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NATURWISSENSCHAFTE
H E R A U SG E G E B E N VON
A R N O L D B E R L I N E R
U N T E R B E S O N D E R E R M IT W IR K U N G VON HANS SPEMANN IN F R E IB U R G I. B R ORGAN D E R GESELLSCHAFT DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE
UND
ORGAN D E R KA ISER W ILHELM -GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG D ER WISSENSCHAFTEN V E R L A G V O N J U L I U S S P R I N G E R I N B E R L I N W g
HEFT 31 (SEITE 669-684) 31. JULI 1925 DREIZEHNTER JAHRGANG
"Über Kontinentverschiebungen. Von Ot t o Am p f e re r, Wien. (Mit 8 F i g u r e n ) ...
Die Bergmannsche Regel. Von Ri c h a r d He s s e,
Bonn. (Mit 1 A b b ild u n g ) ...
Be s p r e c h u n g e n :
At w o o d, W. C., u n d A . A . Jo h n s o n, Marine Structures, their Deterioration and Preser-
I N H A L T :
Zu s c h r i f t e n u n d v o r l ä u f i g e Mi t t e i l u n g e n:
669 Dielektrische Versuche über den Molekular
zustand gelöster Stoffe, insbesondere von 675 Säuren. Von L. Eb e r t, Kopenhagen . . . 681 Die Umwandlung von Quecksilber in Gold. Von
H. Na g a o k a, Tokyo. (Mit 2 Figuren) . . . 684
As t r o n o m i s c h e Mi t t e i l u n g e n: Temperatur der 680 M arso b erfläch e... 684 vation. Von Het^ell, H a m b u rg ...
Hierzu Nr. 6/7 der Mitteilungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Arzte
Abb. 17. Moderne Mondphotographie aufgenommen am Mt. Wilson
Aus: D ie H auptproblem e der modernen A stronom ie
Versuch einer gemeinverständlichen Einführung in die Astronomie der Gegenwart. Von E lis S tröm gren.
A us dem Schwedischen übersetzt und in einigen Punkten ergänzt von W a l t e r E. B e r n h e i m e r.
112 Seiten mit 31 Abbildungen im Text und auf 2 Tafeln. 1925. 4.80 Goldmark V E R L A G V O N J U L I U S S P R I N G E R I N B E R L I N W 9 Der Postvertrieb der „ Naturwissenschaften" erfolgt von Leipzig a u s !
II D I E N A T U R W I S S E N S C H A F T E N . 1925. Heft 31. 31. J u li 1925
DIE NATURWI SSE NSC HAF TEN
erscheinen in wöchentlichen Heften und können im In- und Auslande durch jede Sortimentsbuchhandlung, jede Postanstalt oder den U nterzeich n eten Verlag be
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§ g V E R L A G V O N J U L I U S S P R I N G E R I N W I E N V I g g
Dynam ische M eteorologie. Von F e lix M . E x n e r , o 0 . Professor
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DIE NATURWISSENSCHAFTEN
D re iz e h n te r J a h r g a n g 3 1 . J u li 1925 H e ft 31
Über Kontinentverschiebungen.
Von Ot t o Am p f e r e r, Wien.
Die Frage nach der M öglichkeit und dem w irk
lichen Vorhandensein von Kontinentverschiebun
gen ist getrennt zu behandeln, und auch jene der Polverschiebungen ist dam it nicht notwendig ver
bunden. Die H ypothese von We g e n e r hat nun hier eine bestim m te Verbindung hergestellt und dam it tief in die ganze geologische Entw icklungs
geschichte eingegriffen, hier Zustim m ung, dort Ablehnung findend.
Einer Hypothese, an welcher man nicht Vorbei
gehen, sondern die man zu seinen eigenen A rbeits
m itteln zählen w ill, kann man in sehr verschiedener W eise gegenüber stehen. D as H äufigste ist wohl auf der einen Seite eine Zusam m entragung aller erreichbaren günstigen Momente, auf der anderen wiederum eine solche aller ungünstigen.
So w irkungsvoll diese beiden Methoden auch bei der Anwendung sind, so enthalten sie doch schon an und für sich durch ihre absolute E in seitigkeit große Fehlerquellen. Außerdem ver
kennen sie aber auch das Lebendige eines Gedanken
gebildes, dem man keinen Dienst erweist, ob man dasselbe nun auf einen vergoldeten Sockel zu heben oder aber in einem Sarge zu begraben versucht.
Ich glaube, es gibt hier nur einen Standpunkt, der dem Geistigen einer solchen H ypothese keine G ew alt antut, und das ist jener eines völligen E n t
gegenkommens, aber eines Entgegenkom m ens m it stetig wachsam er K ritik und dem ehrlichen W illen zu jeder möglichen Verbesserung.
Der Gedanke einer Verschiebung der K o n ti
nente ist gewiß nicht neu und h at schon dadurch seine Lebenskraft bewiesen. E r findet sich, wenn ich nur einige deutsche Autoren herausgreife, in verschiedenen Variationen schon bei K a n t,
bei Hu m b o l d t, bei Pe s c h e l, bei Lö f f e l h o l z, We t t s t e i n, Si m r o t h und vor allem bei K r e i c h- g a u e r, welcher in seinem W erke über die Ä quator
frage in der Geologie ausführlich darauf eingegan
gen ist und viele Konsequenzen einer solchen A n nahme bis ins Einzelne verfolgt hat. W e g e n e r
h at diesen Gedanken neu ergriffen und zu einer vollständigen Lehre ausgebaut, für welche er seit 1911 in zahlreichen \ orträgen und A ufsätzen m it großer Energie und Zähigkeit im m er wieder ein
getreten ist. Ich kann also wohl seine Ansichten als bekannt voraussetzen und sogleich zu einer Besprechung derselben übergehen.
Stellen wir uns die Erde als eine riesige und rasch auf einer kom plizierten B ahn durch den W eltraum rotierende K ugel vor und bedenken wir dabei ihre E ntw icklung von einer glühenden G as
masse zu einer feuerflüssigen und endlich zu einer schwach um krusteten K ugel, so werden wir den
Gedanken, daß es auf und in dieser K ugel kein gegeneinander starres System jem als gab, noch auch heute gibt, kaum als unwahrscheinlich von der Hand weisen. B ei dem unaufhörlichen Zerfallen und Um bilden und Neubilden aller Teilchen wäre eine solche S tabilität geradezu als ein mechanisches W under zu bezeichnen. Ich stehe daher nicht an, die B ew eglichkeit der Teile und Teilchen gegeneinander in und auf der Erde für das Gewöhnliche und die U nbeweglichkeit für das Seltene zu halten. D as wäre etwa als allgemeine Begründung für eine kinetische B etrachtung der Erdoberfläche zu sagen.
We g e n e r geht nun einerseits von der Ähnlich
keit der scheinbar auseinander gerissenen gegen
über liegenden K ontinentränder,A nderseits von der m erkwürdigen Tatsache aus, daß auf der Erdober
fläche 2 N iveauflächen herrschend sind, denen gegenüber alle anderen Abweichungen zurücktreten.
Beide Argum ente bestehen in W irklichkeit und man h at keinen Gewinn, wenn man dieselben etwa lediglich als Zufälligkeiten betrachten wollte. Die Ä hnlichkeit der gegenüber liegenden K ontinent
ränder besteht nur im großen und ganzen, doch nicht in allen Einzelheiten. Die G esetzm äßigkeit der zwei vorherrschenden Niveauflächen, von denen die eine etw a 4700 m unter dem Meeresspiegel, die andere etw a 100 m darüber liegt, ist schon lange bekannt und durch die sog. hypsom etrische K urve von Kr ü m m e l, Pe n c k, Tr a b e r t, W e g e n e r ver
anschaulicht worden. Diese K u rve entspricht nicht einem w irklich vorhandenen Oberflächen
querschnitt, sondern einem ausgerechneten D urch
schnittsverhältnis der vorhandenen Höhenunter
schiede. Sie ist z. B . von Kr ü m m e l wie Fig. 1 zeigt in horizontaler, von We g e n e r in vertikaler Anlage aufgezeichnet worden. Ohne die Dimensionen dieser K u rve irgendwie zu verändern, kann man ihr auch den in Fig. 1 abgebildeten V erlauf geben, welcher dem natürlichen Relief der Erdoberfläche getreuer ent
spricht. Es stoßen näm lich die zwei großen N iveau
flächen im allgemeinen nicht unm ittelbar aneinan
der, sondern es sind die Zonen der großen Tiefen und jene der großen Höhen zwischen ihnen angeordnet.
B etrachten w ir nun diese natürlich gruppierte hypsom etrische K urve, so spricht die Anordnung der großen Höhen und Tiefen und ihre Ausbildung in langen schmalen Zonen wohl für einen gegen
seitigen Zusammenhang. Die großen Höhen sind aber F alt- und Schubgebilde von äußerster K o m plikation, die großen Tiefen dagegen Einsenkungen von nicht näher bekannter B auart. D as Auftreten von 2 so deutlich voneinander getrennten H aupt
niveauflächen deutet nun We g e n e r als den A us
druck eines isostatischen Gleichgewichtes zwischen leichteren Kontinentschollen und einer schwereren
Nw. 1925.
670 Am p f e r e r: Ü b e r K o n t i n e n t v e r s c h i e b u n g e n . r Die Natur
wissenschaften
Erdm asse in und auf der die K ontinente schwim men. In Anlehnung an Ed u a r d Su e s s wird die erstere M assenart als Sial, die zweite als Sima be
zeichnet. Zur V erdeutlichung seiner Vorstellung bedient sich W e g e n e r immer wieder des Bildes der im Meere schwimmenden Treibeisschollen.
Ob dieses B ild zur E rklärung der beiden N iveau-
■10000 - 1
sooo-
8000 - 7000 - 6000-
5 0 0 0-
W00-
300 0-
vollzieht oder ob nicht doch kom pliziertere V er
hältnisse darunter verborgen liegen.
Zunächst ist einm al zu bedenken, daß es sich hier neben einem statischen doch auch m öglicher
weise um ein kinetisches Gleichgew icht handeln könnte. E s könnte der A uftrieb der K on tin en t
massen z. B. auch durch ein gasreicheres und a k ti
veres M agm a verursacht werden, das einen stär
keren Gegendruck gegen die auflastende E rdhaut auszuüben verm ag. In diesem Sinne würden die K ontinente gleichsam etw as stärker aufgetriebene Stellen als die Ozeanböden bedeuten. Es kann sich aber auch, z. B. bei rein statischem G leichgewicht, um das Zusammenspielen von mehr als zwei ve r
schieden schweren M assenbereichen handeln. In diesem F alle könnte z. B. die oberste E rdhaut überall aus einer ziem lich ähnlichen, bunt zu
sam m engeflickten Schichtenhülle bestehen, aber unter den K ontinenten eine Zone von etw as leich terem M agma liegen als unter den Meeresboden (Fig. 2). A uch die U m kehrung ist denkbar, daß unter den Meeresbecken noch eine schwerere Zone eingeschaltet ist.
Diese Verhältnisse würden die 2 H auptniveau-
G/eichgew icht eines zweifachen Sy ste m s
7000 0 1 2 3 * 5 e % H äufigkeit
Fig. t . Darstellungen der hypsometrischen Kurve der Erdoberfläche. Oben nach Kr ü m m e l, in der Mitte nach We g e n e r, unten in natürlicher Anordnung der
Hauptelemente.
flächen unserer Erde genügt, erscheint mir zw eifel
haft.
A n dem Vorhandensein der beiden Flächen ist jedoch kein Zweifel möglich. Auch das Eingreifen eines Gleichgewichtes durch Senkung schwerer Teile und H ebung leichterer scheint mir w ohl
begründet zu sein. E s ist aber eine andere Frage, ob sich hier w irklich ein so einfaches Gleichgewicht
G leichgew icht eines dreifachen System s Fig. 2. Beispiele von Isostasie zwischen je zwei oder
je drei verschieden schweren Zonen.
flächen ebenso gut erklären und nicht zu der geo
logisch unwahrscheinlichen Annahm e führen, daß am Boden der Meere schon unm ittelbar die schwerere Erdm asse herausstreicht. We g e n e r ist aber der Meinung, daß die Ozeanböden erst gleich
sam durch das Hinwegziehen der leichteren darüber liegenden H üllschichten bloßgelegt und so die Meeresräume erst geschaffen sein sollen.
D ie Schaffung der Meeresräume ist ebenfalls wieder ein geologisches Problem von großer T rag
weite. In Fig. 3 sieht man eine schem atisierte D arstellung der hauptsächlichsten hier in B etrach t kommenden geometrischen M öglichkeiten. Es könnte die Schaffung der Meeresräume zunächst durch reine Senkung vollzogen werden. Diese könn
te einerseits als Niederbiegung ohne große Zer
reißungen, anderseits aber auch als Einbruch m it entsprechenden R andspalten ausgebildet sein.
D ann kom m t die M öglichkeit in B etracht, daß durch äußere K räfte die leichteren Deckschollen gleichsam zur Seite geschoben werden und die Meere die so entstehenden Hohlräum e besetzen.
Die Verschiebungsfläche würde hier etw a dem N iveau der Ozeanböden entsprechen.
Eine andere M öglichkeit ist dann ein Aus
Heft 31. 1
31. 7- 1925 J Am p f e r e r: Ü b e r K o n t i n e n t v e r s c h i e b u n g e n . 671 einanderschieben der leichteren H üllschichten aber
entlang einer tiefliegenden Verschubszone. Ein solches Auseinanderschieben könnte sowohl durch äußere als auch durch innere K räfte geschehen.
Im letzteren Falle hätten wir es m it einer U n ter
strömung zu tun. Eine solche ist nur möglich, wenn an der Vorderseite der wandernden Schollen die entgegenstehenden Massen eingesaugt und an der
R ü c k s e i t e d i e a u f r e i ß e n d e n Spalten v o n u n t e n her m it Schmelzflüssen nachgefüllt werden. Es würden dann die Meeresboden die neugebildeten und m it offenbar schwereren Magmen verheilten Ober
flächen, die K ontinente aber R este der alten nicht eingeschmolzenen K ruste vorstellen. Die zwei ersten Erklärungen der Ozeanbecken durch Nieder
biegungen oder Einbrüche setzen vertikale B e wegungen voraus. D ie zwei anderen Erklärungen arbeiten vor allem m it horizontalen Bewegungen, ohne aber der vertikalen dabei entbehren zu
k ö n n e n . Steht man auf dem Standpunkt der ver
tikalen Mechanik, so h at man noch die Auswahl,
e n t w e d e r d i e K o n t i n e n t e durch h e b e n d e o d e r d i e
Ozeane durch senkende Bewegungen entstehen zu lassen.
Ed u a r d Su e s s hat in seinem W eltbild ve r
sucht, alle hierhergehörigen Erscheinungen nur m it senkenden Bewegungen zu erklären. Sehr viele Erscheinungen der Geologie und Morphologie lassen aber leichter die D eutung zu, daß sowohl hebende als auch senkende Bewegungen an der B ildung des Erdreliefs beteiligt sind. M it vertikalen Bew egun
gen kann man natürlich die Ähnlichkeit von gegenüberliegenden Kontinenträndern nicht er
klären. Für die Schaffung von 2 H auptniveau
flächen m üßte man die Annahm e machen, daß etw a die obere noch die Einstellung auf eine ältere, die untere aber jene auf eine jüngere neue K u g el
fläche wäre. Die größere Ausdehnung der tieferen ISiveaufläche wäre dann als das bereits erlangte Ü bergewicht der neuen kleineren K ugeleinstellung zu deuten. Diese Auffassung würde m it der K o n traktion stheorie Hand in Hand laufen.
Denkbar wäre aber auch die U m kehrung bei einer Vergrößerung der Erdkugel. Dann wären wieder die Kontinente die Neueinstellungen und die Ozeanböden die Reste eines alten K u g el
niveaus. Die Überlegenheit der Verschiebungs
hypothese besteht dem gegenüber in der leichten M öglichkeit, Konturenähnlichkeiten, Verbiegungen, Drehungen, Zerreißungen von Kontinenten und kleineren Schollen zu erklären.
Sie wird in ihrer Bedeutung durch manche E r
gebnisse der Erdbebenforschung und durch den F ortschritt der tektonischen Erforschung der Faltengebirgszonen wesentlich unterstützt, welcher immer mehr auf großartige H orizontalverschie
bungen hinweist, die w eit über den Bereich der Gebirgszonen hinaus die zustim m ende M itbewegung und M itwirkung großer Teile der Kontinente un
bedingt erfordern. D am it sind jedoch die Schwierig
keiten, welche der H ypothese der K ontinent
verschiebungen entgegenstehen, noch lange nicht
gelöst. W enn man der W E G E N E R S c h e n D arstellung folgt, so sind die heute getrennten K ontinente unserer Erde noch im Carbon zu einem einzigen, riesigen I rkontinent vereinigt. Dieser U rko nti
nent soll seinerseits durch Zusammenschieben und Zusam m enfalten einer noch w eit älteren, gleich
mäßigen Hülle unseres Planeten entstanden sein.
Hier stehen w ir vor einer großen U nverständlich
keit. In der älteren Zeit soll eine, w ie m it R echt angenommen wird, ursprünglich gleichm äßige und gleichartige H ülle der Erde zu einer riesigen, ganz einseitigen Kontinentscholle zusammengeschoben worden sein, in der folgenden jüngeren Zeit, genauer vom Carbon ab, soll dann dieser U rkontinent w ie
der zerrissen und in immer mehr kleine Stücke aufgelöst und über die ganze Oberfläche wieder zerstreut werden. Denselben ungewissen äußeren K räften wird hier im ersten F all die Störung einer bereits erreichten R egelm äßigkeit bis zur völlig
E in b ie g u n g
Fig. 3. Die wichtigsten geometrisch-geologischen Mög
lichkeiten der Raumschaffung für die Ozeane.
ein eitigen Anhäufung der ganzen Hüllschichte zu einem K ontinent, im zweiten F all gerade um gekehrt die Zerreißung und Zerstreuung dieses K ontinentes zugeschrieben.
Ich finde in We g e n e r s H ypothese keine Mög
lichkeit zu einem Verständnis für diese vö llig ent
gegengerichteten U m gestaltungen, welche zuerst zu einer Sam m lung der ganzen leichteren Hülle an einer Stelle und dann wieder zu einer Zerstreuung derselben führen sollen. Als Ausgangsstelle für eine Beurteilung dieser Frage kann man nach der
K A N T - L A P L A C E s c h e n Theorie doch wohl n u r eine ziem lich regelmäßige Verteilung der leichteren Hüllgesteine über die ganze K ugelfläche bin an
nehmen. Eine solche gleichm äßige Anordnung der leichteren Massen über den schwereren ent
spricht nicht nur der sehr vollkom m enen K u gel
gestalt der Erde, sondern auch der A bleitung der
selben von einem glühenden, gasförmigen, später feuerflüssigen W eltkörper. In diesen Zuständen hoher B ew eglichkeit ist die Herausbildung einer ziemlich regelmäßigen H üllschicht das einzig
672 Am p f e r e r: Ü b e r K o n t i n e n t v e r s c h i e b u n g e n . r Die Natux- Lwissenschaften
wahrscheinliche Ergebnis. Es ist also nur die Frage, wie kann aus einer ursprünglich offenbar ziem lich regelm äßigen und gleichartigen U m hüllung das heutige unregelm äßige Erdrelief abgeleitet wer
den. D urch die Bew egung der E rde kann eine ihr be
reits angepaßte regelmäßige Lagerung nicht ohne w eiteres zu einer unregelmäßigen verändert werden.
D ie ältesten Ablagerungen, welche w ir kennen, sind überall Gneiße und dam it eng verschw eißte Granite. D ie Gneiße zeigen allenthalben intensive Faltung, jedoch nicht so sehr die Anordnung zu w eithin streichenden Faltenzonen, sondern eine vielfach wechselnde Streichrichtung wie sie etw a einem mehrfachen Hin- und Herschieben entspricht.
Für eine Zusam m enschiebung dieser Gesteins
hülle von der ganzen Kugelschale auf etw a 1/3 dieser Fläche sind gewiß keine ausreichenden Störungs
formen vorhanden. R eichliches Einfließen von Magmen und ausgedehnte Einschm elzungen sind w eiter für diese alten Gesteinszonen bezeichnend
M e e r
Wechsellagerung u. Verzahnung d Schichten in d. Erdkruste Fig.’ '4. Oben: Schematische Darstellung des Kon
tinentrandes (Sial) gegen Sima und Ozean nach
We g e n e r. Unten: Schematischer Querschnitt durch ein Stück von schwereren Magmen durchbrochener
Erdhülle.
und zeigen an, daß das erstarrte und schon um gelagerte M aterial hin und hin neuerlich durch brochen und wieder verk itte t wurde. Für eine Scheidung von großen, jeweils leichteren und schwereren Massenbereichen findet sich in den geologischen Erfahrungen hier kaum ein Anhalt.
Je genauer die einzelnen Erdteile durchforscht werden, desto bunter stellt sich ihre Zusam m en
setzung heraus. D abei grenzen die verschiedenen Gesteinskörper nicht m it scharfen vertikalen Grenzflächen gegen einander ab, sondern sie liegen wie Zw iebelschalen übereinander und sind hundert
fach seitlich m iteinander verzahnt (Fig. 4).
W as w ir also von der wirklichen Struktur der Erdrinde bisher kennen gelernt haben, spricht keineswegs für eine schroffe Abgrenzung von ganz verschiedenen Massen und auch die größten be
kannten Verwerfungen trennen keine so verschie
denen Gesteinsbereiche. Zudem sind ihre Sprung
höhen viel zu unbedeutend. Fassen wir diese E r
fahrungen zusammen, so können wir sagen, daß uns die geologischen Befunde keinen Anhalt geben, wie
aus einer ursprünglich gleichmäßigen Massen
ordnung jene U ngleichm äßigkeit hervorgehen soll, welche die H ypothese von We g e n e r erfordert.
Die zackigen und scharfeckigen Umrisse der K o n tinente stim m en nicht zu der geologischen Innen
struktur der K ontinente. Sie legen gewiß den G e
danken an eine Zerreißung nahe.
Schiebt man die Kontinente wieder zusammen, so erhält man eine große mehr rundlich abgegrenzte Masse. E s ist klar, daß dies noch eine w eit schrof
fere E in seitigkeit bedeutet als die heutige viel au f
gelöstere und besser verteilte Lagerung der K o n tinentm assen. Man kom m t also durch Zusam m en
schieben unbedingt nur zu einer noch einseitigeren M assenverteilung. Anderseits ist es, von einer gleichm äßigen Urhülle ausgehend, nicht möglich, zu einer derartigen E in seitigkeit zu gelangen.
Hier k la fft ein R iß durch die ganze Ableitung.
Ich bin nun zu der Vorstellung gekommen, daß man hier ohne das Eingreifen eines neuen E reig
nisses diese beiden entgegenlaufenden E n tw ick lungsreihen kaum verbinden kann. A ls ein solches gewaltsam es Ereignis käm e nach meiner E insicht noch am ehesten das Abreißen des Mondes von der E rde in B etracht.
N ach der Theorie von Da r w i n und Po i n c a r e
entsteht bei genügend starker R otation aus einem K ugelkörper allm ählich ein bim förm iger, dann ein sanduhrförm iger K örper bis es endlich zum Abreis- sen der Mondmasse kom m t. E s gilt nun allerdings diese A bleitung nur für einen homogenen Körper und die Anw endung auf die Erde ist also unsicher.
B ekan ntlich h at schon Ed u a r d Su e s s sich eingehend m it dem Gedanken der W irkungen einer Mondablösung von der Erde beschäftigt. M it Hilfe dieser Annahm e wäre es nun möglich, eine von A nfang her gleichm äßige B ildung und V er
teilung der H iillschichte m it der heutigen unregel
m äßigen Verteilung in Verbindung zu bringen.
D urch die Abschnürung der Mondmasse muß in erster Linie ein großer Teil der früheren leichteren Hüllschichte sam t tieferen Massen von der Erde abgesaugt und entfernt worden sein. W enn man nun annim mt, daß z. B. die Kerne der K o n tin ent
massen noch R este jener alten, gleichm äßigen und leichteren H üllschichte vorstellen, so ist erstens ihre geringe Ausdehnung und zweitens der schroffe G egensatz zu den dadurch entblößten tieferen und schwereren Massen wohl erklärt. Es wird aber w eiterhin auch das Auseinanderweichen der alten Kontinentscholle zu der heutigen Schollenvertei
lung als Verm inderung der einseitigen Verteilung verständlicher. A u f diese W eise bietet die A n nahme einer Ablösung des Mondes die M öglichkeit, auf der Erdoberfläche nebeneinander scharf be
grenzte leichtere Schollen und schwerere Massen zu erhalten.
W ir haben uns nun noch genauer m it der M echanik der Schollenverschiebungen zu beschäfti
gen. W enn ein leichterer Körper in einem schwere
ren Medium schwim m t, so verhalten sich die Höhen
Heft 31. 1
31. 7. 1925 J Am p f e r e r: Ü b e r K o n t i n e n t v e r s c h i e b u n g e n . 673
von 2 Säulen dieser Körper von gleicher Grund
fläche, welche im G leichgew icht stehen, um gekehrt wie ihre spezifischen Gewichte. W ir kennen nun von dieser Gleichung nur den B etrag der Heraus- ragung der leichteren Schollen und ungefähr das spezifische G ew icht der Gesteine dieser Schollen.
Daher können wir die D icke der schwimmenden Kontinentscholle nicht direkt bestimmen, sondern nur im Verhältnis von w illkürlich eingesetzten Zahlen für die spezifischen Gewichte. Solche B e rechnungen sind schon vielfach gem acht worden.
Ist der Unterschied zwischen dem spezifischen G e
w icht von Sial und Sima gering, so liegt die A us
gleichsfläche der Kontinentschollen sehr tief, ist er dagegen groß, so rü ckt diese Fläche bedeutend näher.
So ergibt sich nach We g e n e r für die D icke der Kontinentschollen z B . bei einem Verhältnis der spezifischen Gewichte von 2 - 6 : 3 ein B etrag von 53 km, bei einem Verhältnis von 2 - 9 : 3 aber schon ein solcher von 213 km. Die Lage der Verschie
bungsfläche muß aber im wesentlichen m it der unteren Grenze der Kontinentschollen zusammen
fallen, da ja sonst bei einer Verschiebung die oberen Teile der leichteren Schollen von ihrer Basis ge
trennt würden. Sie liegt also selbst bei großem Gewichtsunterschied noch sehr tief unter denOzean- böden. Eine Tiefenlage dieser Fläche von min
destens 50 — 60 km wird man wohl annehmen müs
sen. Es ist daher ganz unmöglich, etw a die Böden der Ozeane einfach als die Verschubsflächen der Kontinente anzusehen.
W ir wollen uns nun klar machen, was dies für den Vorgang einer Verschiebung großer K on tin ent
massen zu bedeuten hat. D as bekannteste Beispiel für Kontinentverschiebungen ist die Loslösung und Abwanderung von Amerika von Europa-Afrika.
D ie Entfernung schw ankt heute von unter 3000 bis über 6000 km . Nehmen wir der Einfachheit wegen eine D urchschnittsentfernung von ca.
4000 km an, so besagt dies, daß vor der F ront von Amerika im Bereiche des 'pazifischen Ozeans eine Masse von 4000 km Breite, etw a 15 000 km Länge und etwa 60 km Tiefe entfernt worden sein muß, um eben Amerika P la tz zu machen. A ls Ersatz dafür muß eine Masse von ähnlicher Größen
ordnung im Bereiche des atlantischen Ozeans neu hinzugefügt worden sein. Diese rein geometrische Forderung ist nicht zu umgehen und sie hat außer
dem sicherlich nur den Charakter einer Mindest
forderung.
A n diesen Beträgen ändert sich nichts, wenn dieselben auch erst in langen Zeiten zu dieser Höhe anwachsen.
W ie soll nun dieser gew altige M assenaustausch zur Ausführung gelangen. E in seitlicher Austausch ist bei der ungeheuren Länge von Amerika und dem nahen Zusam m enhang m it A sien und Antarktis vö llig ausgeschlossen. So verbleibt einzig die M öglichkeit, daß der große Massenaustausch unter Amerika hindurch im Innern der Erde sich ab
spielt. D as ist natürlich nicht so zu verstehen, als
ob gerade dieselben Massen im P azifik verschw än
den, die im Atlantik wieder auftauchen. Es genügt vollkommen, wenn beiderseits nur Massen von ähn
licher Größenordnung gesenkt und gehoben werden (Fig. 5). So ist eine derartige Verschiebung von Amerika ohne Störung der Kugelform m echanisch möglich und verständlich. Sie setzt also einen M assenaustausch großen Stiles in der Tiefe voraus.
Nun kann sich dieser M assenaustausch grundsätz
lich auf zwei ganz verschiedene W eisen vollziehen.
E r kann zunächst, so wie We g e n e r m eint, durch einen äußeren Antrieb der leichteren Schollen entstehen (Fig. 6). In diesem F alle entspricht z. B .
Antrieb von außen
Fig. 5. Schema einer Kontinentverschiebung durch äußere Kräfte. Der dazu nötige Massenaustausch be
steht vor der Stirne des wandernden Kontinents in Wegführung, an der Rückseite in Zuführung von unterirdischen Massen. Der Ausgleich erfolgt durch
U nterströmung.
Fig. 6. Schema von Kontinentverschiebungen durch auf- und absteigende Strömungen im Erdinnern.
der W estbewegung von Amerika in der Tiefe ein zugeordneter nach Osten fließender Ausgleichs
strom. Es ist aber auch möglich, daß um gekehrt die Bewegungen der leichteren Schollen ganz von U nterström ungen verursacht und getragen werden.
In diesem F alle würde z. B. einer aufsteigenden Ström ung unterhalb der Kontinentmassen eine ab
steigende unterhalb des pazifischen Ozeans zu
geordnet sein (Fig. 6). Diese aufsteigende Strö
mung wäre zugleich die Ursache für die immer weiter gehende Zerreißung der großen K on tin ent
masse in kleinere Stücke und für die Auseinander
zerrung dieser Trümmer.
Es ist klar, daß sich diese beiden, wesentlich verschiedenen Erklärungen in ihren W irkungen
674 Am p f e r e r: Ü b e r K o n t i n e n t V e r s c h i e b u n g e n .
[
D ie N a tu r wissenschaftenauf die T rift der leichteren Schollen sehr unter
scheiden müssen. Im ersten F all haben wir nur eine bestim m te T riftrichtung zu erwarten, im zweiten ist es dagegen wahrscheinlicher, daß die randlichen Schollen nach allen Seiten von der M ittelscholle solange abtriften, bis das neue G leich
gew icht erreicht ist.
Nachdem wir die Großordnung des Massen
austausches erkannt haben, welche bei der A n nahme von Kontinentverschiebungen nicht zu umgehen ist, bleibt mir noch übrig, Einiges über die Detailausführung einer solchen Verschiebung zu bemerken. W enn eine leichtere Scholle, welche etw a zu 11/12 ihrer D icke in einer schwereren zäh
flüssigen Masse steckt, nun in dieser verschoben wird, so bildet sich an der Vorderseite der wandernden Scholle, besonders wenn dieselbe b reit ist, eine A u f
w ulstung und an der R ückseite eine Einm uldung in der zähflüssigen Grundlage aus (Fig. 7). Ein entsprechender Versuch ist z. B . m it H onig oder Leim oder W achs unschwer auszuführen. Es darf auch nicht vergessen werden, daß die sog.
Kontinent in Ruhelage 1
Aufw u/sfung -es--- Einsenku ng Kontinent in T riff
Fig. 7. Schema der Verschiebung einer Kontinent
scholle durch äußere Kräfte in dem schwereren zäh
flüssigen Sima. Vor der Stirne entsteht eine Auf
wulstung, im Rücken eine Einsenkung.
leichteren Schollen unserer Erdoberfläche keines
wegs etw a von außen her in die schwerere Masse hineingetaucht worden sind, sondern vielm ehr zu
gleich m it der letzteren aus derselben Urm asse sich ausgeschieden haben. Die W irkung einer V er
schiebung ändert sich auch nicht w esentlich, wenn dieselbe langsam vor sich geht. Es werden nur die Dim ensionen der Aufw ulstung und Einm uldung entsprechend verkleinert. B ei den K on tin ent
schollen erkennen w ir aber eine andere Anordnung.
Amerika zeigt z. B. an seiner riesigen Stirnfront ein Faltengebirge und zugleich einen gew altigen Tiefseegraben, an der R ückseite einen Abrißrand und ein normales Meeresbecken. W ir finden also hier vor der wandernden Scholle s ta tt der A u f
w ulstung des Meeresbodens im Gegenteil eine Sen
kungszone von außerordentlich großer Erstreckung.
Man kann aber auch nicht behaupten, daß etw a die A uffaltun g der A nden die R olle einer solchen Stauungszone übernommen habe. Eine K on tin ent
scholle ist sowohl wegen ihrer etwas größeren Starrheit, als vor allem wegen ihrer Aufragung bei einer seitlichen Verschiebung gegen F altung w eit besser geschützt als die tief erliegende und zugleich mehr zähflüssige Simamasse der Meeresboden.
Es m üßte sich daher unter diesen Voraussetzungen die Stauungsfaltung bei der Verschiebung nicht auf dem hohen K ontinentrand, sondern vor allem am tiefen Meeresboden vollziehen.
B ei der steilen Abgrenzung der K on tin ent
schollen im Sinne We g e n e r sist es wohl unmöglich, daß die F altu ng den K ontinent sta tt des Meeres
bodens ergreift. Der hochliegende K ontinentrand ist ja geradezu vorzüglich dagegen geschützt, w o
gegen der tiefe weichere Meeresboden um gekehrt für eine Faltu ng sehr günstig liegt. Außerdem p aß t die Faltu ngsart gar nicht zu dem ganzen Vorgang.
Die Faltu ng der K ettengebirge ist eine sehr inten
sive Bew egung von verhältnism äßig dünnen Schichtdecken verbunden m it m agm atischen E in griffen. Hier würde es sich aber um die Stauung einer sehr m ächtigen, mindestens 50 — 60 km dicken Scholle handeln (Fig. 8). Eine so dicke P la tte würde aber bei einheitlicher F altu n g ganz andere Strukturen ergeben als wie sie die irdischen Falten-
Siaf
Fig. 8. Schematische Darstellung der Lage einer durch den Vorschub der Kontinentscholle gebildeten Fal
tungszone. Oben: richtige Anordnung. Unten: un
richtige Anordnung.
gebirge besitzen. Es ist also gar nicht wahrschein
lich, daß die Anden von Amerika ein Stauungsw ulst sind, welcher bei der Verschiebung an der Stirn front entstanden sein soll. Diese Auffassung wäre richtig, wenn etw a die Anden aus dem hochgestau
ten Sima des aufgefalteten pazifischen Meeres
bodens beständen, was aber nicht der F all ist.
Man kann nun einwenden, daß bei einer lang
samen W estbew egung von Amerika die Erosion imstande sei, die K ontinentscholle m it einem Saum von A btragungsschutt zu um gürten. Infolgedessen würde das am Stirnrand aufgestaute M aterial doch nur wieder aus um gelagertem Sial bestehen.
Es hätte also der Kontinentrand bei seiner W an derung fortwährend nur seinen eigenen A btragungs
schutt vor sich her zu schieben und aufzufalten.
A u f diese W'eise würde eine recht merkwürdige Faltenzone entstehen, indem vorne im m er jüngere neugebildete Schichten angegliedert würden. D as Endergebnis wäre also eine Faltenzone, welche auf der einen Seite aus den ältesten, auf der anderen Seite aus den jüngsten Schichten aufgebaut ist, welche vom A nfang bis zum Ende der K on tin ent
verschiebung hier abgelagert wurden. Dazwischen wären die anderen Schichten genau dem A lter ihrer
H e s s e : Die Bergmannsche Regel. 675 Bildung und F altung nach eingeordnet. W ir hätten
also in der Verschiebungsrichtung hier sowohl immer jüngere Schichten als auch immer jüngere Faltungen zu erwarten. Eine Faltenzone von dieser B auart gibt es nicht auf der Erde.
Wenn man an der Kontinentverschiebung fest- halten will, so kom m t man zu dem Schluß, daß an der Stirne der wandernden K ontinente keine solchen Auffaltungen des vorliegenden Meeres
bodens stattfinden. D am it wird man aber wieder zu der Vorstellung geführt, daß hier die W eg
schaffung des M aterials an dessen Stelle eben der Kontinent einrückt, nur durch unterirdischen Massenaustausch und zwar vor der Stirnfront durch Einsaugung und hinter der R ückfront durch zugeordnete Aufquellung geschehen kann. Der Massenaustausch hätte, um noch einm al auf das Beispiel von Amerika zurückzukom m en, im Bereich
Heft 31. ]
31. 7. 1925 J
des P acifik eine absteigende, einsaugende, dagegen in jenem des Atlantik eine aufsteigende, aus
einanderschiebende R ichtung. Der große Tiefsee
graben vor der Stirnfront aber würde eine Zone von gesteigerten Einsaugungen bedeuten. Eine solche Mechanik des unterirdischen M assenaustausches ist aber wahrscheinlich nicht als Folge einer von äußeren K räften angetriebenen K on tin enttrift, sondern vielm ehr als ihre tiefere Veranlassung auf
zufassen. In diesem F alle würde also der unter
irdische Massenaustausch die leichteren Schollen in Bew egung versetzen und nicht um gekehrt die Verschiebung der Schollen erst denM assenaustausch hervorrufen. We g e n e r versucht die E rklärung der Kontinentverschiebungen nur m it H ilfe von äußeren K räften. Mir scheint zum indest die M it
wirkung von Strömungen des heißen Erdinnern unum gänglich zu sein.
Die Bergmannsche Regel.
Von Ri c h a r d He s s e, B o n n 1).
Jahrzehntelang h at in der zoologischen W issen
schaft unter dem E influß der Abstam m ungslehre die morphologische U ntersuchung der Tiere und die Betrachtungsw eise unter vorwiegend histori
schen G esichtspunkten geherrscht; seit A nfang dieses Jahrhunderts beginnt aber neben der P h y siologie m it ihren besonders lebhaft em porblühen
den Zweigen, der Entw icklungsm echanik und der Vererbungslehre, auch die Ökologie wieder in den Vordergrund zu treten, wenn auch noch bescheiden neben den begünstigteren Schwestern. D ie Ö kolo
gie betrachtet das Tier unter dem E influß seiner Um welt, seiner leblosen wie seiner belebten U m w elt. Ihr Ziel ist in letzter Linie eine A nalyse der Erscheinungen, die wir seit Da r w i n als K am p f ums Dasein zusammenfassen. Ü berall bei der B etrach tu n g der lebenden N atur begegnen uns Anpassungen, d. h. E inrichtungen der Lebewesen, die ihrem Gedeihen förderlich sind. W ährend nun die physiologisch-anatom ische B etrach tu n g die inneren Anpassungen des Tieres, das Zusam m en
wirken seiner Organe zur Betriebseinheit, die
„E n th arm on ie“ zu erforschen sucht, beschäftigt sich die Ökologie m it den äußeren Anpassungen des Tieres, z. B . an K lim a, Boden und N ahrung, an Artgenossen, Sym bionten und Feinde. Sie be
trach tet das Tier als Funktion seiner U m w elt, sie sucht seine ,,Epharm onie‘‘ zu erkennen.
U nter solche'ökologischen G esichtspunkte fallen auch die Tatsachen der Tierverbreitung. D er ge
w altige E influß, den die bahnbrechenden U n ter
suchungen von A. R . Wa l l a c e ausübten, h atte die historische B etrachtungsw eise in der Tiergeographie fast zur alleinigen H errschaft gebracht; die A n fänge einer ökologischen Tiergeographie, w ie sie besonders von Sc h m a r d a gegeben waren, fanden kaum eine Fortführung. Und doch bietet gerade die Lehre von der Tierverbreitung so reiche G e
1) Vortrag, gehalten vor der zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien am 1. April 1925.
legenheit zu Überlegungen ökologischer A rt. W enn das T ier eine F unktion seiner U m w elt ist, so muß die große Verschiedenheit in der Beschaffenheit der E rdgebiete in unm ittelbarer Beziehung stehen zu den Besonderheiten der Tiere, die in ihnen leben können, die sich also in H arm onie m it den jedesm aligen Um weltbedingungen befinden müssen.
D am it ergibt sich eine F ü lle von neuen F rage
stellungen, deren B eantw ortung sich teils aus unseren K enntnissen vom H aushalt der Tiere leicht ergibt, teils aber einen dankbaren Forschungs
gegenstand darbietet. Es ergeben sich dabei große gemeinsame Gesichtspunkte, nach denen die B e wohner gleicher Gebiete zu beurteilen sind. Die E inw irkung der U m w elt auf die Lebewesen kann ja in vielen F ällen durch Versuche geprüft werden.
Diese M öglichkeit experim enteller N achprüfung m acht die ökologische Tiergeographie zu einer exakten W issenschaft, wie die Ökologie selbst es ist. So wird es fortgesetzter U ntersuchung ge
lingen, Ordnung in die F ülle der Erscheinungen zu bringen. Schon je tz t ist es m öglich, ausgedehnte Tatsachenreihen zu bestim m ten Regeln — um nicht zu sagen Gesetzen — zusammenzufassen.
Man h a t Gem einsam keiten der Tierbevölkerung kleiner Inseln aus den Um weltbedingungen ab
geleitet, z. B . die geringe Größe inselbewohnender Säugetiere; der am erikanische B iologe D . S t. Jo r d a n stellte das „G esetz“ auf, daß nächstverw andte Form en nicht das gleiche G ebiet bewohnen, auch nicht w eit voneinander entfernte, sondern in der R egel benachbarte Gebiete, die durch irgendeine Schranke getrennt sind. Sein Landsm ann C. H a r t M e rria m stellte fest, daß die Schichtung der T ier
w elt in den Gebirgen auf kurzer Strecke im allge
meinen der Anordnung entspricht, die man bei A n näherung an den P ol in weiteren Ausm aßen beobach
tet. A ls Beispiel für die ökologische B etrachtung der Tierverbreitung und ihre E rfolge m öchte ich hier die sog. B E R G M A N N s c h e R egel besprechen.
6 7 6 H e s s e : Die Bergmannsche Regel. [" Die Natur- I Wissenschaften
D ie BERGMANNsche R egel ste llt die T atsache fest, daß im allgem einen eigenwarme Tiere inner
halb derselben A rt (bzw. desselben Form enkreises im KxEiNSCHMiDTsohen Sinne) an Größe zunehmen, wenn w ir von wärmeren zu kühleren Gegenden übergehen. D as gilt w ohlgem erkt nur für eigen
warm e Tiere, also Säugetiere und Vögel, n icht aber für die wechselwarmen, die Am phibien und R e p tilien, Insekten und Landschnecken; diese bleiben im Gegenteil in kühleren Gegenden m eist kleiner, sowohl innerhalb der A rt, als auch w as die H öchst
m aße innerhalb der Gruppen angeht. A u ch ist jene R egel zunächst nur innerhalb der A r t gültig, für Individuen m it gleicher erblicher V eranlagung;
es können sehr w ohl von A rten derselben G a ttu n g oder Fam ilie die größeren gerade in wärm eren, die kleineren in kälteren Gegenden Vorkommen, w ie Feldhase und Schneehase. D ie Größenbeein
flussung in dem angegebenen Sinne gilt nur inner
halb der genotypisch gegebenen Grenzen. Einige Beispiele sollen die R egel erläutern. D ie am eri
kanische T asch enratte (Geomys bursarius) zeigt deutlich Größenzunahm e von Süden nach N orden (Tab. 1); beim W ildschw ein und beim Schnee-
Tabelle 1.
Ganze Körperlänge von Geomys bursarius nach Me r r i a m
von Williamsville (Missouri), südl.
von 400 n. B r... cP 256 mm Q 223 mm vom E lk River (Minnesota), zw.
450 und 4 6 ° ... 284 ,, 243 „ von Nord-Dakota, nördl. von
46° n. B r... 296 ,, 265 „ hasen findet dasselbe vo n Südwesten nach N ord osten s ta tt (Tab. 2 u. 3), m it zunehm end kontinen
talem C harakter des K lim as. D asselbe zeigen unter den V ögeln der U hu (Tab. 4) und der am eri
kanische G oldspecht (Golaptes auratus) (Tab. 5).
Tabelle 2.
Schädellängen vom Schneehasen (Lepus timidus) nach Ba r r e t t- Ha m i l t o n .
L. timidus typicus v. Schottland D(i4)
„ ,, ,, v. Skandinavien D(5)
„ ,, ainu v. J a p a n ...
„ ,, tschuktschorum ...
„ „ groenlandicus, 82° n. Br.
Tabelle 3.
Schädellängen vorn Wildschwein (Sus scrofa) nach P. Ma t s c h i e.
Süd-Sardinien: Sus scrofa meridionalis . . 310 mm ,, baeticus . . . . 324 ,, ,, castilianus cJ 353, 2 321 ,, ,, scrofa . . 380—410 ,, ,, a t t i l a ... 452 „ ,, falzfeini . . . . 465 ,,
70 7 3 .2 80 87,586
Südspanien:
Nordspanien:
Mitteleuropa : Siebenbürgen:
Weißrußland:
(Gouv. Minsk)
(Ostsibirien: „ Kopflänge. . 560 nach Th. Noack.)
Tabelle 4.
Flügellängen des Uhu (Bubo bubo)
Bubo bubo ascalaphus aus Nordafrika 345 — 390 mm (f „ hispanus ,, Spanien . . 440 — 470 ,,
„ v. Europa nördl. d. Pyrenäen 430— 490 ,,
’ ,, sibiricus aus Westsibirien . 450 — 515 ,,
Tabelle 5.
Golaptes auratus.
Die Maße bedeuten Flügellängen der in mm.
28° n. Br. Florida (C. a. a u ratu s)...147
,
5320 ,, „ Georgia (C. a. auratus) ... 150,2 3 3° •> ,, südl. Süd-Carolina (C. a. auratus) . 149,0 3 5° >, ,, nördl. Süd-Carolina (C. a. luteus) . 154,6 3 5° ,, ,, nördl. Alabama (C. a. luteus) . . . 158,5 38° „ „ östl. Kansas (C. a. luteus) . . . . 155,3 4 10 „ ,, nördl. Indiana (C. a. luteus) . . . 158,8 4 7° ,, >, Ontario (C. a. borealis)...160,0 470 ,, „ Minnesota (C. a. borealis) . . . . 161,4 600 ,, „ Athabasca, Yukon (C. a. borealis) . 163^5 65° „ „ Alasca (C. a. b o r e a lis )...163,8 D as g ilt zuw eilen au ch für eng v e rw a n d te größere G ruppen m it sehr einheitlicher Lebensw eise;
w enigstens finde ich es b e s tä tig t fü r die P inguine, die vom S üdpol bis zum Ä q u a to r geradezu der G röße n ach auf g estellt sind (Tab. 6).
D ie gleiche V erän d eru n g in d er G röße e rfä h rt die A rt beim A ufsteigen im G ebirge. W a ld m a u s (M us silvaticus), F eld m au s (Microtus arvalis) u n d R ö telm au s (Evotomys glareolus) h a b e n in den A lpen a n ih re r H öhengrenze eine b ed e u te n d ere G röße als in den T älern . D er H ase des R h o d o p e
gebirges is t s te ts d eu tlic h größer als d er in der E bene vo n Sam okov. D ie B ru tv ö g e l des B a u m läufers (Certhia fam iliaris costae) in d en G ebirgen V orarlbergs, d er Schweiz u n d d en südfranzösischen B e rg k e tte n zeichnen sich v o r d enen d er E bene d u rch b ed e u te n d e re G röße aus. G anze R eihen
Tabelle 6.
Geographische Anordnung der Pinguine.
Die Maße bedeuten Körperlänge.
Aptenodytes forsteri 1000 — 1200 mm, Antarkt. Fest
land, selten 61 0 n. Br.
,, patagonica 900— 1000 mm, südl. bis 55 °.
Pygoscelis papua. . . 750 — 800 mm, südl. bis 631/2°, meist zw. 470 — 450.
,, adeliae . . 700 — 750 mm, südl. bis 66°, nur im Sommer; wandert.
,, antarctica . 700 —750 mm, südl. bis 641/2°, nördl. bis 520 s. Br.
Catarrhactes chrysolophus 700 mm, südl. bis 61 °, nördl.
bis 46° 30'.
,, chrysocome 550 — 650 mm, südl. bis 55 °, nördl. bis 37 °.
Spheniscus demersus . . 550 mm, südl. bis 341/2°, nördl. bis 1 7 0.
Eudyptyla minor . . . 480 mm, südl. bis 46°, nördl.
bis 38°.
Spheniscus mendiculus . 445 mm, unter dem Äqua
tor (Galapagos-In.)
von Vögeln des Felsengebirges ü b ertreffen ih re A rtgenossen in den großen E b en e n a n G röße.
D er R a b e des H im a la ja (Corvus corax tibetanus), der bis ü b er 4 0 0 0 m H öhe au fste ig t, is t viel größer als die europäische F o rm (Flügellänge 4 9 7 m m gegen 4 3 0 —4 5 0 m m ).
E in anderes B eispiel für die B E R G M A N N s c h e
R egel liefert die S äugerw elt d er T ropenw älder im G egensatz zu d er des G raslandes, u n d d er S teppe.
Im W alde h e rrsc h t T ag u n d N a c h t eine sehr gleich
m äßige w arm e T e m p eratu r, m it geringen S chw an
Heft 31. 1
31. 7- 1925 J H e s s e : Die Bergmannsche Regel. 6 7 7
kungen, während im Grasland die Tage wärmer, die N ächte kühler sind. Dem entsprechend unter
scheiden sich die Säuger des tropischen R egen
waldes durch geringere Größe von ihren A r t
genossen im offenen Lande. Der T apir {Tapirus terrestris) ist in den U rwäldern Guianas wesentlich kleiner als an den Ufern der Savannenflüsse. Der Leopard des afrikanischen U rwalds ist kleiner als der des Graslands. D ie W aldform des K affern büffels steht hinter der Freilandform bedeutend an Größe zurück: der W aldbüffel des Ituriw aldes [Biibalus caffer nanus) h a t eine Schulterhöhe von
1 , 0 1 6 — 1 , 0 6 7 m, der K affernbü ffel eine solche von 1,5 m. Ähnlich ist es m it dem afrikanischen E le fanten; während Buschelefanten eine Schulterhöhe von 3,5 nl und darüber erreichen, bleibt der W ald elefant des Ituriw aldes stets unter 3 m, der vom Leopold II.-See im K ongogebiet (var. fransseni) wird nur 2 m hoch.
In der M ehrzahl unserer Faunenreiche, die ja für Säuger und Vögel zusam m enfallen, sind nun, dank ihrer weiten Ausdehnung, die Tem pera
turverhältnisse in verschiedenen A bschnitten recht ungleich. Viele A rten eigenwarmer Tiere kommen aber in einem großen Teil des Reiches vor und müssen nach der BERGMANNSchen R egel in den kühleren Gegenden bedeutendere, in den wärmeren geringere Größe haben. D ann steht zu erwarten, daß sich in den Gebieten m it extrem er Tem peratur geradezu Zentren für m axim ale bzw. minimale Tierform en finden, d. h. daß deren Bewohner, soweit sie auf das betreffende Faunenreich b e
schränkt sind, allgem ein die größten bzw . die kleinsten Ausm aße ihrer A rt haben müssen. Im paläarktischen R eich liegt das Zentrum für Zw erg
formen in den M ittelm eerländern Afrikas, ins
besondere in A lgier (Tab. 7 ) . D as gilt aber nur Tabelle 7.
Minimalformen aus Nordafrika.
a) Vögel. Die Maßangaben bedeuten Flügellänge des af.
Turdus merula aus Nordalgier . . . . 119 — 124 mm gegen 130— 132 in Deutschland.
Corvus corax vom Nordrand der Sahara 390 — 400 gegen 430 — 450 in M.-Europa.
Dryobates major von Algier und Tunis 125 — 128 gegen 131 — 138 in M.-Europa.
Falco peregrinus aus Nordafrika . . . 273 — 293 gegen 305 — 325 in M.-Europa.
Bubo bubo aus N o r d a fr ik a ... 345—430 gegen 430—490 in Europa.
Columba livia aus Ä g y p t e n ... 184 — 210 gegen 232 in Europa.
Streptopelia turtur aus Ägypten . . . 158 — 163 gegen 173— 182 in Europa,
b) Säuger.
Lepus atlanticus, Basallänge des Schädels. . 62 mm gegen 79,5 in England, 71,5 in Spanien.
Canis vulpes atlanticus, Basallänge d. Schädels 112 mm gegen 142 in Deutschland.
Extrem klein sind ferner in Nordafrika: Wildschwein, Edelhirsch, Braunbär (Ursus arctus crowtheri).
für Glieder der paläarktischen Fauna, die ja hier ihren wärm sten W ohnplatz haben, nicht für solche
des äthiopischen G ebiets; der Löw e der Berberei [Felis leo barbarus) ist größer als der vom Senegal oder von Som aliland, wenn er auch hinter dem K aplöw en an Größe zurücksteht. D as entsprechende Zentrum m axim aler Form en bildet hier Nordost- Asien, die Tschuktschen-H albinsel. Im neark- tischen Faunengebiet kennen wir zwei Zentren minimaler Form en von V ögeln und Säugern:
F lorida und die H albinsel K alifornien (Gebiet des K a p S. L u ca s); dort überwiegen die atlantischen, hier die pazifischen Form en m it geringsten A u s
maßen. Für N iederkalifornien (Tab. 8) konnte ich 39 Vogelarten zusam m enstellen, die für N ord
am erika M indestmaße zeigen; die aus der süd
am erikanischen Fau na bis hierher vordringenden V ogelarten sind aber nicht in Minimalformen v e r
treten. A uch der H irsch (Mazama hemionus penin- sulae) vom äußersten Süden der H albinsel ist viel kleiner als M . h. californica. A ls Zentrum für m axim ale Größen steht ihnen A lask a gegenüber;
eine große A n zah l V ögel findet hier ihre be
deutendste G rößenentw icklung in N ordam erika (Tab. 9) und von Säugern kom m en Elch, G rislybär, V ielfraß, Fuchs (Vulpes harimanni), das W iesel (Putorius cicognani), von N agern Zapus hudsonius und der Polarhase sowie einige Spitzm äuse hier in Riesenform en vor. Für das äthiopische Fau nen
reich, A frik a südlich der Sahara, liegt ein Zentrum Tabelle£8.
Minimalformen von Vogelarten aus südl.
Nieder-Californien.
Zahlen bedeuten Flügellänge des c? (Durchschnitt).
Amphispiza belli . . 66,8 gegen 79,3 in Great Basin Iunco oreganus . . . 70,9 ,, 79,8 in Britisch-
Columbia.
Molothrus ater . . . 100,3 ,, 110,5 im gemäßig
ten Nordamerika.
Tachyeineta thalassina 141,7 ,, 146,3 im westlichen Nordamerika.
Corvus corax . . . . 405,5 ,, 423,0 in Britisch- Columbia.
Mimus polyglottos . . 111,3 ,, 118,3 in Arizona und Sonora.
Myiochanes richardsoni 82,8 ,, 87,4 im westlichen Nordamerika.
Colaptes chrysoides . 143,9 ,, 148,2 in Arizona und Sonora.
Chordeiles acutipennis 176,2 ,, 183,4 in Arizona und Sonora.
Tyto perlata . . . . 324,0 ,, 338,4 in Maryland, Columbia.
Bubo virginianus . . 315,6 „ 349,6 in mittleren Verein. Staaten.
Glaucidium gnoma . 87,1 ,, 93,6 in Californien.
Tabelle 9.
Maximale Vogelformen von Alaska.
Zahlen bedeuten Flügellänge des c? (Durschschnitt).
Pinicola enucleator alascensis. . . . 118 mm gegen X14 bei P. e. canadensis.
Montifringilla tephrocostis griseonucha 118 mm gegen 106 bei M. t. tephrocostis, inneres Nordamerika.
Passerculus sandwichensis sandwichensis 77 mm gegen 69 bei P. s. savanna, östl. Nordamerika.
Melospiza cinerea c in e r e a ... 82 mm gegen 68 bei M. c. morphina, Süd-Alaska bis West-Oregon.
N w . 1925. 86
678 H e s s e : Die Bergmannsche Regel. [ Die Natur
wissenschaften
Hirundo e ry th ro ce p h a la ... 121 mm gegen 118 in den westl. Verein. Staaten.
Corvus corax p rin cip alis...4 4 7 mm gegen 437 in Britisch-Columbia.
Otocoris alpestris a rctico la ... 112 mm gegen 105 bei O. a. enthymia in Saskatschewan.
Tabelle 10.
Minimalformen von Säugerarten aus Somaliland.
Orycteropus afer somalicus < O. a. aethiopicus.
Arvicanthus somalicus kleinste Art der Gruppe.
Procavia brucei somalica, Basallänge des Schädels 74 mm gegen 80 bei P. b. brucei.
Diceros bicornis mindestens um 1/3 kleiner als anderswo.
Potamochoerus larvatus somaliensis obere Schädellänge 300 mm gegen 367 bei P. 1. choeropotamus.
Felis pardus nannopardus, Basallänge des Schädels 142 mm gegen 173 und mehr sonst.
Felis leo somaliensis der kleinste afrikanische Löwe.
Lycaon pictus somalicus, Basallänge des Schädels 168 mm gegen 184 bei L. p. hennigi von Deutsch- Ostafrika
für Zwergform en au f dem dürren K alk p la te au des Som alilandes, wo die Tem peratur im M onatsm ittel auf 3 5 0 steigen kann; G raf Ze d l i t z- Tr ü t s c h l e r
fü h rt 40 V ogelarten aus den verschiedensten Gruppen auf, die hier kleiner sind als in den N ach bargebieten; für die Säuger zeigt T ab. 10, wie ge
w altig zum T eil diese U nterschiede sind (vgl.
F ig. 1). Ob ein Zentrum von m axim alen Form en in Südafrika besteht, bedarf noch genauerer U ntersuchung; jedenfalls ist der K ap löw e die größte Form der A rt. Im australischen Fau nen
gebiet ist Tasm anien der Sam m elpunkt der m axi
m alen Form en. Schnabeltier, Am eisenigel, Riesen
känguruh und Fuchskusu (Trichosurus vulpecula) sind hier größer als auf dem benachbarten F e s t
lande; Corvus coronoides ist in Tasm anien größer als der australische, und Gymnorhina tibicen über
trifft die auf dem F estlande vertretende G. organi- cum an Größe. F estzustellen bleibt, ob sich en t
sprechend ein Zentrum für Zw ergw uchs findet, etw a in Nord-Queensland. — A uch Neu-Seeland m it seiner einheitlichen F au n a kann hier heran
gezogen w erden: auf der Nordinsel, deren m ittlere Jahrestem peratur um etw a 6° höher ist als die der südlichen, sind die gleichen oder stellvertretende
V ogelarten stets größer als auf der Südinsel. — F ü r das asiatische Faunenreich könnte man an den A bhängen des H im alaja ein Zentrum für R iesen
wuchs suchen; im übrigen aber sind die Tem pera
turunterschiede in diesem fast ganz in die Tropen fallenden G ebiet nicht so groß, daß eine Anhäufung auffälliger Zw ergw üchsigkeit an einer Stelle zu er
w arten wäre. — Über das neotropische Fau nen
reich verm ag ich noch nichts Bestim m tes aus
zusagen.
F reilich gib t es auch Ausnahm en von der
B E R G M A N N s c h e n Regel; aber sie sind nicht häufig.
In der H auptsache betreffen sie Höhlenbewohner oder W interschläfer oder Zugvögel, die sich e x trem en Tem peraturen entziehen können. So nim m t die Größe der Auerhühner in Eurasien nach N ordosten ab; vielleich t h at das seinen Grund darin, daß die Auerhühner Asiens sich nicht wie die unsrigen dem W interfrost ungeschützt aus
setzen, sondern sich nach Br e h m, wie die Schnee
hühner des hohen Nordens, unter dem Schnee Gänge graben und dort vom L au b der Beerensträucher leben, und so zugleich einen wirksam en Schutz gegen stärkere K ä lte genießen. Solche Ausnahm en müssen in jedem F alle b e sonders geprüft werden.
D aß es m öglich ist, diesen eigen
artigen Größenverhältnissen so genau nachzugehen, ist das V erdienst der System atiker. M it großem Sch arfblick haben sie die geographischen U nterarten gesondert, ihre Zusam m engehörigkeit festgestellt, ihre Kennzeichen in m ühe
voller, peinlich genauer K lein arbeit ana
lysiert und so die Grundlage für solche Vergleichungen geschaffen. Denn nur dann, wenn man Angehörige der gleichen A rt (des gleichen Formenkreises) zur V ergleichung benu tzt, kann man den F ak to r der inneren Veranlagung für größere oder geringere Ausm aße ausschalten.
Der gleiche G enotypus zeigt sich unter dem E influß der verschiedenen U m w elt in verschiedenen phäno
typischen Ausprägungen.
Diese B e z ie h u n g e n d e r Größenverhältnisse zu d e n U m w e lt f a k t o r e n w u r d e n z u e r s t v o n C a r l B e r g m a n n 1847 a u f G r u n d p h y s io lo g is c h e r Ü b e r le g u n g e n e n t d e c k t ; 30 J a h r e s p ä t e r f a n d J . A . A l l e n , o h n e v o n B e r g m a n n s V e r ö ff e n t lic h u n g e t w a s z u w is s e n , d ie g le ic h e R e g e lm ä ß ig k e it h e r a u s . A b e r e r s t in n e u e s te r Z e it f a n d sie w ie d e r a l l g e m e in e r e B e a c h t u n g , n a c h d e m H . v . B o e t t i c h e r 1 9 1 5 e r n e u t d a r a u f h in g e w ie s e n u n d sie m it z a h l
re ic h e n B e is p ie le n b e le g t h a t t e . S e it d e m i s t d ie BER G M AN N sche R e g e l v o n K l a t t , S t r e s e m a n n , R e n s c h u. a . w e it e r g e s t ü t z t u n d z u m G e g e n s t ä n d e v o n E r ö r t e r u n g e n g e m a c h t w o r d e n .
W as für eine B edeutung h at nun die G rößen
zunahm e nach kälteren und die Größenabnahm e nach wärm eren Gegenden für die eigenwarmen Tiere ? D ie T atsache, daß w ir die Erscheinung unter den Lufttieren nur bei Eigenwarm en finden, Schädel von Potamochoerus larvatus somaliensis (stark ausgezogen);
darüber gezeichnet Umrisse des Schädels von P. I. choeropotamus aus Bussu nördl. vom Victoria Nyanza, im gleichen Maßstab. Schädel
nach O . d e Be a u x, Zool. Jahrb. 4 7 (Syst.), Taf. 5.