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Unterrichtsblätter für Mathematik und Naturwissenschaften. Jg. 23, No. 1 u. 2

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Academic year: 2022

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(1)

des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unter

/

B egrü n d et unter M itw irku ng von

B ernhard S ch w alb e

und

F ried rich Pietz3t^yo3S.nO<ä j

von diesem geleitet bis 1909, zurzeit lierausgegoben von

Geh. Studienrat Dr.

P. Bode,

tmd P rofessor

K. Schwab, 'N

Direktor <ler Klingor-Oliorrealschnle in Frankfurt a. M. Oberlehrer a. d. K liuger-ftea^ glflch ulc

^ 8 5 0

Re dak tion : A lle für die Redaktion bestimmten Mitteilungen und endungen werden an Geh. Studienrat Dr. P. B o d e , Frank- ,irt a. M., Hermesweg 34, erbeten.

: Anmeldungen und Beitragszahlungen für den Verein (5 Mk. Jahresbeitrag) sind an den Schatzmeister, Professor P r e s l e r in Hannover, Königswortherstraße 47, zu richten.

Rodaktl

»er M a

V r L i l :

Verlafl: Der B e z u g s p r e i s tfir den Jahrgang von SNummern ist 4 Uk. pränum., für einzelne Nummern 60 P f. Die Veroins- raitglieder erhalten die Zeitschrift k o sten lo s; frühere Jahr­

gänge sind durch den Verlag bez. eine Buchhdlg. zu beziehen.

A n z e i g e n kosten 2 6Pf. fü r d ie s-g esp . N onpar.-Zeiie; hei Aufgabe halber od. ganzer Seiten, sow ie bei W iederholungen Ermäßigung. — BeOagegebührcn nach Uebereinkunft.

Nachdruck der einzelnen Artikel ist, wenn überhaupt nicht besondere ausgenommen, nur mit g e n a u e r Angabe der Quelle und m it der Verpflichtung der Einsendung eines Belegexemplars an den Verlag gestattet.

Inhalt: An unsere Mitglieder und Freunde! (S. 1). — Nachruf Geh. Studienrat Dr. P a u l B o d e f (S. 2). — Stellung und Aufgaben des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts. Betrachtungen zu den Thesen des Vereinsvorstandes vom 7. Oktober 1916. Von A u g u s t M a u r e r in Wiesbaden (S. 2). — Vom Geiste des naturwissenschaftlichen Unterrichts. Von Prof. Dr. B a s t i a n S c h m i d in München (S. 12). ■— Der Fllipscnzeichner. Von Gg. H e i n r i c h in Augsburg (S. 16). — Betrachtung der Kurven zweiten Grades ohne Drehung des Koordinatensystems. Von P. K i e s l i n g in Bromberg. (Sehlul) folgt). (S. 17). — Drei weitere Beweise für den Lehmus-Steinerschpn Satz: ein Dreieck mit zwei gleichen 'Winkelhalbierenden ist gleichschenklig. Von Prof. Dr. B ü c k i n g in Metz (S. 21). — Tri­

gonometrische Distanzmessung. Von Dr. A l o i s L a n n e r in Innsbruck (S. 22). — Kleinere Mitteilungen- (Nachtrag zu der Herleitung des Satzes über

Von J o s . M o s e r (S. 23). — Zum Satz

Eisenberg, S.-A.] (S. 23). — Aus der Reformbowegung (S. 24). — Persönliche Nachrichten (S. 25). — Büchcr-Rcsprcehungon (S. 26). — Verzeichnis der hoi dem Verlage zur Besprechung eingegangenen Bücher (S. 28'. — Berichtigung (S. 28). — Anzeigen.

ia i vi i o n a u ii u i i n jli i u o i n u v . n \ J ' >' r v r u i i w n u i i g u u -

iber die reziproken Katheten in Nr. (i, Jahrgang XX II, S. 117.

tz von den reziproken Kathetenquadraten. Von L a m p e iu

Jahrgang

An unsere Mitglieder und Freunde!

D ie außerordentlichen S ch w ierigk eiten , die während der K riegszeit überall, nicht zuletzt im Buchdruckergew erbe aufgetreten sind, haben fast alle Z eitschriften gezw un gen , en tw eder den P reis zu erhöhen oder den U m fang einzuschränken. Auch an unsere ..U nterrich tsb lätter' tritt diese N o t­

w en d igk eit heran. Nach Beratung m it unserem verdienten Herrn V erleger w ollen w ir acht Nummern beibehalten, aber zw eim al im Jahre D opp elhefte zu 28 Seiten erscheinen lassen, während d ie übrigen H efte in der früheren Stärke zu 20 Seiten gedruckt werden. Auch inhaltlich soll eine Veränderung angebahnt werden. Ein lebhafter Kampf um die Schule tmd die B ew ertu n g der einzelnen Fächer ist im Gange. W ie w ir schon in unserem V orw ort zum Jahrgang 191G an ged eu tet haben, m üssen w ir alle uns regen , damit unsere für die g e istig e A usbildung unseres V olk es so n otw en digen Fächer keine Einbuße erleiden. In diesem Sinne sind ja auch die V orschläge unserer Frankfurter V er­

sam mlung vom 7. O ktober v. J. zu verstehen. In der ausgedehnten K riegsliteratur sind nun ver­

schiedene Stim m en laut gew orden, die eine Verkürzung der M athem atik zugunsten anderer Fächer fordern. Solchen für die G esam theit unseres B ildu ngsw esen s schädlichen V orschlägen m uß m it aller E nergie en tgegengetreten w erden. D eshalb sollen im neuen .Tain-gang besonders die K riegs­

literatur besprochen und A ngriffe gegen unsere Unterrichtsfächer sachlich zurück gew iesen w erden.

H ierzu bedürfen die H erausgeber der M ithilfe unserer M itglieder. W ir b itten deshalb unsere Leser, uns auf solche L iteratur aufmerksam zu machen und w om öglich selber gleich in dem oben an ge­

deuteten Sinne eine B esprechung vorzunehmen. D ie betreffenden W erk e können den Herren auf ihren W unsch auch zugesandt werden.

Um die M itglieder, denen je tz t die persönliche Berührung durch unsere H auptversam m lungen fehlt, über Veränderungen im Personalbestände zu unterrichten, ist w eiter beschlossen worden, in diesen Blättern eine A bteilun g ..Personalien1' einzurichten. Auch hierzu erbitten w ir die M ithilfe

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ÜNTKRIUC' 11TSH LÄTTEti. Jah rg . X X III. No. p .

aller,u n serer M itglieder aus Nord und Siid, aus Ost und W est. D ie ..Personalien" sollen die Ver­

änderungen. in den Verhältnissen 'der M athem atiker, P hysiker, Chemiker. B iologen im d'G eographen auf' U niversitäten'nigd Schulen zur K enntnis bringen.

W ir denken, d iese Einrichtung auch nach dem K riege beizubehalten und holten,„.daß w ir dann w ieder die „U nterrichtsblätter“''Mn dem selben U m fang w ie früher erscheinen lassen können.

Für d en V or st a nd : Die S chr if tieit ung:

F r . P o s k e . P. B o d e . K. S c h w a b .

Geheimer Studienrat Dr. Paul Bode f

D ie vorstehende, von Herrn Geheimrat B o d e verfaßte und m itunterzeichnete M it­

teilung- war bereits zum Druck gegeb en , als uns die Trauernachricht zuging, daß der verehrte Mann am 7. Februar, früh Sl /2 Uhr, von seinem langen, schweren Leiden durch den Tod erlöst w orden ist.

P a u l B o d e hat dem Vorstande se it dem Jahre 1910 angehört. Sein auf ideale Z iele gerichtetes, doch stets das Erreichbare ins A u ge fassendes D enken, seine v ie lse itig e Lebenserfahrung, sein abgeklärtes U rteil haben dem Verein in dieser Z eit reichen S egen gebracht. Er war durchdrungen von dem W ert des m athem atischen und naturw issenschaft­

lichen U nterrichtes für die. E rziehung unserer J u g e n d ; bis in seine letzten T age ist er darum b esorgt g ew esen , daß dieser W er t auch in Zukunft unserem Vaterlande unverkürzt zugute kom m e. Trotz seines leidenden Zustandes h atte er, einer früher gegebenen Zusage treu, die Sch riftleitu ng der U nterrichtsblätter vor einem Jahre übernommen. In w elchem Sinne er dieses A m t führen w o llte, hat er selbst in Nr. 1 des letzten Jahrgangs, und von neuem in der vorstehenden M itteilung dargelegt. D ie Zeitverhältnisse hatten ihm noch nicht vergönnt, seine A bsichten voll zu verwirklichen. Hier, w ie in den O bliegenheiten des Vorstandes werden w ir in Zukunft seine M itarbeit und seinen bewährten T? nt aufs schm erzlichste verm issen. E r wird uns immer unvergeßlich bleiben.

Für den V o r s t a n d : D i e Schriftleitung:

F r . P o s k e . K. S c h w a b .

S tellu n g und A ufgab en des m a th em a tisch - n a tu rw issen sch a ftlic h en

U nterrichts.

Betrachtungen zu den Thesen dos Vereinsvoi-stands vom 7. Oktober 1916.

Von A u g u s t M a u r e r (Wiesbaden).

D ie folgenden Betrachtungen sollen einige nähere A usführungen zu den L eitsätzen bringen, w elch e am 7. O ktober 1916 im Vorstand des V ereins beraten und festg este llt w orden sind (vergl. 1916, S. 123). W e r die B estrebungen v er fo lg t hat, die se it einer Reihe, von Jahren auf die H ebung der S tellu n g unsrer Fächer im U nter­

richt der höheren Schulen verw andt w orden sind, w er g le ich ze itig erkannt hat, w ie diese H ebung der äußeren S tellu ng getragen war von einer außerordentlichen A rbeit um die sachliche und m ethodische V ertiefun g des G egenstands, dem w erden die L eitsätze nichts eigen tlich Neues g esa g t haben. D ennoeli w ar es notw en dig, daß der V erein in kurzer und m öglichst prägnanter

Form durch eine K undgebung seines Vorstands erneut auf die S tellu ng, die A ufgabe und damit auf die B edeutu ng der m athem atisch-naturwissen­

schaftlichen Fächer h inw ies. Es werden ja m itten in dieser schw eren Z eit kaum Fragen unsres geistig-k ultu rellen Lebens lebhafter erörtert w ie E rziehungsfragen. Trotz der N o t der Gegenwart schaut man im deutschen V olk e in die Zukunft und b ereitet die W e g e zu einer neuen E n tw ick ­ lung vor. TJnd da kann es wiederum nicht überraschen, w enn gerade die Fragen im V order­

grund des Interesses stehen, d ie von der rechten E rziehung des kom m enden G eschlechts reden, damit. D eutschland noch besser gerü stet und ge- kräftigt den Kam pf um seine G eltung in der W e lt w eiterführen kann. Kurz vor dem K rieg ist durch den B eschluß des deutschen Lehrer­

vereins in K iel die Frage der Einheitsschule lebend ig gew orden, m itten im Krieg- hat sich der deutsche A usschuß für Erziehung und U n ter­

richt konstituiert (siehe 1916, S. 73), überall

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1917. No. l/~2. S t e l l u n g u n d A u f g a b e n d e s m a t h k m . - k a t u b w i s s e x s c i í a f t l , U n t e r r i c h t s . S. 3.

sind die Spezialvereine m it neuen V orschlägen zur A enderuug des höheren Schulw esens hervor­

getreten , in breiteren Ausführungen haben zahl­

reiche P äd agogen und V ertreter von Berufs- kreisen ihre M einung geäußert (Sam m elw erke von N o r r e n b e r g , W y c l i g r a m ) , in Zeitungen und Zeitschriften werden die B erech tigun gs­

fragen, S to fflich es und M ethodisches, Z iele und A ufgaben b eh a n d elt: kurz es herrscht im päda­

gogischen W alde lebhafte B ew eg u n g in allen Z w eigen und W ip feln . So w ar es ein Gebot sehulpolitischer A chtsam keit, daß der V erein als berufener V ertreter der m athem .-naturw. Fächer noch einmal zusam m enfaßte, was er zur B e ­ gründung ihrer B edeutung im U nterricht zu sagen hatte.

Für kein Fach schien es freilich im A ugen ­ blick w en iger n otw en d ig, w eil die ungeheure B edeutu ng der M athem atik und der N aturw issen­

schaften in diesem K rieg so deutlich in die Augen springt. E s bedarf keiner Ausführung, um zu zeigen, daß der K rieg nur gew onnen werden kann von einem V olke, dessen W affen auf der H öh e der m odernen Technik stehen. Und das ist nur m öglich, wenn in ihm die W issenschaften blühen, die die Grundlagen der Technik sind.

A ber nicht das so llte der Z w eck der Kund­

gebung des Vorstands sein, hervorzuheben, w as vor allei' A ugen lie g t. W oh l steh t d ie P flege der M athem atik und der N aturw issenschaften in engstei' B eziehung zur „künftigen W ohlfahrt unsres V o lk es“ (T hese l) . D ieser Zusam menhang so llte aber aus der B edeutung dieser W issen ­ schaften für die erzieherischen Aufgaben der Schule g efo lg e rt w erden. Es so llte nicht einem billigen U tilitarism us g eh u ld ig t werden durch den H in w eis auf den unm ittelbar praktischen N utzen, sondern es so llte die rein g e istig e Kraft für unser D enken und W ollen , unsre Erfahrung und Erkenntnis hervorgehoben werden, die m it dem B etrieb der mnth.-naturw. Fächer verbunden ist. und die sie zu einem unentbehrlichen B e­

standteil der Erziehung machen.

Fs ist der hum anistische Gedanke der har­

monischen A usbildung der g eistig en Kräfte im Zusam menhang mit dem Leben der G egenw art, der für uns m aßgebend sein muß. Stau hat früher für die so g . G eistesw issen seh aften , ins­

besondere die alten Sprachen, die Erziehung zu einer idealen Lebensauffassung in Anspruch g e ­ nommen und sich gern vornehm von allem „R ea­

lism u s“ abgew andt. Mit der U nkenntnis des inneren W esen s der m athem. W issenschaften, die noch einen O s k a r J ä g e r auszeichnete, sah man in ihnen nur den praktischen Nutzen oder aber man h ielt sie in ihrer A bstraktheit für die M enschheitsbildung für w ertlos und nur einzelnen besonders dafür beanlagten K öpfen zugänglich.

Und auch heute ist dieser Standpunkt noch nicht vollkom m en überwunden, und jedenfalls

b esteh t das B edenken, daß M athem atik und N aturw issenschaften die Nährmutter eines R ea­

lismus seien, der auch zum ethischen M aterialis­

mus führe. H at doch noch eben der Gym nasial­

direktor L ü c k auf der 12. Jahresversam m lung der Freunde des hum anistischen Gymnasiums die A lternative zw isch en einer „allgem ein m ensch­

lichen B ild u n g auf gesch ich tlich er G rundlage“

und einer mehr „ein seitig technischen B ild u n g “ stellen zu müssen geglaub t. Nun fällt d ie Zeit des philosophischen M aterialismus der B ü c h n e r , M o l e s c h o t t , V o g t in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts, als noch die G ebildeten das hum anistische Gymnasium durchliefen. U m ­ gek eh rt fällt der B egin n eines N eu-Idealism us in Deutschland in d ie Z eit des g ew a ltig ste n A uf­

schw ungs der N aturw issenschaften. D ie g eistig en Ström ungen einer Z eit em pfangen ihre R ich ­ tung also von ganz andren Ursachen, sie sind viel w en iger das E rgebnis des Schulunterrichts als der inneren E n tw ick lun g, w elch e das D enken eines V olk es aus der G esam theit seiner Kultur gew in n t. Daß an dieser in der G egenw art die Naturw issenschaften den hervorragendsten A nteil haben, kann nicht geleu gn et w erden. A us ihnen ist gerade die U eberw indung des naiven M ateria­

lism us und jen e auf K a n t fußende philosophische Auffassung h ervorgegangen, die von der Erfahrung ausgeht und zu gleich die reine Erfahrung über­

w indet. Insofern der m athem .-naturw. U nter­

richt dem Gang der W issen sch aft zu folgen hat, war es daher durchaus statthaft, ihm die A uf­

gabe zuzuw eisen, eine p hilosophische V ertiefung

„in der R ichtung auf eine idealistische W e lt­

auffassung“ b ew irken zu helfen (These 10).

E ine dem G ebiet der E rkenntnislehre (L ogik) angehörende B ildu ng b ew irken aber unsre W issen ­ schaften schon in dem elem entaren Unterricht.

D ie T hese 1 w ie die These 6 und 7 w eisen darauf h i n : D ie A nschaulichkeit des D enkens und die P fleg e der S elb sttä tig k eit der Schüler!

W er an Schulen zu unterrichten hat, w o die logisch e B ildu ng in erster L inie dem gram m ati­

schen B etrieb des Latein entspringt, w ird bei dem Beginn des propädeutischen G eom etrie­

unterrichts in Quarta eigen artige Erfahrungen machen können. Aus einer klar angeschauten Sache aus eigen er K raft S chlüsse zu ziehen, scheint dem Schüler fast unm öglich. S eine D enk- tätigk eit war seith er vorw iegen d eine analy­

sierende. A usgangspunkte für sie bild eten sprach­

liche K ategorien, R egeln, Form eln, die erst angeeignet sein m ußten, um sie auf gegeb en e F älle anwenden zu können. Aus sprachlichen G esetzen, die sozusagen a priori für ihn fest­

standen, war er gew oh n t, deduktiv den g e ­ gebenen Fall zu behandeln. Am lieb sten bringt er daher auch in der G eom etrie gleich ein B e ­ griffsw ort, dem er die A ufgabe glaubt unter­

ordnen zu können, und er ist erstaunt, wenn

Í!

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U NfTERB ICHTSBLÄTTEK. Jah rg . X X III. No. 1/2.

ihm in der geom etrischen Anschauung langsam die M öglichkeit, einleuchtet, von ihr aus zu w eiteren V orstellungen und allgem ein g ü ltigen Sätzen aufzusteigen. Es feh lt ihm eben die induktive A rt des D enkens, die von Tatsachen zu Anschauungen und V orstellungen gelangt.

Und dem entsprechend ist er auch in seiner sprachlichen D arstellun g g en eig t, neue Begriffs- w orte v orw eg zu bringen, in der M einung damit das Ziel erreicht zu haben; eine einfache, ent­

w ickelnde D arstellung lie g t ihm ferner, und w ird auch leid er im deutschen U nterricht insbesondere im A ufsatz zu w en ig g ep flegt, w eil die Themata sich noch im m er gern in A bstraktionen b ew egen, Die zu unwahren Erfindungen oder zu W o rt­

m acherei verführen. H ier b ild et der geom etri­

sche U nterricht eine w ertvolle Propädeutik der induktiven L ogik . W enn er früher einen solchen E rfolg nicht im mer geh ab t hat, so la g das nur daran, daß man das System des E u klid zur Grundlage des U nterrichts m achte, an S telle einer gen etisch -p sych ologisch en M ethode der A n­

schauung. Auch die Naturbeschreibung in den Unterklassen b ild et die Anschauung aus, aber sie ist doch nicht im Stande ein strengeres logisch es D enken zu en tw ick eln , w eil sie zu w en ig a llg e­

m eine Schlußfolgerungen zu ziehen gestattet, ohne den Tatsachen G ew alt anzutun. Auch die Erdkunde versäum t leider noch vielfach die A uf­

gab e, ein auf Tatsachen beruhendes anschauliches D enken zu pflegen. S ie b eg eh t den groben m ethodischen F ehler schon fast im A nfang des U nterrichts die T h eorie des K opernikus zu bringen, eine w issenschaftliche Errungenschaft also v o rw eg zu nehmen, um die die M enschheit Jahrtausende gerungen hat. T heorien stehen am Ende des in­

duktiven D enkens. D er U nterricht m üßte es streng verm eiden, eine so w eltb ew egen d e Theorie in den A nfang zu stellen und damit geradezu den W e g zur B eobachtung der W irk lich k eit zu versperren.

D ie Bedeutung des induktiven D enkens in der G eschichte der m enschlichen W issen sch aft b eleuchtet ja schärfer w ie alles andre die W ich ­ tig k e it des m ath.-naturw. U nterrichts. Kein P hysiker w ird in der Dynam ik an der E n tw ick ­ lu ngsgeschichte der Gedanken G alileis Vorbei­

geh en dürfen, w enn er nicht b loß G esetze und F onn ein lehren, sondern aufzeigen w ill, w ie diese gefunden w orden sind und w elch e B edeutung ihnen in unsrer Erkenntnis zukom m t. Warum A ristoteles, der g e w iß ein M eister der L ogik war, zu ganz andren und augenscheinlich falschen p hysikalischen Anschauungen kam, warum die Er­

kenntnis der M enschheit b is zu G alilei sozusagen still gestanden hat, das muß der Schüler an klaren B eisp ielen erkennen. Er muß es erleben, daß der K ernpunkt der induktiven M ethode, die sieh der M enschheit erst nach langem Streben enthüllt hat, darin lie g t, daß die S ub jektivität

des Forschers nicht ausgeschaltet, aber doch voll­

ständ ig neutralisiert wird. An dem einzigen Satz von dem Beharrungsverm ögen muß ihm die überragende B edeutu ng des. Galilei sehen D enkens klar w erden, und er muß spüren, w ie in diesem scheinbar so trivial klingenden Satz die ganze Mechanik verborgen war, die dann in rascher F o lg e durch G alileis N achfolger en tw ick elt w erden konnte. Und es ist g ew iß n ich t zu kühn, zu der logischen S eite auch die ethische hinzu­

zufügen. D ie Selbstverleugnung, die von dem Forscher in der gänzlichen H ingabe an das Ob­

je k tv e r la n g t w ird, die Aufhebung des E goism us, die sittlich e W irk u n g der absoluten W ah rh aftig­

k eit auch da, w o liebgew onnene V orstellungen aufgegeben werden müssen, das gan ze Streben nach W ahrheit, w ie es die reine Induktion dar­

stellt, dies alles muß im Schüler in sittlicher Nachem pfindung lebendig werden.

Indem das m enschliche D enken von den Tatsachen zu V orstellungsgruppen au fsteigt und schließ lich zu Theorien, w ird erkannt, daß sich in uns ein B estreben findet, die F ü lle der E in zel­

erscheinungen zu einer E in h eit zu verbinden.

Von der A npassung unsrer Gedanken an die Tatsachen redet M a c h , um gekehrt sind wir nicht im Stande die Tatsachen anders zu b ew äl­

tigen . als indem w ir sie unsren Gedanken unter­

ordnen, die w ir uns von ihnen machen. F reilich d iese Gedanken sind kein reines D enken, wir haben es endlich gelernt, daß das reine Denken ohne A nschauung leer is t und k eine Erkenntnis schaffen kann. E s handelt sich vielm ehr um eine g e g e n se itig e B efruchtung von Anschauung und D enken, und es ergibt sich, daß es eine rein em pirische W eltauffassung nicht geb en kann.

A lles D enken strebt zur A ufsuchung des G e­

m einsamen. Dazu kom m t die F ä h ig k eit des m enschlichen G eistes zu Grenzbetrachtungen, die Uber das sinnlich W ahrnehmbare und H erstell­

bare hinaus gehen. Erfahren ist W ahrnehmen plus D en ken: zu dieser erkenntnistheoretischen Lehre führt der physikalische und chem ische U nterricht. .,Das is t eine m iserable E m pirie, die sich n ich t zum philosophischen D enken er­

h eb t“ (Feuerbach) und das ist ein m iserabler U nterricht, der dem Schüler nicht in der Stu fen ­ leiter Tatsache, Anschauung, Theorie die B e ­ deutung des D enkens in der Erkenntnis ver­

ständlich macht.

E s g ib t kein erhabeneres B eisp iel, um den Zusammenhang von Sein und Denken, das A uf­

steigen von der „B eschreibung“ zur „Erklärung“

verstehen zu lernen, als die E n tw ick lu n g des astronom ischen W eltb ild s von Hipparch und P tolem äus zu Kopernikus mul K eppler, ein B e i­

sp iel, das schon von W h ew ell in seiner G eschichte der induktiven W issen sch aften angeführt wird.

Aus einer Jahrtausende umfassenden A rbeit eif­

riger B eobachter und D enker war eine B e-

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1 9 1 7 . N o . 1 /2 . ST E T.r/r.vo u n d Au f g a b e n d e s m a t h e m.-Na t u r w i s s e n s c h a f t!,. Un t e r r i c h t s. S . 5 .

Schreibung der B ew eg u n g von Sonne, Mond und schließ lich auch der Planeten hervorgegangen, die in ihrer quantitativen A usgestaltun g auch eine ausreichende V oraussage der S tellu n g der H im m elskörper erm öglichte. D ie B eobachtungen waren schließ lich zu einer T heorie zusammen­

g efa ß t worden, der epicyklischen Theorie der P lan eten bew egun g, d ie einen hohen Grad der V ollkom m enheit erreichte. A ber der immer deut­

licher w erdende M angel an Einfachheit m ußte die G eltung dieser T heorie und ihre W ahrschein­

lich k eit zw eifelh aft machen. Und was war der lo g isch e F ehler in dem m it so groß em Scharfsinn en tw ick elten System ? Z w ei V oraussetzungen, deren aprioristische N atur nicht erkannt worden w ar und an denen zu rütteln niemand g e w a g t hatte. Einm al die Annahme, daß die Erde im M ittelpunkt des Fixsternhim m els stünde, und dann d ie Annahme, daß sich die Planeten nur in der „vollkom m ensten“ Bahn, in Kreisbahnen, bew egen könnten. W ie nahe war doch schon Hipparch in seiner T heorie der Sonnenbew egung den K epplerschen Gedanken gekom m en, mit w elcher G enauigkeit waren von Ptolem äus die relativen Radien der Planetenbahnen bestim m t w orden. A ber d ie Induktion w ar kein e reine, vorausetzungslose gew esen , daher das falsche W eltb ild . Solche und ähnliche G edankengänge aber erlebt der Schüler in zahlreichen G ebieten des U nterrichts. W o sich irgend eine U nklar­

h eit zeig t, m üssen die Grundlagen des U rteils nachgeprüft w erden. D ie Physik und in sbe­

sondere die Mechanik b ietet da w undervolle B eisp iele einer vorsich tig w ägenden, das eigne U rteil bildenden m ethodischen Erziehung. Und wenn nur im mer scharf die hypothetischen E le ­ m ente der E rklärung von den tatsächlichen der Beschreibung getrennt und deutlich als solche charakterisiert w erden, muß der U nterricht zu einer E inführung in die L o g ik w erden, w ie sie besser nirgends g e le is te t w erden kann. D er rein analysierenden D en karbeit des Sprachunter­

richts steh t hier als K om pensation eine synthe­

tisch e D enkarbeit gegenüber, d ie vor allem den Erfolg hat, den Schüler zur S elb sttä tig k eit des A rbeitens und D enkens anzuleiten. E r m uß erst die Grundlagen seines U rteils in den gegebenen Tatsachen prüfen, ehe er es ausspricht, er muß sich die relative oder absolute V ollstän d igk eit seiner Induktion vergegenw ärtigen, ehe er ver­

allgem einernde G esetze au fstellt, er muß sich schließ lich der hypothetischen E lem en te seines D enkens b ew u ß t b leiben, w enn er die G esetze zu einer T heorie zusam menfaßt. Und man b e­

denke nur, wie. im bürgerlichen L eben durch die m angelhafte Nachprüfung und das V erallge­

m einern eines V organgs so o ft V erwirrung an­

gerich tet wird, um den W er t der mathern.- naturw. B ild u n g in formaler H in sicht recht zu Würdigen. Eine rein form ale L ou ik kann hierzu

nicht verhelfen, Weil sie nur Form en des D enkens lehrt ohne Inhalt. A ber insofern die L ogik , w ie W u n d t sagt, ihre A ufgabe in der E n tw ick ­ lung der Grundlagen und M ethoden der w issen ­ schaftlichen Erkenntnis sehen m uß, b ild et der m athem atisch - naturw issenschaftliche U nterricht die b este Propädeutik zu logisch em Denken.

Den rechten N utzen gew äh rt dieser U nter­

richt freilich erst dann, wenn er überall auf der S elb sttä tig k eit der Schüler begründet w ird. Und diese ist (T hese 6) in noch stärkerem M aße w ie seith er zu pflegen. Im U nterricht selb st is t das, wenn das Tempo n ich t gar zu langsam w erden soll, nur in beschränktem M aße m öglich, w ie in jedem anderen U nterricht auch. Immerhin muß sich auch hier die b loß e D em onstration der M itw irkung der Schüler versichern. A ber es feh lt doch oft genug, selb st b ei der besten V or­

bereitung des Lehrers — ohne die hier über­

haupt n ichts erreicht wird — die rechte M uße, einer Erscheinung gründlich n ach zudenken; die Kurzstunde hat hierin geradezu verheerend g e ­ w irk t. W enn daher die T hese f> erneut auf die Ergänzung des U nterrichts durch praktische B e ­ tätigu n g der Schüler, insbesondere auch in Schülerübungen h inw eist, so w ird damit nur b etont, w as se it einer R eih e von Jahren im Vordergrund der Unterrichtsm ethode gestanden hat. „L eam by d oin g“ is t ein Satz des prak­

tischen Unterrichtsverfahrens, der sich auch in D eutschland immer mehr durchgesetzt hat, dessen allgem einer Durchführung freilich noch erheb­

liche S ch w ierigk eiten gegenüberstehen.

A ber w ir haben einen G egenstand, w o die S elbstarbeit der Schüler in der glänzendsten W eise gefördert und damit die h öch ste Freude eignen Suchens und eignen E rfolges b ew irk t w erden kann. D as ist die M athem atik. Seitdem man angefangen hat, auch d ie M athem atik in ­ duktiv zu behandeln, seitdem man den m athe­

m atischen L ehrstoff in Aufgaben faßt, zu deren L ösung eine unbem erkte Führung des Lehrers hinleiten m ag, is t d ie alte S age von dem b e­

sonderen Talent, das d ieses Fach erfordere und es zu einem Spezialfach für abstruse K öpfe mache, geschw unden. D ie lateinische Grammatik hat heilte im Ansehen der Schüler einen schwere).

K onkurrenzkampf g eg en die G eom etrie zu b e­

stehen, w enn der Lehrer es einigerm aßen ver­

steht, sich gleichsam m it den Schülern auf die Schulbank zu setzen und m it ihnen zu suchen und zu arbeiten. Dann m ag er zum Schluß die Führung in der A ufstellun g des S ystem s w ied er übernehmen, obw ohl auch in den Oberklassen besonders g ee ig n ete K apitel in ihrem m ethodi­

schen Aufbau durch die Schüler selb st in m athe­

m atischen A ufsätzen zur D arstellung gelangen sollten. Da w ird dem Schüler ein unvergleich­

lich klarer E inb lick in den Aufbau eines System s erw eck t w erden können und in den A nteil, den

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S. 6 . tjNTEERlOHTSBLÄTTKR..

dabei der m enschliche G eist hat. W issenschaft, d. i. zu einer E inh eit verbundenes W issen , kann niem als b loß das E rgebnis der reinen Erfahrung oder auch nur des analysierenden D enkens sein.

In jeder W issen sch aft ist ein aufbauendes, ein schöpferisches Prinzip enthalten, das im den­

kenden und forschenden Subjekt gegeb en ist, A ber hier berührt sich das logisch e durch Mathematik und N aturw issenschaften gew on nene Verständnis b ereits m it dem erkenntnistheore­

tischen.

Auch die These 7 betont die Erziehung zu selbständigem D enken im Anschluß an die T at­

sachen. Sie sieht die G elegen h eit dazu gegeben, wenn in der Mathematik die formalen H ebungen zu Gunsten der A nw endungen zurück treten. In der Tat, nichts kann die Freude an dem Erwerb des W issen s mehr erhöhen als die Erkenntnis, daß es dazu dienen kann, w ertvolle Aufgaben der Praxis zu lösen. Man kann von der Jugend nicht, den Sinn für sp ek ulative Interessen er­

warten w ie von dem Erwachsenen. Sie steht der umgebenden W elt der realen D in ge noch mit hoher Erw artung gegenüber und erfaßt jed e M öglichkeit, sie zu m eistern, m it reinem Eifer.

Die B eton u ng der A nw endungen in der M athe­

matik ist also w e it entfernt davon, b loßen Niitz- liehkeitserw ägim gen Rechnung zu tragen. Auf ­ gaben aus der angew andten M athematik tragen vor allem das w ertv o lle M oment in sich, daß die gegebenen Größen entw eder selbst gefunden oder w en igsten s einer D isk ussion unterzogen werden m üssen, eh e sie b enutzt werden. E in Ueberm aß von formalen U ebungen führt zur gedankenlosen B enutzung einer A ufgabensam m ­ lung, konkrete A ufgaben dagegen stellen den Schüler voi^ Tatsachen. Es ist sogar w ünschens­

w ert, dem Schüler die F rage zuzuschieben, w elch e G rößen er braucht und w ie er sie zu beschaffen verm ag, um eine Aufgabe zu lösen. In dieser Bezieh un g sind ja schon lan ge w ertvolle A n­

legun gen ergangen, ohne daß sie durchgängig E rfolg gehabt hätten. W ährend die P hysik sich aus der technisch-praktischen mehr nach der w issenschaftlich-logischen S eite en tw ick eln nitiß, bedarf u m gekehrt die M athem atik einer stärkeren B eton u ng der praktischen Anwendungen.

Schon der R echem m terricht b ie te t ja eine Fülle von anregendem Material, worüber der V ortrag von L ö t z b e y e r über die Berück­

sich tigu n g der p olitisch en A rithm etik im Lbiter- rich t vortrefflich orientiert (1 9 1 4 , S. 21). W ir brauchen ja n ich t gleich dem Amerikanism us zu huldigen, von dem uns J. R u s k a , S. S des Jahrgangs 1916 dieser Z eitsch rift eine P rob e gibt.

A ber darin muß man den Genannten beistim m en, daß in den Zahlen des w irtschaftlichen L ebens ein E rzieh un gsm ittel ersten R anges gegeb en ist, das w ir in unsrer theoretisierenden S chulw issenschaft poch viel zu w en ig ausnutzen. Aus L andw irt­

schaft und Industrie, aus Außenhandel und S ee­

schiffahrt, aus S ozialp olitik und V ersicherungs­

w esen, aus Finanz- und Börsenw esen lassen sich U nterlagen für Aufgaben gewännen, die zugleich einen Einblick in unsre V olksw irtschaft gew ähren, der deutlicher w ie lange Betrachtungen unsre S tellu n g in der W e lt b eleuchtet. D er Satz von Benzenberg „Zahlen b ew eisen “ w ird noch lange nicht gen u g für die staatsbürgerliche Bildung der deutschen Jugend benutzt. Und dann das Zahlenreclmen überhaupt m it seinem noch vielfach gedankenlosen Mechanismus an S telle einer Schätzung der Größenordnung, einer rich­

tig en W ertun g der G enauigkeitsgrenze und des F ehlers und einer vernunftgem äßen A nw endung der gegeb en en G r ö ß e n ! Ich brauche nur auf d ie Bem ühungen von A . S c h i i ! k e hinzuw eisen, hierin W andel zu schaffen.

W elch ein prächtiges Material der übrige M athem ätikunterricht aus den Anwendungen g e ­

winnen kann, lehren ja die neueren A ufgaben­

sam mlungen. Es sollten nur noch vielm ehr die Aufgaben aus dem Unteracht, selb st heraus­

wachsen unter B enutzung guter Zusammen­

stellun gen von K onstanten, aus den N aturw issen­

schaften w ie aus V olk sw irtsch aft und Staatsleben.

W ir dürfen hier d ie Bem erkungen zu den Thesen 1, ti und 7 schließ en . D iese sollen b e­

leuchten, welch eine vortreffliche A nleitung zu selbständigem , auf Tatsachen beruhendem D enken der m athem atisch-naturwissenschaftliche U nter­

richt zu geben vermag, ein D enken, das sich zugleich über d ie Tatsachen liinaushebt zu all­

gem ein logisch er B ildu ng und H inlenkung zu dem erkenntnistheoretischen Problem . E s gibt kein Fach des Schulunterrichts, das in dieser H in sicht an die S telle unsrer Fächer zu treten verm öchte. „Daher dürfen M athematik und Natur­

w issenschaften. im H inblick auf die k ün ftige W ohlfahrt unsres V olk es, auf keinen Fall eint Verm inderung der ihnen zugem essenen Stunden­

zahl erleiden. V ielm ehr ist, so w eit d ie im Folgend en au fgestellten Forderungen nicht ohne Stundenverm ehrung durchzuführen sind, eine solche anzustreben“ (T hese 1). D as is t der Kampf um d ie Stundenzahl, der auf allen Seiten g e ­ kämpft w ird. A ber auch heute, im Z e it­

alter der N aturw issenschaft, haben die N atur­

w issenschaften noch im mer die S tellu ng von Nebenfächern im Lehrplan der Schulen ! D aß sie dabei Mühe haben, ihren B ild u n gsgeh alt ordent­

lich heraus zu bringen, lie g t auf der Hand.

Man b ed enke einm al, w ieviel Latein von Sexta an getrieb en w ird und vergleich e damit, die Stundenzahl der N aturw issenschaften, und man vergleich e ferner das Z iel, die K enntnis jen er Sprache, mit dem ungeheuren S toff naturw issen­

schaftlicher Erkenntnis. „W as für eine Kraft selbständiger, nicht b loß-zergliedernder, sondern aufbauender Gedanken könnte aber ausgelöst

Jahrg. X X Ili. No. 1/2.

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1 9 1 7 . N o . l '/ 2 . STJBLUW « UND AUFGABEN DES MATHBM.-XATUKWI.SSENSCHAFT),. UXTKHKICHTS. S . 7 .

werden, wenn P h ysik und Chemie, praktische G eom etrie und A stronom ie, G eo lo g ie und B io ­ lo g ie an S te lle eines T eils der philologischen A rb eit träten, d ie den G eist tö te t, w eil sie ihm keine O bjekte b ie te t, d ie dem Jü ngling am A nfang des 20. Jahrhunderts noch In teresse ab­

n ötigten . D ie Zeiten sind eben andre g e ­ worden, und mil. ihnen müssen sich d ie B ildu ngs­

ziele und B ild u n g sw eg e ändern. In einer zu­

künftigen Reform unsrer Schulen gebührt die erste S orge der F rage naturw issenschaftlicher B ildung. Und w er einm al erkannt hat, w elch eine Schule w issenschaftlichen D en kens die Natur­

w issenschaften sind, den w ird auch das berühm te B eisp iel des 0 . Jägersehen mancipium (servus, famulus usw.) nicht mehr m it solcher Ehrfurcht vor der D enkarbeit der Sprachschule erfüllen k önn en .“ So schrieb ich in Natur und Schule 1906 (S. 37 7 ) und m ußte dafür harte V orw ürfe er­

fahren (M onatsschrift für höhere Schulen 1907, S. 158). D ie m ath em atisch-naturw issenschaft­

lichen Fächer können freilich nicht die sprach­

lich-historische Bildung verdrängen w ollen , am allerw enigsten die K unst der Sprache, die D ich t­

kunst, w ie mir mein K ritiker damals vorwarf.

D ie T hese 2 m it ihrem H in w eis auf die B edeu­

tung von D eutsch, G eschichte und Erdkunde z e ig t ja auch, daß niem and so töricht sein kann, das Feldgeschrei „hie G alilei und N ew ton , hie S ch iller und G oeth e“ erheben zu w ollen . A ber ein e g l e i c h e B ew ertu n g w ie der sprachlich- geschichtlichen B ildu ng muß man der mathema­

tisch-naturw issenschaftlichen B ild u n g zugestehen, wenn man sie einigerm aßen nach ihrer kultu­

rellen und w issenschaftlichen Bedeutung zu w ür­

digen verm ag. D ie T hese und A n tith ese des Herrn L i i c k ist eine ebenso verkehrte Parole w ie die eben genannte. Bei der großen Man­

n igfaltigk eit der Schulfächer sehe ich daher nur eine M öglich keit, dem jugendlichen G eist nach seinen Anlagen und F äh igk eiten g erech t zu werden, das is t die. größ ere D ifferenzierung des U nterrichts nach oben hin durch U nterrichts­

teilung. S ie is t auch eine ganz logisch e F o l­

gerung der Thesen 2 und 5. H ier aber trennten sich die W e g e der Teilnehm er an der V orstands­

sitzu n g des V erein s! —

Ich w en d e mich in Kürze zu den Thesen 2 b is 5. S ie enthalten Forderungen auf V er­

m ehrung der U nterrichtszeit, um am Gymnasium die schon von der U nterrichtskom m ission der G esellschaft deutscher Naturforscher und A erzte konstatierte „klaffende L ü ck e“ im m athem atisch- naturw issenschaftlichen U nterricht zu schließen, oder an den realistischen A nstalten der B io lo g ie zu ihrem R ech t zu verhelfen, im ganzen aber die B ew ertu n g d ieses U nterrichts gegenüber dem Sprachunterricht zu heben. D aß diese W ünsche immer w ied er ausgesprochen w erden müssen, lieg t in der U eb erzengu ng von dem W ert der

m ath.-naturw. Fächer für eine allgem ein m ensch­

liche A usbildung und insbesondere auch der A us­

bildung des W irklich keitssin nes. So lange frei­

lich auf den m eisten Schulen drei frem de Sprachen getrieben w erden, kann an eine V erw irklichung dieser Forderung kaum gedacht w erden. D ie B elastun g des jugendlichen G eistes ist ohnedies schon je tz t eine zu groß e, w en iger w eg en der hohen Stundenzahl des U nterrichts als w egen der V ielseitig k eit desselben. W er früher ein guter Lateiner auf dem Gymnasium war, der war so ziem lich geborgen, ja die F älle waren nicht selten, daß ein Gym nasialdirelttor einem gu ten M athem atikunterricht m it U nbehagen gegen - überstand, w e il er davon eine Abnahm e des In ­ teresses für sein Fach befürchtete. Eine g e w iß nicht nachahm enswerte, aber auch w ied er nicht vollstän d ig zu verw erfende E in seitigk eit, w eil sie dem Schüler eine K onzentration auf ein einheitliches Z iel erm öglichte, die uns leider heute b itter fehlt. Es kann ja kaum noch zu einer V ertiefung in der R ichtung der natürlichen A n­

lagen kommen, und die Freih eit, w elch e jetzt den ReifeprUfungskom m issionen in B ezu g auf die K om pensationsm öglichkeiten bei der R eifeprüfung g esta tte t sind, b ew eist, daß w ir m it unsren Lehr­

plänen auf dem H o lz w e g sind. Dann soll man lieb er schon bei Zeiten kom pensieren, d. h.

differenzieren, dam it der ju gen d lich e G eist seinen Erkenntnistrieb in der R ichtung en tw ickeln kann, die seiner g eistig en F ä h ig k eit lie g t. Denn nur so w ird der heilsam e Z w ang zur A rbeit auch d ie B efriedigu ng und Freude erw ecken, die n otw en d ig sind, w enn der Erkenntnistrieb nicht frü h zeitig durch die täglich e Pensenarbeit erdrückt w erden soll. In B ezu g auf die K em - fächer D eutsch und G eschichte, zu denen auch die Erdkunde m it ihren m annigfaltigen B ezieh ­ ungen sow oh l zur Natur w ie zur Kultur tritt, w ird n ich t leich t m ehr ein S treit unter den ver­

schiedenen R ichtungen der Schulm änner ent­

stehen können, nachdem dieser K rieg uns gelehrt hat, w ie w e n ig d ie P fleg e und Bevorzugung fremder Kulturen unsre S tellu n g in der W e lt gehoben hat. Für d ie staatsbürgerliche E r­

ziehung der deutschen Jugend, für die in erster L inie die G eschichte w ertvolle U nterlagen schaffen w ird, kommt aber auch von den N aturw issen­

schaften d ie B io lo g ie in B etracht (T hese 8), w enn sie die System atik zu Gunsten hygienischer und volk sw irtschaftlich er G esichtspunkte zurück­

treten läßt.

T hese 9. Nun ist der Reichtum der m athe­

m atisch-naturw issenschaftlichen F ächer an w issen ­ schaftlichen Erkenntnissen ein ungeheuer großer und nimm t noch in überraschendem M aße fort­

während zu. U nd hier ergib t sich gegenüber den relativ abgeschlossenen sprachlichen Fächern eine m ethodische S ch w ierigk eit, die n ich t g en u g zu beachten ist, „In der Beschränkung z e ig t

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S . S . U n t e r r i c h t s b l ä t t k k . Ja h rg . X X III. No. 1/2.

sich nur der M eister.“ Eine Schule w issen ­ schaftlichen D enkens sollen M athem atik und N aturw issenschaften sein. D ie M athem atik, die das M uster einer „exak ten “ W issen sch aft ist, muß daher in allen Teilen, die in der Schule geleh rt w erden, diesen Charakter bew ahren. Es kann das n ich t bedeuten, daß sie von Anfang an einen streng system atisch -logischen Aufbau erstrebt. D er U nterricht muß vielm ehr in einer Art U ebereinstinnnung der O ntogenesis und der P h ylogen esis dem E n tw ick lun gsgan g der W issen ­ schaft gerecht zu w erden suchen. D aher denn auch eine geom etrisch e Propädeutik heute wohl allgem ein dem system atischen A ufbau der G eo­

m etrie vorhergeht. Je mehr aber der Inhalt der Schulm athem atik A enderungen erlitten hat — und w ir stehen ja gerade je tz t in dieser B e ­ ziehung in einer lebhaften E n tw ick lu n g — und in den Oberklassen mehr den C harakter' eines A nfangs der höheren M athem atik als eines Endes der Elem entarm athem atik erhalten hat, um so mehr müssen propädeutische Behandlungen an die S te lle system atischer treten. Da ist d ie Ge­

fahr einer oberflächlichen B etrach tun gsw eise vor­

handen, man um geht die S ch w ierigkeiten , w odurch man den kritischen G eist n ich t schult, sondern unterdrückt, und erzeugt dadurch eine g ew isse O berflächlichkeit, die im W idersprach zu der E xak th eit steht, die von der M athem atik gerühm t w ird. Zumal alle Grenzbetrachtungen müssen m it groß er V orsicht ausgeftihrt w erden, was dem Schüler um so schw erer w ird, w e il er die m athem atische A usd ru ck sw eise nur langsam be­

herrschen lernt. An und für sich ist eine mehr propädeutische Behandlung k ein esw egs identisch m it der G esch icklich keit, S ch w ierigk eiten zu um­

gehen, im G egen teil gerade hier müssen P ro­

b lem e deutlich hervorgehoben und die S ch w ierig­

k eiten der L ösung au fg ezeig t w erden, erst dann w ird es statth aft sein, sie durch Beschränkung auf einfachere F älle oder durch die Anschauung zu lösen. D ie E inführung der Infinitesim alrech­

nung, die ja nicht mehr aufzuhalten ist, stellt hier dem Lehrer die A ufgabe, sich m it den Grundprinzipien und der gesch ich tlich en E n t­

w ick lu ng vollkom m en vertraut zu machen, um den U nterrichtsgang in strenger W e ise ohne jed e E rschleichung aufzubauen. Mit. einem E xzerpt aus einem Lehrbuch der D ifferential- und In te­

gralrechnung ist es nicht getan, w enn n ich t ein bedenklicher Mechanismus des D enkens an die S te lle kritischer U eb erlegu n g treten soll. Gerade liier hat sich eine D isk ontin uität (w ie F . K lein sagt) zw ischen Schule und U niversität aufgetan, die ja leider auch an so vielen andren S tellen b esteh t, w eil die U niversität k ein e „pädagogische F ak u ltät“ kennt, w elch e der A usbildung der Oberlehrer, nach der w issenschaftlichen und pä­

dagogischen S eite, dient, so w ie die juristische der A usbildung dev R ichter, die m edizinische

der A usbildung der A erzte und die th eologisch e der A usbildung der G eistlichen. So ist die w issenschaftliche A usbildung des M athem atik­

lehrers vielfach auf einem Fundam ent aufgebaut, von w elchem nicht immer in eigner A rb eit ein U eb ergang zu der Schulm athem atik gefunden w ird. A ußerordentlich verdienstvoll ist daher ein W erk wi e . F . K l e i n „Elem entarm athem atik vom höheren Standpunkt aus“ (L eipzig 1911, in K om m ission bei Teubner), verdienstvoll, aber auch um so n otw en d iger und en tw ick lu n gs­

bedürftiger, als die Aenderung des m athem ati­

schen Lehrstoffs der Prima w esentlich seiner In itiative zu verdanken ist.

A ber nicht allein in der Behandlung der Infinitesimalrechnung darf der U nterricht der w issenschaftlichen S tren ge niem als entbehren.

D asselbe g ilt schon von den E lem enten, so von der Einführung der negativen Zahlen und der A ufstellun g der R echenregeln m it ihnen. D aß es sich bei der Z eichenregel für die M ultipli­

kation negativer Zahlen nur um eine Annahme handelt, die sich als n otw en d ig ergib t, um die alten R echenregeln auf die neuen Zahlen an w enden zu können, sollte dem Schüler deutlich und klar gem acht w erden. Versuche, diese R egel zu b ew eisen , w ie sie im m er w ied er auftauchen, können nur den wahren Sachverhalt verdecken und siud Erschleichungen, die der K ritik nicht.

Stand halten können. S ie aus (« — b) (<j — tI) für den F all zu folgern, daß a und b zu Null w erden, h eiß t übersehen, daß dieses P rod uk t ja den W ert ac. — a db c - \- b <1 nur für den Fall hat, daß a > h und c > </. H ervorgehoben w erden muß n ich t das logisch e, sondern das psych olo­

gische M oment, das unser Denken zw in gt, sich den Dingen anzupassen, deren G esetzm äßigkeit w ir auch über den Bereich der unmittelbaren A nschauung hinaus als bestehend an nehmen (Prin­

zip von der Perm anenz der formalen G esetze;

K lein S. 65).

W as von der Mathematik g ilt, g ilt erst recht von der P h ysik . So h och auch B eobachtung und Experim ent anzuschlagen sind, so muß doch kritische Vorsicht herrschen in den S chluß­

folgerungen, die daraus gezo g en w erden. Es sollten scharf die Experim ente, die einer B estä ­ tigu n g erkannter W ahrheiten dienen, von denen geschieden w erden, die zu W ahrheiten erst hin­

führen sollen. Und hier ist w issenschaftliche B escheidenheit die erste Tugend. E s w äre doch, w ie schon F r . P o s k e in seinem V ortrag „Physik und P h ilosop h ie“ (1 9 1 4 , S. 82) sagt, eine große Selbsttäuschung b ei Lehrern und Schülern, wenn man glaubte, in der Schule d ie G eistesarbeit von Jahrhunderten nachschaffend leisten zu können.

D as w ürde der A chtung vor dieser g ew altigen g eistig en A rb eit nicht gerecht werden und zu einer U eberschätzung der eignen L eistun g führen, die dein Geist der W issenschaft nicht

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1917. J i o . 1/2. Stellu n g und Aufgaben des MATHEM.-NATukWis-sKNscHAFTL. Un t e r r ic h t s, S. 9.

entspräche. E s is t kein Z w eifel, daß die Schüler- Übungen dieser Gefahr w ohl nicht im mer ent­

gangen sind. A lso Strenge in der Methode, scharfe H erausarbeitung dessen, w as das E xp eri­

m ent zur Erforschung eines T atbestands oder zur b loßen B estätigu n g eines bereits erwarteten Er­

geb n isses b eiträgt. Strenge aber auch in der w issenschaftlichen Behandlung und daher w eise Sich tu n g des ungeheuren Stotl's. Ich verzichte darauf, an einzelnen B eisp ielen das w eiter aus­

zuführen, und w ill nur eins herausgreifen. W ir stellen in der W ärm elehre den Satz auf, daß sich die Gase proportional den Temperaturen ausdelmen und haben doch kurz vorher die Temperaturen den Volumina der Gase zugeordnet.

A lso ein vollstän diger Z irk elsch lu ß ! B aß das Lufttherm om eter Temperaturm essungen erm ög­

licht, ist richtig, die Zuordnung der Temperatur­

stufen zu den entsprechenden Volumina ist aber ganz w illkürlich und beruht led iglich auf U eber- einkunft. D aß gleich en Volumzunahmen auch gleich e Temperaturzunahmen entsprechen, kann dem Schüler hier nicht b ew iesen w erden, darf ihm aber um so w en iger durch fehlerhafte Schlüsse verborgen w erden. E rst durch die U ebereinstim m ung der Tliom sonschen absoluten Skala m it der des Lufttherm om eters kann man schließ lich den Satz von der Prop ortion alität von Tem peratur und G asvolum en aufstellen. Schon das erste H eft der Z eitschrift für physikalischen und chem ischen U nterricht (1 8 8 7 ) brachte über diesen Pun kt einen A ufsatz des für die M ethodik der naturw issenschaftlichen Fächer so erfolgreich tätigen E . M a c h , auf dessen „Prinzipien der W ärm elehre“ hier erneut h in gew iesen sein mag.

U n d n u n d i e S c h u ß t h e s e : „ I n a l l e n Z w e i g e n d e s m a t h c m a t i s c h e n u n d n a t , u n ­ w i s s e n s c h a f t l i c h e n U n t e r r i c h t s i s t a u c h d e r A n t e i l , d e r d i e s e n G e b i e t e n an d e r B e h a n d 1 u n g d e r g r o ß e n W e i t - i m d L e b e n s p r o b 1 e m e z u k o m i n t , z u m V e r - s t ä n d n i s z u b r i n g e n u n d d a d u r c h e i n e p h i l o s o p h i s c h e V e r t i e f u n g d e s U n t e r - n i c h t s i n d e r R i c h t u n g a u f e i n e i d e a ­ l i s t i s c h e W e l t a u f i 'a s s u n g h e r b e i z u f ü h r e n . “ D er Verein hat ja b ereits auf der H auptver­

sam m lung in Jena 19 0 5 und neuerdings in Braun­

sc h w eig 1 9 1 4 die F rage der B ezieh un g des m athem atisch-naturwissenschaftlichen U nterrichts zur P h ilo so p h ie zum G egenstand w ertvoller R eferate gem acht. D as B edürfnis einer p h ilo­

sophischen D urchdringung des U nterrich ts läßt sich auch w ohl in keinem Fach in besserer W eise befriedigen w ie hier, w eil es m öglich ist, den Schüler se lb st an die Prob lem e heranzuführen und nicht b loß das m it ihm zu diskutieren, w as andre über die Problem e g e sa g t haben. Das fo lg t aus dem großen A nteil, den M athem atik und N aturw issenschaften in der neueren P h ilo ­

sophie einnehmen, von denen die erstere als der

„form idable B u n d esgen osse“ für Kant geradezu den B e w eis dafür liefern m nßte, daß im m ensch­

lichen D enken aprioristische E lem ente syn th eti­

scher Natur enthalten seien. Und die Physik b ild et ja — w ie .H e lin h o ltz sagt — die theore­

tisch e Grundlage aller anderen N aturw issen­

schaften, in ihr treten die charakteristischen Z üge der Erkenntnis am stärksten hervor. D er W e g g eh t hier durch die positivistische Anschau­

ung Kirehhoffs, der sich auf die B eschreibung der physikalischen V orgänge beschränken zu müssen glaubte und der daher den B eg riff der Kraft, vollstän dig verm eidet, w om it er übrigens ganz auf dem B oden N ew ton s steht, der in seinem W o rt „hypotheses non fin g o “ ausdrücklich jed e Verm utung a b leh n t, w ie die B ew eg u n g des fallenden Steins oder der H im m elskörper zu Stande käme. A ber wir können nicht anders denken als k a u sa l! Und d ieses K ausalitäts­

bedürfnis hat dann den B egriff der Kraft g e ­ bracht, dessen hypothetische und rein begriff­

liche B edeutung gegenüber der Beschreibung des physikalischen V organgs durch ein G esetz nicht scharf gen u g betont werden kann. W ir sehen schon hier, daß T heorien und H ypothesen selb st philosophische Anschauungen sind, die allerdings nur so w e it für die E inheitsbestrebungen der V ernunft w ertvoll sind, als sie streng sinn­

lichen Charakter haben. D enn w ir können auch nur in sinnlichen Anschauungen denken. Am treu ­ lichsten läß t sich das darstellen an der A tom - tkeorie, w ie denn die ganze E n tw ick lun g dieser T heorie in nuce ein w undervolles Stück p h ilo ­ sophischer Propädeutik bedeutet. D ie A tom e sind uns heute so vertraut, daß w ir ihre hypo­

thetisch e Natur ganz zu übersehen pflegen und sie als Tatsachen nehmen, gerade so w ie die Anziehungskraft, so seltsam verbindet das m ensch­

liche D enken auch in den exakten N aturw issen­

schaften äußere Tatsachen und innere A nschau­

ungen. E s muß daher festgeh alten werden, daß H ypothesen und Theorien nur als Annäherungs­

w erte an d ie W ahrheit angesehen w erden können.

S ie stellen sich, w ie F r. L a n g e sagt, als Stufen in jener unendlichen A nnäherung an die W ahrheit dar, w elch e die B estim m ung unsrer in tellek tu ellen E n tw ick lu n g zu sein scheint. D em Schüler in m oralisierender W eise von den Grenzen unsrer Erkenntnis zu reden, darf aber n ich t das E r­

gebnis solcher B etrachtungen sein. D ie W issen ­ schaft hat vielm ehr nach vorw ärts w ie nach rückwärts eine unendliche A ufgabe in sich, die Grenzen lieg en nur in uns und unsrer Organi­

sation.

Und damit kom m en w ir zur Begründung des W ortes „ id ealistisch “ in der zehnten These.

D avon kann keine R ede sein, daß damit dem U nterricht eine Tendenz gegeb en werden oder er in dem dunklen und faltenreichen G e­

(10)

S. 10.

U NTERRICJITSBLÄTTEß. Jah rg . X X III. No. 1/2.

wand m etaphysischer Betrachtungen sich lieb en s­

w ürdig machen soll. N aturw issenschaft b leib t N aturw issenschaft und ist die le tz te Quelle aller Erkenntnis, die für uns m öglich ist. Nur wenn w ir über die A rt dieser E rkenntnis reflektieren, dann allerdings ergib t sich die vollkom m ene A b ­ h än gigk eit der Erkenntnis von unsrer Organi­

sation. N aturw issenschaft is t praktischer P o si­

tivism us aber theoretisch er Idealism us. H ier steh t die P hilosop hie der G egenw art auf K a n t , und an dessen P h ilosop h ie darf auch der m athem atisch- naturw issenschaftliche U nterricht n ich t Vorbei­

gehen. U nd w enn damit ein W eg w e ise r in der R ichtung einer idealistischen Auffassung der D in ge au fgestellt w ird, so darf das g e w iß nicht bedeuten ein V erw ischen des Grundprinzips aller N aturw issenschaft, daß W ahrheit für uns nur aus der Erfahrung entspringen kann. K ant selb st sagt, darüber klip p und klar: „A lle Erkenntnis von D in gen aus bloßem reinen Verstände oder reiner Vernunft is t nichts als lauter Schein, und nur in der Erfahrung ist W ah rh eit.“ A ber zugleich vergleich t er sein e Tat m it der T at des Koper- nikus, der es g ew a g t habe, die beobachteten B ew egungen nicht in den G egenständen des H im m els, sondern in ihrem Zuschauer zu suchen.

So suchte er das gesam te Erfahrungswissen um­

zukehren durch die Annahme, daß sich unsre B egriffe nicht nach den G egenständen richteten, sondern die G egenstände nach unsren Begriffen.

Daraus fo lg t dann, daß die G egenstände der Er­

fahrung überhaupt unsre G egenstände sind, daß die ganze O b jektivität der W e lt n ich t absolute O bjektivität, sondern nur eine O bjektivität für den Menschen ist.

Das G ebiet, von dem aus man sich dem er­

kenntnistheoretischen Problem auch im Unterricht u nw eigerlich nähert, ist das der Sinnesem pfin- dungen, w elc h e durch das L icht, den K lang, die W ärm e in uns erzeugt w erden. D aß in der W ahrnehm ung einer bestim m ten Farbe oder eines bestim m ten Tons uns etw as ganz anderes gegeben is t als eine W ellen b ew egu n g von bestim m ter Quantität und Art, muß dem Schüler zum B e­

w uß tsein gebracht w erden. D abei is t es zunächst noch durchaus fraglich, ob alle Beschauer eines V organgs d ieselbe Em pfindung davon haben, w eil es b ei der absoluten S u b jektivität derselben ja gar kein M ittel der V erständigung g ib t; es is t vergeblich, die Em pfindung genauer beschreiben oder gar erklären zu w ollen. Auch die U eber- einstim m ung in der sprachlichen B ezeichnung etw a durch das W ort blau oder rot verm ag nichts, da der sprachliche Ausdruck ja in der Verbindung m it einer bestim m ten Em pfindung entstanden ist, ohne jed e K ontrolle darüber, ob von allen m it dem selben W o rt auch dieselbe Em pfindung bezeichnet wird (Farbenblindheit).

W eiter z e ig t das Spektrum und die Tonskala, daß w ir nur einen sehr kleinen A usschnitt aus

der M an n igfaltigk eit der B ew egu n gen in uns als Em pfindungen unm ittelbar erleben. Anders or­

ganisierte W esen würden eine viel reichere F arb en w elt und ganz andere Töne empfinden können. W enn w ir behaupten, daß w ir die D i n g e erkennen, so müssen w ir uns doch klar machen, daß die D in ge selb st n ich t in unsren K opf eingehen, sondern daß von ihnen nur B e ­ w egungen auszugehen scheinen, die als R eize auf unsre Sinnesorgane w irken und schließlich die Em pfindungen bestim m ter E igen sch aften der G röße, Farbe u sw . erw ecken. D ie P h ysiologie der Sinne m ag diese B ew egu n gen verfolgen durch die. Sinnesapparate und die Nervenfasern b is zum Zentralnervensystem . A ber w as zu letzt daraus w ird, ist n ich t w ied er eine B ew egu ng.

M ögen auch die W ellen län gen aufs genaueste gem essen und d ie N ervenschw ingungen quanti­

tativ aufs G enauste bekannt s e in : die Qualitäten der Em pfindungen entstehen in uns. W ir er­

kennen also, so muß der kritische Verstand sagen, die D in g e n ich t w ie sie w irklich sind, w ir kennen nur g ew isse Erscheinungen, die W e lt ist led iglich die W e lt unsrer V orstellung. W ir können nur so eifahren, w ie w ir erfahren, so denken, w ie w ir denken, während anders orga­

nisierten W esen d ieselben D in ge ganz anders erscheinen könnten.

D er Gedanke, daß w ir n ich t im Stande sind die w irk lich e W e lt zu erkennen, sondern nur su bjek tive Erscheinungen von ihr wahrnehmen, ist natürlich nicht spezifisch K antisch. D ie A lt der Weltauffassung', w elch e die p sych ologische A nalyse unsrer Sinnesem pfindungen ergibt, ist schon lange vor Kant in der G eschichte der P h ilosop h ie enthalten. Nur daß d ie erkenntnis- theoretische R eflexion vor Kant hierbei stehen geb lieben ist. Für K ant aber b ed eu tet sie nicht ein Ende, sondern einen A n fan gsein er P hilosop hie.

Zunächst aber w ird die phänom enalistische D en k w eise das G efühl einer großen V erwirrung erw ecken, eine peinliche Em pfindung von etw as, g eg en das sich zw ar nichts einw enden läß t, das man aber auch n ich t glauben kann. Und es w ird n otw en d ig sein, den h eillosen Skeptizism us, der dadurch hervorgerufen w ird, zu überwinden.

A us der E rw ägun g, daß alle Erkenntnis sub­

jek tiv sei, fo lg t n ich t die N otw en d ig k eit, alle ob jektive Erkenntnis aufzugeben. A ls objektiv g e w iß is t vielm ehr anzusehen, w as sich in aller W ahrnehm ung als feststeh en d bew ährt. K enn­

zeichen der ob jektiven G ew iß h eit ist die B e ­ harrlichkeit der W ahrnehm ungen. So kann ich mich der W ahrnehm ung eines G egenstands zwar jeden A ugenb lick ent ziehen, aber ich kann dieW nhr- nehm ung im m er w ied er erm öglichen. D ie „m ög­

lic h e n “ W ahrnehmungen, im G egensatz zu den

„w irk lich en “, sind die wahren „Erscheinungen“ . U ebereinstim m ung der W ahrnehmungen und U eberein Stimmung der W ahrnehm enden sind neben

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