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Unterrichtsblätter für Mathematik und Naturwissenschaften. Jg. 23, No. 4

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Jah rgan g X X III.

U nterrichtsblätter

1917, No. 4

für

Mathematik und Naturwissenschaften.

Organ des Vereins zur Förderung des mattiemntisciien und naturwissenschaftlichen Unterrichts.

B e g rü n d et u nter M itw irku ng von

B ernhard S ch w a lb e

und

F ried rich P ietzk er,

von diesem geleitet bis 1909, zurzeit hcrausgegoben von

P rofessor

K. Schwab,

Oberlehrer an der Kliuger-Oberrealsclmlo in Frankfurt am Main u nter M itw irkung von Dr.

A . M aurer,

Direktor des Kgl. Realgymnasiums in Wiesbaden.

V e r l a g v o n O t t o S a l l e i n B e r l i n W. 5 7 . Redaktion: Alle fach w issen sc h aftl. .M itteilungen und Sendungen

werden an Prof. K. S c h w a b , F ra n k fu rt a. M., G ünthers- b u rg allcc3 3 erb eten . M itteilungen n. Sendungen über Schul- u. U n tcrrielitsreform w olle m an dagegen d ire k t an D ire k to r D r. A. M a u r e r , W iesbaden, R ied e rb erg str. 1, richten.

Verein: A nm eldungen und B e itrag szah lu n g en fü r den Verein (5 Mk. Ja h re sb e itra g ) sind au den S ch atzm eiste r, P rofessor r r e s l c r in H annover, K ö n ig sw o rth erstraß e 47, zn rich ten .

Verlag: D er B e z u g s p r e i s fü r den J a h rg a n g v o n 8 N um m ern ist 4 Mk. p rän u m ., fü r einzelne N um m ern 60 P f. D ie V erein s­

m itg lie d er e rh a lte n die Z e its c h rift k o ste n lo s; frü h e re J a h r ­ gän g e sind d urch den V erlag bez. eine B u c h h a n d lu n g zu be­

ziehen.

A n z e i g e n ko sten 26 P f. fü r die3-gesp. N o n p ar.-Z eile; bei A ufgabe h a lb e r od. g a n z e r Seiten, sow ie bei W iederholungen E rm äß ig u n g . — B eilag e g eb ü h ren nach U eb erein k u n ft.

N ach d ru ck d er ein zeln en A rtik el ist, w enn ü b erh au p t n ic h t besonders ausgenom m en, n u r m it g e n a u e r A ngabe d e r Quelle u n d m it der V erpflichtung d er E in sen d u n g eines B elegexem plars an den V erlag g e sta tte t.

1»lialt; Vereins-Angelegenheiten (S. 49). — Experiment und Analyse in der Pädagogik. Von Prof. Dr.

F. E. S c h u 1 1z c , Privatdozenten an der Universität Frankfurt a. M. (S. 50). •— Ueber die Polaren der Punkte dor Ebene in bezug auf die vier Berührungskreise des Dreiecks. Von Jos. M o s e r in Breslau (8. 58). — Einiges aus dem Gebiete des Pythagoreischen Lehrsatzes. Von Prof. Dr. 0 skar H e r r m a n n in Leipzig-Marienbrunn (S. 60). — Kegelschnitte, die die Seiten eines gegebenen Dreiecks berühren.

Von Oberlehrer Dr. K rusche in Lüben i. Soldes. (S. 61). — Kleinere Mitteilungen: [Die geometrische Aufgabe. Von Oberlehrer Dr. A. K r u s c h c in Lüben i. Schlos. (S. 61).] — Zur Unterrichts- und Schulreform: [ln den „Artilleristischen Monatsheften“ usw. (S. 62). — Englands Kampf u m den natur­

wissenschaftlichen Unterricht (S. 62). — Eine Kundgebung zur Schulreform (S. 63).] — Persönliche Nachrichten (S. 64). — Bücherbesprechungen (S. 64). — Verzeichnis der bei dem Verlage zur Besprechung eingegangenen Bücher. (S. 68). — Anzeigen.

V ere in s-A n g e le g e n h e ite n .

1. D a s P r e i s a u s s c h r e i b e n von 1915.

D ie beiden preisgekrönten A rbeiten der Herren Oberlehrer Dr. S c h m i e d e b e r g und P rofessor Dr. K l a t t sind je tz t, ergänzt durch eine auf den physikalischen U nterricht bezü gliche Abhandlung von P rofessor Dr. " W e t z s t e i n in Buchform erschienen. D er stattlich e Band trägt den T ite l:

D ie B e d e u t u n g d e s m a t h e m a t i s c h e n u n d n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e n U n t e r r i c h t s f ü r d i e E r z i e h u n g u n s e r e r J u g e n d .

(Berlin, Vorlag von Otio Salle, 1917).

Der Ladenpreis beträgt M 4 .5 0 . D en V ereinsm itgliedern steh t das Buch bis zum 1. Januar 191S u n e n t g e l t l i c h zur V erfügung, w enn sie die K osten für V erpackung und V ersendung in H öhe von 55 P fg . auf das P ostsch eckk onto von Otto Salle, Postsch eckam t Berlin Nr. 82 8 8 0 , einzahlen.

Zu dem Z w eck e is t dieser Num mer eine Zahlkarte b eigefü gt.

N eue M itglieder, die b is zum 1. Januar 19 1 8 eintreten, gen ießen die gleich e V ergünstigung.

W ir b itten unsere M itglied er von d ieser M itteilu n g als W erb em ittel recht ausgedehnten Gebrauch zu machen.

2. N e u e s P r e i s a u s s c h r e i b e n .

D er Vorstand des Vereins hat unter Zustim m ung des A usschusses beschlossen, d ie folgen d e neue Preisaufgabe zur Bearbeitung zu s t e lle n :

„Im H i n b l i c k a u f d i e k ü n f t i g n o c h m e h r a l s b i s h e r e r f o r d e r l i c h e A u s l e s e d e r B e g a b t e n e r s c h e i n t d a s R e c h n e n a l s e i n b e s o n d e r s g e e i g n e t e s M i t t e l z u r P r ü f u n g d e r I n t e l l i g e n z d e r S c h ü l e r . E s s o l l d a r g e l e g t w e r d e n , w i e d i e A u f n a h m e p r ü f u n g f ü r S e x t a z u h a n d h a b e n u n d w i e d e r R e c h e n ­ u n t e r r i c h t i n d e n K l a s s e n S e x t a b i s Q u a r t a z u g e s t a l t e n i s t , d a m i t d i e s e s Z i e l i n m ö g l i c h s t v o l l k o m m e n e r W e i s e e r r e i c h t w i r d . “

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S. 50. Un t e r r i c h t s b l ä t t e r. Ja h rg . X X III. No. 4.

Von (len B earbeitern w ird erw artet, daß sie K enntnis von den M ethoden und den E rgeb ­ nissen der neueren B egabungsforschung haben. D ie Bew erbungsarbeiten m üssen in gut. lesbarer Schrift gesch rieben sein und sind bis zum 30. Juni 1 9 1 8 an den V orsitzenden des Vereins (zurzeit P rofessor D r. P o s k e , B erlin-L ich terfeld e W , Friedbergstr. 5) einzusenden. Sie m üssen m it einem K ennw ort versehen s e in ; in einem verschlossenen U m schlag, der m it dem selben K ennw ort b ezeichn et ist, sind N am e und A nschrift des V erfassers anzugeben.

D er P reis b eträgt M 3 0 0 . — . D as V eröffentlichungsrecht g eh t m it der Z uw eisung des P reises an den V erein über.

E in e V erlängerung der A blieferun gsfrist b leib t Vorbehalten. F. P o s k e .

E x p erim en t und A n a ly se in der P ä d agogik .

Von Prof. Dr. F. E. Otto Schultze, Privatdozenten an der Universität Frankfurt a. M.

Tn der m odernen P äd agogik sp ielt der S treit um das Experim ent eine wuchtige R olle. D ie .,U nterrich tsb lätter für M athem atik und N atur­

w issen sch aften “ haben sow oh l angesichts der all­

gem einen pädagogischen B edeutu ng dieser Frage als auch w egen der den N aturw issenschaften innew ohnenden N eigu n g zur experim entellen B e ­ handlung w issenschaftlicher P roblem e ein beson ­ deres Interesse, zum p ädagogischen Experim ent S tellu n g zu nehm en. Von diesem Grundgedanken ausgehend, forderte mich der leid er zu früh ver­

storbene H erausgeber, H err Geb. R at B o d e , auf, m eine A uffassung in diesem S tr eit kurz darzulegen. D en äußeren A nlaß dazu bot. ihm eine R eih e von A ufsätzen im D eutschen P h ilo ­ lo g e n b la tt1. In diesen A rtik eln h at es A r t u r

B u c h e n a u übernom m en, das L ebensw erk M e u m a n n s auf sein e Fruchtbarkeit für die praktische T ä tig k eit des Lehrers zu prüfen. Es is t b ei der augenblicklichen L age der P äd agogik durchaus verständlich, daß B u c h e n a u dieses S ch ulb eispiel p ädagogischen Forschens w ä h lte;

denn M e u m a n n hat durch sein e U ntersuchungen z w e ifello s zu den fruchtbarsten K öpfen auf diesem G eb iete geh ört. E r is t verhältn ism äßig jun g — m it 5 2 Jahren aus einer einflußreichen W irk u n gs­

stä tte durch den T od h erau sgerissen ; die H aupt­

ergeb nisse seines Schaffens sind in einem drei­

bändigen W e r k e 2 v erein igt und außerdem in einem kürzeren B u c h e 3 übersichtlich zusam men­

g efa ß t. W enn man in seiner D arstellun g auch k ein esfalls die E in h eit alles dessen sehen darf, w as d ie V ertreter und Freunde der experim en­

tellen R ich tu n g in der P äd agogik zu ex-reichen wünschen, so is t doch die D en ln veise und das E rgebnis all d ieses Schaffens so w ertvoll, daß es verd ien t, in w e ite ste n K reisen bekannt zu sein.

1 A r t u r B u c h e n a u , Die Bedeutung der experi­

mentellen Psychologie und Pädagogik für den Unter­

richt an den höheren Schulen, 1916 Nr. 41 bis 45.

2 Ernst M e u m a n n , V orlesungen zur Einführung in die experimentelle Pädagogik und ihre philosophischen Grundlagen. Leipzig u. Berlin 1914, 2. Aufl., 3 Bände.

3 E r n s t M e u m a n n , Abriß der experimentellen Pädagogik, Leipzig und Berlin 1914,

E s kann an dieser S telle nicht m eine A ufgabe sein, zu sagen, w as alles auf diesem G ebiete geschaffen w orden ist. Dazu w äre m indestens ein Sam m elreferat von beträchtlichem U m fang n ötig. Nur auf die S toffülle und die M ethoden m öchte ich aufm erksam machen. Man hat die körpei-liche E n tw ick elu n g des K indes so g u t w ie die g e istig e in ihren Phasen und Schwankungen zu bestim m en gesucht, zumal der Einfluß des Schuleintrittes ist. genaueren U ntersuchungen unterworfen worden. D ie einzelnen seelischen Funktionen w ie Aufm ei-ksam keit, W ahrnehmung, Gedächtnis, Phantasie, Gefühl und W ille sind behandelt. An der A ufm erksam keit h at man den U m fan g und ihre Typen (den fluktuierenden, fixierenden, sinnlichen, in tellek tu ellen , statischen dynam ischen Typ und noch andere m ehr!) ab­

zugrenzen versu ch t; das Gedäclxtnispi-oblem ist in zahllose Einzelproblem e von zum T eil g e ­ w altig em Unxfang au fg elö st: V oi-stellungsscbatz, B ehalten, V ergessen, Lernen, R eproduzieren sind dadui-cli viel klarer gesch ied en e B egriffe g e ­ w orden als das früher der F a ll war. D ie P han ­ tasie is t in ihren Beziehungen zur L ü ge und zur S u g g e stib ilitä t geprüft worden. L esen, R ech ­ nen, Schreiben und Zeichnen m ögen nur erwähnt -werden. In den ungeheuer um fangreichen B e- gabxmgsuntersucbimgen b at man zah llose M etho­

den der sogenannten Intelligenzprüfung' m it m ehr oder -weniger G eschick (leider auch n ich t stets m it besondei-s hoher K ritik) ausgearbeitet. S tets aber w ar man bem üht, den Forderungen des natur­

w issenschaftlichen V ersuches zum al in z a h l e n ­ m ä ß i g e n Bestim m ungen gerech t zu w erden. — W enn es auch n ich t gelun gen ist, bereits eine praktische Organisation zu begründen, die das Schulw esen entscheidend b eeinflußt oder gar (un gestaltet hätte, so sind doch die Ei-gebnisse für den Kenner so triebkräftig, daß sie seinen B lick in der Ex-fassung der p ädagogischen P ro ­ blem e ganz -wesentlich geschärft haben. Man sieh t nach eingehendem Studium der experim en­

tellen P äd agogik (z. B . in M e u m a n n s Dar­

stellu n g) am kindlichen D enken und Lernen viel m ehr E igen art und F eh ler, als man son st zu erkennen g e w ö h n t ist, xxnd es gelixxgt einem v iel leich ter, seine B eobachtungen durch b reitbasierte B egriffe zu begründen. So b leib t m eines Er­

achtens das unbestreitbare V erdienst der experi­

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1917. No. 4. Ex p e r i m e n t u n d An a l y s e t n d e r Pä d a g o g i k.

S. 51.

m entellen B earbeitung pädagogischer Problem e bestehen, daß sie uns der w i s s e n s c h a f t - l i e h e n G r u n d l e g u n g d e r P ä d a g o g i k von e i n e r (natürlich nur von dieser einen!) S eite her w e s e n t l i c h n ä h e r g e b r a c h t hat.

A ngesichts eines solchen Reichtum s von F ragen und A ntw orten erscheint es nun ver­

w underlich, daß B u c h e n a u im W esentlichen und, w ie es scheint, en d gü ltig zu einem ab­

lehnenden U rteil kom m t. Das ist grundsätzlich w ich tig , denn er, der historisch G eschulte, b ild et sich nach genauem L esen der M e u m a n n sehen Bücher eine A nsicht, die v ie lfa c h 4 und nicht b loß von Gegnern der experim entellen A rb eits­

richtung g e te ilt w ird.

M it dieser G egenüberstellung sind w ir an den Kern unserer D arstellung herangekom m en;

die G egnerschaft, die die experim entelle P sych o­

lo g ie in den letzten Jahren gefunden hat, greift w eite r auf eine H ilfsd iszip lin der P äd agogik über, w eil diese von jen er ihre N ahrung bezieht.

E s is t darum die A ufgabe des vorw iegen d p sych ologisch orientierten P ädagogen, den S i n n seines A rbeitens darzulegen und so eine V e r ­ s t ä n d i g u n g u n d g e m e i n s c h a f t l i c h e A r ­ b e i t zu erm öglichen. M e u m a n n s Tod b ie te t hierbei zugleich die G elegenh eit, an der Hand einer Charakteristik des Schaffens eines bedeu­

tenden Förderers der P äd agogik den L esern der U nterrichtsblätter den psych ologisch-päd agogi­

schen Standpunkt näher zu führen und sie v ie l­

leich t auch in seinem Sinne anzuregen.

W enn ich nun sage, das, w as B u c h e n a u tadelnd zu sagen hat, is t durchaus richtig, so scheint es, als gäbe ich von m einem Standpunkte aus sofort säm tliche Trüm pfe aus der Hand.

W ie dem sein m ag, auch ich m eine: kein Er­

zieher von warm em Herzen kann m it einer P ädagogik, die da m eint, alle Problem e experi­

m en tell lösen zu können, irgen dw ie neue Grund­

linien aufstellen oder ausgereifte E rgeb nisse von tieferer B edeutu ng hervorzaubern. D as E xp eri­

m ent kann ihn w oh l anregen und interessieren, innerlich w ird er aber der eigen tlich en Er­

ziehungsaufgabe fem b leib en m üssen, zumal, wenn er sich der Täuschung hingibt, daß die experi­

m entelle Forschung in der Hauptsache bereits abgeschlossen ist. D ie Sachlage is t jed och etw as anders, als es zunächst scheinen m ag. Tatsächlich stehen w ir erst im A nfang der experim entellen D urcharbeitung der p ädagogischen P r o b le m e ; und so is t es nicht richtig, die experim entelle A rbeitsrichtung ausschließlich und vor allem nach ihren i n h a l t l i c h e n E r g e b n i s s e n zu prüfen. E s g ib t noch eine andere A rt sie zu w ürdigen und von ihr finden w ir aber bei

4 In den letzten Tagen hat übrigens ein anderer Pädagoge, K a r l M u t h e s i u s , in Weimar sicli in ähn­

lichem Sinn geäußert, ohne dabei M e u m a n n zu nennen (vergl. Hilfe 1917).

B u c h e n a u nichts g esagt. So soll denn vom G e i s t d e r e x p e r i m e n t e l l e n A r b e i t s ­ r i c h t u n g auch endlich einmal die R ede sein.

Man muß jahrelang im K reise der m odernen experim entellen P sych ologen und P äd agogen g e ­ le b t und gea rb eitet haben, damit einem in F leisch und B lu t iibergegangen ist, w as dort W ertv o lles gedacht w ird, und man muß es verstehen, radi­

kalen Vertretern gegenü b er das Gute an jenem D enken in B ezieh un g zu bringen zu dem, was das h istorische D enken der M enschheit gesch en k t hat. Um so dem Sinn der experim entellen Forschung in der P äd agogik gerecht zu w erden, w ollen w ir versuchen, ihre E igen art aus der Er­

ziehungsaufgabe heraus zu verstehen.

D i e S t e l l u n g d e s E x p e r i m e n t e s i n d e r P ä d a g o g i k .

D er Erzieher len k t und führt den Z öglin g auf seinem W eg e , g ib t ihm B eisp iele und W in k e, er erm öglicht ihm, zu guten K enntnissen und G ew ohnheiten zu kom m en und dam it sich zu dem W esen auszugestalten, das er w erden soll.

D er Erzieher b ild et so durch seine Maßnahmen das M ittelglied zw ischen dem jew e ilig e n Zustand des Z öglin gs, und dem Ausbildungszustand, auf den er abzielt. B iologisch gesprochen heißt d a s : Er muß die R eize auswählen, bieten , ab­

stufen und fem halten, auf Grund deren der Z öglin g sich am schnellsten und leich testen in der R ichtung auf das gew ü nschte V ollkom m en­

h eitsid eal hin en tw ick eln kann.

a) B eim Erziehen is t für den E rzieher w issen ­ schaftliche A usbildung nicht n ötig. Wi l l man aber auf w issenschaftlichen Grundlagen erziehen, so braucht man eine Anzahl von allgem einen B egriffen und Sätzen. Man muß die Tatsachen des seelischen Lebens keimen, sow oh l w ie es sich im einzelnen Fall g esta ltet, als auch, w ie es dereinst ablaufen s o l l ; em pirische und nor­

m ative Erkenntnisse werden erforderlich. Ihnen beiden is t F olgen d es g em ein sa m : es w id erstreb t der m odernen Auffassung, allgem eine Sätze anders als induktiv zu gew in n en . B eid e Arten von Sätzen drängen sich dem Menschen angesichts der Erfahrung a u f; ohne Erfahrung käme er gar nicht in ihren B e s it z ; alle unsere E rkenntnisse bekom m en ihre K raft som it zunächst durch die W u c h t d e r T a t s a c h e n ; sie dürfen aber nie einer v e r n u n f t g e m ä ß e n F ü g u n g entbehren, die sie so n ö tig brauchen w ie die Eisenbalken der B rücke die N ieten. Darum steh t in allen H öchstleistun gen em pirischen und norm ativen D enkens ein A posteriori und ein Apriori. Ob sich dabei das n orm ative G ebilde des V ollk om m en ­ h eitsid eales in einer so verhältnism äßig einfachen W eise gew in n en läß t, w ie hei der anatom ischen B etrachtung des m enschlichen Körpers, oder oh es viel Mühe m acht w ie h ei der philosophischen

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S. 5 2 . U n t e r r i c h t s b l ä t t e r . J a h r g . X X III. No. 4 .

Analyse der m enschlichen S eele ist im Grund g le ich g iltig .

Für das V erhältnis der em pirischen und nor­

m ativen G esetze und Ideen muß stets ein w ich ­ tig er U nterschied festgeh alten w erden, nämlich der, daß die em pirischen Sätze h ei der A nw en ­ dung die V oraussetzung der norm ativen bilden.

Zwar w ird man am ehesten die Z iele und N orm en der Erziehung durch B etrachtung b e ­ deutender historischer E rscheinungen g e w in n e n : W as unS schön und groß erscheint, (vollen w ir, einem natürlichen Zuge unserer S eele folgen d , auch für uns und unsere Nachkom m enschaft b e­

sitzen. — E rst auf einer späteren Stufe der w issenschaftlichen E n tw ick lu n g w ird man auf Grund der naturw issenschaftlichen U ntersuchung der seelischen Struktur des Menschen die F or­

derungen, die man an seine E n tw ick lu n g stellt., noch w eiter aushauen. Man w ird sich z. B . ü berlegen: So und so is t die S eele geb au t;

w ir w ollen die gegebenen A nlagen vervoll­

kom m nen. W ie g esta lte t muß die S eele sein, von der w ir die höchsten L eistun gen verlangen können, und w as m uß sie alles leisten können?

Man g ew in n t so induktiv ein V ollk om m en h eits­

ideal, das g e e ig n e t ist, als regulative Id ee unser pädagogisches Handeln zu lenken. Es steh t hinsichtlich der A rt, w ie w ir es m ethod ologisch befunden haben, in klarer P arallele zu den p h ilo­

sophischen Idealen unseres sittlich en Handelns und zu den sogar offensichtlich em pirisch b e ­ gründeten Zielen des D iäteten , H ygienikers und A rztes Ü berhaupt; der Ausdruck D iä tetik der S eele ist ja auch dem B e g riff der Selbsterziehung aufs in n igste verw andt.

Von der A uffindung des V ollkom m enheits- id eales ist es aber ein w eite r S ch ritt b is zu seiner V erw irklichung. Für letztere ist es un­

b ed in gt n ötig, daß man die naturw issenschaft­

liche K enntnis der jew e ilig e n Struktur und E igen art des Z öglin gs gew on nen hat, bevor man das V ollkom m enheitsideal seiner jew eilig en E n t­

w ick lu ngsstu fe ins A uge faßt. D erjenige, der glaubt, er könne sein V ollkom m enheitsideal pädagogisch allein durch w eltgesch ich tlich e B e ­ trachtung und durch die A nalyse bedeutender Männer verw irk lichen und brauche nur dieses Ziel vor A ugen zu haben, um ihm näher zu komm en, befindet sich im Irrtum . E r sieht nicht die zahllosen Z w ischeninstanzen und V or­

stufen der V ervollkom m nung, die er nach und nach m it größ erer oder gerin gerer An­

näherung zu verw irklichen hat. Er ist sonst in Gefahr, seine Anforderungen zu Uberspannen und dem Z öglin g zu schaden.

h) F ü r d i e t h e o r e t i s c h e G r u n d l e g u n g d e r P ä d a g o g i k k a n 11 m a n n a c h d i e s e 11 U e b e r 1 e g 11 n g e n d i e e m p i r i s c h e u n d d i e n o r m a t i v e P r o b 1 e m h e h a n d 1 u n g n i c li t,

s c h a r f g e n u g t r e n n e n . B eid e Methoden m üssen einander en tgegenarbeiten, etw a w ie zw ei Gruppen von A rbeitern, die einen Tunnel durch einen B erg bohren w ollen und von zw ei S eiten her ihre A rb eit beginnen. A nders steh t es in d e r P r a x i s des E rziehungsgeschäftes.

H ier kann man diese U nterschiede n ich t stets b ew u ß t auseinanderhalten. Man m acht sich g le ich ­ falls ein B ild von seinem Z öglin g, so w ie er im allgem einen ist, und so, w ie er sich gerade im A ugenb licke erw eist. A uf Grund d ieses B ildes findet man aber m e h r o d e r w e n i g e r i n t u i t i v auf Grund seiner Erfahrungen und w issenschaft­

lichen K enntnisse den W e g zu dem B ild e dessen, was man aus ihm m acheh w ill. W o die A nlagen schw ach sind, spännt man die Forderungen nicht zu h o c h ; w o sie g u t sind, greift man w eiter aus. R eizung, U eb un g und Spannung sind darum die H auptw eisen der erzieherischen Beeinflussung.

W ährend der einzelnen Erziehungsmaßnahm en h eiß t es vor allem aber s c h n e l l u n d k l a r handeln; zu langen U eherlegungen b leib t nicht viel Zeit, pädagogische E in stellu n g, Erfahrung, U eb u n g und G esch icklich keit sind entscheidend.

E s geh t einem ähnlich w ie dem A rzt. In der Verbindung von D iagn ose und Therapie is t die E inzelleistu ng scheinbar m e h r K u n s t a l s W i s s e n s c h a f t . V erhältnism äßig selten hat man einm al Z eit, in Ruhe einen F all durchzu­

denken. Man steh t ganz anders da, als der M athem atiker, der sein Problem so r g fä ltig auf­

stellt, von allen Seiten b eleuchtet und zur L ösun g b r in g t ; anders als der Ingenieur, der seinen Brückenbau ruhig durcharbeiten und berechnen kann, anders als der Chemiker, der in seinem Laboratorium seine V ersuche system atisch ansetzt und durchführt.

c) Ich glaube, daß der U nterschied zw ischen T heorie und P raxis und innerhalb der T heorie der w eitere U nterschied zw ischen em pirischer und norm ativer Behandlung genügend klar g e ­ w orden ist, dam it w ir nunmehr die S tellu n g hervorheben, die das E x p e r i m e n t in der P ä ­ d agogik hat. Im w esentlichen kom m t es nur für die em pirische S eite der p ädagogischen F or­

schung in B e tr a c h t; nur g eleg e n tlic h w ird ihm auch das N orm ative seine F ragestellu n g diktieren.

Im allgem einen w ird die norm ative B etrachtung v orw iegen d historisch sein und b leiben, historisch nicht nur etw a in dem Sinne der geschichtlichen B etrachtung früherer erziehungsw issenschaftlichen L eistungen, sondern h istorisch vor allen D ingen auch in dem S inn e der U ntersuchung des L ebens groß er Männer der V ergangenh eit und der G egen ­ w art, die unserer Jugend V orbild sein können und sollen.

B ei aller em pirischen B etrach tun g lau tet die erste Forderung K l a r h e i t u n d z w i n g e n d e K r a f t - d e r G e d a 11 k e 11. U nsichere E inzelfälle besitzen, m ögen sie noch so geistreich sein, nur

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1917. No. 4. Ex p e r i m e n t u n d An a l y s e i n d e r Pä d a g o g i k. S. 53.

bedingten W ert. Z uverlässigkeit, S o lid ität ist das H auptziel w issenschaftlicher Arbeiten.

Um klare E insicht zu bekom m en, m üssen B eobachtungen als A usgangspunkt gew ä h lt w er­

den, die frei von störenden B eim engungen sind.

G ibt sie uns der Zufall in die Hand, so sind sie ebenso w ertvoll, als wenn die verw ink eltste Ver- suchsanordnung sie geschaffen hätte. D aß die verhältnism äßig einfachen B ew egu ngen der H im ­ m elskörper sich ohne unser Zutun bieten, müssen w ir dankbar anerkennen ; wir verdanken ihnen ein ig e unserer tiefsten und exak testen Erkennt­

n isse. Auch die G eschichte kann auf politischem , w ie auf w irtschaftlichem G ebiete v ie le klare B e i­

sp iele w issenschaftlicher Induktion bieten. S elb st das S eelen leb en hat trotz seiner unendlichen Ver- w ick elth eit eine reiche F ülle sicherster B eo b ­ achtungen g e s t a t t e t ; vielfach sind sie sogar im Sprachgebrauch fixiert. D ie Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben aber nun gezeig t, daß man m it H ilfe des E x p e r i m e n t e s und seiner Vereinfachung des Beobachtungsbestandes ungleich tiefer in das S eelenleben eindringen kann, als man das vorher geahnt hat. Seine E ntdeckungen sind an Fruchtbarkeit denen des M ikroskopes zu vergleichen. W ie in anderen W issenschaften so hat sich auch hier g ez eig t, daß das Experim ent die Verm utung des F or­

schers, die er sich in A rbeitshypothesen zurecht g e le g t hatte, k orrigiert oder sichert, daß es neue Erscheinungskom binationen schafft, auf die man son st n ich t gekom m en wäre, daß es der B eobachtung seih st eine ungleich höhere Sicher­

h e it verleiht, als es son st m öglich gew esen wäre.

D as Experim ent is t M ode gew orden, nicht, w e il es eine Laune war, sondern, w eil es ungem ein fruchtbar und unentbehrlich w urde. D ie B e ­ deutung des E xperim entes reichte in dem letzten Jahrzehnt vor dem K riege so w eit, daß die F ort­

schritte, die in der P ädagogik gem acht wurden, w esentlich in system atischer R ichtuug statt­

fanden und sich so gu t w ie ausschließlich auf das Experim ent gründeten. Natürlich kam es in diesen Jahren zu U eberschätzungen des päda­

gogisch en Versuches. Ich glaube, damals als das S ch lagw ort „experim entelle P ä d a g o g ik “ eine kurze H errschaft führte, hat mancher gem eint, sie w äre d i e P ädagogik überhaupt. N atürlich sind solche F ehler leich t verzeihlich, U eber- schätzung lie g t nun einm al in der K raft des N euen und Jugendlichen. A ber daß einmal eine so hohe B ew ertu n g des pädagogischen Versuches und noch dazu so schnell gekom m en ist, das ist zum großen T eil das V erdienst M e u m a n n s . Er verschaffte dem Experim ente in der P ädagogik sein e S toßkraft.

M e u m a n n s A r t , e x p e r i m e n t e l l - p ä d a ­ g o g i s c h z u a r b e i t e n .

a) Innerhalb des eben vorgezeichneten Rah­

mens der pädagogischen Forschung läßt sich das

A rb eitsgeb iet und die A rb eitsw eise M e u m a n n s leich t bestim m en. M e u m a n n war P sych ologe und Naturforscher, er w ar trotz reichen h istori­

schen W issen s und trotz mancher gesch ich tlich er V orlesung, die er h ielt, nicht in eigentlichem Sinne H istoriker. Er behandelte daher das Em pirische, das den E rzieher in teressiert, w esen t­

lich im Sinne der E lem en tarpsychologie und berü ck sichtigte dabei naturgem äß vorw iegen d d ie E rscheinungen b ei den V olksschulkindern.

D ie A ltersstu fe der späteren G eschlechtsreife, die fast nur auf den Oberschulen untersucht w erden kann, kam leider zu kurz dabei. — D ie nor­

m ative F ragestellu n g fand M e u m a n n w oh l mehr aus seinen U nterhaltungen m it Lehrern, aus ge- gelegen tlich en Schulbesuchen und aus Jugend­

erinnerungen und theoretischen U eberlegungen heraus, denn als ein Erzieher, der unter Kindern le b t ( M e u m a n n war nicht verheiratet), oder als ein H istoriker der P äd agogik , der in erster L inie auf d ie hohen E rziehungsideale der Mensch­

h eitskultur ein g e ste llt ist. — Innerhalb dieser Einschränkung nun ze ig te M e u m a n n eine un­

geheure Triebkraft, einen n ie versagenden F le iß und eine bew undernsw erte R üh rigkeit. Er, der als junger D o k to r der P h ilosop h ie aus T übingen nach L eip zig zu W u n d t kam und sich von der N ich tig k e it der experim entellen P sych ologie überzeugen w o llte 6, luvt seine Saulus-Natur ver­

k ehrt und entschied bald alle Fragen, d ie sich irgen d w ie experim entell entscheiden ließ en , im w issenschaftlichen Versuche. Er h atte das un b ed in gte Vertrauen gew on nen, das einem d ie­

jen ig e A rt der kritischen Durcharbeitung von Problem en g ib t, die von der A rb eitsh ypothese ausgeht, die ihre theoretisch en F olgeru ngen zieht und dann an der Natur prüft, ob sie zurecht bestehen oder nicht. Er geh örte so zu den Forschern, die, w ie M a r b e sich sehr hübsch ausdrückt, der M ethode des H in- und H erredens das W asser ab graben. D azu kam sein starker Sinn für A ktualität und die F äh igk eit, Freude an E rgebnissen der Erkenntnis zu erleben. Er g eh örte nicht zu den B edächtigen, d ie es leich t haben, zu brem sen, und zu s a g e n : „W arten w ir erst einm al ab, w as man in 5 oder 10 Jahren hierzu s a g t ! “ sondern hoffnungsvoll griff er selb st an und überwand spielend die M ühseligkeiten der Laboratorium sarbeit. So scheint es auch kein W under zu sein, daß er eine groß e F rucht­

b arkeit zu tage le g t.

Sehr erquickend waren die U nterhaltungen m it M e u m a n n in fo lg e seiner V o r u r te ilslo sig k e it;

er w ar es gew öh n t, Vermutungen an der Natur zu prüfen; er h atte es in folged essen gelernt, auch eigen e irrige A uffassungen zu korrigieren und die E rgeb nisse seiner Beobachtungen als Tat-

3 AV. AVundt, Zur Erinnerung an E. Aleumann.

Zeitschr. f. pädag. Psvchol. u. exp. Päd. X\rI. 1915.

S. 212.

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S. 54. Un t e r r i c h t s b l ä t t e r Jah rg . X X III. No. 4.

sachen hinzunehmen. M achte man ihm einen E inw and, so sah er darin w ed er eine Schw äche noch einen F eh ler seines G egners, sondern einen Irrtum , w ie er jed em unterlaufen kann, den die Erfahrung ganz von selb st w id erlegt. Sein glänzendes G edächtnis half ihm dabei leich t Uber S ch w ierigk eiten h in w eg . A uf Männer, die k ein e selbstän dige S tellu n g in der W issenschaft hatten, w irk te diese A rt zu reden hinreißend und b egeistern d; den Fachmann m uß te selbst bei gegn erischer Auffassung solches D enken m in­

d esten s versöhnlich und liebensw ü rd ig stim m en.

b) In w en igen Jahren is t M e u m a 1111 s pä­

d agogisch e A rb eit au fgeblü ht; seine Begrifts- gebäude kom m en einem vor, w ie moderne G e­

schäfts- oder W arenhäuser, in denen es sich leich t verkehren lä ß t: Allenthalben sind die Räum e licht, die Grundrisse klar und die B e ­ w egu n gsfreih eit is t ungehem m t.

An diese B egriffsgebäude traten nun H isto ­ riker und P hilosop hen heran; sie fanden sie recht schön, fragten aber vor allen D ingen nach dem, w as sie persönlich in teressierte. D ie sch w ierigen P roblem e des D enkens, w ie sie L ogik und M ethodenlehre der P sy ch o lo g ie g e ­ ste llt haben, w aren nicht g elö st. D ie ethischen Problem e n ich t behandelt, d ie ästhetischen nur te ilw e ise . Man w ar enttäuscht. Man stand vor den stolzen Gebäuden, schaute sich um und fand w e ite Strecken unbeackerten Landes m it tief zerfahrenen W agenspuren, w o jed er geh en konnte, w ie er m o c h te ; A rbeitsabfälle lagen allenthalben umher. Man m erkte, daß man in einer m o­

dernen, p ilzartig aufgeschossenen Stadt stand, w o flaches F eld neben m ächtigen Fabrikbauten und elegan ten Palästen lie g t, und es schm erzte einen der unbearbeitete A cker mehr als einen die neuen Gebäude erfreuen konnten, w eil die fruchtbarsten Ländereien noch n ich t ausgenutzt w aren.

Man muß zugehen, daß M e u m a n n P ro­

blem e behandelt, h at, d ie im V erhältnis zu dem U eb riggeblieb en en verhältn ism äßig leich t zu untersuchen sind. A ber es is t eine alte Lehens­

regel, daß man n ich t m it den schw ersten A uf­

gaben b egin nt. M e u m a n n m ußte auf dem bereits vorbearbeiteten B oden anfangen und dort erst etw as Brauchbares schaffen, bevor er die M ethoden auch auf schw ierigeren G ebieten an­

w enden konnte. Man hat deshalb g esa g t, er w ar nicht tief. Sicher hat er die P roblem e n ich t so g este llt, w ie ein Mann der deduktiven R ichtung sie an gefaßt hätte, oder w ie jem and, der es von der H öh e der philosophischen Erkenntnis der Jahr­

tausende unternim m t, sie zu lösen. H ätte er das versucht, so w äre es v ie lle ich t „schön “ g e ­ w esen, aber zw eck m äß ig hätte es sich nicht, erw iesen. Man v erg eg en w ä rtig e sich, w ie es einem leich t ergeh t, w enn man in einer p h ilo­

sophischen D isk ussion m it einem V ertreter einer

ändern R ichtung Zusammentritt. Sind die S trei­

tenden n ich t zu alt, so platzen die G egensätze hart aufeinander und alle Prob lem e w erden m it einer H e ftig k e it angegriffen, die des edlen P reises w ürdig ist. W as aber kom m t dabei heraus?

M eist zw e i h eiß e K öp fe m it K opfschm erzen. - - Im philosophischen Sem inar hat w oh l jed er solches in seinem ersten S em ester erleb t; die U nsterb lich k eitsfrage, der G ottesglau be, h ei Ge- reifteren, Kant oder H egel — das sind die P ole, um die sich die G eister im W irbel drehen.

Kommen aber die gleich en Menschen zu E inzel­

fragen, so g eh t der A usgleich der M einungen v ie l b esser; man g ew in n t nach und nach g e ­ meinsam en B oden und lernt es schließ lich, sogar in den höchsten Fragen, die g eg en seitig en M ei­

nungen zu verstehen. A ehnlich steh t es nun m it dem P sych ologen und P ä d a g o g en : M e u m a n n h a t d a z u b e i g e t r a g e n , g e m e i n s a m e n B o d e n z w i s c h e n d e n h i s t o r i s c h u n d d e n n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h D e n k e n d e n z u s c h a f f e n : D ie g eg e n seitig e V erständigung k a n n beginnen. N atürlich b leib t dabei viel Neuland zu bearbeiten und man darf n ich t zu viel auf einm al w ollen . Für die w eitere Forschung handelt es sich zuallererst um die einfachen Tatsachen­

fragen; D enken, Fühlen und AVollen sind m it naturw issenschaftlichen M ethoden durchzuarbei­

ten, b is man einm al in eigen tlich em Sinne w issen ­ schaftlich p ädagogisch reden kann.

D e r A n t e i l d e r P s y c h o l o g i e an d e r P ä d a g o g i k .

(B egabungsproblem — Einfühlung und A nalyse).

a) W o lieg en nun die A ufgaben der P sych o­

lo g ie in dem so umschriebenen G ebiet der P ä ­ d ag o g ik ? V eröffentlichungen reden in der letzten Z eit so v ie l vom B egabungsproblem und vom A u fstieg der B egab ten , daß man m einen könnte, d ies seien die K ernproblem e der pädagogischen P sy ch o lo g ie . Z w eifello s ist das Ausfindigm achen der besonderen V eranlagung sehr w ich tig , denn der B egab te produziert u nvergleichlich viel schneller als der U nb egab te ; die Geburtsiinlagen sind die m äch tigste E n ergiequ elle alles m ensch­

lichen Schaffens. G elänge es nun der AVissen- sehaft, AVegc zu finden, die sicherer, schneller und näher an diese E n ergiequ ellen heranfuhren, als man bisher zu ihnen gelangen konnte, so w äre das sehr schön. B u c h e n a u sa g t nun, daß der praktische Schulm ann in dieser H in sicht dem F achpsychologen überlegen sei. Ich glaube, er hat darin recht, w enn w ir h ei dem augen­

blick lichen Stande der P sy ch o lo g ie b le ib e n ; das braucht aber n ich t der F all zu sein und wird n ich t so bleiben. Zw ar hieß noch vor w en igen Jahren d ie L osun g der B egabungsforschung, T este (Stichproben) herauszufinden, m it deren H ilfe man schnell und sich er sagen konnte, ob jem and normal

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1917. No. -J. Ex p e r i m e n t u n d An a l y s e i n d e r Pä d a g o g i k. S. 55.

und uiltem orm al begabt, g esch eit oder dumm, bezAv. schAvacksinnig sei. H ierbei Avurde übrigens B egabu ng m it In telligen z gleich g esetzt, also das Problem fast naiv eingeschränkt. Man hat aber, Avenn auch erst se it ganz kurzer Zeit, sich daran gew öh n t, von H och- und H öchstbegabten und von Begabungsgraden zu reden, und man hat auch die B egabu ng des W illen s und des G e­

m ütes als Problem au fgestellt. D am it ist der g leich e F ortschritt gem acht, der vom U nterricht zur E rziehung, vom In tellektualism us zur echten M enschlichkeit führt. W ir sind so zu den schönsten Hoffnungen b erech tigt!

h) Das Organ, das B u c h e n a u m it R echt am Manne der Praxis rühmt, ist die E i n f ü h l u n g . Auch ich bin der M einung, es kann jem and ein w irklicher P sy ch o lo g e sein, ohne auch nur eine A hnung von Avissenschaftlicher P sy ch o lo g ie zu besitzen. Es k om m t eben darauf an, Avas man P sy ch o lo g ie nennen w ill. Es sind o ft ganz ein­

fache Naturen, die m it geradezu verblüffender S icherheit herausfühlen, Avas für ein Mensch ihnen gegenüber steh t und Avie sie ihn zu nehmen haben. Solche E infühlungsstarken und -Tüchtigen sind zum al die feinfühligen, feinnervigen, zart­

fühlenden, empfindsamen N aturen, deren G e­

fühlsleben fein differenziert ist. Das G egen teil von ihnen sind d ie groben, rohen, derben U n ter­

offiziersnaturen. die engherzigen Bureaukraten, die P riigeh neister und Tyrannen, die m it harten H erzen, in k alter S elb stsucht oder in g esteigertem SelbstbeAvußtsein nichts oder Avenig von dem spüren, Ayas frem des Seelenleben in ihnen aus- lösen so llte. D ie Einfühlung erleichtert es som it ungem ein, fremde A rt, fremde V orzüge, F eh ler und Irrtüm er m enschlich zu verstehen. V orzüge, F eh ler, Irrtüm er und G lanzleistungen sind aber für den E rziehungsfortschritt von entscheidender B ed eu tu n g; sie sind es, bei denen der Erzieher anfassen m uß, um vorw ärts zu kom m en. D ie F eh ler m uß er verstehen und in ihrem Kerne erkennen, um sie zu verm eiden, ebenso die E igenart, um sie zu lenken und zu leiten , um aus ihr herauszuholen, Avas b ei falscher Behand­

lung verküm m ert oder gehem m t b lieb e. — D ie Einfühlung is t auch son st im Leben von unschätzbarer B edeutung. I m a l l t ä g l i c h e n L e b e n d e r F r e u n d s c h a f t u n d F e i n d ­ s c h a f t is t sie unentbehrlich; sie nim m t aller m enschlichen Stellungnahm e die H ärte, Aveil sie uns schnell und von selb st darauf aufmerksam m acht, Avas dem anderen peinlich ist. Dazu kom m t, daß alles verstehen so gu t is t Avie alles verzeihen. U nd zAvar g ilt dies in so hohem M aße, daß man nach v o ll erlangtem V erständnis in S ch w ierigk eiten gerät, gegenüber einer Fehl- handluug den norm ativen Standpunkt überhaupt noch geltend zu machen. „Der Mensch m ußte ja so h a n d eln !“ Man nähert sich dam it unAvillkürlich der A rt der schAvachen M utter, die ihr Kind ver­

steh t, ihm nachgibt und verzeih t und die es laufen und b is zur V erw öhnung und zum Verderben gew ähren läß t. D er P sych iater ist durch solch scheinbar allzum enschliches V erstehen sogar v ie l­

fach in den R uf gekom m en, als führe er alle V ergehen auf K rankheit zurück und bestrafe niemanden. — A uf anderen G ebieten hat die E infühlung n ich t m indere B edeutung. I n d e r G e s c h i c h t e , in der p olitisch en Avie in der kulturellen, ist die A rb eit erst getan, Avenn einem die untersuchten V orgänge klar, d. h. unter den gegebenen B edingungen seelisch notAvendig und selbstverständlich erscheinen. B evor man d ieses Z iel nicht erreicht hat, darf man die D urchforschung eines gesch ich tlich en Stoffes nicht aufgeben, man hat ih n son st überhaupt nicht verstanden. H ierbei ist übrigens zu berück­

sichtigen, daß die Forschung in ihren D arstel­

lungen meist, dabei stehen b leib t, die E infühlung dem L eser zu ü b erlassen ; sie treib t d ie b egriff­

liche F assu ng der M otive und T riebe nicht bis ins L etzte, da sie hei jedem G ebildeten eine g ew isse M enge m enschlichen Verständnisses als selbstverständlich voraussetzen kann. — V ö l k e r - p s y c h o l o g i s e h und p s y c k o p a t h o l o g i s c h gelten die gleich en F o rd eru n g en : D ie krausesten Gebräuche und die Avunderlichsten Ideen A\erden uns von dem Einfühlungsstandpunkt aus ver­

ständlich ; auch sie dürfen n ich t als erklärt gelten , bevor man n ich t das M aterial und die inneren Zusam menhänge geschaffen hat, von denen aus ein Nacherleben in der V orstellun g m öglich ist. (H ierm it soll natürlich nicht g esa g t sein, daß die Einfühlung die ein zig e M ethode psych o­

logischen V erstehens und Erklärens is t ; auch in der P sy ch o lo g ie g ib t es genau Avie in Chemie, P hysik und anderen NaturAvissenschaften ob jek tive U ntersu ch un gsm eth od en , die die B edingungen zumal durch Isolierun g und V ariation ausfindig m achen).

c) W a s E i n f ü h l u n g i s t , is t noch Avenig untersucht; nur ein iges lä ß t sich darüber sagen.

Man bedenke zunächst, daß alles seelisch e G e­

schehen im Einzehvesen nach außen zu v ö llig abgeschlossen ist. D as seelen b egab te Individuum b ild et ein gesch lossenes dynamisches System , auf das man von außen her nur durch die Sinnes­

nerven Avirken kann. W ahrnehm ung is t nicht Vorfinden von D in gen (diese können da sein, sind aber n ich t dazu n ö tig ; jed en falls Averden sie nicht seih st Avahrgenommen!), sondern un- AvillkUrliches EntAverfen sinnlicher B ild er und g e istig e s D urchdringen derselben. D er V organg der Einfühlung is t nun in der H auptsache der­

jen ig e F all von W a h r n e h m u n g , in dem schon d ie feinsten R egu ngen des A usdruckes von G e­

sich t, K örperhaltung, BeAvegung, Sprache oder Schrift eines Menschen ganz ohne oder ohne viel heAvußte, ged an klich e ZAvischenprozesse das V er­

ständnis herbeiführen und so d iejen igen G efühle,

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S. 56. Un t e r r i c h t s b l ä t t e r. Jah rg . X X U I. No. 4.

Gedanken, Strebungen, Entschlüsse und H and­

lungen auslösen, d ie b ei einfiihlungsschw achen Naturen entw eder gar nicht eintreten oder erst auf Grund von langer Erfahrung sich heraus­

g e b ild et haben. Von der Einfühlung in N atur­

objekte sehen w ir ab; sie beruht übrigens auf dem gleich en Prinzip.

D er S chw erpunkt solchen G eschehens lie g t, w ie das W o r t.sa g t, im G efühl. W ahrnehm ungen und U eb erlegu ngen lösen in uns G efühle aus, die uns sofort darüber orientieren, w ie es m it dem anderen steh t. V or allem kommen Gefühle der Sym pathie und A ntip ath ie, der P ein und der B efried igu n g in B etrach t; aber auch L ieb e und H aß, das Gefühl der K raft, der G röße, des inneren D ruckes und der F reih eit treten bei den Einfühlungsvorgängen auf. W en n w ir einen Menschen kennen lernen, s p ü r e n w i r e s g l e i c h s a m a n u n s e r e m K ö r p e r , ob er zu uns p a ß t oder n ich t; in einer neuen Stadt f ü h l e n w i r u n s schnell w oh l oder unbehag­

lich ; eine H andlung erfassen w ir so o ft b litzartig in ihrem sittlich en W er t oder U nw ert. E s sind i n n e r e R e g u n g e n , die uns so b e sc h le ic h e n ; ähnlich den Gefühlen innerer K älte und W ärm e und entfernt den Em pfindungen körperlicher W ärm e und K älte ähnlich. E s sind also W ahr­

nehm ungen und Spürnisse eigen er A rt, die in unserem B ew u ß tsein auftreten und ihrerseits w ieder in klaren B ezieh un gen zu den V orgängen des Strehens oder W iderstrebens stehen und dam it unser Handeln regulieren. D azu sind kein e U eb erlegu ngen und D en k ak te n ötig. W ir f ü h l e n es eben, w oran w ir sind. D ie E infühlung ist so gleichsam ein e A rt abgekürztes und sehr sicheres Verfahren der Stellungnahm e des In di­

viduums zu einem ändern.

D er E infühlungstüchtige ist nun zunächst dadurch ausgezeichnet, daß b e i ih m s o l c h e G e f ü h l e b e s o n d e r s l e i c h t e i n t r e t e n (sog. F ein fü h lig k eit). D aneben braucht er eine g e w isse P h a n t a s i e , um all die A ffektionen zu erfassen, die der A u gen b lick erzeugen kann.

E r muß gew isserm aß en b efäh igt sein, schnell die R este früherer Erfahrungen zu reproduzieren und zu kom binieren, die in dem je w e ilig sich b ietenden F alle zusam m engefügt erscheinen.

Neben dieser K om binationsfähigkeit is t auch ein g ew isser R e i c h t u m a n s e e l i s c h e n E r ­ f a h r u n g e n unentbehrlich. R este von früheren Erlebnissen sind im Menschen zurückgeblieben und b ilden d ie V erständnisgrundlage der neuen Situation. In diesem G edächtnisvorzug lie g t wahrscheinlich kein neues B egabungsm om ent, denn alle gefühlsstarken E rlebnisse prägen sich uns so w ieso leich ter ein und lassen sich leich ter vergegenw ärtigen als in teresselose und gleich - g iltig e B ew uß tsein sverläu fe. W enn also die G efühle erleichtert a u sgelöst w erden, prägen sie sich von se ih st leich ter ein. A bgeseh en von einer

g e w isse n Phantasie braucht der E infühlungs­

tü c h tig e so m it nur eine F ein h eit des G efühles als besonderen Vorzug.

d) A n den E infühlungsvorgang kann sich noch ein z w e iter seelisch er V organg anschließen : W ir können uns über unsere G efühlsregung R e c h e n s c h a f t geb en und sie b e g r i f f l i c h f i x i e r e n . D em einen g e lin g t dies leich t, dem anderen schw er, aber die dabei erforderliche g e ­ dankliche Schärfe und K larheit w iderspricht durchaus nicht der F ein h eit und dem R eichtum des Gefühls. Ein g u t organisierter Mensch kann sehr w oh l in beiden R ichtungen differenziert sein. M it dem H inzutreten der begrifflichen F ixieru n g der G efühlsreaktionen is t aus der E in ­ fühlung die p s y c h o l o g i s c h e A n a l y s e g e ­ worden. A llerdings is t dam it nur ein W e g der A nalyse gek en n zeich n et; denn w ir können b e­

obachten, daß auch einfühlungsschw ache Naturen es sch ließ lich erlernen, p sych ologisch ganz g u t zu analysieren. Jed esfalls sind aber die E in ­ fühlungsstarken den Einfühlungsschw achen aus­

gesprochen überlegen.

V on besonderer B edeutu ng is t es nun, daß die Einfühlung in hohem M aße der U e b u n g u n d S c h u l u n g zugänglich ist. E s is t keine U ebertreibung, wenn man sagt, es ist geradezu schade, w ie v ie l p sych ologisch e F äh igk eiten un- au sgen ützt b leib en , w eil ihre B esitzer es nicht lernen, sich p sych ologisch auszudrücken und über ihre Erfahrungen R echenschaft zu geb en . Mir is t es oft, z. B. im V erkehr m it Lelirörn vo rg e­

kom m en, daß ich um eine Charakterschilderung bestim m ter Schüler geb eten habe. D ie A us­

k ü n fte w aren zunächst sp ä rlich ; aber sobald die rich tige Frage g e s te llt w urde, w ar gleich falls die Zunge g e lö st und die w ertvollsten Erfahrungen w urden m ir m itg e teilt. Ist solche A nalyse auch n ich t stren g w issenschaftlich begründet und for­

m uliert, so is t sie doch h öch st w ertvoll. A n g e­

borene M eisterschaft in diesem Sinne kann den N ich tpsychologen (man denke an die D ichter!) dem Fach psych ologen w e it ü berlegen machen.

D i e A u f g a b e n d e r p ä d a g o g i s c h e n P s y c h o l o g i e .

W enden w ir uns nach diesen U eberlegungen zu den augenblicklichen A ufgaben der pädago­

gischen P s y c h o lo g ie ! S o w e it ich sehe, kann man sie in folgen der W eise anordnen: Zuerst sind die psych ologischen V orgän ge im Z ö g l i n g zu imtersuchen. W elch e P rozesse laufen in ihm ah, w enn er unterrichtet w ird, w enn er F ehler m acht oder V orzüge en tw ick elt, w enn er eine Schuld auf sich lädt, gestraft w ird, R eue z e ig t oder lasterhaft handelt? E ntsprechendes g ilt an zw eiter S telle vom L e h r e r : W as g eh t in ihm vor, w enn er unterrichtet, w enn er den Z öglin g straft, w enn er sich des Sinnes seiner einzelnen

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1917. No. 1. E x p e r i m e n t u n d A n a l y s e i n d e r p ä d a g o k i k . S. 57.

Erziehungsm aßnahm en b ew u ß t w ird ? W ie w e it m ischt sich seine P ersön lich k eit absichtlich oder unw illkürlich in sein Tun ein ? A n d ritter S telle steh t die A nalyse der b e r u f l i c h e n L e i s t ­ u n g e n , die der Z öglin g später zu erfüllen hat.

Es handelt sich also um die P sy ch o lo g ie des H andw erkers, des R echtsanw altes, des Offiziers und so fort. W ir können den U nterricht nicht zw eck m äß ig gestalten , w enn w ir nicht w issen, w orauf w ir den Schüler vorzubereiten haben.

D en B egin n der B erufsvorbereitung aber erst auf den B erufsheginn zu verschieben, w äre falsch, da es sich in der Hauptsache darum handelt, im Z öglin g gu te G ew ohnheiten zu b ild e n ; diese brauchen aber v ie le Jahre zu ihrer E ntstehung.

A ll d iese Untersuchungen stehen jen seits von Gut und B öse. M it v o llster V oru rteilslosigk eit, rein analytisch und kausal müssen die seelischen Strukturen und V orgänge erforscht w erden.

M ängel und V orzüge sind für den P sych ologen g le ich w er tig , denn sie sind Tatsachen, aus denen er S chlüsse auf die N atur seiner G egenstände ziehen kann. Für ihn g ib t es gew isserm aßen w eder g u te noch schlech te M enschen.

D erartige Untersuchungen sind nun durchaus nichts N eues. B ei auffälligen G elegenh eiten w erden sie im m er und im m er w ied er gem acht, nicht selten m it genialem Scharfblick. W ären in dieser H in sicht k ein e gu ten Gedanken k onzipiert w orden, so stände unser U nterrichtsw esen nicht auf der hohen E n tw ick lu n gsstu fe, auf der es trotz aller Reform bestrebungen steh t. W er es n ich t glaubt, g eh e ins Ausland und sehe, w as deutsche Schulung und deutsche Schule h eiß t.

Es kann sich so m it nur darum handeln, daß d iese U ntersuchungen system atisch durchgeführt w erden. W ir haben in allen G ebieten von der G ründlichkeit und der U m fassungskraft der w issenschaftlichen Untersuchung so gro ß e, vorher nie geahnte V orteile geh ab t, daß w ir keinen A ugenb lick daran zw eifeln dürfen, daß es auch in der P äd agogik der Fall sein w ird. — D ie N eigu n g dazu is t n ich t allenthalben groß.

Mancher Oberlehrer w e ist sie in dem V ollgefü h l seiner P rak tikerfähigkeiten g la tt von der Hand.

W elch er Lehrer kann h eu tzutage sein e U n ter­

richtsmaßnahmen durch eine moderne T h eorie des D en kens erläutern und begründen! Ja, w elcher der heu tigen P sych ologen ist in der L age, als Fachmann eine solche A ufgabe zu übernehm en!

Es sind ganz w en ig e, die sich dazu b ereit er­

klären w ürden, dies auch nur versu ch sw eise zu tun. W ir stehen in der P äd agogik auf einer ganz anderen Forschungsstufe, als in der M edizin, w o die w issenschaftliche Untersuchung des ein ­ zelnen F alles für den A rzt eine w oh lgeü b te A uf­

gabe ist. — Ja, w ir sind von alledem noch so w e it ab, daß einer von den staatlich anerkannten und w issenschaftlich angesehenen P sych ologen mir vor noch nicht allzulanger Zeit erklärte, er

h ätte trotz allen guten W illen s den Fragen der P äd agogik einen haltbaren w issenschaftlichen Sinn n ich t abgew innen können.

G elten solche U eb erlegu ngen zunächst nur vom U nterricht, so steh t es m it den F ragen der Erziehung noch w esen tlich schlimm er. G ib t es doch manchen P raktiker, dessen S tellu n g zur Erziehungsaufgabe der Schule durch d ie sehr einfachen W o rte charakterisiert ist: „Für die Erziehung sind w ir n ich t da, die k om m t dem H ause z u ! “ D em gegenü ber is t zu b etonen, daß selb st der Lehrer, der n ich t erziehen w ill, viel mehr für die Erziehung leistet, als er selb st zugehen m ö c h te ; er m ag sich nur in ein frem des Land m it schlechten V olk ssch ulen b em ü h en ; dann w erden ihm die A ugen ü b erg eh en ! Ist es zudem auch richtig, daß d ie F am ilie dieser A ufgabe u nb ed ingt gew achsen is t? In vielen Fällen z w e if e llo s ; selb st die einfachste M utter und der sch lich teste V ater können v o llw e rtig e Erzieher sein, te ils durch ihr B eisp iel, teils durch ihre U nterw eisu n g, die b ei aller V olk stü m lich k eit den sachlichen W ert w issenschaftlicher A n leitu n g b e ­ sitzen kann. Ich kann mich aber, wenn ich mich umschaue, eines starken Z w eifels n ich t enthalten und muß die Mehrzahl der Eltern als nur beschränkt fäh ig zur Erziehung von Kindern ansehen. K inder erziehen h e iß t M enschen b ild e n ; die Erziehung is t d ie sch w ierigste A rt der B e ­ einflussung von N aturw esen, die w ir kennen.

W as is t d agegen das Behauen eines S tein es oder ein Brückenbau? D er S t e i n tut, w as w ir w ollen. M oderne Gärtnereien sind Fabrikbetriebe, in denen die P f l a n z e n das prom pt arbeitende R ohm aterial bed eu ten; w as n ichts taugt, w ird w eggew orfen . T i e r e züchten, h e iß t sie fe tt­

machen oder dressieren. A ber M e n s c h e n er­

ziehen is t so unendlich viel sch w ieriger und verantw ortungsreicher, daß jed er g u te E rzieh un gs­

erfolg als nichts, denn als G lückssache b etrachtet AVer den m uß. O ft kom m t es m ir AArie ein W under voi-, daß die E rziehungsergebnisse doch noch so g ü n stig sin d; aber auch hier hat m ich das Ausland und manche Schiffsreise zum S tolz auf deutsche S itte erzogen. Trotzdem b esteh t für m ich kein ZAveifel, daß die E rzieh un gsfälligk eit unserer Eltern im D urchschnitt auf einer viel höheren S tu fe stehen m üßte, als sie es tat­

sächlich tut. Zumal der au flod em d e F reih eits­

drang unserer jetzig e n Jugend lä ß t sich gar n ich t m it der verhältn ism äßig groß en G efü gig­

k eit der G eneration vergleich en , d ie nach dem sieb ziger K riege a u fw u ch s; sie ste llt uns ganz neue, ich m öchte sagen republikanische Er­

ziehungsaufgaben. Zum G lück sind die gesunden Menschen im groß en und ganzen so geartet, daß eine lie b e v o lle E rkenntnis der W urzeln unserer F eh ler und L aster zu ihrer U eberw in- dung ganz von se lb st m it groß em E rfolge b ei­

trägt. U ebung in der Einfühlung, in der psycho­

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