenMei- nung unddemausgebildetenstaatlichen BewußtseinderNatiom die Mittel zufinden,um jede Krisiszu überwinden unddie geg- vnerischenAnsprücheaufdasMaßzurückzuführen,welchessichmit unseremStaatslebenverträgt.«Sosprichterzund hörtohneWank dieBerichteausRom. Dahaben, seitdemachtenDezembertagzdie Konzilskongregationen fleißig gearbeitet.Das Konzilwährt zehn
·Monate,hatabernurvieröffentlicheSitzungenzinderviertenwird,
am achtzehntenJuli 1870,dieUnfehlbarkeitdesPapstes mit533 igegen 2Stimmen angenommen. Wer nicht zustimmenwollte(im Konzilwaren anfangs764Stimmen vertreten), hat sichderPflicht entzogen. Gustav Hohenlohe schreibt: »DieBischöfeder Mino- ritätfindgestern abgereistoderreisen heuteundhabeneinenPro- testeingesandt Jchbinnichtganzwohlundgeheauch«nichtindie Sitzung« FortanistderPapst,wieLaynez,Bellarmin undan- derekluge SchülerdesgroßenJgnatius längstforderten,auchohne Zustimmungvon KonzilundKircheunfehlbar(»exSesenqdnautem
exconsensu ecclesiae«).ZweiMonate danach aber, durchden
EinmarschderSavoyertrupven inRon1,derweltlichenHerrschaft beraubt. Das Konziltagtenoch,alsdiemeisten deutschen Vischöfe
"210 - DieZukunft.
inFulda erklärten,das neue Glaubensgesetz seialsdieBestäti- gung alten Zustandsrechtes hinzunehmen. Auch BischofHefele vonNottenburg, aufdenDöllinger gehofft hatte,unterwarf sichin löblicherDemuthdemDogma,demnurdasHäufleinderAltkatho-- likenFehde schwor. Bismarck standgegenFrankreichimFeldund hattedieMöglichkeit deutscherEinungzubesinnen.Zeigte sich denRömern aberfreundlichundsagtedemKardinalBonnechose, wenn manauch Protestanten nicht zumuthen dürfe, fürdenPapst indieSchlachtzuziehen, so hoffeerdennoch,demStatthalter Petriwieder zuMachthelfenzu können.DieJnfallibilität schreckt ihn nicht; daß siedenpreußisch-deutschenKirchenstreitbewirkt habe, leugneterbisan seinLebensende. »Wenn ich michkon- fessionelloderdoktrinärindiesenStreit hätte hineinziehen lassen, dann verdiente ich nichtdas Vertrauen meiner Landsleute in derdochgewißvon konfessionellenAnsichten nothwendigfreien Stellung,in derichbin.JchhabedieBeschlüssedesBatikanischen Konzilsalsdogmatische Frage innerhalb derKatholischen Kirche- angesehen,mitder wiruns abzufindenhaben würden,wenn sie sichirgendwieinFragen der inneren Politikbeiuns übersetzteund datstelltes«Optimafidesprachersnoch1887.Jn seinem Bucher- wähnter,daßerinversailler Gesprächenmitden Kardinalen BonnechoseundLedochowskiverheißenhabe, fürdieterritorialen InteressendesPapstes einzutreten, wenn Pius aufdiefranzö- sischeGeistlichkeit ,,imSinne desFriedensschlusses«einwirken wolle ;ohne diesesZugeständnißkönneerdieBerstimmung der deutschen Protestanten undder italienischen Nationalpartei, die seinEintreten fürdieRückgabeRoms an denPapst empören würde,nichtaufsichnehmen.Das Vaticanum, meint er,hätteihn nicht ernstlich gestört.»Ichbin inkonfessioneller Beziehung jeder Zeit tolerantgewesenbiszu denGrenzen,diedieNothwendigkeit desZusammenlebens verschiedenerBekenntnisseindemselben staatlichenOrganismus denAnsprücheneinesjeden Sonderglau- benszieht.DietherapeutischeBehandlungderKatholis chenKirche ineinemweltlichenStaat istaber dadurch erschwert, daß diekatho- lische Geistlichkeit,wenn sie ihrentheoretischenBerufvollerfüllen will,über daskirchlicheGebiet hinaus denAnspruch auf Betheili- gung anweltlicher Herrschaftzuerheben hat,unter kirchlichenFor- men einepolitischeJnstitution istundaufihreMitarbeiter dieeigene
Gespenster. 211
Ueberzeugungüberträgt,daßihreFreiheitinihrerHerrschaftbesteht unddaßdieKircheüberall,wosienichtherrscht,berechtigtist,überbio- kletianische Verfolgungzuklagen«.Ermeinte, erweisenzukönnen, daßam pariserHof ,,jesuitischeEinflüssedeneigentlichenAus- schlag fürdenkriegerischen Entschlußgaben,der demKaiserNas poleonsehr schwerwurde und derihn fastüberwältigte,so daß eine halbeStunde dortderFriede fest beschlossenwarunddieser Beschlußdurch Einflüsseumgeworfen wurde,deren Zusammen- hang mitdenjesuitischenPrinzipienunbestreitbaris «.Undgerieth inHitze,wenn behauptet ward,ohneJnfallibilitäthätteeskeinen z,Kulturkampf«gegeben. JhmwarseinKampf,»derJahrtausende altist,der inseinenAnalogien bisvor diechristlicheZeitrechnung zurückreicht:derKampf zwischen Priestersund Königthum,der imMittelalter dasDeutscheNeichzersetztundseineSpaltungen erzeugt hat;derMachtstreit,indemAgamemnon inAulis mit seinenSehernlag, derihndort dieTochterkosteteund dieGriechen amAuslaufen hinderte; derMachtstreit,derimMittelalter seinen Abschlußdamitfand, daßderletzte Vertreter deserlauchtenschwä- bischen Kaiserstammesunter demBeil eines französischenEr- oberers aufdemSchafotstarbunddaßdieserfranzösischeEroberer imBündnißmitdemdamaligen Papst stand.«Jnderselben Rede, derdieser Satzentnommen ist, hateraberangedeutet, welchen Eindruckihm dieThatsachehinterlassenhabe, »daß derAusbruch desfranzösischenEroberungskriegesmitder Publikationdervati- kanischen Beschlüssekoinzidirte«.Ohnediedurch diese Beschlüsse geschaffenePolksstimmungwäre derKampfnichtjustinderersten JugenddesReiches entstanden, nichtvon beiden Heerhaufenmit soleidenschaftlicher Grausamkeit ausgefochtenworden.
NeunzehnTagenachdemdeutschen Siegbei Sedan waren dieTruppen desJtalerkönigsinNom eingezogenundamzweiten Oktober hattendieBürgerdesKirchenstaates sichfürdenAnschluß an dasKönigreichJtalienerklärt. Antonellis Frage,obPreußen sichinFlorenzdafür einsetzen wolle, daßderPapst ungehindert abreisen könne, hatBismarck deutlichbejaht;doch (indemErlaß an denGesandten GrafenBrassier) denSatzhinzugefügt:,,Seine MajestätderKönig hältdenNorddeutschenBund nicht fürbe- rufenzuunaufgeforderter Einmischungindiepolitischen Bei-hält- nisseanderer Länder, glaubt aber,dennorddeutschen Katholiken
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gegenüberzurBetheiligunganderFürsorgefürdie Würde und Unabhängigkeitdes Oberhauptes derKatholischenKirchever- pflichtetzusein«DenSatz,derzuerstHoffnung gewecktund,als sie trog, schlimme Enttäuschung geschaffen hat.Demdeutschen Epi- skopatwar vorgeworfen worden,erhabe,daerdieneue Lehre,die FruchtderKonzilsbeschlüsse,hinnahm,»schmählichvorRom ka- pitulirt«.Unddoch hatte selbstKardinal HohenloheandenBru- derEhlodwig geschrieben: »Ichhabe,was dieJnfallibilitätbe- trifft,immer daran festgehalten,was man mirinderSchulevon San Apollinare schonvor zweiundzwanzig Jahren gesagthat:
Papamexcathedra loquentemesse infalljbjlem.« Und anMonsig- nore Eenni,denPrivatsekretärdesPapstes: »Dieganze Welt weiß, daß ichan dieUnfehlbarkeit des Papstes stetsglaubte, heuteglaubeund,mitGottes Hilfe,immer glaubenwerde.« (Er berief sich später aufdieThatsache,daßerEenni nicht beauftragt habe, dieseWorte demPapstmitzutheilen,und wimmerte: »Da ich doch aucheinmal RechenschaftvorGott abzulegenhabe, möchte ichdabei nichtineineunangenehme Lage kommen.«) Ehlodwig, dernichtverwinden kann, daßergeradevor derKriegsglorie ge- stürztworden ist, suchtinBerlin Augustaaus ,,ihrer gutenMei- nungvomKatholizismus«zuscheuchenundschreibtinsein«-Tage- buch:,,Esscheint, daßKetteler eindurchaus falschesSpielgespielt hat.Wenn man diesittliche Verkommenheit, denvollständigen Mangel ehrenhafterGesinnungbeidenVischöfen betrachtet, so schaudertman über denEinfluß,dendasjesuitischeElement in derKatholischenKirche aufdiemenschlicheNatur ausübt.« Der ewinginde sahdieZeitkommen,,,wodiedurchdasVatikanische KonzilverkündeteUnfehlbarkeitdesPapstes alsHäresieerklärt werden wird «. Bismarck erniederte sichwederinSchimpfereinoch inJllusion. JhnhattendiePolen geärgert. (·,,Der Beginndes Kulturkampfes war für mich überwiegend bestimmt durch seine polnischeSeite. «)Er wollte imKultusministeriumdieKatholische Abtheilung aufheben, derenEhef,HerrKrätzig,Privatbeamter des FürstenhausesNadziwillgewesenwar und,unter derFuchtelVo- guslawsRadziwill, deramHofundalsStadtverordneterAnhang hatte, ,,wieeinradziwillscherLeibeigener«handleundschlimmer alsein Nuntius des Papstes wirke. Erfand, daß ,,im Allge- meinen diekatholischeGeistlichkeit,auch deutscherZunge,dieBe-
Gespenster. 213 strebungendespolnischenAdels,dasaltePolen inseinenfrüheren Grenzenwiederherzustellen,begünstigt,mitWohlwollenbehan- deltund, soweites ohneVerletzungderStrafgesetze geschehen kann, gefördert hat.Wirmüssenwenigstensdie KeimeDessen, was Staatsgefährlichessichdaraus entwickeln kann,zuhindern suchen, soviel inunserer Macht liegtundsoweitdieparlamen- tarischen Mehrheiten, ohnedie wirGesetzeebennicht erreichen können,unsdazu helfen-«Nun ärgerteihn,der mitAugust-und Peter Reichensperger gern verkehrteund Ketteler zumFürst- Primas vonDeutschland ausersehen hatte,die welfischeFührung derCentrumsfraktion, die-nachdemFriedensschlußmitbeträcht- licherTruPPenzahl insAbgeordnetenhaus undindenReichstag einrückte.NichtdieGründungdieserFraktion(wennersie,,,eine rein konfessionelleFraktionauf politischem Gebiet«, später auch ,,einederungeheuerlichsten Erscheinungen«genannt hat).Die war janichtneu. Schon nachdenErlassenderMinisterRaumer undWestfalen,die dasWirken derkatholischen Missionenein- engtenundderStaatsbehördedasRecht gaben,dieErlaubniß, in RomTheologiezustudiren,denKatholikenzuweigern, hatten sich,am dreißigstenNovember 1852,dreiundsechzig Abgeordnete im berliner Landtagzu einer KatholischenFraktionvereint,deren Satzungen vomOber-RegirungrathHeinrichOsterrath entworfen worden waren unddiefürdieWahrungvölligerParitätundfür dieErhaltungderkonfessionellenVolksschuleeintrat.DieFrak- tionerklärte,»der konfessionelle Parteiname sollenur einParoli auf gewisse ministerielleErlassesein«;siewerde dieRechtealler Bürger-,nichtnurderKatholikemwahren.Undnannte sichseit1859, aufMallinckrodts VorschlagundprinzlichenWunsch,»Centrum (KatholischeFraktion)«.Auch dieseErinnerungandie alteFirma wurde baldunbequem;undamdreizehntenDezember 1870im ber- liner GasthausEnglischerHof fürdas demReich anzupassende Gebild derName ,,Centrum (Verfassungpartei)« gewählt.Jn dem von Savigny, Windthorst, Mallinckrodt, Reichensperger, Probst, FreytagunddemFürstenKarlzuLoewensteinunterschrie- benen Programm wird derKatholizismus gar nicht erwähnt;
wird nur füralleReichsangehörigenreligiöseFreiheitund für alleGlaubensgemeinschaften Schutzgegen EingriffederGesetz- gebung verlangtJedem Protestanten,derdiesesZielbilligte, stand
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214 DieZukunft.
dieThüroffen.Mallinckrodt sprach: »Wir sind nichtnur keine konfessionellgebildete Fraktion,sondernwirwollen esauch nicht sein-;wirsindesprinzipiellnicht nach unserem Programm, wir sindesthatsächlichnicht, insofernalswirbekanntlichimReichs- tagauchprotestantischeMitgliederhaben.«Ketteler schrieb: »Der Vorwurf,dasCentrum seieineexklusivkatholische Partei, ist gänz- lichunbegründetund eineboshafte,intolerante Erfindung unserer Gegner.JchkannderHoffnung nichtentsagen, daß,wenn erstder Schutt,denman aufgehäufthat,umdieCentrumsfraktioninihren Bestrebungenzuverdächtigen, gelichtet seinwirdundeinewahre Beurtheilung sich Bahn bricht, nochvielegläubigeundrechtlich denkende Protestanten sichihr anschließenwerden. Dadurchkönnte aber dieCentrumsfraktion von großer Bedeutung für Deutsch- lands Zukunftwerden,wenn sichaufdem Grunde derbeidenPrin- zipien (wonach Religion,SittlichkeitundGerechtigkeitdie allein wahrenGrundlagen des Staates sindund denEinzelstaatenmög- lichsteSelbstständigkeitderGesetzgebungundVerwaltung ver- bleiben muß)dieMänner, KatholikenwieProtestanten, friedlich vereinigten,welcheinderTrennungdesDeutschen-Reichesvom Boden des Christenthums denKeimdesBerderbens erkennen undwelche zugleich,solangewirnun einmal imGlaubengetrennt sind, fürdasfriedliche ZufammenlebenimgemeinsamenVater- land einefeste, rechtliche Grundlagesuchen.«Meminisse juvabjt.
DochanderSpitzederCentrumsparteistand einWelfe,der zwei- malMinister Georgs desFünftenvon Hannovergewesenwar.
UnddieserLudwigWindthorstforderte schonin dererstenAdreß-«
debattedesDeutschenReichstages eineNeichsintervention gegen denSavoyeranspruchaufRom. Durfteers nicht? NochinBer- sailles hatte Wilhelmzu den(voneinem Schorlemer geführten) Malteserngesagt: »Ich seheinderOkkupationRoms einenGe- waltakt undeineAnmaßungJtaliens undwerdenachBeendung des Kriegesmitanderen Fürsten Schritte dagegeninBetracht ziehen.«Diese Stimmung war geschwunden, seitdie Kurie sich geweigert hatte,dem französischenKlerus dieNothwendigkeit fchnellenFriedensschlusses einzuschärfen;undnun bliebs bei dem bescheiden stolzen SatzderThronrede vom einundzwanzigsten März1871: »Die Achtung, welche Deutschland für seine eigene— SelbständigkeitinAnspruch nimmt, zolltesbereitwilligder Un- abhängigkeitalleranderen Völker, derschwachenwiederstarken.«