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Die Zukunft, 8. Mai, Jahrg. XXVIII, Bd. 109, Nr 32.

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(1)

X X V III. Jahrg. Berlin, den 8. M ai 1920 Nr. 32

4 _ .

ie Üukunft

(Herausgeber

Maximilian Harden

IN H A L T

Seit«

Von Lüttich nach Spa . . . . . . . 115

Nachdruck verboten

E rscheint jed en S onnabend

Preis vierteljährlich 16 Mk.,‘ das einzelnelHeft 1.50 Mk.

BERLIN

Verlag der Zu kun ft

Großbeerenstraße 67

1920

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O rten, Tn- u A u sla n d . Erledig, v. Vertrauansangelegenheit. (ed. Art. Ermlttel. eto.

„ A u s k u n f t s - S c h ü t z 11

s . la n g . J a h r e n d. la R ef., I n a n s p r u c h n a h m e v o n B e h ö r d e n a n erk a n n t a n b e d in g t znverl& asig, b e s tin fo r m ie r te , d. elg . d ir e k te V e r tr e tu n g e n org& nis. 8pez.-Au>kunftel 1. R g s., B erlin W, Tauentzlenstr. 3 (a. W itten b erg p la tz)^ T elep ”h. S t e in p l. 9468.

(3)

Berlin, den 8. Mai 1920

V on Lüttich nach Spa

A n t w o r t e n

V V T a s in dem alten Lipara, das ich im vorigen H eft er*

* * wähnte, gewesen un d wie zwischen K om m unism us u n d M ilitarism us ein B und m öglich sei, von dem jetzt allerlei seich*

tes G ep lau der plätschere? D er sizilische G rieche D iodoros, d er u nter dem Kaiser A ug ustu s in Rom lebte, berichtet, daß am Ende des sechsten Jahrh u n d erts vor C hristus ein Schwarm a u f R hodos u n d K nidos geborener H ellenen sich auf die Liparischen Inseln, sieben der N o rd k ü ste Siziliens vorgelagerte E ilande, niederließ u n d einen Staat gründete, dessen W irth*

schaftVerfassung kom m unistisch u n d dessen ausw ärtige Poli*

tik zunächst von dem Z w eck bestim m t war, Angriffe der Etrus*

k e r abzuw ehren. Sie bauten eine Flotte, auf der ein T h e 1 des Volkes gegen die Seeräuber, den Schrecken der ganzen Ge*

gen d , vorstieß, w ährend der andere das L and bestellte. D er Ertrag dieser G em einw irthschaft w urde,w enn d ieM annschaft zu Rast heim gekehrt war, in öffentlichen M ahlen verzehrt.

Später beschlossen die Eingew anderten, den Agrarkom m u*

nism us au f dem W eid elan d von sechs Inseln fortw ähren zu

lassen, die g rö ß te aber zu S o ndernutzung aufzutheilen; un d

als noch später auch dieser V orbehalt fiel, schrieb das Gesetz

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vor, d aß in jedem zw anzigsten Ja h r durch das Los die Neu»

v ertheilung des Bodens bestim m t werde. D io d o ro s ist, nicht n u r von M om m sen, heftig gezaust un d au f Leichtsinnssünde ertappt w o rden; das ü ber Lipara Berichtete aber weist auf die reinere Q uelle zurück, die uns aus dem G eschichtw erk des Syrakusers A ntiochos fließt, u n d b ek u n d et einen W irth*

schaftstand, der dem von Caesar im Suevenstaat gefundenen im W esentlichen gleicht. A uch d o it gab es kein privates»

dem Einzelnen abgegrenztes Landeigenthum un d die arbeit*

fähigen M än n er lösten einander von Ja h r zu Ja h r im W ehr*

dienst u n d A ckerbau fü r die G em einschaft ab. A us den be*

sonderen L ebensbedingungen des Inselvolkes erklärt Pro*

fessor Pöhlm ann die liparische W irth sch afto rd n u n g . „M itten im friedlosen, von den E rbfeinden der H ellenen, den Etrus*

kern u n d punischen Semiten, beherrschten M eer, auf einem der gefährdetsten A u ß en p o sten d er hellenischen W elt, im m er von K atastrophen bed ro h t, wie sie im M ittelalter selbst das w eitentlegene Islan d von afrikanischen Piraten erlitt, hatte das V olk von Lipara seine ganze Existenz au f den K am pf gestellt. H a b e n w ir hier eine A rt K orsarenburg (so nen n t N issen treffend Lipara) vor u n s, dann tritt die liparische V erfassung aus dem Rahm en der allgem einen Volksentwicke*

lu n g vollkom m en heraus; sie erscheint als ein eben so singu*

läres Phänom en wie, zum Beispiel, der w estindische Flibustier*

Staat, in dem sich ja auch auf der G ru n dlage der Piraterie eine streng m ilitärische O rganisation m it kom m unistischen E inrichtungen verban d .“ D iese V erbin d ung ist da nicht un*

natürlich, wo der Brauch, das in Krieg E rbeutete unter die Landsm annschaft zu vertheilen, auch die G egenleistung be*

dang, d aß dem Krieger ein T heil des Ertrages aus dem von ihm vertheidigten Boden gew ahrt blieb. U n ter diesem B eding kann dieK o m m u nisten g esellsch aftsich ein starkesH eerschaffen;nur u n ter diesem B eding k o n n te das kriegscheue R ussenvolk die W affe w erden, die den K oltschak, D enikin, Y udenitsch den W e g ins H erz des Sow jetreiches sperrte un d der selbst M änner vom Schlag der Brussilo w u n d Stankje witsch sich freudig ver*

p flichteten.D ieharte Rinde, die ein K riegerstaat nicht entbehren

kann, weicht m ählich auf, w enn d aru n ter ein Schlemmergekrib*

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Von Lüttich nach Spa 117

bei sie m it seinem U rin n ä ß t; Bereitschaft u n d Kameradenge*' fühl des „V olkes in W affen“ schw indet, w enn seine G lieder an Besitz, also an G enußm ög lichk eit gar zu ungleich w erden un d die M ein u ng auf kom m t, die in unserer Kriegszeit oft in den d erben Reim geprägt w urde: „ D e r Krieg ist für die Reichen, d e r A rm e zahlts m it Leichen“ . D agegen hülfe nicht einmal die allgemeine W ehrpflicht, der das Einjährigenvorrecht, der H öcker, am putirt wäre. D ie (m it H errn Spengler) von Alt*

preußen s Sozialism us Schw ärm enden vergessen, d aß er (rieh*

tiger: was den H erren so zu nennen belieb t) die K argheit des wenig differenzirten A ußen leb en s nicht lib erd au ern k o n n te un d der urw üchsig m ilitaristisch*patriarchalische G eist F ried­

rich W ilhelm s des Ersten, des Soldatenkönigs, nicht in die vom zweiten W ilhelm im T reib h au s gepflegten Sitten groß*

kapitalistischer N iedergangszeit zu p fro pfen ist. A lsd ieL ip arer sich, u n ter Röm erherrschaft, zum Privateigenthum b ekehrt hatten, erkauften sie von den Seeräubern, gegen deren Väter ihre gekäm pft hatten, durch T rib u t die Schonung der A ecker un d W eid en ; waren friedliche Bürger, die n u r noch „R uh e u n d O rd n u n g “ , M ehrung (oder, wenigstens, W a h ru n g ) des G ew innes u n d Behagens ersehnten. D as alte P reußen ist am K apitalism us gestorben, der unserer W elt so nothw endig, so unverm eidlich war wie dem K örper das A ltern. Ist denn so schw er, zu begreifen, d aß eine M enschengem einschaft, deren E rw erbsm ittel Krieg, R aub, G ew altanw endung ist, ein anderes Lebensgesetz brau ch t als eine, die sich durch Ge*

w erbe, T echnik, H an d el in W o h lsta n d heben w ill? D a ß M ilitarism us (die A npassung des Staatsbaues, von der G rund*

m auer bis in die K uppel, an die O p tik der für K riegsführung V erantw ortlichen) un d C ivilism us (B au füh ru ng u n d Innen*

ausstattung nach dem B edürfniß des M arktw erth schaffenden u n d verschleißenden Bürgers) deshalb nicht in festen B und zu verknüpfen sin d ? D er großkapitalistische Industriekrieg, der durch die M ehrerzeugung von G eschütz, G eschoß, Tanks, Flugm aschinen, Wehr» u n d N ä n rsto ff, also von W irthschaft*

m acht, entschieden w ird, ist ein D in g an sich u n d m uß, wie

B riten u n d A m erikaner erkannt hatten, von g u t gespeisten,

gut behandelten G entlem en*Soldaten ohne schwerenTorriister,

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Die Zukunft

K ochgeschirr, drückende M antelrolle g eführt w erden. D ie tiefste U rsache der vielbeschw atzten „Z erm o rschung“ unseres H eeres w ar doch, d aß der Krieger gelöhnt, gefüttert, gebüttelt w urde wie ein Ja h rh u n d e rt zuvor seine A h n en ; daß ein uns ü b erb rü ck b arer A b g ru n d , ein w eltw eiter A b stan d ihn von dem O ffizier, von dem jüngsten Lieutenant noch den ältesten, gelehrtesten Landsturm m ann, trenn te; daß er auch im Felde die ungeheuren U nterschiede sah, die Besitz u n d Rang unter

„V olksgenossen“ aufklaffen läß t; un d d aß der Rückblick au f die darbende H eim ath, d er V orblick a u f den satten Feind ihn, von M o n d zu M o n d sicherer, erm essen lehrte, welche W irth*

schaftm acht in diesem Kam pf siegen müsse. M it dem Kommun nism us k ehrt der alte U rstän d der N a tu r wieder. W as Allen g ehört, w ird von A llen geschirm t. Krieg, der nicht ganz kurz ist, fü h rt immer, d urch N o th sta n d , der in R ationirung, Ver*

theilu ng schw indenden V orrathes, also in D u rch feilu ng aller Besitz«- u n d Erw erbrechte zw ingt, o d er durch den D rang, gerechte B eutevertheilung als ein M ittel zu E rhaltung un d H e b u n g der in H eer u n d H eim ath gefährdeten Stim m ung zu nützen, bis (m indestens) an die G renze von Gem einwirth*

Schaft (K om m unism us). U n d hat diese W irthschaft sich da be*

w ährt, dann naht, ungerufen, die V ersuchung, sie den Krieg üb erd au ern zu lassen. N ach den g ro ß en Leistungen unseres H eeres in der T echnik des A u fb auen s u n d der Z erstö rung rieth ich, in N o th sta n d sze it das selbeSystem anzuw enden: für A rbeit, die nicht theuer sein darf, breite M enschenm assen heischt u n d dem G em einw ohl dient, die Jungm annschaft zu m obilisiren, der dam it w eder Lebensgefahr noch so schwer tragbare Last au fg eb ürdet w ürde wie zuvor im Krieg. D ie geist*

los au f ausgefahrenen G leisen hin u n d her dam pfende, nir*

gends u n d nie a u f dem kürzesten W ege klar erkannten Zielen ru streb en d e R egirung der D eutschen R epublik hat sich in solchen V ersuch nicht aufgerafft. W ie d e r sind die Russen vorangegangen. A u f dem m oskauer Jan u ark o n g reß hat H err T rotzk ij die M ilitarisiru ng der W irthschaft, die Umwand»

lun g der von K riegspflicht frei gew ordenen H eere in Ar*

meen der A rb e it angekündet. „ W ir m üssen dem aufgeklärten,

dem d enkenden A rbeiter sagen, d a ß an der W irth sch aftfro n t

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Von Lüttich nach Spa

uns eine schlimm ere G efahr d ro ht, als die m ilitärische selbst in der Z eit war, w o D enikin nördlich von O rel stand u n d Y udenitsch bei Petrograd sich an die H ö h e n von P ulkow o schob. W ir, G enossen, die w ir nicht m ehr, wie die A rbeiter in Frankreich u n d Belgien, Sklaven des K apitals sind, m üssen Alles, -bis in die rückständigen M assen, m ilitarisiren, um , als selbst für unser Schicksal V erantw ortliche, jed e erfaß*

bare Energiem enge für den N e u b a u unserer W irth schaft auf*

zuw enden. N e u n Z eh n tel unserer Z eitungspalten m üssen der E rörterung von W irthschaftfragen offen sein, dam it noch im dunkelsten Flecken J e d tr wisse, wo w ir Fabriken haben, welche die w ichtigsten sind, wie viel sie produziren, u n d dam it dem Fabrikvolk selbst b e w u ß t sei, welchen Ansehens*

Verlust das Sinken seiner A rbeitleistung ihm im ganzen Reich der Sow jets bereiten w ürde. D ie Lieferung einer neuen Lo*

kom otive, die ja A llen, jedem A rbeiter un d jedem Bauers weib, gehört, m uß wie ein V olksfest gefeiert u n d der A them einer reparirten L okom otive m uß so z ä rtlk h bew acht w erden wie der Puls eines kranken B ruders, einer geliebten Schwester, einer Frau. W e ih t die A rbeiterschaft all ihr D enken un d W o llen , ihre ganze revolutionäre Leidenschaft der Lösung unserer W irthschaftproblem e, wie bisher den Pflichten des Krieges, dann w ird, D essen bin ich gew iß, schnell gelingen, R uß land auf den neuen W eg in G rö ß e zu führen, den Fein*

den zu W u th , den Freunden zu F reude.“ Ein an E rfahrung besonders reicher A rb eiter ist zum C h ef des G eneralstabes ernannt, dessen für die Kriegszeit erw ähltes, aber auch der W irth schaft kundiges H a u p t ihm als G ehilfe unterthan wor*

den. Ist nicht das Erbe von Lipara sp ü rb a r? In W e st aber fü h rt im m er noch Plutos, der Schätzehäufer, Eirenes blinder Sohn, den Reigen der W ünsche. F ü h rt ihn aber nicht so sicher in Sum pf wie der Bankert, der u n ter dem D ecknam en des N ationalbolschew ism us hochstapelt u n d W undergläubi*

gen verheißt, m it einem deutsch.russischen Neom arxisten*

heer „am Rhein den Entente*K apitalism us zu schlagen“ . Vie*

len N arren u n d manchem Professor mags einleuchten; die pfiffigeren V erkünder des Planes ^ ürden sich m it dem Russen*

einm arsch ins Elb* u n d R u hrlan d begnügen. Alles A ndere

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fände sich dann schon „von selbst“ . U n b eso rg t: zu erschien ben ist das B ü n d n iß des K om m unism us m it dem M ilitarist m us nich t; w o es w urde, wars, in aller G eschichte, von der N othW endigkeit innerer D ränge geknüpft.

O b ich der neulich erw ähnten Thatsache, d aß R uß land au f T erro r u n d T odesstrafe verzichtet habe, sicher sei? D as von der R ussischen Sektion der K om m unistischen Partei D eu tsch land s herausgegebene Blatt „K rassni N a b a t“ hat der

„Istw estija“ , dem am tlichen O rgan des allrussischen Central*

Exekutiv«*Ausschusses, den folgenden Erlaß entnom m en:

„ D ie V ernichtung der Y udenitsch, K oltschak, D en ikin , die E innahm e von R ostow , N ow otscherkask, K rasnojarsk und die G efangennahm e des feindlichen O berbefehlshabers schaf*

fen der Pflicht, die G egenrevolution völlig niederzuringen, neue Lebensbedingungen. D ie in einzelnen G ru p p e n der Ge*

genrevolutionäre lange genährte H offnung, durch Verschwö*

rung, A u fru h r, T erro r jeglicher A rt die H errschaft der Ar*

beiter u n d Bauer zu stürzen, ist durch die Z erm alm ung der uns feindlichen H eere m it der W u rzel ausgerodet w orden. So lange die E ntente uns m it der B allung gegenrevolutionärer Kräfte b ed ro hte, zw ang Selbstschutzpflicht die R epublik der Sowjets, das Spitzelwesen, die Zerrüttung* un d Aufstands*

versuche frem der A genten u n d der ihnen dienstbaren zari*

stischen G enerale m it den härtesten M itteln zu unterdrücken u n d die R ückfront der R othen A rm e zu sichern. D a die g rö ß ten G eheim organisationen unserer Feinde nu n zerstört, die B anditen gezüchtigt, die A rb eiter und Bauer dadurch in ihrer M acht gefestigt sind, k önnen w ir auf die Anwen»

d u n g der höchsten Strafm aße verzichten. D as revolutionäre P roletariat u n d die revolutionäre R egirung freuen sich der M öglichkeit, die W affe des T erro rs aus der H ä n d zu legen.

E rn eu t die E ntente den Versuch, durch bewaffneten Eingriff o d er d urch m aterielle F örd eru n g des von zaristischen Ge*

: neralen geplanten A u fru h rs die feste Stellung der Sowjet*

R egirung u n d den friedlichen A u fb au sozialistischer W irth*

schaft zu gefährcfen, dann, n u r dann k ö n nten w ir zur Rück*

kehr in T e rro r genöth ig t w erden. A u f den R egirungen u n d

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Von Lüttich nach Spa 121

den herrschenden Klassen der Entente*Länder und auf den ihnen befreundeten russischen G ru n d b esitzern u n d Kapita*

listen liegt nun also die Last aller V erantw ortlichkeit für die A n tw o rt auf die Frage, ob die grausam e M eth o d e des R othen Schreckens w iederkehren m üsse. In Erw ägung der angeführten U m stände bestim m en wir, d aß aus den Ur*

theilen der A llrussischen A u ßerordentlichen K om m ission und ihrer örtlichen O rgane, aus den U rtheilen der Stadt* u n d K reisgerichte u n d des H öchsten G erichtshofes die Todes*

strafe (E rschießung) ausgeschlossen werde. D er E rlaß ist du rch telegraphische A n o rd n u n g in K raft zu setzen. Für den V orsitzenden des A llrussischen Central#Exekutiv#Aus*

schusses: Kam enjew. D er V orsitzende des Rathes der Volks«

kom m issare: U ljan o w (L enin). D e r V orsitzende der Außer*

o rdentlichen K om m ission: D serschinskij.“ D er Erlaß ist, im Kreml, am siebenzehnten Jan u ar unterzeichnet w orden. Seit­

dem sind fünfzehn W ochen verstrichen. D ie D eutschen haben von dieser bedeutsam en W e n d u n g russischer Innenpolitik keine Silbe gehört. W o z u auch? W eil in das Schreckbild der m ordenden, sengenden, p lü n d ern d en B olschew ikenbanden solche K unde nicht taugen w ürde, w ird sie verschwiegen.

D a w ir in der M einung einig sind, d aß der W ahlauf*

ru f der D eutsch»N ationalen du rch kluge K larheit u n d ver*

nünftigen A n stan d , auch durch die E rk enn tniß m oderner W irth sch aftn o thw endig k eit um sieben H im alayas ü b er den putzigen W ech selb alg Ihrer D em okraten gehoben w urde, kann das auf einzelne Stellungen gerichtete Trom m elfeuer Ihrer D ialek tik mich nicht betrüben. G egen das Frühschoppen*

p ath o s, das aus einzelnen Sätzen rü lp st, dürften Sie noch schärfer schießen. A ber das G anze hat Schwung, Schmiß, Etwas von der natürlichen, m anchm al tapsigen N oblesse auf Feld un d W iese erw achsener Jugend u n d zeigt, d aß in der

„Staatspolitischen A rbeitgem einschaft“ dieser Partei M änner sitzen, die sich nicht ins E w ig g e s trig e , Heydebrand*W estarp*

ische einm auern lassen. „ W ir gehen aus von der politischen Freiheit des Einzelnen u n d stellen uns b e w u ß t auf den Bo*

den des allgem einen, gleichen u n d geheim en W ahlrechtes

(10)

Die Zukunft

fü r M änner u n d Frauen. W ir lehnen jede gewaltsam e Aende*

ru n g der staatlichen Z u stän d e ab u n d wollen auch u nter der jetzigen Staatsform u n d ohne Rücksicht auf die Partei zum W o h l des G anzen m itarbeiten. D ie A usw ahl der Beam ten d arf n u r von A u sb ild u n g u n d T üchtigkeit bestim m t sein.

W ir verlangen die E rgänzung (hier hat der M u th gefehlt, sonst stü nd e: die E rsetzu n g) des Parlam entarism us durch eine V ertretung der Berufsstände u n d sind entschlossen, jede au f dieses Ziel gerichtete A rb eit zu unterstützen. Landwirth*

schaft u n d Industrie, H an d w erk u n d H an del m üssen M ittel u n d G elegenheit haben, ihre Kräfte als Erzeüger un d Ver*

m ittler des U m satzes frei auszunutzen. W o im m er sich die N o th w e n d ig k e it staatlichen Eingreifens ergiebt, bleib t Aus»

m aß u n d A usfü h ru n g w irthschaftlichen Selbstverwaltungs*

k örp ern überlassen. W ir verurtheilen die gew issenlose H etze gegen die Landw irthschaft, w erden aber genau so d arau f be*

dacht sein, das V erständniß la n d w irtsc h a ftlic h e r Kreise für die N o th w en d ig k eiten der städtischen B evölkerung zu heben.

W ir m üssen danach streben, die Freude an der A rb e it un d die V erantw ortung für die A rb eit wieder großzuziehen. Des*

h a lb , nicht als M ittel des Klassenkam pfes, den w ir durch A rbeitgem einschaft ersetzen w ollen, verlangen w ir die Ein»

Ordnung der A rb eiter un d A ngestellten in den P ro d u k tio n ­ pro zeß durch M itbestim m ungrechte, so w eit sie durch eigene V erantw ortung gedeckt sin d , un d durch B etheiligung am G ew inn. W ir können uns n u r zu Sozialisirungen verstehen, die der A llgem einheit, Staat oder G em einde, N u tzen brin*

gen, nicht zu solchen, die n u r den in den betroffenen Be»

trieben zufällig beschäftigten A rbeitnehm ern, auf Kosten der anderen, n u tzbar werden. W ir verlangen: gemeinsam e Grund*

schule für alle K inder unseres Volkes, A ufstiegsm öglichkeit im einheitlichen Schulwesen, A u sbau der Pflichtfortbildung*

schulen für die zu Erw erb thätige Ju gen d, W eiterb ild u n g des G em üthes u n d des Em pfindens d urch V olkshochschulen.

Jed en Eingriff in die Lehrfreiheit der H ochschulen un d in die R eg elu rg ihrer inneren A ngelegenheiten lehnen w ir ab .“

D u rfte m an m ehr, auch n u r so viel von den Söhnen preußisch

K onservativer erw arten, die bis ins Ja h r 18 die U eb ertrag un g

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Von Lüttich nach Spa 123

des Reichsw ahlrechtes auf P reu ß en wie das N ah en der Sint- fluth schreckte? D e r A u fru f der D em o kraten, die selbst nicht m ehr auf ihres B esitzstandes E rh altu ng hoffen, scheint aus dem ins M itteleuropäische (also in U n sin n ) gedrillten H irn einer Lehrerin g eb o ren , deren „völkische“ In b ru n st säuerlich gew orden ist,u n d (a u c h D ie s bezeichnet den Sonder­

typus unserer D em okratie) träg t die U nterschrift eines H a lb ­ ariers, der für n ö th ig hält, seinen Titel, des einem Senatus, also einer G reisenbehörde, Zugehörigen, vorzusetzen. D as M anifest der N ationalen kom m t aus G ehöften kräftig hoffen­

der Ju g end . D eren W o rtfü h re r bin den ernsthaft Besonnenes in die fast imm er gute Form klarer Leitsätze; haben auch den M uth, von „unseren Fehlern“ zu sprechen, vor „n atio ­ nalem D ü n k e l“ zu w arnen, das „m enschliche Versagen eines T rägers der K rone“ in w ürdiger G elassenheit zu erw ähnen.

D as seit dem N ovem ber 18 Erlebte verleitet sie in den G lau ­ ben, „m it der R epublik sei p olitische K o rrup tion u n tren n ­ bar v erb u n d e n “ . H ellas u n d Rom , die Schweiz und Eng­

land (das ja seit Jah rh u n d erten eine R epublik, m it erblichem Präsidium u n d einer in königlichem Rang u n d G lanz ge­

duldeten Präsidialfam ilie, ist) zeugen w ider diesen G lau b en ; u n d gab es in Frankreich, den V ereinigten Staaten, Südam erika, A ustralien Zeiten der K orru ption , so war sie gew iß nicht schäd­

licher, nicht schim pflicher als die in das Reich W ilhelm s des Zw eiten eingefilzte. Ist denn schon vergessen, daß A del und Baronie, T itel und O rd en zu festem Satz käuflich w aren? D a ß Institute geg ründet w urden, die auf dem Jah rm arkt der Eitel­

keit G eld erhökern m ußten, um die Schatulle Seiner M ajestät von Pflichtschuld zu entlasten? D ie E rlaübm ß, altfran^ö- sische M uster für W ilhelm s cadiner K achelfabrik nachzubil­

den, w urde m it hohen preußischen O rd en bezahlt. D er A n ­ kauf solcher Kacheln m it A llerhöchster G u n st u n d Reklame.

W eil dem drängenden K achelangebot gehorcht w orden war,

w urde zur Eröffnung eines W einhauses, einer Synagoge ein

H o fh e rr abgeordnet. D er von G o ttes G n ade G ew eihte warb

u n ter W oh lh ab en d en , die er an sich kom m en ließ, K unden

u n d no tirte deren B estellung auf die M anchette; bedang, als

er, endlich, ü b erred et w orden war, dem großen Baum eister

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M essel einen Staatsauftrag zu gew ähren, d aß der zuvor ba*

nausisch G escholtene dem cadiner E rzeugniß im W aarenhaus W ertheim eine V erkaufstätte sichere; nahm , gegen w ürdigen M onarchenbrauch, G eschenke h o h en W erth es an u n d spendete G ü nstlin gen zu langen u n d ü ppigen O zeanreisen Fahrkarten, die er selbst nicht bezahlt hatte. G en u g für heute. So kam er, dessen D auerfahrten H err Fiskus au f seine breite K appe nahm u n d den, tro tz hoher C ivilliste, sam m t allen Prinzen von 14 bis 19 der H eereshaushalt ernährte, in prunkendem G eto s zu großem V erm ögen. U n d dem H errn ähnelte m ancher Knecht. D ie G um m ireifen an sakrow er H o fk u tsch en und M inisterialautos, die Seine u n d Ihre Excellenz nach u n d von Schw anenw erder spediren, überrollen in Eurem O h r doch w ohl nicht die E rinnerung an A lles, was gestern leidig war. D e n na*

tionalen Staatspolitikern m öchte ich auch sagen, d aß m ancher ihrer A hnen, nicht n u r der Ju d e M arx, in dem Staat „das ver«

haß te U ebel“ sa h (d a rü b erh a tL a g a rd e allerleiheute nochLehr*

reiches geschrieben); d aß ihre zornige B ehauptung, „als einzi*

ges Volk der W elt seien wir ausgeschlossen von des freien Man«

nes W e h r u n d W affe“ , den W unscK aller W eiß en v ö lk er ver*

schweigt, diesen A u sschluß als V o rbed in g allgem einer Ent*

m ilitarisirung zu sichern; u n d d aß m ir nicht „von N euem bew iesen“ scheint, „die Bande des B lutes u n d die Gemein*

sam keit der K u ltu r seien stärker als die V erb ind un g durch gleichartige w irthschaftliche V erhältnisse“. D ie anglo*roma*

nischen B ündnisse, die Stim m ungen in d en R heinländern, die proletarischen W eltverb än de sprechen b eredt gegen diese M einung. D o ch wer sich ganz, dem dritten N ap o leo n näher als dem Bismarck der höchsten S tu n d e, au f den G ru n d des N atio nalen stellen will, m u ß die Internationale bekäm pfen.

D ieser K am pf soll im G eist des C hristenthum es, also der internationalsten aller M ächte, g efü h rt w erden. H ie r endet der Ernst. D as C hristenthum C h risti ist b e w u ß t widernatio*

nal, der N ationalism us, vornan der deutsche, b e w u ß t wider*

christlich: kriegerisch, von der Sucht nach G ew altanw endung bew egt, au f M achthäufung erpicht, drum auch nicht das Ge*

fäß, w orin der Z o rn ü ber „seichte L ebensauffassung“ un d

„m aterialistischeW eltanschauurtg“ in reine K larheit ausgähren

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Von Lüttich nach Spa 125

kann. M öglich war stets u n d ist heute den N ation alisten ein B iindniß m it den him m elw ärts Z w ischenhandel treibenden H erren, die vier Jahre lang H aß und M o rd , L uftb om ben und T o rp ed o s predigten u n d noch im Septem ber 18 an die m it dem M arschallstab d urch das Land stolzirende Lüge vom sicheren Sieg das lästerliche G eb et hefteten: ,,H err, w ir dan*

ken D ir, d aß D u die Feinde in unsere H a n d gegeben h ast!“

Im G anzen ist, dennoch, das „N ation ale M anifest“ gut, ein sauberer W egweiser an der W en d e preußisch*konservativen W ollen s u n d nicht um eine U nze' w eniger „dem okratisch“

als das B ardenlied der Petersenilen gegen den „Vernichtung*«

w illen d er Feinde“ (das nach San Remo, vor Spa besonders zeitgem äß klingt). Schon in der Thatsache, d aß die Natio*

nalen nichts eigentlich A ntisem itisches (au ß er dem W unsch nach D äm m ung des O stju d enstro m es) bringen, w ird ruch*

bar, d aß sie die Stunde vorbedenken u n d vorbereiten, die gegen den A nsturm der Internationalisten das B ürgerheer sammelt. Diese Stunde w ird schlagen. D en n die Demokraten*

partei kl^bt an den Fetzen eines W irthschaftprogram m es, das

der Krieg zerstückt hat, u n d zeigt, durch das unanständige

W u th g ek eif, das sie den ihr E ntflohenen, den „bew ährten

V eteranen“ von gestern, nachgeifert, gerade jetzt w ieder, wie

runzelig alt sie u n ter neuer H ü lle geblieben, wie häßlich aus

der H a ltu n g stolzer M annh eit gefallen ist. Schade um die

Partei, die vor einem J a h r frohe H offnungen g rü ß ten u n d die

auf dem G ebiete der W irthschaft, also dem w ichtigsten, nun

die rückständigste, u nfruchtbarste aller Parteien ist. Ju ng e

M enschen, die w eder N aum anns b u n ttö n ig e Phraseologie noch

der graue Petersenilism us, w eder die epigonische Bäum erei

noch gar das A rtikelgesabber abgethaner Z ufallsm inister u nd

Schwatzsekretäre täu b t u n d blendet,, m üssen aus der Ruine

eine R epublikanerpartei erstehen lassen, die das B edürfniß

m oderner W irthschaft, das besondere deutscher erkennt un d

an K opfzahl der M an d atsinh ab er zunächst nicht g ro ß zu sein

brauch t, um in künftigen K äm pfen der P ivot zu w erden. Sonst

w erdens die Jung*N ationalen. Bald. D en n das G entrum ist

nicht so unklug, m it H a n d u n d H erz, H a u t u n d H aar, allen

W etterzeichen aus Bayern, R heinland, Schlesien zu T rotz, an

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eine .Gruppe sich hinzugeben; und die Koalition kann nur so lange dauern, wie die Sozialdemokratische Fraktion nicht wahrhaft demokratisch und allem echten Sozialismus erz- feindlich ist. W ie lange erlaubts Herr Omnes?

D as Gerücht, das Ihnen von dem Helferwerk amerika- nischer Quäker erzählte, sprach nur halbe Wahrheit. Täglich werden hunderttausend deutsche Kinder mit dem kräftigsten Nährstoff gespeist. D as zum Kauf und Transport dieser Nähr#

mittel nöthigeG eld haben dieQ uäker(G esellschaft derFreun- de) gesammelt und sie leiten hier dieVertheilung. N ur für die Bereitung der Speisen (aller Zubehör wird geliefert) ist ein kleiner Betrag aufzubringen; von Gemeinden und Eltern, die er nicht drückt. Jedes Kind hat eine Speisekarte, auf deren Rückseite gedruckt ist: „Ein amerikanischer Freund«»

schaftgruß, vermittelt durch die Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker), die zweihundertfünfzig Jahre hindurch und selbst während des soeben beendeten W eltkrieges den Grundsatz vertreten hat, daß nur H ilfbereitschafttm d Liebe, nicht Krieg und Gewalt, der Menschheit Frieden und Glück bringen können. American Friends Service Committee in Ge#

mreinschaftarbeit mit American Relief Administration, Euro­

pean Children’s Bund; Vorsitzender: Herbert H oover.“ Z u­

nächst werden die siechen Kinder zwischen sechs und vierzehn Jahren aufgefüttert, derenUnterernährung der Arzt bezeugt hat.

D ie Zahl der zu Speisenden soll rasch noch erhöht und da­

nach der Versuch gemacht werden, den Kleinen W äsche und Kleider zu schaffen. Wer das deutsche Kinderelend, die ent­

setzlichste Folge der von allen Pfaffen gesegneten vierjährigen Kriegerei, des von allen Fraktionen den W ilhelm, Bethmann

& Co. verziehenen Kapitalverbrechens, kennt, Der w eiß, daß wir den Menschenfreunden aus Amerika nie inbrünstig ge­

nug danken können. Solche That der Liebe, aus dem freien

•W illen der Feinde von gestern, war noch nicht. Hier ist die Aussicht frei, der G eist erhoben. Eirene wird Maria und von ihrer Brust lächelt das Knäblein Erlösung ins Kinderland.

Mailich sprießt ein H offen auf Menschheit. Warum sprichst

D u, Oeffentliche M einung, nicht davon? Hindert „Papier­

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Von Lüttich nach Sp» 127

mangel“, der täglichenVerschleiß des widrigsten Lügenquarks erlaubt, Dich, nach Gebühr die Männer zu rühmen, die übers Meer fuhren, um mit mühsam aus unzähligen Rinnsalen der Güte gesammelten Kalorien fremden Kindern in frische Kraft und lenzliche Freude am Leben zu helfen?

S p e k tr o p h o n

1. „Ich nehm e m ir den M uth, m ich an Sie zu w enden und Ihre A ufm erksam keit auf eine A ngelegenheit zu lenken, die w ohlw ollend ü bergangen w ird und von deren B esprechung die bürgerliche P resse sich fern hält. Sie zetert über jede L o h n e rh ö h u n g von A rbeitern und A ngestellten o d er ru ft m it Kummervollem A u g enaufschlag nach oben d e r R egirung ein ,Q u o u sq u e?' zu u n d p rophezeit den völligen N ie d erg an g d er deu tsch en W irth sch aft, w enn n ich t die L o h n sch rau b e alsbald endlich abgestellt w erde. U eber d ie R ’e se n e rh ö h u n g d er G e ­

hälter von B ankdirektoren ab e r w ird kein W o rt verloren. U nd d och sind gerade diese G e h älter d a s schlechte Beispiel, d as g u te Sitten verdorben hat. Im H andelstheile des Berliner T ageblattes vom sechsten M ärz w ird d er G esch äftsb erich t der H ildesheim er B ank besprochen u n d erw äh n t, daß im letzten J a h r die A usgaben fü r D irektoren u n d A ngestellte von etw a 7 0 0 0 0 0 au f 1,1 M illionen M ark gestiegen seien. O hne W eiteres m a g zugegeben w erden, daß in dem B etrag ein erheblicher Theil fü r Z uw endungen an B eam te steckt. A ber die F assung d e r N otiz läßt keinen Zweifel, daß von den fast 400 000 M ark ein T heil auch a u f die vier V o rstandsm itglieder entfällt. (N ur auf vier; dem N am en nach sind a u ch zwei o d er drei e h e ­ m alige P ro k u risten V orstan d sm itg lied er; die ab e r sitzen nicht In den D irektorenzim m ern, w erden n ich t m it A u fsic h tra th ­ m an d aten b ed ach t und haben u n g e fä h r die S tellung d e r früheren Feldw ebel-L ieutenants.) D ie anderen vier H erren aber, deren jeder b ish er ein Einkom m en von 80 bis 100 000 M ark hatte (Fixum, Tantiem e, A u fsich tra th m an d ate), w as in einer kleinen S ta d t fü r eine kleine B ank im m erhin Etw as bedeutet, haben kein Bedenken getragen, sich eine neue E rh ö h u n g zubilligen zu lassen. Die P resse p red ig t den A rbeitern un d dem M ittel­

s ta n d : »Arbeiten u n d sich ein sc h rä n k e n !' 'F ü r die B ankdirek­

toren gilt D as nicht. Ihre b ish e r schon großen Bezüge m üssen n och g rö ß er w erden, d am it sie ihre luxuriöse L eb en sh altu n g fortsetzen und d u rch die Schaustellung1 ih res Luxus w enig­

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stens den W erth ih rer L itaneien von d er N o tw e n d ig k e it w irts c h a ftlic h e r E in sch rän k u n g praktisch a u f d a s richtige Maß zurückführen können. H iergegen w äre n ich ts zu sagen, wenn dieses G eb ah ren n icht .s e h r bedenkliche Folgen hätte.

Die R iesengehälter w erden eben n ich t zu nothw endigen, so n ­ dern zum größten T heile zu L uxusausgaben verw endet. L uxus­

ausgaben w andern entw eder ins A usland oder bieten einhei­

m ischer L uxusindustrie neue N a h ru n g , w ä h re n d es ric h tig e r ist, n u r die nothw endigen Betriebe au fre ch t zu erhalten, n u r ihnen K ohlen und R ohstoffe zu r H erstellu n g w irklicher Be­

d arfsg eg en stän d e zuzuführen. F erner w ird die U n zu fried en ­ heit d er A ngestellten so lange n ich t aufhören, wie sie die D irektoren n u r im G ew and von L uxusgeschöpfen sehen, die m it dem zehnten T heil von A rbeit d a s Z ehnfache an G e h a lt beziehen. D ritten s w ird der allgem eine K rebsschaden d eu tsch e r Papierinflation nie au fh ö re n , w enn g erade die zur V eran tw o rtu n g B erufenen dabei b eh arren , die P a p ie rp re sse auch zu ihren eigenen G u n sten in B ew egung zu halten. W as m ich hei dieser Sache so b eso rg t m acht, ist n ic h t ;die geringe Geldm eng|e, die zur D eckung d er erh ö h te n D irek to ren g eh älter n ö th ig ist.

Ich weiß, daß die Sum m e, m it d e r Sum m e d e r A rbeiterlöhne verglichen, nicht ins Q ew icht fällt. Ich weiß au ch 1, daß sie,, auf alle A ngestellten gleichm äßig vertheilt, dem Einzelnen p ra k ­ tisch n u r ein M ehr von kaum 100 M ark im ja h r bringen w ürde. Ich w ende m ich n u r dagegen, d aß P ersonen, d ie ihre w irthschaftliche V erantw ortlichkeit bei jeder G elegenheit betonen, zu ihrem' eigenen V ortheil d as U ebel d e r L ohnsteige­

ru n g und d er P a p ie rg eld m eh ru n g schlim m er m achen, statt, m it gutem Beispiel voranzugehen, sich einzuschränken und d a ­ d urch auch in A nderen die N eig u n g in schädlichen Luxus a b ­ zuschw ächen. Ich halte dieses T reiben fü r um so verw erflicher, als es ausschließlich' von d er A bsicht geleitet ist, u n ter den heutigen V erhältnissen eine luxuriöse Lebensw eise au frech t zu halten, die eine w irthschaftliche u n d öffentliche G e fa h r ist.

D ie W a h rh e it ist in Ihrem B latt im m er zu W orte gekom m en, auch w enn es sich' um m ächtigere P ersönlichkeiten, als B ank­

direktoren heute noch sind, hier g eh an d elt h a t."

2. „In d e r ,Z u k u n ft' vom siebenzehnten A pril las ich' eine kurze Skizzirung d e r Z u stän d e in W estpreußen. W enn ich solche D arste llu n g in einem alldeutschen o d er scheindem okrati­

schen B latt fände, w ü rd e ich B erichtigung g a r n ich t e rst ver­

such en ; Ihnen a b e r d a rf ich sagen, d aß die Leute, die Ih n en

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Von Lüttich nach Spa 129

Klagebriefe schrieben, Falsches berichtet haben. Ich bin selbst W estpreuße und kann d esh alb m it einigem A n sp ru ch 1 a u f G lau b w ü rd ig k eit reden. So b eh au p te ich denn, d aß in W est­

preußen n icht einm al L ebensm ittelknappheit herrscht. Jeder kann so viel erhalten, wie er b ra u c h t und verlangt. M it A us­

nahm e, D as gebe ich offen zu, von B utter. Als ich zu O stern in m einer H eim athstadt, die im m erhin zw ölftausend E inw ohner zählt, w ar, h a t nicht ein Einziger über M angel an Lebensm itteln geklagt. Am dritten Feiertag, wo doch schon in Friedenszeit die V orräthe knapp w aren, konnte ich im Laden Speck, Schm alz, Fleisch für die Reise einkaufen. D er beste Beweis aber für meine B e h au p tu n g ist die T h atsache, daß W estpreußen (oder,, in polnischer B ezeichnung, Pom ereilen) den F reistaat D anzig m iternährt. G anze S chaaren von H am sterern aus D anzig ü b er­

schreiten täglich die G renze; Jeder d a rf zehn P fu n d Fett, Fleisch, einen C en tn e r Kartoffeln und A nderes m itnehm en.

Außerdem liefert Pom erellen offiziell an D anzig in jeder W oche ansehnliche M engen Lebensm ittel. N ach K ongreßpolen w ird n u r so viel ausgeführt, wie in W estpreußen entbehrlich ist. D en W aarenm angel kann ich, leider, nicht leugnen. D a die In ­ du strie K ongreßpolens d a s Volk noch n icht m it W aare ver­

sorgen kann, ist auch in W estpreußen M angel; u n d alles Ein­

geführte w ird d u rch Zoll und V aluta seh r vertheuert. D och1 d a rf m an n icht w egen dieses M ißstandes von Verfall und von ste r­

benden Städten reden. M it vollem E rn s t und B ew ußtsein sage ich: Die (ehem aligen) W estpreußen sind die besten und treusten B ürger Polens. An den R ath, aus den Preußen von gestern sich Freunde zu w erben, m öchte ich die B em erkung knüpfen, daß w ohl kein Volk freundlicher und d u ld sa m er ist als wir Polen, daß m an aber schw er all die preußischen D ran g saliru n - gen, unzählige bis in den letzten Tag, vergessen kann. D as w erden Sie als Psychologe verstehen. U nd ich hoffe, daß sich das ,M ißtrauensgew ölk' von Ihrem U rtheil über Polen verzieht.“

3. „W enn e's fü r uns^ noch eines Beweises bedürfte, q uantilla sapientia G erm an ia regatur, sö hätte ihn eine V ero rd n u n g des B örsenvereins der D eutschen B uchhändl'er, die m ir vorliegt, e r­

bracht. D er Verein schafft m it einem Schlag das G esetz von A ngebot und N achfrage und die D evisenfrage a u s d e r W elt und bestim m t, daß bei L ieferung nach dem A uslände die M ark zu P han tasiep reisen berechnet w erde. F ür die V ereinigten S ta a ­ ten von A m erika m it 10,8 C ents (nebst T h eu ru n g zu sch lag von 20 P rozent). D aß D eutschland in seiner unbequem en Lage

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alles M ögliche th u t, um seine entw erth ete V aluta auf dem W elt­

m a rk t w ieder in die H öhe zu bringen, m uß Jed er begreifen.

D er einzige vernünftige W eg aber, auf dem Dies geschehen kann, ist d er einer gesetzlichen O rd n u n g von E xporttaxen, die n atü rlich das A usland zu zahlen h a t und die nu r in P rozent a u f die M ark festgesetzt w erden k ö n n ten ; denn es w äre rein er U n sin n , dem am erikanischen Im p o rteu r zu sag en : ,Es ist ganz gleich, zu welchem P reis D u Deine M ark drübqn dec'kst; so ­ bald D u m it D einem G eld h ierh er kom m st, ist Dein D ollar 9 M ark w erth und n ich t m eh r.' Z u n äch st w ürden u n ter dieser U ngerechtigkeit -Alle leiden, die am A nfang des Krieges M ark g e h a b t haben. Ich, zum Beispiel, hatte in deutschen Banken M arkdepositen g eh ab t, die mich u n g efäh r 23s/4 C ents kosteten;

ich habe ferner w äh ren d d es Krieges K riegsanleihen gezeichnet, fü r die mich die M ark zwischen 20 und 17 C ents, je nach der Zeit d er Z eichnung, kostete. D iese sind m it allen anderen d eu tsch en M arkvaluten sta rk e n tw e rth e t und es w äre gewiß lächerlich von m ir, d a rü b e r B eschw erde zu führen, ich m uß ab er dagegen pro testiren , daß, w enn ich jetzt diese M ark ver- w erthen will, m ir d e r B örsenverein sagt, zuvor m ü sse ich die Differenz a u f deutsche M ark auf dem am erikanischen D evisen­

m a rk t und in d er P h a n tasie d es B örsenvereins ausgleichen, ehe ich deutsche W aaren fü r mein d eu tsch es G e!d kaufen darf. W enn ich ein Buch kaufen will, d a s 20 M ark kostet, so m üßte ich d a fü r heute, nach d er V orschrift des B örsenvereins, un g efäh r 160 M ark in deutschem G elde zahlen. D abei rech n et sich der B örsenverein aus, d aß m ich diese 160 M ark etw a U/2 D ollars kosten; sie kosten mich ab e r 38 D ollars. D as ist eine Seite d er U ngerechtigkeit. Eine an d ere ist die, d aß natürlich ein so fixirter Preis n u r dem E x p o rteu r nützt, nicht etw a dem ganzen B u ch h a n d el; denn dem V erleger fällt, selb st w enn e r an dfem P ro fit des A uslandpreises T heil hat, nicht ein, seine A rbeiter b esser zu bezahlen o d er dem A u to r eine größere T antiem e auf d ie ins A usland verkauften B ücher zu g ew äh ren : es ist also Profitm acherei schlim m ster Sorte. G an z besonders lächerlich ab e r w ird diese V orschrift d a d u rc h , daß sie kinderleicht zu um ­ gehen ist. W enn ich B ücher einführen will, o h n e den P ha n tasiep reis d es B örsenvereins zu bezahlen, b ra u c h e ich sie n u r von Jem and, d e r n icht B u ch h än d ler ist o d e r nicht dem B örsenverein an ­ geh ö rt, aufkaufen, verpacken und herschicken zu lassen. In diesem Fall hätte ich den vollen V ortheil d e r niedrigen Preise u n d d e r Börsenverein könnte sich seine V orschrift einrahm en

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Von Lüttich nach Spa 131

lassen. B elustigend ist auch die Fixirung d er verschiedenen P reise; so ist die M ark gleich 5 P en c e -e n g lisc h er W ä h ru n g , gleich 9 C ents am erikanischer W äh ru n g . In diesem A ugenblick kann ich aber fü r 9' C en ts am erikanischer W ä h ru n g 61/ e Pence englischer W ä h ru n g kaufen. H ier w äre also ein h ü b sch es Feld für die A rbitrage gegeben, denn d e r U n tersch ied von u n g efäh r 22 P rozent w ürde bei einer einigerm aßen g roßen O rd re eine -ziemlich bedeutende Sum m e ausm achen. N och n etter w äre die S ache bei V erschiffung über Italien, denn 1 M ark w ird hier gleich 0,80 Lire gesetzt, w äh ren d ich für 9 C ents m eh r als den d o p p elten B etrag in Lire kaufen kann. Mit einem W o rt: die gan ze A ngelegenheit ist so dilettantisch b eh an d e lt w orden, daß ein ern ster K aufm ann d a rü b e r n u r den K opf schütteln kann.

In vollem V erständniß der Lage D eu tsch lan d s u n d im G efühl fü r 'R echt und Billigkeit habe ich b ish er diese W eg e nicht ein­

geschlagen, sondern m it m ehreren V erlegern ein A bkom m en v er­

einbart, d as du rch spätere V erfü g u n g einer P rivatgesellschaft n ich t hinfällig g em ach t w erden kann. Ich zahle für jedes Buch, d a s ich d rüben kaufe, den vollen K atalogpreis p lu s 100 P rozent T h e u ru n g z u sc h la g plus 100 P ro zen t V alutazuschlag, in M ark, also den dreifachen K atalogpreis: und so ist gan z gleichgiltig, w as ich für meine M ark auf dem hiesigen D evisenm arkt bezahlt habe. Ich glaube, daß alle hiesigen Im p o rteu re ein solches A b­

kom m en gern u n terschreiben w ürden und daß der d eutsche B uchhandel, d e r ja schließlich neben seiner reinen G e sc h ä fts­

t ä t i g k e i t auch eine b ed eutsam e P ro p a g a n d a p flic h t hat, dabei seinen V ortheil fände. In beso n d erer H o ch sch ätzu n g S i e g ­ f r i e d J a c o b s o h n in N ew Y ork am fünften A pril."

4 ,,D er B und d er L andw irthe in B reslau b eru ft als R edner

zu

einer V ersam m lu n g den G eneral G rafen von d er Goltz.

Den B altikum -G oltz! D er sa g t: ,Schon h a t die ru ssisc h -jü ­ dische, m it reichen G eldm itteln betriebene bolschew istische A gi­

tation bei un s an zu vielen Stellen H erde geschaffen. D ie Re­

g iru n g sieht im m er n u r G efahren von rechts, die von links heraufziehenden aber nicht. D er B olschew ism us ist g rau sam , ab er feig. W ill m an D eu tsch lan d vor dem fu rch tb arsten Schick­

sal, der D ik tatu r des V erb rech erth u m s, bew ahren, d a n n m uß m an die A bw ehr schnell und energisch vorbereiten. W ie es die G ew erkschaften gethan haben, m uß auch d er B und der L andw irthe d er R egirung seine F o rd eru n g en stellen; und der B und ist die stärk ste M acht im Reiche, denn er verfügt über d a s Brot. W ir m üssen, wie in B ayern, einen O rd n u n g b lo ck

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grü n d en . D a die E inw o h n erw eh ren auf Befehl d er E ntente aufgelöst w erden, weil die U n a b h ä n g ig en sie nicht m e h r haben w ollen, m üssen w ir u n s auf irgendeine a n d e re W eise schützen.

Ein Schutzm ittel w äre, S oldaten aufs L and zu nehm en, zu welchem Zw eck sich bereits in Berlin ein N atio n aler H eim ath - b u n d zu r V erso rg u n g H eeresen tlassen er gebildet h a t.' D ie L o­

su n g ist also : N e h m t Euch B altikum leute auf E ure G ü ter!

D er N atio n ale H eim ath b u n d b e so rg t sie. P rim a-A uslese. D a ­ bei sind w ir n atü rlich v erfassu n g treu bis in die K nochen. U nd dabei w ird im m er fü h lb a re r d a s Streben, die deu tsch en Kreise F alkenberg, G ro ttk a u , N eiße, die Reste des R egirungbezirkes O ppeln, die n ic h t in d a s A bstim m u n g sg eb iet fallen, noch h in ­ einzuziehen. D as C en tru m fürchtet, m it O berschlesien einen H au p tth eil seiner M acht zu verlieren und im d eutsch bleiben­

den Schlesien d a n n in B edeutunglosigkeit zu sinken. M an ch er Magnat hofft, u n ter anglo-französischem K apitalistenschutz sei­

nen Besitz zu retten. D azu kom m t die große S chaar D ere r, die n ich t in die au s d e r deutschen L iquidation bleibenden M asse .fallen m öchten. D a s zieht Alles am selben S trang.

A engstlichen G em ü th ern w ird vorgeredet, es han d le sich um die Pflicht, d a s D eu tsch th u m in O berschlesien zu s tä rk e n ; m an w olle n ich t zu Polen, sondern* in A utonom ie o d e r in d a s freie Leben eines d eu tsch en B u n d esstaates. Ich fürchte, d er W u n sch ,rau s a u s D e u tsc h la n d ' ist die H a u p tsa c h e ; die D ra h t­

zieher w ürden sich auch m it d e r A n g lied eru n g an Polen n u r allzu schnell abfinden. W enn d a s P o rtem o n n aie b ed ro h t e r­

scheint, en tsch w in d et m anchem M aulhelden aus dem K rieg die Liebe zum D eu tsch th u m . In einer Z w ickm ühle des G e ­ fü h ls ist, zum Beispiel, der F ü rst von Pleß, der, m it intim en Beziehungen zu E n g lan d s H of und R egirung, hoffen könnte, in O berschlesien sich ein K ohlen- un d F o rstp arad ies zu sch af­

fen. W ä h re n d d es K rieges arbeitete die oberschlesische K ohlen­

industrie, d e r die K riegsgefangenen Sklavenarbeit leisteten, m it R iesengew innen. N ach d er R evolution häuften sich die B ank­

schulden d e r selben In d u strie zu B ergen. Die letzten M onate haben Alles, a b e r.a u c h Alles w ieder ein g eb ra ch t. D as kön n te u n ter E n ten tesch u tz nun so bleiben. A uch die E in n ah m estei­

g e ru n g d e r großen W aldbesitzer, die bis um s V ierzigfache m eh r als vor dem K rieg verdienen. D och die F ürsten u n d G rafen m üssen bedenken, d aß diese E ntw ickelung g era d e n W eges in die Sozialisirung fü h rt. D as könnte a u f die D a u e r selb st die E n ten teb esatzu n g n ich t hindern. * K lubs nach eng-

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Von Lüttich nach Spa 133

lischem M uster im lieben Schlesierland zu g rü n d en , H otels fü r reiche englische G lo b etro tter zu bauen oder M illionen in S chloßrenovirungen zu stecken, ist ja auch eine schöne A uf­

gabe. Viel beachtet w ird die rege T h ätig k eit des Grafen;

P rasch m a, der ein st V e rb in d u n g m an n zw ischen K rone u n d C en tru m sp artei w ar, und des G rafen Karl F riedrich P ückler auf Friedland im Kreis F alk en b erg ; G en eralstäb ler (sein V ater w ar Intim us von W o y rsc h ); bändigte in B reslau nach dem K rieg m anchen Sozialisten, so den ehem aligen Sanitätsoldaten, späteren P olizeipräsidenten V oigt; gilt seitdem der D uden- dorff-C lique als feiner D ip lo m at u n d hatte sogar in den L ü tt­

w itztagen trotz C ivilanzug M ilitärbenzol. D as Schlim m ste ist:

u nser ganzes W irth sch aftleb en kom m t zum Stillstand. Kein M ensch kann noch bauen, m elioriren, auch n u r die Felder düngen. D as W o rt fre ib le ib e n d ' ru in irt die G eschäftsm oral.

Ich habe schon nach träg lich e P reiserh ö h u n g en von 1400 P ro ­ zent erlebt. H öchste Zeit, daß ein A ero p a g sittlich reiner M enscher Z usam m entritt und die W e ltw ir ts c h a f t w ieder in G a n g bringt. Helfen Sie, daß Spa ein A nfang w erd e!"

P r o g r a m m a

A n der Riviera di Ponente, der Sonnenuntergangsküste, stieg, dicht vor dem Maifeiermorgen, uns eine Sonne auf.

D as deutsche Volk hat, trotz ekler Vormundschaft, seiner Kraft solche Schätzung erwirkt, daß es in Gespräch über die W eichung der Vertragshärten und über künftige Wirthschaft*

sozietät eingeladen wurde. Seme Wortführer sollen am Tag nach dem Pfingstfest, dem Geburtstag der Ersten Internatio#

nale, mit den in den Westreichen präsidirenden Ministern in Spa zusammen kommen und aus der Summe des Mög*

liehen das zunächst N othw endige errechnen. D as belgische Bad, dessen H eilquellen manchem Verschleimten die Bron*

chien, mancher Hysterica die Laune reinigten, wird noch ein#

mal, wie in den Stunden v erb in d en d er Kriegsfluth, derBlick*

punkt aller W eißenpolitik. D aß nicht schon damals persön*

liehe Fühlung gesucht, nicht auf Vernehmung der angeklagten N ation bestanden wurde, war der verhängnißvollste aller deutschen Fehler. Im letzten Aprilheft des vorigen Jahres sagte ich: „Der Antwort auf die höfliche Bitte, zu Empfang der Urkunde des von den Westmächten vereinbarten Präli*

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minarfriedens Bevollmächtigte nach Versailles zu schicken, wäre, wenn ich mitzuentscheiden hätte, der folgende Satz angefügt worden: ,D a auf der in beiden Lagern angenom- menen Bedingliste vornan die Forderung steht, daß Friedens*

Verträge im Licht der Oeffentlichkeit zu erörtern und abzu*

schließen seien (Erster Punkt in der Rede des Präsidenten W ilson vom achten Januar 1918), und da der Deutschen Republik, die weder mit Militärgewalthabern noch mit Selbst­

herrschaft Einzelner fortan zu rechnen hat, Erörterung (dis*

cussion) und Friedensverhandlung (peace negociations), in ausgesprochenem Gegensatz zu stummer Kapitulation (sur*

render), unzw eideutig (in der N o te des Staatssekretärs Lansing vom dreiundzwanzigsten Oktober 1918) zugesichert worden ist, ersucht die Regirung der Republik die Verbündeten und Verbundenen Mächte um die Angabe des Tages und Ortes, an dem diese Verhandlung, deren Um fang nach Vereinbarung zu begrenzen sein wird, beginnen kann/ D ie unklaren W ortw indungen der berliner Antw ort bieten keinen zuläng­

lichen Ersatz.“ Zuvor hatte, danach habe ich oft betont, wie unüberschätzbar wichtig die G elegenheit wäre, den auf Zufallslehre, gestern von H ouse, heute von D m ow ski, über Mittel# und Osteuropa angewiesenen Weltrichtern den Z u­

stand, das Bedürfniß, Standard und Leistungfähigkeit Deutsch*

lands zu klären. Vergebens. In diese eine Forderung, den Vor­

beding und Pfeiler aller anderen, mußte die ganze Kraft ge*

sammelt werden. Sie verzettelte sich in nutzlos lästige Noten.

W eil unsere Geschäftsführer in des Bewußtseins Tiefe die persönliche Verhandlung mit überlegenen Köpfen scheu*

ten, ließen sie die D inge laufen. U nd durch den lässigen Verzicht auf die Erfüllung des im Ersten der Vierzehn Grund­

sätze Verheißenen wurde die stark befestigte Stellung des Präsidenten W ilson, für den bei öffentlicher Verhandlung sich eine W elt erhoben hätte, und zugleich Deutschlands letzte Rechtsschanze verschüttet. D em ward geweigert, was dem auf frischer That ergriffenen Raubmörder nirgends ver*

sagt werden darf: die ungehemmte Darstellung seines Han*

delns, seiner M otive und aller Um stände, die das Urtheil

mildern könnten. Der Friedensvertrag wurde von Männern

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Von Lüttich nach Spa 135

diktirt, die das jenseits von ihrer Kanalküste, ihrem Rhein*

ufer Liegende nur flüchtig, als Globetrotter oder Zeitung*

leser, mit schweifendem A uge, umfaßt hatten. W as der Aus*

fluß reißenden Bosheitstromes schien, war meist nur der töl*

pelnde Irrthum Unkundiger. U n d die durch eitle Trägheit daran schuldig Gewordenen schrien dann, kein Aufrechter dürfe den Schmachfrieden unterschreiben. (W ie müßten sie, wäre ein Fäserchen von Redlichkeit in ihnen, sich jetzt schä*

men!) Auch in den elf M onaten, die seit der Unterschrift gingen, wurde das Gespräch, an dem Schicksalsgewicht hängt, niemals ernsthaft erstrebt. N u n ist es angeboten, höflich er*

zwungen worden. Licht oder dunkel: in Spa wird Ereigniß.

W ird zuerst Katechese. U n d ist die berliner Regirung nicht, endlich, bereit, auf die Wurzelfrage nach der Kleinerung des Heeres und der Ablieferung der W affen ehrlich klare Antwort zu geben, so kann sie die Kosten der Fahrt in die Provinz Lüttich sparen. D aß ohne solche Antw ort nichts zu erlangen ist, beweist, nach dem (im vorigen H eft erwähn*

ten) Artikel des Abgeordneten Trevelyan, jetzt wieder ein im „Manchester Guardian“ veröffentlichter. „D ie Entwaff*

nung Deutschlands muß so wirksam durchgeführt werden, daß ihm auf Jahre hinaus die physische Kraft zu Kriegen nicht wiederkehrt. Das ist die einzige Vorschrift des Friedens*

Vertrages, in der auch wir nicht einen Buchstaben geändert sehen wollen; denn Logik, praktische Vernunft und uns, Allen, gemeinsames Empfinden fordern sie seit dem Tag, da eine deutsche Regirung (Bethmanns, der sich noch immer in Mit*

rede erdreistet), sich öffentlich zu der Lehre vom ,Fetzen Papier1 bekannt hat. D ie gestern veröffentlichte deutsche N o te (die um die Bew illigung eines Heeres von zweihundert*

tausend Mann winselt) ist die seit dem Kriegsende erste amtliche AeußerungDeutschlands, die mit dem oft mißbrauchten W ort Unverschämtheit bezeichnet werden muß. Zu welchem Zweck braucht das Kabinet M üller Schwergeschütz, M ilitärflugzeug und hunderttausend neue Soldaten? Etwa zu Bändigung der Militaristen und M onarchisten? D ie Erfahrung lehrt, daß die Regirungtruppen solchen Rebellen lieber als dem Reichs*

ministerium gehorchen. Oder zu Niederzw ingung bolsche*

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wistischer Aufstände? D ie umsichtigen, urtheilsfähigen Ver«

treter unserer Presse, die in der Unruhezeit alle Hauptorte besucht haben, stimmen in der M einung überein, daß der Bolschewism us in Deutschland nirgends W urzeln gefaßt ha­

be. W as die militaristischen Unruhestifter und die von ihnen eingeschüchterten schwachen Minister Bolschewism us nen«

nen, war fast überall Antimilitarismus, war der Ausdruck höchst vernünftigen und nützlichen Volkswiderstandes gegen das Treiben der Militaristen. W ir können uns vorstellen, was würde, wenn die Entente den Junkern den Gefallen thäte, in dem sonst ungewandelten Vertrag die Entwaffnung«

Vorschrift zu ändern. Schleunige Dem obilisirung: D as ist der einzige Punkt, w o das berliner Kabinet dicht vor der Frage steht, ob es die Vertragspflicht völlig erfüllen oder sich als eine machtlose Scheinregirung enthüllen w ill.“ Diese Sprache der neben dem sozialistischen „D aily Herald“ deutsch»

freundlichsten Zeitung Englands bew eist, daß von neuen Foppversuchen und Prellmächlereien in W est nichts mehr zu hoffen ist. Daß Einer, der das von irgendeinem Seeckt ihm Eingetrichterte in Spa vortragen möchte, schon das Ben*

zol für die Fahrt auf den Bahnhof vergeuden würde’. D ie Sache will W ahrheit; mit Lüge und Vertuschung wird ihr nicht gedient. Daß die Zeitfreiwilligen „zur A u flösu n g be*

stimmt“, die Mannschaft der Abwickelungstellen und Ge«

fangenenlager, die Sicherheitpolizei und die Einwohnerwehren nicht in den Heeresbestand einzurechnen sind, ist Offiziösen«

schwatz, den hinter der deutschen Grenze kein M ensch glaubt.

Der C ivilist selbst, der die Sicherheitpolizei genau betrach«

tet hat, weiß, daß sie eine militärisch ausgebildete Truppe ist, wahrscheinlich die beste, über die Deutschland heute verfügt, und daß nur aus der Absicht auf Trug der Beschluß entstanden sein kann, diese Leute, vielfach bewährte Unter«

Offiziere aus der kaiserlichen Garde, „Sicherheitbeamte“ zu nennen. Eben so offenbar ist den Fremden das Streben nach einer Organisation, die in aller Stille und, so zu sagen, hinter dem Rücken des Versailler Vertrages Zeitfreiwillige und Ein*

wohnerwehren für „den Tag“ des Generals Von Seeqkt „zu«

sammenfaßt“. Dadurch wird begreiflich, daß der berliner

Angabe, Deutschland habe nur noch ungefähr 235000 Mann

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Von Lüttich nach Spa < 137

unter den W affen, die anglo-französische entgegentritt, mit den alten Formationen (Lager und Abwickelungstellen) und Freicorps seien es schon 400 OOOMann.ohne Einwohnerwehren, Zeitfreiwillige und die (m it Artillerie, Fliegerabtheilungen, Stäben ausgestattete) Sicherheitwehr. Am fünften Januar hat die deutsche Regirung 377 000 Gewehre, 2500 schwere, 1200 leichte Geschütze, 3558 Minenwerfer, 2676 Maschinen#

gewehre zu Ablieferung angeboten, aber die Antwort ge*

hört, sie sei verpflichtet, 454 000 Handfeuerwaffen, 14 500 Geschütze und Rohre, 30 000 Maschinengewehre abzulie*

fern, und nur die Zahl der Minenwerfer sei richtig. Der aus Berlin eingereichten Liste zuvor schon vernichteter W affen wurde nicht geglaubt; wer staunt darüber, daß der Partner die Erfüllung der Vertragspflicht bewiesen sehen w ill und ihm nicht Behauptung genügt? Berlin sagt, die letzten Flug«

zeuge, ,472, „werden jetzt abgerüstet“ ; in den Festungen Königsberg und Königstein seien noch 1256 Geschütze. Paris antwortet: 2470 Geschütze und Rohre und 500 Fliegerab- wehrkanonen sind aus Festungen, 615 Geschütze und 470 Abwehrkanonen aus Küstenforts zu liefern. In Belgien, Eng­

land, Frankreich behaupten Regirung und Presse auch, Deutschland liefere, wider den W ortlaut des Vertrages, noch Material für Flugzeuge, M otore für Tauchboote, Geschütze, M aschinengewehre, M unition ins Ausland, habe deshalb aus Betrieben dieser Art weder Maschinen noch W erkzeug zu Abgabe angemeldet, ergänze, heimlich und über das erlaubte M aß hinaus, den eigenen Vorrath; und große Mengen von W affen und M unition seien versteckt und dem Zugriff Derer erreichbar, deren militaristische Pläne am Meisten zu fürchten seien. Admiral D egouy sagt mit Recht, ein Volk von sechzig M illionen Menschen könne in einem großen Lande, das G e­

birge, W älder, Haide, Seen, Ströme hat, überall Kriegsgeräth verbergen und sei drum wider seinen W illen nicht zu ent­

waffnen. Kann aber die redliche Absicht aufVertragserfüllung dadurch beweisen, daß es dem Partner jede ihn wirksam -dünkende Nachprüfung gestattet. D ie muß in Spa ange­

boten und zugleich versucht werden, neuer Zerstörung von

Geschütz und Geräth vorzubeugen. D a die Frage streitig

äst, wem das von solcher Zerstörung bleibende M aterial,

Cytaty

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