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Geisteskultur. Monatshefte der Comenius-Gesellschaft für Kultur und Geistesleben, 1926, 35. Band, Heft 4-5

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Gei teSkultur

MonatsheftederComeniusgefellfchaft für Geisteskulturund Volksbildung

Begründetvon Ludwig Keller Herausgegebenvon Nrtur Buchenau

85. Jahrgang - Vieriesxsünftes Heft

NprilXMai 1926

Berlin und Leipzig1926 Verlag von Walier de Gruijter 82 Co.

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Comeniuo-Gesellschastsiir Geisteokulturund Volksbildung

Begründet1892von Geh. RrchivratDr.LudwigKeller Vorsitzenden OberstudiendireltorDr.Vuchenau,Charlottenburgs, Schlossstrasse46 DieMitgliedschastwirddurch Einzahlung von 20Goldmark erworben. (Jn-und Ausland.) DieBeitragszahlung kann erfolgen: « ,

1.aufdas KontoderComenius-GesellschaftbeidemPostscheckamtBerlin Nr.21295 2.direkt an dieGeschäftsstellederC.-G.«in Berlin W10,Genthinerstr.38i.H.

Walten-de Grnyter FzCo. .

3.beijeder Buchhandlung inForm desZeilschrift-Abonnements.

DieMitglieder erhaltendie«Zeitschrift kostenlos. Sie erscheintjährlichetwa in 12Heftem DieHefte sind auch einzeln täuflich.

35.Jahrgang Inhalt: Heft4X5

Seite L.Aschofs, Nationales undUniversalesinKultur undWissenschaft............. 145 HansLebede, JugendundBühne.................. ............·... 154 Ernst Vowinckel, DerBerufdes Naturalismus inderjüngstendeutschen Dichtung159 Toni Harten-Hoencke, Vaterland .................. ................... 164 Walter Kühne,DieGeschichteeinerBerufung..·............................. 169 Theaterbericht ................................·.......·.................... 172

Lebede: LeoBlech. S.172.

Streiflichter ........ ................·.................................·... 176 Bürger: Jean Paul,derLiterat. S.176.

Erlesenes: .....................................................·........180 GriechischesDenken und griechischesVolkstum. (Aus»Delbrüc«ksWeltgesch. Bd.I.) S.180. KlassizismnsundRomautik. (Aus DehiosGeschichted.deutsch· Kunst Bd.lll.) S.182.

Bücherbesprechungen ......,....·............·........·......·."........... 186

Pädagogik «

Buchenau: PaulBarth,DieGeschichtederErziehunginsoziologischerundgeistes- geschichtliche-:BeleuchtungS.186-

Geschichte:

Molinski: RichardHeinze.VondenUrsachenderGrößeRoms S.187.

Mathematik und Biologie:

Zacharias: A.Deckert,Algebra,Planinietrie, EinführungindieTrigonometrie, Einführungin dieStereometrie S.188. Wernick: Bernhard Dürken,DieHaupt- probleme derBiologieS.189.

Reisebeschreibung, Länder- und Völkerkunde:

Dörge: WilhelmCrencer,DieEntdeckungdesErdballs S.190. —- Buchenau:

NiitgerEssån»ZwischenderOstseeunddenstillenOzean«S.190.—.Hern1ann GeorgeSchefsauer,Das geistigeAmerika von heuteS.190.»—RudolfdeHans, DerLöwevonMozanibiqueS.191. LudwigLewisohn, GegendenStromS.191. Oscar Kaufsmann,AusIndiens Dschungeln, ErlebnisseundForschungenS.191. Schach:

«

Buchenau: A.Aljechin,DasGroßmeisterturnierNew-York1924S.191.—Dörge:

EugenSnosko-Borowsky, Das MittelsptelimSchachS.192.

FortsetzungaufSeite3.desUmschlags

Manuskripte werden erbeten andieReduktion: Frl.Eva Wernick Berlin W, Genthinerstraske 38.

Jährlich erscheinen 10bis 12Hefte. Preis desJahrgang-s M. 20.—.

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Nationaleg und UniversulesinKultur und Wissenschafo

VonL.Aschoff.

ationalundinternational werden alsunüberbriickbareGegensätzeange- sehen.DieJnternationalität erscheintdemnationalen Gefühl fastwie ein Verbrechen,die nationale Beschränkungdem internationalen Denken alslängstüberlebteRückständigkeit.Unddoch habenbeideihre Berechtigung.

EsgibtkeineAusdrucksformdesLebensderVölker, welche nichtnebendem nationalen auchinternationale Wertebesäße.Aber dasGewichtunddieStärke dieserinternationalen WerteunddieArt,wiesieübermitteltwerden,ist auf denverschiedenenGebietendesVolkslebens ganzverschieden.

AnzweiAusdrucksformendiesesVolkslebens,derZivilisationundder Kultur-laßtsichdasam bestenzeigen.UnterZivilisationverstehenwirdie

gesellschaftlicheundpolitischeOrganisationeinesVolkes,d.h.diemehr prak-

tische,unterKultur diegeistigeAusdrucksweiseseinesEigenlebens.DieZivili- sationistinihreminnersten Wesendemokratischer,die Kultur aristokratischer Natur. JederwirklichgroßeKünstler, Schriftsteller, Dichter, Musiker istge-

borenerAristokrat. Je höherdieZivilisationineinem Landesteht,um sogleich- formigerwirddiegesellschaftlicheAusdrucksform,um soausgeschlifsenerdas politischeSystem,um soallgemeinerdie ArtderöffentlichenVerkehrsmittel.

Der GradderZivilisationistimwesentlichenabhängigvon dem mate- riellenWohlstande,von derUngestörtheitdesäußerenLebens. Daher istes

selbstverständlich,daßgerade diejenigen Völker,diefreivon feindlicherJnvasion bleibenundsicheinesrelativ großenmateriellen Wohlstands erfreuen, auch dieausgeprägtesteFormderZivilisationhaben.

DieZivilisationeinesVolkesmuß,wenn sieinternational wirkenwill, vorallem fürdaspraktischeLebenvorbildlichsein, soinbezug aufdieWoh- nungshygiene,Verkehrsmittel,Kleidung, Verwaltung. Vorwiegend handeltes sichdabeium technischeProbleme.DadieEinrichtungsgegenständeusw. kauf- barsind, sowirkt dieZivilisationwie derHandel international. AbersieVer- pflichtet nicht.DennsiebleibtimwesentlicheneinGeschäft.Daherkannman auchzivilisatorischeEinrichtungenzwangsweise,d.h.schließlichmitWaffen- gewalt einführen.Sosindzahlreiche,kulturellreichbegabte,aberzivilisatorisch

1)Dieser Vortrag ist gehaltenvorjapanischen HochschülerninJapan undzuerst erschienenbeiG.FischerinJena (VorttägeüberPathologie).Wir drucken ihn hiermit gütigcr Erlaubnis desAutorsab.

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146 L-Aschoff

niedriger stehende VölkermitGewalteiner anderen Zivilisation unterworfen UJVFIJMIcherwähnenur dieIndianer Nordamerikas. Solche gewaltsam zivtlisiertcnVölkerpflegenanderZivilisation zugrundezugehen. JmNamen derZivilisationanderen kultivierten VölkernGesetzevorschreibenzuwollen, IsteinZeichenvonUnkultur. Auch verstößteinsolches Vorgehengegen das

GrundgesetzallerVölkerverständigung,die kulturelle undpolitischeSelbstbe- stimmung.DieZivilisationerweist sichdarinoftalsder größte Feindder internationalenBeziehungen. Hinter ihr Verbirgt sich gewöhnlichnichtsanderes als dergeschäftlicheNeid. Sowurden sogarKriegeim Namen derZivilisation geführt.DerSiegerkanndemBesiegten bestimmte politische Verwaltungs- formen, bestimmte wirtschaftliche Verkehrsformenaufzwingenund,solange erdieMacht hat,durchsetzen.Dasallesscheintsichmit demBegriffderZivili- sationzuvertragen.

Ganzanders die Kultur. DieKultur,dergeistigeGesichtsausdruckeines Volks,kannnichtmitGewalteinem anderen Volkeaufgedrücktwerden. Das gingenur durchMischung zweierVölker.Die Kultur kannnur alswertvolle Gabeangebotenwerden. Sieistals einGeschenkzubetrachten,andessenBesitz

man sichnur freuen kann,wenn jedes EmpfindendesZwangesdabeifort- fällt.Es bleibtnurdasGefühlderDankbarkeit,derVerpflichtungDenndie Werte derKultur sind nichtin materiellen Gegenwertenzubezahlen.Nur in derreicheren EntwicklungderKultur desfremdenVolkes unter ihreman- regenden Einflußkanneine Kultur denLohn fürihre Hingabeerblicken.Daher ist jede echteundgroßeKultur sonational sie auch geformt seinmag-—

aufinternationale Beeinflussung eingestelltundführt selbst ihrenUrsprungauf andere internationale Befruchtung zurück.ImNamen derZivilisationKriege gegen ein Kulturvolk zuführen, isteinVerbrechen,im Namen derKultursolche zuführen,wäreeineSinnlosigkeit. Jeder Anhängerund Vertreter wahrer Kultur dientdemFrieden.Kann dieallgemeineKultur derVölker auchdie Kriege, welchederZivilisationentspringen,nichtverhindern,sokannsie helfen, deren Folgenzu mildern. SiewirddemblindenWüten desSiegers, welcher auch nachdemKriegedie Kultur desBesiegtenzuvernichtendroht, entgegen- treten. Sobleibt die Kulturinihrer SelbstlosigkeitderVorkämpferübernatio- nalerBeziehungen.

Religion, Kunst,Literatur undWissenschaft sinddie vierHauptträger derKultur. Jedes großeKulturvolk oderjedergroße Kulturkreis, wiees richtiger heißensollte, hat seine besondere, für feine geistigeStruktur passende Religionsform ausgeprägt.DasAbendland diechristliche,derarabischeKultur- kreis denJslam,derindisch-asiatischcdenBuddhismus. Da kein Volkgleich- artig zusammengesetztist,wirdesstetsRaum fürandere Religionsformen haben.So kenntdasAbendland BuddhistenundOstasien Christenunter der einheimischenBevölkerung.Solche friedlicheDurchdringung bedeutet fürden

nJOchrhaftreligiösen,d.h. denjenigen,derGottsucht,nurVertiefungundAn-

ethrtkngWennich besondersvon demChristentum spreche, sonur deswegen, weilich selbstChristbin undmirdirVerhältnisseambestenbekanntsind.sAber

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Nationales undUniversalesinKultur undWissenschaft 147

ich weiß sehr wohl, daß das,was fürdas Christentum gilt, auch für»den Jslam usw.gültigist.Konnte ich doch aufeinerTagungderinternationalen Frauenliga fürdenVölkerfriedenderVertreterin derTürkeinur zustimmen wenn sie sagte,eswäreeinUnrechtderwestlichenKulturvölker,deninter;

nationalen Frieden stetsnur im NamenChristizufordern,man sollte ihnim NamenGottes fordern.Wasnun dasChristentumimBesonderen betrifft, so ist seinVölkerUmspcmnenderEinfluß ebensobekannt wie derdesMohame- danismus undBuddhismus.Ich möchtenurdaranerinnern,daßschonwährend UUPErstrecht nachdemgroßenWeltkriegeesdieWeltvereinigung junger chUstlthekMännerwar,welchedenStudentenschaftendereuropäischenZen- tsalmachtedienötigenMittel zurLinderung ihrergroßensozialenNöte zur Ver- ngUUggestellthat. Jchkannhier nichtdankbar genugrühmen,wasschwedische, holländische,amerikanische, chinesischeundjapanische christlicheStudenten für unsere studierendeJugend getan haben. Ichwar selbst Vorsitzenderdersoge- nannten Studentenhilfe,diean allendeutschen Universitäteneingerichtetwar.

Hierwerden die Studenten inbesonderen Speisehallenmitbilliger Nahrung, inbesonderen Verkaufsräumenmit billigemSchuhwerk, Kleidungsgegen- ständen, Schreibmaterial,ineinerBüchereimitLehrbüchernzuherabgesetzten Preisen usw. versehen.AndereEinrichtungen bestanden,um denStudenten durchSchreibmaschinenschreiben,durchVermittelungvonArbeiten inBerg-«

werten,Stauanlagen,Fabriken,Orchestern,RestaurantsGelegenheitzum Ver- dienen

dernötigenUnterhaltsmittelzugeben.Überallhalf hierdiesogenannte europäcscheStudentenhilfederVereinigungchristlicherjungerMänner. Sie sandtenuns dieNahrungsmittelfür unsere Küchen,GegenständefürdenBe-

kleidungsbedarf,Schreibmaschinen für unsereSchreibstuben.Als Vor- sitzenderweiß icham besten,wie wertvoll unsdieseHilfe gewesen ist.Aber auchunter gewöhnlichenVerhältnissen bewährt sichder völkerüberbrückende Gedankein derVereinigung christlicher jungerLeute. Habe ich doch gehört, daß hierinJapanundinChinavon ihrbesondere studentischeKlubs einge- richtet werden,die allenNationen offen stehen. Auch auf deutschenUniver- sitätenbemühtman sich, derartigeKlubs zuschaffen,inwelchenderAusländer dendeutschenStudenten undumgekehrtkennenlernen kann.

Über die internationalen BeziehungenderverschiedenenReligionsgemein- schaftenbrauche ich nichtsweitereshinzuzufügen.Auch hier hatderKriegnnd dieNachkriegszeitdieHerzenderMenschen sich öffnenund zurbrüderlichen Liebebereitfinden lassen.Bei einemBesuchdesVorstandesderlutherischen Kircheder VereinigtenStaaten in NewYork sah ich,wie weitsich ihre Liebesnkbeit,fastüberalle europäischenStaaten bis weit nachRußland hinein, erstreckte.Was wirinEuropadenQuäkernNordamerikas fürsdie Speisung unsererhungerndenKinder verdanken,kanngarnichtlautgenug gepriesenwerden. Eswar nicht so sehrderpekuniäreWertderUnterstützung

dieserbildetenur 1Proz.derMittel, welchedasdeutscheVolkselbstdurch VeräußerungseinesBesitzesfürdieLinderungseinerNotaufbringen mußte

sonderndie Art desGebotenen, nämlichKakao, Milch,Zucker,Reis,d.h.

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Nahrungsmittel,die inDeutschlandüberhauptnichtodernur sehr wenigzu habenwaren. Unddieser Liebesdienstgeschiehtohneverpflichtenzuwollen-

Dasistdiewahre internationaleArbeitderReligionsgemeinschaften.Sobald dlefeaberVersuchen,mitirgendwelcherGewalt kirchlicheEinrichtungenund Ge- bräuche,religiöseFormelnundKenntnisseandersdenkenden Menschen aufzu- zwingen,treibensie vielleicht Zivilisation,aberniemals Kulturarbeit,und die gewaltsame Bekehrung fordertimmer ihreOpfer, auchvon denen,die mit Gewalt bekehrenwollen. Missionsarbeit mußaus reinerLiebegeschehenund freiwilligangenommen werden,sonstwird dieMissionDienerin derGewalt unddamiteinGeschäft. Nicht umsonst hat ChristusdieGeldwechsleraus dem Tempelgejagt.

KunstundLiteratur sindalsinternationale Erziehungsmittelzubekannt, alsdaß ich hiergenauer davon zusprechenhätte.WowäreeinVolk,das sich rühmen könnte,eine ganzselbständige,von anderen Völkernunbeeinflußte KunstoderLiteratur erzeugtzuhaben! Für Europa läßt sichdie Linievon VorderasienundÄgyptenüberHellasbis in diemodernsteZeit verfolgen.An derAufdeckung dieseralten Beziehungen sindalleeuropäischenVölkergleich- wertig beteiligt,unddasgleiche gilt fürdieEntwicklungderindisch-ostasia- tischen Kunst. Je mehrwirunsdabeiprähistorischenPerioden nähern,um so mehr zerfließendieGrenzendesNationalen. Hiertrittuns dieMenschheit mehrundmehralsetwas ungegliedertesodererstinderZergliederungbe- griffenes entgegen.AlleWissenschaften,welche sichmitderFrage nachdem UrsprungderMenschheitundihren Vorfahren beschäftigen,dieAnthropologie undEthnologie, bedürfenderinternationalen Zusammenarbeitdervon ver- schiedenenNationen herkommenden Forscher. GanzdasGleiche giltfürdie PaläontologieundGeologie, fürdieAstronomieundGeophysik.Habendoch dieletztenJahre erstwiedereinenglänzendenBeweis dieser internationalen Zusammengehörigkeitgeliefert,als esgalt,dieEinsteinischenBehauptungen auf ihreRichtigkeitzuprüfen.Jst dochEinstein selbst,obwohlseiner wissen- schaftlichenLaufbahn nacheinDeutscher,derallgemeineninternationalen Hul- digungauchinJapanteilhaftig geworden.Wiesehrdie Nationen auf Zu- sammenarbeitindemStudium derGestaltung unserer Erdoberflächeange-- wiesen sind, beweist nichts eindringlicher,alsdasfürchterlicheUnglück,welches jetztvor einem Jahr dieses blühendeLandheimgesuchthat. Wer über die- GeysersimYellowstone-Park gewandert,dasneuerstandeneSt. Franziskoge-·

sehen, aufdenHawaiislandsdie toten undlebenden Krater bestaunthat,die- furchtbaren FolgendesErdbebens inYokohamaund Tokio inAugenschein nehmenkonnte,derfühlt so rechtdieOhnmachtderkleinenMenschheitgegen- über denNaturgewalten.Wennsiezu redenbeginnen,schweigenalle nationalen Gegensätze.Das hat auch Japanimvorigen Jahre erfahrendürfen. Jch freue michzuhören,daß unseransich soverarmtes Vaterland doch nochein«

größeresGeschenkanBüchernfürdiezerstörteBibliothekderKaiserlUniver- sitätinTokio hat aufbringenkönnen. Esisteinebescheidene,abervonherzlicher Teilnahme getrageneGabe.

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Nationales undUniversales inKultur undWissenschaft 149

Unter diesen BüchernWerden zweifellosdie

naturwissenschaftlich-techni- schenunddiemedizinischeneineHauptwlle spielen.Damit kommeichzu dem Gebiete, aufdemich selbst MehrzUHaufebin. JU einemdeutsch-japanischen Verein, welchereinejapanisch-deutscheZeitschrift fürWissenschaftundTechnik herausgibt,über dieBedeutungdertechnischenWissenschaftenfürdieVölker- beziehungenzusprechen,erscheintmirüberflüssig.

AufderTenyomaru,diemichvonSt.Franzisko nach Yokohamabrachte, fuhr ichMitmehrerenjapanischenIngenieuren,darunter einemBrückenkon- strukteurzusammen.Er kam wie die anderen ausEuropaund Amerikazurück.

ErhattemdenVereinigtenStaaten undinDeutschlanddieneuestenFort- schritteauf diesem GebietemitgrößtemInteresse studiert. Für seinjapanisches Empfindenwar escharakteristisch,daßerdieneu erbaute Spreebrückebei Berlin als dasSehenswertesteerklärte,weilsie nichtnur technischvollkommen- sondernauchkünstlerischeinwandfreiwäre. Er alsJapaner verstanddenWert

desAsthetischenauchin derTechnik.Japanwirdselbst dafür sorgen, daß ihm dieeuropäisch-amerikanischeZivilisationdieÄsthetikseinerStädte und Land- schaftennichtverdirbt. DieTechnikhat natürlichvorwiegendpraktischeSeiten unddientdarin mehrderZivilisationalsderKultur. Eswar mirinteressant, von einembekanntenjapanischenIournalisten,denich aufdemSchiffetraf, ZUthen-PaßeeaufdemGebietedesZeitungswesensdiebesteTechnikin

IUSIMFUdlegrößtewissenschaftlicheVertiefunginDeutschland gefunden habe.

chfdlefee 17tägigen Fahrtüber den Stillen Ozean habe ichnichtnur das Meer,sondern auch zahlreichevölkerverbindendeKulturträgerkennen gelernt.

Unter ihnen natürlichauch Mediziner.MitRecht hebtEucken in einemAuf-

iatzIhrer Nichidoku-Gakugeihervor, daß geradedieNaturwissenschaften FMDMedizinden breitestenRaum darin einnehmenmüssen,weil siemit lbremimmerneuen Tatsachenmaterialdengeistigen Austauscham leichtesten ermöglichen.AußerdemhatdieMedizinüberall dasgleiche ObjektderFor- schung,dieKrankheit,undsoweit sieeinpraktischesFach ist,dasgleicheObjekt derBehandlung,denkrankenMenschen. Freilich sinddieKrankheitennicht überall aufderErdediegleichen.Man sprichtvon einem regionärenVor- kommen,z. B.desKropfes.Wasistdanatürlicher,alsdaßdieErfahrungen deseinenLandes überallgemeinvorkommende Krankheitenmit denendes anderen ausgetauscht,dieregionärbegrenztenKrankheitenumgekehrtvon den Forschernaller Nationen an OrtundStelle studiertwerden. Ichnenne als schlagendeBeispielenur dieMalaria,dasGelbfieberunddieKakke.Solche unbedingtnotwendige ZusammenarbeitderArzte istabernichtsNeues. Die GeschichtederMedizinzeigtunsdieAusbreitungderhellenischenMedizin über das ganzeMittelmeer, ihreengeVerwandtschaftmit deraltägyptischenMedizin, ihre Verpflanzung nach Indien durchdieKriegszüge AlexandersdesGroßen.

BeialldenverschiedenenundbuntenVölkern desrömischenKaisertums gab

esnur eineMedizin,diegriechische,dieMedizindesGalen. UnterihremEin- fluß stehenwirauchheute noch.Als dieAraberdievorderasiatischenKultur- länder eroberten und Konstantinopelbedrängten,übernahmensie,durchGe-

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waltoderFriedensvertrag,reichewissenschaftlicheSchätzeauchaus derBiblio- thekdesByzantinischenKaiserreichs.Durchdievonihnen ausgeführtenUber-

setzungenderWerke einesAristoteles, Hippokrates,Galen,Soranus wurden sie fürdieabendländischeKultur gerettet.Dorterlebte diegriechischeMedizin unterdemEinflußderRenaifsance ihreWiedergeburt,aberauch ihreWeiter- entwicklungdurchdieReformatorenderAnatomie Vesal, derPhysiologie Harveh,derEhirurgie Ambroise Parå,desklinischenUnterrichtsBoer- haave,derexperimentellenBiologievon Haller. Alle Kulturvölker Europas sindandemweiteren Ausbau derMedizingleichmäßigbeteiligt.VonEuropa auserfolgtedieVerpflanzung nach Ostasien, besonders nach Japan. Hier fand sieebensorührigeMitarbeiter wieim altenEuropa.Wir alle aber auch hier inJapan—- leben unddenkennoch heuteinHippokratischenundGalenischen Gedankengängen,wenn wirVonhumoralen Einflüssen,von Solidarpathologie,

vonKonstitutionundDispositionreden. WirsindalsMedizineraufder ganzen Welt KindereinereinzigenMutter,derMedizinvonHellas.Darum mußder wirklichemedizinischeForscher, welcherdieEntwicklungseinerWissenschaftvom höheren Standpunktaus betrachten will,möglichstdergriechischenSprache mächtigsein,um in die wundervollen SchöpfungenderklasfifchenHellenisti- schen Periode eindringenzu können.Sosehen wir, daßdieMedizinnichtnur eineinternationale, sonderneineübernationaleund,zeitlich betrachtet,dieehr- würdigsteWissenschaftist.

Wasliegt also näher,alsdaßdieMedizin auch heute nochalsFührerin derinternationalen BerührungderVölker wirkt. Esgibt, glaube ich,kaum eineWissenschaft,diesoviele internationale Verbände und Zeitschriften auf- weist,alsdieMedizin. Jedes ihrerFächer hatbereits seine internationale-n Kongresse, sodieAnatomie,diePhysiologie,dieChirurgie,diePathologieusw.

Dazukommen danndieinternationalen KongressederGesamtmedizin.Ich werdenie meine eigene TeilnahmeandemBerliner undLondonerKongreß vergessen. Aufdemerstensah ichalsjungerAsfistentMännerwieBard, Ehantemesse,Foä, Grawitz,Marchand, Zieglek-1"Ugemeinsamer eifriger ErörterungdesZellenproblemsbei derdefensivenentzündlichenReaktion. Auf demLondoner KongreßkonnteichselbstalsgereifterMann zusammenmit Keith, Mackenzie,Lewis,His, Kochüber dieanatomisch-klinischenEr- gebnissederTawaraschen Arbeitüber das ReizleitungssystemdesHerzens sprechen.WelcheinerhebendesBild gemeinsamerKulturarbeitl In London wurdebeschlossen,dennächsteninternationalen KongreßinMünchen,denüber- nächstenwahrscheinlichin Tokioabzuhalten. Fr.von Müller wurde zum Vor- sitzendendesMünchenerKongresses gewählt.Mirselbstfieldiebescheideneke WürdedesVorsitzendenderwissenschaftlichenMuseumsvereinigungzu. So wertete man damals diedeutscheMedizin.Wirstandenbereitsin den Vorbe- reitungenzudiesemKongreß.DakamderKrieg.Wir Deutschenverloren Unserenationale Freiheit.Waswir aber alswertvollstesGutgerettethaben, istdasGefühldergeistigen ZusammengehörigkeitallerDeutschen,dieGewiß- heitdesWertesdeutscherKultur. Manhatfreilich geglaubt, auch nachdem

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Nationales undUniversalesinKultur undWissenschaft 151

Kriege nochderdeutschenKultur einentödlichenStoß versetzenzumüssen,man hatinParis beschlossen-diedeutschen GelehrteninZukunftnicht mehrzu internationalen Vereinkglmgen zUzUlasseUsMan glaubte- durch diese gesell- schaftlicheAusschließung also durcheinezivilisatorischeMaßnahme eine Kultur sozusagenaus derWeltschaffenzu können.Wieverfehltund sinn- widrig diesesMittel war,braucheichvordiesem Kreise nichtauseinanderzu- setzen.DiedeutscheKulturundWissenschaftwirddurcheinensolchenBeschluß nichtgetroffen.SiearbeitetmitdemgleichenErnstderWahrhaftigkeit,mit dergleichenOpferwilligkeitdesJdealismus anihrenProblemenweiterwievor

demKriege.MögendieMittel einfacherundbescheidenergeworden sein,wir

fUIdlFbeezeUgDdaßUnsereWissenschaft,besondersdieMedizin,auchmitihnen wurdigeErgebnissezeitigenkann. MehralsaufdiewissenschaftlicheAus-

ststtUUgderInstitute,kommtesaufdenleitendenGedanken an. Undhieran wirdesderdeutschenWissenschaft so hoffe ich nicht fehlen.Wir Deut- schenhabenunsaufrichtig gefreut,zusehen, daß JapandasersteLandwar, welchesdieseVersündigungamGeiste wahrerKultur schmerzlichempfand,und aus denReihen seiner führendenGelehrten Einspruchgegendiesen Beschluß laut werden ließ. Erst nachdemgemeinsamen,in derDeutschenMedizinischen WochenschriftveröffentlichtenBeschlußderjapanischenmedizinischenGesell- schaften zugunstenderZusammenarbeitmitderdeutschenMedizinhabenwir deutschenProfessorendiejapanischenKollegenwiederinunsere Jnstitute auf- genommen.Ein seinenationale Ehre so hochhaltendesVolk wie dasjapanische wirddiesesunser Verhalten durchaus verstehen.

JetzthabendieRussen,dieEngländerundaucheinTeil der Amerikaner entgegendemPariser Beschlußinternationale medizinischeFachkongressemit denDeutschenabgehalten.Soerweist sichauch hierdieMedizininihreminter- nationalenKulturwert stärkeralsjedernationale Haß.Eswar mireinegroße Freude,imvorigen Jahr demersten allgemeinen russischen Pathologentagin Petersburgbeiwohnenzu können. Dort,wiespäterinMoskau, traf ich nicht nurFachkollegen,mit denenman dieverschiedenen,gleich interessierenden Pro- bleme besprechenkonnte, sondern ich traf auchalteFreunde.Denndasistdas Schönstean derWissenschaft,daßsiedie-inderSprache,in den Sitten und Gebrauchen gegebenen GrenzenderVölkeraufhebtundauchzwischenAnge- hörigeneinander fremderNationen wirklicheFreundschaften entstehenläßt,die sich nicht aufdaswissenschaftlicheKönnen, sondern aufdiePersönlichkeit stützen.Dann zeigt sich, daßbei allenVölkern edle undwahreMenschenzu finden sindunddaßderGedanke derallgemeinenMenschlichkeitinsolchen Gestalten verwirklichtwird. Jchwerdegeradeindieser BeziehungdieinTokio verlebtenTagenievergessen.

Denn was ichimvorigen JahreinRußland, Finnland, Schwedener- lebendurfte, sollteindiesem Jahrin denVereinigtenStaaten undinJapan

neue Wirklichkeitwerden.

Der EntschlußzurReisewar nichtleicht,dieFrage,obihreinnere Berechtigung vorhandensei,wog schwer,aber,was ich nach gefaßtem

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