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Geisteskultur. Monatshefte der Comenius-Gesellschaft für Kultur und Geistesleben, 1926, 35. Band, Heft 8

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Geifteskultur

MonatsheftederComeniusgefellfchaft fiirGeisteskulturund Volksbildung

Begründet von Ludwig Keller Herausgegebenvon Nrtur Buchenau

SI. Jahrgang - Nchtes Heft

August1926

Berlin und Leipzig1926

Verlag von Walter de Gruijier 82Co.

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Comenius-Gesellschastsiir Geisteskultueund Volksbildung

Begründet1892von Geh. RrchioratDr.LudtvigKeller VorsitzendenOberstudiendikeltor Dr.Vuchenau,Charlottenburg s, Schlosistrasie46 DieMitgliedschaft wirddurch Einzahlungvon 20Goldmark erworben. (Jn-und Ausland.) DieBeitragszahlung kannerfolgen:

1.aufdasKonto derComenius-GesellschaftbeidemPostscheckamt Berlin Nr.21295 2.direkt andieGeschäftsstellederC.-G.inBerlin W10,GenthinerStr.38i.H.

Walter deGrnyter cFrCo.

DieMitgliedererhaltendieZeitschriftkostenlos. Sie erscheint jährlichetwain 12Hesten. DieHeftesind auch einzeln käuflichundinBuchhandlungeninForm des Zeitschrift-Abonuementszubeziehen.

35.Jahrgang Inhalt: iHest8

Seite Ge rha rd Lehmann,Stirners Theorie der Reaktion .......................... 305 A rtur Buchenau,DerGeisteskampfderGenerationen ........................313 S tep han Kekule v on Stradonitz,DerNationalverband Deutscher Osfiziere

unddieAltpreußischenFreimaurer-Großlogen........·....................319 Ge o rg Ros enthal, StoffundFormimArbeitsunterricht ............·........322 HugoRachel,FriedrichderGroße über die Erziehung...............·........325 Gegenwar tssragem

ArturL iebert,Unsere Zeitungundunsere Zeit............................327 Erlesenes: ...........................................·...........·...... 333

AusA.E.Berger, LutherunddiedeutscheKultur. S.333.

AusMax Wentscher, Pädagogik·S.336.

Notizen ................................................................. 339 Bücherbesprechungen. ...........·.........................··........... 342

»Kulturgeschichte:

Ernst Diestel: HendrikDeMan, Zur PsychologiedesSozialismus. S.342.

Artur Buchenau: Paul Frh.v.Schoenaich,Mein Damaskuö. S343.

Artur Buchenau: D.Koigen, Apokalyptische Reiterauszeichnungen. S.343.

Artur Buchenau: A.Paquet,RomoderMoskau. S.344.

A.Reimann: Süddeutschlandvon obenvonUhlig-SträhleS.344.

Artur Buchenau: J.Zimmermann,ThomasMünzer.S.344.

AdressenderMitarbeiter dieses Heftes:

Dr.GerhardLehmann, BerlinSO.36, Görliher Ufer9.Oberstudiendirektor Dr. Ar tur Buchenau, Charlottenburg 5, Schloßstr.46. Dr.Stepha nKekulevon Str adonly,

»Berlin-Lichterselde, Marienstr. 16. Oberstudiendirektor Prof.Dr. Ge o rgRosenthal, Lübeck, Rotlöffer-Str. 49. Dr. HugoRachel,Berlin-Schmargendors, Ruhlaer Str. 14, Pros.Dr.ArturLiebert,Berlin W15, Fasanenstr.48.

«

Manuskripte werden erbeten andieRedaktion: E. Wernich Berlin W10, GenthinerStraße38.

DieManuskripte sollen paginiert,nureinseitig beschriebenseinundeinenRandfreilassen.

Rückporto ist beizufügen NachdruckganzerAufs ätzeist ohne besondere Erlaubnis nichtgestattet.

Einzelne Abschnittekönnenbeigenauer Ouellenangabe wörtlichübernommen werden.

Jährlicherscheinen 10bis12Hefte. Preis desJahrgangs M. 20.—.

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Stirners Theorieder Reaktion.

Von Gerhard Lehmann (Berlin).

ie imJahre1852 erschienene»GeschichtederReaktion«,dieletzteAr- beitStirners,istbisjetztweder zum GegenstandeeinerDarstellung gemacht noch durcheinenNeudruck aus ihrer Vergessenheitgezogen worden. Manhatden»Einzigen« oftgenug inneuem Gewande erscheinen lassen,aberman hat sich nichtgefragt,was wohlderStirn-er,derden»Ein- zige.n«und die»Entgegnungen« ,,hinter« sich hatte,derdie Revolution von 1848 an sich Vorübergehen,undderwiemanches andere, so auch seinen eigenen Ruhm dahinschwinden sah, was ernochzusagen hatte.Der Grundfürdas geringe Interesse,dasman seinemletztenWerkeentgegenbrachte,ist wohl wenigerdarinzusuchen, daßesnur zumgeringstenTeileseinWerk,zum größtendagegeneinebloße,,Kompilation«ist alsVielmehrin demabge- schlossenenBilde,dasman Von ihmbesaß,unddaszurBequemlichkeitim UrteilenVerleitete. Allerdingsistesnicht leicht, sich durchdenWustvon ZitatenundBelegstellenhindurchzuarbeiten,abernoch weniger leicht ist es,das eigeneVorurteil zudurchbrechen.

DerBiograph Stirners, Mackay, gibtzwar einenkurzen AbrißVonder AnlageunddemInhaltedesWerkes, jaerVersichertuns,daßderInhaber der»Allgemeinendeutschen Verlags-Anstalt«,beiwelchemesVerlegt wurde, Stirner »sehr geschätzthabe«,aberdiese biographischeAkribiehindert ihn nicht, derirrigenMeinungVorschubzuleisten,alsbestehedieArbeitStirners nur in derArt,wieerdenStoff zusammenfügte.Erhatesnicht für nötigge- halten,die in demzweitenBande enthalteneTheorie derReaktionher- auszupräparieren,jaerbehauptetVondiesemBande: selbstdieloseVerbindung desWiedergegebenengeschehe oft nichteinmal mit Stirners Worten1).

Demgegenübersindwir der Ansicht, daßStirner den ,,Verbcndenden Text«alseinengeschlossenenAufsatz hingestelltund ihmdann erst,dteBe- lege eingefügthat, daß alsodieGeschichtederReaktion durchaus sein«Werk

genanntwerden kann. Auchanderes wäre zubeanstanden.Mackay Verlaßtsich zusehr aufdenVon Stirner allerdings selbstangegebenen,,Pl-an«,wonach

dieHauptsache, nämlichdieeigentlicheDarstellung derinnerenundaußeren Reaktion,nochzufolgen habe:allein eswäre wohl,moglich,daßStirners

diesen ,,Plan« erstnachträglichfaßte.Dann würdeJedenfallsdasunsVor- 1) Mackay, Max Stirner. SeinLebenundsein Werk. 2.Aufl.1910. S.216.

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306 GerhardLehmann

liegendeWerk nichtin derWeisealsFragment aufgefaßtwerden dürfen,wie esheute geschieht. Hiankommt, daßMackay,getreuseiner auch sonst reich- lichbewiesenen»unphilosophischen«Einstellung,in derReaktion ebennichts

»Problematisches«zu erblickenvermochte.Er konntesich also auch nichtdavon überzeugen,daßStirner inihrein»Problem« sah.Treu undbiederzitiert erdenSatz: »DieReaktion trittindemselbenMoment insLeben,inwelchem die Revolution zurWeltkommt: beide werdenimselbenAugenblickgeboren«,

—- aberesfällt ihm nicht ein, hieraus irgendeineKonsequenzzuziehen,—- seiesauchnur die, daßStirner über den WertderRevolution ebensoskep- tisch dachtewie über denWertderReaktion. Jedochkannesnicht unseres Amtes sein,dieMackaysche Stirnerinterpretation kritischzubetrachten:der Bärendienst,den erseinem»Helden«geleistethat, ist jetzt dochkaum noch rückgängigzumachen.

Wenn wirden erstenBand vorläufig unberücksichtigtlassen,und den Textdeszweiten auf seinen Gedankeninhalt hinprüfen,so erhaltenwiretwa dasfolgendeBild. Stirner willkeineswegsin denTageskampfeingreifen, die Reaktion andenPranger stellenoder,,mit ihr abrechnen«,sondernerwill siealsgeschichtlicheMacht verstehen. Dabeigehtersoweit,im Vorwort zu erklären: dieReaktion sei deshalbeinegeschichtlicheMacht,weilinihrein

»Prinzip«,ein»Geist« seine Offenbarung fände.Umdieses Prinzipund diesenGeistzufinden, dürfeman dieTage,indenen dieReaktion »Ge- schichtezumachen sich anschickt«nichtin derBlindheit bloßenHassesoder bloßerAnhänglichkeitverleben. Dieser FassungderReaktion alseines»Prin- zips«bleibterdennauch währenddesganzen Werkestreu. Das Prinzipsucht sichzurGeltungzubringenundreinherauszuarbeiten:die Reaktion schreitet fort,undihrZiel istdie»reineReaktion«. Sieist sichüberihrZiel anfangs nichtimklaren,aber derProzeßihresFortschreitensbestehtin einem Klarer- Werden,erbestehtimBewußt-Werdenihrer selbst, eineWendung,dieuns zeigt,wie die ganze zu entwickelnde»Theorie«Stirners nur von denVoraus- setzungenderHegelschen Geschichtsphilosophieaus zuverstehen ist. Das wachsende Selbstbewußtsein,diewachsendeSelbsterkenntnis führtzurAus- scheidungallesFremden zumGerichtübersich selbst: istdieWeltgeschichte im Sinne Hegels dasWeltgericht,soistdieGeschichtederReaktion sim Sinne Stirners dasGerichtüber die Reaktion. Die»reineReaktion«istdas

»Reaktionstribunal«.

AuchdieFrage nachderHerkunft desreaktionärenPrinzipswirdim Vorwort gestreift.Reaktion undRevolution werden imgleichenAugenblick geboren.EssindGegensätze,dieplötzlichans Licht treten,die aber»unter anderem Namen«schon vorher bestanden. IhreEltern heißenKatholizismus und ProtestantismuszimweitestenSinne alsoAutoritätsglaubeundFrei- heit: Autorität und Freiheit bedingen sichgegenseitig,wenn sie Geschichte machen.DieAutoritätoderderGlaubeals»Prinzip«hatanderFreiheit sein KorrelatunddieFreiheitamGlauben. DerGlaubeläßt sichdurchdieFreiheit so wenig überwindenwie dieFreiheit durchdenGlauben. Denn beide Frei-

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Stirner-s TheoriederReaktion 307

heitundAutorität sindals »Prinzipien«religiösenUrspklkngT Das

Vorwort schließtmiteinemnochmaligen Hinweisaufdie,,Gelstekhaftigkeit«

derReaktion, aber-auch auf ihren ,,konkreten«Charakter:einnachgeschicht- licher Betätigungringender Geist,eineunbestreitbar geschichtlicheMacht sei es,deren Offenbarungenübersich selbstimNachfolgenden begonnenwer- denunddie imweiteren Verlaufe für ihre Gestaltungenvor ihremeigenen Richterstuhlverantwortlich gemachtwerden.

Diebeinah naturgesetzlich bestimmte EntwicklungderReaktion, welche indem Werkeselbst geschildert wird,bildet nun deneigentlichenKern der ,,Theorie«.Revolution undReaktion sindzwarpolitische Begriffe,aberihre ,,Prinzipien«sindreligiös:dasmuß sich zeigen,wenn sierein inErscheinung treten. Imbesonderenmuß sich zeigen, daßdie Reaktion denreinpolitischen Boden desKonservativismus verläßt,dem sie nicht entstammtundauf demsienur Unterschlupf fand.Die,,Ordnung«,die derKonservativismus erstrebt, mußalschristliche Ordnungproklamiertunddas»Konservieren«

zu einem Bekenntnis gemachtwerden. Die Reaktionbekämpftdie Revolution zunächstdadurch, daßsieinihreinVerbrechen sieht.AlleindasVerbrechen istnochein»sozialerBegriff«;denndasRechtistnur dieGrundlagedervGe- sellschaft. Esmußdarum jenes Verbrechen religiös bezeichnetund zur Sünde deklariertwerden,damitderBruchmit der Revolution undhiermit auchderBruchmitdemKonservativismus Vollendet wird. Dierevolu- tionären,,Errungenschaften«werden also nunmehrmiteinem anderen Maße gemessen.DasMaßistdieWahrheit, dieheilige Wahrheit.UndimLichte der»Wahrheit«erscheintdie Revolution alsLüge: näherbesehenalsdieLüge derirreligiösenmaterialistischen Weltanschauung. Jetzt istderAngriffs- punkt gefunden,jetztweißdieReaktion wiesie sichzuwaffnen hat, jetztkann siedenKampf aufnehmen.VorallemgiltesdenStaatsbegriff selbstneu auszubauen,aus derbürgerlichenOrdnungoderder,,Gesellschaft«einenwah- ren christlichenStaat zumachen.

DerKampf verläuftin VierStadien, d.h.in vier,,Reaktionen«:die Krone reagiertgegendieVolkssouveränität,die Diener derKrone reagieren gegendenVolksdienst,die Untertanen reagierengegendasVolk,derStaat reagiertgegendieVolksgesellschaft.Volk,Volksgesellschaft,Volksdienstund Volkssouveränität dasistdasBekenntnis desUnglaubens,derDekalogder Freiheit,dieLügederRevolution. Aber essind doch ebenso,,heilige«Wahr-

heitenwie dieGlaubenssätzederReaktion. DeshalbkonnteStirner im»Ein- zigen«,wo ersichüberdiesen begrifflichen GegensatznochkeineKlarheitver- schafft hatte, nocherklären: die Reaktionären möchtengerneem Volk,eine Nation aus derErdestampfen,dieEigenen habennur Sichvor Augen (S.269Reclam).

Betrachtenwir dieReaktiondesStaates gegendieVolksgesellschaft.

SeineReaktion isteinedreifache: erreagiert gegen seineEntfürstlichung, gegenseineEntgliederung undgegenseine Entchristlichung DerBegriff der»Nation«istrevolutionärenUrsprungs;alsozieltdie Reaktion aufden 2oss

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308 GehrhardLehmann

Bundesstaat,im Gegensatzezum nationalen Einheitsstaate,ab:dieSouveränität desStaates mußgewahrtbleiben, so wohl zuhausealsauch innerhalb jener durch seinen Zutritt geschaffenenReichs-oderBundesgewalten.Ebenso muß derStaat anseiner Gliederung festhalten,erdarf sich nichtzu einem,,Haufen von Individuen« degradieren lassen.Undschließlichmußergegenseine »Ent- christlichung«reagieren,d.h.ermuß sichgegen seine Abstempelungzueinem bloßen,,Gesellschaftsgeschäft«wehren.Erinnern wiruns hierderAusführun- genStirners gegen Heß,wo ersagt:eswerde sich spätereinmal eineVerä- anlassung bieten,über diebürgerlicheGesellschaft ausführlichzusprechen;

dann werde sich zeigen, daß sie ebenso-wenigdie Stätte desEgoismus seials etwa dieFamiliedie derUneigennützigkeit.IhrSinn sei vielmehrdasGe- schäftsleben,einLeben, welches sowohlVonHeiligenund aufeineheilige WeisealsauchvonEgoistenundaufegoistischeWeisebetriebenwerden könne (Kleinere Schriften,2.Aufl.S.391).

Wasnun denWert derStirnerschen Erörterungenanbelangt, so istvor allemhervorzuheben, daßder NervderTheorie,dieBeziehungdeskeineswegs eindeutigen Begriffs ,,Reaktion«auf religiöse Vorstellungen,garnichtge- troffen wird,wenn man etwa kritischeinwenden wollte, nach ihrengeschicht- lichen Formen besagedie»Reakti«on«nichtsweiteralseinZurückgehen auf den status quo, derdurchdie,,Revolution« abgeändertworden seis.Denn einmalistebendieserstatus quogerade deshalb religiösgefärbt,weil die,,Revo- lution« sich seiner bemächtigte,unddann istesevident, daßeinZustand,der wiederhergestellt werden soll,notwendigerweise ,,veridealisiert«werden muß.

Vergangenes,daserneut zumGegenstande menschlichen Begehrens wird, muß zuvorreproduziert werden. Aber diebloßeReproduktion,diebloßepsychische Rekonstruktioneines vergangenen Zustandes genügt noch nicht,um ihnwieder begehrenswertzumachen.Esmuß dieserZustandschonvor derReproduktion in eine»zeitfreie«Ebeneprojiziertworden sein,d.h.ermußals »idealer-«

Zustandbereits aufgefaßt werden,bevor er reproduziertwird. Der hierin steckendeWiderspruchlöst sich,wenn man bedenkt, daßesdasWesenderreli- giösenBegriffsbildung (im weitesten Umfange aufgefaßt) ist, irgendeineWirk- lichkeit, irgendeinWirklichkeitsstücksymbolischauf »Gott«zubeziehen.Die Wirklichkeit,die die Reaktion ,,wiederherzustellen«sucht,wirdnicht erstim

, AugenblickederReproduktion religiös gefärbt, sondern siekannüberhauptnur reproduziert werden,weilsievon vornherein religiösgefärbtwar. Die Reak- tionbesteht demnach zunächstnur darin, sichdieser religiösenVerbindungwieder zuerinnern, sie nichtzuvergessen,anihr festzuhalten. Währenddie Revolu- tionumgekehrtdarinbestände,ebendieser religiösenVerbindung sichgründlichst zuentschlagen.Alleinauf diese WeisewirdeineRevolution niemalszustande kommen. Sondern wieman denTeufelnur durch Beelzebubaustreiben kann, somuß auchdasWesender,,Revolution«in einem Festhaltenan einerur-

sprünglichenreligiösenBeziehung bestehen.DerGegensatzvonReaktion und Revolution liegt alsoin ein und derselbenEbenereligiöserBegriffsbildung.

AuchderRevolutionär »erinnert« sich,aucherbesinnt sichdarauf, daßeseine

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Stirners TheoriederReaktion 309

direktauf »Gott« bezogeneWirklichkeit gab,dienicht Gegenwart,sondern ,,bloße«Vergangenheit ist.Esmuß daherderletzteGegensatzVonReaktion und Revolution inderverschiedenen symbolischenWirklichkeitsauffassuvgzU suchen sein.Sobesehen, enthüllt sichdie,,Fiktion«Rousseaus, seinNatur- zustand,alswesensverwandtmit allenreaktionärenFiktionen,unddennoch alsvon ihnen durchdieForm desSymbols verschieden.DenndieRevolution, die mitdernächstenVergangenheitbricht, bricht deshalb nichtmitder Ver- gangenheitüberhaupt,undwenn esunter denrevolutionärenTheoretikern auchsolchegab,die alleAnknüpfunganeinen vergangenen Zustand verwarfen, (z.B.Bakunin)um allesVonderZukunftzu erwarten, so liegt hier dochfak- tischnur eineUnklarheitvor: siewollen nichtzugeben,was sieinihrenTheo- remen deutlichzumAusdruck bringen; sie behaltenbei derDestillationderVer- gangenheit soVielRückstände,um dieFarben fürdasBilddes,,zukünftigen Menschens«mischenzu können. EineandereFrage istesfreilich,obdieseUnter- scheidung zwischender,,reaktionären«und der,,revolutionären«Symbolik sich so einfach begrifflich herausarbeiten läßt,wieStirner esversucht;ob wirklichKatholizismusundProtestantismus,Autorität undFreiheitdie unter- scheidendenMerkmale enthalten.

EinzweiterGesichtspunkt,denStirner angedeutet hatundderVon»Or- ganikern«wieSchäffleausgiebigstverwertet wird,istdie Reaktionim Sinne einesspontancn,,Reagierens«aufirgendwelche,dieKonstitutiondes»sozialen Körpers-«empfindlichschädigendenEingriffe.Stirner,dersich meistalsden ertremstenGegnerjeder ,,organischen«Staatsauffassungausgibt, ohne dafür andere als nominalistischeGründe anführenzukönnen,scheut sich dennoch nicht,Von Prinzipienzureden,diesich,,zur Geltung bringen wollen«-,von einem,,Geist«,der,,ü"bersich Gericht häl«,von einer»unbestreitbarige- schichtlichenMacht« usw.Ermag dieseWendungen fiktiv gebraucht haben, eskannauch sein, daßerdensoziologischenStandpunktdes,,Einzigen«im Prinzipüberwundenhat, Fragen,diesichbei derKargheitdesMaterials schwerlicheinwandfrei entscheidenlassen—- auf jeden Fallwirddadurch diese psychologischeAuffassungder,,Reaktion«nicht tangiert. Zunächstist auch jetztderGegensatzvonReaktion undRevolution keinfundamentaler:man kann nämlichauchdie Revolution als Reaktion betrachten,und bekanntlich ist diese Betrachtungsweise sogar sehrbeliebt. Wirhabenindessen diesen Punkt nichtdeshalbberührt,um inTrivialitäten zuverfallen, sondernum einen GrundzugderStirnerschen Philosophie überhaupthervorzuheben.DieKritik desEinzigenwill eine Kritik der Kollektivwerte sein;abersiewilldieseKollek- tivwerte ja nicht verneinen, sondern ihre ,,Geltung für mich«von meiner Autonomie abhängigmachen. Daher muß sie zuletztineineBeurteilung meines ,,Reagierens«auslaufen. Wieich reagiere obichwahrhaftan- eigne (imSinne Schleiermachers,dessenEthik bedeutsameÜbereinstimmungen mit derEthikStirners zeigt)oderobichalsdüpierterEgoistdieAneignungder Kollektivwerteüber denUmwegderKollektivwerte selbst vornehme, dasist entscheidend.

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310 GerhardLehmann

Dasistaberauch fürdieReaktion einesVolkesentscheidend.Der,,soziale Körper«wirdaufalleEingriffeoderStörungen,,reagieren«:verläuft diese Reaktionjedoch so,daßsiedenUmwegüberfrüherinGeltung gewesene Sym- bolenimmt,dann entspricht sieganzderReaktion des,,düpierten«Egoisten.

Wennesscheint,alsließesichdasVerhaltendesEinzelnenoderEinzigen,der auf EingrisseinseineSphäre,,reagiert«,nichtmit demVerhalteneines Volkes vergleichen,weil dasVolkseineKollektivwerte selbst erzeugt, währendderEin- zelne sieebenhinzunehmen hat, so zeigteinevertieftere Betrachtung, daß auch derEinzelne nichtsweiterhinnehmenkannalsdas,waserselbstproduzierte.

Unddageradedies einFundamentalsatzStirners ist, so istdieLage jedenfalls hierunddortgenaudieselbe. Auchdas»Volk«nimmt dieWerte,dieespro- duzierte, ,,hin«;undauchdasVolk kannsichdessenentweder bewußtodernicht bewußtsein. Jstessich dessen nicht bewußt,so mußesdenProduzenten seinerWertein eine andere Ebeneverlegen:essieht nicht sichalsdiesen Pro- duzentenan, sondernein anderes ,,Wesen«.Ob es die Kollektivwerte direkt von Gott oderob essievon derVergangenheit herleitet,das bedeutet nur dann keinen prinzipiellen Unterschied,wenn dieVergangenheitalsseine eigene VergangenheitundGottalsseineigenes verjenseitigtes Wesen auf- gefaßtwird: dann istaberauchdasBewußtsein schon erwacht.Ubernimmt dasVolkjedochdie Kollektivwerte von der,,Vergangenheit«odervon »Gott«

ohne sichderJdentität dieser Wertquellenmitseinem eigenen Wesen bewußt zusein:von derVergangenheit,die alsimvölligenGegensatzzurGegenwart gedacht wird,odervon Gott,deralsaußerweltlicher Gesetzgebererscheint;

so mußderprinzipielle Unterschied dieser Wertquellen ebenfalls grundverschie- deneReaktions- undPerzeptionsweisenzurFolge haben.DasVolk,dassich derVergangenheitverschreibt,diefüresselbstunwiderruflichdahinist,be- findet sichzwarebensoin derSituation des,,düpiertenEgoisten«wie das Volk,dasseineWerteaus derHandeinesGottes empfängt;aber esliegt hieretwadergleicheGegensatzvorwiezwischendemEinzelwesen,welches seine Verhaltungsmaßregelnseiner,,Erziehung«unddenihm frühereinmaleinge- prägtenGeboten entnimmt,unddemEinzelnen,welchersichan den»ewigen«

GesetzenderSittlichkeitorientiert. Beidehabeneinen,,Sparren zuviel«:aber derRationalist verfügt außerdemnochüber den,,.HochmutderVernunft«, derdümmstenallerDummheiten.

EsistkeinZweifel, daßdiesogenannte Reaktion, diefich aufdiebloße Vergangenheit stützt,einensympathischeren Zug besitztalsdieRevolution, dievon unmittelbaren ,,göttlichen«Offenbarungenlebt:diesist auchder Grund,warum Stirner einensoerbitterten Kampfgegen das,,.Heilige«,gegen den»Menschen«undgegendas»Gesetz«führt, währenderdie,,Vergangen- heit« mehr ironisch behandelt.Undin der TatkanndieVergangenheitlächer- lich gemacht werden,wenn derLebende widersie zeugt:aber das Heilige läßt sich nicht so leicht perhorreszieren. Freilichstütztsichkeine»Reaktion«aufdie

Vergangenheitalssolche, sondernnur aufeinegottgefällige,göttlichsanktio- merte Vergangenheit:und dies wieder machtdasProblemderReaktion um

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