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Die Zukunft, 9. Juli, Jahrg. XVIII, Bd. 72, Nr 41.

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XVIII. Jahrg.

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Berlin, drn9.Juli1910. Ur.41.

Herausgebers

Maximilian Harmen.

Inhalt :

Zeile

Vchvrukbetkm ll. ...................... 35

polenpolikik. VonKarl Jcntsch ...-.......·........ 52

leakespearrsSonektxn VonFriedrich GIFndolf ............65

Nachdruckverboten.

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Eischeintjeden Sonnabend.

Preis vierteljährlich5 Mark,die einzelne Nummer 50Pf.

Berlin.

Verlag der Zukunft.

WilhelmstraßeZa.

1910

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J- LRAE-Is— p-

Berlin, den 9.Juli 1910.

Schoenebecks.

III) sinfonia l1ysterica.

orvierzehnTagen habe ich hierversucht,dasvor undnach derWeihnachtdesJahres 1907imallensteinerHausdes Majors Gustavvon Schoenebeck Geschehenemitdemvon der PsychopathologiegeliefertenWerkzeugabzutastenund dem Men- schensinnzumBerständniszdesihm unverständlichScheinenden zuhelfen. Zu ergründen,wie indemArtilleriehauptmann Hugo von Goeben derDrangnachMartyrien, dann derMordplan entstandundwiederMajor von Schoenebeck,indem die Kame- raden docheinenMann vonEhrgefühl sahen,dasTreiben seiner Ehefraudulden konnte. Dieser Bersuch,demallesnichtzurSiche- rung seines Gelingens Nöthige fernzuhaltenwar,mußteins dunkle LandderSexualpathologie führen.Umnebendem lauten PrahlerdrängeninMärtyrerruhm dasstille Martyrium Eines zuzeigen,derseinesNockesundseinerKinderwegen dasBewußt- seinderGeschlechtsschmachunddieihm wohl noch schwerereLast derstumm lächelndenVerachtung trug,war eineDarstellungun- vermeidlich,diesichnichtvonprüden Aengstcn nochvom cantder Heuchlergewohnheit einschüchternließ. (,,Eine traurigeWahr- nehmung,«sagtderPreußenmagister Treitschke, »lehrt,daßdie sogenannteOeffentlicheMeinung immer vielmoralischer istals dieThatender einzelnen Menschen. Der Durchschnittsmensch schämtsich,tausend Dinge,dieerwirklichthut,öffentlichauszu- sprechenundzubilligen.WasdergewöhnlicheMensch,wennerun-

») S.»Zukunft«vom fünsundzwanzigstenJuni 1910.

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36 « Die Zukunft.

betheiligt ist,imTugendkosakenthum leisten kann, istunglaublich «) WieausderpsychischenJmpotenzundderihrerMinderungfolgen- denHysterikererosieinGoeben derWille zurThaterwachs, mußte dargestelltwerden.Das zusolcherDarstellungnothwendigeThat-

«sachenmaterialfand ichindenBerichtenüber dieallensteiner Kriegs-undSchwurgerichtsverhandlungen und indemGutachten, das dermünchener PsychiateanAlbert Freiherrvon Schmuck- NotzinginderStrafsachewiderGoeben 1908erstattetund»an denausgesprocheneannsch desAngeklagten derOeffentlichkeit übergebenhat«.(Am zweiundzwanzigstenFebruar 1909 istes imDoppelheft3X4desvom ProfessorDr.Hans Großherausge- gebenen ,,Archivs für Kriminalanthropologie undKriminalistik«

veröffentlichtwordenJAllevonmirausder vita sexualisGoebens und seiner To angeführtenoder angedeutetenVorgängewaren ausdenGerichtsberichtenund ausdiesemGutachtenbekannt; neu zwar nur diePsychologische Deutungund derVersuch, ohneden Gerichtsapparat Das zugeben,wasdiefranzösischeKriminalistik dieNekonstruktioudesVerbrechensneunt. Schkenck-Notzinghat denangeklagtenHauptmannTage langimGefängnißbeobachtet- mehrmals gründlichuntersucht, Schrift-«und Gedächtnisz1-'Oben mitihm gemachtund ausseinemMunde dieausführlichsteBeichte gehört.Ersagt:»Mein Gutachten stütztsich aufdasStudium der kriegsgerichtlichenAkten undaufeine mehrtägige eigeneBeob- achtungdesAngeklagtenimallensteinerMilitärgefängniß.Das Geständniß,dieeigenenAngaben desAngeklagtenüberseinen Lebenslan undüber dieBeziehungen zurFrauvonSchoenebeck sindhier mitverwerthetworden, da,abgesehen anihterUebereim stimmungmitklinischen KrankheitbildernundErfahrungen,kein Anlaßbesteht,ihnendieGlaubhaftigkeit abzustechens Nachan- fänglichemLeugnen hat Goeben einvollständiginsichgeschlosse- nes und mitdem aufandere Weise erlangten Veweismaterial lückenlosübereinstimmendesBildder-ganzen Strafhandlung dem UntersuchungrichterunddemSachverständigen gegeben.Diese SchilderungenthältdenAngeklagtenschwer belastendeEinzel- heiten,dievielleicht aufandere Weise überhauptnichtzurKenntniß desGerichtes gelangtwären. Dazukommtdas vollständigeFeh- lenvon Thatzeugen.Aberauchwenn Goebens Darstellungnicht völligdemwirklichen Ablauf diesesfürchterlichenDramas ent- spräche,sowürdeanderGrößeseinerSchuldkaumEtwas geän-

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Schoenebecks.ll. 37 dert.Demnach scheintesberechtigt, auchinBezug aufdieThat- umständedieMittheilungen desAngeklagten geltenzulassen.

Goeben wargutorientirtüber allgemeine Lebensverhältnisse,ge- schichtliche,geographischeDaten; wußte auch ziemlichgenau alle Fragenüberseinen Lebenslauf und·über dieEinzelheitender Strafthat zu beantworten. Dagegenwar sein Namensgedächtniß schlecht-Erkonnte wederdenNamen seines letztenVurschen noch die derUnteroffiziere seinerBatterie nennen. Erbesaßkeine be- sonderen sprachlichenKenntnisse.Aufgefordert,laserauseinem ihmgehörigenBuch(überdieFranzösischeRevolution)einehalbe Seitelautvor undwardann nichtimStande, deanhalt desGe- lesenen annäherndgenau wiederzugeben.DieArt derReproduk- tion machteeinendirektschülerhaftenEindruck. Soweitessichum eigeneInteressenunddieProdukte seinerüberaus regen Phan- tasiehandelte,war seinekombinatorischeFähigkeitaußergewöhn- lich gut. DagegenwarenKritik undHemmungdersichihm je nach dermomentanenGefühlslageaufdrängendenBorstellungverbin- dungen mangelhaft; das geordnetesystematischeDenken fehlte.

DiemitJrauvonSchoenebeckzusammenhängendenVorstellungs- komplexewaren über die Norm vom Gefühl betont,überwerthig undbeherrschten seinen Gedankengang TrotzallenAufklärun- genüber ihrenminderwerthigen Charakter,ihrehysterischeLü- genhaftigkeit drängtesichihmimmer wieder dieMeinung auf, erkönneihr durch seine Aussagen einUnrechtzugefügthaben.

SeineWillensäußerungwarleichtzubeeinflussen; erwarvonei- nerbis zudenhöchstenGradenpsychischerAbhängigkeitreichenden Suggestibilität.WaserausMittheilungenderFrauvonSchoenes beckwiedergab, klangglaubhaft.FürdenKenner deshysterischen Charakters qualifizirtensichdieEinzelheitendieserDarstellung alsProdukte derzumDramatisirengeneigtenhysterischenEin- bildungskraft. Dieganze ihrem Liebhaber gegenüberverfolgte undvonihmgeschildertePolitikist zustilechtimSinne derHysterie, alsdaß Goeben siehätte erfindenkönnen.Zweifellosglaubteer denUebertreibungen derFrauundließ sichgegen denEhemann einnehmen,obwohlihmpersönlichSchoenebecknichtunsympathisch warund erauchniemals ehelicheStreitigkeitenmitangesehenhatte.

Selbständigwäreerüberhaupt nicht aufdieJdeegekommen,den EhemannfüreinenBarbaren zuhalten,wenn ernicht auch nach dieser Richtung geistigvonderFrauvollständigbeherrschtgewesen-

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38 Die Zukunft.

wäre. Goeben war,als erblich belasteterPsychopath,ohne seeli- schesGleichgewicht.Erwar ineinem ZustandsuggestiverAb- hängigkeitvonderGeliebten,denman alssexuelleHörigkeitmit masochistischemEinschlagqualifiziren mußte.Deshalbwar seine Zurechnungfähigkeitvermindert.DieBerantwortlichkeitwardurch krankhafteStörungderGeistesthätigkeiterheblicheingeschränkt;

doch nichtinsolchemGrade,daß diefreieWillensbestimmungals ausgeschlossen erachtetwerden konnte.«KeinGrund, derihn straf- srei machte.Sohatder einzige namhaftePsychiatergeurtheilt,von dem der desMordes angeklagte Hauptmannuntersuchtwordenist.

Für dieses Urtheilzeugen dieBriefe,die Goeben nachder That schrieb.AndenKriegsgerichtsrath, derdieUntersuchung führte: »Die Liebezu derunglücklichenFrau hat michwieder so übermannt,daßichAllesbereue,was ich gegensie ausgesagthabe.

Bitte,bitte, schaffenSiemirBeweise, daß sie mich währendder Zeit,woichmitihr zusammenwar,betrogen hat! Bitte, erlösen SiemichvonderLeidenschast,wenn Sie können!Jchbinwohlver- rückt;ichkannden Gedanken nicht ertragen,ich hättedieFrauver- rathenundes wäreamEnde garnicht nöthig gewesen.«An einen Freund: »Ichbinvon einerFrau, dievielleichtwegenihres hyste- rischenZustandesgarnichtoderdochnur zumTheilverantwort- lich gemachtwerden kann, durchdauerndes Anreizen, Klagenund Lieben ineinenZustand versetzt worden,derwohl nicht mehrals normal bezeichnetwerden kann. Wenigstens begreife ich heute meine wahnsinnigen JdeenundGefühle nicht mehr. Jch habein diesemZustandjeneFraufüreinreines Heiligthum gehaltenund ihrAlles,Alles geglaubt.Wenn ich heutezurückdenke,sobegreife ichnicht,wieichhabe glaubenkönnen. DieWidersprüchewaren soindieAugen fallend,daßeineinigermaßenvernünftigerMensch siemerken mußte.DieFrau mußeineArtSuggestionauf mich ausgeübthaben.JchhabeohneBedenken,ohneallesinnereWider- strebendiegrößtenVerbrechen ausgeführt,diesievonmir haben wollte,undfühlte mich sogarglücklichdabei.Jchwußteausihrem eigenenMunde, daß sieeinleichtsinnigesVorleben gesührthatte.

DasAlles hatmich nicht abgehalten, siebiszumWahnsinnzulieben undgeradezuabgöttischzuverehren.SohatsichinmirauchdieJdee festgesetzt,ich müssedieseFrauvon ihremMann befreien,densie nicht aufhörtemir indenwiderlichstenFarbenzuschildern.So istesdenngekommen,dasGräßliche.Meine Absicht,denun-

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Schoenebecks.Il. 39 glücklichen,ahnunglosenMann imWald zustellen,mißlang.Da habe iches inseinerSchlafstubegethan. SeinRevolverhatleider versagt.Warum ich mich nicht selbstdaneben gelegthabe?Jchbe- greifeesheute nichtmehr.JchhabemirnochTagelangeingebildet, eineguteThatgethanzuhaben; unddiewahnsinnigeSehnsucht undJdee, dieFrau dochnocheinmalmeineFrau nennen zukönnen, hat michdavon abstehen lassen. Jchwar soinihrer Gewalt, daß ichAlles,aberauchAllesdarübervergessen habe.JchhätteVater- land,Mutter,Freunde, Alles,Alles lachendimStichgelassen, wenn ich dafür diese Frauhätte eintauschenkönnen. Wieich ja auchmeine eigene Ehrelachendinden Dreckgetretenhabe.Jch stehe schauderndvoralldiesen Gemeinheiten (wennman dieses mildeWort daraufanwenden darf)undkannmirüberhauptnoch gar nichtzurVorstellung bringen, daß ich selbstdasAlles war.

Man neigt ja wohl dazu, sichselbstzuentschuldigen;undsokann ich nichtsagen,ob in mir die Keime zuderartigemVerbrecherthum liegen.Jch meine,wenn ich offen seinsoll,dieunglückseligeFrau hateinen hypnotischen Einfluß auf michgehabt,dermichzuihrem willenlosenWerkzeug gemacht hat. Jchkannmirnicht vorstellen, wieich solche DingeausfreienStückenhätte vollbringenkönnen.« Das (nurausunkontrolirbaren Zeitungberichten bekannte) Gutachten desberliner Gerichtsarztes Dr.Strauch scheintdem Schrenck-Aotzings ähnlich. Psychisch, sagter,seiGoeben durch Frauvon Schoenebeckinsizirtworden. ,,Sieverschaffte sichEin- gangdurch zweinortem durch seine Ritterlichkeitunddurch seine sexuelle Eigenart.SieerfüllteGoeben mitHaßgegenihren Gatten, um ihn so sicherinihremBann zuhaben.Undmitderfeinen Witterung einer erotischKranken merktesie bald, daßGoeben sexuell seltsam veranlagtwar. Jnihm entstandderWunsch,die Frau zuerlösenund zubesitzen.Sie sahinihm ihrenRetter.

Nach psychopathologischer Prüfung mußichglauben, daßihreKla- gen erheucheltwaren. DieBeiden haben sichan dem Gedanken berauscht,von dem Mann loszukommen. Sie haben gewiß auch allerleiVefreiungpläne erörtert;vielleicht sogareinenMordplan.

DieseGedanken undPläne habendieFrausexuell erregt. Noch heute (aneinem derletztenTagedergegenFrauvonSchoenebeck geführtenHauptverhandlung)aber binichnichtsicher, daßsieernst- lichvon ihremMann befreit seinwollte. Sie hatmitdemGe- danken wohlnur gespieltund getändelt.« (Schrenck- Notzing:

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40 Die Zukunft.

,,Wahrschein1ichhatdieFrau niemals ernsthaftan dieTötung ihresGatten gedacht.Eskönntesichentweder um einSpiel ihrer hysterischenEinbildungskraftmitVorstellungendesMordens,des Schrecklichenüberhauptgehandelthaben,mitdemeeck,ihre11Ge- liebtenzureizen, ihninkonstanteAufregungzuvers etzen, ihn eiser- süchtigzumachenundihren Wünschengefälligzuerhalten;oderum Borboten dernachderBerhaftung ausgebrochenengeistigenEr- krankung,umVerfolgungideen,dieGoebenalssolchenicht zuerken- nen vermochte und,inmißverständlicherAuffassungihresganzen pathologifchenCharakterbildes,ernstnahm.«Hieristzuerwähnen, daßdermünchenerArztnurdenMann,derberlinernurdieFrauge- sehen hat-)Heerr.Strauch meint,derHauPtmann seiindenTagen, die denMordplan reifenundausführen sahen,ineiUeMZUstMd krankhafterGeistesstörunggewesen,derseine freie Willensbe- stimmung ausfchlofzundihn, nachdemParagraphen51 desStraf- gesetzbuches,derStrafverfolgung entzog. ,,SeinWahnsinnwar dadurchbewirkt,daßermitdieserFrau zusammenkam.Siebe- rauschtesichanseinenPlänenundanseinervasallischen Ergeben- heit.ErnahmdieJdeederBefreiung ernstund siewurde ihm zurFier Jdee.«DerJnhaltderbeiden GutachtenundderGe- fängnißbriefe klingtzu einer Symphonie zusammen,die allean- derenAuffassungenübertönt.DieMeinung einzelnerAerzte,nicht dieFrau habedenMann, sondernder Mann dieFrauunter- jocht,mitGeistundSinnen inseineWillenssphäregezwungen, muß demBetrachterdesThatbestandesunhaltbar scheinen.Nicht eineinziger fürdasUrtheil wesentlicher Punkt ist gefundenwor- den,von demaus zusehen wäre, daßdieFrauimPferch dieses

«Manneswillenslebte. JhrSexualverlangen warnichtwählerisch, nichteinmal durchdenTrieb andasandere Geschlechtgebunden;

under(dessenGeschlechtsempfinden,wieRousseausunter dem SchlagderDante, erwachtwar,als dieMutter, imScherzspiel, den Knaben einstaufihremRücken reiten ließ) reagirtenur auf einebestimmte Reizesart. JhristereinMännchenwieandere Männchen;ihm ist siedieeinzigeFrau,dieihneinderNatur nahesSexualglückerleben ließ.Kannein imBezirkderPsycho- Pathologie nichtganzFremderzweifeln,wer indiesemVerhältniß das Herrschaftrechtübte,wer freudigdieKnechtspflichtaufsich nahm? Diesuggestive MachtHysterischerundihrer pseudologja phantastica(sohat«-ProfessorDr.AntonDelbrück,der inVurghölzli

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Schoenebecks.H. Zil

ForelsAssistent war,den mindestens halbunbewußtenHangins Wahrheitwidrige getauft)isteineThatsache,mitderdieAetiologie längst rechnen gelernt hat.Und aufwen wirkte diese hysterica?

EineinAllenstein nichtgestreifteFrage taucht auf.

WasisthysterieJJn einerkleinenSchrifthat, vordreiJahren, Steyerthal daraufgeantwortet: »Eine selbständige, einigeund untheilbareKrankheit, ,dieHysterie«,giebtesnicht;nurhysterische Stigmata, einen hysterischenSymptomenkomplex. Diese Sym- PtomesindErmüdung-undErschöpfungzeichen.«(Krampf, Läh- mung, EinengungdesGesichtsfeldes.)Damit ist nochnichtviel gesagt. Ob esüberhaupt »einigeunduntheilbareKrankheiten«

giebt?DerPraktikerzweifelt;siehtbeider DiagnoseinjedemFall dasBildindividuellgefärbtundmußbeiderTherapiedemGrund- satz Schweningersfolgen: ,,Des Arztes Aufgabe ist nicht,Krank- heitenzuheilen, sondern,unter erkennbaren undveränderlichen Bedingungenihres Wesens undDaseinserkrankte Menschennach denMöglichkeiten seiner KunstundihresKraftbesitzeszubehan- deln.«Jmmerhin zeigtdas klinischeBildHysterischer bestimmte Konturenz nicht soklarewiedasTuberkulöserundSyphilitischer, dochkaum undeutlicherealsjedeArtder Psychose.Jn seinem Lehr- buchderPsychiatriezählt Kraepelin dieHysteriezu denpsycho- genenNeurosenzersagt: »Alseinigermaßenkennzeichendfüralle hysterischenErkrankungendürfenwirvielleichtdieaußerordent- licheLeichtigkeitundSchnelligkeitansehen,mitwelchen sich Psy- chischeZuständeinmannichfachenkörperlichenStörungenwirk- sam zeigen. Verstandund GedächtnißderHysterischenfpflegen keineauffallenderen Störungen darzubieten.DieErinnerung ist beiihnenimAllgemeinen treu,abernichtseltenungemein eins eitig.

Wahrnehmung undDeutung werden nichtimmer scharfausein- andergehalten.-Jn einzelnen Fällen besteht geradezueinHang zufreier AusfchmückungderVergangenheit,ja,zurVermischung derErinnerungen mitvollkommen erfundenenZügen.Beson- ders oft begegnetuns dieErdichtungvon gefährlichenAngrif- fen, meistmitgeschlechtlicherFärbung; dieKranken bringen sich auch wohlfelbstVerletzungenbei undknebelnsich,umdas Aben- teuerglaubhafterzumachen.JchkannteHysterische,die inverblüf- fenderWeise verstanden,denHörerohnedasgeringsteVesinnen mitdenabenteuerlichstenErfindungen überihreVergangenheitzu überschüttenundjedemEinwandmitder größtenSeelenruhe durch

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42 DieZukunft.

immer kühnereAusflüchtezubegegnen.EinzelneKranke können sichsoinihreEinbildungenhineinleben, daß sie dadurch inihrem Denken undHandelnvollkommen beeinflußt werden, obgleiches sichnichtum eigentlicheWahnvorstellungen,sondernnur umGe- dankenspielereien handelt,diemitLiebeundLeidenschaftlichkeit ausgesponnen werden.DieKranken sind ungemein erregbar; ihnen fehltdieDämpfung,die beimgesunden Menschenallmählichdie raschenund starkenGefühlsschwankungenderKinderjahre ab- schwächt.Jn einzelnenFällen,aber keineswegs besonders oft, zeigtsicheineerhöhtegeschlechtlicheErregbarkeit,welchedie Kran- kenzuAusschweifungenverführt;nicht so seltenbestehtgeschlecht- licheKälteodervölligeUnempfindlichkeit.«(DaßdieErkrankung nicht,wiePlaton annahm,vonder»Ist-pg-ausgehtnochals ein Son- derleiden desweiblichenUteruszubetrachten ist,wirdschondurch dieseThatsache bewiesen.),,Oft äußernsiedenWunsch,zusterben, sichdas Lebenzunehmen;auch einigeeinleitende Schrittewerden vielleicht gethan:einBand umdenHalsgeschnürt,eineNadel ver- schluckt,eineverdächtigeFlüssigkeitgetrunken; in derRegelistkeine großeGefahrdabei,wenn nichteinunglücklicherZufallmitspielt.

MeististdasBestrebenerkennbar, interessantzuerscheinen, sichin einbesonderesLichtzustellen,vonsichredenzumachen.Ueberall trittdie eigenePersönlichkeitindenVordergrundBieleHysteris che berauschen sich,mitdemstillen Anspruch auf besondereAnerken- nungihrer manchmal geradezuthörichtenAufovferung,andemGe- danken,Alles fürdie Armen hinzugeben,inselbstgewählterErnie- drigungden Kranken undElenden zu dienen. SiemöchtenGroßes leisten,eineThätigkeithaben,derMenschheitnützen.Freilich bleibts inderRegelbeisolchen großenGedanken oderbeieinigen unzweckmäßigeinleitendenSchritten. Aufdem GebietdesWillens istvorAllemdieerhöhteBeeinflußbarkeitzubemerken,die mit der oftstarkhervortretendenlaunenhaftenEigenwilligkeitnurin schein- baremWiderspruch steht. Wennsie unbefangensindundsichunbe- achtetglauben,zeigendieKranken ofteinegroßeLeistungfähigkeit, diesofortderalten,Mitleid heischenden Hinfälligkeitweichtund vonihnenvollständigverleugnetwird, sobald sieaufihre Krankheit hingewiesenwerden odersichdemArztgegenüber sehen.Ohne Zweifelwerden einzelneKrankheitzeichen (Geschwüre, Fieber, VlUtfPeieUUndAehnliches)vonHysterischenwillkürlichundzweck- bewußt vorgetäuscht,um ihnendieTheilnahmedesArzteszu

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Schoenebecks. Il. 43

sichernundihmeinemöglichstschlimme VorstellungvonderGröße ihres Leidens beizubringen.Aus-dem Nachweis einer absicht- lichenTäuschungdarfman abernicht aufdasFehleneinerpsych- ischenErkrankungschließen.Wieschonder Name (Gebärmutter- sucht) andeutet, istdieHysterie so sehreineKrankheitdes weib- lichenGeschlechtes,daßman sogar zweifelhaftwar, obman über- hauptdasRecht habe, ähnlicheErkrankungenbei Männern mit derselben Bezeichnungzubelegen. DochdiemännlicheHysterie ist heute,wiewir derPariser Schule ohneWeiteres zugebenmüs- sen,keineseltene Krankheit mehr.Unter den vonmirbeobachteten Hysterischenwaren die Männer mitdreißigProzentbetheiligt.

Schwerlich läßt sichzwischendenNeurosen der beidenGeschlechter eine scharfe Trennunglinie ziehen.DieHysterie isteinangebore- ner abnormer Seelenzustand, dessenEigenthümlichkeitdarinliegt, daß (wieMoebius esausdrückt)krankhafteVeränderungendes Körpers ,durchVorstellungen«hervorgeruer werden«

Das hatte, langevorMoebius, schonCharcot gesagt. Jhm

war dieHysterieeinePsychose,inderenOpfern durch Vorstellun- gen abnorme körperliche Vorgängebewirktwerden ; war siedem ZustandHypnotisirter nah,dieerkünstlichinHysterie Versetzte

nennen mochte-Waser(und seine Schulederpariser salpätriåre)

fürdieNeuropathologie geleistethat,istauchLaien bekannt;er

schufdieGrundmauer, aufderJanet (»L’etatmental deshysteri- ques«),KraepelinundVinswanger, Moebius undVogt, Freud und Vreuer weiterbauen konnten. MitRecht hat ihn deshalbder karlsruher Privatdozent Dr.Hellpachinseinem Buch »Grund- linien einer PsychologiederHysterie«alsdenMeister gepriesen, demdieStellungundklassischeLösungdesProblems zu danken sei.JmLaufderletztenJahrehabendievonden wiener Aerzten FreudundBreuer veröffentlichten»Studien überHysterie«sich indenBlickpunkt gedrängt. Hierkannich heutenur wiederholen, was Kraepelinübersiesagt: ,,NachdenVersicherungenderwiener Aerzte solldieHysterie durchganz bestimmte passive sexuelleEr- lebnisseinderfrühsten Kindheit erzeugt werden,die dann in der Form unbewußter Erinnerungen durchdas ganzespätereLeben hindurchsortspukenundinmannichfacherUmformungzurhysteri- schen,Abwehrneurose«führen.Man erfährt diese Dinge,indem man dieKranken inderHypnoseausfragt.Wir dürfen nichtbe- zweifeln, daßman auf diesemWegnochganz andere Dinge

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44 Die Zukunft.

herausbringen-könnteWenn aber unserevielgeplagteSeele durch längst vergessene unliebsame sexuelleErfahrungenfüralle ZeitenihrGleichgewicht verlöre, so dürftenwiram Anfangvom Ende unseresGeschlechtesangekommen seinzdieNatur hätteein grausamesSpielmituns getrieben.FreilichsollenalldieseEr- innerungen unschädlichwerden,wenn demkundigen Arzt gelingt, siemitHilfedes,kathartischen«Verfahrens,derfortgesetzten hyp- notischenBeichte,ansLichtzuziehenund zubewußtenzumachen.« Das klingt sehrskeptisch; dasüber dieSchreckneurose,die krank- hafteUebertreibungsuchtdernachreichlicherUnfallrente Trach- tenden,dieErwartungneurose(der auch manche Fälle psychischer Jmpotenzzuzurechnenfind)und über denErfolghypnotischerEin- wirkungGesagte zeigt aber, daßKraepelinden Wienern nichtganz sofernist,wieerselbstwohlgeglaubthat.Einerlei.GoebensSexual- erlebniß mußtebeleuchtetwerden: sonstwar derBeweis nichtzu führen,daß aucher(nichtdieFraunur, dieerbegehrteundvonder erbesessen war) imWahnland derHysteriewohnte. JnderKind- heiteinGeschlechtserlebniß,dasdurchsganzeLebenhin fortspukt;

ErmüdungzuständeundGleichgewichtsstörungenzLahmheitein- zelner Glieder, die das Stehen aufdemrechten Fuß fast völlig hindertundan dieSymptome derAstasie-Abasie erinnert; die kombinatorische Fähigkeit ungewöhnlich starkunddieGefühls- schwankung seitdenKinderjahren nichtgemindert; Vorstellungen erwirken imKörperjähe,abnorme Vorgänge;falsche (oderge- fälschte)Gedächtnißbilder(Vurenkriegsberichte);dasprahlerische Betonen steterOpferbereitschaftunddersichtbare Drang,sich,als eineganzbesondersgeprägtePersönlichkeit,denNächsteninter- essantzumachen;heftigeUnternehmunglustund,unterdemZwang eines einzigen Gedankens, diebeinaheläppischePerkennungdes fürdieSicherungderPersonundihres Planes Nothwendigen (GiftkaufinderallensteinerApothekez Nichtachtungdes Kaliber-

«

unterschiedes,derdochbeweisenmußte,daßSchoenebecknichtvon einerKugelausseinereigenen Pistolegefälltwordenwar); Eigen- sinneinerfast schrankenlosenSuggestibilitätgepaart;und,nachder Tragoedie, dieKatharsisdurchdieBeichte,dasErschaudernbeim RückblickaufdieunheimlicheVerdoppelung derPersönlichkeit und derEntschlußzumqualvollen Opfertod,mit demersolangenur«

spielte.NachallenAnalysenundDeutungen: einHysterischer.

WiezweiHysteriker aufeinander wirken,einander beeinflussen-.

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