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Deutsche wissenschaftliche Zeitschrift für Polen, 1931, H. 21.

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Academic year: 2021

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Biblioteka Glöwna UMK ToruA

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Deutfche WifTenfchaftliche Zeitfchrift für Polen.

N eue Folge der Zeitfchriften der Hiftorifchen Gefellfchaft für Pofen und des Deutfchen Naturwiflenfchaftlichen Vereins und der Polytechnifchen Gefellfchaft zu Pofen, zugleich Veröffentlichung der Deutfchen G efell- fchaft für Kunft und Wiffenfchaft in Bromberg und des Coppernicus-

Vereins für WilTenfchaft und Kunft in Thorn.

Begründet von Dr. H e r m a n n R a u sc h n in g . Herausgegeben von Dr. A lf r e d L a tte r m a n n .

Heft 21. (Sonderheft)

WOLFQANO KOHTE

DEUTSCHE BEWEGUNG UND PREUSSISCHE POLITIK

IM POSENER LANDE

1848-49.^ 2 /

(Mit einer Karte)

•4*’ -

Pofen 1931.

Im Verlag der Hiftorifchen Gefellfchaft für Pofen, Poznan, ul. Zwierzyniecka 1.

Auslieferung für das Deutfche Reich: Verlag «Das junge Volk», Plauen i.V.

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(2)

Heft 1, 6, 7 u. 8: Einige zurückgekaufte Exemplare können nur bei Abnahme der ganzen Reihe abgegeben werden.

2, 3 u. 5: Prof. Dr. Hermann Schütze: Das Posener Land. (Nur noch als Sonder­

druck: Preis 15 zl. im Ausl. 7,50 M.).

6: Dr. Kurt Lück: Der Bauer im poln. Roman des 19. Jahrh.; D. Th. Wotschke:

Joh. Theob. Blasius, ein Liss'aer Rektor des 16. Jahrh.; Walter Kuhn: Der Bauerntumult auf den Teschener Kammergütern im Jahre 1736; Dr. Alfred Lattermann: Uebersicht der polnischen Veröffentlichungen 1918/24. (Verkauf wie Heft 1.)

7: Dr. Ilse Rhode: Das Nationalitätenverhältnis in Westpreussen und Posen zur Zeit der polnischen Teilungen. Lic. Wilh. Bickerich: Joh. Metzig, ein deutscher Idealist im Posener Lande. (Verkauf wie Heft 1.)

8: Prof. Dr. Jos. Strzygowski: Die Holzkirchen in der Umgebung von Bielitz- Biala. (Sonderdruck 6 zl); D. Th. Wotschke: Aus den Berichten eines War­

schauer Gesandten; Dr. Alfred Lattermann: Polnische Veröffentlichungen 1925.

(Verkauf wie Heft 1.)

9: Naturwissenschaftliches Sonderheft zum 90jährigen Bestehen des Deutschen Naturwissenschaftlichen Vereins zu Posen.

10: Dr. Walter Maas: Die Entstehung der Posener Kulturlandschaft. Beiträge zur Siedlungsgeographie.

11: Prof. Dr. Manfred Laubert: Studien zur Geschichte der Provinz Posen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, 2. Band.

12: Ing. Walter Kuhn: Die innere Entwicklung von Bielitz im Mittelalter; D. Th.

Wotschke: Die Mitarbeiter an den Acta historico-ecclesiastica in Polen; Hugo Sommer: Die Stadt Posen als preussischer Truppenstandort 1815—1918. — 21 Besprechungen.

13: Dr. W. Maas: Beziehungen zwischen ältester Besiedlung,. Pflanzenverbreitung und Böden in Ostdeutschland und Polen; Dr. Franz Doubek: Ein deutsches Sprachdenkmal aus der Gegend von Lancut; Prof. Dr. Albert Steuer: Deutsche Domherren in Posen und Guesen; H. Sommer: Die Festung Posen und ihre preussischen Kommandanten. — 21 Besprechungen.

14: Dr. Albrecht Schubert: Die Entwicklung der Posener Landwirtschaft seit 1919.

— 18 Besprechungen.

15: Pfarrer Reinhold Heuer: Die altstädtische evangelische Kirche in Thorn; D. Th.

Wotschke: Hilferufe nach der Schweiz; H. Sommer: Kammerdepartement War­

schau zu südpreussischer Zeit. — 23 Besprechungen.

16: I). W. Bickerich: Ein Programm des polnisch-christlichen Universalismus;

H. Sommer: Militärische Beziehungen zwischen Deutschland und Polen; Dr. W.

Maas: Studien zur Wirtschaftsgeschichte des Posener Landes. — 14 Bcsprech.

17: Dir. Ernst Fleischer: Die Entstehung der Farbtöne; Prof. Julius Hammling:

Ornithologische Beobachtungen aus dem Posener Lande; Dr. Fr. Doubek: Das Zunftbuch der Wilnaer Zinngiesser; Dr. W. Maas: Steuern und Zölle. —

35 Besprechungen.

18: Dir. G. Schulz: Unions- und Verfassungsbestrebungen der protestantischen Kirchen im Grossherzogtum Warschau; D. Th. Wotschke: Der Pietismus in Moskau; Prof. M. Laubert: Die Rittergutsmatrikel in der Provinz Posen. — 34 Besprechungen.

19: Prof. M. Laubert: Posen bei Ausbruch des Warschauer November-Aufstandes;

H. Sommer: Das Generalkommando Posen 1815—1918; I). Th. Wotschke: Der Pietismus in Petersburg; Lissaer Studenten bis 1800; Alb. Breyer: Das Schrift­

tum über das Deutschtum in Kongresspolen. — 18 Besprechungen.

20: Dir. Ernst Fleischer: Zur Entstehung der Lichtempfindungen; Altansässiges Deutschtum: Domherr Dr. Paul Panske: Familien der Koschnaewjerdörfer und drei kürzere Aufsätze; A. Kronthal: Adolf Warschauer; Dr. Fr. Doubek: Rai­

mund Friedrich Kaindl. — 24 Besprechungen.

21: Dr. Wolfg. Kohte: Deutsche Bewegung und preussische Politik im Posener Lande 1848—49.

Preis jeden Heftes 8,40 zf, im Auslande 4,20 M. Bezug auf 1 Jahr (3 Hefte) 20 zl bzw. 10 M. Ab Heft 12 sind auch die meisten Aufsätze als Sonderdruck erhältlich. Auch von der früheren Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen und den Historischen Monatsblättern sind noch eine Reihe Einzel­

hefte und Sonderdrucke zu haben.

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Deutfche Wiffenfchaftliche Zeitfchrift für P olen.

N eue Folge der Zeitfchriften der Hidorifchen Gefellfchaft für Pofen und des Deutfchen Naturwiffenfchaftlichen Vereins und der Polytechnifchen Gefellfchaft zu Pofen, zugleich Veröffentlichung der Deutfchen G efell­

fchaft für Kund und Wiffenfchaft in Bromberg und des Coppernicus- Vereins für Wiffenfchaft und Kund in Thorn.

Begründet von Dr, H e r m a n n R a u T c h n in g . Herausgegeben von Dr. A lf r e d L a tte r m a n n .

Heft 21. (Sonderheft)

WOLFGANG KOHTE

DEUTSCHE BEWEGUNG UND PREUSSISCHE POLITIK

IM POSENER LANDE

1848 - 49 .

(Mit einer Karte)

Poznan, ul. Zwierzyniecka 1. * .

Auslieferung für Deutfchland: Verlag «Das junge Volk», Plauen ü. V. * v

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Persönliche Nachrichten.

Adolf Warschauer *f*

Im letzten Heft vorliegender Zeitschrift hat die Historische Gesell­

schaft für Posen zum 75. Geburtstag des Nestors der Posener deutschen Geschichtsschreibung ein ausführliches, mit innerer Anteilnahme ge­

schriebenes Lebensbild aus der Feder von Stadtrat a. D. Arthur Kronthal gebracht. Niemand konnte ahnen, daß diese Ehrung seine letzte große Freude sein sollte. Kurz danach, am 26. Dezember 1930, hat der Tod den Gefeierten von seinen jahrelangen, mit großer Geduld ertragenen Leiden, die ihn an das Krankenlager fesselten, erlöst. Da die betreffenden Bogen von Heft 20 schon ausgedruckt waren, konnte diese Nachricht nicht mehr im vorigen Heft gebracht werden. So erscheint sie erst jetzt.

Die Historische Gesellschaft für Posen wird ihrem verewigten Mit­

begründer und ältesten Ehrenmitglied stets ein dankbares Gedenken bewahren.

Theodor Wotschke 60 Jahre alt.

Am 23. März 1931 begeht Pastor D. Dr. Lic. Theodor Wotschke aus Meseritz, jetzt in Pratau, Bez. Halle, seinen 60. Geburtstag. Die Histo­

rische Gesellschaft für Posen, die zahlreiche geschichtliche Beiträge des unermüdlich tätigen Forschers in ihren früheren und jetzigen Zeit­

schriften besonders zur Kirchen- und Kulturgeschichte des Ostens ver­

öffentlicht hat, hat seine Verdienste schon im Jahre 1927 durch die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an ihn gewürdigt und in Heft 12 dieser Zeitschrift einen kurzen Lebenslauf und ein Verzeichnis seiner bis dahin verfaßten Schriften veröffentlicht. Wir wünschen unserm treuen Mitarbeiter zu seinem Ehrentage noch viele Jahre weiterer ungebrochener Schaffenskraft.

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(5)

Inhalts-Verzeichnis.

Persönliche Nachrichten. Seite-

A dolf W a rs c h a u e r f ... I I T h e o d o r W o tsc h k e 60 J a h r e a l t ... I I

Deutsche Bewegung und Preußische Politik im Posener Lande 1848 — 49.

V on D r. W o l f g a n g K o h t e i n C h a r l o t t e n b u r g . I n h a lts v e r z e ic h n is ... I I I V o rb e m e rk u n g e n ... V V e rz e ic h n is d e r b e n u tz te n A k te n u n d E rk lä r u n g d e r in d en A n­

m e rk u n g e n g e b r a u c h te n A b k ü rz u n g e n u n d Z e i c h e n ... V I I A b s c h n i t t I. Volksbewußtsein und politisches Leben der

Posener Deutschen vor 1848 ... 1 N a tio n a le B e d e u tu n g v o n S ch u le u n d K irc h e S. 2. — B e ­ v ö lk e r u n g s s ta tis tik S. 4. — P o litis c h e s L e b e n d e r ein ze ln en S tä n d e S. 5. — D ie a m tlic h e P o le n p o litik u n te r F lo ttw e ll u n d u n te r F rie d ric h W ilh elm IV . S. 11. — D e r P u ts c h v o n 1846 u n d d ie d e u ts c h e G eg en b ew eg u n g S. 13. — S tim m u n g d e r D e u ts c h e n 1846 — 48 S. 17.

A b s c h n i t t I I . Die Märzbewegung unter den Posener Deutschen 19>

V e r b rü d e r u n g in d e r S t a d t P o se n S. 19. — D ie e r s te n d e u tsc h e n K o m ite e s S. 22. — P o ln isc h e G e w a lth e rrs c h a ft a u f d em fla c h e n L a n d e S. 23. — D e u ts c h e r W id e r s ta n d in d en R a n d ­ g e b ie te n S. 25. — D ie K a b in e tts o r d e r v o m 24. M ärz u n d die A n fä n g e d e r d e u ts c h e n E r h e b u n g S. 27. — D er A u fb ru c h in B ro m b e rg u n d d e m N e tz e d is tr ik t S. 31. — I n M eseritz u n d d e n W e s tk re is e n S. 35. — U m sc h w u n g in P o se n S. 39.

— D ie D e u ts c h p o s e n e r A b g e o rd n e te n in B e rlin S. 43.

A b s c h n i t t I I I . Die preußische Regierung und die Posener Frage ... 45>

M iero slaw sk is A b sic h te n S. 45. — S te llu n g n a h m e d e r K o n ­ s e rv a tiv e n u n d d e r lib e ra le n M in iste r S. 46. — H e in ric h v. A rn im s P o le n p o litik S. 49. — D ie H a ltu n g des K önigs

S. 51. D ie g e m ä ß ig te n P o le n u n d die M ä rz m in is te rie n S. 52. — Z u rü c k h a ltu n g d e r G ro ß m ä c h te S. 55. — D ie ö ffe n tlic h e M ein u n g D e u ts c h la n d s S. 57. — E n ts e n d u n g W illisen s d u rc h d a s M in iste riu m C a m p h a u sen , se in e P e rs ö n ­ lic h k e it S. 61. — D ie A n fä n g e se in e r T ä tig k e it S. 64. — D as A b k o m m e n v o n Ja ro sla w ie c S. 69. — A u ssc h lu ß d e r d e u tsc h e n G eb ie te v o n d e r R e o rg a n is a tio n S. 71.

A b s c h n i t t IV . Der deutsche Sturm im Posener L a n d e ...

D ie W e n d u n g d e r p o ln isc h e n R e v o lu tio n S. 74. — W illisens R ü c k k e h r S. 77. — P rz y lu s k is A k tio n gegen d en A n sch lu ß a n D e u ts c h la n d u n d die d e u ts c h e n K a th o lik e n S. 79. — D ie D e u ts c h p o se n e r V o lk sg e m e in sc h a ft u n d ih re O rg an e S. 83.

— K o n s titu tio n e lle r K lu b u n d N a tio n a lk o m ite e in P o sen S. 84. — D ie A u ssch ü sse im W e ste n S. 88. — D e r Z e n tr a l­

au s sc h u ß des N e tz e d is tr ik ts S. 91. — V o rsto ß d e r D e u ts c h ­ p o se n e r in B e rlin S. 92. — D e r K ö n ig u n d das M in iste riu m g e g e n ü b e r W illisen S. 94. — V ersu c h e in e r u m fa sse n d e n L ö su n g S. 97. — D e u ts c h e V o lk sb e w a ffn u n g u n d W a h le n zu d en N a tio n a lv e rs a m m lu n g e n S. 100.

(6)

A b s c h n i t t V. Wiederkehr der Ruhe ...

B e g in n v o n P fu e ls T ä tig k e it S. 104. — V o rläu fig e D e m a r­

k a tio n S. 107. — D as E n d e des p o ln is c h e n A u fs ta n d e s S. 109.

— A u s e in a n d e rs e tz u n g zw isch en d en d e u ts c h e n A u ssc h ü ssen ü b e r die Z iele S. 114. — P o le n fre u n d lic h e S trö m u n g e n u n te r d e n P o se n e r D e u ts c h e n S. 121. — P fu e ls A b reise, C olom bs V e r­

a b s c h ie d u n g S. 123. — S tim m u n g in d e r B a u e r n s c h a f t S. 125.

A b s c h n i t t V I. Die Werbearbeit der Posener D eu tsch en ....

I n B re s la u u n d in B e rlin S. 128. — D e r V e re in z u r W a h ru n g d e r d e u ts c h e n S ach e im O ste n in L e ip z ig S. 130. — D ie E n t ­ w ick lu n g in F r a n k f u r t b is zu m Z u s a m m e n tr itt d e r N a tio n a l­

v e rs a m m lu n g S. 133. — D ie V o rb e re itu n g d e r E n ts c h e id u n g d u r c h D e u ts c h e u n d P o le n S. 137. — D ie P o le n d e b a tte u n d ih re F o lg e n S. 141.

A b s c h n i t t V II. Die Deutschposener Bewegung vom Juni bis in den Oktober ...

D ie P a r te iv e r h ä ltn is s e in P o se n S. 144. — D as M in iste riu m A u e rsw a ld u n d die P o se n e r F ra g e S. 146. — D ie L ig a P o lsk a

• u n d d e r w irts c h a ftlic h e N a tio n a litä te n k a m p f S. 150. — F ra g e des B e la g e ru n g s z u s ta n d s S. 153. — D ie P o se n e r D e u ts c h e n u n d die P a rte ie n tw ic k lu n g im F r ü h h e r b s t S. 155.

A b s c h n i t t V I I I . Das Wiederaufflammen der Bewegung im Herbst ...

B e sch lü sse d e r P re u ß e n v e rs a m m lu n g ü b e r P o sen S. 157. — S tu r m b e i d en P o se n e r D e u ts c h e n S. 158. — U n w ille in F r a n k f u r t S. 161. — S c h ä ffe r-B e rn ste in s S e n d u n g u n d die e n d g ü ltig e D e m a r k a tio n S. 163. — G rü n d u n g d e r D e u ts c h e n V e rb rü d e ru n g u n d a n d e r e r S c h u tz v e re in e S. 167. — W id e r­

s ta n d gegen die B ild u n g v o n B ü rg e rw e h re n S. 170.

A b s c h n i t t I X . Der Ausklang der Deutschposener Bewegung im Jahr 1849 ...

D ie B ew egung z e r s p litt e r t S. 172. — W a h le n zu d e n p r e u ­ ß isc h en K a m m e rn S. 174. — K ö n ig u n d M in istd riu m in d er P o se n e r F ra g e zu B e g in n des J a h r e s S. 176. — G eg en satz d e r d e u ts c h e n L ib e ra le n z u r R e g ie ru n g s p o litik S. 179. — D ie J u n iw a h le n u n d d a s E rla h m e n d e r B ew egung S. 180. — M an- te u ffe ls L ö su n g sv o rsc h la g S. 182.

A b s c h n i t t X . Die Erledigung der Posener Frage 1849 5 1. . A rtik e l 1 d e r p re u ß isc h e n V e rfa ssu n g in b e id e n K a m m e rn a n g e n o m m e n S. 185. — D er A u fte ilu n g s p la n v o m O k to b e r 1849 S. 187. — E rfo lg re ic h e r W id e rs ta n d gegen die A u fte i­

lu n g S. 190. — V e rh a n d lu n g e n d e r z w e ite n K a m m e r M itte D e z e m b e r S. 192. — I m F e b r u a r S. 197. — V e r ä n d e rte P o le n ­ p o litik S. 200. — A u ssc h eid e n d er O stp ro v in z e n a u s d em

D e u ts c h e n B u n d S. 201.

A b s c h n i t t X I. Nachwirkung und bleibende Bedeutung der ' Posener Kämpfe von 1848 ...

D ie n ä c h s te n F o lg en d e r B ew egung S. 204. — F o r tf ü h r u n g d e r a c h tu n d v ie rz ig e r E n tw ic k lu n g in d en se ch z ig er J a h r e n S. 206. — D ie J a h r z e h n te des K a is e rre ic h s S. 208. — D ie U m w älz u n g v o n 1918 u n d die G e g e n w a rt S. 209.

A„n h a n g . Die westpreußischen Deutschen im Nationalitäten­

kampf von 1848 ...

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(7)

Vorbemerkungen.

Die erste Aufgabe der vorliegenden Arbeit soll sein, die deutsche Gegenbewegung gegen den polnischen Aufstand in Posen 1848 in ihrem Zusammenhang mit der gesamtdeutschen Bewegung dieses Jahres aus den Quellen eingehend darzustellen. Um ihr wissenschaftlichen Wert zu geben, war es notwendig, sie aktenmäßig besser zu unterbauen, als es bei den meisten bisher über dies Gebiet erschienenen Schriften der Fall ist. Welche Archive zu diesem Zwecke benutzt wurden, ist aus dem nachfolgenden Verzeichnis ersichtlich. Dabei konnte eine wichtige Erkenntnisquelle in den Hunderten von Deutschposener Petitionen in den Archiven zu Berlin und Frankfurt a. M. neu erschlossen werden.

Weitere wichtige Aufschlüsse gab eine genaue Durchsicht der „Zeitung des Großherzogtums Posen“ und ihrer Beilagen, der zeitgenössischen Briefwechsel und Erinnerungen und — zum Teil — der Flugschriften zur Polenfrage. Ferner konnte ich die Akten der Kreisstadt Meseritz und eine Anzahl ungedruckter Briefe benutzen: Fräulein Agnes Goeden (Stettin), Herr Generalleutnant a. D. Viktor v. Hepke (Potsdam), Fräulein Emma Jordan (Frankfurt a. M.) und Frau Clara Viebig (Berlin- Zehlendorf) hatten die Güte, mir Einblick in die Nachlässe ihrer Väter zu gewähren, wofür ihnen nochmals wärmstens gedankt sei. Besonderen Dank schulde ich dem Herrn Grafen Yorck von Wartenburg, auf dessen Schloß Klein-Oels in Schlesien ich im Oktober 1928 den wertvollen Nach­

laß Wilhelm v. Willisens durcharbeiten durfte. Schließlich danke ich auch allen denen, die mich durch mündlichen oder schriftlichen Gedanken­

austausch bei der Sammlung und Gestaltung meines Stoffes unter­

stützten, vor allem den Herren Archivbeamten.

Von einem Schrifttumsverzeichnis glaube ich absehen zu können:

Den größten Teil der bis vor zwanzig Jahren erschienenen Werke findet man in der Einleitung von Hans Schmidt, Die polnische Revolution des Jahres 1848 im Großherzogtum Posen (Weimar 1912), verzeichnet, nahezu sämtliche in Betracht kommenden Flugschriften bei Walter Bleck, Die Posener Frage auf den National-Versammlungen der Jahre 1848—49 (Phil. Diss. Greifswald 1914) und im Katalog der Friedländer- schen Sammlung der Berliner Magistratsbibliothek (Berlin 1891), die wichtigsten neueren Erscheinungen auch im Anhang zum ersten Band von Veit Valentins Geschichte der deutschen Revolution von 1848—49 (Berlin 1930) zusammengestellt, einem Werk, das leider auch für die letzte Durcharbeitung vorliegender Schrift nicht mehr herangezogen werden konnte. Von der polnischen Literatur habe ich nur das aller­

wichtigste benutzt; ich glaube indessen, keine für mein engeres Thema wichtige Quelle übersehen zu haben; die Durchforschung der polnischen Zeitungen war mir allerdings unmöglich.

(8)

Mit polemischen Auseinandersetzungen habe ich die Darstellung nicht belasten wollen. Warum ich nach Christian Meyer (Die Deutschen der Provinz Posen gegenüber dem polnischen Aufstand 1848) diesen Gegenstand noch einmal behandele, brauche ich den nicht zu begründen, der seine und meine Arbeit auch nur durchblättert. Was über Hans Schmidts Buch zu sagen ist, hat Laubert 1913 in den Göttinger Gelehrten Anzeigen ausgesprochen; es wird daher hier möglichst nicht herangezogen.

Hallgartens gediegene und vieles neue bringende Arbeit hat mir natürlich viele wertvolle Hinweise und Anknüpfungspunkte geboten, wenn unsere Ansichten auch nicht in allem übereinstimmen. Daß wichtige Neben­

fragen, besonders staatsrechtlicher und ökonomisch-sozialgeschichtlicher Art, nur gestreift werden konnten, hat sich leider nicht vermeiden lassen, wenn nicht der Rahmen überschritten werden sollte, der dieser Arbeit als Dissertation ursprünglich gesteckt war.

Besonderen Wert legte ich auf die Beigabe der Karte. Keine der bisherigen Darstellungen scheint mir dem Leser recht zu veranschaulichen, was für sonderbare Früchte das Durcheinander von Ideenpolitik (Natio­

nalitätenprinzip) und Machtpolitik 1848 gezeitigt hat. Deutlicher als durch kartographische Darstellung wird man die seltsamen Wege dama­

liger Ostpolitik nicht klarmachen können. Sie macht auch ein näheres Eingehen auf die Einzelheiten der Demarkationslinien überflüssig.

Der Hauptakzent dieser Forschungen liegt, der historischen Bedeu­

tung ihres Gegenstandes entsprechend, auf dem National-Ideellen. Ich habe versucht, die eigene Gestalt der Deutschposener Bewegung von 1848—49 zu umreißen und die Entwicklung der Posener Frage in diesen Jahren historisch zu verstehen. Ein richtendes Verfahren wäre unwissen­

schaftlich; wir haben heute genügend Abstand von den hier behandelten Dingen. Der bescheidene Gewinn dieser Arbeit für die Wissenschaft würde sich auf drei Gebiete verteilen: sie soll zum Verständnis der Ge­

schichte der ersten deutschen Revolution ein wenig beitragen, einen wichtigen Wendepunkt in der Posener Landesgeschichte näher aufklären helfen und einen kleinen Baustein zur allgemeinen Nationalitätenkunde herbeischaffen. Wenn ich hoffen darf, zum Ziele gekommen zu sein, und nicht nur für mich etwas erreicht zu haben, so hat mein Dank dafür an erster Stelle jenen akademischen Lehrern zu gelten, deren Lehre mir Wesentliches mitgab, besonders Herrn Geheimrat Erich Mareks, der mir so oft Rat und Hilfe lieh.

Charlottenburg, im März 1931. W. K.

(9)

Verzeichnis der benutzten Akten

und Erklärung der in den Anmerkungen gebrauchten Abkürzungen und Zeichen.

P r S tB = P re u ß is c h e S ta a ts b ib lio th e k .

G S tA = P re u ß isc h e s G eheim es S ta a ts a rc h iv . R e p o s itu r 75 (B u n ­ d e s ta g s g e s a n d ts c h a ft), 77 (M in isteriu m des In n e rn ) u n d 89 (K gl. Z iv ilk a b in e tt) w erd en o h n e dieses Z eich en a n g e f ü h rt.

A usw . A m t = A k te n des A u sw ä rtig e n A m ts im G S tA . H eA

H a A A B V A N V

K1Ö

D Z N K H D V

Z A W G

V W D S O

Z B A N D

< = A k te n des K rie g sm in iste riu m s im H e e re sa rc h iv , j e t z t

G S tA .

= B ra n d e n b u rg -P re u ß is c h e s H a u s a rc h iv . S ä m tlic h in B erlin .

= A rc h iv d e r B u n d e sv e rsa m m lu n g .

= A rc h iv d e r N a tio n a lv e rs a m m lu n g .

I n d e r Z w eig stelle des R e ic h s a rc h iv s zu F r a n k f u r t a m M ain.

= N a c h la ß des G en e ra ls W ilh e lm v. W illise n im G rä flich Y o rc k v o n W a r te n b u r g ’sc h en M a jo ra ts a rc h iv zu K lein - O els, K r. O h la u .

= A k te n des D e u ts c h e n Z e n tra l-N a tio n a lk o m ite e s zu P o sen .

= A k te n des H a u p tv e r e in s d e r D e u ts c h e n V e rb rü d e ru n g zu P osen.

I m B e sitz d e r H is to ris c h e n G e se llsc h a ft f ü r P o sen , V e re in ig u n g re ic h s d e u ts c h e r M it­

g lie d e r, zu B e rlin .

= A k te n b e tr . d ie im J a h r e 1848 a u sg e b ro c h e n e n U n ru h e n

= u n d d ie T ä tig k e it des Z e n tra la u ss c h u sse s f ü r d en W e s t­

g ü r te l d e r P ro v in z P o sen .

I m B e sitz d e r K re is s ta d t M eseritz.

= A k te n des V erein s z u r W a h ru n g d e r d e u ts c h e n S ac h e im O ste n , im N ac h la ß des P ro fesso rs H e in r ic h W u ttk e ,

D e p o s itu m im R a ts a r c h iv zu D re sd e n .

= Z e n tra l-B ü rg e ra u s s c h u ß f ü r d e n N e tz e d is tr ik t in B ro m b e rg (A k te n a n s c h e in e n d v e rlo re n ).

F B P G = F o rs c h u n g e n z u r b ra n d e n b u rg is c h e n u n d p re u ß isc h e n G esc h ic h te.

Z O G = Z e its c h r if t f ü r o ste u ro p ä isc h e G eschichte.

Z H G = Z e its c h r if t d e r H is to ris c h e n G e se llsc h aft f ü r P osen.

H M = H is to r is c h e M o n a ts b lä tte r f ü r die P ro v in z P o sen . D W Z = D e u ts c h e W isse n sc h a ftlic h e Z e its c h rift fü r Polen*

(10)

Z tg. d. G h zt. P . = Z e itu n g des G ro ß h e rz o g tu m s P o sen (bis z u m 30. J u n i 1848, d a n n :)

P os. Z tg. = P o se n e r Z e itu n g .

D K B = D e u tsc h e s K o n s titu tio n e lle s B l a t t f ü r d a s G ro ß h e rz o g ­ tu m . B eilag e d e r Z tg . d. G h z t. P .

E B = E rg ä n z u n g s b lä tte r , B e ila g e d e r P os. Z tg.

D t. Z tg . = D e u ts c h e Z e itu n g (H e id e lb erg ). **>

B a rto lo m ä u s = R ic h a rd B a rto lo m ä u s , D ie P ro v in z P o se n au f d e m F r a n k f u r te r P a r la m e n t. Z H G X IV S. 1 —'66.

B leck = W a lte r B leck, D ie P o se n e r F ra g e a u f d e n N a tio n a lv e r ­ sa m m lu n g e n in d e n J a h r e n 1848 — 49. Z H G X X I X S. 1 —96, a u c h G re ifsw a ld e r D is s e rta tio n 1914.

H a llg a r te n = W o lfg a n g H a llg a r te n , S tu d ie n ü b e r die d e u tsc h e P o le n ­ f re u n d s c h a ft in d e r P e rio d e d e r M ä rz re v o lu tio n . M ü n c h en

u n d B e rlin 1928.

C irc o u rt = A. C om te de C irc o u rt, S o u v e n irs d ’u n e m issio n ä B e rlin e n 1848, hsg. v. G B o u rg in , P a r is 1908/09,

L. v. J . = D ie p o ln isch e I n s u r r e k tio n im G ro ß h e rz o g tu m P o sen im F r ü h ja h r 1848. N a c h eig en e r A n sc h a u u n g , m it B e n u tz u n g a m tlic h e r Q u ellen u n d d e r N a c h ric h te n z u v e rlä ssig e r B e r ic h te r s ta tte r , v o n L. v. J . G logau 1849.

J a ff e = M o ritz J a ffe , D ie S ta d t P o se n u n te r p re u ß is c h e r H e r r ­ s c h a ft. L eip zig 1909, S c h rifte n des V erein s f ü r S o zial­

p o litik , 119. B a n d z w e ite r T e il I I I 2.

I m P o le n a u fr u h r = (F rh . J u n c k e r v. O b ef-C o n re u th ), I m P o le n a u fr u h r 1846 — 48. A us d en P a p ie re n ein es L a n d r a ts . G o th a 1898.

M e y e n d o rff= P e te r v o n M eyendorff. E in ru s s is c h e r D ip lo m a t a n d en H ö fe n v o n B e rlin u n d W ien . P o litis c h e r u n d p r iv a t e r B rie fw e ch se l 1826 — 63. H sg. v. O. H o e tz sc h , B e rlin u n d L e ip z ig 1923.

M eyer = C h ris tia n M eyer, D ie D e u ts c h e n d e r P ro v in z P o se n g eg en ­ ü b e r d em p o ln isc h e n A u fs ta n d 1848. M ü n c h en 1903, L issa 1904. (Im A n h a n g die B rie fe des M e se ritz e r A bge­

o r d n e te n K e r s t au s F r a n k f u r t v o m F r ü h ja h r u n d S o m m er 1848. Sie w u rd e n z u s a m m e n m it d e r e in le ite n d e n S tu d ie ü b e r d ie P o se n e r D e u ts c h e n v o n M eyer e r s tm a lig in d e r Z e its c h r if t fü r G esc h ic h te u n d L a n d e s k u n d e d e r P ro v in z P o se n 1882 — 84 v e rö ffe n tlic h t, B d. I S. 123 b is B d. I I I S. 128 p assim .).

S c h m id t == H a n s S c h m id t, D ie p o ln is c h e R e v o lu tio n des J a h r e s 1848 im G ro ß h e rz o g tu m P o sen . W e im a r 1912.

A. u. B. = W ilh elm v. W illisen , A k te n s tü c k e u n d B e m e rk u n g e n ü b e r m eine S e n d u n g n a c h d em G ro ß h e rz o g tu m P o sen . B e rlin 1849.

W u ttk e = H e in ric h W u ttk e , S tä d te b u c h des L a n d e s P o sen . L e ip z ig 1863.

= P o sen , S ta d t u n d L a n d .

(11)

A b s c h n i t t I.

Volksbewußtsein und politisches Leben der Posener Deutschen vor 1848.

In der Geschichte des mitteleuropäischen Ostens bedeutet die Be­

wegung von 1848 einen großen Wendepunkt: Hier wird zum ersten Mal die Entwicklungslinie weithin sichtbar, welche von der friedlichen Neben­

einanderordnung der Völker zum Gegeneinander, zum Kampf der Natio­

nalitäten führt.1) Ein kurzes Vorspiel findet dieser Kampf schon im Zeitalter der Märzrevolution. Das Erlebnis der Revolution und ihre Errungenschaften — Preßfreiheit, freies Vereins- und Versammlungs­

recht, Bürger-Bewaffnung, Wahl der Parlamente — rufen politisches Leben in den Massen wach. Im ersten Augenblick überwiegt die Begei­

sterung über die konstitutionelle Freiheit, dann aber erweist es sich in den völkisch gemischten Landschaften, daß Deutsche und Slawen diese ganz verschieden ausgestalten wollen. Der nationalstaatliche Gedanke scheidet die Völker wieder, und an die Stelle weltbürgerlich-freiheitlicher Begeisterung tritt das nüchterne Abwägen der Machtbedürfnisse des eigenen Staates und die Gerechtigkeit zuerst gegen das eigene Volk. So bringen erst die Umwälzungen des Revolutionsjahres breiteren Schichten der Polen und Tschechen und der ihnen gegenüberstehenden Grenzdeut­

schen im Grenzkampf das Erlebnis völkischer Eigenart, und damit entsteht klares und kräftiges N a t i o n a l b e w u ß t s e i n . Noch wurde dieses nur selten eine Macht, die Denken und Handeln aller Schichten ausschließ­

lich beherrscht; immerhin — es war da und mußte sich mit den vorhan­

denen religiösen, staatlichen, wirtschaftlichen Kräften auseinandersetzen.

Denn die Massen der niederen Bevölkerung waren sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den meisten Völkern Europas ihrer Volkheit ja durchaus noch nicht klar bewußt. Volkheit, als geistige Gemeinschaft, ist gegliedert in Teilvolkheiten und mannigfaltig gestuft, weil die ein­

zelnen Schichten am Kulturbesitz ihres Volkes in verschiedenem Maße und verschiedener Art Anteil haben. Die Einheit der völkischen Kultur­

gemeinschaft ist nur eine verhältnismäßige, keine starre.2) Wo Volks­

tum nicht ein in allen lebendiger Wert ist, können Staat, Religion oder Wirtschaft leicht zu bestimmenden Kräften werden, die den einzelnen in ein ihm ursprünglich fremdes Volk hinüberführen. Denn nicht jeder

x) D ie B eg riffe d e r „ N e b e n e in a n d e ro rd n u n g “ u n d „ G e g e n e in a n d e r­

o r d n u n g “ d e r N a tio n a litä te n sin d K u r t T ra m p ie rs B u c h „ S t a a t e n u n d n a tio n a le G e m e in s c h a fte n “ (M ünchen 1929) e n tn o m m e n .

2) I c h folge h ie r O th m a r S p a n n (V om W esen des V o lk stu m s, A ugs­

b u rg 1924).

Deutsche ^ issen sch . Zeitschr. f. Polen. lie ft 21. 1931. 1

(12)

kann in gleichem Maße jene Geistigkeit erringen, die das eigentliche Wesen völkischer Gemeinschaft ausmacht; je weniger einer an ihm Anteil hat, desto leichter kann er sein Volkstum wechseln, am leichtesten, wenn er in dumpfem Leben solcher Geistigkeit überhaupt fremd bleibt.

Das war nun bei den Massen der deutschen und polnischen Klein­

bürger, Bauern und Landarbeiter Posens, hier mehr, dort weniger} oft aber in recht hohem Maße der Fall — selbst 1848 noch. Als die Gene­

ration, die 1848 in voller Manneskraft stand, um 1800 bis 1820 die Schule besuchte, war die Volkserziehung noch recht dürftig, so daß in den deut­

schen Streusiedlungen die Kinder oft nicht richtig hochdeutsch lernten.

,,Ein höchst verdorbener kassubisch-plattdeutscher Dialekt“ soll damals dort gesprochen worden sein.3) Für das nationale Erwachen war daher die Verbreitung der Beherrschung der deutschen Schriftsprache und die Hebung der Bildung unter den deutschen Bauern durch die preußische Volksschule und den Heeresdienst von größter Bedeutung. Sie besserte diese Verhältnisse rasch und trug auch zur wirtschaftlichen Förderung bei.

Von ähnlicher Wichtigkeit war es, daß die Juden-Verordnungen der dreißiger Jahre die jüdischen Gemeinden der Posener Kleinstädte nötigten, ihren Kindern eine Erziehung in deutscher Sprache (nicht im Jargon) zu preußischen Staatsbürgern zu geben. So wuchs auch das Judentum allmählich hinein in den preußischen Staat und die deutsche Kulturgemeinschaft und konnte sich 1848 mit Wort und Tat in die Deutschposener Bewegung einreihen.

Der umfassende Ausbau des Volksschulwesens durch den preußischen Staat, der gerade während des ersten Menschenalters nach 1815 in der Provinz Posen gewaltige Fortschritte machte, hat für diese — bis zum heutigen Tage! — eine Bedeutung, die schwer unterschätzt werden kann.

Indem die preußische Schule der niederen Bevölkerung deutscher wie polnischer Herkunft die Anfänge der Bildung vermittelte, machte sie sie fähig zu bewußtem Ergreifen ihres Volkstums und half damit, den späteren Nationalitätenkampf vorzubereiten, dessen Entwicklung ohne die Einsicht von der nur gradhaften Anteilnahme des einzelnen an allem Geistigen und so auch am inneren Leben seiner Volkheit schwerlich begriffen werden kann.4)

3) N a c h d en B e m e rk u n g e n D a n n h a u e r s ü b e r d ie S p ra c h e n v e r h ä lt­

n isse in P o sen zu P esc h ells „ K a r t e des R e g ie ru n g s -D e p a rte m e n ts P o s e n “ v o n 1833. (P rS tB ) — N o ch j e t z t w ird in d en d e u tsc h e n S ied lu n g e n K o n g re ß p o le n s u n d W o lh y n ie n s die p la ttd e u ts c h e M u n d a r t als k a s c h u - b isc h b e z e ic h n e t. — U e b e r d en R ü c k g a n g des P o se n e r D e u ts c h tu m s im 17. u n d 18. J h d t. vgl. W u ttk e S. 222 f.

4) I m J a h r e 1816 b e s u c h te n im G h z t. P . n u r 17% a lle r sc h u l­

p flic h tig e n K in d e r die S ch u le — 1838 b e r e its e tw a 62% ! 1816 k a m in P o se n ein e S c h u le a u f 1030 E in w o h n e r (im D u r c h s c h n itt des p r e u ­ ß isc h e n S ta a te s a u f 500) — 1855 a b e r a u f 670 ( S ta a ts d u r c h s c h n itt 685).

E in e u n g e h e u re K u ltu r le is tu n g in so k u r z e r Z e it! (N a ch Jo c h m u s, D ie m a te rie lle u n d g eistig e E n tw ic k lu n g des G h tz. P ., Zs. f. p re u ß . G e sc h ic h te u. L a n d e s k u n d e I I I S. 170 ff., 1866, u n d H . B e rg h a u s, K l. g e o g r a p h .- s ta tis t. A tla s d e r p r e u ß . M o n a rc h ie, G o th a 1842). W ei­

te r e Z a h le n g ib t L a u b e rt, D ie V e rw a ltu n g d er P ro v in z P ., S. 249 ff.

(13)

Nationale Bedeutung von Schule und Kirche 3 Zu preußischem Staatsbewußtsein wurde auch der polnische Bauer erzogen: in der Schule, im Heere, durch die wirtschaftliche Förderung, die er vom preußischen Staate erfuhr. Am Leben der polnischen Volk­

heit hatte er so gut wie gar keinen Anteil: das war ein Ergebnis der polnischen Geschichte. Ein Gefühl gesamtvölkischen Zusammenhangs mit dem Adligen kannte er nicht, er sah in ihm den früheren Herrn, aus dessen drückender Knechtschaft ihn erst die preußischen Regu­

lierungsgesetze befreit hatten. Dem preußischen König, der ihn zum freien Mann gemacht hatte, war er treu ergeben, gerade wie der deutsche Bauer. Das polnische Landvolk stand eben auf einer niedrigen Stufe nicht nur wirtschaftlicher Entwicklung, sondern auch nationalen Bewußt­

seins. Daher wurde sein ganz unentwickeltes polnisches Volksgefühl leicht vom preußischen Staatsbewußtsein verdrängt. Es bestand also die Möglichkeit, daß es so auf dem Wege über die preußische Teilvolk­

heit in das deutsche Gesamtvolk übergeführt und seinem ursprünglichen Volkstum entfremdet werden könnte.

Was den Polen aber von den meisten Deutschen trennte, das war das r e l i g i ö s e B e k e n n t n i s : die katholische Geistlichkeit hat den polnischen Bauern schließlich seinem Volkstum erhalten. Und auch sie verdankte die Hebung ihrer Bildung, die mit eine Voraussetzung dafür war, nicht zuletzt dem preußischen Staat! Der langwierige Streit, der zwischen dem preußischen Staat und der katholischen Kirche, damals den beiden stärksten Kräften im Leben des Posener Landes, Ende der dreißiger Jahre entbrannte, ließ auch die völkischen Verhältnisse des Landes nicht unberührt. Der damals vom westlichen Katholizismus wieder stärker betonte Gedanke, daß der Staat doch nur eine Ordnung des diesseitigen Lebens sei, konnte hier im Osten, wo Staat und Volk nicht wie in den westlichen Nationalstaaten zusammenfielen, leicht im polnisch-nationalen Sinne benutzt werden, und umgekehrt das schlum­

mernde Volksgefühl leicht für kirchliche Zwecke eingespannt werden.5) Da wurde es von großer Bedeutung, daß 1845 in Leo Przyluski ein ehr­

geiziger Mann von national-polnischer Richtung den erzbischöflichen Stuhl bestieg, der nach der Führung des nationalen Lebens strebte.6) Die Schritte, die er 1846 und 1848 tat, sind von hier aus zu verstehen, und von hier aus wird auch die Schärfe der feindlichen Haltung ver­

ständlich, welche die Deutschposener Bewegung — diese Zusammen­

hänge wohl mehr dunkel ahnend als klar erkennend — gegen seine Person und gegen das Weiterbestehen des Erzbistums in den bisherigen Grenzen einnahm.

5) Vgl. M einecke; R a d o w itz u n d d ie d e u tsc h e R e v o lu tio n , S. 534.

— A m 30. 10. 44 s c h re ib t d e r O b e rp rä s id e n t v. B e u rm a n n : „ I c h zw eifle n ic h t d a ra n , d aß , w en n w ie d e ru m e in B ru c h zw ischen S ta a t u n d K irc h e . . . sic h e re ig n e n so llte, die g e sa m te k a th o lis c h e G e is tlic h k e it d e r P r o ­ v in z P. uns fe in d lic h g e g e n ü b e rste h e n u n d n eb e n d en g eistlic h e n W affen a u c h v o n d e n n a tio n a le n G efü h le n d e r B e w o h n er d e r P ro v in z gegen u n s G eb rau c h m a ch e n w ü rd e .“ (A n g e fü h rt v o n L a u b e rt, G ren zm k . H e im a tb l. I I I , 2, S c h n e id e m ü h l 1927).

6) Vgl. L u d w ig B e rn h a rd , D ie P o len fra g e, S. 376 f. (3. A ufl. 1920).

1*

(14)

Was die katholische Kirche für die Entwicklung des Polentums bedeutete, das konnte die evangelische für die Deutschen nie werden:

ihr fehlte der hierarchische Aufbau, und sie war Staatskirche! Einzelne Pastoren haben sich 1848 in den deutschen Komitees einzelner Orte nach ihren Kräften betätigt; gelegentlich waren auch Rücksichten auf den evangelischen Glauben wirksam — im ganzen aber war der Schwung deutschen und preußischen Empfindens viel zu stark, als daß die kon­

fessionellen Kräfte hätten aufgerufen werden müssen. Eine gewisse protestantische und liberale Abneigung gegen den Katholizismus macht sich freilich häufig bemerkbar.

Deutsch und evangelisch, polnisch und katholisch fallen ja im preu­

ßischen Osten vielfach zusammen und wurden auch oft synonym ge­

braucht. Etwa 5 bis 6% der Katholiken waren Deutsche, und nur y2%

der Evangelischen Polen. Die deutschen Katholiken waren Bauern und Kleinbürger im Westen und Südwesten der Provinz, zum großen Teil im überwiegend deutschen Gebiet; die wenigen Tausende evangelischer Polen lebten in den Kreisen Adelnau und Schildberg, dazu im angren­

zenden Schlesien. Soweit diese kleinen Gruppen verstreut unter Fremd­

völkischen gleichen Bekenntnisses lebten, standen sie vor der Gefahr langsamer Entvolkung: das Jahr 1848 sollte das deutlich erweisen.

Die Konfessionsstatistik gibt auch die einzigen sicheren Anhalts- punktefür die Feststellung des ziffernmäßigen Verhältnisses beider Völker.7) In den zeitgenössischen Flugschriften wird gewöhnlich von 500 000 Deut­

schen und 700 000 Polen gesprochen. Die zuverlässigste neuere Berech­

nung nimmt 804 000 Polen, 453 000 christliche Deutsche und 81 000 Juden an. Für die einzelnen Kreise sind zuverlässige Ziffern nicht zu ermitteln.

Es genügt festzuhalten, daß die 6 Kreise an der Westgrenze überwiegend deutsch, die Kreise Wirsitz, Bromberg, Schubin, Hohensalza, Obornik, Posen, Buk, Kröben und Krotoschin ungefähr zu gleichen Teilen gemischt waren, zum Teil mit geringen polnischen Mehrheiten; im Osten und Süd­

osten der Provinz herrschten die Polen bei weitem vor. Auch hier waren eine Anzahl deutscher Hauländereien und Kolonien eingesprengt, dazu kamen die staatlichen Beamten und die hier besonders zahlreichen Juden in den Kleinstädten. Eine klare Abgrenzung der Völker war damals in Posen ebensowenig möglich wie später, ist aber 1848 trotzdem ver­

sucht worden.

7) Z u r B e v ö lk e ru n g s s ta tis tik vgl. E . v. B e rg m a n n , Z u r G esc h ic h te d e r E n tw ic k lu n g d e r d e u tsc h e n , p o ln isch e n u n d jü d is c h e n B e v ö lk e ru n g in d e r P ro v in z P o se n (T ü b in g en 1883), M. L a u b e r t in d e n G ö tt. Gel.

Anz. 1913 S. 390 f. (gegen die E n ts te llu n g e n v o n H a n s S ch m id t) u n d Ilse R h o d e , D as N a tio n a litä te n V erh ältn is in P. u n d W e s tp re u ß e n zu r Z e it d e r p o ln isch e n T eilu n g en , D W Z, H . 7 (P. 1926). D ie V erf. w e ist n ac h , d a ß sic h d as Z a h le n v e r h ä ltn is b e id e r V ö lk er z u e in a n d e r w ä h re n d des 19. J h d ts . n ic h t w e se n tlic h g e ä n d e r t h a t. — G en au e sp ra c h e n - u n d k o n fe s s io n s s ta tis tis c h e A n g ab e n ü b e r die e in z e ln e n K re is e n a c h d e r V o lk sz ä h lu n g v o n 1846 e n t h ä l t e in A u szu g au s d en M a te ria lie n des S ta tis tis c h e n A m ts in R e p . 77 t i t . 539 I a d h . 2 f. 42, u n g e fä h re Z a h le n ü b e r d ie N a tio n a litä te n v e r h ä ltn is s e d ie D e n k s c h rift ü b e r die P o len im G h zt. P . 1847 (N a c h la ß W ilh e lm s I ., H aA ).

(15)

Bevölkerungsstatistik — Bauerntum 5 Fast 40% der deutschsprechenden Bevölkerung lebten um 1860 in Städten, von der polnischen nur etwa 16%, die sich zumeist von den niederen Handwerken oder als Ackerbürger ernährten. In der ländlichen Bevölkerung war unter den Deutschen das bäuerliche Element erheblich stärker als unter den Polen.8) Viele von diesen waren Landarbeiter, die von ihren Gutsherren in jeder Hinsicht abhängig waren („komorniki“).

Ihr Landhunger machte es den Herren 1848 leicht, dies unzufriedene Agrarproletariat für die Revolution zu begeistern. Doch der polnische Adel, stets das unruhige Element der Provinz, der alleinige Urheber der Insurrektionen von 1846 und 1848, hatte bei dieser nationalen Erhebung ganz andere Ziele als die, mit denen er die Arbeiterschaft für sich gewann.

Er konnte die Zeiten, da er in Polen herrschte, so leicht nicht vergessen;

der Gedanke der Wiederherstellung eines freien polnischen Staates stimmte durchaus mit seinen Klasseninteressen überein. Für die Ent­

wicklung der unteren Schichten seines Volkes hat er so gut wie gar nichts getan. Er wußte wohl, warum er der Ausführung des Gesetzes über die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse von 1823 so beharr­

lichen Widerstand entgegensetzte, und Flottwell wußte ebensogut, warum die Ausführung so wichtig war. Die Hauptarbeit der Regulierung wurde, besonders dort, wo die Verhältnisse etwas schwieriger lagen, erst in den vierziger Jahren geleistet, so daß wahrscheinlich ein erheblicher Teil der polnischen Bauern zür Zeit der Märzrevolution noch ganz unter dem Eindruck der Befreiung stand. , Bei den Aufstandsversuchen im Winter 1845/46 zeigte der polnische Bauer die gleiche Treue zu Preußen wie der deutsche; das konfessionelle Moment brachte sie nicht in feind­

lichen Gegensatz.9)

Die d e u t s c h e n B a u e r n standen aber zum größten Teil nicht unter dem unkontrollierbaren Einfluß des polnischen Klerus. Für sie gab es keine andere Autorität als den König und seinen Landrat. Sie standen meist auch geistig und wirtschaftlich auf höherer Kulturstufe als die Polen: so konnten sie als ,,der kräftigste und bestgesinnte Teil der Provinz“ , als ,,das wesentlichste Element zur Festsetzung des Gouver­

nements“ gelten.10) Neue Ansiedlungen deutscher Bauern durch den preußischen Staat waren damals erst in geringem Umfang erfolgt.

Die evangelischen deutschen Dörfer waren auch in rein polnischer Umgebung in ihrem Volkstum durchaus sicher. Die kirchliche Zugehörig­

8) D ie K re ise , in d en en d e r G ru n d b e sitz u n te r 30 M orgen überw o g , h a t te n f a s t alle ein e d e u tsc h e M e h rh e it (v. B e rg m a n n S. 37). — S.

a u c h K. R eis, D ie p o ln isch e B a u e rn s c h a ft P osens i. J. 1848, H M X I.

S. 177 - 189 (1910).

9) E u g e n e d e B rez a, D e la ru s s o m a n ie d a n s le G ra n d -D u c h e de P. (1846). Z e itu n g s b e ric h te d e r B ro m b e rg e r R e g ie ru n g au s d em W in te r 1845/46 (R ep. 89 B X ). — Vgl. L. B e rn h a rd , D ie P o len fra g e, 3. A ufl.

S. 91 f.

10) Vgl. h ie rz u d ie a n g e f ü h rte D e n k s c h rift „ D ie P o le n im G hzt. P.

im F r ü h ja h r 1847“ , die vo n ein em u n g e n a n n te n h ö h e re n B e a m te n o d er O ffizier d em P rin z e n W ilh elm e in g e re ic h t w u rd e. Sie w ird a u c h im fo lg en d e n m e h rfa c h heran g ezo g en .

(16)

keit bedeutete damals noch mehr als die nationale, besonders — aber nicht ausschließlich — in den niederen Kreisen. In den bildungslosen und armen Schichten gab es viele eigentlich volklose Zweisprachige.

Die deutschen Katholiken im überwiegend polnischen Gebiet gingen auf diese Weise langsam dem Deutschtum verloren.11) Lange war es in den Städten so gewesen, daß der sozial aufsteigende Pole deutsche Bildung und Sprache annahm und der wirtschaftlich heruntergekommene Deutsche im Polentum versank. Und dies kam oft vor in jenen Jahr­

zehnten, da die deutsche Tuchmacherei im Westen der Provinz, ge­

schwächt durch die russische Grenzsperre, der jungen kapitalistischen Textilindustrie des inneren Deutschland erlag, und die Posener Klein­

städte überhaupt mit der Zeit immer weniger Schritt halten konnten.12) Im ganzen aber haben Handel und Handwerk im ersten Menschen­

alter nach der preußischen Wiederbesitzergreifung durchaus teilgenommen am Aufschwung der gesamten deutschen Wirtschaft, ja ihn in einigen Punkten verhältnismäßig noch übertroffen. In der Zeit von 1822 bis 1846 hatte keine der Nachbarprovinzen eine ähnliche Vermehrung der handwerklichen Betriebe und eine ähnliche relative Zunahme der Be­

triebsgröße aufzuweisen wie Posen; in der Mehrzahl der statistisch erfaßten Gewerbe hatte sich sowohl die Zahl der Meister wie die der Gesellen und Lehrlinge stärker vermehrt als im Durchschnitt des preu­

ßischen Staates. Für überwiegende Teile des Kleinbürgertums war also ebenso wie für das Bauerntum eine erhebliche Wandlung der wirtschaft­

lichen Verhältnisse eingetreten, die eine Wiederaufrichtung der polnischen Herrschaft nicht verlockend machte.13)

D ie Z a h le n d e r fü r eig en e R e c h u n n g A rb ei- G esellen u. L e h rlin g e

te n d e n b e t r u g e n : 1822 1846 1822 1846

in ganz P reußen:... .. 285 490 420 568 151 757 345 608 in der Provinz Posen .. 18 673 29 118 6 005 18 052 Die Zahl der Meister 1822 verhält sich zu der 1846 in ganz Preußen wie 100: 147, in Posen wie 100: 156. Die Zahl der auf 100 Meister entfallen­

den Gehilfen betrug 1846 in ganz Preußen 82, in Posen 62; trotz ihrer erheblicher Zunahme war also die Betriebsgröße der rein handwerklichen Betriebe geringer und die Zahl der Alleinbetriebe relativ größer geblieben als im Staatsdurchschnitt. Das mußte sich 1848 politisch dadurch be­

merkbar machen, daß die Wirtschaftskrise der vorangehenden Jahre

u ) B e isp ie le g eleg e n tlic h in d en k a th o lis c h e n P e titio n e n au s d em F r ü h ja h r 1848 (R ep. 77 tit . 503 N r. 22 vol. 1—4). Vgl. A b s c h n itt IV .

12) Ü b er d a s H e ra b s in k e n d e r K le in s tä d te s. W u ttk e S. 231. — D ie E in w o h n e rz a h le n d e r P oseftsch en S tä d te w a re n d a m a ls ä u ß e r s t g erin g , a u c h im V erg le ich m it d en N a c h b a rp ro v in z e n . P o sen h a t t e 1838 32 755 E in w o h n e r, B ro m b e rg 7390, M e seritz 4598, L issa 8727, K ro to s c h in 6337, G nesen 5772. (B resla u 88 779, D a n z ig 56 257, F r a n k f u r t a. O. 23 378, K o ttb u s 8219). (N ach W . F. C. S ta rk e , B e iträ g e z u r K e n n tn is d e r b e s te h e n d e n G e ric h tsv e rfa ssu n g usw ., I I I A tla s, B e rlin 1839).

13) Vgl. S te n o g ra p h . B e ric h te d e r 1. K a m m e r v. 19. 1. 50 (S.

2298 ff.).

(17)

Wirtschaftliche und kulturelle Verhältnisse in den Städten 7 sich in Posen verhältnismäßig weniger scharf auswirkte als in den wirt­

schaftlich weiter entwickelten Provinzen, die mit den schwierigen sozialen Fragen der beginnenden Industrialisierung zu tun hatten — daß in der deutschen revolutionären Bewegung also diese Fragen um so mehr in den Hintergrund traten gegenüber den nationalen. Ernste soziale Pro­

bleme gab es damals in Posen nur auf polnischer Seite, verbunden mit den agrarischen.

D e r M i t t e l s t a n d u n d d i e h ö h e r e n S c h i c h t e n d e s B ü r g e r t u m s waren rein deutsch und durchaus staatstreu.

Der deutsche Bürger war unter preußischer Herrschaft wieder wie im Mittelalter zum Träger des Fortschritts geworden. Seit Flottwell seine Tatkraft der Schaffung eines „achtbaren Mittelstandes“ zugewandt hatte, begann in so mancher kleinen Stadt nach der Einführung der revidierten Städteordnung (seit 1834) rechter deutscher Bürgersinn emporzukeimen, und sich in .Verschönerungs- und Geselligkeitsvereinen ein erstes Tätigkeitsfeld zu suchen.14) Auch auf dem Gebiet des Geistes­

lebens, in dem das Posener Land solange zurückgestanden hatte, begann das Posener Deutschtum seine Kräfte zu erproben; wesentlichen Anteil hatte dabei wohl die Beamtenschaft. So entstanden der Posener Kunst­

verein, der Wissenschaftliche Verein in Meseritz u. a. Das Theater der Hauptstadt konnte sich mit Hilfe von Gastspielen trotz seiner schwierigen Lage auf ganz anerkennenswerter Höhe halten und auch seine nationale Aufgabe im Sinne der Zeit erfüllen.l5) Eine tüchtige deutsche Presse konnte sich allerdings in dem armen und solange vernachlässigten Lande nicht entwickeln. Die „Zeitung des Großherzogtums Posen“ (in deutscher und polnischer Ausgabe) blieb die einzige Tageszeitung und hat sich im Vormärz nie recht entwickelt, wenn auch Flottwell den Wert einer guten deutschen Zeitung in Posen bereits klar erkannt hatte. Was an Unterhaltungsblättern in deutscher Sprache erschien, konnte mit den polnischen Zeitschriften, die in jener Blütezeit geistiger Kultur des Posener Polentums herauskamen, nicht wetteifern und behielt ein kleinstädtisch­

lokales oder konfessionelles Gepräge. Das bürgerliche Leben sollte hier noch lange einen ganz kleinstädtischen Anstrich behalten; in der Landes­

hauptstadt war ein kräftiges Bürgertum eben erst im Entstehen und noch ganz mit seinen Gemeindeangelegenheiten beschäftigt. Posen blieb länger im Biedermeier stecken als andere deutsche Landschaften.

Wenn man sich schon mit Politik befaßte, dann wandte man sich der großen Lebensfrage des preußischen Staates, dem Verfassungsproblem, zu. Doch von jenem leidenschaftlichen Drange, der das politische Leben von Breslau und Königsberg damals beherrschte, war hier nichts zu ver­

spüren. Zur Zeit des Provinziallandtags von 1841 drängte die Posener Bürgerschaft den Oberbürgermeister Naumann dazu, im Landtag für

14) V g l.L a u b e r t, E duard. F lo ttw e ll, S. 51 f. u. S. 66; W u ttk e S. 234;

J a ffe , K ap . IV . U e b e r d. S tä d te o r d n u n g . L a u b e rt, F B P G 4 2 S. 31-77 (1929) 15) Ü b er T h e a te r u n d P re sse vgl. L a u b e rts „ S tu d ie n z u r G esc h ic h te d e r P ro v in z P. in d e r 1. H ä lf te des 19. J h d t s . “ (P. 1908).

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die Berufung der Reichsstände einzutreten; das scheiterte am Widerstand der Polen, welche die engere Verbindung der einzelnen Provinzen unter­

einander fürchteten.16) Sie wünschten im Großherzogtum eine Sonder­

stellung zu erhalten — ein Wunsch, mit dem weder das deutsche Bürger­

tum noch Regierung und Krone sich einverstanden erklären konnten.

Verstimmung und Enttäuschung in der Verfassungsfrage brachten in den folgenden Jahren allerdings eine vorübergehende Annäherung zwischen dem liberalen Bürgertum und dem polnischen Adel zu gemein­

samer Opposition: das beweist die Haltung: der Deutschen auf dem Provinziallandtag von 1843. Man hegte im Posener Bürgertum, der Zeit entsprechend, starke Sympathien für die kulturelle Entwicklung des Polentums — die Polenschwärmerei des deutschen Südens und Westens mit ihren politischen Zukunftshoffnungen war hier jedoch unmöglich.

Marcinkowski, der Posener Arzt, hatte sich bei seinen für die polnische Zukunft so wertvollen Arbeiten oft der Unterstützung seiner deutschen Mitbürger zu erfreuen. Dem von ihm gegründeten „Verein zur Unter­

stützung der lernenden Jugend“ versagten sie auch 1848 ihre Anerkennung nich t.17) „Sein Leichenbegängnis war für ihn und für die Deutschen im Großherzogtum Posen ein Gedenkstein... Da haben die Deutschen gezeigt, wie sie über eine wahre Befreiung Polens denken. Kurz nach jener Revolution (1846) haben sie ihm, dem siegreichsten Kämpfer für das Polentum eine Teilnahme bew iesen..., die von der seiner Lands­

leute nicht übertroffen wurde.“

Zum höheren Bürgertum gehörte auch, wenngleich zuweilen etwas in sich abgeschlossen, die o b e r e B e a m t e n s c h a f t ,18) Haupthebel der Germanisierung war sie keineswegs, sie war schon zahlenmäßig zu schwach dazu. Von den älteren Beamten gehörte der größte Teil wider­

spruchslos ins alte System. Unter den jüngeren hingegen, besonders den Oberlehrern, gab es manchen, der innerlich mehr dem neuen Gedanken des Liberalismus zuneigte und in den Frühjahrswochen von 1848 an führende Stelle in der deutschen Bewegung trat. Die Märzrevolution hat hier die Geister rasch geschieden. Sie alle hatten ihre wissenschaft­

liche Ausbildung in der höchsten Blütezeit des deutschen Geisteslebens erhalten, mehrere von ihnen waren z. B. Hörer Hegels gewesen. Die meisten von ihnen waren dem Lande ihres Schaffens fremd und stammten aus Preußens alten Provinzen, aus Mecklenburg, Thüringen oder Sachsen.

Bei der Zurückhaltung der Polen fanden sich nicht genügend aus der

16) T re its c h k e , D e u tsc h e G esc h ic h te im 19. J h d t., Bel. V S. 143.

17) Vgl. A r t u r K ro n th a l, K a ro l M arc in k o w sk i (1925). B rie f v o n P ro f. L oew a n W u ttk e , 6. 5. 48 (V W D SO I I) .

18) Vgl. W u ttk e S. 236, J a ffe S. 186; Jo c h m u s, D ie m a te r ie lle u n d g eistig e E n tw ic k lu n g (s. A n m k g . 4); d a z u L a u b e r ts A rb e ite n .

— -«Ferner sin d zu m F o lg e n d e n b e n u t z t die g e n a n n te D e n k s c h rift ü b e r die P o le n im G h zt. P ., ein e D e n k s c h rift au s d em N a c h la ß F r ie d ric h W ilh e lm s IV . (H aA ) ü b e r die V e rw a ltu n g v o n P ., d ie w ohl a u s d e m K re ise se in e r p o ln isch e n F re u n d e s ta m m t, u n d d ie ih m 1846 a u s M e se ritz e in g e re ic h te E in g a b e (R ep. 77 t i t . 539 I vol. 1 f. 1 , f.)

(19)

Das höhere Bürgertum 9 Provinz stammende Bewerber für die höheren Beamtenstellen; die Deutschen waren meist zu arm und geistig-gesellschaftlich zu wenig entwickelt, als daß viele ihrer Söhne hätten zur Universität gehen können. Daher fehlte den Beamten oft der notwendige Zusammenhang mit den Landeseinwohnern. Die polnischen höheren Schichten hielten sich in ihrer entschiedenen Abneigung gegen alles, was preußisch hieß, den deutschen Beamten gegenüber äußerst zurück. So kam zu der Armut des Landes an geistigem Leben häufig genug noch die gesellschaftliche Isolierung — kein Wunder, wenn der Beamte nicht heimisch wurde im Osten und sich möglichst bald wieder fort wünschte. Kein Wunder auch, wenn es oft genug nicht die Besten des preußischen Beamtentums waren, denen man die schwierigen Aufgaben des Grenzlandes anvertraute.

Dazu kamen alle die Klagen, denen der preußische Beamtenstaat stets ausgesetzt war: über Beamtenwillkür, bürokratische Engherzigkeit, schleppenden Geschäftsgang usw. Der gebildete Deutsche in Posen begriff sehr wohl, wieviel gerade in dieser Provinz auf die Vertreter der Staatsgewalt ankam. 1846 forderte eine Immediateingabe sorgfältigere Auswahl der Verwaltungsbeamten, bessere Berücksichtigung der beson­

deren Posener Verhältnisse, mehr persönliche Kenntnis des Landes unter den Beamten und Vereinfachung des Geschäftsganges.

Auch das g e b i l d e t e u n d b e s i t z e n d e J u d e n t u m wuchs mehr und mehr in diese Kreise der höheren Bürgerschaft und des Beamtentums hinein, die dann die Leiter der Bewegung von 1848 wurden.

Die jüdische Intelligenz und die reicheren Kaufleute hatten sich die Werte der deutschen Kultur in steigendem Maße erschlossen und be­

gannen sich mehr und mehr als Deutsche zu fühlen und aus ihrer Abge­

schlossenheit herauszustreben.19) Diesen Kreisen waren seit 1833 die gleichen Rechte verliehen worden, wie sie die Juden in den übrigen Pro­

vinzen seit 1812 besaßen. Ihnen stand das Judentum der meisten Klein­

städte gegenüber, das oft genug noch mehr oder weniger tief in östlicher Unkultur stak. Diese Juden, die in manchen Städtchen über die Hälfte der Bewohner ausmachten, bekannten sich nur sehr ungern zu einer Nationalität. Mit Recht, denn sie hatten an der deutschen und erst recht an der polnischen Volkheit nur ganz geringen Anteil. Die allge­

meine Schulpflicht und die Erziehung in deutscher Sprache und zu preußischen Staatsangehörigen hatte ja erst seit wenigen Jahren auf sie einwirken können.20) Sie lebten meist in Armut und Elend von den niederen Handwerken, dem Schankgewerbe, dem Kleinhandel, dem Leihgeschäft oder auch bloß vom Schacher. Durch ihre Geldgeschäfte hatten sie den polnischen Adel und das polnische — oft wohl auch das deutsche — Bauerntum in ihre Abhängigkeit und oft ins Verderben

19) Vgl. L a u b e rt, D ie V e rw a ltu n g d e r P ro v in z P. K ap . 23 (B reslau 1923), J a ffe S. 177 f. Z u r S ta ti s tik s. E . v. B e rg m a n n u n d I. R h o d e a. a. O.

20) Vgl. A dolf W a rsc h a u e r, D ie E rz ie h u n g d e r J u d e n in d e r P ro v in z P o se n d u rc h d as E le m e n ta rsc h u lw e se n , Z schr. f. Gesch. d. J u d e n tu m s I I I , S. 2 9 - 6 3 (1883).

, La

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