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Die Naturwissenschaften. Wochenschrift..., 11. Jg. 1923, 14. Dezember, Heft 50.

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN

Elfter Jahrgang. 14. Dezem ber 1923. H eft 50.

Die Digitalis und ihre therapeutische Anwendung.

Von Ernst Edens, St. Blasien.

„ D ie D ig ita lis und ihre therapeutische A n ­ wendung-“ b ildet den In h a lt eiines Büchleins von 119 Seiten, das die holländischen, Ä r z te und F o r ­ scher Bijlsma, Hijm ans van den Bergh, Magnus, Meulenhoff und Roessingh im A u ftr ä g e des n ieder­

ländischen R oich sin stit u tes fü r pharnxalkothera- peutische Untersuchungen geschrieben haben1).

D ie A rb e it verd ien t unsere A u fm erk sa m k eit nicht nur w egen des interessanten Gegenstandes, den sie behandelt, sondern auch w egen der A r t, w ie sie entstanden ist. Im Jahre 1920 w urde auf E r ­ suchen der niederländischen, R e g ie ru n g ein

„R ijik s-In stitu u t voor pharimaeo-therapeutisch onderzoek“ gegründet. D er V orstan d w ird von 7 ordentlichen und 14 außerordentlichen M itg lie ­ dern gebildet und von K linikern,, Pharm akologen, B akteriologen, A pothekern unterstützt, die unter L e itu n g eines Vorstandsm itgliedes in -den vorhan­

denen K lin ik e n oder La b ora torien arbeiten. A lso gewissermaßen ein In s titu t ohne In stitu t, ohne eigene Gebäude, olmte kostspielige Organisation.

Zunächst beschränkte sich das In s titu t darauf, A rzn e i- und G eheim m ittel untersuchen zu, lassen und d ie E rgebnisse in der F o rm von M itteilu n gen allen holländischen Ä rzten und A pothekern zu überm itteln. Dann aber ließ das In s titu t auch über besonders w ic h tig e A rz n e im itte l zusammen­

fassende A rb eiten erscheinen, in denen das fü r die P ra x is W issenswerte d argestellt w ird. W ie ernst diese A u fg a b e genom m en w urde, z e ig t die vorliegende B earbeitu ng der D ig ita lis . F ü n f er­

fah ren e Fachleute, T h eoretik er und P rak tik er, sind berufen worden1, um das kleine Buch zu schreiben, und zwar n ich t etwa so, daß der eine dies, der andere jenes K a p ite l b rin gt, sondern', sie zeichnen gemeinsam vera n tw o rtlich fü r d ie V e r ­ ö ffen tlich u n g. D a m it w erden in vorbildlich er F o rm T h eorie und P raxis, die E rgebnisse des Tierversuches und die E rfah ru n gen am: kranken Menschen m iteinander verschmolzen, die la n g­

ersehnte B rücke zwischen Laboratoriu m und K ran ken bett in glücklicher, harm onischer K o n ­ struktion geschlagenl.

Daß nun die D ig ita lis an erster S telle au f d ie L is te gesetzt wurde, ist kein Z u fa ll — ist sie doch eins unserer wirksam sten M itte l, das besonders h ä u fig angewandt, eingehend studiert, dabei

schw ierig zu beu rteilen umd' zu handhaben ist und im m er noch genügend ungeklärte F ra g en bietet, um das Interesse izu fesseln.

D ie älteste K u n d e vom F in gerh u t stammt aus Irla n d , das v ie lle ic h t als Stammland der P fla n ze anzusehen ist; die D ig ita lis w urde h ier etwa seit dem Jahre 1000 als äußeres H e ilm itte l gegen Kopfschm erz, Schwellungen, Beulen, Abszesse und Lähm ungen gebraucht2). D ie erste genauere B e­

schreibung m it einer fü r d ie dam alige Z e it guten Abbildung- g ib t Leonard Fuchs in seinem N ew Kräuterbuch (1 5 4 3 ); von ihm stam m t auch der lateinische N am e D ig ita lis purpurea. Über die W irk u n g sagt er unter anderm : „ d ie F in gerh u t- kreutter gesotten und' getrunken, zerteylem die grobe feu ch tigk eit, seubern und reynigen, nemen hinw eg die Verstopfung der! leber und anderer in ­ wendigen g lid e r“ . Nachdem schon Erasmus Darwin 1780 auf die wassertreibentde W irk u n g der D ig ita lis hingew iesen hatte, erschien 1785 die berühmte, a:uf zehnjährige Beobachtungen ge­

stützte Abhandlung Witherings A n account o f the fo x glove and some o f its m edical uses; w ith prac- tical remarks on dropsy and other diseases. Es ist von hohem R eiz, zu sehen, w ie er allm ählich in die verw ick elte W irk u n g des M ittels ein d rin gt und schließlich zu einer V o rs c h rift gelangt, die man auch heute nioch gelten lassen kann. Dabei ist sich Withering klar darüber, daß die aus der E rfa h ru n g am K ran k en b ett gewonnenen R egeln nur ein S ch ritt au f dem W e g e der E rkenntnis sind und als w eiteres Z ie l d ie chemische E r fo r ­ schung des M ittels anzustreben ist. A b er — „es ist nur zu bedauern, daß w ir bisher nur so kleine F ortsch ritte im der chemischen U ntersuchung tie ­ rischer und aus dem P fla n zen reich genommener Substanzen gem acht haben“ .

In den einundeinhalb Jahrhunderten, die nun bald seit der A r b e it Witherings verstrich en sind, hat man sich redlich bemüht, die Chem ie der D igitalisk örp er aufzuiklären. N ach m ancherlei Irru n g en und V erw irru n gen , die im einzelnen hier nicht wiedergegeben w erden sollen, wissen w ir heute, daß in den D igita lisb lä ttern ein in W asser sehr schwer, in A lk oh ol leich t lösliches k rista lli­

sierendes Glukosid enthalten ist, das D ig ito x in oder D igitalim e cristallisee, und fern er ein leicht in Wasser lösliches, m it Chloroform, ausschüttel- bares, bei E rw ärm u ng unter B ild u n g unlöslicher

2) Stenius, D ie Geschichte der D igitalis purpurea.

J. D., L eip zig 1916.

1) D ie deutsche Übersetzung ist von N eukirch be­

sorgt. iSie ißt ausgezeichnet gelungen und liest sich wie ein Original. (Berlin, Julius iSpringer, 1923. IV , 119 S., 32 Abbild, und! 1 Bildnis. Preis 5.60 Goldmark.)

N w . 1923. 124

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970 Edens: D ie D igitalis und ihre therapeutische Anwendung.

K ris ta lle in seiner W irk sam k eit stark zurück- behendes G lu k osid : das G ita lin . D er nach dem Ausschütteln m it C h loroform im K a lte x tra k t bleibende R est w ird Von W. Straub als D ig ita le m bezeichnet. F ü r d ie P ra x is ist d a m it allerdings noch n icht allzu v ie l gewonnen. Das D ig ito x in hat sich (nicht einzubürgern verm ocht, w e il u. a.

die therapeutische und toxische Gabe dicht bei­

einander liegen und) in fo lg e der 'starken K u m u la ­ tion des M ittels die G efah r von V e rg iftu n g e n naiheliegt; das G italin , unter dem N am en V ero- digen im H andel, ist noch neu. D ie Ä rz te wenden infolgedessen vorw iegen d die fo lia D ig ita lis als In fu s, P u lv e r oder T in k tu r oder in der F o rm von Handelspräparaten an, die entw eder alle oder einen T e il der wirksam en B lätterbestan dteile en t­

halten. B e i dieser A r t der D arreichu ng läßt sich aber die Dosis nich t einfach gew ich tm äß ig be­

stimmen, w eil keine reinen chemischen K ö rp er vorliegen , sondern der W irk u n g sw ert d er e in zel­

nen Präparate muß im Tierversu ch bestim m t und k o n tro lliert werden.

B ei der W ertbestim m ung der D igita lisk ö rp er geht mau nun so vor, daß man entw eder die Z e it bestimmt, nach der beim Frosch 1/5o des K ö r p e r ­ gewichts lOproz. In fu s das H e r z in Systole s till­

steht, oder die kleinste Dosis, d ie nach 1— 2 S tu n ­ den oder überhaupt systolischen H erzstillstan d herbeiführt. D ie wechselnde E m p fin d lic h k e it der Frösche macht es n ötig, diese jedesm al m it einem Standardpräparat zu prüfen. Das V e rfa h re n hat verschiedene M ängel. W ährend d er Som m er­

monate reagieren d ie Frösche zu ungleichm äßig, als daß man sie verw enden könnte. D a nur klein e M engen ein gespritzt w erden können, muß die Lösung kon zen triert sein, w obei die G efa h r der S ä ttigu n g besteht. D ie Frösche verh alten sich den verschiedenen D igita lisk örp ern gegenüber anders als der Mensch, im Froschversuch kann deshalb nur, in sofern man! fü r d en M enschen g ü l­

tig e W e rte sucht, der W irk u n gsw ert g le ic h a rtig e r D igita lisk ö rp er bestimmt werden. Deshalb is t die W ertbestim m u ng an W arm blütern, und zwar K atzen , vorzuziehen, obwohl sich nachweisen ließ, daß die Froschm ethoden in der H a n d geübter Untersucher Ergebnisse lie fe rn , d ie m it den im Katzenversuch erhaltenen übereinstim m en. B ei allen Bestim m ungen muß jedoch berü cksichtigt werden, daß das M itte l im T ierversu ch e in g e ­ spritzt, 'beim Menschen gew öhnlich per os gegeben w ird. D ie W irk u n g hängt beim M enschen also auch davon ab, w ie g u t das M itte l resorbiert und w ie w e it es unter Um ständen durch die V e r ­ dauungssäfte verän dert oder unwirksam gem acht w ird. F ü gen w ir hinzu, daß das m enschliche H e r z je nach der A r t seiner K ra n k h eit ganz verschieden a u f d ie D ig ita lis anspricht, so e r g ib t sich, w ie ich als K lin ik e r hier betonen möchte, der S ch lu ß : die beste W ertbestim m ung ist die s o r g fä ltig e B eob­

achtung des einzelnen Kranken.

E in e w ich tig e E rgänzung erfu h r d ie D ig ita lis - behandlung, als Fraser 1890 die in ih rem H e im a t-

r Die Natur- Lwissenschaften lande A fr ik a als P f e i l g i f t benutzten Strophanitns- samen einfüihrte. D ie W irk u n g w urde von Fraser durch einen Z u fa ll entdeckt. D ie Jagdtasche, in der sich die Strophantussamen befanden, barg auch die Zahnbürste des Forsch ers; als nach deren G e­

brauch eine m erkw ürdige P u ls Verlangsamung a u f­

trat, war der W e g bis zur H e rzw irk u n g des Stro- 'phantus n icht mehr w eit. W ie bei der D ig ita lis , so hat mainj sich auch bei den Strophantussamen bemüht, die wirksam e Substanz chemisch rein darzustellen. Dabei haben sich je nach der iStro- phantusart verschiedene K ö rp e r erg eb en ; man kennt je tz t wohl über ein Dutzend Strophantine.

Im H a n d el b efin den sich das amorphe Kom be- stropbantin und das k rista llisierte Gratusstro- phantini oder Ouabain. D ie Strophantine ergänzen die D igita lisk örp er insofern, als sie bei gleicher W irk u n g au f die H e rza rb eit andere B indu ngs­

verhältnisse zum H erzm uskel zeigen, d ie fü r die praktische A n w en du n g w ic h tig sind. W en n ein Froschherz m it einer eiben tödlichen S trophantin­

dosis in kleiner Flüssigkeitsm enge v e r g ift e t w ird, so fin d e t sich im H erzm uskel und in d er F lü s s ig ­ keit dieselbe Strophantinkonzentration, während bei D ig ito x in und D ig ita le in die K on zen tra tion im H erzm uskel sehr v ie l größ er ist. Das Strophantin w ird fern er rascher aufgenom m en und aus­

geschieden, läßt sich im T ierversu ch ans dem H erzm uskel auch leich t durch Auswaschen e n t­

fernen. D ie D igitalisk örp er, insbesondere das D igito x in , haften dem gegenüber v ie l fester, kön­

nen wochenlang im H erzm uskel bleiben. B e i länger fo rtgesetzter B ehandlu ng besteht in fo lg e ­ dessen d ie G efahr, daß sich übergroße M en gen im H e rze n amhäufen, kum ulieren und zu unerwünsch­

ten Erscheinungen führen. E s ' ist Sache des Arztes«, je nach der L a g e des F alles durch die rich ­ tig e W ä h l des Präparates, der Gabe und der D auer der A n w en du n g d ie erstreb te Besserung .der H e rz tä tig k e it ohne solche unerwünschten E r ­

scheinungen zu erzielen.

W ie e rk lä rt sich nun d ie w underbare W irk u n g der D ig ita lis auf das kranke H e rz, d ie das ge­

flü g e lte W o rt hat entstehen lassen: „ W e r w ollte w ohl ohne D ig ita lis A r z t sein?“ D as H e r z ist ein H ohlm uskel, der seinen In h a lt in d ie großen G e­

fäße entgegen dem in diesen herrschenden Druck zu pressen hat. Seine A r b e it berechnet sich aus der bei seiner Zusam m enziehung in d ie Gefäße gew orfen en B lu tm enge und dem W iderstand der Gefäße. W ir d der W iderstan d vergrößert, so kann das H e rz trotzdem das gleiche Sch lag­

volum en fördern , wenn es beim B egin n der Z u ­ sammenziehung stärker g e fü llt und dam it seine M u skelfasern stärker gespannt sind. J e größer der W iderstand, je schwächer das H e r z , um so stärker die E rw eiteru n g, die n ö tig ist, um das Schlagvolum en aufrechtzuerhalten. So betrachtet ist d ie E rw eiteru n g des H erzen s ein Maßstab fü r die K r a ft des H erzens. E rla h m t das H erz, so w ird trotz stärkster E rw eiteru n g, stärkster S teigeru n g der A n fa n g s fü llu n g und -Spannung

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W ep fer: D er gegen w ärtige Stand der geolog. Forschung. Historische Geologie. 971 Heft 50. ]

14. 12. 1923J

das Schlag volarnen kleiner, die F ü llu n g der Schlagadern sinkt und das B lu t staut sich in den V enen m it den bekannten Erscheinungen der Herzschwäche. A lle s das ändert sich, wenn man das erlahmende H e rz unter D ig ita lis setzt. U nter ihrem E influß w ird das H e r z b efä h igt, v o n g e ­ rin gerer A nfaingsfüllung und -ispannung aus ein größeres Schlagvolum en auszuwerfen, einen höhe­

ren W iderstand zu überwinden. F e rn e r e r fo lg t nun die K on trak tion rascher und das H e r z kann, wenn das Äußerste am Kraftanstreinigung von ihm verla n gt w ird, überhaupt einen größeren W id e r ­ stand bew ältigen als ohne D ig ita lis : >seine absolute K r a ft ist gesteigert. G le ic h ze itig w irk t d ie D ig i­

talis regelnd a u f die T ä tig k e it d er Gefäße. D ie bei Stauungszu,ständen ü b erfü llten G efäße der Baucheingeweide werden veren gert, d ie perip h eri­

schen Gefäße erw eitert, und zw ar zum T e il mecha­

nisch durch die aus den B auchgefäßen vertrieben e Blutm enge, zum T e il durch e in e h ie rm it verbun­

dene reflektorische R egelu n g. D ie als D ig ita lis ­ w irku ng besonders bekannte Pulsverlanigsam ung beruht beim W arm blü ter >auf einer unm ittelbaren R eizu n g des Vaguszentrum s durch das M it t e l; sie bleibt aus, wenn die langen herzhemmenden

N erven durchschnitten oder durch A tro p in g e ­ lähm t werden.

Das sind die durch zahlreiche s o rg fä ltig e T ie r ­ versuche gelegten Grundlagen., a u f denen der A r z t

fußt, wenn er b ei seinen K ra n k en D ig ita lis oder Strophantin anwendet. A b er m it diesen G ru n d­

lagen ist es nicht allein getan. D er kranke Mensch und das kranke M enschenherz bieten fü r die W irk u n g zum T e il andere B edin gu n gen als gesunde Versuchstiere. ' D er A r z t kann deshalb die im Laboratorium gefundenen R eg eln macht bedingungslos auf d ie Behandlung H erzkran ker übertragen. E r w ird bald hier, bald dort auf Abweichungen stoßen. T h eo retik er und P ra k tik er müssen dann zusammenhelfen, um nach G esetz­

m äßigkeiten zu suchen, die solchen Abw eichungen zugrunde liegen — so, w ie das in d er vorliegen den holländischen A rb e it geschehen ist.

Ic h muß m ir versagen, auf den klinischen T e il

■des Buches näher einzugehen, es w ü rde das auf zuviel E inzelheiten führen, die dem allgem einen Interesse fern liegen. Es m ag genügen, zu sagen, daß hier dem A r z t ein kurzer W egw eiser geboten ist, dem er m it N u tzen auf der R eise durch das verw irrende G ebiet folgen w ird.

Der gegenwärtige Stand der geologischen Forschung.

Historische Geologie.

Von E. Wepfer, Freiburg i. Br.

(Fortsetzung.) M it der Tertiärzeit b egin n t d ie letzte große A b te ilu n g der E rdgesch ich te; das Känozoicum . G rundlegende V eränderungen, w enn auch ganz allm ählich ein geleitet, kommen zum Ausdruck.

Z ahlreiche Eruptionen ch arakterisieren das T e r ­ tiä r gegenüber dem Mesozoicum, besonders in Europa, fern er k r ä ftig e G ebirgsbildungen, die allerdings schon in der K r e id e z e it einsetzten, -aber nun ihren H öhepunkt erreichten. D ie allm äh­

liche Annäherung an d ie je tz ig e G estalt von L ä n ­ dern und M eeren fin d e t ih ren Ausdruck in dem Vorherrschen der terrestrisch stark beeinflußten Ablagerungen von z. T . ausgesprochenem S eicht­

wasser-, ja Strandebar akter, im h äu figen A u f ­ treten von flu v ia tile n , lim nischen ( = Sum pf-) und Süßwasserschichten von o f t sehr lockerer K on sisten z: der h ä u fig e Facieswechsel, die g e ­ rin ge A u sbreitu n g mancher Ablagerungen, und nicht m inder die h äu figen Bodenbewegungen er­

schweren o ft ein e genauere A ltersvergleich u n g der Gesteine. P a lä on tologisch is t das T e r tiä r ch arakterisiert durch das starke Zurücktreten der großen R e p tilie n (Ich th yosau rier, D inosaurier, Pterosau rier z. B .), das V ersch w in den der A m m o­

niten und Belem niten, der R u disten, das w eitere Zurückgehen der Brachiopodem gegenüber der V o rh errsch a ft von M uscheln und Schnecken, fern er durch die enorm e E n tw ick lu n g der Säuge­

tiere.

Zu Ende der K re id e z e it (im D a n ien ) e r fo lg t eine bedeutende R egression der M eere, offen b ar im Zusammenhang m it einer lebh afteren S tö­

rungsperiode: das m itteleuropäische Festland hebt sich w ieder deutlicher als Scheide zwischen einem nördlichen und einem südlicheren M eer hervor. Zu den ältesten A b lageru n gen des T e r ­ tiärs, dem Paleocän, kommt jen er M eeresrück­

zug zum Ausdruck durch die häu figen L a n d ­ säugetierreste, die sich besonders in F ran k reich bei Reim s, und — w oh l in entsprechender L a g e — in den „Puerco beds“ von N ordam erika gefunden haben: es sind Condylarthra, d. h, H u ftie re , die in gewisser Beziehung eine M ittelstellu n g zwischen unseren P aar- und U npaarhu fern e in ­ nehmen, und als deren V o rfa h re n gelten, fern er die Creodontier, d. h. „U rra u b tie re “ , die sich von den jüngeren V e rtre te rn der echten Raub­

tiere durch ein kleines, schwachgefurchtes G e­

hirn, gewisse A n k lä n ge an die B eu teltiere und andere M erkm ale unterscheiden, fern er H alb­

affen u, a. m. — Daneben kommen allerdin gs auch Meeres- und Süßwassermollusken vor. — Entsprechende A blageru ngen liegen da und dort zerstreut in B elgien , E ngland, Dänem ark, sind im U ntergru nd von B erlin erbohrt, und ve re in ­ zelte dilu viale Geschiebe zeugen fü r eine w eitere V erb reitu n g im O stseegebiet; auch in Z en tra l­

rußland ist Paleocän nachgewiesen. E s fü h rt

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972 W epfer: D er gegen w ärtige Stand der geolog. Forschung. Historische Geologie, f Pie Natur- Lwissenschaften w ohl unmittelbar auf die Ibrackischen A b la g eru n ­

gen der obersten K r e id e in der Provence, D alm a­

tien usw. zurück (s. o.).

E in deutlicheres B ild geben uns die A b la g e ­ ruingen der zw eiten S tu fe des AlttertiürS, näm­

lich das Eocän. Im nordwestlichen Europa reichte je tzt das M eer als w e ite B ucht nach N ord- fr ariik reich hinein in das „P a r is e r Becken“ , dessen F ortsetzu n g jenseits des K anals im „L o n d o n er Becken“ liegt. Besonders da.s erstere ist seit lange bekannt durch seine massenhaften, pracht­

vollen V erstein eru n gen in M eeres- und Süß­

wasserablagerungen von v ie lfa c h wechselnder Ausbildung. D ie Größe und reiche V erzieru n g der Meeresm ollusken ze ig t durchaus d ie M e rk ­ male tropischer Gebiete. Über B elgien erstreckt sich dieses Sedim entationsgebiet nicht w eiter nach Osten: in Deutschland ist marines Eocän nur in g erin g er V erb reitu n g — besonders im N W

— bekannt. E rst im D njepr-, D onetz- und W o lga geb iet t r it t es w ieder auf, v ie lle ic h t nach N o rd en ülber das Ostseegebiet — w o einzelne Gesteinsreste gefunden sind — , m it jenem „a n glo- gallischen“ Becken verbunden, — erstrecken sich doch solche Ablageru n gen östlich des U ra l bis gegen das nördliche E ism eer zu.

Im Mittelmeer gebiet im w eiteren Sinne nehmen Eocängesteime an den G eb irgsfaltu n gen der ju ngen K e tte n g e b irg e (P yren äen , A lp en usw.) te il; paläontologisch bezeichnend fü r dieses ganze südlichere Ablageru'ngsgebiet sind die N um m u­

liten, d. h. m ünzenförm ige F o ra m in iferen , die z. T . .an die 8 cm Durchmesser erreichen, und o ft geradezu gesteinslbildend in kalkigen, konglom era- tischen und sandigen Schichten au ftreten , a lle r­

dings auch im anglo-gallischen Becken vorhanden sind. Daneben spielen im M ed iterra n geb iet K o r a lle n r iffe ein e gewisse R olle. D eu tlich zeigt sich hier o f t eine Transgression des Eocäns; im G ironde-G aronne-G ebiet, den Randzonen der P yren äen sin d solche G esteine verb reitet, in Spanien liegen Kalk© und K on glom era te m it N u m m u liten diskordant au f g efa ltetem G ebirge und1 K re id e . In den A lpen, im Apeninin, den K a r ­ pathen treten öfters G erolle in: N u m m u lite n - gesteinen auf. — Daneben is t besonders auch die Flyschfacies (s. o.) v e r b r e ite t: so in den genann­

ten G ebirgen als o ft über 1000 m m ächtige G e­

steinsfolge, die außer den problematischen Chon- driten (F u coid en — A lg e n ? ) kaum V e rs te in e ­ rungen fü h rt. A ls ein sicheres Zeichen, daß da­

mals bereits erhebliche G ebirgsbildungen s ta tt- gehabt haben, zeigen sich da und dort im Flysoh

„exotische G esteine“ von o ft recht s trittig e r H e r ­ ku nft, deren ursprüngliche H e im a t aber sicher n ich t in unm ittelbarer N achbarschaft des be­

tre ffe n d e n Ablagerungsgebietes lag. — Solcher F lysch ist w e it verbreitet, bis in die B alkanhalb­

insel, die K rim , nach K lein asien , A rm en ien , Zentralasien, den H im alaya.

Im Süden reichte das eoeäne M eer über das A tlasgeb iet, in die libysche W üste, nach Syrien,

Ä gypten , Palästin a und A rabien , flu tete im G e­

b iet des R oten Meeres, des Som alilandes und w e it im Süden im westlichen Madagaskar.

In Amerika ist das Eocän von N e w Jersey nach Süden bis F lo rid a m arin ausgebildet, ebenso w ie auch die nächste E tage des A ltte rtiä rs , das O ligocän ; im In n ern (W y o m in g , Colorado und anderswo) h in gegen herrschen kon tin en tale A b ­ lagerungen m it zahlreichen Säugetierresten, die das gesamte Eocän und O ligocän zu vertreten scheinen; besonders bekannt sind d ie „B r id g e r Beds“ m it den Skeletten der m ächtigen Am bly- poden, d. h. H u ftie re , die M erkm ale d er beiden jetzigen H u ftierg ru p p en zeigen, im Beckenbau und m it ihren 5 Zehen z. T. an d ie E lefan ten erinnern, H örn er, lange Eokzähne und ein w in ­ ziges G ehirn haben. A u s M itte l- und Südam erika ist F lysch und N u m m u litenkalk bekannt.

W ährend der oberen A b te ilu n g des A ltte rtiä rs , des Oligocäns, trocknet das M eer im P a riser Becken zunächst z. T. aus. D ie gipsführenden Srihichten des M on tm artre m it den berühmten, von Cuvier bearbeiteten 'Säugetierknochen haben oligoeänes A lt e r ; dort fin d e t sich unter anderen eines der w ich tigsten L e itfo s s ilie n : das Paläo- therium , ein U npaarhufer von ein er gewissen Ä h n lich k eit m it dem Rhinoceros, aber auch B e ­ ziehungen zum Tap ir. D ann aber e r fo lg t im O ligocän einte d er großen, allgem ein en Trans- gressionen der E rdgeschichte: das P a ris e r Becken, ganz Norddeuitschland bis zu den M itte lg e b irg e n und t ie f zwischen deren einzelne Gebärgsstöoke h in ein w ird vom M eer ü b erflu tet, das sich auch in P olen , in Südrußland, am A ralsee, dann in W estsib irien bis zum N ö rd lich en E ism eer aus­

dehnt. A ls w e it verb reitete L e itfo s s ilie n des im Mitteloligocän erreichten Höhepunktes dieser Ü b erflu tu n g seien genannt eine Schnecke: N atica crassatina, und eine M uschel: C ytherea incras- sata; aber .auch sonstige F ossilien sind in o ft überraschender M en ge vorhanden. In N ord - deutschland sind es v ie lfa c h T o n e m it P leu ro- toma- (ein er Schnecke) A rten , im Saimland in Ostpreußen d ie „blaue E rd e “ m it dem B ernstein (H a r z einer fossilen Fich ten art, das übrigens wohl ursprünglich eoeänes A lt e r hat, d. h. au f sekundärer L agerstätte lie g t, und in welchem massenhafte Insektenreste und anderes, auch P fla n zen teile ein gebettet sin d ). W o dieses oligo- cäne M eer zwischen den M itte lg e b irg s g ü rte l nach Süden w eiter vord rin gt, macht sich naturgem äß der strandnahe Charakter deu tlich gelten d : Im M ainzer Becken fin d e t sich fossilreiches O ligocän, im U n tergru n d des Oberrheintales la g erten sich bereits u nteroligocäne M erg el und T o n e m it P e ­ troleum im Unterelsaß, m it Salzen (K a lis a lz e des Sundgaus und des M a rk grä fler L a n d es) ab, als T e ile eines langen schmalen M eeresarm s, der vom N ord en her über Cassel, M arbu rg, die V o g e ls ­ berger Gegend nach Süden reichte. S tran d ­ konglom erate längs dem V ogesen - und Schw arz­

waldrand zeigen, daß das R h e in ta l als solches

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W ep fer: D er gegen w ärtige Stand der geolog. Forschung. Historische Geologie. 973 Heft 50.1

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schon damals bestand. Sein großer Grabenei n- 'bruch w ar damals bereits ein geleitet. A b er noch deutlicher sehen w ir die Spuren einer m ächtigen G ebirgsbildu ng in den Alpen.

D o rt hatte bereits eine Hauptphase jen er F a l­

tungsperiode stattgefunden, als deren Endprodukt der große K e tten g eb irg sg ü rtel der Pyrenäen, Alpen, der Apenninen, der Karpathen, des Balkan, des Kaukasus, H im a la ya usw. entstanden ist. — A ls Abtragungsprodukt des A lp en geb irges ist ohne Z w e ife l die dem A lpenland n örd lich vorgela gerte

„ Molasseformation“ zu betrachten, eine bis zu 2000 und1 mehr M eter m ächtige, vo rw iegen d san- dig-konglom eratische S ch ich tfo lg e („ N a g e lflu h “

= K o n glo m era t), die sich vom m ittleren O ligoeän ab, damals z. T . m it marinen F ossilien , bis ins Ju n gtertiär hinein fortsetzt. A n d ererseits kennen w ir auch aus dem unteren O ligoeän noch die von der M olassefacies grundsätzlich so sehr versch ie­

dene Flyschfacies, und als E in la g e ru n g darin die fischreichen S ch iefer im G laru s: bis je tz t ist nirgends e in einw andfreies B ild über das stra ti­

graphische V erh ä ltn is dieser beiden zu gewinnen, es ist durch m ächtige F a ltu n g en und Überschie­

bungen verschleiert. Jed en falls muß w oh l an­

genommen werden, daß eine w ic h tig e tektonische Phase m it jenem U nterschied der Au sbildu n g zwischen unteroligoeänem F lysch und m itteloligo- cäner (und jü n g e re r) Molasse im Zusammenhang steht: den/n niemals t r it t d ie M olasse innerhalb des Alpenkörpers selbst auf, wohl aber der Flysch.

H ie r lie g t eines der großen, noch ziem lich unge­

klärten Problem e d e r tertiä ren Gebirgsbildung, deren Hauptphase meistens ins Miocän ( = äl­

tere S tu fe des J u n gtertiä rs) v e rle g t w ir d ; jeden­

fa lls dauerte sie noch in nachmiocäne, ja spät- pliocäne (P lio c ä n = jü n gere S tu fe des Ju n g­

tertiä rs) Z e it fo rt, denn mioeäne, ja in S te ie r­

mark plioeäne Süßwasserablagerungen sind noch m itgefa ltet, und die N a ch w irk u n g bis ins P liocän erg ib t sich schon aus der Tatsache, daß plioeäne M eeresbildungen z. B. in G riechenland noch in 1800 m Meereshöhe gefu n d en sin d : A lso ebenso, w ie bei der karbonischen, so auch in der te r ­ tiären G ebirgsbildung ein ziem licher 'Spielraum h insichtlich der Z eit.

D iese tertiä re G eb irgsb ild u n g beschränkt sich übrigens n icht auf d ie A u ffa ltu n g einzelner Zonen zu Gelbirgen, sondern H eb u n gen au f der einen, Senkungen a u f der anderen Seite, be­

g le ite t von V erw erfu n gen , treten gleich falls, z. T.

in sichtlichem Zusammenhang m it vulkanischen Ergüssen auf. Ganz a u ffä llig ist dabei das W ied erau fleb en alter, schon im K a rb o n an geleg­

ter L in ien im T e rtiä r, das z. T . deutlich bis in noch jüngere Zeiten, ins D ilu viu m , ja die J e tzt­

z e it fortsetzt, und o ft in deutlichsten Beziehungen zu Erdbeben steht.

Im Mediterrangebiet herrschte auch im O lig o ­ eän das M eer, w eite G ebiete überschwem m end;

besonders bezeichnend sind Schichten m it Meinen N um m uliten. Bem erkenswert ist auch jetzt,

offen b ar im Anschluß an G ebirgsbildungen, die Verschiebung der V erb in d u n g zwischen atlan­

tischem und M ittelmeer nach S ü d en : die eoeäne V erb in d u n g über Nordspamiien ist durch die P yren äen unterbrochen, sie reich t je tz t über Andalusien und den A tlas. M editerran es O lig o ­ eän fin d e t sich a u f den Balearen, im A pennin, in K lein asien , Arm en ien , P ersien , H in te rin d ie n , ja

■auf Borneo. D ieser A u sb reitu n g gegenüber stehen allerdings gewisse V e rlu s te : das a frik a ­ nische T a fe lla n d 1, die indisch-madagassische R e ­ gion wurden tro ck en gelegt; in Ä g y p ten bilden sich Land- und Süßwasserablagerungen, in denen die R este riesen h after Landsäu getiere Vorkommen (z. B. Arsinoitherium, ein H u ft ie r m it mächtigen H ö rn ern auf der vorderen S tirn ).

Zu E nde des O ligocäns fand w eith in eine deu t­

liche R egression s ta tt: Süß- und Brackwasser­

schichten lösen die m arine Facies nach oben ab

— so z. B. im M ainzer Becken, im Molasseland, sowie bis nach K lein asien — , in welchen die Muschel Cyrena w e it v e rb reitet au f t r it t ; als be­

zeichnendes Säugetier dieser P e rio d e sei das schweineähnliche H u ft ie r Anthracotherium ge­

nannt. — N u r an der atlantischen K ü ste von Europa hält sich d ie M eeresbedeckung z. T . bis ins Ju n gtertiär hinein.

Im Gegensatz zu diesen G esteinen des eigen t­

lichen A blagerungsgebietes stehen gewisse rein kontinentale V erw itteru n gsp rod u k te des m itte l­

europäischen Festlandes der A ltte rtiä rz e it, das z. T . durch die erw ähnte G ebirgsbildu n g an U m ­ fa n g gewann. Es sind die in taschen- und höhlenartigen A u sw itteru n gsvertiefu n gen lie g e n ­

den Bohnerztone, d. h. offen b ar in v ielen F ä llen der Ton- und Eisenrückstand von K alkgesteinen, deren kohlensaurer K a lk in Lösu n g abgefü h rt, und deren gerin ger E isen geh alt hierdurch allm äh­

lich rela tiv angereichert in F o rm von Brauneisen­

konkretionen vorhanden ist. W ir kennen solche Bohnerze aus eoeäner, oligocäner und auch jü n ­ gerer Z eit, im welchen dann ab und zu R epräsen ­ tanten der entsprechenden L a n d w irb eltiere ein ­ gebettet liegen, im schwäbisch-schweizerischen Ju razu g; oligoeänes A lte r haben auch die P h os­

phorite des Quercy in F ran kreich . — Daneben fin d en sich einzelne m ehr oder w en ig er geschlos­

sene Süßwasserbecken, so im G eb iet nördlich des französischen Zentralplateaus, in den Cevennen, im Elsaß.

Das Jungtertiär läßt zunächst im N ord en einen deutlichen R ü ckzu g des M eeres erkennen.

Das m itteleuropäische Festlan d (s. o.) gew in n t an Raum und reicht von Osteuropa bis nach Spanien, und im N ord en wohl1 auch nach G roßbritannien.

W ed er im P a riser noch im Lon don er Becken fin d en sich m arine M io cän sch ich ten ; das M eer beschränkt sich a u f S ch lesw ig-H olstein , F r ie s ­ land, B elg ien (A n tw erp en er Sande m it W a l- und D elphinresten), d. h. K üsten gebiete. — N u r an der atlantischen W estküste g r e ift es in einzelnen Buchten t ie f ins L a n d : in der G egend van B o r­

Nw. 1923. 125

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974 W epfer: Der gegen w ärtige Stand der geolog. Forschung. Historische G eologie, f Die Natur- L w i s s e n s c h ä ft e n

deaux, der Tou raine, fin d en w ir m arine S eich t­

wasserablagerungen m it pflanzen- und säugetier- fü hrenden Schichten — ähnliches in P ortu ga l, An dalu sien und N ord w estafrik a, w o zugleich ein e V erb in d u n g m it dem M ittelm eer bestand.

In diesem letzteren G ebiet g r e if t das M eer an v ielen O rten recht w e it über seine je tzig e n G ren ­ zen hinaus: durch dias R honetal d ra n g es nacli N ord en bis in die N ordschw eiz („o b e re M eeres­

molasse“ ), nach Oberschwaben und -Bayern, la gerte sehr fossilreiche M arinschichten im W ien er Becken ab, fern er innerhalb des K a r ­ pathenbogens („pannonisclies Becken“ ), in G a ­ lizien , Rum änien und K lein ru ß lan d bis zum Asowschen M eer und an den A ralsee. In G a­

lizien, Rum änien, bei Baku, in Mesopotam ien fin d en sich darin reiche Erdöllager. Selbst w e it im Osten, auf Java, fin d e t sich marines Miocän.

— A ls L e itfo r m dieses miocänen M eeres mag die große, Langgestreckte Ostrea crassissima (eine A u ster) genannt sein.

A u f dem m itteldeutschen Festland lagerten sich inzw ischen Sande m it Braunhohlen ab (N ie d e r rhein, N iederlau sitz, Hessen, W etterau , W esterw ald u s w .); zugleich fanden zahlreiche Basalt-, Ph on olith - und1 andere Eruptionen statt (Zen tralplateau , E ife l, iSiebengebirge, Rhön, V ogelsberg, K aiserstuhl, H egau , Böhmen, In n er- karpathischer Vulkankranz u. a. m .). Das A lp e n - land stand1 wohl über D alm atien, die B alkanhalb­

insel, das „Ä g ä is la n d “ m it K lein a sien in V e rb in ­ du n g — erst südlich davon dehnt sich das d a­

m alige M ittelm eer, das noch über T e ile von A lg ie r , N ord ägyp ten und S yrien g r i f f , während A rabien, P ersien usw. k ein marines M iocän mehr auf weisen, d. li. die u ralte M eeresverbindung nach In d ien hatte ein E nde gefunden. — Das K lim a in jenem m itteldeutschen Lan d1 w ar an­

fä n g lic h w arm : Palm en, K a m p fer- und Zim m et- baum, M agnolien, M yrth en und andere im m er­

grüne Bäum e wuchsen, u/nd erst späterhin e rfo lg te eine Abkühlung. A ls charakteristische Land- isäugetiere ilebten Rhinoeeroten, dann große R ü sseltiere (D in oth eriu m , M astodon), das zur P fe r d e fa m ilie g e h ö rig e Anchitherium und d ie älteste K a tzen a rt: der S äb eltiger Machairodus m it sehr stark verlän gerten oberen Eckzähnen.

G egen Ende der M iocänzeit w urde das M eer en d gü ltig ein g een g t: in G alizien entstanden Gips- und S alzlager (W ieliczka), ebenso im pannoni- sehen Becken, brackische Schichten bildeten sich in der K r im ; in der „oberen JSüßwassermolasse“

treten z. T. fossilreich e A blageru n gen au f (Öhnin- gen m it zahlreichen B lattresten und dem bekann­

ten Riesensalamandier Andrias Scheuchzeri). In S izilien und anderswo in Ita lie n entstehen Gips- und daraus Schw efellager, im spanischen E b ro ­ becken Gipse und! Salze, während die andalusische M eeresstraße als solche versch w in d et; gips- und salzführende Schichten fin d en sich w eiterh in in Mesopotamien.

N ord - und Südamerika waren zur U n ter -

m iocänzeit v ö llig getren n te K on tin en te, denn ent­

sprechende A blageru n gen in den A n tille n zeigen deutlich pacifische Elem ente, und im südlichen C h ile fin d en sich atlantische Form en, verwandt' m it solchen der „patagonischen Meeresmolasse“

und des europäischen Miocäns. — A m atlantischen Saum von N ordam erika (M a rylan d usw.) sind m arine Miocänschichten ausgebreitet. Im In n ern N ord - sowie Südam erikas liegen k on tin en ­ tale A blageru ngen m it zahlreichen Landsäuge­

tieren (E q u id e n l), w elche bis ins P lio cä n h in ein ­ reichen ( Edentaten: F a u ltiere, G ü rte ltie re ). Im P liocän e r fo lg te auch die e n d g ü ltig e T ren n u n g des atlantischen vom pacifischen Ozean durch die Landenge von Panama. D er Vulkanism us war besonders auf der pacifischen S eite der beiden K on tin en te sehr tätig.

Im hohen Norden fin d en w ir M ioeänablage- rungen reichlich v e rb re ite t: im M ittelp u n k t des Interesses stehen die pflanzenführenden Schich­

ten, die in G rönland auf 70 °, noch w eiter nörd­

lich a u f Spitzibergen, und in G rin n ell-L a n d gar auf 82 ° nördlicher B re ite Vorkom m en; z. T . treten dam it sogar m ächtige B rau n koh len flöze auf (S p itzb ergen ). D ie fossilen Pappeln, C on iferen ( Sequoia, Taxodium) und 'andere P fla n ze n be­

weisen fü r jen e Z e it ein zum mindesten gem äß ig­

tes K lim a . U n ter den je tzig e n klim atischen V e r ­ hältnissen, ja unter der je tzig e n geographischen L a g e (m onatelange P o la rn a c h t!) kann ein e solche V egetation nicht gedacht werden. Es is t dies ein Punkt, an dem d ie F ra g e von bedeutenden Polwanderungen im m er w ied er anknüpfen kann, fern er aber jene geistreich e H ypoth ese Wegeners von der M ö glich k eit der horizontalen Verschie­

bung von Kontinenten oder deren T eilen . W enn auch solche Bewegungen augegeben werden sollten, iSO hätten w ir trotzdem für 'die paläogeogra- phisclie Methode nicht allzuviel zu befürchten, denn gar zu deutlich, läßt sich durch die Erdgeschichte hin­

durch. die Konstanz gewisser kontinentaler Elemente als solcher erweisen.

D er große Rückzug des Meeres gegen Schluß der M iocänzeit, d. h. die H erau sbildu ng der K on - tinentalstödke zu der jetzig en G estalt ih rer F e s t­

länder läßt sich w eiter ins Pliocän verfo lgen . Im Norden g re ife n Schichten dieser A b te ilu n g in breitem Saum über das südöstliche E n g la n d ; es sind sandig-tonige A blageru n gen , die unter dem Nam en „ C r a g “ zusam m engefaßt w erd en : rein m arine Schichten wechseln m it lim n isch -flu via- tilen ab, in denen Landsäuger (M astodon, E le- phas) Vorkommen. A u ch in B elgien, H olla n d und in kleinen T e ile n N ord fra n k reich s g r e ift m arines Plio cä n noch in jetziges Land h in e in ; der Ä r m e l­

kanal bestand noch nicht. In Deutsdhland fe h lt m arines P liocän , dagegen sind flu v ia tile A b la g e ­ rungen in Rheinhessen, T h ü rin g e n und v ie le n an­

deren Gebieten verbreitet, b r aunk oh 1 en fü h rend e Schichten lagern sich in d er F ra n k fu rte r Gegend und der W etterau ab, d ie übrigens durch einen Einschlag amerikanischer Floren elem en te in te r­

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H eft 50. ]

14. 12. 1923J Besprechungen. 9 7 5

essant sind; im m erhin ist eine V erb reitu n g von Pflanzeinsamen durch M eeresström ungen auf T a u ­ sende von K ilom etern , fern er durch den W in d und V ö g e l möglich.

Im Süden g r i f f das M eer noch in Spanien ins Guadalquivirbecken hinein, fe rn e r an der fr a n ­ zösischen Südküste, besonders ins R h on etal bis nach Lyon. In Itailien la g ert isich an der ty rrh e ­ nischen K ü ste die „Subapem ninform ation“ ab, H u n derte von M etern m ächtig, m it der reichen M arinfau na von Rom , der Cam pagna u. a. O., — nach oben fast stets m it flu v ia tile n la n d w irb e ltie r­

reichen Schottern abschließend; die Poebene war eine tie fe Meeresbucht. In Südrußlaind bestand als R est des dort einst ausgedehnteren Meeres ein m ächtiger, später vielle ic h t verschiedene k le i­

nere Binnenseen m it einer Fauna, d ie derjen igen des Kaspischen M eeres recht ähnlich äst. — Im Zusammenhang m it jenen A b lageru n gen bildeten sich brackische, z. T. Süßwasserschichten als Fortsetzu n g der marinen S e rie des W ie n e r Beckens (s. o.), fern er in K ro a tie n , Slavonien, Rum änien und an vielen P u n k ten der Bailkan- halbm sel, abgeschlossen auch h ier durch flu via - tile Schotter m it M astodonten und anderen Säugetieren. Zu erwähnen isind aus jen er erste­

llen S d h ich tfolge besonders die sehr stark v a r i­

ierenden Paludinenschnecken und d ie z. T . recht stark skulptierten Flußperlm uscheln (U n io ).

A u ßer den genannten terrestrischen A b la g e ­ rungen des Pliocän s sind noch besonders hervor- zuiheben die reichen K n och en lagen im roten Ton von Pikerm i in A ttik a m it Rhinoceros, Machai- rodus (S ä b e ltig e r), dem ziertlichen, p ferd ever­

wandten Hipparion, dem g ir a ffe n ähnlichen

Ilelladotherium, A ffe n u. a., fern er diie knochen­

führenden Schichten von Samos und anderen Inseln des ägäisehen Meeres, die die A u ffa ssu n g nahelegen, daß dort ein zusammenhängendes F e s t­

land', die „Ägäis“, bestand. D ie F au n a selbst sowie die A r t des Vorkom m ens erlauben es, sich ein lebendiges B ild jen er G egenden zu en tw erfen .

— E in ähnliches A lte r haben fe rn e r die knochen- führenden Schichten vom M on t Luberon in Süd- frankreidh sowie die S iw a lik -H ill-S ch ich ten am Fuß des Ilim a la y a , die — m ehrere 1000 m mäch­

t ig aufgesch üttet — in K on glom eraten , Tonen m it Braunkohlen eine reiche W irb e ltie rfa u n a ein ­ schließen: Stegodon (zwischen Mastodon und E le ­ fa n t stehend1), Mastodon, Hipparion, Siivatherium

(ein w eiterer V erw an d ter der G ir a ffe ), R iesen ­ schildkröten und andere, z. T . auch in P ik e rm i und der Ä g ä is vorkom m eude Form en.

Knochenhöhlen m it einer teilw eise ähnlichen F auna sind auch in China und Japan bekannt.

A u s vulkanischen T u ffe n in Java — allerdings vielleich t von d ilu vialem A lte r — stammt der be­

kannte Pithecanthropus erectus.

In Nordamerika ist marines P lio c ä n besonders in F lorid a und am G o lf von M exiko vorhanden;

im In n ern dauert die A n h ä u fu n g kon tin en taler Ablagerungen m it W irb e ltie re n an. In Süd­

amerika geh ört ins P lio cä n die m arine „ Parana­

stufe“ . Bezeichnend fü r die südamerikanischen terrestrischen B ildu n gen jen er Z e it sind B eu tel­

tiere, Edentata (groß e G ü rteltiere, das R iesen ­ fa u ltie r M egatherium ), T o xod on tier (H u ft ie r e ).

A u ch in australischen kontinentalen A b la geru n ­ gen kennt man vor allem B euteltiere.

(Schluß folgt )

Besprechungen.

Ungerer, Emil, Die Teleologie Kants und ihre Bedeu­

tung für die Logik der Biologie. Abliandl. d.

theoret. Biologie, herausigeg. v. Julius Schaxel, H e ft 14. Berlin, Gebr. B ornträger, 1922. V, 135 S.

Preis Gi/,. 4,80.

Philosophisch« .Arbeiten, die sieh ernsthaft um eine philosophische Begründung der biologischen W issen­

schaften bemühen, sind in der philosophischen L ite ­ ratur immer noch recht selten. R iclcert konnte' zwar vor einigen Jahren m it Recht von einer biologischen Modeströmung in der neueren Philosophie sprechen, doch bezieht sich dieser Ausispruch nicht auf philo­

sophische- Versuche, die auf eiine Begründung der B iologie ausjgehen, sondern umgekehrt auf jene vielen philosophischen Strömungen, die biologische B eg riffe ihren philosophisch em Bemühungen unterlegen, ohne überhaupt zuvor' das Recht und den Geltungswert dieser B eg riffe einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.

Es ilst daher lebhaft zu begrüßen, daß ein biologisch und philosophisch gleich gut geschulter Forscher, wie der Verfasser des vorliegenden W erkes, es unternimmt, einen der wichtigsten und um strittensten B eg riffe der Biologie, den der Zweckmäßigkeit, ausgehend von Kants fundamentaler dritter K ritik , einer erneuten kritischen Prü fu ng zu unterziehen.

Im ersten T eil werden die verschiedenen A rten

der formalen Zweckmäßigkeit behandelt und gezeigt, daß sowohl die systematische, w ie die ästhetische und mathematische Zweckmäßigkeit nur gleichnisweiße als Zweckmäßigkeit zu bezeichnen sind. Form ale Zweck­

m äßigkeit heißen sie bei Kant, als „Zweckm äßigkeit ohne Zweck“ . Der Verf. izeigt, 'daß es sich hierbei um ganz verschiedene Ordnungsformen handelt, die nur darin Übereinkommen, daß man sie als „M itte l'1 zu einem „Zw eck“ auffassen kann. Den Naturforscher, speziell den Biologen, interessiert nur die systema­

tische Teleologie. Dieses P rin zip der formalen oder .systematischen Zweckmäßigkeit ist- die Voraussetzung aller Naturforschung, nicht nur der Biologie, da sie ja „„von der Voraussetzung) ihrer B egreiflichkeit aus­

gehen muß“ (E e lm h o ltz). Es) dient dazu, die em­

pirisch bekannt gewordenen einzelnen Gesetze der Natur, die als solche zu fällig silnd, zu einer gewissen Ordnung der Natur zusammenzufassen. Träger dieses Prin zip s ist nach K a n t die reflektierende U rteilsk raft, die diie Einzelgesetze so beurteilt, als ob sie in einem allumfassenden Einheitsgesetz der Gesaimtnatur zu- sammeniglefaßt wären. Es ist identisch m it dem Systemgedanken, w ie ihn vor allem die Marburger Schule der Neukantianer entw ickelt und vertreten hat. Hinsichtlich des Systemgedankens besteht ein Postu la t: alle SondcTgesetzlichkeiten sollen so auf­

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