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Geisteskultur. Monatshefte der Comenius-Gesellschaft für Kultur und Geistesleben, 1926, 35. Band, Heft 2

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Gei teskultur

MonatsheftederComeniusgefellfchaft für Geisteskulturund Volksbildung

Begründervon Ludwig Keller Herausgegebenvon Nrtur Buchenau

85. Jahrgang - Zweites Heft

Februar1926

Berlin undLeipzig1926 Verlag von Walter de Gruöter82 Co.

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Comenius-GesellschastsiirGeistesknlturund Volksbildung

Begründet1892von Geh. Nrchivtat Dr.Ludwig Keller VorsitzendenOberstudiendikektordr.Buchenall,Charlottenburg s, Schlossstrasse46

l

DieMitgliedschaftwird durchEinzahlungvon 20Goldmark erworben. (Jn-und Ausland.) DieBeitragszahlung kann erfolgen:

1.aufdasKonto derConienius-GesellschasstbeidemPostscheckamtBerlin Nr.21295 2.Walterdirekt andedieGeschäftsstellederC.-G. inBerlin W10,Genthinerstr. 38i.H

Gruyter Co. .

B. beijeder BuchhandlunginFormdesZeitschrift-Aboanements.

DieMitgliedererhaltendieZeitschrift kostenlos. Sie erscheintjährlichetwa in 12Hesten. DieHefte sind auch einzeln käuflich.

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35.Jahrgang Inhalt: Heft2

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Seite Artur Buchenau, Euckens PhilosophiedesGeisteslebens...................... Hi9, A.E.Berger, Zur JdeengeschichtederGoethezeit............................. 54 Alexander Elst-er,»Der SchutzderGesellschaftgegenGemeingefährliche...... Eli Theaterbericht ...........·.......... ........................·............ 73 Lebede: Ansländerei. —- Stuttgart: »Gneisenau«. »Dieneuen Herren«; »Der dreizehnte Stuhl.« Nestroh, Blumenthal u.Kadelburg; Kleistu.Dietzenschmidt. Oper: »Wozzeck«;»Die Brautwahl.« S.73.

Aus alten und neuen Büchern .............·............................. 78 DieWelt derReligion. (An-3R.Eucken, EinheitdesGeisteslebetts) S.78. Derntoderne Menschnnddieneue Ethik. (AusN.Hartinann, Ethik.) S.80.

Bücherbesprechungen ...................................................« til

Philosophie «

E

· Wernick: Schelm-, FormendesWissensundderBildung S.81. Buchenau:

Hoffmann,PsychosophieS.82;Der WegzurVollendungS.82;ReichlsPhilo- sophischer Almanach (l924)·S.82.

Religion

W ern ick:Ewald, ReligiondesLeben-sS.83; Lehmann,DieReligionenS.83. Psan n1nüller: Fr..L)eiler, AposteloderBetrüger?S.83;van derLeenw,Ein- führungindiePhänomenologiederReligionS.84.—- Buchenaut Abrahanca

Sancta Clara S.84. «

Recht

Buchenau: A.Elster, Bemerkungenzum StrafgesetzentwnrsS.85.—- Mette:

Gellert,Dusollstnicht!S.85.

Geschichte und Kulturgeschichte -

Wernict: Menschen,Völker,ZeitenBd·I—Vll S.86. E.L.Schnridt:

11.Wilken,Griechische GeschichteS.88. Heinz: FriedrichderGroßeS.89. Buchenau: AlsreddeVignh,Sklaventutn undGrößedesSoldaten S.90.

Literatur

Wernick: Montbert,Atair S.91.—- Buchenau: M.v.Mehscnbug, JmAnfang

T war dieLiebeS.92. Eickhosf: DerKleineBrockhausS.92.

Gesellschaftsnachrichten......·.....................·............................ 93 Mannskripte werden erbeten andenRedakteur Dr.Siegsried Motte,Berlin-Südcnbe,

Oehlertstraße26. Telephon Siidring779

DieManns tripte sollen paginiert,nureinseitigbeschrieben seinundeinenRandfreilassen.—- thachdruckganzer-Aufsätze ist, ohne besondere Erlaubnis,, nicht gestattet.Dagegenkönnen einzelneAbschnitte,beigenauer Quelleuangabe, auch wörtlichübernommen werden- Jähriich erscheinentobis teHefte. Preis desJahrgaugs M. 20.—.

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Euckens philosophiedes Geisteglebeng.

VonArtur Buche-n-au-.

, nter denphilosophischenSystemenderletztvergangenenJahrzehnte haben zweieinebesondersengeBeziehungzu allenFragenderErziehungund Geisteskultur,das neukantische Natorpsund das»noologische«von RudolfEucken. Erstganzallmählich istesEuckengelungen, sichinphilo- sophischenund pädagogischenKreiseneinegrößere Anhängerschaftzuver- schaffen,aberseit2Jahrzehntenetwa ist sein Einfluß,wenn auch stillund vornehm, so doch sehr stark spürbar.DieRevolutionswirren mitihrer Masse

neuer Gedanken und Anregungen,mit ihrerUberschätzungdesPolitischen

im Sinne desParteimäßigenUndRhetorischen, haben seineWerkefür einige Jahre zurückzudrängenvermocht,aber in demKampfeum diehöchstenWerte ist heute docheigentlichderreineNaturalismus mitallem ihm anhängenden Utilitarismus und allervolltönenden»Soziologie« sowiederJntellektualis- mus jeder ObservanzinsHintertreffen gekommen.Dieneuen »Richtlinien«

(1924-25),diefür Preußeneinebedeutsame Schulreform eingeleitet haben, stehenunter dem Einflusseder Gaudigfchen Schriften,aus denen ganze Sätzeübernommen sind; dieseraberist bekanntlicheinAnhängervon Rudolf Eucken. Besondersdasprogrammatische Hauptwerk Gaudigs: »Die Schule imDiensteder werdenden Persönlichkeit-«(1916X17 erschienen) läßt diese engen Zusammenhängedurchwegerkennen. AuchderBegründerder Land- erziehungsheime, Herinann Lietz, stehtunter dem Einfluß Euckenfcher neuidealistischerJdeen,dieermit demjenigenzuverbinden sucht,was eng- lischeErziehungspraxisihninAbbotsholme gelehrt hat. Schließlichkann Noch aufBuddes »NoologifchePädagogik«(Langensalza 1914) hingewiesen werden,dieschoninihremTitel ausdrücklichaufEuckens Methode Bezug nimmt unddie derVerfasser selbstalsden»EntwurfeinerPersönlichkeits- pädagogikaufder GrundlagederPhilosophieEuckens«bezeichnet.

WährendNatorpvonderJdeederGemeinschaftausgeht,bildetfürEucken undmitihm fürBuddeundGaudigdiePersönlichkeitdenAusgangspunktund damit hängteszusammen,daßEuckensLehreimmer wieder bewußtaufden BegriffdesLebens zurückgeht,denerzwarinvorsichtigsterWeiseunddurch- wegkritischbehandelt,dann aberdochmitdem desGeisteszumTerminus des Geisteslebens verbindet. Esist fürEuckencharakteristisch,daß sein systematischesHauptwerkdenTitelhat: »Die Einheit des Geisteslebens inBewußtseinund Tat derMenschheit-«(deGruyter19252),wobei dieBetonung»Tat« schonklarden Aktivismus Euckens erkennenläßt,

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50 Artur Buchenan

der für seine Lehrewiefür seineeigenePerson höchstbezeichnendist.Die ersteAuflage dieses Werkes erschienimJahre1888 (Leipzig,Veit8cCo.), zUeiner Zeitalso-WoderPositivismusimJn- undAuslande inBlüte standUndfürdenEuckenschenNeu-Jdealismus wenig Aussicht auf Beach- tungVorhandenwar.

EuckengingdabeivonderÜberzeugungaus,daßalleEntwickelungphilo- sophischerSpekulationihreWurzelinletzten prinzipiellen Überzeugungen hat,in einerGesamterfassungdesGeisteslebensund seiner StellungimAll, sowiederdamit erfolgenden Absteckungeiner geistigenWirklichkeit.Philo- sophischeSystemewollen freilich nichtnur dieallgemeinenTendenzendes faktischVorhandenenKulturlebens zum abstraktenund gedanklich-scharfen Ausdruck bringen, sondern ihr eigentümlicherWertbesteht darin,dieMannig- faltigkeitderBewegung durchdieErfassungderEinheitund Gesetzlichkeit aufeinewesentlich höherePotenzzuerheben. Fehltnun in einerbestimmten PeriodederwissenschaftlichenArbeit diezusammenhaltendeGrundüberzeu- gung, so muß auchdieLehreVon denPrinzipien,d.h.diePhilosophie,mit größter Vorsicht Vorgehen,damit ihr Bemühen nichtden Anscheineines Mannes erweckt,derdas Hausmitdem Dache anfangendzubauensich bestrebte.DerPunkt aber,Vondemaus dieSache anzugreifen ist,kann kein anderer seinals dieGesamtarbeitder Menschheit,wiesie ihreDarstellung undVerkörperungin derGeschichtefindet.DereigentlicheVorwurf istdabei indesnicht sowohldieGeschichtederMenschheitalsVielmehrdieGeschichte des Geistes inder Menschheit.Einderartiges iHinausgehenüber die empirische Lage VerlangtdieAusbildungeigentümlicherMethoden,wiesie Von Euckeninden,,Prolegomena und Epilog zu einer Philosophie des Geisteslebens«undin,,Erkennen und Leben« (de Gruyter1922 bzw. 1923)geschildertworden sind.

Die Auseinandersetzungmit dem Bestandder Geschichte fordertnun fernerunabweisbar eingenauesEingehen auf andersartigeGedankenmassenz denn nur imHindurcharbeitendurchsie läßt sichzum echtenBestandeVor- dringen.SosetztsichEucken mit demNaturalismus unddemJntellektualis- mus inden VerschiedenenFormen auseinander,nachdemersiezunächstin durchaus objektiverArtund Weiseals,,Lebensshsteme«geschildert hat.Es zeigt sich dabei, daßwir als denkendeWesenuns nichtgänzlichin dasbloße Wirken VersenkenundVergessen, sondernesVermögen,allesGeschehen auf einenüberlegenenPunkt zurückzubeziehenund zwaraufeinenPunkt nicht jenseits,sondern innerhalbderTätigkeit.So erlebtdasTunsich selberund bearbeitetdasersteErgebnisVon einerhöherenStufe her;aus ihmerwächst einneuer BegriffVonderJnnerlichkeitalsdemBeisichsein geistigenSchaf- fens,eben damitaberein neuer, charakteristischerBegriffsdesGeistes. Dieser BegriffdesGeistes istinWahrheiteineMachtdesKulturlebens geworden.

AllesStrebennach Vertiefung führt dazu,Vonuns selberzuVerlangen,daß wiruns nichtbloß fortreißenlassen, sondern lernen,dasGanzeVoneinem überlegenenStandpunktaus zuschauen. Jn diesersHinsichtsindalleide-

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Euckens PhilosophiedesGeisteslebens 51

alistischen Lehren einig, mögen sie auchimübrigenverschiedeneWegegehen, daßessich nämlichbei derPhilosophieum dieTotalität oder,anders aus- gedrückt,um dieUniversalität des Geistes handelt. DerlogizistischEin- gestellte schaut sienur mehrvon der Seite der Erkenntnis aus, dermeta- physischJnteressierte dagegenVondemPrinzipdesSeiendenaus. Insolchem Verlangen erhebenwir uns aus der Gegenwartzueinem geschichtlichen Gesamtüberblick,nichtbloß,um über das Vergangenenachzudenken,son- dernum dieVergangenheitinlebendigeGegenwartzuverwandeln und aus solcherHerrschaftdesGedankens heraus unserDaseinzuführen.

DiesesunserStreben findet seinenprägnantestenAusdruck in derviel- leichtmodernstenphilosophischenDisziplin,derPhilosophie derGeschichte.

Gerade indieserHinsichtbieten diegenannten systematischenEuckenschen Werke,sowie»Der Kampf um einen geistigen ·Lebensin!halt«und die,,Geistigen Strömungen der Gegenwart«1) reichsteAnregungen.

Über dieeinzelnen Ausführungeneinersolchen »PhilosophiederGeschichte«

magman noch so sehr streiten, sovertritt doch dieseDisziplineinenotwendige Forderung unserer Zeit.Denn ohne diesenGedanken wäre,wie Euckenzeigt, derTrieb,über dieEngeder unmittelbaren Gegenwart hinauszugehenund dasDasein durchdas GanzederGeschichtezubereichern,unbegreiflichund unerfüllbar.Euckenspricht hiervon einer VerinnerlichungderWirklichkeit, wobei besonders fein seine Ausführungenüber denZusammenhang zwischen Sprache und Gedankenarbeit sind.

Ameinfachstenerschließtman sichdenZugangzu derEuckenschenGe- dankenwelt,wenn man ausgehtvondemBegriffderKultur; denn wenn man dieseGrundidee konsequent durchdenkt, so liegtdarin schoneinescharfe KritiksowohldeseinseitigenNaturalismus wie desebenso einseitigen Intellek- tualismus. Das Vorurteil des Naturalismus istdarin zusuchen, daßdie AußenweltandieMateriegebundenistundvon ihr abhängigeGesetzeabsolut gegeben sind,unddaßdem Menschen nichtsanderes übrig bleibe,alssich, sogutesgehen will, diesen Gesetzenanzupassen.Allediese billigenund gar zueinfachenDarwinistischenAnalogieen, solcheangeblichebiologischen»Gründ- Gesetze«bilden dieschwankendeGrundlagedes Naturalismus, der,wie schon Leibnizganz richtiggesehen hat,an dem Problemdesintellectus ipse,modern gesprochen:desSelbstbewußtseinsscheitert. Ebenso einseitig aberwill derJntellektualismus alles aus derbaldanalysierenden,baldsyn- thetischvorgehendenTätigkeitdesVerstandeserklären. Die Weltistaber weder einebloße Zusammensetzungmaterieller Atome nocheineSchöpfungdes rechnendenVerstandes.DieKultur-Idee führtuns überdiesebeidenEin- seitigkeitenhinaus,indemsie zeigt, daß,psychologischgesprochen-,derMensch Denken,Wollen undGefühlmiteinander zur untrennbaren Einheitverschmilzt oder,wenn wirden Gedankenobjektiv wenden,daßesnichtnur dieeine

1)Bei-deerschienen bei W.deGruyteru.Co.(BerlinundLeipzig1925 S.Aufl.

bzw.1920 H.Auf[.).Vgl.hierzumeinen AufsatzüberEuckeninder,,Rundschau für WissenschaftundLiteratur« Januar-Nr.1926.

4:i:

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I

52 Artur Buchenau

Welt der starrenNatur oderderrationalen Metaphysik,sonderndaßes diedreiWelten gibt,die wirals Natur,Sittlichkeit,Kunstzubezeichnen PflegensSo führtderBegriffderKultur zu derErkenntnis derÜberlegen- heitdesGeistesbegriffessowohlüber den der Natur wiedendesVerstandes.

Denneine geistigeWelt ist sowohldieNatur wie dieSittlichkeitwie schließlichdieKunst.Die Natur in demSinne, daßalleGesetzederNatur- wissenschaftja nichtsanderes sindals solche AgeistigenSchöpfungendes Menschen.DieSittlichkeitaber enthälteineGesetzlichkeitderFreiheit,die Kunsteinesolchederfreigestaltenden Phantasie,undsimmeristesderselbe Mensch,der Naturwissenschaft, Ethikund Ästhetik,kurz,der das System derPhilosophie aufbaut. Gewißkann niemand gezwungen werden,an die Geistigkeit dieserWelt zuglauben,deralsosichüber dieStellungdesTieres nicht erhebenwill. JndiesemSinn istdieFreiheitderSittlichkeitwie die SchönheitderKunstletztlichunbeweisbar,aberdasGleiche gilt auch fürdie tiefstenZusammenhängeundletztenPrinzipiendes Naturseins,wiejeder Mathematikerund Physiker weiß.Denn was wissenwirim Grunde ge-

nommen vomWesenderBewegung,vom WesendesÄthers,derElektrizität,

derSchwerkraft?WeraberdasmenschlicheWesen,wer alsoKultur be- jaht,derbejahtmitderKultur auchdieWeltdesGeistes,undfür sie kämpft Eucken,indiesem Punkte gehtder kritische iPhilosophmit demAnhänger Fichtes völlig zusammen.Euckenselbstnennt seine PhilosophieimGegen- satzzumJntellektualismus Noötismus (vonnus = Geist)und faßt diese IdeedesGeistesals freischwebende,selbstgenugsameTätigkeit,sodaßaller Noötismus (wie schonobenkurz erwähnt)einenaktivistischen Charakter hat.

AuchdarinistRudolfEuckenderechteNachfolger Fichtes!1) Ohneeinsolches Selbstleben ist nach ihmalleEigentätigkeitdesGeistes,wiesiedieKultur beweist, schlechterdingsunhaltbar.

Ein anderer Ertragdermodernen Kulturbewegung istdieschärfereSchei- dungvon Funktion undSache, wiedenn der Funktionsbegriff fürdas moderne Denkenüberhauptebenso charakteristischistwiedieIdeederKonti- nuität,die damit aufdas engste zusammenhängt.DieethischeWirklichkeit kann demnachdemMenschen nicht mehrvon draußenzufallen,sondern sie entspringteinemZurücknehmendesganzen WesenszurEinheit,einemselbst- tätigen Entscheiden,einemWirken aus geistiger Freiheit.Aussolcherinneren Notwendigkeiterklärtsichdiegewaltige Bewegungdes Geisteslebenszur WesentlichkeitundzurTotalität,die imLaufederEntwicklungmit immer deutlicheren Zügen hervortritt.WeildieSachezuunserem eigenenWesen gehörtundsich hierzu einemgroßenZusammenhangverbinden muß, soent- stehteindurchalleUnsicherheitunddurchalleMißerfolgenicht auszurottender 1) Man vgl. hierzu FichtesReden andiedeutsche Nation inKernworten,aus- gewähltvosn Rahmund Schmidt, mit einemNachwortvon Rudolf Eucken (Lclpzig- FelixMeiner Verlag 1921). Wenn Euckenhiervon Fichte sagt (S. 100):

»DieStärke Fichtesliegtingroßen aufhellench undantreibenden Leitgedanken«, sokannMan diesen Satz auch auf-Euckenselbstanwenden!

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Euckens PhilosophiedesGeisteslebens 53

Trieb nachder vollen und ganzen Wahrheit, nachErreichungdes letzten Grundes, nichtnur beimErkennensondernin allemLeben.Dieganze Tiefe und WeitedesLebenssoll soindasWirken eingehenund hier fundiert werden. Dies ist charakteristischfürdieganze geistigeArbeit inunseren Gegenwartsverhältnissen,der Forttriebzuimmer neuen Höhen,das stete Drangenvon derbloßenErforschungdesEinzelnenzumWesen,von aller Zufälligkeitund Gegebenheitzur Notwendigkeit;aber: unentbehrlicheFak- toren dergeistigenEntwicklung,wiesieessind, sind sie doch zugleich Zeug- nisse fürdieZusammengehörigkeitderSachenzu unseremWesen. Diese ganzeKulturbewegungaberführt aufdenBoden desSelbstlebensundeiner personalen Welt.

DergleicheZug nach Wesentlichkeitwaltet nun auchaufderfunktionellen Seite. Auch hier sollinallem undjedemderganze Umkreis erschaffen,in jedemWirken derMensch gefördertwerden. So sehenwir dennin«aller geistigen EntwicklungdieAufgabeeiner allgemein menschlichen Wesens- bildungkräftiger hervortreten, ja,alleBesonderheit unterwerfen,alle Ge- staltung nach außen beherrschen. Jnsbesonderedieneue Zeit findeteine besondere Größe darin, jedepartikulare Aufgabe aufGrund deralsnot- wendigerkannten universell-menschlichenzuunternehmenundjenedabeistets auf diesezurückzubeziehen.

Als eigentlichesund letztes HauptergebnisderKulturarbeit findet sich dabei dieVerwandlungdes DaseinsineineGedankenwelt,eineErsetzung dersinnlichen durchideelleGrößen. Daßessich hierbeium eine niedereund höhereWirklichkeitmitselbständigenKräften handelt, nichtum bloßeGebilde derAbstraktion,dassteht außerZweifel. Ia, fürEuckenwirdimmer klarer und deutlicher, daßdie ideelle WeltdieeigentlicheStätte desLebensprozesses ist, währenddassinnlicheDasein seinenSinn und Wertin derHauptsache durch dasjenige erhält,was esalsVerkörperungjener Geisteswelt leistet.

Ähnlichwiees dieWindelband-Rickert-Schule tut,spricht auchEucken hierVoneinerWeltderWerteundIdeale. Dabei ist daraufzuachten, daß die WertegegenüberderbloßenExistenz ihre Selbständigkeitbehauptenund behalten, während sie sich aufderanderen Seite dochdarum nichtvom Sein ablösen,um alsgleichsamlustige Schattenüber derWirklichkeitzuschweben.

Werturteile und Wertgesichtspunktesindebennicht bloß nachträglicheUrteile über dasSein, sonderneinsolchesWert-Urteil istderklareAusdruck einer eigentümlichenBeschaffenheitdes realen Geschehens.Wenn das Lebewesen LustoderSchmerz sinnlicherArtempfindet, sowirdnichtetwa einUrteilüber denphysikalischenVorgangderNervenerregung gefällt, sondern jeneEmp- findungliegtganzaufdempsychischenGebiet und isteineunvergleichlich andere Größe;beiihristaber dieWertgebungmitdemRealbestande so,un- mittelbar verwachsen, daßbeidesals ursprünglichzusammengehörigzube- trachtenundmiteinander alseineneue Lebensformanzuerkennen ist.Sohat«

überhauptaufeinergewissen Stufedas Seinoderwenigstensein Teildes Seins von Hausaus einenWert. Nur unter solcherVoraussetzungwird

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begreiflich, daßdieWertetatsächlichbewegendeMächtewerden und so tief inden-Lebensprozeßeingreifenkönnen,wiesieesinWahrheittun.

Dieser BegriffdesWerteswirdbei Euckenindes ergänztundberichtigt durchdenjenigendesGutes. Wert und Gut müssen sich nach ihmals

Seiteneines umfassenden Ganzeneines Wesensguteserkennen;dennoch lstkeinZweifeldarübermöglich,daßdiegeistigenGüterundmit ihnendie tätigeEinheiteinesSelbstlebens nicht bloßeinenbegrenztenAbschnitt,son- derndas ganzeDasein beherrschen,und daßdas Streben nach ihnendie Arbeitnichtetwanur nebensächlichbegleitet, sondernbiszurWurzel durch- dringt.Allesund jedes echteSchaffen VerlangteinZusammennehmender funktionellenundder pragmatischenSeite in derVolltat,dieVolltat aber ruht aufeigener Entscheidung,dieEntscheidung verlangtGüterund Zwecke, und sobleibt esdabei, daßdenletztenKern der geistigenArbeit nicht«-die EntwicklungeinesnatürlichenProzesfes, sonderneinzwecktätigesHandeln bildet,daßdemnochletzthinalles Streben sub specieboni erfolgt.So bleibt gegenüberdem antiken Güterbegrisfder Wertbegriffin gewisser BeziehungbeiEuckenbevorzugt,aber auchererweitert seine Betrachtung ähnlichwieKant zuderIdeeeinerethischen Welt. BeiderethischenBe- tätigung giltes, infreierTatundunter Einsetzungdesganzen Wesensdas HandelnmitseinerRichtung erstzu erzeugen und gegenandersartigeMöglich- keitendurchzusetzen.Dabei entspinnt sicheinKampf,dessenEnde nur eine abschließendesiegreicheTat,dieendgültigeEntscheidungdesganzenMenschen seinkann. —-

Esgiltan diesem Punkte abzubrechen,dahier jaüber dasBemühen einer ersten Einführung nichts hinaus geleistetund gebotenwerden kann.

Euckens PhilosophiedesGeistes, sein FichtescherAktivismus habenderWelt noch mancheszusagen.DaßdieLehre durchdielebendigeund jugendliche Persönlichkeitdes80jährigennochlangegestütztundgetragenwerden möge, das istderWunschunsererGesellschaft,diemitRudolf Eucken seit34 Jahren für Geisteskulturund Vertiefte Volksbildung Schulteran Schulter kämpft.

Zur Ideengeschichteder Goethezeit

Von Arnold E.Berger.

, nterdemTitel,,GeistderGoethezeit«hat H.A.Korffeinegroßange- legte Darstellung begonnen,Vonderzunächstdererste-dem,,Sturm und Drang«gewidmeteBand derOffentlichkeitübergebenwurde1).

1)«GeistderGoethezeit. Versucheinerideellen Entwicklungderklaffisch-roman- tischenLiteraturgeschichte.I.Teil: Sturm undDrang.« Leipzig, J.J.Weber 1923.

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ZurJdeengefchichtederGoethezeit 55

Jhr Grundgedankeist,dievon der überragendenErscheinungGoethesbe- herrschteZeit,alsodiedeutscheKlassikund Romantik,die isn derRegelüber- wiegendunter dem GesichtspunktihrerGegensätzlichkeitenbetrachtet werden, als eineneinheitlichenZusammenhangzuerweisenundihre gemeinsame geistige Grundlage durch methodischeAnwendungderideengeschichtlichenForschung zuermitteln. Der Verfasserbetont allerdings ausdrücklich,daß»nichtalle ZügeindemBildederGoethezeit«sichaus ihrer Jdeengeschichteverstehen lassen,unddaß sein Weg überhauptnicht»zu derAnschauung historischer Mannigfaltigkeit-«führt, sondernnur zu einem»ProfilderGeschichte«,zu einer VereinfachungderLinienführungauf bestimmte abstrakte Grundzüge, die, »weilauseinerMannigfaltigkeitdesWirklichengewonnen, darum ihrem Wesen nach fürkeineeinzelneWirklichkeitin vollemUmfange Geltung haben«

(S. 33).Aberernimmt fürdievon ihmherausgestellten »Grundideen«lder Goethezeit,,eine höhere Form historischer Wahrheit«inAnspruch,dieauch

»von der besten historischen Wirklichkeitsmalereiniemals erreichtwerden kann«,denn siebilden»gewissermaßendasSkelett,dasfürdaswahreVer- ständniseinerZeit so gutdieGrundlage ist,wiedie Kenntnis desKnochen- gerüsts fürdie Anatomie«.

VondiesemLeitgedankenausgewinnterfürdenerstenBand seines auf drei TeileberechnetenWerkesfolgende Gliederung.EineeinleitendeBetrach- tungbelehrt zunächstinKürze (S. 2—8)über dasWesenderIdeen,die nichtnur als»Ausdrückeder Lebensproblematik«aufzufassen sind, sondern auch »demSeienden einSeinsollendes gegenüberstellen«unsd derWelt wie deinLeben»den richtigenSinn« abzugewinnen trachten,darum nichtnur mitderWirklichkeit,vielmehr auchmitsich selber,d.h.mitandersgeriichteten JdeensystemeninbeständisgemKampf liegenundinAngriffund Verteidi- gung, negativerundpositiverHaltung jeweilseine»ausbestimmter histo- rischerLebenssituation heraus gebotene-«Gestalt annehmen,die alsder»Geist«

einerZeit sich darstellt,um,kaum zugefestigter Erscheinungsform gelangt, auch schonwieder problematischzuwerden und neuen ideellen Notwendig- keitenPlatzzumachen. Ineinemzweiteneinleitenden Abschnitt (S. 9—59) werden danndie»ideengeschichtlichenGrundlagenderGoethezeit«entwickelt, d.h. wiederVerfasser selbstesausdrückt(S.34) »dietypischen- JdeendesChristentums,derAufklärungundderGoethezeit«herausgestellt:

wie ausden»FragwürdigkeitenderAufklärung«sich siegreichdernendeutsche Jdealismus erhebt,in demzuerstdiegenialischeDichtung,dann dieEthikdie führendeMacht wird,bis inseiner»drittenPhase«sdsieSynthesebei-der in idem Ideal der»ästhetischenErziehungdesMenschen«oderineinem ,,humq- nistischenIdealismus«erreicht wird,der dann unter demVortritt dergroßen nachkantischenDenkervon einer»idealistischenMetaphysik-Ceinem»roman-

tischenJdealismus unterbaut, durchdrungenundvollendet«wird;inihmaber beginntdasPersönlichkeitsidealzuverbleichen»vor deremporsteigendenSonne derüberpersönlichenIdeenundIdeale, Nation, Staat, RechtundGeschichte- undvor demnegativen IdealeeinerEntpersönlichungunidErlösungausdem

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