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Stahl und Eisen, Jg. 21, No.23

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Die Zeitschrift erscheint in halbmonatlichen Heften.

Abonnementspreis

für

Nichtvereins­

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2 4 M a r k jährlich excl. Porto.

STAHL m i m

ZEITSCHRIFT

Insertionspreis 4 0 Pf.

für die zweigespaltene

Petitzeile, bei Jahresinserat

angemessener Rabatt.

FÜR DAS DEUTSCHE EISENHÜTTENWESEN.

R e d i g i r t v o n

Ingenieur E. S c h rö d te r, un<i Generalsecretär Dr. W . B e u m e r,

Geschäftsführer des Vereins deutscher Eisenhüttenleute, Geschäftsführer der Nordwestlichen Gruppe des Vereint deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller,

für den technischen Theil für den wirthschafllichen Theil.

Commissions-Verlag von A. B a g e l in Düsseldorf!.

Nr. 23. 1. Dccember 1901. 21, Jahrgang.

Der Deutsche Handelstaa’ und die industriellen Interessen.

u f die verschiedenen in der Presse und in Handelsvertretungen erhobenen B e­

schwerden über das geschäftliche V er­

fahren in der Vollversammlung des Deutschen Haudelstags am 30. September hat dessen Geschäftsführung in der von ihr heraus­

gegebenen Zeitschrift „ H a n d e l u n d G e w e r b e “ Seite 2 und 27 sich vertlieidigt. Neuerdings ist auch das Protokoll der betreffenden Sitzung versandt und mit Hülfe desselben können wir den Gegenstand endlich etwas genauer beleuchten, als bis dahin auf Grund der nicht überall genauen und ausreichenden Prefsnotizen m öglich war.

Die Geschäftsführung des Handelstags ver- theidigt sich gegen den V orw u rf, „dafs unzu­

lässigerweise nach der Abstimmung über den mit Majorität angenommenen Antrag von Pfister- Miinclien auch noch über den Antrag des Aus­

schusses abgestimmt worden sei“ , wie fo lg t:

„G anz abgesehen davon, ob überhaupt im vorliegenden Fall parlamentarische Regeln verletzt sind, ist jener V orw urf nicht als stich­

haltig anzuerkennen. Ueber das Verfahren in der Vollversammlung des Deutschen Handels­

tags entscheidet a l l e i n d i e S a t z u n g d e s D e u t s c h e n H a n d e l s t a g s , s e i n e G e ­ s c h ä f t s o r d n u n g und d i e V o l l v e r s a m m ­ l u n g s e l b s t . Parlamentarische Regeln g e l t e n in ihr n u r s o w e i t , a l s d i e V o l l

V e r s a m m ­

l u n g e s f ü r r i c h t i g h ä l t . Von ihnen abzuweichen, kann in manchen Fällen zweck- mäfsig sein, was seine innere Begründung dafs die Beschlüsse des P arla- darin findet,

ments in der XXIII.»

R egel den häufig zu gesetz­

geberischen Thaten führenden — W i l l e n , diejenigen des Deutschen Haudelstags in der Regel die A n s i c h t der Versammlung fest­

stellen sollen .“

Zum B eleg für diese von parlamentarischen Fesseln nicht gebundene Gewalt des Präsidiums wird ein Ausspruch des früheren Präsidenten Delbrück aus 1880 angeführt, der da lautet:

„E s kommt uns darauf an, wom öglich die Meinungen, welche hier herrschen, in allen verschiedenen Niiancirungen festzustellen. W ir haben deshalb häufig anders abgestimmt, als es in parlamentarischen Versammlungen zu geschehen pflegt.“

Unseres Dafürhaltens sollten bei einer Cor­

poration. die für ihre Verhandlungen eine so souveräne Autorität in Anspruch nimmt, bezüg­

lich der Kapitalfragen „ W ille “ und „A nsichten“

nicht soweit in Widerspruch treten dürfen, dafs ein Boschlufs, der 20 Minuten vorher mit ab­

soluter Majorität gefafst w ar, sofort mit noch gröfserer Majorität über den Haufen geworfen und in sein Gegentheil verkehrt werden kann.

Aber wir wollen einmal annehmen, dafs es für eine Versammlung, die doch nur zu b e g u t a c h t e n und nicht zu b e s c l i l i e f s e n hat, gelegentlich von Interesse sein kann, festzustelleu, wie sich die Mitglieder zu allen vorliegenden Anträgen verhalten, also .gewissermafsen die Interessenten zu zä h len , statt ihre Gründe zu wägen — jedenfalls wäre es nöthig gewesen, da über den Modus der Abstimmung weitläufig debattirt worden war, dafs es v o r d e r e r s t e n A b s t i m m u n g hätte ausgesprochen werden müssen, wenn von

t

(2)

1274 Stahl und Eisen. D er Deutsche H andelstag und die industriellen Interessen. 1. D ecem ber 1901.

den parlamentarischen Regeln wieder abgewichen werden sollte. Dafs aber erst, nachdem — für den Ausscliufs offenbar sehr unerwartet — der Antrag- Pfister, d e r dem A n t r a g d e r r h e i ­ n i s c h - w e s t f ä l i s c h e n H a n d e l s k a m m e r n s e h r v i e l n ä h e r s t a n d a l s d e m d e s A u s ­ s c h u s s e s , die absolute Majorität erlangt hatte, der Ausscliufs sicli auf die Praxis seines früheren Präsidenten Delbrück besann, die Versammlung in ihrer Majorität dem zustimmte und der Herr Präsident die von ihm bereits verkündigte An­

nahme des Antrages Pfister stillschweigend über­

bieten liefs — das war ein Verfahren, welches im mindesten a b n o r m genannt zu werden ver­

dient und bew eist, wie fest der „A usschufs“

seine Leute und die Majorität in der Hand hat.

Dazu mufs bemerkt werden, dafs es gerade derartige „A bnorm itäten“ in der Handhabung der Statuten und der Präsidialgewalt waren, welche zur Zeit des verstorbenen Hrn. Delbrück eine Reihe von Handelskammern die Zugehörig­

keit zum Handelstag als nicht mehr erträglich empfinden und der Industrie die Begründung des C e n t r a l v e r b a n d e s d e u t s c h e r I n d u s t r i e l l e r zum Schutz ihrer Interessen gegen die Nüan- cirungen des Handelstags angezeigt erscheinen liefs. W enn dieselben im Laufe der Jahre wieder eingetreten sind, so geschah das nicht etwa im Gefühle der Schutz- und Vertretungsbedürftigkeit, sondern auf mehrfache und dringende Anregung des Handelstages und um den Anschein zu ver­

meiden, als ob zwischen Industrie und effectivem Waarenhandel einerseits und dem Handelstag andererseits gar keine Interessengemeinschaft mehr vorhanden sei, aber auch um Uebergriffen begegnen zu können. Im vorliegenden Fall ist der Gedanke aber doch gewifs schwer abzuweisen, dafs, wenn der Antrag des Ausschusses an erster Stelle mit 228 Stimmen gegen den Bochumer mit 65 Stimmen angenommen worden wäre, die parla­

mentarische „N üance“ einer zweiten Majorität schwerlich mehr beliebt worden wäre.

A u f den zweiten V orwurf, dafs „ d u r c h d i e A n n a h m e d e s A u s s c h u f s a n t r a g e s , d i e g e g e n d e n P r o t e s t v o n 3 4 . H a n d e l s ­ k a m m e r n e r f o l g t s e i , d e r H a n d e l s t a g s i c h a l s I n d u s t r i e g e g n e r e r w i e s e n h a b e , w ä h r e n d j e n e H a n d e l s k a m m e r n ( B o c h u m u n d G e n o s s e n ) d i e A n s i c h t d e r g a n z e n d e u t s c h e n I n d u s t r i e z u m A u s d r u c k g e b r a c h t h ä t t e n , wird erw idert, dafs es nicht 34 Handelskammern, sondern nur 16 Han­

delskammern und Vereine gewesen seien , die sich gegen den Ausschufs ausgesprochen hätten.

Das ist nach dem uns erst am 25. October 1901 zngegangenen Protokoll formell zutreffend, es waren nicht 34 H a n d elsk a m m ern , sondern nur 34 S t i m m e n von Handelskammern und Vereinen, w’elche den 228 S t i m m e n f ü r den Ausschufs- antrag entgegenstanden, der Irrthum beruht auf

einem offenbaren Schreibfehler eines bereits am 1. October ausgegebenen Prefsberichtes. Dieser Irrthum ist ebenso verzeihlich, wie sachlich un­

erheblich und seine Correctur ist für unsere Beweisführung geradezu vortheilliaft. Sachlich begreiflich w ar er, w eil das Protokoll in der Abstimmungsliste zeigt, dafs aufser jenen 16 Handelskammern und Vereinen nocli 25 der erschienenen Corporationen nicht mehr mit­

gestimmt haben. Das konnte der Reporter nicht wissen. Jedenfalls ist das „Gesammt- ergebnifs“ , wie es die A b s t i m m u n g s l i s t e aufweist, wonach f ü r den Ausscliufsantrag 228, g e g e n d e n s e l b e n keine, und nur 16 Corpora­

tionen mit 34 Stimmen sich nur der Stimme ent­

halten haben, weder den T h a t s a c h e n , noch den e i g e n e n A n g a b e n auf Seite 63 des P rotokolls entsprechend. Dort wird ausdrück­

lich anerkannt, d a f s 34 S t i m m e n s i c h me i s t u n t e r ' P r o t e s t e r k l ä r u n g d e r S t i m m e e n t h a l t e n h a b e n ! Gleichzeitig freilich wird unbegreiflicherweise hinzngesetzt, dafs „ m i t N e i n n i e m a n d “ gestimmt habe! Gegen­

über dieser haarspaltenden „N üance“ überlassen wir es jedem, der Lust und Zeit dazu hat, darüber nachzudenken, wie sich das Votum

„ n e i n “ von dem Votum „ i c h p r o t e s t i r e “ -in diesem Falle unterscheidet, bezw. welches die schärfere Verurtheilung enthält, und ob die Behauptung vertretbar ist, dafs g e g e n den Ausschufsantrag k e i n e Stimme abgegeben sei.

Nun aber hatten wir für unsere Behauptung,

„ d a f s d e r H a n d e l s t a g h e u t e e b e n ­ s o w e n i g w i e v o r 23 J a h r e n e i n R e c h t h a b e u n d b e r u f e n s e i , a l s I n t e r e s s e n ­ v e r t r e t u n g a u c h d e r d e u t s c h e n I n ­ d u s t r i e a n g e s e h e n zu w e r d e n , “ nur gesagt:

„D ie Beschlüsse des Central verbandes deutscher Industrieller und die der Eisen­

industrie haben sich ebenso wie die Kund­

gebungen der zu Essen vereinigten Handels­

kammern in einem sehr bedeutenden und grundsätzlichen Gegensatz gegenüber dem Votum des Ausschusses des Deutschen Handels- tags befunden.“

Für diese Behauptung giebt es doch gar keinen durchschlagenderen Beweis als die That- sache, dafs von 260 Stimmen 228 sich fü r den F r e i h a n d e l erklärten, der durch Annahme des Ausschufsantrages mit überwältigender Majorität abermals feierlich zum Leitm otiv des Handels­

tages proklamirt wurde, und dafs gegen dieses, mit den industriellen Interessen Deutschlands unvereinbare Princip nur 3 4 Stimmen daselbst einzntreten den Muth hatten. Das aber war das, was wir beweisen wollten, denn dies Votum des Handelstages über das Zolltarifgesetz ist in der That ein offensichtlicher, erneuter V or­

stofs zu Gunsten des Freihandels, der ja in

dem Abschlufs der Handelsverträge von 1891

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1. D ecem ber 1901. D er Deutsche H andelstag und die industriellen Interessen. Stahl und Ei.sen. 1275

einen Sieg erfochten hatte, indem der Z oll auf Getreide von 5 auf 3,50 d t ermäfsigt wurde, nachdem schon vorher der von Bismarck ge­

forderte Satz von 6 auf 5 d t herabgedrückt worden war. Bismarck hat bekanntlich diese Er- mäfsigung der Getreidezölle, über welche die Seestädte und der Freihandel jubelten, fü r e i n e n s c h w e r e n F e h l e r erklärt, und da er selbst den Satz von 6 d é für Roggen und W eizen s. Zt.

gefordert, würde er heute selbst den Minimal­

zoll von 5 und 5,50 d i für Roggen, W eizen und Hafer keinenfalls zu hoch finden.

Der Handelstagsausschufs dagegen präcisirt in der zum Beschlufs erhobenen Resolution seine Bedenken gegen den Z ollta rif wie fo lg t:

„S ie (d. h. die Bedenken) beruhen darauf, dafs eine solche Zollerhöhung als schweres Hindernifs für den Abschlufs von Handels­

verträgen zu betrachten ist, dafs die weite­

sten und namentlich die minder bemittelten Kreise der Bevölkerung durch eine V e r - t h e u e r u n g d e r L e b e n s m i t t e l betroffen werden, dafs hieraus eine Schwächung der K aufkraft für industrielle Erzeugnisse ent­

steht, und dafs eine durch jen e Vertheuerung h e r v o r g e r u f e n e S t e i g e r u n g d e r A r b e i t s ­ l ö h n e den W ettbew erb der Deutschen mit der ausländischen Gewerbethätigkeit erschweren würde. Im Interesse einer gesunden Aus­

gestaltung unserer Zollpolitik und der F ort­

führung unserer segensreichen b i s h e r i g e n Handelsvertragspolitik spricht der D e u t s c h e H a n d e l s t a g d e n d r i n g e n d e n W u n s c h a u s , d a f s d i e L e b e n s m i t t e l z ö l l e d e s T a r i f e n t w u r f s e i n e w e s e n t l i c h e E r - m ä f s i g u n g e r f a h r e n . “

Nun enthält aber der Entw urf sonderbarer­

weise ü b e r h a u p t g a r k e i n e Z o l l s ä t z e , welche d ie R e g i e r u n g v o n d e r E i n f u h r aus d e n V e r t r a g s s t a a t e n erheben w ill, sondern nur Kam pfzölle, mit denen die Einfuhr aus den­

jenigen Staaten bis zur Prohibition belastet werden soll, die sich mit uns ü b e r v e r s t ä n d i g e Z o l l s ä t z e und e h r l i c h e V e r t r ä g e nicht e i n i g e n w o l l e n . W ir haben das Bediirfnifs und den gerechtfertigten W unsch, die Zölle, die wir dem Auslande bezahlen, und die es uns bezahlen mufs, für längere Zeit soweit festzu­

legen, dafs nicht durch einseitige willkürliche Verändenmgen derselben plötzliche Schwankungen in die Preise getragen werden können, die unseren Finanzen, unserem W aarenhandel, unserer P ro­

duction und dem Consum gleich nachtheilig sind.

W e r uns derartige Verträge nicht zugestehen will, demgegenüber müssen und wollen wir die im Zolltarifentw urf aufgeführten Sätze als K a m p f ­ z ö l l e solange anwenden, bis wir die nöthige Festigkeit und Regelmäfsigkeit im Handel und Verkehr auch mit. diesen Völkern erzielt haben

würden. Das ist der Sinn des Gesetzentwurfs und des Zolltarifs. Von positiven Zollsätzen, die für unsere künftigen Handelsverträge in Aussicht genommen sind, ist (abgesehen von den allgemein angefochtenen Minimalsätzen für Ge­

treide) in dem E ntw urf gar nicht die Rede, und kann nicht die Rede sein. Unsere Regierung kann solche gar nicht allein festsetzen, sie hängen von den zukünftigen Vertragsverhand­

lungen ab. Und so stellt sich heraus, dafs der Ausschufs des Haudelstages die noch gar nicht feststehenden V e r ' t r a g s z o l l s ä t z e für L e b e n s ­ m i t t e l „zw a r nicht kennt, aber doch m ifsbilligt“

und deshalb die Herabsetzung der K a m p f z ö l l o fordert! Eine wunderliche Sache!

Da man bei den mafsgebenden P ersönlich­

keiten des Handelstags eine so sommerliche L ogik nicht gewohnt ist, sucht man naturgemäfs nach einer anderen Erklärung, und wir finden, wie angedeutet, dieselbe darin, dafs auch je tz t das radicale Freihandelsprincip den Curs des sogenannten Handelsvertragsvereins wie auch des Deutschen llandelstages bestimmt, welches ein Todfeind des Schutzzolls ist, auf welchen die deutsche Industrie der Handels- und Zollpolitik der anderen Industriestaaten gegenüber absolut nicht verzichten kann. Denn aus der Aufhebung der Zölle ergäbe sich mit tödlicher Sicherheit ein Sinken der meisten Preise für Production und Handel und daraus mit gleicher Nothwendig- keit das Princip b i l l i g s t e r L ö h n e und ä r m ­ l i c h s t e r L e b e n s h a l t u n g d e r h a n d a r b e i t e n ­ d e n K l a s s e n i n L a n d w i r t h s c h a f t u n d I n d u s t r i e . Im Anfang der 7 0 e r Jahre war man diesem Idol bereits sehr nahe, 1 8 7 3 /7 4 b e­

gann der Kam pf um die Eisenzölle, deren Fall die rheinisch - westfälische Eisenindustrie zu ruiniren drohte — der Deutsche Handelstag ver­

weigerte nicht nur für dieselben einzutreten, sondern sogar über dieselben zu verhandeln, und w er weifs, was geschehen wäre, wenn nicht das klare Auge und die mächtige Hand des Fürsten Bismarck den Jammer erkannt und durch W i e d e r ­ e i n f ü h r u n g „ m ä f s i g e r Z ö l l e z u m S c h u t z d e r n a t i o n a l e n A r b e i t “ abgestellt hätte. Die Eisenzölle von 1879 erwiesen sich im ganzen als ausreichend, sie haben erhebliche Verände­

rungen nicht erfahren und unter ihrem Schutze haben w ir unsere Eisen- und Stahlproduction v e r s e c h s f a c h t , England in quanto beinahe erreicht und stehen ihm in der Qualität in sehr wesentlichen Branchen schon längere Zeit nicht mehr nach.

Die Landwirthschaft dagegen hat seit 1879

schwere Jahre gehabt. Der Getreidezoll von

1 d t in 1879 wurde bald verdreifacht, dann

verfünffacht, 1891 unter der Aera Caprivi aber

wieder auf 3,50 -M reducirt und je tz t lassen

die Preise für landwirthschaftliche Producte bei

der derzeitigen Betriebsweise und der seit 30 Jahren

(4)

1276 Stahl und Eisen. D er Deutsche H andelstag und die industriellen Interessen. 1. D ecem ber 1901.

durch die Verbilligung des Transportes zu Lande und zu W asser überaus verschärften

C o n c u r r e n t

des Auslandes so wenig Rente übrig, dafs wir für etwa zw ei Milliarden la n d w irtsch a ftlich e Producte alljährlich einführen müssen, dafs die L a n d w ir te vielfach Noth leiden, keine Maschinen und keinen künstlichen Dünger für intensiven Betrieb mehr kaufen und keine Arbeitskräfte mehr bezahlen und halten können. Das sind ungesunde Verhältnisse. Der „ a l t e C u r s “ der nationalen Zoll- und Handelspolitik suchte dem abzuhelfen durch E r h ö h u n g des Zollschutzes gegen das Ausland, V e r b e s s e r u n g d e r T r a n s ­ p o r t g e l e g e n h e i t e n zu Lande und zu W asser im Inlande und durch Beschaffung b i l l i g e n G e l d e s ; dadurch Ermöglichung l o h n e n d e r Preise für die Producenten und a u s k ö m m ­ l i c h e r Löhne für die Arbeiter.

Berufene Vertreter der Industrie haben auf dem Handelstage, in dem Centralverband, sowie den Generalversammlungen des Eisen- und Stahl­

vereins sich klar und deutlich fü r den Regierungs- entwurf ausgesprochen, ganz besonders erklärt :

„E ine mäfsige Erhöhung der Zollsätze auf G e t r e i d e und a u f a n d e r e l a n d w i r t ­ s c h a f t l i c h e P r o d u c t e kann vom Standpunkt der L a n d w irts ch a ft a ls n o t l i w e n d i g und vom Standpunkte der Verbraucher a l s z u ­ l ä s s i g erachtet werden.“

Damit haben sie sicli bereit erklärt, im allgemeinen Interesse die durch die Zölle etwa verursachte Steigerung der Lebensmittel und der Löhne auf sich zu nehmen, welche der F rei­

handel vermeiden will.

Ich glaube, die blofse Gegenüberstellung dieser beiden Anträge liefert einen Beweis dafür, dafs w ir es bei dieser Action des Handelstags nicht mit unbedeutenden vorübergehenden und überbriiekbaren Meinungsverschiedenheiten, son­

dern abermals mit einer neuen Etappe in jenem Kampfe der Interessen heimischer Production und des reellen W aarenhandels mit denen des Spekulantenthums zu thun haben, der im gewöhn­

lichen Leben als der K am pf zwischen Freihandel und Schutzzoll bezeichnet wird, richtiger aber als der nationaler Production und A rbeit gegen das internationale Spekulantenkapital genannt werden müfste.

In diesem K am pf haben niederrheinisch- westfälische Handelskammern und industrielle Vereine es für ihre Pflicht, gehalten, für die Interessen der heimischen Production und des dieselbe ergänzenden effective# Waarenhandels in allererster Linie einzutreten. Es ist schon oft darauf hingewiesen worden, dafs die üble L age der L a n d w irtsch a ft die sehr bedenkliche ! Folge für die deutsche V o lk sw irtsch a ft hat., :

dafs etwa zw ei Milliarden Mark jährlich für Nahrungsmittel und sonstige Producte der Land­

w ir ts c h a ft ans Ausland gezahlt werden, welche zum grofsen T heil im Inland gezogen werden könnten und mülsten. W ir glauben, dafs dieser für K riegsfälle überaus gefährliche und stets sehr kostspielige Zustand nur dadurch gehoben oder gemildert werden kann, dafs wir Sorge tragen für eine Steigerung der Preise für land­

w irtsch a ftlich e Producte, die den Betrieb der­

selben wieder lohnend machen und ihr aus­

reichende Löhne für ihre Arbeiter zu zahlen ermöglicht. D e r H a n d e l s t a g i s t l a u t o b i g e r K u n d g e b u n g e n t g e g e n g e s e t z t e r M e i n u n g , er w ill billige Preise, billige Löhne — und würde damit schliefslich auch „b illig e “ Arbeit und schlechte Verhältnisse herbeiführen.

Das Beispiel Englands, welches seine Land­

w ir t s c h a ft durch eben diesen Freihandel ruinirt und vernichtet hat, sollte doch auch den K urz­

sichtigsten belehrt haben, dafs dieser W e g ein V olk in die schlimmste Abhängigkeit führt, die es giebt, die vom G o l d h u n g e r de s S p e k u ­ l a n t e n t h u m s , der alle die häfslichen V erhält­

nisse erzeugt, iind alle die schlimmen Dingo im G efolge hat, die wir seit Jahren in England so widerwärtig zur Schande vor Gott und den Menschen sich entwickeln sehen.

Auch die schwere Niederlage, welche die scrupelloseste Gesellschaft von Geldfürsten — der Tammanv-Ring in N ew Y ork, in diesen Tagen zur Freude und zum T rost aller ehrlichen Leute erfahren hat, zeigt, dafs das amerikanische V olk

! es mlide ist, sich von diesem „Freihandelsring“

und seiner goldenen Knute w eiter knechten zu

j lassen.

W ir denken deshalb an unserer 30jährigen Tradition festzuhalten und allen Bestrebungen uns zu versagen, die, wenn auch anfangs viel­

leicht unmerkbar, von derselben ablenken. Zu einer „F eindschaft“ , gegen welche die Geschäfts­

führung des Handelstags sich glanbt verwahren zu sollen, braucht das nicht zu führen. W ir wenigstens werden uns im

G e g e n t e i l

bemühen, durch W ahrung der litterarischen und gesell­

schaftlichen Verkehrsformen, sowie durch ein­

wandfreie und unparteiische Behandlung von Thatsachen und Geschehnissen die unerläfsliche Voraussetzung dafür aufrecht erhalten zu helfen, dafs unsere tiefgehende grundsätzliche Interessen- und Meinungsverschiedenheit in w irtsch a ftlich en Fragen nicht die Grenze einer offenen und ehr­

lichen G e g n e r s c h a ft überschreite. Aber aller­

dings die Berechtigung, als V ertreter unserer industriellen Interessen sich zu fühlen oder gar als solcher mit Behörden zu verhandeln, die können w ir dem Handelstag heute ebensowenig

wie bisher einränmen.

Bi.

(5)

1. D eceinber i9 0 i . (Jeher Störungen im llochöfengariQ. Stahl und Eisen. 1277

Ueber Störungen im Ilocliofeiigaiig.

V o n

Bernhard Osann.

W a s w ir v o n den V o r g ä n g e n im H o c h o fe n w is s e n , is t w e n ig . D a s , w a s a us den S t ic li- lö c h e n i fü r R o h e is e n u n d S c h la c k e h e fa u s flie fs t u nd d ie G a s e , d ie a us d e r G ic h tö ffn u n g e n t­

w e ic h e n , s in d fü r d ie A r b e it des C h em ik ers z u ­ g ä n g l i c h ; a b e r n u r in s o w e it , a ls e r d ie Z u ­ s a m m e n s e tz u n g , s o w ie s ie is t, n a c h w e is e n k a n n . W ie s ie z u s ta n d e g e k o m m e n , und w a ru m s ie so und n ic h t a n d e rs is t — da s zu e n ts ch e id e n , b le ib t zu m g r o fs e n T h e il ein G e b ie t d e r H y p o th e s e .

D a s In n e r e a u s g e b la s e n e r H o c h ö fe n le h r t j a E in ig e s , auch d a s A n b o h r e n und d ie G a s ­

u n te r s u c h u n g b e i ein em im B e t r ie b e b e fin d lich e n H o c h o fe n . D o c h g e b e n d ie s e E in b lic k e w ie d e r u m n eu e R ä t h s e l a u f, w e il d e r Z u s a m m e n h a n g d er E r s c h e in u n g e n n ic h t im W e r d e g a n g d es R o h ­ e is e n s v e r f o lg t w e rd e n k a n n . D a s le t z t g e n a n n t e H iilfs m itte l is t a u ch d e s h a lb n ic h t z u v e r lä s s ig , w e il d ie G a s z u s a m m e n s e t z u n g im H o c h o fe n ­ q u e r s c h n itt u n d z u v e r s c h ie d e n e n Z e ite n ein e s e h r v e r s c h ie d e n e is t.

D e r H o c h o fe n p r o c e fs s te h t h ie r im G e g e n ­ s a tz zu v ie le n a n d e r e n V o r g ä n g e n d e r E is e n - h ü t t e n t e c h n ik , d ie , du rch s o r g f ä lt ig e , in den k le in s te n Z e itr ä u m e n a u fe in a n d e r f o lg e n d e D ia ­ g ra m m e g e k e n n z e ic h n e t , o ffe n k u n d ig v o r uns lie g e n . N ic h ts is t c h a r a k t e r is t is c h e r fü r das D u n k e l, d a s ü b e r d ie V o r g ä n g e im H o ch o fe n h e r r s c h t , a ls d ie M e in u n g s v e r s c h ie d e n h e ite n , die zu T a g e tr e te n , s o b a ld z w e i H o c h o fe n le u t e ih r e A n s ic h t e n ü b e r R e d u c t io n s v o r g ä n g e , G ic h te n ­ h ä n g e n u. s. w . a u s ta u s ch e n . A ls 1 8 9 2 d ie b e id e n a u fs e r o r d e n tlic h le h r r e ic h e n v a n V l o t e n - s ch e n A u f s ä t z e * ü b e r G ic h te n h ä n g e n e r s ch ie n e n und d ie R e d a c t io n d ie s e r Z e it s c h r ift b e r e it ­ w illig s t ih r e S p a lte n ö ffn e te , um a u ch a n d e re E r k lä r u n g s v e r s u c h e b e k a n n t zu g e b e n , t r a t d ies d e u tlic h zu T a g e . A u c h d a s , w a s aus den V e r h a n d lu n g e n u n d V e r ö ffe n tlic h u n g e n A m e r ik a s und E n g la n d s b e k a n n t w ir d , k a n n d ies en E in ­ d r u c k b e s tä tig e n .

D ie fo lg e n d e n A u s fü h r u n g e n b e fa s s e n sich m it V o r g ä n g e n , d ie in ih r e r W i r k u n g in n ig m it dem B e t r ie b e u n d s e in e n E r g e b n is s e n v e r k n ü p ft s in d ; ic h e rh o ffe d a h e r a u ch das In te r e s s e d e r F a c h g e n o s s e n , d e re n A n s ic h t e n n ic h t m it den m e in ig e n ü b erein s tin im en .

Z u n ä c h s t w ill ic h d en H o c h o fe n p r o c e fs k u rz d a r s t e lle n , w ie er n o rm a l v e r lä u ft , d. h . so v e r ­ lä u ft, w ie es u n s e re L e h r b ü c h e r d a r s t e lle n :

Im G e s t e ll v e r b r e n n t d e r K o h le n s t o f f g r ö f s t e n - th e ils z u K o h le n o x y d , in d e m e r th e ils d en S a u e r-

* „S ta h l und E isen“ 1892, S. 114 und 467.

S toff d e r O x y d e , th e ils den d e r G e b lä s e lu ft a u f­

n im m t. D ie e n ts te h e n d e K o h le n s ä u r e k a n n sich w e g e n ih re s Z e r s e t z u n g s b e s tr e b e n s , d a s, b e i 1 2 0 0 0 b e g in n e n d , m it d e r T e m p e r a t u r s t e ig t , m itten z w is c h e n dem w e ils g lü h e n d e n K o h le n s t o f f n ich t a u f die D a u e r b eh a u p ten und w ir d in K o h le n ­ o x y d v e r w a n d e lt . D a s g e b ild e t e K o h le n o x y d s t e ig t e m p o r « n d n im m t ein en T h e il des E r z ­ s a u e rs to ffs u n te r B ild u n g v o n K o h le n s ä u r e a u f.

D ie s e V o r g ä n g e fü h re n zu den B e z e ic h n u n g e n

„ d i r e c t e “ und in d ir e c t e R e d u c t io n , d ie e rs te r e fü r h o h e , d ie le t z t e r e fü r n ie d r ig e H o c h o fe n ­ te m p e ra tu re n , w a s e in le u c h te n d ist im H in b lic k a u f d a s o b e n e r w ä h n t e V e r h a lte n d e r K o h le n ­ s ä u re in h oh en T e m p e r a t u r e n u n d d ie E r s c h e in u n g , d a fs fe s t e r K o h le n s t o f f n u r g e r in g e R e d u c t io n s - k r a ft , K o h le n o x y d d a g e g e n s e h r s ta r k e a u ch in n ie d r ig e n T e m p e r a t u r e n a u s ü b t. M an b e g e h t k e in en F e h le r , w e n n m an d ie d ir e c te R e d u c tio n e in fa c h d u rch d ie F o r m e l

1) H O -j-.C — l i 4- CO e r k lä r t , o b w o h l a u ch

2 R O + C = 2 E + C 0 3

stattfindet.

D a d ie e n ts ta n d e n e K o h le n s ä u r e w ie d e r z e r l e g t w ir d ,

2) COa + C — 2 C 0

s o k o m m t es a u f ein u n d d a s s e lb e h in a u s, ob m an s c h r e ib t

2 R O + 2 C = l i ü - f 2 CO o d e r 2 R 0 + C + C — K , + C G , + C

= R . - f 2 C O a ls o 2 ( R O f C) = 2 . ( R + C O )

D ie F o r m e l d e r in d ir e c te n R e d u c t io n la u t e t : 3) R 0 + C 0 = R -f C 0 2

A u c h d ie a u f d ie s e W e i s e g e b ild e t e K o h le n ­ s ä u re is t n a m e n tlic h in tie fe r e n O fe n z o n e n d e r G e fa h r d e r Z e r s e t z u n g n a c h F o r m e l 2 ) a u s­

g e s e t z t ; fin d et d ie s e s ta tt, s o e n ts te h t w ie d e r d ie F o r m e l d e r d ir e cte n R e d u c t io n

R O + CO + C = R - f C 0 2 + C

= R -t- 2 C 0 = R + CO + CO

R e c h e n s c h a ft d a r ü b e r , w a s e n d g ü lt ig d ir e c t o d e r in d ir e c t r e d u c ir t is t, g e b e n d ie G ic h t g a s e , n a c h ­ dem m an d ie d u rch E r z e und Z u s c h lä g e in d ie G ic h t e in g e fü h r te K o h le n s ä u r e m e n g e a b g e z o g e n h at. V o n dem g e s a m m te n , d u rch R e d u c t io n aus d en O x y d e n e n tfe rn te n S a u e r s to ff is t d e r je n ig e d u rch in d ir e c t e R e d u c t io n e n tfe r n t , d e r in den G ic h t ­ g a s e n a ls 4¡u d e r K o h le n s ä u r e m e n g e e r m itt e lt w i r d ; d e r R e s t is t a u f R e c h n u n g d e r d ir e c te n j R e d u c t io n zu s e tz e n .

(6)

1278 Stahl und Eisen. Ueber Störungen im Hochofengang. I. D ecem ber 1901.

S t e llt m au in don F o r m e ln F e O + C = F e + . C 0 u n d F e O + - C O = F e + C O *

d ie Z e r le g u n g s w a r m e d es F e 0 a ls A u s g a b e a u f d ie lin k e , u n d d ie V e r b r e n n u n g s w ä r m e m e n g e d es K o h le n s to ffs b e z w . K o h le n o x y d s a ls E in n a h m e a u f d ie r e c h t e S e ite , so fin d et sich b e i d er e rs te n F o r m e l ein e U n te r b ila n z v o n 3 8 3 6 W . - E . , b e i d e r z w e it e n e in e s o lc h e v o n n u r 7 0 2 W . - E . fü r 1 k g v e r b r a n n te n K o h le n s to ffs . D ie s e U n te r­

b ila n z m u fs d u rch e in e a u fs e r h a lb d es R e d u c t io n s - v o r g a n g e s s te h e n d e W ä r m e q u e lle a u s g e g lic h e n w e r d e n .

S t e llt m an d ie F o r m e ln f ü r E is e n o x y d an S t e lle des E is e n o x y d u ls , so e r g e b e n s ich 3 1 1 4 W . - E . in d e r e rs te n F o r m e l a ls A u s f a l l , in d e r z w e it e n d a g e g e n ein G e w in n v on 2 0 W . - E .

D a in u n s e re n H o c h ö fe n E is e n o x y d e w e ita u s v o r h e r r s c h e n , is t d e r F e h le r n ic h t g r o f s , w en n m an b e h a u p te t, d a fs d ie in d ir e c t e R e d u c t io n o h n e b e ­ s o n d e re n W ä r m e b e d a r f von a u fsen h e r v o r s ic h g e h t.

Z u den o b e n g e n a n n te n V o r g ä n g e n g e s e llt s ich m m n o ch e in e R e a c t io n in o b e re n O fe n ­ z o n e n , n ä m lich d ie Z e r le g u n g d es K o h le n o x y d s in K o h le n s t o ff u n d K o h le n s ä u r e .

4) 2 C O = GOa + C

D ie s e r V o r g a n g v e r m e h r t den K o h le n s ä u r e ­ g e h a lt d e r G a s e . S ein e W ir k u n g is t d ie d e r in d ir e c te n R e d u c t io n in B e z u g a u f Iv o h le n s to ff- e r s p a r n if s ; d en n es is t g le ic h b e d e u te n d , ob

F e 0 + CO + C = F e + C 0 2 + C o d e r F e O + CO + C = Fe + 2 C O

= F e + C O » + C g e s c h r ie b e n w ir d .

W i r k ö n n e n d ie s e E r s c h e in u n g n ic h t g e ­ n ü g e n d e r k lä r e n ; n u r w is s e n w ir aus E x p e r i­

m e n ten , d a fs sie in T e m p e r a tu r e n u n ter 3 0 0 ° k a u m , in T e m p e r a tu r e n v o n 3 0 0 b is 4 0 0 ° s eh r s ta r k u n d v o n d a w ie d e r a b n eh m en d a u f t r it t ; m ö g lic h e r w e is e b e s te h t s ie a u c h in R o t h g lu th ( 5 0 0 b is 7 0 0 " ) , w e n n a u ch s c h w a c h , w a h r ­ s c h e in lic h b e i s eh r h o h e m K o h le n o x y d g e h a lt d er G a s e .* F e r n e r w is s e n w ir , d a fs d ie G e g e n w a r t v on E is e n o x y d e n u n erlä sslich , is t. D ie E r k lä r u n g a u f G ru n d w e c h s e ls e it ig e n E in w ir k e n s v o n diesen a u f K o h le n o x y d lie g t n a h e , m u fs a b e r v e r w o r fe n w e r d e n , w e il d ie M e n g e d e r E is e n o x y d e g a r k e in e R o l l e s p ie lt. F e u e r fe s t e S te in e w e rd e n v o lls t ä n d ig v o n g r o fs e n M en g en p u lv e r fö r m ig e n K o h le n s to ffs d u r c h s e tz t , d e r s ich um d ie m in i­

m alen E is e n e in s c h liis s e h eru m a b la g e r t , die w a h r s c h e in lic h in je d e m fe u e r fe s te n T h o n e als U e b e r b le ib s e l v o n S c h w e fe lk ie s zu finden sin d .* *

E ig e n a r t ig is t d ie fe in e V e r t lie ilu n g des K o h le n s to ffs , v a n V I o t e n fü h r t b e k a n n tlic h d a s H ä n g e n d e r G ic h te n a u f d ies K o lile n s t o ff- p u lv e r z u r ü c k * * * u n d b e s c h r e ib t sein V o rk o m m e n im H o c h o fe n . I c h k o m m e a u f d ie s e A n n a h m e n o c h ein m a l z u r ü c k .

Z u n ä c h s t w i l l ich je t z t a u f d ie V e r s c h i e d e n h e i t s e t z u n g d e r G i c h t g a s e

d ie A u fm e r k s a m k e it d e r Z u s a m m e n - u n d d e s B r e n n - w e r t h s d e r s e l b e n le n k e n . I c h g e b e h ie r f o lg e n d e in e Z u s a m m e n s te llu n g v o n A n a ly s e n ­ e r g e b n is s e n , d ie S t ö c k m a n n in s e in e r S c h r ift

„ D i e G a s e d es H o c h o fe n s u n d d e r S ie m e n s ­ g e n e r a to r e n , R u h r o r t , A n d r e a e 1 8 7 6 “ v e r ö ffe n t ­ lic h t h a t. D ie E r g e b n is s e n a c h d em K o k s ­ v e r b r a u c h fü r 1 0 0 k g R o h e is e n g e o r d n e t :

Nr. Ofen - N r .' Roheisengallung

Koka für 100 kü

Roheisen

Gichtgaszusammensetzung Bemerkungen

über den Brennwerth

C02 CO H

1 I I ord. Puddeleisen . . . . 120 12,3 24,5 5,0 0,4 brannten gut

2 II H . . . . 143 10,7 28,1 L7 0,5 1?

3 III graustrahliges Puddeleisen 158 17,1 16,1 0,4 0,6 absolut unbrauchbar

4 II sog. S t a r k e is e n ... 162 5,3 31,0 0,5 0,4 brannten nicht gut (qualmig)

5 11 „ am folg. Tage 162 9,2 ? ? ? „ sehr gut

6 I I I weifsstrahl. Puddeleisen . 165 9,1 28,8 1,6 0,2

7 I I I halbirtes Puddeleisen . . 166 12,2 24,6 1,9 0,05 )> Sut

8 IV graues Bessemereisen Nr. I 170 17,4 19,6 2,4 0,14 w ahrscheinl. unverwendbar

9 tiupferdreh Giefsereieisen Nr. 1 . . . •> 5,5 31,9 0,14 0,8 nur bei K ohlefeuer brennbar 10 Berge-Borb. halbirt s t r a h l i g ... ? 8,8 29,5 0,69 0,5 brannten gut

11 I V ? Schlacke kurz und heifs

( O b e r fe u e r )... ? 18,2 ' 23,1 0 ,9 . 0,5 sog. Sterngas, G icht heifs E in e a n d e re Z u s a m m e n s te llu n g v o n G ic h t g a s ­

a n a ly s e n e in e s H o c h o fe n s , d er a u f F e r r o s ilic iu m , a ls o b e i a u fs e r o r d e n tlic h h oh em K o k s s a t z , b e ­ tr ie b e n w u r d e , f o l g t h i e r :

3/i bis 1 Stunde nach der G ich t:

CO» = 11 7 » , 6,8 °/o, 5,6 °/o, 7 ,6 °/o,

CO

= 2 5 „ 29,8 „

RI,

2 „ 28,8 „

in der Z w isch enzeit:

C Oä = 6,4 °/o, C 0 = 24,0 °/o , 0 = 1 ,2 % .

Z u n ä c h s t f ä l l t a u f , d a fs d ie G a s e v ie lfa c h b e i h ö h e re m K o k s s a t z , g e r a d e e n t g e g e n g e s e t z t d e r S c li lu f s fo lg e r u n g , e in e h o h e K o h le n s ä u r e ­ m e n g e b e i w e n ig K o h le n o x y d z e ig e n . D a s G as d e r A n a ly s e 1 h a t b e i 1 2 0 k g K o k s v e r b r a u c h e in e n v ie l b e s s e r e n B r e n n w e r t h a ls d a s G a s N r. 3 u n d N r . 8 b e i 1 5 8 u n d 1 7 0 k g K o k s v e r b r a u c h .

* D ie Oefen II, I II, IV in Ruhrort (Phönix).

* L e d e b u r , Eisenhüttenkunde, I . A u fl., S. 229.

** V ergl. L ü r m a n n s Aufsatz, Stahl und E isen “ 1898, S. 169.

*** „S tah l und Eisen“ 1892, S. 114 u. f.

(7)

1. D eoem ber 1901. Üeber Storungen im H ochofengang. Stahl und Eisen. 1279

E b e n s o r ä t h s e lh a ft is t b e i den G ic h tg a s e n des F e r r o s ilic iu m - O fen s d e r p lö t z lic h e A b f a l l des K o h le n o x y d g e h a lt e s v on 2 9 b i s '3 1 % a u f 2 5 °/o, d e r oh n e A e n d e r u n g d e r B e t r ie b s v e r h ä lt n is s e e in ­ g e t r e te n ist. O fen I I ( P h ö n ix ) e r g a b an ein em T a g e 5 ,3 °/o K o h le n s ä u r e u n d s c h le c h t b re n n e n d e G a s e , am ä n d e rn T a g e 9 ,3 % K o h le n s ä u r e und s e h r g u t b re n n e n d e G a s e . D ie s e r F a ll f ü g t ein n eu es R ä t h s e l h in z u . Im B e t r ie b e fin d e t man g e r a d e v ie lfa c h n a c h U m se tze n a u f s ilic iu m ­ r e ic h e r e E is e n g a tt u n g e n s c h le c h t e r b re n n e n d e G a s e . „M itu n t e r w e ifs m an n ic h t , w o h in m it dem U e b e r s c h u fs d e r G a s e , und m itu n te r h e r r s c h t w ie d e r g r o f s e r M a n g e l,“ d e r a r t ig e K la g e n k a n n m an v ie lfa c h h ö r e n , a u ch da , w o m an e r n ie d r ig te n K o k s s a t z o d e r h o h e n F e u c h t ig k e it s g e h a lt d er G a s e n ic h t z u r E r k lä r u n g h e ra n z ie h e n k a n n . D ie B e t r ie b s b ü c h e r m it A n g a b e n d e r t ä g lic h v e r ­ b ra n n te n K e s s e lk o h le g e b e n ein u n t r ü g lic h e s B ild ü b e r den B r e n n w e r t h d e r G a s e und s e in e V e r ­ ä n d e ru n g e n .

W o a b e r lie g e n d ie U r s a c h e n ? S t o c k m a n n s c h r e ib t b e i E r ö r t e r u n g d e r A n a ly s e N r . 3 : „M a n s ie h t aus o b ig e r A n a ly s e , d a fs d e r G ru n d , w e s ­ h a lb d ie G a s e n ic h t b r a n n t e n , o ffe n b a r in dem n ie d r ig e n K o h le n o x y d g e h a lt b e r u h t e . D e r a u f­

m e rk sa m e B e o b a c h t e r e r h ä lt a b e r b a ld d ie U e b e r - z e u g u n g , d a fs d e r n ie d r ig e K o h le n o x y d g e h a lt n ic h t im m e r d ie U r s a c h e is t, w e s h a lb d ie G a s e n ic h t b r e n n e n , s o n d e rn d a fs h ie r d e r G ic h tr a u c h e in e b e d e u te n d e R o l l e s p ie lt . S c h o n b e i A n a ly s e (in o b ig e r Z u s a m m e n s te llu n g ) N r . 4 h a b e ic h d a r a u f a u fm e r k sa m g e m a c h t , d a fs d e r B r e n n ­ w e r th d es s ta u b ig e n G a ses ein g a n z v o r z ü g lic h e r , d a fs a b e r d e r H e iz e ffe c t des s ta u b h a ltig e n G a ses ein g e r in g e r w a r . D ie s e E r s c h e in u n g k a n n man je d e s m a l b e o b a c h t e n ; s o w ie sich d e r S ta u b im G a s e m e h r t , b r e n n t d a s s e lb e n ic h t g u t. D e r G ic h ts ta u b w ir k t v e rd ü n n e n d und W ä r m e a b - s o r b ir e n d .“ S t ö c k m a n n s p r i c h t .h i e r e in e A n ­ s ic h t ü b er d ie W ir k u n g des S t a u b g e h a lts aus, d ie z w e if e llo s s e h r v e r b r e it e t ist. I c h k a n n m ich a b e r d e r s e lb e n n ic h t a n s ch lie fs e n u n d z w a r n a ch f o lg e n d e r E r w ä g u n g : N a tu r g e m ä fs d r ü c k t d e r S ta u b d e n B r e n n w e r t h d e r G a s e h e r u n te r , e r m u fs a ls n u t z lo s e r B a lla s t m it den G a sen e rw ä rm t w e r d e n , u n d la g e r t sich da a b , w o e r o f t den V e r b r e n n u n g s p r o c e fs u n d d ie W ä r m e a b g a b e b e ­ e in t r ä c h t ig t . S c h a lt e t m a n den le t z te r e n U m ­ s ta n d d a d u rch a u s, d a fs m an d ie G a s e in ein en g e r e in ig t e n u n d g u t v o r g e w ä r m te n V e r b r e n n u n g s ­ a p p a r a t e in fü h r t, s o b le ib t n u r d e r e r s te F a c t o r ü b r ig . N im m t m an nun e in en h oh en S t a u b g e h a lt d e r G a s e v o r den C o w p e r n o d e r K e s s e ln — sa g en w ir 2 0 g im C u b ik m e te r — a n , s o lä fs t sich d o c h n ic h t e in e b e la n g r e ic h e V e r m in d e r u n g des H e iz w e r t lie s a u f r e c h n e r is c h e m W e g e e n td e c k e n .

B e i ein em R a u m m e t e r g e w ic h t des G a s e s v o n 1 2 8 0 g s te lle n 2 0 g 1 .6 % d a r. D ie s p e c . W ä r m e des G ic h ts ta u b e s is t n ach W e d d i n g (G r u n d r ifs

d e r E is e n h ü tte n k u n d e S. 1 7 1 ) = 0 ,1 7 , a ls o g e ­ r in g e r a ls d e r s e lb e W e r t h b e i K o h le n s ä u r e = 0 ,2 2 . K o h le n s ä u r e is t , e b e n s o w ie G ic h ts ta u b , ein B a lla s t , d e r m it g e s c h le p p t w e r d e n m u fs, d ie b r e n n b a r e n G a s e v e rd ü n n t u n d ein en T h e il fü r sein e E r w ä r m u n g b e a n s p r u ch t. O b ig e 1 ,6 % G ic h t- s ta u b steh en a ls o m it 1 ,6 . 0 \}9 — 1 ,2 °/o (G e -

0 17

w ic h t s t h e ile ) K o h le n s ä u r e in ih r e r n a c h t h e ilig e n W ir k u n g g l e i c h ; das b e d e u te t 0 ,8 ° /° in R a u m - th e ile n .

U n m ö g lic h k a n n ein s o g e r in g e r U n te r ­ s ch ie d d ie H e iz w e r t h v e r m in d e r u n g e n e r k lä r e n , w ie m an s ie o ft e r fä h r t und w ie sie d u rch K o h le n ­ v e r b r a u c h b e i den K e s s e ln b ew erth et, w e rd e n k a n n . Ich b in d e r A n s ic h t , d a fs m an d ie M e n g e des S t a u b e s , d e r sich g e r a d e b e i k a lte n G a sen a ls d ic h t e r Q ualm d a r s t e llt, ü b e r s c h ä tz t und d a fs d e r S ta u b n ic h t U rs a ch e , s o n d e rn B e g le it e r s c h e i­

n u n g i s t ; g e r a d e so w ie ein s ta rk q u a lm e n d e r S c h o r n s t e in n ic h t o h n e w e it e r e s ein en S c h lu fs a u f d ie A r t u n d d en N n tz e ffe c t d e r V e r b r e n n u n g z u lä fs t u n d d ie V e r lu s t e in F o r m v on v e r r a u c h e n ­ d e n , b r e n n b a r e n B e s t a n d t e i l e n v ie lfa c h w e it ü b e r s c h ä tz t w e r d e n .

D ie le u ch te n d e n F u n k e n , d ie m an b e i s c h le c h t b re n n e n d e n G a s e n o ft s te r n s c h n u p p e n a r tig in d ie F e u e r u n g h in e in flie g e n s ie h t, u n d d ie v e r m u t ­ lic h p y r o p h o r is c h e G ic h ts ta u b th e ilc h e n ( v ie lle ic h t m e t a llis c h e s Z in k ) d a r s t e lle n , fin d en sich w a h r ­ s c h e in lic h a u ch in g u t b re n n e n d e n G a s e n , n ur e n tz ie h e n s ie s ic h a u f G ru n d o p t is c h e r E r s c h e i­

n u n g en dem A u g e o d e r w e r d e n so in te n s iv v o m G a s s tr o m e e r f a fs t u n d m itg e r is s e n , d a fs m an sie n ich t sieh t.

M an m ufs d ie U rs a ch e a ls o a n d e r w e it ig s u ch en . E s b le ib t n u r ein g e r in g e r G e b a lt a n b re n n b a re n B e s t a n d t e i l e n ü b r ig o d e r , w e n n d ie A n a ly s e a u s r e ic h e n d e n G e h a lt an s o lc h e n n a c h w e is t, ein b e s t ä n d i g e r W e c h s e l i n d e r Z u s a m m e n ­ s e t z u n g d e s G a s e s . T r iff t le t z t e r e s z u , so m a g d e r D u r c h s c h n it ts g e h a lt d es G a ses e in g a n z n o r ­ m a le r s e in , k om m t a b e r n ic h t z u r G e ltu n g , w e il s ich d ie M e n g e d e r V e r b r e n n u n g s lu ft n ic h t fü r je d e n Z u s ta n d e in s t e lle n lä fs t , g e r a d e w ie b e i e in e r K e s s e lfe u e r u n g , d ie n ic h t g le ic h m ä fs ig m it K o h le b e s c h ic k t w i r d , s on d ern b a ld z u v i e l , b a ld zu w e n ig e r h ä lt. D ie s e r W e c h s e l in d er Z u s a m m e n ­ s e t z u n g d es G a ses b e d in g t w ie d e r u m e in e f o r t ­ g e s e t z t e U n ru h e in d e r V e r b r e n n u n g s k a m m e r , d ie s ich a u f S t a u b t e i l c h e n ü b e r t r ä g t u n d die E r s c h e in u n g e in e r b e d e u te n d e n S ta u b v e r m e h r u n g h e r v o r r u ft . W i r w o lle n uns m it d ie s e r E r s c h e i­

n u n g n o ch e tw a s n ä h e r b e s c h ä f t ig e n :

D a fs d ie G ic h tg a s e in ih r e r Z u s a m m e n s e tz u n g in g a n z k u rz e n Z e iträ u m e n w e c h s e ln , w e ifs J e d e r , d e r G ic h tg a s a n a ly s e n g e m a c h t h a t. D a fs a b e r ein W e c h s e l d e r a r t ig s c h n e ll u n d s t o fs w e is e e r f o lg e n k a n n , w ir d a u f den e rs te n B lic k h in b e fr e m d lic h e rs c h e in e n . Ic h bin a b e r in m ein er

(8)

1280 Stahl und Eisen. Debet• Störungen im Hochofengang. 1. b e ce m b e r 1901.

Ansicht durch die Erscheinung des Puffens der Gase bestärkt, die ich mehrfach beobachtet habe.

Man sali aus den Oeffnungen für die V er­

brennungsluft der Cowper - Apparate in ganz regelm äßigen Zeitabschnitten die Gase puffend herausschlagen, jedesmal an der Spitze der Flamme eine kleine Staubwolke ausstofsend. Die Erscheinung war so rcgelmilfsig, dafs man un­

willkürlich die Uhr zog und einen Vergleich mit der Hubzahl der Gebläsemaschinen anstellte;

natürlich vergeblich. Das Puffen geschah schneller als die Hübe der Maschine. Die Erscheinung fand bei heifsem Ofengange statt, sie ging und kam, ohne dafs man eine Aenderung in den Betriebsverliältnissen wahrnahm. Hielt sie länger an, so liefsen die Cowper-Apparate in der Hitze nach. Die Annahme, dafs die Gase zu viel oder zu wenig Verbrennungsluft erhielten, erwies sich nach vergeblichem Regnliren des Luft- eintrittsschiebers als irrig. Die Bewegung war auch sichtbar an der Explosionsklappe oberhalb des Gichtverschlusses und der Mündung der Cowperesse. Das W asser in den Verschlufs- tassen der Reinigungsapparate schaukelte hin und her, so dafs es vielfach zum Ueberliiefsen kam. Ein Drosseln der Cowperesse beseitigte das Heranspuffen, wenn auch nicht die Unruhe im G ase; alsdann wurden eben weniger Gase angesaugt und die Cowper wurden auch bei diesem Verfahren kälter.

Die Erscheinung war nicht gerade häufig, etwa alle V ierteljahr einmal, und hielt nicht lange an. Ausgeschlossen ist aber nicht, dafs andere Unregelmäfsigkeiten in der Gaszusammen- setzung stattfanden, ohne eine so augenfällige Erscheinung. Ich erinnere mich, einmal eine Ansicht zur Erklärung des schlechten Brennens der Gase gehört zu haben, dahingehend, dafs die Gase so viel Staub führten, dafs derselbe das W asser aus den Verschlufstassen der P einiger hinauswürfe. Vielleicht handelte es sich um dieselbe Erscheinung, dabei wiederum der Staub, der sich naturgemäfs bei einer solchen Bewegung in der Gasleitung schneller ablagert, nur als Begleiterscheinung.

Eine andere Erklärung für solche Fälle schlechter Verbrennung, in denen thatsächlich ein guter oder genügender Gehalt an brenn­

baren B esta n d teilen durch wiederholte P robe­

nahme als bleibend nachgewiesen ist und grofse Feuchtigkeit der Gase nicht zur Erklärung heran­

gezogen werden kann, vermag ich nicht zu ent­

decken. Andererseits glaube ich eine Erklärung dieser Erscheinung im Verhalten des Kohlen­

oxyds und der Kohlensäure gefunden zu haben.

Den V organg der Kohlensäurezerlegung

C Oi + C = 2 C 0

müssen wir einer näheren Betrachtung unter­

ziehen. Xachgewiesen ist derselbe durch eine Untersuchung R i n m a n s an einem H olzkohlen-.;

ofen,* der 2,15 m über der Form 4,2 °/° Kohlen­

säure, 4 ,3 8 in über derselben aber nur 1,1 °/°

Kohlensäure fand, v a n V l o t e n * * fand dieselbe Erscheinung; allerdings bei nochmaliger P robe­

nahme entgegengesetztes Ergebnifs. Dieses halte ich für sehr kennzeichnend. Die Zusammen­

stellung der von v a n V l o t e n mitgetheilten Gas­

analysen soll hier folgen:

Ort der Probenahm e C 0 2 C O

% G estell, wenig höher als die Formen

V n » 11 n 11 -

Rast, etwa 1 in über den Form en . . . 1,5 47

(lf) Q A

11 1) 11 11 11 . . . «. ' , v *

Rast, etwa 1,5 m über den Formen . . 2 40

Man sieht, dafs die Zusammensetzung der Gase Schwankungen unterworfen ist und zwar in einem Mafse, das man gewöhnlich wahrscheinlich unter­

schätzt. W ährend in tieferen Ofenzonen die Reaction

C 0 »

+

C = 2 C 0

als die stärkere gelten mufs, giebt es zw eifel­

los eine höher gelegene Zone, in der auch die indirecte Reduction

. Fe

0 + C 0 = C 0 2

+ Fe

sehr kräftig w irkt und bald die erste, bald die zweite Sieger bleibt. Das soeben durch das Kohlenoxyd dem Eisen entrissene Sauerstoff- molecül wird wieder von dem glühenden Kohlen­

stoff entzogen, und das sodann gebildete Kohlen­

oxyd wieder höher oxydirt. So geht es im bunten W echsel fort, so lange, bis die kritische Zone überwunden ist und die zweite Reaction nicht mehr in ihrem V erlauf durch weifsglühen­

den Kohlenstoff gefährdet ist. Zu diesem W echsel gesellt sich noch die Einwirkung der Querschnitts- verschiedenheit, so dafs eine Verschiedenheit der Gaszusammensetzung an der Gicht zur Ge­

nüge erklärt ‘ist. W ahrscheinlich ist dieselbe um so gröfser, je heifser der Ofen im mittleren Theile ist, d. h. je langsamer die Gestelltemperatur nach oben abnimmt. Um eine solche stofsweise ein­

setzende Unregelmäfsigkeit der Gaszusammen­

setzung zu erklären, mufs man schon die Hypo­

these eines pendelartigen Schwingens der Sauer- stoffmolecüle, vom glühenden Kohlenstoff hinüber zum Kohlenoxyd und umgekehrt, aufstellen, also gleiche Anziehungskräfte bei beiden.

Ich komme nun zu dem anderen Falle, der höchstwahrscheinlich viel häufiger eintritt: zu dem M i n d e r g e h a l t an b r e n n b a r e n B e s t a n d ­ t e i l e n , d e r n i c h t i m E i n k l a n g mi t d e m Kokssatz steht, vielfach sogar gerade bei er­

höhtem Kokssatz sich geltend macht. In Frage kommen Kohlenwasserstoffe, W asserstoff und Kohlenoxyd.

* P e r e y - W e d d i n g , „Eisenhüttenkunde“ 11,226.

** „Stahl und E isen “ i8 9 2 , Seite 469.

(9)

1. )).ecpjnber 1901. lieber Störungen im H ochofengang. Stahl und Eisen. 1281

K o h l e n w a s s e r s t o f f e spielen im Koks­

hochofen eine unbedeutende R olle und kommen wohl nicht in Frage. W a s s e r s t o f f schon eher.

Bei einem Gehalt von. 5 bis 6 °/o W asserstoff (Raumtheile) wird die Verbrcnnungswärmemenge für 1 cbm Gichtgas um etwa 20 °/o gesteigert, v a n V l o t e n * h a t, um den Sauerstoffgehalt der Gestellgase festzustellen, 46 Gasproben theils in der Form ebene, theils darunter und theils darüber entnommen, die einen Durchschnittsgehalt von 1,9 °/o (Raumtheile) ergeben. E r ist zu der Ansicht gekommen, dafs der vor den Formen sofort durch Zerlegung des eingeblasenen W asser­

dampfes der Luft entstandene W asserstoff zu­

sammen mit dem W asserstoff des Koks unverändert in die Gichtgase gelangt. Tliatsächlich sind die angeführten Wasserstoffgehaltszahlen ebensolche, wie man sie in Gichtgasen antrifft. Führt man eine Berechnung in der W eise durch, dafs man 10 g (entsprechend einer Lufttemperatur von + 10 0 C.) W asserdam pf für 1 cbm Luft annimmt, so erhält m an, ein Verhältnifs von Gichtgas­

menge zu W indmenge wie 140 zu 100 an­

genommen, 80 g oder 0 ,8 5 cbm W asserstoff in 100 cbm Gichtgasen — 0,85 °/o. Ein W asserstoff­

gehalt im Koks = 0,5 bis 1 °/o angenommen, ergiebt bei 100 kg Koks auf 100 kg Roheisen und einer zugehörigen Gichtgasmenge von 4 5 4 cbm **

5 ,4 bis 10,8 cbm = 1,2 bis 2 ,4 °/o W asserstoff (Raumtheile). Dementsprechend in Summa 2,05 bis 3,25 °/o. W ahrscheinlich ist dies der un­

gefähre Durchschnittsgehalt der Gichtgase. Diese Berechnung spricht für die obengenannte Ansicht van Ylotens und läfst den Schlufs zu, dafs der W asserstoffgehalt, nur von den beiden genannten Factoren abhängig, keinem W echsel unterworfen ist, wenn diese unverändert bestehen.

Es bleibt nun noch das K o h l e n o x y d übrig und es gilt, eine Reaction zu entdecken, die, Kohlenoxyd vermindernd und Kohlensäuregehalt steigernd, in den Ofengang eingreift. Da, wie gesagt, gerade die Gase schlecht brennen, die bei siliciumreichen Roheisengattungen erzeugt werden, so liegt die Versuchung nahe, eine gas­

förm ige Siliciumverbindung anzunehmen, die zer­

setzend auf das Kohlenoxyd einwirkt. Diese wird man schwerlich finden. Wasserstoff, Zink, Eisen und andere Metalle verwandeln beim inten­

siven Glühen Kohlensäure in Kohlenoxyd. A u f diesem Vorgänge beruht die Oxydation der Zink­

dämpfe im Hochofen. Ein ähnlicher Vorgang bei einer Siliciumverbindung gedacht, würde also den Kohlenoxydgehalt vermehren. Aufserdem besteht der feine Gichtstaub nicht vorwiegend aus Kieselsäure, sondern h a t, abgesehen von Alkalien, Chlor, Sulfaten u. s. w., eine schlacken­

ähnliche Zusammensetzung. D er feine weifse

* „S ta h l und E isen 11 1893 S. 26.

** V ergl. „S tah l und E isen “ 1901 S. 910.

B eschlag, den Gichtgase absetzen,, läfst sich ebenfalls nicht ins Feld führen, er wird auf Fluor und Schwefelsilicium zurückgeführt, das sich an feuchter Luft zersetzt, und kommt wegen seiner geringen Menge nicht in Betracht. Das­

selbe gilt von den siliciumhaltigen Roheisen­

ausscheidungen , die L e d e b u r auf Schwefel­

silicium zurückführt.

Die einzige Reaction, die in Betracht kommen kann, ist die der K o h 1 e n s t o f f a u s s c h e i d u n g im H o c h o f e n

,

2 C 0 — C + C Os.

Der abgeschiedene Kohlenstoff sinkt mit der Beschickung nieder und wird verbrannt. Von dem Standpunkt des Wärmehaushalts im Hoch­

ofen mufs die Erscheinung günstig erscheinen;

denn es wird dem nicht oder kaum mehr für Reductionszwecke in Betracht kommenden Kohlen­

oxyd ein Theil seines Kohlenstoffs, ehe cs den Hochofen verläfst, wieder genommen. Ob aber wirklich dieser V organg nutzbringend ist, möchte ich bezweifeln. Entwickelt sich ein regelrechter Kreislauf, ohne dafs Bestände von ausgeschie- denem Kohlenstoff in tieferen Ofentheilen auf- i gesammelt werden, so mag ja diese Abscheidung

ohne Nachtheil verlaufen. Sammeln sich aber gröfsere Mengen im Hochofen a n , etwa im Kohlensack, so kommt die feine, den Gasdurcli- gang hemmende Vertheilung des Kohlepulvers zur Geltungund seine nachtheiligen Folgen. Es ist nun nicht ausgeschlossen, dafs eine solche Ansamm­

lung viele Tage lang fortdauert. In demselben Zeiträume wird den Gichtgasen dadurch der Brennwerth vermindert.

Eine Berechnung zeigt, dafs auch in diesem Falle verhältnifsiuäfsig geringe Raumtheile des Hochofens für diese Ablagerungen beansprucht werden, selbst wenn den Gichtgasen 20 °/o ihres Kohlenoxyds entzogen wird. Ein Hochofen mit einer Tagesproduction von 100 t, bei etwa 120 kg Koks auf 100 kg R oheisen, entwickelt etwa 722 000 kg G as* mit 185 000 kg Kohlenoxyd im normalen Betriebe täglich. Die Reaction 2 CO — C -f- CO* bedeutet eine Ausscheidung von gg = 0,21 kg Kohlenstoff für jedes kg

12

Kohlenoxyd. 2 0 % obiger 185 000 k g Kohlen­

oxyd entwickeln also 7 7 7 0 kg Kohlenstoff oder bei einem spec. Gewicht = 2 (wie Graphit an­

genommen), rund 4 cbm innerhalb 2 4 Stunden.

Die Gichtgase, die sonst normal etwra 26,5 °/o Kohlenoxyd enthalten, zeigen nunmehr nur noch 21,1 °/o. Die W irkung bei der Verbrennung ist klar. Andere Umstände, namentlich vermehrte Feuchtigkeit, können bei W etterumschlägen oder nafs geförderten Erzen leicht hinzutreten und einen Ausfall von nur 1 bis 2 °/o Kohlenoxyd empfindlich fühlbar machen. Gelangen dann

* V ergl. „Stahl und E isen “ 1901 S. 910.

(10)

1282 Stahl und Eisen. Üeber Störungen im H ochofen gang. I. D eceinber 1901.

wieder die abgelagerten Kohlenstoffmengen zur Verbrennung, so entstehen grofse Kohlenoxyd­

mengen und kommen den Feuerungen zu gute.

Vielfach ändern sich aber die Betriebsverhält­

nisse und der Rückschlag wird im W echsel der Erscheinungen nicht bemerkbar.

W ie aber wird eine starke Abscheidung und Ansammlung von Kohlenstoff begünstigt? Meiner Ansicht nach wirken zwei Umstände günstig auf das Zustandekommen der R e a ctio n : 1. Langsamer Gang. 2. Oberfeuer.

Das erstere erklärt sicli ohne weiteres und wird durch die Thatsache beleuchtet, dal's starke Kohlenstoffansscheidungen den Gegen­

druck im Hochofen verstärken und der V or­

gang, einmal eingeleitet, dadurch grofse F ör­

derung eifahren kann. Die W irkung des Oberfeuers denke ich folgenderm alsen: Die Temperaturzonen im Hochofen rücken sämmtlich nach oben hinauf. Dadurch wird die kritische Zone, in welcher die durch indirecte Beduction gebildete Kohlensäure zerlegt wird, in die Länge gezogen auf Kosten der indirecten Reduction und des Brennmaterials. Es entsteht also viel Kohlenoxyd. Geht dies unzerlegt aus der Gicht, so haben wir das Bild geringer indirecter R e­

duction. W ird es zerlegt und Kohlenstoff ab­

geschieden, so erscheint ein v orte ilh a fte re s Bild in dieser Beziehung. Dies ist aber eine Täu­

schung; denn der ausgeschiedene Kohlenstoff ist eben nicht gutes, stückiges Brennmaterial, son­

dern Kohlenstoffpulver, das jed er Hochofenmaun ohne Besinnen auf die Halde fahren oder an eine Stiefelwiclisefabrik verkaufen würde, wenn es im W aggon ankäme, aber unter keinen Um­

ständen aufgicliten lassen würde.

Es ist wahrscheinlich, dafs bei wachsendem Kohleuoxydgehalt der Gase das Bestreben der Kohlenstoffausscheidung w äch st; also je stärker und nachhaltiger Oberfeuer auftritt, um so mehr Kohlenstoff wird ansgeschieden. Nun zeigt die W ärmelehre, dafs der Vorgang

2

CO == CO + C O = = C + COa eine W ärmeausgabe von

2 1 7 3

W .- E . erfährt, dadurch, dafs 1 kg Kohlenstoff von Sauerstoff getrennt wird, und eine Wärmeeinnahme dadurch, dafs 7/3 kg Kohlenoxyd zu Kohlensäure oxydirt w erden ; 7/s kg Kohlenoxyd :Y 2 4 0 3 W .-E . =

5 6 0 7

W .-E . Die Wärmeeinnahme überwiegt also mit

3 1 3 4

W .- E . für jedes ansgescliiedene Kilogramm Kohlenstoff. Der V organ g bedingt also eine Wärmezunahme in höheren Ofenzonen, also Oberfeuer. Einmal eingeleitet, schafft die Reaction sich selbst die Bedingungen für ihr Fortkommen. Nach einem Versuch L e d e b u r s nimmt es den Anschein, als wenn ausgeschiedene Kohlenstoffmassen begünstigend auf weitere Aus­

scheidung einw irkten.* Auch dieser Umstand

* Le d e b ur : „Eisenhüttenkunde“ , 1. Aufl. S. 230.

würde in derselben Richtung wirken. Die letzt- aufgeführte Analyse Stöckmanns (vergleiche die Zusammenstellung), bei Oberfeuer gefertigt, zeigt bestätigend einen hohen Kohlensäure- und ge­

ringen Kohlenoxydgehalt. Der Kokssatz ist nicht angegeben, war aber jedenfalls h o c h , denn die Schlacke war kurz und heifs.

Aus dem Gesagten geht, h ervor, dafs ein Kohlensäuregehalt im Gichtgase — abgesehen von der Kohlensäure der Erze und des Kalkes — einmal durch richtige indirecte Reduction

FeO + CO = F c + CO-2

entstanden sein kann; andererseits aber auch durch die Reaction

2

CO = C 4 ÖÖ2,

die man als „falsche indirecte Reduction“ be­

zeichnen kann. Die Gichtgasanalyse giebt natür­

lich keinen Anhalt, um beide Kohlensäureformen zu unterscheiden.

Ich glaube nun, dafs dieser abgeschiedene Kohlenstoff ganz besondere Sünden auf dem Gewissen h at, die sich in langsamem, ohne besondere Veranlassung wechselndem Ofengang ausdriicken, bei dem gröfstentheils schlechtes Eisen fällt. Auch d a s H ä n g e n d e r G i c h t e n l e g e i c h i hm z u r L a s t , stimme also in dieser Beziehung v a n V l o t e n * b e i; nur glaube ich, dafs der V organg der Kohleausscheidung nicht im Hängegewölbe selb st, sondern oben in nie­

drigen Temperaturen stattgefunden hat. Die ausgeschiedene Kohle ist dann mit der B e­

schickung niedergesunken und hat, namentlich bei leicht reducirbaren Erzen, metallisches, schwach oder gar nicht gekohltes Eisen und eine leichtflüssige Schlacke gebildet, welche den Mörtel zam Bau des Gewölbes geliefert haben.

Dafs man solches Eisen zusammen mit Kohle­

pulver, zum Theil andere Beschickungstlieile fest um schliefsend, in den oberen Rastpartien aus­

geblasener Hochöfen findet, bestätigt diese Annahme.

Um dieses noch anschaulicher zu machen, lasse ich auszugsweise die Beschreibung eines modernen Rennverfahrens** folgen, die W e d d i n g im Anschlufs an die Amerikareise deutscher Eisenhüttenleute gegeben lia t : Bei der Eames

| Rennarbeit, die auf dem W erke der Carbon 1 Iron Co. in Pittsburg in Ausübung steht, wird ein reicher und reiner Magneteisenstein von 62 u/oE isengehalt m itConnelsville-Koks gemischt, nachdem beide Substanzen v o r h e r f e i n g e ­ m a h l e n waren. Früher nahm man Anthracit, die Mischung geschieht wie das Mahlen in einem Kollergange. Man nimmt auf 2 2 10 Gewichts-

| theile Erz 600 Gewichtstheile Koks, also 2 7 °/°

Koks. Das Gemisch wird mit Kalkmilch bis zum Ballen angefeuchtet und so in den Reduc-

* „S ta h l und Eisen1, IS92 S. 116.

** ..Stahl und E isen “ 1891 S. 111.

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