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Die Naturwissenschaften. Wochenschrift..., 11. Jg. 1923, 28. September, Heft 39.

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN

E lfter Jahrgang 28. Septem ber 1923. H eft 89.

Über die Monophagie und Polyphagie der Schmarotzerwespen;

ein Beitrag zur Kenntnis des Geruchssinnes der Insekten.

Von Albrecht Hase, Berlin-Dahlem.

Das Problem der M onophagie bzw. Polyphagie ist ein sehr ausgedehntes, da es sowohl nach der mehr praktischen wie nach der theoretischen Seite hin eine F ü lle von F ra g en enthält. A uf einige, sow eit ich m ich in letzter Z eit m it ihnen experim entell beschäftigt habe, soll h ie r einge­

gangen werden. Die E rgebnisse m einer V er­

suche will ich m itteilen un d d aran anschließend meine Stellung zu dem Problem darlegen, so w eit es der verfügbare R aum gestattet.

1. Vorbemerkungen. Ich h a lte es fü r erfor-, der lieh festzulegen, in welchem S inne die Be­

g riffe M onophagie bzw. Polyphagie hier ge­

braucht w erden, zumal in d er P arasitologie diese Bezeichnungen m annigfache V erw endung fin ­ den. A n der Festlegung der B eg riffe is t P raxis wie Theorie gleich stark in te re ssie rt, und viel vergebliche A rbeit wäre ersp a rt geblieben, hätte man bei allen solchen w eitausgreifenden P ro ­ blemen vor der D iskussion die B eg riffe eindeu­

tig um grenzt. Sollen Irrtü m e r un d M ißverständ­

nisse verm ieden werden, so sind bei so dehn­

baren B eg riffen stets um grenzende Zusätze not­

wendig. Ich verwende obige A usdrücke n u r unter Bezugnahm e au f die E rnährungsw eise der L a r­

ven der Schm arotzerwespen und verstehe u n ter einer monophagen Schlupfw espe eine Form , deren B ru t n u r in oder an einer einzigen W irtsa rt ge­

deihen kann. S teh t dem m ü tterlich en T ier der fü r die Larven einzig mögliche W irt n ich t zur V erfügung, so ist eine A ufzucht der B r u t ausge­

schlossen. Bei polyphagen Schm arotzerwespen kann die B ru t in oder an zwei, drei, vier und noch mehr verschiedenen W irtsa rte n gedeihen.

Die E rnährungsm öglichkeit der B r u t bestim m t darnach die V erw endbarkeit der Begriffe,

„poly- oder monophag“, um die Lebensweise einer Schlupfw espenart zu charakterisieren. Wie aus folgenden Beispielen hervorgeht, ist es unbe­

dingt notwendig, obige B egriffe n u r m it R ück­

sicht auf die E rnährungsw eise d er Schmarotzer- wespenlarven zu verwenden. D enn bei einer ganzen Reihe von Schlupfw espen nehm en die M ännchen wie die W eibchen g ar keine N ahrung, höchstens W asser zu sich. Bei noch anderen A rten fressen die M ännchen gar nichts, die W eibchen aber verschiedenartige K ost, pflanz­

lichen wie tierischen U rsprungs. Schließlich gibt es Form en, bei welchen die M ännchen und W eibchen im Freileben alles mögliche fressen;

u n te r gewissen B edingungen aber ern äh ren sie sich ausschließlich von einer einzigen Substanz.

L etzteres ist beispielsweise der F a ll bei Hab.

juglandis Ashmeud. (Farn. B raconidae). Im F reien sind die W eibchen dieser F o rm A llesfresser. W ir m üßten sie daher als polyphag bezeichnen. Im E xperim ent dagegen k an n m an sie ganz aus­

schließlich an R aupen der M ehlmotte, dies wäre streng monophag, ernähren. D em n ach . wären die W eibchen dieser A rt bald polyphag, bald monophag. In allen diesen F ällen ist, wie leicht ersichtlich, die V erw endung der B eg riffe mono­

phag und polyphag schlechthin ungenau. Man sieht, daß sich I rrtü m e r ergeben, wenn ein ­ schränkende Zusätze, in welchem Sinne die Be­

g riffe verw endet w erden, unterbleiben. Ich wiederhole deshalb, daß ich obige Bezeichnungen nu r im H inblick auf die E rnährungsm öglichkei­

ten der B ru t der Schm arotzerwespen anwende.

N ach diesen D arlegungen sind Irrtü m e r ausge­

schlossen darüber, von welchen E igentüm lich­

keiten der Schm arotzerwespen hier die Rede ist.

2. Über die praktische B edeutung des Pro­

blems der Mono- un d Polyphagie der S c h lu p f­

wespen.

A uf diese F rag e soll h ie r n u r kurz einge- gamgen w erden; an anderer Stelle is t und w ird darüber ausführlich berich tet. (Vgl. Hase, Arb. a. d. Biol. R eichsanst. f. Land- u. F o rs t­

w irtsch aft Bd. 11, 1922, u. Bd. 12, 1923.) — Vom w irtschaftlichen S tandpunkte aus ist eine große Zahl von V ertre te rn d e r Schlüpfwespen- fam ilien: Braconidae, Chalcididae, Evaniidae, Ichneum onidae und P ro cto tru p id ae von äußerster W ichtigkeit, da es sich um P a ra site n unserer hei­

mischen Großschädlinge handelt. Schon aus die­

sem G runde ist es notw endig, sich m it diesen Form en zu beschäftigen, um genauesten Einblick in ihre wechselvolle Lebensgeschichte zu e r­

langen. Die F rag e der biologischen Bekäm pfung von Schadinsekten (m it ih r erzielte man beson­

ders in Am erika bereits schöne E rfolge — vgl.

diese Z eitsch rift Ja h rg . 11, S. 691 — ) ist aufs engste v erk n ü p ft m it idem S tu d iu m der Lebens­

gew ohnheiten dieser Form en. D enn praktische Bekäm pfungsm aßnahm en in angedeuteter R ich­

tu n g können n ic h t eher in A n g riff genommen werden, bevor nicht eine F ü lle von T eilfragen betreffend die Ökologie und Physiologie dieser teilw eise hochspezialisierten A rten eine experi­

m entelle gesicherte A ntw ort erhielt. Ü berprüfen w ir aber unsere K enntnisse der heimischen Schlupfwespen nach dieser R ich tu n g hin, so kom­

men w ir leider zu dem Schluß, daß die in Be-

U ff. 1923. 103

(2)

802 Hase: Uber clie Monophagie und Polyphagie der Schmarotzerwespen.

C D ie N atur- L w issenschaften

tra o h t kommenden einheim ischen V ertreter system atisch wohl genügsam bekannt sind, daß aber hin sich tlich ih rer Biologie noch große Lücken klaffen. Weiß man doch von H u n d erte n von A rten eigentlich w eiter nichts, als daß sie w ährend ihres Larvenlebens au f diesem oder in jenem K erb tier schmarotzen. A ndere S taaten sind uns d arin voraus, nam entlich A m erika, S ü d ­ afrika, A ustralien, Italien und H olland. D o rt h a t m an in eigenen P arasiten lab o rato rien die Lebensgeschichte und die künstliche M assenver­

m ehrung w irtschaftlich w ichtiger Schm arotzer­

wespen genauestens stu d iert, eben zu dem Zwecke, um die verschiedenen Form en 'bei der biologi­

schen Bekäm pfung jeweils verwenden zu können.

Seit längerer Z eit beschäftige ich m ich m it Schlupfwespen aus der F am ilie der B raconidae und Chalcididae. E in T eil der A rbeitsziele liegt au f dem soeben skizzierten praktischen -Gebiet.

U n te r anderem soll festgestellt werden, welche W irte die w irtschaftlich w ichtigen Schlupfwespen befallen oder doch befallen können. M it anderen W orten, es sind U ntersuchungen im Gange über die Monophagie bzw. Polyphagie d er deutschen Schmarotzerwespen. E ine ganze R eihe h a tte m an in der älteren L ite ra tu r als monophag b e­

zeichnet, bis durch w eitere Zuchten, oft zufällig, bekannt wurde, daß dies v e rfrü h t war. D ie Zahl der w irklich jnonophagen A rten ist m ehr und mehr zusam m engesöhrum pft. Ja , es ist das W ahrscheinlichere, daß, abgesehen von einigen ganz seltenen Fällen, die Monophagie den A us­

nahm ezustand bildet und n u r wenigen höchst spezialisierten Form en eigen ist. Bei weitem der größte Teil der Schlupfwespen ist polyphag in dem S in n : die W eibchen benutzen m ehrere A rten als W irtstie re zum U nterbringen ih re r E ier, d. h.

zum Großziehen der B ru t. M anche V e rtre te r aus der F am ilie der Ichneum oniden d a rf man, ohne zu w eit zu gehen, als pantophag ansprechen, wie z. B. Pim pla alternans (G rav.), die nach Steilwaag1) in 6 verschiedenen H a u tflü g le ra rten , in 11 verschiedenen S chm etterlingsarten, in 2 K äfersorten und in 1 F lieg e n art ihre B ru t u n te rb rin g t. Dabei ist noch gar n ich t ausge­

schlossen, daß außer den erw ähnten (6 + 1 1 + 2 + 1)

= 20 W irten, sich die Zahl noch erh ö h t bei genauerem S tudium dieser Form . Ob die p ra k ­ tische B edeutung einer Schm arotzerwespe in dem Maße zunim m t, wie sich die Zahl ih re r bekann­

te n W irte erhöht, kann n u r von F a ll zu F a ll e n t­

schieden werden. A n dieser Stelle soll h iera u f des näheren n ich t eingegangen werden.

Was ich oben a usführte, t r i f f t fü r die B raco­

nide H a b r o b r a c o n juglandis Ashmead zu2).

1) Stellw aag, F., Die Schm arotz erwespen ((Schlupf­

wespen) als P arasiten , B erlin 1921, P. Parey.

2) In den vorhergehenden A rb eiten (s. oben) ist diese Form von m ir versehentlich H abrobracon brevi- cornis Wesmael g en an n t w orden, ein Ir rtu m , den ich h ie rm it riehtigstelle. Hab. jugl. Ashm. u n d Hab. ibrev.

Wesm, sind nahe verw andte, doch n ic h t identische Form en.

Meine bereits frü h er geäußerte V erm utung, H ab.

jugl. besitze m ehrere W irte, w ar richtig. D am it muß d ie in B etracht kommende Braconide zu den polyphagen A rten g estellt werden. K ürzlich d u rchgeführte Versuche erbrachten den Beweis.

M ir gelang es, außer an M ehlm otten (E phestia K üehniella Zell.) die Weibchen dieser S chlupf­

wespe auch an den R aupen der großen W achs­

m otte (G alleria mellonella L.) zur E iablage zu bringen und die schlüpfenden L arven an den zu­

vor von der Wespe selbst gelähm ten Wacihs- m ottenraupen ganz norm al großzuziehen. — In dem vorliegenden F a ll sind die V erhältnisse noch besonders interessant, w eil näm lich das W eibchen den fü r seine B ru t bestim m ten W irt zur eigenen E rn ä h ru n g m itverw endet. Aus der Stichw unde, die gesetzt w ird, um die R aupen zu lähm en, saugt das W eibchen K örper safte, und ohne jede Schw ierigkeit k an n ein W eibchen sich 'hierdurch ausschließlich ern äh ren und fru ch tb ar erhalten. Es lebt also d ie M utter- und1 die T ochtergeneration u. U. von demselben Objekt, und es 4st leicht zu beobachten, wie an derselben Raupe — sei es die einer W achsm otte oder die einer M ehlm otte — das m ü tterlic h e T ier d irek t neben ihren Nachkommen saugt.

F ü r die P raxis ist der B efund, daß die Schlupfwespe H ab. jugl. auch die R aupen der W achsm otten ohne U m stände a n g re ift, insofern wichtig, da bekanntlich die W achsm otte ein lästiger Z erstörer der Bienenw aben ist. D ie Mög­

lichkeit, die Bekäm pfung dieses Schädlings unserer B ienenzuchten m it H ilfe g enannter B raconide durchzuführen, ist som it im P rin zip vorhanden.

3. Über die theoretische B ed eu tu n g des Pro­

blems der Monophagie un d Polyphagie der Schmarotzerwespen.

Andere U ntersuchungen, die ich m it den ge­

n an n te n Objekten, Hab. jugl. einerseits, M ehl­

m otten- und W achsm ottenraupen andererseits durohführte, dienten mehr zur K läru n g von F ra g e n um fassender N a tu r, sow eit sie die Schm arotzerwespen, als ökologische G ruppe ge­

faßt, angehen, und diese F ra g e n haben m ehr all­

gemeines Interesse. V iele theoretische Probleme können m. E. gerade an diesen Objekten eine selten günstige B earbeitung erfah ren . A uf fol­

gende F ragen versuchte ich d u rch entsprechend gerichtete Versuche A ufschlüsse zu erhalten, wo­

bei die u n te r b) aufgew orfenen F ragen sich fa st zwangsläufig aus dem u n te r a) um rissenen F r a ­ genkomplex ergaben.

a) W ie verhält sich die B raconide gegenüber dem neuen W irt ? Zeigt d ie Schlupfwespe- gegen­

über beiden R aupenarten das gleiche psycholo­

gische wie physiologische V erh alten , welches wir bisher von ihr kennen, o d e r tre te n am < neuen W irt neue W esenszüge hervor?

b) W ie fin d e t die Schm arotzerw espe über­

h au p t ein geeignetes, d. h. ih rer B ru t zusagendes

O pfer? W oran erkennt sie den jew eiligen Alters-

(3)

Hase: Uber die Monophagie und Polyphagie der Schmarotzerwespen. 803

H eft 39 -1 28 . 9. 1923J

zustand 'bzw. E ntw i cklungszustand (ob E i, Raupe oder P uppe), in dem sich die betreffende Form befindet? W oran kann sie (wie in unserem Falle H ab. jugl.) unterscheiden, ob sie eine noch zu ju n g e W achsm ottenraupe vor .sich h a t oder eine gleich große und gleich, schwere M ehlm otten­

raupe, die sie unverzüglich an g re ift?

Zu a. Bevor ich auf E inzelheiten eingehe, schicke ich einige V orbem erkungen über die Lelbensgewohnheiten beider R aupenarten voraus, da ich n ich t annehm en kann, daß allen Lesern diese geläufig sind.

W achsmotte und M ehlmotte stim m en in fol­

gendem überein: beide leben verborgen in ihren N ä h rm itteln und fressen darin m it G espinst aus­

gekleidete Gänge. W eiter c h a ra k te risiert beide R aupen die dauernde S p in n tä tig k e it bei jeder O rtsveränderung. Zur V erpuppung verlassen sie nicht ungern den gewöhnlichen A u fe n th altso rt und suchen zur A nlage ih rer Kokons dunkle W inkel oder Spalten auf. D er K okon beider ist derb, allseitig geschlossen und m eist du rch E in ­ spinnen von F rem dkörpern (Schm utzteilen, Kot- broöken, Mehl, W achsstückohen usw.) gepanzert.

N ich t unerw äh n t d a rf schließlich bleiben, daß beide R aupenarten nackthäutig, d. h. sehr wenig b ehaart sind. — Gänzlich verschieden ist da­

gegen die Umgebung, in der die W achsm otten und die M ehlmotten zu leben pflegen. Die ersteren finden sich in etwas schm ierigen u n d klebrigen Bienenwaben, welche zum Teil m it H onig g efü llt sind. B evorzugt wTird die M itte der Wabe, da, wo die Zellen aneinanderstoßen.

W achsteilchen, H onigtröpfchen, K otbrocken und Gespinstm assen bilden m eist ein schwer dureh- dringbares G ew irr. — Die M ehlm otten finden w ir in staubtrodkner Um gebung wie Mehl, Kleie, G ries, Graupen, N udeln usw., jedenfalls in kör­

nigen, lockeren S u b straten m it n ic h t klebriger Oberfläche. D ie vergleichenden Beobachtungen haben nun folgendes ergeben:

1. So w enig w ie die M ehlm otte durch ihre G espinste vor den A n g riffe n der Hab.-W eibchen geschützt ist, so wenig ist es auch die W achs­

m otte, obgleich ihre G espinste noch stärk er sind.

Die Schlupfwespe beißt sich bis zu den von ihr gesuchten Raupen m it großem Geschick hindurch.

A uch zögert die Wespe nicht, ih re Opfer tief in den versponnenen Mehlmassen aufzusuchen, wie sie in gleicher W eise 'bis ins In n e re der durch- fressenen, klebrigen W aben vordringt.

2. Die K örperregionen, wo die Wespe ihre Stiche anbringt, um die R aupen zu lähm en, sind in beiden F ällen ganz w illkürlich gewählt.

Irgendeine Bevorzugung einer bestim m ten, d. h.

besonders em pfindlichen Stelle (Z entralnerven­

system, H erzschlauch) w urde nie beobachtet.

Ebenso wahllos werden in beiden F ällen die E ier am oder unter, nie in dem gelähm ten R aupen­

körper untergebracht.

3. D ie Raupen beider A rten w erden n icht n u r einm al, sondern m ehrmals angestochen. Bei bei­

den R aupen saugt das W eibchen aus dem S tich ­ kanal die K örpersäfte seines Opfers. Dieses V er­

halten gegenüber den W achsm otten ist insofern besonders interessant, weil H onigtröpfchen ja stets vorhanden sind, die zur E rn ä h ru n g völlig genügen w ürden. An und’ fü r sich leckt die Schlupfwespe sehr g ern H onig, wie überhaupt süße Säfte. Von ih rer G ew ohnheit, eiweißreiche N ah ru n g vom K örper des W irtes ih re r B ru t zu nehmen, geht sie also auch dann n ic h t ab, wenn andere zur E rn ä h ru n g an und fü r sich geeignete Stoffe im Überfluß vorhanden sind3).

4. D ie Schlupfwespe g re ift sowohl von W achs­

m otte wie von/ der M ehlm otte nie a n : die E ier, die Puppen und die F a lte r. A usschließlich ge­

fäh rd et sind die Raupen. Dabei is t noch be­

sonders hervorzuheben, daß n u r R aupen bestim m ­ te r A ltersstu fen bedroht sind. Die Größe bzw.

das Gewicht ist in dieser H in sic h t ganz ohne Be­

deutung. Dieser B efund ist deshalb bem erkens­

w ert, da W achsm otte und M ehlm otte sehr u n ­ gleich große Form en sind. Ich stelle die Maße und Gewichte der ganz ausgew achsenen Raupen, die sich kurz vor der V erpuppung befinden, g egenüber:

W achsm otte:

große Raupe = Gewicht 278 mg, Länge 33 mm, M ehlm otte:

große Raupe = Gewicht 46 mg, Länge 17 mm, d. h. die Gewichte verhalten sich etwa wie 6 : 1, die Länge wie 2 : 1. In beiden F ällen suchen die Hab.-W eibchen die größten und schw ersten, d. h.

ältesten R aupen m it Vorliebe auf. Irgendw elche Scheu vor den w esentlich größeren R aupen der W achsm otte war nie zu bemerken. D ie Größe und Schwere spielt also h ier keine Rolle, son­

dern n u r das jeweilige A lter. D enn z. B. Mehl­

m otten von 5— 6 mm Länge und 1,7 bis 0,2 mg Gewicht w erden bereits ’ a n g e g riffe n ; aber W achsm otten von 7—8 mm Länge und 9— 10 mg Gewicht w erden noch n ich t angegriffen. Letztere A rt ist erst bei einer Größe von 10 mm (etwa 15 m g Gewicht) an gefährdet, d a die an und fü r sich größere F orm erst bei dieser Länge und bei diesem Gewicht das gefährdete A ltersstadium e r­

reicht. Von dem Augenblick an, wo die letzte R aupenhaut ahgestreift w urde, also d ie ganz zarte Puppe vorliegt, nim m t in beiden F ällen die Schlupfwespe keinerlei N otiz mehr von diesen Objekten. N ie beißt sich ein H ab.-W eibchen in einen K okon ein, welcher die schon fertig e Puppe enthält. D rin g t sie in Kokons ein, so geschieht es stets n u r dann, wenn ein e Raupe sich d arin be­

findet, die zwar eingesponnen, aber noch nicht verpuppt ist. Diese verhältnism äßig kurze Z eit­

spanne

Avird

von den H ab.-W eibchen allerdings m it erstaunlicher S ich erh eit wahrgenom m en. Es

3) Daß -das Weibchen u n te r allen U m ständen hoch­

w ertige, stiekstoffreiche N ah ru n g zu erlangen strebt, h än g t wohl am Ende m it der Eiemtwieklung zu*

samrnen. D arüber müssen allerdings eingehende V er­

suche noch doirchgeführt werden.

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804 Hase: Uber die Monophagie und Polyphagie der Schmarotzerwespen.

geht daraus hervor, daß an irgendw elchen M erk­

malen der jew eilige Z ustand des W irtes im Kokon, sei er M ehlm otte oder W achsm otte, von dem Schm arotzer m it völliger G ew ißheit e rk a n n t wirid.

5. F ern e r stellte ich fe st: Bei völliger D unkel­

h eit fin d et die Schlupfwespe beide Raupen, gleichgültig, ob isoliert oder in n a tü rlic h e r Um­

gebung, ob fre i um herw andernd1 oder ob in Ge­

spinsten eingeschlossen, unfehlbar.

6. H a t ein Hab.-W eibchen W achsm otten- und M ehlm ottenraupen zugleich vor sich, dann ist keinerlei Bevorzugung der einen oder anderen R au p en art feststellbar. In n erh alb w eniger .M inuten g re ift ein stechlustiges W eibchen bald

die eine, dann die andere A rt an.

7. Die L arven von H ab. v erh alten sich an beiden W irten völlig gleich; d. h. an beliebigen Stellen des K örpers saugen sie sich fest und v er­

bleiben daselbst bis zur B eendigung des L arven­

lebens.

8. Z usam m enfassung: Das V erhalten der Hab.-W eibchen ist dem einen w ie dem anderen W irte gegenüber (die bei m ancher Ä hnlichkeit in den Lebensgewohn he i ten doch auch w esent­

liche U nterschiede zeigen) genau das gleiche.

H andlungen der Schlupfwespe, seien sie psychisch (in stin k tiv ) oder physiologisch b eg rü n ­ det, welche gegenüber der einen F orm zutage treten , tre te n auch bei der anderen zutage. Oder was dasselbe besagt : die Lebensgeschichte unserer Schlupfwespe w ürde n ic h t anders lauten', wenn m an sie zufällig zuerst an der W achsm otte und h in terh er an der M ehlm otte gezüchtet hätte, als wie es je tz t um gekehrt der F a ll ist. — E s w urde som it an einem bestim m ten Beispiel festgestellt, daß eine Schmarotzerwespe sich gegenüber ih ren beiden W irten, die allerdings derselben Schm et­

terlin g sfam ilie (Fhyralidae) ■angehören, sich gleich verhält. Ob das, was fü r den vorliegen­

den F all sichergestellt w urde, auch fü r andere Schlupfwespen gilt, ist dam it n ic h t ohne w eiteres gesagt. J a !, es ist das W ahrscheinlichere, daß es n ic h t so ist. Ich verweise hierbei au f den oben erw ähnten F a ll: Pim pla alternans (F am ilie Ich- neum onidae), welche H au tflü g ler-, K äfer-, Schm etterlings- und Fliegenlarven -—- also ganz verschieden lebende und geartete F orm en — als W irte w ählt. Dieser H inw eis mag genügen! Es geht daraus hervor, welche F ü lle von noch unge­

lösten A ufgaben die heim ische Schlupfw espenw elt b ietet.

Zu

b.

N u n zum zweiten, oben fo rm u lierten Fragenkom plex: wie fin d e t das Schlupf wespen- weihohen, überhaupt ein geeignetes, d. h. ih rer B ru t zusagendes W 'irtstier? Die A usführungen, welche ich zur K lä ru n g dieser F ra g e mache, be­

ziehen sich wieder in erste r L inie au f den be­

sonderen F a ll: H ab. jugl. einerseits und W achs­

und M ehlm ottenraupen andererseits. D a sich alle V orgänge beim Suchen und F in d en der R aupen bei völligem Ausschluß von L ic h t in genau derselben Weise abspielen wie bei Belieh-

| D ie N atur- Iw ib sen sch a ften

tung, so ist es wohl klar, daß der G esichtssinn keine oder n u r eine sehr untergeordnete Rolle hierbei spielt. Som it w äre an den Tastsinn und den G eruchssinn zu denken. Beide Sinne arbei­

ten wohl vielfach zusammen, besonders dann, wenn Gespinstm assen bzw. Kokons, in denen R aupen noch spinnen, von außen abgetastet w er­

den. Die dabei von den R aupen ausgehenden E r ­ sch ü tteru n g en nim m t die Wespe wohl sicher m it H ilfe ih rer Tastorgane w ahr. Doch glaube ich n icht, daß d er T astsinn beim Suchen u n d F in d en der Opfer den Aussohlag gibt. E xperim entiert m an näm lich zu diesem Zweck m it vorher völlig gelähm ten Raupen, die sich n ic h t m ehr bewegen, also auch keine E rsch ü tteru n g en m ehr v e ru r­

sachen, dann is t das E rgebnis des Versuches genau so positiv. Man kön n te am iehm en, das Tastverm ögen der Schlupfwespe w äre ein so fein entw ickeltes, daß sie U nterschiede in der H a u t­

beschaffenheit der alten und jungen R aupen m ittelst B etasten w ahrnim m t. N ichts U nm ög­

liches e n th ä lt an und fü r sich diese A nnahm e.

I h r steht aber die folgende, absolut sichere Beobachtung gegenüber: die Wespe v ersu ch t auch durch einen Kokon hindurchzustechen, welcher allseitig geschlossen ist. Schon aus rein räu m ­ lichen G ründen ist in solchen F ä lle n ein direktes B etasten der R aupenhaut ganz unm öglich. — N ach m einen diesbezüglichen V ersuchen — w eiter unten sollen einige kurz geschildert w er­

den, die ausführliche D arlegung erfo lg t später an anderer Stelle — bin ich zu folgenden Schlüssen gekommen. (F ü r den hier u n te rsu c h te n F all, wie ich vorsichtigerw eise hinzusetzen w ill.) D as z u r E rn ä h ru n g der B ru t u n b ed in g t notw endige W irtstie r fin d e t die Schlupfwespe ausschließlich m it H ilfe ih re r G eruchsorgane. Sie ist befähigt, W achsm otten- wie M ehlm ottenraupen in ih re r n atü rlich en Um gebung m it völliger S icherheit aufzuspüren, wobei die Wespe geruchlich zugleich w ahrnim m t, in welchem jew eiligen A lterszustand sich eine Raupe befindet. E in ig e V ersuchs­

ergebnisse seien an g efü h rt, die fü r die R ich tig k eit m einer A uffassung sprechen. W ie schon oben gesagt, himterlassen W achsm otten w ie M ehlm otten beim L aufen einen G espinstfaden. L äß t man auf zuvor sorgfältig gereinigten G lasplatten die R au ­ pen w andern, so bleiben diese F äden, g u t sichtbar, au f dem Glase haften. E n tf e rn t m an jetzt die R aupen und setzt an ihre Stelle Habr.-W eibchen, so ist sofort festzustellen, wie die Schlupfwespen dieser, auch fü r uns sichtbaren Spur folgen, sie m it den F ü h le rn beklopfen, d. ih. beriechen und dann die S tichstellung einnehmen, als w äre eine R aupe tatsächlich vorhanden. Völlig ü b erflü ssig ist hierbei anzunehmen, die W espe s ie h t den S purfaden und benutzt ihn gleichsam als „W eg­

w eiser“, denn das V ersuchsergebnis ist das gleiche, wenn man wie fo lg t v e rfä h rt. M an be­

tu p ft oder bestreicht eine m ark ierte Stelle auf

einer sauberen G lasplatte m it der H a u t einer

Raupe, wobei man letzte re so h ä lt, daß sie die

Glasfläche n ic h t bespinnen kann. D ann setzt man

(5)

Hase: Uber die Monophagie und Polyphagie der Schmarotzerwespen. 805

Heft 39. ] 28. 9. 1923J

Hat).-W eibchen auf die P la tte und bedeckt sie, um den A bfing zu verhindern, m it einer geeig­

neten Glasschale. D ie W eibchen beginnen bald um herzuw andern. Kommen sie an die m it dem Raupenkörper betupfte Stelle, so stutzen sie, be­

riechen (beklopfen) m it den F ü h le rn diese Stelle und nehmen die S tichstellung ein, genau so, als hätten sie Wachs- oder M ehlm ottenraupen in W irklichkeit vor sich. D er V ersuch k an n n u r wie folgt gedeutet w erden:

Das A u f spüren (Herausriechen) der gesuchten Wirtstiere im R a u m beruht au f einer Leistung der Geruchsorgane. Dies setzt aber voraus:

erstens, daß den R aupen ein bestim m ter D u ft­

stoff eigentüm lich ist (d. h. die R aupen sind die D u ftsto ffträ g e r), zweitens, daß dieser D u ftsto ff sich im Raume v e rte ilt u n d drittens: daß dieser D u ftsto ff auch den Stellen eine Z eitlang anhaftet, welche von den R aupen begangen oder b e rü h rt worden sind. Diesen D u ftsto ff erkennen die Schlupfwespen m it Sicherheit wieder (G eruchs­

erinnerungen) auch in Umgebungen, wie z. B.

M ehlmassen oder Bienenwaben, die ebenfalls einen eigentüm lichen D u ft — w enigstens fü r unser G eruchsorgan — besitzen. Daß diese Annahme ric h tig ist, geht au s dem zuletzt m itgeteilten V er­

such hervor, bei dem die Raupe ja gar nicht mehr zugegen ist, G esichtssinn und T astsinn also völlig ausgeschaltet werden-. Um die eingangs dieses A bschnittes aufgew orfene F ra g e : wie fin d e t die Schlupfwespe den ih re r B ru t zusagenden W irt, zu beantw orten, können w ir die A n tw o rt nach dem Vorhergehenden wie folgt form ulieren. 1. Der den Raupen eigentüm liche D u ft reizt die Ge­

ruchsorgane der Söhlupfwespe; es ist gleichgültig, ob der D u ft d irek t von den R aupen ausgeht oder ob er in d irek t von den Stellen ausgeht, welche die R aupen begangen haben. 2 .-Die Wespe sucht die Reizquelle, indem sie die In te n s itä ts u n te r­

schiede des Reizes ausw ertet. 3. Bei einer be­

stim m ten In te n s itä t des Reizes t r i t t die fü r uns sichtbare Reaktion, die S tichstellung, ein. Diese R eaktion t r i t t auch dann ein, wenn bei einer genügenden In te n s itä t des Reizes gar keine R aupe vorhanden ist (s. o.), oder wenn eine bereits gelähmte Raupe oder eine noch zu läh­

mende sich vor der Wespe befindet.

Z ur Eiablage kommt es durch die geruchliche R eizung aber noch nicht. Die E iablage erfolgt erst nach gesetztem Stich, d. li. nachdem der T astsinn in irgendeiner, fü r uns n ic h t erkenn­

baren Weise, m it gereizt w urde4). Ich betone ausdrücklich, daß zum A u ffin d en eines geeig­

neten W irtes G eruchsreize ausschließlich in F rage kommen, daß aber zu r B ew erkstelligung der E i­

ablage noch Tastreize hinzukom m en müssen. Die Eiablage als sekundärer V organg tkann erst e r­

folgen, nachdem die Sohmarotzerwespe einen ih r zusagenden W irt m it H ilfe ihres G eruchsorgans gefunden und ihm einen S tich beigebracht hat.

Ob der Stich die Raupe lähm t, wie bei H ab. jugl., 4) Als Tastorgan d ie n t hierbei, w ie die Beobachtung ergeben h at, bei Hab. jugl. in erster L inie der Stech­

a p p a ra t selbst.

oder ob die Lähm ung u nterbleibt und d afü r die E ier in den W irtskörper versenkt werden (wie z. B. bei der in K ohlw eißlingsraupen schm arotzen­

den A panteles), ist eine hier belanglose Frage.

4. Zusam m enfassung. Zum Schluß will ich.

soweit es der R aum g esta tte t, meine A uffassung betreffs der F rag e der Monophagie bzw. P oly­

phagie im allgemeinen kurz darlegen. Diese F rage muß, wie aus m einen A usführungen h e r­

vorgeht,

a ls

eine T eilfrag e des Geruchproblems bei den Insekten — zu welchem v. Frisch5) in letzter Zeit klassische U n tersuchungen lieferte -—

behandelt werden. M it dieser E in gruppierung erh ält sie stärkstes theoretisches In teresse neben dem rein praktischen. Dabei ist zu unterscheiden einm al zwischen den E igenschaften der von den Schmarotzerwespen h einige suchten W irtstiere, und fern er

'Z w isc h en

den R eaktionen und H a n d ­ lungen der Schlupfwespen. Erstens: die v e r ­ schiedenen W irte sind D u ftträ g e r, als solche geben sie Geruchssignale. Diese Signale (D üfte) h a fte n auf den Stellen, welche von den D u ft­

träg ern (Raupen usw.) begangen w urden, auch d iffu n d ieren sie durch bestim m te Stoffe h in ­ durch. Die D üfte .sind jeder W irtsa rt eigentüm ­ liche (und bei m anchen Form en auch unserem Geruchsorgan w ahrnehm bare), aber innerhalb verw andter G ruppen und F am ilien ähnliche, so daß man von A rtd ü fte n , F am ilien d ü ften usw.

sprechen k an n 6). Z w e ite n s : die Schm arotzer­

wespen werden durch die G eruchssignale (D uft- woliken) gereizt. Die W^espe, In te n s itä ts u n te r­

schiede ausw ertend, sucht d ara u fh in die Reiz­

quelle (d. h. den D u ftträ g e r). Diese Geruchsreize ru fen bei einer bestim m ten In te n s itä t zunächst G eruchserinnerungen hervor, die schließlich in einer bestim m ten R eaktion (Stechstellung) aus- klingen. W esentlich ist, daß G eruchsreize R eak­

tionen und H andlungen der Wespen auslösen, welche zur B rutpflege in engstem Zusam m enhang stehen (A nstechen bzw. Lähm en

d e r

R aupen usw.

zwecks U n terb rin g u n g der E ie r).

Dem nach können w ir sagen: a) pantophage Schlupfwespen — oder besser Schlupfwespen m it pantophager B ru t — sind solche Form en, bei denen die G eruchssignale sehr vieler und auch ganz verschiedenartiger W irte (H au tflü g ler, K äfer, Schm etterlinge) alle die R eaktionen und H andlungen auslösen, welche zur U n terb rin g u n g der B ru t notw endig sind. (H ie rh e r wäre die m ehrfach erw ähnte Ichneum onide Pim pla alter- nans zu stellen.) b) Polyphage Schlupfwespen sind solche, bei welchen die Geruchssignale von wenigen, nahe verw andten W irte n die e n t­

sprechenden R eaktionen und H andlungen be­

wirken. (Als Beispiel wäre die Braconide H abr.

jugl. anzuführen, welche von m ir genauer gerade in dieser R ichtung u n tersu c h t wurde.) c) Mono- phage Schmarotzerwespen sind endlich die, bei

5) Vgl. diese Zeitechr. 11. Ja h rg ., H eft 28, 1923.

fi) Über diesen G egenstand h a t sich Schiefferdecker (Zoologica 1923) ausführlich geäu ß ert betreffs der W irbeltiere. Im P rin z ip g ilt das gleiche m. E. auch für die W irbellosen, sipez. fü r die Insekten.

N w . 1923. 104

(6)

806 Rinne: Ansichten zur Kristallstereochemie.

[ D ie N atur- L w issenbcliaften

welchen der D u ft n u r einer einzigen A rt die e in ­ leitenden H andlungen zur U n terb rin g u n g der B ru t auslöst. O'b es streng monophage S chlupf­

wespen gibt, erscheint m ir — wie schon hervor­

gehoben — aber recht zw eifelhaft.

D am it schließe ich u n te r dem H inw eis, daß ich m ir n ic h t anmaße, das; Geruchsproblem bei den Insekten gelöst zu haben, doch hoffe ich, daß meine Ergebnisse einiges beigetragen haben zur K läru n g dieser so viel bearbeiteten Frage.

Ansichten zur Kristallstereochemie.

Von Friedi'ich Rinne, Leipzig.

1

.

Z ur K ennzeichnung des Wesens der k ris ta l­

lin en M aterie genügt es nicht, a u f die Aniso­

tropie der K ristalle, also au f ihren gesetzm äßigen Wechsel von E igenschaften m it der R ichtung, hinzuweisen. K an n man doch schon bei Atomen in A nsehung ih rer g u t begründeten physikali­

schen- R aum form eln und ih rer gerichteten V a­

lenzbetätigung n ich t um hin, ihnen gleichfalls R ichtungsungleichheiten zuzuschreiben. Daß ato- mistiische oder m olekulare Individuen, zu Gasen oder flüssigen Massen g ehäuft, bei gewöhnlichen U m ständen nichts von A nisotropie merken lassen, lieg t an ih rer w irren Lagerung, die eine Isotropie d u rch M ittelw erte m it sich (bringt; bei der P a ra llelrich tu n g von Molekülen im K e rre ffek t zeigen sie ihre optische R ichtungsungleichheit.

Das in Zw eifelsfällen naohzuweisende K en n ­ zeichen fü r den k ristallin en Z ustand ist also n ic h t lediglich ein Eigenschaftsw echsel m it d er R ich ­ tu n g , vielm ehr muß als K rite riu m fü r den K rista llc h a ra k te r das R aum gittergefüge, d. h.

eine dreidim ensional periodische A nordnung der B auteile, gelten. D am it ste llt sich der K rista ll an das E nde einer Reihe, die vom w irr stru ie rte n Gasigen und Flüssigen über die in einer Ila u p t- b au rich tu n g parallelisierten (also paratropen) Moleküle, sog. flüssigen K ristalle (F a stk rista lle ), zum w ahren K rista ll fü h rt.

Von den atom istischen und m olekularen I n d i­

viduen w ird das K ristallin d iv id u u m durch seine chemisch belanglose V a ria b ilitä t hinsichtlich Größe und Gewicht geschieden. W ährend jede V erm ehrung oder V erm inderung an peripheren Teilchen eines Atoms, Ions oder Moleküls dessen

• chem isches Wesen ändert, ist ein W achsen oder eine F o rtnahm e von der Substanz der K ris ta ll­

körperlichkeit fü r deren chemischen C harakter bedeutungslos. Es liegt das im R au m g itterb au begründet, gerade so wie im W esen der gasigen oder flüssigen A ggregation. Nach oben h in , d. h.

bezüglich des W achstums, gibt es in der H in sic h t theoretisch keine Grenzen, nach u n ten en d et die chemisch belanglose M assenverringerung bei Gasen und Flüssigkeiten am chemisdhen Indivi- duum , bei K rista lle n an derjenigen A ggregation, die als V erknüpfung von m indestens 6 oder 8 gleichm äßigen Teilchen gerade noch den G ru n d ­ stock eines R aum gitters bilden kann. V oraus­

sichtlich entstehen bei jeder K rista llisa tio n zu­

nächst Schwärme von kolloiddim ensionierten K örpern, die sich d an n u n ter gegenseitiger orien­

tieren d e r B eeinflussung im Akte der „Sam m el­

kristallisatio n “ zum größeren, schließlich sicht­

baren K ristall zusam m enfinden.

2.

Sinngem äß können beliebige B auteilsorten, seien es Atome, Ionen oder Moleküle, fü r sich oder in K om bination m iteinander, zum R au m ­ g itterb au zusam m entreten; sie geben grob m o r­

phologisch den gleichen E ffek t. Die O rnam entik eines K ristalls d u rc h Flächen, E cken und K anten ist also in erster L in ie ein A usdruck der le ite n ­ den K onstruktion der R au m g itter und n ic h t der besonderen A rt der die G itte r bildenden B au ­ teile. In dem Sinne geben die G renzflächen der K ristalle die Lage von w ichtigen R au m g itter- ebenen an ; die K ristallk an ten , also die Zonen­

achsen, sind die bedeutsam en M erkm ale d er B au­

teilchenreihungen, die Ecken bekunden deren A us­

strahlungspunkte. I n der A b stu fu n g ih rer kristallographischen Symbole im 'Sinne w achsen­

der K om pliziertheit sind sowohl F lächen als auch K anten w ichtige makroskopische H inw eise auf den Feinbau. I n der Sym m etrie d er A nlage dieser Baumomente ist auf d ie R egeln d er in n eren O rd­

n ung himgewiesen, soweit das im G robbau zum A usdruck kommen kann, d. h. u n te r Ausschluß aller D iskontinuitäten.

W enn es also im G rundsatz die allgemeine K ristallk o n stru k tio n ist, die in der K ristallfo rm sich geltend macht, und n ic h t die B au teilart, so ist dam it n atü rlich n ich t eine völlige U nabhängig­

k eit zwischen K ristallfo rm und der Stereochem ie der freien Atome oder Moleküle ausgesprochen, die zum K ristallb au verw andt w urden. D ie E r ­ fah ru n g en der M orphotropie, d. h. eines Parallel- ganges zwischen chem ischer S u b stitu tio n und W andlung der F orm verhältnisse des k ristallin en M aterials, weisen au f solche Beziehungen hin.

Es ist aber anderseits zu bedenken, daß sehr viele chemisch durchaus verschiedene Stoffe völlig gleiche K ristallg estalt im Rahm en des regulären Systems besitzen und daß die D urchm usterung der Form enw elt auch anderer, besonders der sonstigen hochsym m etrischen K ristallsystem e eine solche „Isotypie“, unbeküm m ert um die chem ische N a tu r d er Stoffe, zeigt. Die chem ische A rt ist in solchen Fällen feinbaulichen S ta b ilitä ts ­ momenten untergeordnet.

3.

Von besonderer kristallstereochem ischer W ich­

tig k eit ist es, durch die E rgebnisse röntgenogra­

phischer Forschung zu erfahren, welche G rup­

pierungen, die im freien chemischen Individuum

anzunehm en sind, beim R au m g itterau fb au sich

(7)

H eft 39. 1

28. 9. 1923J

Rinne: Ansichten zur Kristallstereochemie. 807

noöh bekunden. Daß die G liederung der Atome in K ern - und H üllsphäre in den K rista ll über­

nom m en w ird, begegnet keinem Zweifel, gleich­

wie jeder organische Chemiker sich ablehnend v er­

h a lte n w ird gegenüber der A nnahm e einer at-o- m istischen Z erreißung von M ethyl-, Ä thyl-, Aryl- und anderen stereochem ischen R adikalen beim K ristallisieren der Stoffe. W enn auch die E r ­ fahrung zeigt, daß molekulare Verbände wie NaCl, C aC 0 3 k rista llstru k tu re ll ionistisch zer­

te ilt und in k räftig em Zusam m enschluß der Ionen m iteinander nach dem Form eltypus N aC l6, ClN a6 bzw. C a (C 0 3)6, (C 0 3)C a6 g ebracht werden, so t r i t t doch anderseits beim Ü berblick der U n te r­

suchungen von organischen S toffen die Über­

nahm e der S tru k tu re n ih re r freien chemischen M olekulargebilde in den K rista ll m ehr und mehr heraus: ihre R aum gitter setzen sich aus feinbau­

lich lose verknüpften M olekeln zusammen. Z ur richtigen W ürdigung dieser V erhältnisse h in ­ sichtlich ih rer allgemeinen W ich tig k eit muß man bedenken, daß in solchen F ällen die gewisser­

maßen auf A tom lagerung abgestim m te röntgeno­

graphische Methode es erm öglicht, den in das K ristallgebäude fast u n b e rü h rt übergegangenen M olekülbau nach Lage seiner Atome zu erkennen.

Die Tragw eite dieses U m standes ist also ganz außerordentlich groß, und er verd ien t es, stereo­

chemisch m it allen M itteln der F orschung ausge­

n u tz t zu werden.

Als Beispiel möge das H exam ethylentetram in (C H 2) 6 N 4 dienen; seine vielberedete S tru k tu r ist n u n von zwei Seiten, u nabhängig voneinander röntgenographisch m it übereinstim m endem E rgeb­

nis fostgelegt. Diclcinson sowie H. Mark kom­

men zum Schluß, daß ein reguläres G itter m it m olekularen B augruppen an den Ecken und auf den F läch en m itten eines E lem entarw ürfels von 7,02 A. E. K antenlänge vorliegt. In diesen K ristallm olekülen lagern d ie K ohlenstoffatom e jeweils an den Ecken eines O ktaeders; die vier Stickstoffatom e bilden ein zugehöriges T etraeder m it Atomen über den abwechselnden O ktaeder­

flächen des K ohlenstoffaggregats. D ie röntgeno­

graphisch .nicht zu fassenden H -A tom e werden w illkürlich zu je dreien über den Ecken d er vier abwechselnden Oktaederflächen angenommen, dam it die sechs (C H 2)-G ruppenfeinbaum äßig heraustreten.

Sei solchen Überlegungen hinzugefügt, daß man im übrigen u n te r Z uhilfenahm e der jewei­

ligen R aum gruppensym m etrie die stereochemi­

schen Form eln auch noch im F ein e re n kristallo- graphisch analysieren kann. W äre z. B. bei 'Sili­

katen eine Si02-Gruppe in einem triklin-pedialen K örper festgestellt, so e rfo rd e rt dessen völlige kr ist allographische U nsym m etrie eine U ngleich­

h eit der O -Bindungen zum Si, also die A u fte i­

lu n g in Si . 0 . 0 , Es läge also wegen m angelnder Zw eizähligkeit eia. P se u d o -S i0 2-Leptyl vor1) ; in einer triklin-pinakoidalen, also zentrosym m etri- schen Substanz indes, gibt es zusammengehörige

*) Leptyl (ensprechend M ethyl, A ethyl ussw.) allgem einer A usdruck fü r solche R adikale.

Atom lagen von E in- und Zw eizähligkeit, wie es Si02 verlangt (z. B. zufolge Umklappungssym- metr.ie), also die M öglichkeit einer wahrem OSiO- Baugruppe. In näm licher W eise läß t sich prüfen, ob z. B. eine Si04-G ruppe in der T a t vier völlig, also auch therm isch gleichberechtigte S au ersto ff­

atome besitzt oder im F ein eren auf geteilt werden muß. F ü r die E ntw icklung von 'S trukturform eln, etwa von Silikaten, haben solche U ntersuchungen B edeutung. Sicherlich existieren z. B. im N atronfeldspat NaAlSiaOs keine SisOs-Baugrup- pen, und selbst SiO i-K näuel in ihm w ären u n ter G liederung der 4 0 in 2 + 2 aufzuteilen.

4.

E ine sehr nutzbare V orstellung fü r stereo- chemisohe E rö rteru n g e n ist im Anschluß an Ü berlegungen von W. L. Bragg des w eiteren der B e g riff der „A tom bereiche“, w enn m an ihn in dem S inne faßt, daß es sich dabei um den je-

Fig. 1. Feinbau des H ex am ethylentetram in als Bei­

spiel eines M olekülraum gitters.

w eiligen R aum anteil am K ristallganzen handelt, den ein Atom n icht etwa fü r seine K örperlichkeit (wie sie von den äußeren E lektronenbahnen um ­ schrieben w ird) fo rd ert, sondern dazu noch um den H errschaftsbezirk, den es auch außerhalb seines E lektronensystem s in A nspruch nim m t und gewissermaßen von E in d rin g lin g e n freih ält. Der D urchm esser dieses therm ische Bewegungen ge­

stattenden Bereiches läß t sich aus den M inim al­

abständen im R au m g itter berechnen, indem man von einem Stoffe ausgehend zu kom plizierteren schreitet, also etwa die B ereiche fü r N atriu m ­ atome aus dem K ristallb au des m etallischen k ristallisierten N atriu m s e n tn im m t und in den des G hlornatrium s ü b e rträ g t; es erg ib t sich dann der Bereich fü r die Chloratom e. N a tü rlic h kann die übliche kugelige Z eichnung solcher Bereiche n u r als A nnäherungsform gelten. D er rich tu n g s­

ungleiche A ufbau der A tom e aus K ern und Elektronenschalen sowie die ausgesprochene Loka­

lisierung der V alenzbetätigung am A tom weisen

(8)

808 Dietzius : Ozon in d. obersten Luftschichten als Schirm gegen ultraviol. Sonnenstr. f

D ie N atur- L w issenschaften

au f morphologisch anisotrope B ereiche hin. F ü r K o nstruktionen w ird m an som it eventuell zu rotationsellipsoidischen und dreiachsig-ellipsoidi- isehen Raum gebilden greifen d ürfen, aber auch d ann noch in d er Vor S tellung, daß es sich dabei um A nnäherungsform en an in W irklichkeit wohl sehr verw ickelte A usgestaltungen handelt. N im m t man hinzu, daß sich die Größe der Atom bereiche, auch derselben Atomsorte, unit den physikalischen und chemischen Um ständen, wie T em peratur, elektrischer N e u tra litä t bzw. ionistischer A rt und m it der jew eiligen stofflichen Umgebung ändern w ird, so ist klar, daß in solchen Raum größen keine physikalischen K o nstanten vorliegen.

Dennoch ist es möglich, ihre aus G rundtypen ab­

geleiteten Maße zur voraussagenden fein b au ­ lichen K onstruktion, insbesondere von noch u n ­ bekannten G liedern einer im allgem einen Bau- typus erforschten R eihe zu benutzen.

In der H in sich t w ar es möglich, in der „iso- taxen“ Reihe (wie man die Glieder einer fein b au ­ lich gleichtypigen A rt nennen kann) der A lkali­

halogenide m it S teinsalzarchitektur das eine oder andere Glied vorauszusagen. Beim U m schlag des B autypus, also zwischen heterotaxen R eihen, v er­

sagt n atü rlich eine schematische Anwendung.

Auch sind E xtrapolationen gew agterer N a tu r, also

n u r m it Reserve zu machen:. In dem Sinne d arf man vielleicht fü r das feinbaulich noch unbe­

kannte Radiumoxyd in A nalogie zu den sonstigen Oxyden der alkalischen E rd en einen Bau e n t­

sprechend dem des BaO, und zwar m it einer K antenlänge seines E lem entarw ürfels von etwa 6,06 A. E. prophezeien.

Daß solche Ü berlegungen selbst bei verw ickel­

te r zusammengesetzten S toffen nützlich werden, konnte V erfasser am C äsium dichlorjodid und N atrium hydrofluorid d a r tun. Die röntgenogra­

phische,n E rkundungen stehen m it solchen K on­

struktionen im E inklang. Das Interesse an diesen E rfah ru n g en w ird aber n a tü rlic h insbesondere rege, wenn es sich n ich t um isolierte F älle, son­

d ern um bauliche A nalogien von R eihen handelt.

Sei in der H in sich t auf den m orphotropischen Zu­

sam m enhang zwischen den A lkalim etallen Cäsium und N atriu m einerseits und dem komplexen H alo­

genid C sC lJC l bzw. N a F H F hingewiesen. M an findet, daß es sich dabei um den E rsatz eines Cs- bzw. Na-Atoms im k ö rp erzen trierten M etall­

elem entarw ürfel durch die B augruppe C1JC1 bzw.

F H F handelt, wobei die A nordnungen d er diesen su b stitu ierten K ern um wickelnden A lkaliatom e sich zu neuer, und zwar trig o n aler S ta b ilitä t ein ­ gestellt hat.

Ozon in den obersten Luftschichten als Schirm gegen die ultraviolette Sonnenstrahlung.

Von R. Dietzius, Wien.

Das U ltrav io lett bildet sowohl nach A us­

dehnung als nach In te n s itä t n u r einen geringen T eil des gesamten Sonnenspektrum s. D er sic h t­

bare T eil um faßt W ellenlängen von etwa 400 bis 760 mu (M illim ikron = m illiontel mm1)). Das U ltra ro t läßt- sich von 760 m(.t nach a u fw ärts bis zu etwa 14 000 mu verfolgen. Das U ltra v io le tt des Sonnenspektrum s reich t von 400 mu, nach abwärts u n ter den günstigsten U m ständen kaum u n ter 290 mu herab, obwohl in künstlichen L ic h t­

quellen noch viel kurzw elligeres L ich t nachw eis­

bar ist. A n In te n s itä t (E nergie pro Flächen- und Z eiteinheit) e n th ä lt das U ltrav io lett n u r etw a 1Iioo der zur E rde gelangenden Sonnenstrahlung.

Gleichwohl spielt die ultrav io lette S trah lu n g eine große Rolle im H a u sh alt der N a tu r, da es chemische und physiologische W irkungen h erv o r­

ru ft, welche (das langw ellige L ic h t n ic h t aus­

üben kann. E xtrem kurzwelliges L ich t is t ein F ein d aller lebenden Zellen, setzt die Lebens­

tä tig k e it der B akterien herab und w irk t dad u rch desinfizierend, schädigt aber auch lebensw ichtige Zellen höherer Lebewesen. D er menschliche K örper schützt sich gegen diese Schädigung, in ­ dem bei B estrahlung der H a u t m it u ltraviolettem L ich t das B lu t zur A usscheidung eines P ig m e n t­

1) Anmerkung, der S chriftleitiung: D er Setzer h a t ü berall ribj, s t a t t gesetzt. Die iSehriftleitung h a t die V erbesserung wegen, der d a m it verbundenen U n ­ kosten, unterlassen.

stoffes angeregt w ird, welcher sich im Zellgewebe der U n te rh a u t ablagert, zunächst farblos ist, sich u n ter der E inw irkung des durch die O berhaut dringenden diffusen L ichtes b ra u n fä rb t und die tiefer liegenden Zellen gegen das w eitere V or­

dringen der ultrav io letten S trah lu n g schützt.

W ird die H a u t sta rk m it U ltrav io le tt b estrahlt, ehe ein hinreichender S trahlungsschutz e n t­

standen ist, so entsteht eine m ehr oder m inder schwere H autentzündung.

N ich t im m er is t die Sonne im stande, derartige W irkungen hervorzurufen. In der N iederung ist die S onnenstrahlung w eniger w irksam als im Ge­

birge. Die tie f am H o rizo n t stehende Sonne ist durchaus unfähig, die H a u t zu bräunen. Dieses unterschiedliche V erhalten ist nunm ehr durch einander ergänzende medizinische, physikalische und meteorologische A rbeiten aufg ek lärt worden.

D urch V ersuche m it einer sogenannten „ k ü n s t­

lichen H öhensonne“ (Q uarz-Q uecksilberlam pe), welche reichlich ultraviolettes L ic h t aussendet, stellten Hauser und Vahle (1) fest, daß n u r die S trah lu n g von 265 bis 313 mjx die F ä h ig k e it be­

sitzt, die H a u t zu bräunen, un d zwar ist es der

enge Spektralbereich von 297 bis 302 mu, welcher

die H au p tw irk u n g ausübt. D ie M eteorologie le h rt

uns andererseits, daß so kurze W ellenlängen im

Sonnenspektrum n u r d a n n vorhanden sind, wenn

die Sonnenstrahlen keinen allzulangen Weg in der

E rdatm osphäre zurückgelegt haben, da die At-

(9)

H eft 39. 1 28. 9. 1923J

mosphäre diese S trah le n zum T eil du rch diffuse Z erstreu u n g und noch mehr durch Absorption sehr sta rk schwächt. Die A bsorption nim m t m it abnehm ender W ellenlänge schließlich d e rart rasch zu, daß bei geringem Auflösungsverm ögen des Spektralapparates das Sonnenspektrum sozusagen plötzlich abbricht. Bei hohem Sonnenstand w ird jenes "Wellenlängengebiet, welches die H a u t bräunt, noch durchgelassen, bei tiefem Sonnen­

stand bricht das Spektrum schon frü h e r ab.

Die E rforschung des äußersten U ltrav io lett im Sonnenspektrum stößt auf besondere Schw ierig­

keiten. Daß es fü r u n ser Auge un sich tb ar ist, h a t n ic h t viel -zu sagen, da die photographische P la tte gerade fü r U ltraviolett besonders em pfindlich ist.

Unangenehm ist dagegen, daß Glas f ü r 'das äußerste U ltraviolett gänzlich undurchlässig ist.

Gewöhnliches Glas is t fü r S tra h le n bis herab zu 350 mn fast ebenso durchsichtig wie fü r sich t­

bares L icht, dünne Gläser lassen; Spuren von L ieht noch bis zu 320 ;m.u durch. B esondere G las­

sorten (Uviolglas) sind bis 310 oder 300 mji leidlich durchlässig, fü r das letzte E nde des Sonnenspektrum s ta u g t aber n u r ein Spektroskop, dessen säm tliche Linsen und P rism en aus Quarz bestehen.

E ine w eitere S chw ierigkeit besteht in dem raschen A bfall der In te n s itä t m it abnehm ender Wellenlänge. Die In te n s itä t h a t je nach d'em Sonnenstand ein M aximum bei 600 bis 700 mit, also im sichtbaren Gebiet. Gegen das U ltra ­ violett h in n im m t sie bis 320 mp allm ählich auf etw a Vio ab. S chreiten w ir von hier um den kleinen B etrag von 30 mjx w eiter ins U ltraviolett, so w ird sie noch m illionenm al schwächer, ehe sie f ü r unsere M eßapparate gänzlich verschw indet.

W ill m an das ganze Gebiet des sta rk e n Abfalles au f einer und derselben photographischen P la tte in einer zur photom etrischen A usm essung ge­

eigneten F orm erhalten, so muß m an durch F ilte r

•die lichtstärkeren T eile des Spektrum s abdunkeln, d a m it diese n ich t überexponiert werden.

Fabry und Buisson (2) photographierten das Sonnenspektrum vom kurzw elligen E nde bis 299 mn ohne F ilte r, von 299 aufw ärts m ußte die S tra h lu n g durch einen F ilte r un d von 304 mu au fw ärts noch durch einen zweiten F ilte r gehen.

N a tü rlic h d ü rfen nicht etwa gefärbte Gläser als F ilte r verw endet werden. Die beiden genannten Forscher erh ielten geeignete F ilte r, indem sie von

■belichteten und fix ie rte n photographischen P la tte n die G elatineschicht ablösten. Da die Silberkörner, welche die Schw ärzung der P latte hervorrufen, fü r das äußerste U ltrav io lett du rch ­ sichtig sind, muß die P la tte zuvor durch B ehand­

lu n g m it Q uecksilberchlorid und A m m oniak ver­

s tä rk t werden. Die Sil-berkörner überziehen sich dabei m it einer schwarzen Q uecksilberverbindung.

E ine weitere Schw ierigkeit bietet schließlich d er Rückschluß von der Schw ärzung der P la tte m it dler Photographie des Sonnenspektrum s auf die In te n s itä t der Strahlung. D ie Schw ärzung ist n ich t ohne w eiteres ein Maß der In te n sitä t, da

809

auch die L insen und P rism en aus Quarz die S trah lu n g teils durch Reflexion, teils durch Ab­

sorption, te ils durch B eugung (M olekular­

diffrak tio n ) schwächen u n d weil die photographi­

sche P la tte n ic h t fü r alle S trah len gleich emp­

findlich ist. Fabry u n d Buisson nahm en deshalb neben dem u ltrav io letten Sonnenspektrum auf derselben P la tte das ultrav io lette E nde des Spek­

trum s des positiven K ra te rs einer Bogenlampe auf. Wie du rch andere M essungen festgestellt ist, stim m t die S trah lu n g des positiven K ra te rs recht genau m it der w ohlbekannten S trah lu n g eines schwarzen K örpers von 3750° C überein. D urch Vergleich der Schwärzung, welche die S trah lu n g der Bogenlampe h ervorgerufen h a t, m it jener, welche die S onnenstrahlung erzeugt h a t, läßt sich dann das V erhältnis beider S tra h lu n g sin te n si­

tä te n laibleiten:. W enigstens gelangt m an auf diese Weise zu ziem lich sicheren R elativw erten, welche es erlauben, die In te n sitä te n bei verschiedenen W ellenlängen im S onnenspektrum zu vergleichen.

F ü h r t m an die ganze M essung bei zwei ver­

schiedenen Sonnenhöhen au s oder noch besser, um die M essungen auf F e h le r u n d die erreichte Ge­

nauigkeit p rü fen zu können, im L aufe desselben Tages mehrmals bei verschiedener Sonnenhöhe, so liefert schließlich eine leichte R echnung die Schwächung, welche die S tra h lu n g verschiedener W ellenlängen in der E rdatm osphäre e rlitte n hat, andrerseits R elativw erte fü r die In te n sitä tsv e r­

teilu n g im „ex traterrestrisch en “ Sonnenspektrum , das heißt, ehe die E rdatm osphäre d ie S trah lu n g um einen m erklichen B etrag geschwächt hat.

Die folgende Tabelle erg ib t einen Überblick über die Ergebnisse der M essungen vom 1. J u n i 1920.

Strahlungsdurchlässiekeit der E rdatm osphäre und Intensität des Sonnenspektrums im äußersten U ltraviolett, I 0 vor, / nach Schwächung durch die Erdatm osphäre.

1 t Io I

314,3 0,145 15,5 2,24

310,4 0,102 14,7 1,51

305,2 0,039 25,6 1,02

302,-2 0,017 15,8 0,27

299,7 0,0060 21,8 0,132

296,3 0,0:)079 16,6 0,0132

295,6 0,00047 16,2 0,0076

294,6 0,000186 13,5 0,0023

293,6 0,000076 14,1 0,0011

293,1 0,000044 12,6 0,00055

292,2 0,003015 14,5 0,00022

291,7 0,0000083 10,5 0,000087

291,2 0,0000041 7,4 0,000030

290,6 0,0000017 2,5 0,000004

289,8 0,0000004 4,5 0,000002

Die m it ^ über sehr iebe-ne Z ahlenreihe bedeutet die W ellenlänge in M illim ikron, die nächste m it i übersohriebene Reihe den sogenannten T ran s­

m issionskoeffizienten (L ichtdurchlässigkeit), d .h .

den B ruchteil der S trah lu n g , welcher von der

E rdatm osphäre bei im Z en it stehender Sonne

Dietzius : Ozon in d. obersten Luftschichten als Schirm gegen ultraviol. Sonnenstr.

(10)

810

Dietzius : Ozon in d. obersten Luftschichten als Schirm gegen ultraviol. Sonnenstr. (“

D ie N atu r- L w issenschaften

durchgelassen w ird. Die m it I 0 überschriebenen Zahlen geben die In te n s itä t der S onnenstrahlung vor E in tr itt in die E rdatm osphäre, die m it 1 überschriebenen Zahlen die In te n sitä t, welche bestenfalls, das. ist bei im Z enit stehender Sonne, zur E rd e gelangt.

D ie In te n s itä t Io des ex traterrestrisc h en Sonnenspektrum s nim m t m it abnehm ender W ellenlänge bei weitem n ich t so sta rk ab als die In te n s itä t I der zum Boden gelangenden S tra h ­ lung. D er A bfall von Io en tsp rich t ungefähr jenem Abfall, welchen die Theorie fo rd ert, w enn man annim m t, daß die Sonne wie ein schwarzer K örper von der effektiven T em peratur der Sonne (nicht ganz 6000 0 abs.) strah lt. Doeb is t der A bfall w eniger gleichm äßig, etw as stu fe n a rtig . Die U rsache sind G ruppen von dunklen (relativ zur Umgebung, n ich t absolut) F raunhofersc'hen L inien, welche schon durch die äußeren, kühleren Schichten dler Sonnenatm osphäre hervorgerufen w erden und sich im U ltrav io lett häufen.

W enn w ir nach der U rsache der durch den Transm issionskoeffizienten t gekennzeichneten Schwächung der S trah lu n g durch die E rd atm o ­ sphäre fragen, m üssen . w ir bedenken, daß h ier m ehrere U rsachen Zusammenwirken. Alle Teile des Spektrum s werden durch die E rdatm osphäre geschwächt, im allgem einen die kurzw ellige S trah lu n g stä rk e r als die langwellige. U rsache dieser allgem einen Schwächung ist die Beugung (M olekulardiffraktion) des L ichtes an den L u ft- molekeln, welche einen T eil der S tra h lu n g nach allen möglichen R ichtungen zerstreuen. E in Teil keh rt in den W eltenraum zurück, ein anderer Teil kom m t als diffuses H im m elslicht a u f U m ­ wegen schließlich doch noch zur E rde. D ie R ech­

n u n g (Rayleighs Theorie) leh rt, dlaß diese Mole­

k u la rd iffra k tio n das senkrecht einfallende Sonnenlicht in dem 'hier behandelten W ellen- längenbereioh um 56 bis 62 % schw ächt (fü r B ergstationen w äre die Schwächung geringer).

E ine w eitere Schwächung geschieht durch B eugung und Z erstreuung an etwas größeren in der L u ft schwebenden T eilchen (Staub, kom ­ plexen W asserdampfmolekeln, kleinen Nebel­

tröpfchen), d ie auch an h e itere n Tagen nie gänz­

lich fehlen. D er B etrag dieser Schw ächung ist von F a ll zu F all verschieden, läß t sich aber aus den jew eiligen B eobachtungen ableiten. N ach Fabry und Buisson w urde durch beide A rten von B eugung zusammen die u ltrav io lette S trah lu n g am 1. J u n i 1920 auf den B ruchteil 0,25 bis 0,19 der ex traterrestrisch en S tra h lu n g herabgesetzt.

Da aber die berechneten T ransm issionskoeffizien­

ten im äußersten U ltrav io lett viel kleiner sind, muß der H a u p tte il dieser L ichtschw ächung eine besondere U rsache haben. Als solche kom m t n u r die Absorption durch irgend einen B estandteil der L u ft in B etracht.

D ie H auptbestandteile der L u ft, S tickstoff und S auerstoff, sind an dieser Schw ächung u n ­ schuldig, denn sie zeigen nach V ersuchen im L aboratorium in diesem S pektralgebiet keine

m erkliche Absorption. A uch W asserdam pf u n d K ohlensäure absorbieren diese S trah lu n g n icht in nennensw erter Weise. Ozon is t hingegen f ü r kurzw elliges L ich t u n te rh alb 310 m(i. schon in dünnen Schichten nahezu ebenso undurchsichtig wie etwa Holz fü r gewöhnliches L icht.

Daß w irklich das Ozon schuld daran ist, daß das Sonnenspektrum bei etw a 289 m|x ab b rich t, kann kaum mehr bezweifelt w erden, nachdem fe st­

steht, daß die L ichtschw ächung tatsächlich d e r­

a rt ist, daß sie durch eine ozonhaltige L u ft­

schicht e rk lä rt w erden kann. Fabry und Buisson (3) h a tte n zu diesem Zwecke V o ru n te r­

suchungen im L aboratorium über die S trah lu n g s­

durchlässigkeit des Ozons angestellt. A uf G rund dieser M essungen berechneten sie sodann, wie groß die Ozonmenge sein m üßte, welche die gleiche Lichtsohw ächung h erv o rru ft, als im Son­

nenspektrum beobachtet w ird. T rotz der großen V erschiedenheit der T ransm issionskoeffizienten, die m it abnehmender W ellenlänge von etwa 1lia au f w eniger als 1 M illiontel abnehm en, fan d en sie in recht g u ter Ü bereinstim m ung fü r alle W ellen­

längen als Dicke der w irksam en Ozonschicht etw a 0,3 cm (am 7. J u n i 1920 0,325 cm ); dies wäre die Dicke der S chicht reinen Ozons u n te r A tm osphärendruck, welche die beobachtete Ab­

sorptionsw irkung ausüben würde.

Ozon ist in dem uns zugänglichen u n te re n Teil der Atm osphäre gewiß vorhanden, aber n u r in äußerst geringer, q u a n tita tiv kaum nachw eis­

barer Menge. R. I. S t r u t t (L ord Rayleigh ju n .) (4) u ntersuchte m it einem Quarzspektroskop die S trah lu n g , die von e in e r Quarzlam pe in 6,45 km E n tfe rn u n g kam. E r fand, daß die ird isch e L u ft noch viel kürzere W ellenlängen durchläßt, als im Sonnenspektrum Vorkom m en, m indestens bis zur Q uecksilberlinie 231,3 m,u, m ith in das ganze Ge­

biet, in welchem die A bsorption des Ozons am stärksten (das M aximum lie g t bei 260 m(x) und noch viel stärk er als f ü r das u ltra v io le tte E nde der S onnenstrahlung ist. A llerdings w ird das äußerste U ltrav io lett viel stärker geschw ächt als die langw ellige S trah lu n g , dies is t aber auch n ich t zu verw undern, da nach der T heorie der S trah lu n g sv erlu st durch B eugung an den L u ft­

molekeln bei diesen kurzen W ellenlängen sehr groß w ird (die S trah lu n g au f w eniger als Viooo herabsetzt). Aber selbst, w enn die Theorie falsch u n d der ganze S trah lu n g sv erlu st dem Ozon in die Schuhe zu schieben wäre, w ürde dazu eine Ozon­

schicht von 0,026 cm ausreichen. M it zu­

nehm ender Schichtdicke nim m t die A bsorptions­

w irk u n g nach einem Exponentialgesetz äußerst rasch zu. Die von Fabry un d B uisson m it 0,325 cm berechnete w irksam e O zonschicht h ä tte bei S t r u t t s Versuch in der A bsorptionsbande des Ozons das L icht im V e rh ältn is von 1 : 10—33, das ist bis zu einem zweifellos unm erklichen B etrag schwächen m üssen.

M an ist dad u rch gezwungen, den Sitz des

Ozons, welches das Sonnenspektrum im U ltra ­

violett absohneidet, in große H öhen zu verlegen.

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