• Nie Znaleziono Wyników

Aerztliche Sachverständigen-Zeitung, 8. Jg. 1. Juni 1902, No 11.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Share "Aerztliche Sachverständigen-Zeitung, 8. Jg. 1. Juni 1902, No 11."

Copied!
24
0
0

Pełen tekst

(1)

Die „ A e rz tlic h e S ach v erstK n d lg cn .Z eitu n g “ e rsc h e in t m onat- S I T B 0 A lle M an u sk rip te, M itth eilu n p en un d re d a k tio n e lle n A nfragen

lieh zw eim al. D u rch je d e s d eu tsch e PoBtamt w ird d ieselb e I b e lie b e m an zu se n d en a n Dr. F. L e p p m a n n , B erlin NW.,

zum P re ise von Mk. S.— v ie rte ljä h rlic h (M. 4.94 f ü r die Sach . / M I I ■ W ik in g e r-U fe r No. 1. K o rre k tu re n , R ezen sio n s-E x em p lare.

verstH ndigen-Z eitung, 0 Pf. fllr B estellg eld ) fre i ins H aus ^ J [ J J | J | j \ j | \ ^ S o n d erab d rilck e an die V erlag«buchhandluiig, In se ra te und

g e lie fe rt. (P o st-Z e itu n g s-P re isliste No. 34). B eilagen an d ie A n n o n c e n e x p e d itio n von R u d o lf MoBse.

Sachverständigen-Zeitung

Organ für die gesammte Sachyerständigentliätigkeit des praktischen Arztes sowie für praktische Hygiene und Unfall-Heilkunde.

R e d a k tio n :

Dr. L. Becker Dr. Braehmer Dr. Florschütz Dr. Fürbringer Dr. Haug Dr. Kionka Dr. Kirchner Dr. A. Leppmann

G eh .M ed.-R ath G e h .S a n .-R a th G otha. G eh .M ed .-R ath u .P r o f. P ro fesso r P rofessor G eh. Ob.-Med.-R. n. Prof. M ed.-R ath.

B e rlin . B e rlin . B e rlin . M ünchen. J e n a . B e rlin . B erlin .

Dr. von Liszt Dr. Loebker Dr. Ostertag Dr. Puppe Radtke Dr. Roth Dr. Silex Dr. Stolper Dr. Windscheid

G e h .J u st.-R a th u . Prof. P ro fesso r P r o fe sso r P riv.-D oz. u .G e ric h tsa r z t K a iserl. R e g .-R a th R e g .-u .G e h .M e d .-R a th Professor B re s la u . Professor

B e rlin . B ochum . B e rlin . B e rlin . B e rlin . P o tsd am . B e rlin . L eip zig . Dr. F. Leppmann - Berlin.

V e r a n t w o r t l i c h e r R e d a k t e u r .

V e r l a g vo n R i c h a r d S c l i o e t z , B e r l i n , NW., L u i s e n s t r a s s e No. 36.

VIII. Jahrgang 1902.

J)S. 11 .

Ausgegeben am 1. Juni.

In h a lt:

Originalien: R a d tk e , Neuere Rechtssprüche desReiehsversicherungamts über die Bemessung der Unfallrente bei schon vor dem Unfalle verminderter Erwerbsfähigkeit. S. 213.

S c h ä f f e r , Sektionsbefund bei Vergiftung mit sog. Frankfurter Essigessenz (80 prozentiger Essigsäure) nebst Bemerkungen über den freien Handelsverkehr derselben. S. 215. (Schluss folgt.) C u r s c h m a n n , Ueber zwei Fälle von Essig-Essenz-Genuss. S. 218.

He y ma n n . Di e Anmeldepflicht d. praktischen Aerzte. (Schluss.) S. 219.

S t e r n b e r g , Ein kompendiöses Taschen-Besteck für Vertrauens­

ärzte. S. 222.

Referate: Sammelbericht. C u r s c h m a n n , Leistungen und Bestrebungen auf dem Gebiete der Tuberkulose im Jahre 1901. S. 223.

Allgemeines. K e n y e r e s , Fremdkörper in Verletzungen. S. 226.

H o r o s z k i e w i c z , Benagung der Leichen durch Insekten. S. 226.

N e m a n i t s c h , Ein zerkochter Ermordeter. S. 226.

P l a c z e k , Eine nene Lungenprobe. S. 226.

Neurologie und Psychiatrie. R a e c k e , Ueber Erschöpfungspsychosen. S. 227.

von B e c h t e r e w , Die Scheu vor fremdem Blicke. S. 227.

L u n d b o r g , Ueber die Folgen fast totaler Strumectomie. S. 227.

Mü l l e r , Ueber psychische Störungen bei Geschwülsten und Ver­

letzungen des Stirnhirns. S. 227.

S c h ö n b o r n , Haut- u. Sehnenreflexe d. unt. Körpei hälfte. S.228.

Ros e, Progressive Muskelatrophie nach Trauma. S. 228.

Bi c k e l e s , Zur Kenntniss des Symptomenkomplexes bei disse- minirter Hinter-Seitenstrangerkrankung. S. 220.

Vergiftungen. L a q u e u r , Chloroformtod durch Herzlähmung. S. 229.

Ch l o p i n , Giftigkeit u.Schädlichkeit einigerTheorfarbstoffe. S.229.

v a n L e d d e n - H u l s e b o s ch, Vergiftung mit Mohnfrüchten. S. 229.

Gynaekologie S c h ä f f e r , Neues Frühmerkmal begonnener Schwanger- j schaftu.über ein Gleiches betr. d. Absterbensjung. Früchte. S .220. [

R e i d h a a r , Ein Fall von Vagitus uterinus. S. 229.

He r z f e l d , Ruptur des Uterus während d. Schwangerschaft. S. 230.

P e h a m , Ueber Uterusrupturen in Narben. S. 230.

P i o t r o w s k i , Protargol bei Augeneiterung Neugeborener. S. 230.

Hygiene. S c h e n k , Beschäftigung von Kindern. S. 230.

N e s t l e r , Nachweis von extrahirtem Thee. S. 230.

H e c k m a n n . Verfälschte (künstliche) weisse Pfefferkörner. S. 231.

Aus Vereinen und Versammlungen. B e r l i n e r p s y c h i a t r i s c h e r V e r ­ ein. S. 231.

Gerichtliche Entscheidungen: Aus dem R e i c h s - V e r s i c h e r u n g s a m t . Stellung der Berufsgenossenschaft gegenüber der Krankenkasse bei Wiedererkrankuug eines Rentenempfängers an den Unfalls­

folgen. — Knarrende Geräusche und Muskelzittern beweisen nicht immer Erwcrbsbeeinträchtigung. S. 232.

Bücherbesprechungen: Ho c he , Welche Gesichtspunkte hat der praktische Arzt als psychiatrischer Sachverständiger in strafrechtlichen Fragen besonders zu beachten. — G a s t p a r , Die Behandlung Geisteskranker vor ihrer Aufnahme in die Irrenanstalt. — De u t s c h , Der Morphinis­

mus. — Co 11a, Voraussetzungen u. Grundsätze d. modern. Trinker­

behandlung. — K ö r n e r , Die otitischenErkrankungen desHirns,der Hirnhäute u. d. Blutleiter. — S ch ä f f e r, Atlas u. Grundriss d. gynä­

kologischen Operationslehre. — S c h ä f f e r , Ueber die „unter­

brochene“ Fehlgeburt. — S a v o r , Leitfaden für die Schwangeren- Untersuchung. — Ha u s o r , Grundriss der Kinderheilkunde mit be­

sonderer Berücksichtigung der Diätetik. — F r i e d m a n n , Ueber Wahnideen im Völkerleben. — Zur Besprechung eingegangen. S. 233.

Tagesgeschichte: Diensteid und Sachverständigeneid. — Die Durch­

führung des praktischen Jahres. — Staatliche Unfallversicherung in Griechenland. — Eine nachahm ensw erte Verfügung in Sachen der Trinkerfürsorge. — Neue Ministerialerlasse. S. 235.

Neuere Rechtssprüche des Reichsversicherungamts über die Bemessung der Unfallrente bei schon vor

dem Unfalle verminderter Erwerbsfähigkeit.

V on

Reg.-Rath Radtke.

In Num m er 2 dieses Jah rg an g es ist in dem Aufsatz

„Ueber die Abschätzung der durch B etriebsunfall verursachten Einbusse an E rw erbsfähigkeit“ dargelegt w erden, dass nach den Unfall V ersicherungsgesetzen der die T heilrente bestim m ende Grad der Einbusse an E rw erbsfähigkeit nicht in P rozenten einer norm alen E rw erbsfähigkeit, sondern in denjenigen der zur Zeit des U nfalles vorhandenen individuellen Erw erbsfähig- keit des V erletzten zu schätzen ist, und dass dieser Grundsatz für den Fall, dass die R ente nach dem letzten individuellen Jah resarb eitsv erd ien st berechnet wird, wie es nach dem Ge- w erbe-U nfallversicherungsgesetz in der R egel geschieht, eben so gilt, wie für den anderen, im U nfallversicherungsgesetz für Land- und F o rs tw irts c h a ft die R egel bildenden Fall der Zu­

grundelegung eines behördlich festgesetzten durchschnittlichen Jah resarb eitsv erd ien stes.

Die N o tw e n d ig k e it der D arlegung dieses bereits früher vom R eichsversicherungsam t verlautbarten, aber in der P raxis vielfach in V ergessenheit gerathenen G rundsatzes hat in m ehreren neueren R ekursentscheidungen des R eichsver­

sicherungsam tes, insbesondere in solchen vom 19. und 22. März 1902, ihre B estätigung gefunden. In einer derselben, welche je tz t unter Ziff. 1930 in den Amtl. Nachr. des R. V. A. 1902 S. 376 veröffentlicht worden ist, wird u n ter Bezugnahme auf den B ericht der Reichstagskom m ission zu dem E ntw ürfe des Gesetzes vom 30. Ju n i 1900 (Drucksachen des R eichstages 10. L egislatur-Periode I. Session 1898/1900 No. 703a S. 28), in einer anderen unter Hinweis auf die B egründung zu § 5a (Abs. 4 bis 6) des G. U. V. G. (Drucksachen No. 523, S. 50) ausgeführt, dass m an zu einer richtigen B eurtheilung der Unfallsfolgen, insbesondere im Sinn der neuen U nfallver­

sicherungsgesetze nur kommen könne, w enn m an bei der W ürdigung und B erechnung derselben in allen F ällen von dem Zustaude der vor dem U nfalle vorhandenen E rw erbsfähig­

keit als von 100 Prozent ausgeht, also denjenigen Prozentsatz der Rente zu Grunde legt, w elcher der Einbusse an der v o r dem U n­

fälle vorhandenen individuellen E rw erbsfähigkeit entspricht.

(2)

214 A e r z t l i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - Z e i t u n g . No. 11.

Den Anlass zur H ervorhebung dieser gesetzlichen Auf­

fassung h atte in jen en {Entscheidungen der höchsten Instanz der der P rax is, insbesondere auch der ärztlichen B egutachtung, viel Schw ierigkeiten bereitende Fall des V orhandenseins ä lte re r für die A rbeitsfähigkeit n achtheiliger K örperschäden geboten.

Die ärztlichen S achverständigen h atten w egen solcher Leiden eine B eeinträchtigung der E rw erbsfähigkeit um einen gewissen Prozentsatz angenom m en, die Folgen des Unfalles m it einer in Prozentziffern ausgegedrückten w eiteren Minderung der E rw erbsfähigkeit bew erthet, und die Sum m e Beider als den g esam m ten bisherigen V erlust, bezw. den U nterschied zwischen dieser Zahl und 100 als das Mass der verbliebenen E rw erbsfähigkeit bezeichnet; sie hatten also die Schätzung durchw eg in N orm alprozenten vorgenom m en. Es w ar nun S treit darüber entstanden, ob die nach dem ärztlichen Gut­

achten auf die W irkung der Unfallsfolgen entfallende P rozent­

ziffer für die zu bew illigende T heilrente m assgeblich sei. F ür die B ejahung dieser F rag e w urde insbesondere geltend g e ­ m acht, dass bei A nnahm e eines höheren Prozentsatzes die B erufsgenossenschaft auch für Schäden V ergütung leisten w ürde, w elche nicht Folgen des U nfalles seien, w ährend sie nach § 8 Abs. 2 Buchst, b des neuen U. V. G. f. L. u. F. bezw.

§ 9 Abs. 2 Buchst, b des neuen G. U. V. G. die R ente nur nach dem Masse der durch den U nfall herbeigeführten Einbusse an E rw erbsfähigkeit zu bem essen habe. Das R eichs-V ersicherungs­

am t spricht m it Bezug h ierau f bestim m t aus, dass eine B enach­

t e ilig u n g der B erufsgenossenschaft bei B erechnung der E inbusse in Prozenten der individuellen letzten Erw erbsfähigkeit im F alle einer dam als bereits vorhandenen G ebrechlichkeit des V erletzten keinesfalls eintrete, selbst w enn bei E rm ittelung der P ro zen t­

ziffer, wie n o tw e n d ig sei, in B etracht gezogen w erde, dass die Folgen des U nfalles auf einen schon erkrankten oder ge­

schw ächten K örper schw erer w irkten und die Erw erbsfähigkeit deshalb m ehr beeinträchtigten, als dies bei einem vorher noch im W esentlichen gesunden M enschen der Fall sei. D enn das Mass der B eeinträchtigung an E rw erbsfähigkeit, w elche schon vor dem Unfall vorhanden gew esen sei, kom m e in dem verhält- nissm ässig gem inderten A rbeitsverdienst, w elcher der R en ten ­ berechnung zu Grunde gelegt wird, zur A nrechnung, könne also nicht nochm als in dem P rozentsätze der Vollrente, w elche dem Masse d er Einbusse an der früheren E rw erbsfähigkeit zu entsprechen habe, in A nrechnung kommen. Die R echts­

lage sei in dieser Beziehung auf dem Gebiete der gew erb­

lichen wie der landw irthschaftlichen U nfallversicherung gleich.

So w eit die R ente nach dem erm ittelten ta ts ä c h lic h e n A rbeits­

verdienste des V erletzten zu bem essen sei, unterbleibe die Reduktion dieses V erdienstes bei schon vorher vorhanden g e­

w esener theilw eiser E rw erbsunfähigkeit deshalb, weil in diesem ta ts ä c h lic h e n individuellen Verdienst ohnedies die Folge der te ilw e is e n Erw erbsunfähigkeit in der R egel zum Ausdruck kom m e; so w eit aber die R ente nach einem allgem ein festgesetzten N orm alarbeitsverdienst (§ 10, Abs. 4, 5 des G. U. V. G.; §§ 10, 13 der U. V. G. f. L. u. F.) zu bem essen sei, m üsse das Mass d er schon vor dem Unfall vorhanden gew esenen M inderung der norm alen E rw erbsfähigkeit durch die verhältnissm ässige R eduktion dieses N orm alverdienstes ge­

w ürdigt w erden, es habe aber bei der F estsetzu n g des P rozent­

satzes der neuen Einbusse an der vor dem Unfall vorhanden gew esenen E rw erbsfähigkeit in allen F ällen au sser B etracht zu bleiben (zu vergl. auch Rek.-Entsch. 673, 1348 und 1743, Amtl.

Nachr. d. R. V. A. 1889, S. 162, 1894 S. 281 und 1899 S. 423).

In einem der anderen entschiedenen R ekursfälle hatte das Schiedsgericht, da es sich um die erste F eststellu n g der E n t­

schädigung aus einem vor dem 1. O ktober 1900 ein g etreten en B etriebsunfälle handelte, im Hinblick au f § 27 des H aupt­

gesetzes vom 30. Juni 1900 geprüft, ob die B erechnung der R ente nach § 6 des landw irthschaftlichen U. V. G. vom 5. Mai 1886 oder diejenige nach §§ 8, 13 des U. V. G. f. L. und F. vom 30. Ju n i 1900 für den Kläger günstiger sei, und war dabei zu einer B eantw ortung der F rag e im letzteren Sinne gelangt. Es w ar davon ausgegangen, dass nach dem älteren Gesetze, bei einem behördlich festgesetzten durchschnittlichen Jah resarb eitsv erd ien ste landw irthschaftlicherA rbeitervon280M .,

2 8 0 .2 .2 0

sich die R ente im gegebenen Falle a uf — = ^ ^ berechne, indem nach § 6, Abs. 6 des L. U. V. G. vom 5. Mai 1886 zw ar nicht wie nach dem n euen Gesetz der Jah re sa rb e itsv e r­

dienst w egen frü h erer theilw eiser E rw erbsunfähigkeit zu kürzen, aber doch nur die durch den Betriebsunfall allein herbei­

geführte E rw erbsunfähigkeit zu vergüten sei; letztere w ar in diesem Falle au f 20 P rozent vom Arzt v eranschlagt worden.

A ndererseits sollte nach Ansicht des Schiedsgerichts bei An­

w endung des neuen Rechts gem äss § 13 des U. V. G. f.

L. und F. zw ar der Jah resarb eitsv erd ien st um den P rozent­

satz der bei dem Unfalle bereits vorhandenen M inderung der E rw erbsfähigkeit — hier 50 P rozent nach ärztlicher Schätzung — gekürzt, dagegen die T heilrente aus der Vollrente nach dem Satze von 50 + 20 = 70 P rozent b erechnet worden, was

280 50 2 70

— rrik--- ^ — 65 M. 33 Pf., also erheblich m ehr er-

1UU o 1UU

geben haben würde.

Das R eichs-V ersicherungsam t hat beide R entenberechnungen nach Lage des F alles für unrichtig erklärt. Bei der A nwendung des älteren R echtes ist danach, wie der R ekurs der B erufsgenossen­

schaft m it R echt gerügt h atte, vom Schiedsgericht übersehen w orden, dass die B eschränkung der Entschädigung a u f die

„w eitere“ Schm älerung der E rw erbsfähigkeit im § 6 Abs. 6

des L. U. V. G. vom 5. Mai 1886 ausser an die T hatsache einer schon vor dem Unfalle vorhandenen theilw eisen E rw erbs­

unfähigkeit auch an die fernere V oraussetzung geknüpft ist, dass w egen dieser bereits vorher vorhandenen M inderung der V erletzte einen g eringeren als den durchschnittlichen A rbeits­

v erdienst thatsächlich bezogen habe. Im fraglichen Falle m üsse das R ekursgericht bei Nachholung dieser vom Schiedsgericht unterlassenen ta ts ä c h lic h e n Prüfung zur V erneinung dieser V oraussetzung gelangen, weil der V erletzte nach der einw ands­

freien E rklärung seines A rbeitgebers den A rbeitsposten eines Pferdeknechtes au f einem R ittergute gegen vollen, den fe s t­

gesetzten durchschnittlichen B etrag übersteigenden Lohn bis zum U nfalle ohne frem de U nterstützung zur Zufriedenheit v e r­

sehen h atte, und weil gegenüber dieser T hatsache die An­

nahm e, er sei durch sein A lter von 50 Jah ren , seine rh eu ­ m atischen B eschw erden und einen gew issen Grad von W eit­

sichtigkeit um 50 P rozent bereits vorher erw erbsunfähig g e ­ w esen, offenbar unrichtig erscheine, vielm ehr u n ter den g e­

gebenen V erhältnissen der K läger nach dem alten Recht noch als zur Zeit des U nfalles voll erw erbsfähig in dem Sinne be­

tra c h te t w erden m üsse, dass er den festgesetzten durchschnitt­

lichen Jah resarb eitsv e rd ie n st durch Lohnarbeit erzielen konnte.

Die U nfallsfolgen selbst — erhebliche, schw eres T ragen und Heben auf der linken Seite ganz unmöglich m achende Schm erz­

haftigkeit des linken Schultergelenks in Folge einer K nochen­

verletzung — m üssten m it Rücksicht d arauf bew erthet werden, dass sie einen bereits nicht m ehr ganz rüstigen und jugendlichen Mann getroffen hätten, welchen sie schw erer an seiner E rw erbs­

fähigkeit schädigten als einen kräftigeren und jü n g eren Menschen.

Nach altem R echt w äre also ein höherer Prozentsatz als 2 0

Prozent der aus dem vollen Ja h re sarb eitsv erd ien st berechneten Vollrente festzusetzen gew esen, w enn auch der K reisphysikus Geh. S an itätsrath Dr. K. in seinem G utachten die „durch den

(3)

1. Juni 1902. A e r z t l i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - Z e i t u n g . 215 Unfall allein herbeigeführte Schädigung“ nur auf 20 Prozent

veranschlage; er habe darunter offenbar nur Prozente einer norm alen E rw erbsfähigkeit verstanden, w ährend nach der in ­ dividuellen letzten E rw erbsfähigkeit als der hundertprozentigen Einheit zu schätzen sei. Auf der anderen Seite wird es so­

dann von dem Reichs - V ersicherungsam t für die Anwendung des neuen Rechts als unzulässig bezeichnet, denjenigen P ro­

zentsatz, w elchen die durch den Unfall herbeigeführte Ein­

busse an E rw erbsfähigkeit darstellen soll, zu dem Prozent­

satz, in w elchem die bereits vor dem Unfall vorhanden gew esene M inderung der E rw erbsfähigkeit ausgedrückt ist, hinzuzuzählen und die Summe als denjenigen Prozentsatz der V ollrente anzusehen, w elcher die zu gew ährende T heilrente darstelle, wie es das Schiedsgericht g ethan hatte. Durch das Zusam m enzählen der für beide Schätzungen gew onnenen, sich auf ganz verschiedene Einheiten (norm ale und individuelle Erw erbsfähigkeit) beziehenden Prozentzahlen könne nur ein m athem atisch verkehrtes und praktisch unanw endbares Ergeb- niss erzielt w erden. Im gegebenen Falle m üsse der P rozent­

satz zur M inderung des Jahresarb eitsv erd ien stes, w enn m an diese, trotz obiger B edenken, überhaupt für zulässig erachte, im W ege freier Schätzung jedenfalls erheblich niedriger als 50 P rozent und der des R entensatzes au f erheblich m ehr als 20, aber auch erheblich w eniger als 70, am richtigsten — aus näher dar gelegten Gründen — au f 35 P rozent festgesetzt werden.

Hiernach, so schliesst das U rtheil weiter, „ist es einleuchtend, dass bei thatsächlich und rechnerisch richtigen A nsätzen die Bestim m ungen des neuen Gesetzes nicht zu einem für den V erletzten erw eislich günstigeren E rgebniss führen, als die ältere n G esetzesvorschriften. E her könnten die letzteren als vortheilhafter e rach tet w erden, weil sie eine genaue Aus­

sonderung des Einflusses älte rer Schäden au f die Erw erbs­

fähigkeit von den eigentlichen Unfallsfolgen für den hier ge­

gebenen Fall nicht nothw endig m achen, in welchem der V er­

letzte noch den festgesetzten durchschnittlichen Jah re sa rb e its­

verdienst gew öhnlicher la n d w irtsc h a ftlic h e r A rbeiter bis zum Unfalle thatsächlich verdient hat. Es ist daher die E n tsch ä­

digung des K lägers gem äss der Regel nach den V orschriften des landw irthschaftlichen U nfallversicherungsgesetzes vom 5. Mai 1886, u n ter dessen H errschaft der U nfallschaden eingetreten ist, zu bem essen.

Die angem essene R ente wird sodann auf

6 6 2/ 3 35

2 8 0 . 65 M. 63 Pf. beziffert.

100 100

An einer an deren Stelle hat das R. V. A. sich m it der F rag e beschäftigt, ob es möglich sei, zu einer richtigen R entenbe­

m essung auf der G rundlage einer in N orm alprozenten vor­

genom m enen ärztlichen Schätzung der U nfallsfolgen in der W eise zu gelangen, dass an die Stelle des vom Arzt an g e­

gebenen Prozentsatzes derjenige gesetzt w ird, w elcher dem V erhältniss des ersteren zu dem beim Unfalle noch vorhandenen Theile der norm alen Erw erbsfähigkeit als der E inheit entspricht.

Zu diesem V erfahren w aren einige Schiedsgerichte und B erufs­

genossenschaftsorgane in richtiger E rkenntniss der Unm öglich­

k eit, die R ente lediglich nach dem Ausfall an norm aler E r­

w erbsfähigkeit zu bem essen, kurzer Hand überg eg an g en ; sie h atten also, falls der Arzt die vorausgegangene M inderung der E rw erbsfähigkeit auf 50 Prozent, die w eitere durch den Unfall v eru rsach te au f 30 Prozent, die verbliebene also auf 20 P rozent d er norm alen angegeben h a tte , die Vollrente bei einem Ja h resarb eitsv erd ien st von 500 M. auf

50 2

500 . — . -5-, und die zu gew ährende T heilrente auf 100 3

50 2 30 Rnn 50 2 60

5 0 0 ‘ 100 ' 3 ' 50 ° ’ 100 ’ 3 ‘ 100

berechnet. Dieses V erfahren hat das R. V. A. rechnerisch als einw andsfrei bezeichnet, dagegen aber das praktische Bedenken erhoben, dass im einzelnen Falle thatsächlich der U nterschied der beiden Schätzungen oft nicht genau dem m athem atischen Verhältniss entsprechen w erde. Es h at deshalb empfohlen, dahin zu wirken, dass bereits die grundlegende Schätzung unm ittelbar in Prozenten der individuellen, vor dem Unfalle letzten Erw erbsfähigkeit erfolge.

Diesem W unsche wird m an sich eben so anschliessen m üssen, wie den m itgetheilten rechtlichen A usführungen der Behörde.

W enn die Arbeit für den m it der B egutachtung betrauten ärztlichen Sachverständigen dadurch auch zweifellos erschw ert w ird, schon deshalb, weil er nicht die durch die P raxis herausgebildete G ebrechenstaxe unv erän d ert benutzen kann, so wird doch andererseits die vom GeseCz gewollte B erücksichti­

gung der individuellen V erhältnisse bei der E ntschädigungs­

feststellung dadurch allein erreicht, und die G efahr einer V er­

steinerung der R echtsprechung verm ieden, die bei der Schätzung in N orm alprozenten trotz scheinbarer Gleichmässig- keit zu U ngerechtigkeiten im Einzelnen führen muss.

Sektionsbefund bei Vergiftung mit sog. Frankfurter Essigessenz (80 prozentiger Essigsäure) nebst Be­

merkungen über den freien Handelsverkehr derselben.

V on

Dr. Emil SchäfTer,

G rossherz. K r e isa r z t in B in g en .

V o r b e m e r k u n g .

Der 60 jäh rig e B. von A. tra n k am 18. Jan u ar 1902 Nach­

m ittags V25 Uhr nach approxim ativer Schätzung nicht ganz l/s L iter unverdünnter F ran k fu rter Essigessenz.

Die auf das laute Jam m ern und Stöhnen des Mannes herbeieilenden A ngehörigen fanden den Mann vor Schm erzen sich krüm m end au f dem Boden liegend, er verlangte Milch und W asser zu trinken, die frisch geöffnete Flasche, in w elcher von dem V erein für chem ische Industrie in F ran k fu rt 80 prozentige E ssigsäure unter dem Nam en F ran k fu rter Essig­

essenz in den Handel gebracht wird, stand au f dem Tisch, ein T rinkglas daneben. Es fehlte etw a L iter; in dem T rinkglas befand sich noch etw as Essigessenz, wie die als Zeugin vom G ericht vernom m ene Tochter des V erstorbenen angab.

Nach m einen E rm ittlungen h a t der Mann einige Zeit nach dem Genuss der sog. Essigessenz schw arze, „wie ge­

stocktes B lut“ aussehende Massen erbrochen, er befand sich fortw ährend in höchster U nruhe und „w usste vor Schm erzen nicht, wie er sich legen sollte“ , wie m ir ein Augenzeuge be­

richtete. Nach etw a einer Stunde begann er sichtlich zu v e r­

fallen, zeigte kalten Schweiss auf der Haut, das Bewusstsein verlor er nicht, ebensow enig h atte er Kräm pfe. Die Athmung w ar nach M ittheilung der A ngehörigen sehr schw er und a n ­ gestrengt, gegen 8 Uhr Abends en tleerte er eine geringe Menge blutigen Urins. Ehe ärztliche Hilfe erschien, w ar B.,

6 Stunden nach dem Genuss der sog. Essigessenz, todt.

S e k t i o n s b e f u n d .

1. A usgedehnte b l a u v i o l e t t e Todtenflecke am ganzen Körper.

2. Sklerae deutlich gelb. Punktförm ige B lutungen in den B indehäuten d er Augen.

3. Hochgradige w eissgraue V erätzung und Erw eichung der L i p p e n s c h l e i m h a u t , des Z a h n f l e i s c h e s , der S c h l e i m h a u t d e r W a n g e n und der g a n z e n M u n d h ö h l e .

4. Starke V erätzung der S p e i s e r ö h r e .

5. V erätzungen des K e h l k o p f e s m it stark er gallertiger D urchtränkung der Schleim haut.

(4)

A e r z t l i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - Z e i t u n g . No. 11.

6. A usgedehnte, weiche V erätzung des M a g e n s . Die ganze hintere W and und die G egend des P förtners schm utzig graubraun, vollständig durchw eicht, die Schleim hautoberfläche stark gew ulstet und bucklig; beim E inschneiden erw eisen sich die Niveaudifferenzen bedingt durch um fangreiche, bis zu 2 cm dicke Blutungen in der Schleim haut mit flächenhafter Ausdehnung. Die Gefässe sind prall ausgestopft mit roth- braunen, geronnenen Massen. Geschw ürsbildungen am Magen bestehen nicht.

Im M agen geringe M engen eines sch arf nach E ssigsäure riechenden, schw arzbraunen dünnen Breies, mit stark sau rer Reaktion.

7. Auch im Z w ö l f f i n g e r d a r m m assenhaft Blutungen in der Schleim haut, w enn auch nicht in dem U m fang wie im Magen.

8. Die beiden N i e r e n zeigen im W esentlichen gleiches V erhalten. Sie sind sehr voluminös (15 : 9 : 6), die Kapsel stark gespannt, das O rgan von w eicher Konsistenz, die R inden­

substanz locker und gequollen, K näuel und besonders M ark­

strahlen heben sich stellenw eise durch ihren nahezu schwarzen Farbenton von dem übrigen, m ehr heller gehaltenen Gewebe ab. Die Rinde h a t durch unregelm ässig begrenzte, roth- bis schw arzbraune Stellen, die m it gelblichw eissen und blass­

grauen abwechseln, ein bem erkensw erth fleckiges Aussehen.

Die Pyram iden sind dunkel-bläulich-roth und erscheinen durch braunschw arze, gegen die Papille konvergirende bandartige S treifen rad iär gestrichelt.

Im N ierenbecken punktförm ige Blutungen.

8. In der H arnblase etw a 50 ccm blutrothen, stark flockigen U rins; ausgesprochene a l k a l i s c h e Reaktion.

9. Der B a u c h f e l l ü b e r z u g ist durchw eg blauviolett verfärbt.

10. Mi l z (14 : 8 : 7), m it glatter, prall gespannter Kapsel, O rgan derb, auf dem D urchschnitt dunkelbraun und blauroth, seh r blutreich.

11. L e b e r m akroskopisch ohne bem erkensw erthen Befund.

12. Das B l u t ist flüssig, lackfarben, in dünnen Schichten auffallend roth.

13. D er Leiche entström t ein scharfer, stechender Essig­

geruch.

B e i Z u s a t z v o n E i s e n c h l o r i d z u d e m D e s t i l l a t d e s M a g e n i n h a l t s t r i t t d u r c h B i l d u n g v o n e s s i g s a u r e m E i s e n o x y d e i n e t i e f w e i n r o t h e F ä r b u n g ei n.

M i k r o s k o p i s c h e r B e f u n d .

I. B l u t . Gute Geldrollenbildung. Sehr viele, z. Th. stark abgeblasste, z. Th. total entfärbte, wie ausgelaugte Blut­

körperchen. Viele B lutkörperchen sind stark geschrum pft, andere zu blassen, nahezu farblosen, kugligen Gebilden au f­

gequollen. Anderw eitige G estaltveränderungen w aren nicht zu konstatiren.

Beim S tehenlassen einer dem H erzen entnom m enen Blut­

m enge färbt sich das B lutserum intensiv roth.

Das Blut zeigt spektroskopisch die Absorptionsstreifen des Hämoglobin. Zersetzungs- oder U m w andlungsprodukte aus O xyhämoglobin, insbesondere Methämoglobin w urden nicht nachgew iesen. (Als Kontrolblut w urde R inderblut mit Ferri- cyankali benutzt.)

II. U r i n . S tark alkalische R eaktion; enthält Eiweiss, H e l l e r sehe Blutprobe positiv. Das Sedim ent besteht zum grössten Theil aus feinkörnigem , braunrothem Farbstoff, zum Theil in Tropfenform , zum Theil frei im Urin, zum grössten Theil in vollständige A usgüsse der H arnkanälchen darstellen­

den Zylindern. Spärliche Epithelien.

S p e k t r o s k o p i s c h ist in dem durch schw ache N atron­

216

lauge gelösten H arnsedim ent nach Filtration H ä m o g l o b i n naclizuweisen.

III. N i e r e n . (U ntersuchung frisch m it Gefriermikrotom,

Fi(). 1.

und nach Form olhärtung und Celloidineinbettung m it den üblichen K ernfärbem ethoden): Fleckw eise Nekrose der Epi­

thelien m it vollem V erlust der K ernfärbbarkeit, sowohl an

RH

Fig. 2.

den K näueln wie an den E pithelien der schleifenförm igen K anäle und Abflussrohren. Die H arnkanälchen sind förmlich ausgestopft m it H äm oglobinm assen, die theilw eise noch deut­

(5)

1. Juni 1902. A o r z t l i ch o S a c h v e r s t ä n d i g e n - Z e i t u n g . 217 lieh Tropfenform erkennen lassen, theils zu um fangreichen !

Zylindern zusam m engefiossen sind (Fig. 1). Das Epithel der K anälchen ist im Ganzen erhalten, in Folge der prallen Aus- j stopfung des L um ens der K anälchen stellenw eise vollständig abgeplattet (Fig. 2).

In den Schlingen der glom eruli ist w enig Blut, in einzelnen stärk ere A nhäufung von Hämoglobintropfen. Die .V erhältnisse im K apselraum zeigen nichts Besonderes.

An den m it Doppelfärbung behandelten P räp araten tritt eine auffallend stark e Q uellung des N ierenstrom a hervor. Auch die K erne in Strom a zeigen nicht durchw eg gleichm ässige Färbbarkeit.

Es handelt sich um einfache Quellung, nicht etw a um E x su d at, dies bew eist die Abwesenheit der kleinzelligen Infiltration, auch die W e i g e r t s e h e Fibrinfärbung w ar negativ.

IV. L e b e r ohne erheblichere Häm oglobinablagerung im interacinosen Gewebe,

V. Ma g e n . Die Epithelschicht ist erhalten, jedoch ist die Form der einzelnen Epithelien ganz unkenntlich. Die Epithelien erscheinen in eine körnige Masse von verschiedener Dicke zu­

sam m engeballt, unterm ischt m it rothen und w eissen Blutzellen.

Die M agendrüsen sind kaum m ehr in groben U m rissen zu e r­

kennen, das B indegew ebslager ist auffallend v e rb reitert und die einzelnen Züge hochgradig gequollen, ebenso die M uskelfasern.

Bei der W e i g e r t s c h e n F ibrinfärbung sind in den Blut­

m assen im Gewebe und in den G efässen nu r ganz vereinzelte Fibrinfäden nachzuw eisen.

T iefer reichende D efekte lassen sich in der Schleim haut auch am m ikroskopischen P rä p a ra t nicht finden.

R e s ü m i r e i c h , so zeigte der Mann bei Lebzeiten die Zeichen schw erer V ergiftung; u n ter rapidem K räfteverfall tra t nach sechs Stunden der Tod ein. Bei der Sektion w urde im W esentlichen konstatirt: H o c h g r a d i g e w e i c h e V e r ­ ä t z u n g d e r V e r d a u u n g s w e g e u n d d e r o b e r e n L u f t ­ w e g e , u m f a n g r e i c h e B l u t u n g e n i m M a g e n u n d Z w ö l f ­ f i n g e r d a r m , s c h w e r e t o x i s c h e N i e r e n d e g e n e r a t i o n , h o c h g r a d i g e H ä m o g l o b i n ä m i e u n d - u r i e .

In der L iteratur finden sich nur spärliche M ittheilun­

gen über akute E ssigsäurevergiftung beim Menschen.

S c h u c h a r d t 1) h at bis 1882 im Ganzen sechs F älle g e ­ sam m elt, d aru n ter befinden sich die zwei von H e i n e 5) mit- getheilten Fälle m it tödtlichem V erlauf nach Injektion von sog. Liquor Villati in fistulöse W unden, ein V erfahren, das vor einigen D ezennien noch in der Chirurgie A nwendung g e­

funden. Der Liquor Villati b esteht aus Cüprum und Zinc.

sulf. aa 15,0. Liqu. plumb. subacet. 30,0. und 200 Acetum.

Dass es sich auch bei diesen beiden Todesfällen um E ssigsäure­

w irkung h an d elte, stellte H e i n e experim entell fest: eine der im Liquor Villati enth alten en E ssigsäurem enge entsprechende E ssigsäuredosis tödtete einen Hund nach w enigen Minuten, w ährend eine entsprechende Menge Liquor Villati, in w elcher nur die E ssigsäure w eggölaasen w ar, sich als unschädlich erwies.

B o j a s i n s k i 7) beschrieb 1892 vier w eitere Fälle bei K indern nach Genuss von Essigessenz. Neben den örtlichen V eränderungen einer stom atitis corrosiva hebt er besonders die grosse U nruhe, fahle G esichtsfarbe, Athem noth, Husten, tetanische K räm pfe hervor, w elch letztere nach seiner An­

sicht reflektorisch durch die stark en Schm erzen ausgelöst w erden. U eber Sektionsbefunde m acht er keine M ittheilung.

H o f m a n n 1) theilt eine V ergiftung durch E ssigessenz m it bei einem Epileptiker, dem w ährend des Anfalls ein m it Essigessenz g eträn k ter Schwamm als analepticum an den Mund gehalten w orden war. Die Obduktion ergab epitheliale w eiss­

graue V erschorfung im Mund, oesophagus, Luftw egen, ausge­

dehnte Schluckpneumonie. H o f m a n n erw ähnt hierbei, dass er w iederholt epitheliale V erätzungen durch gewöhnlich als Be*

lebungsm ittel angew endeten Essig gesehen habe, u. A. bei einem asphyktischen Neugeborenen, im ganzen Schlingtraktus uud im Magen, der deutlich nach Essig roch.

H i t z i g 4) beschreibt aus der Züricher Klinik eine Ver­

giftung m it 78 prozentiger Essigessenz bei einem 30 jäh rig en Mann, der am elften Tag, w enn auch noch nicht genesen, aus dem Spital entlassen w erden konnte. H i t z i g h at zuerst das Auftreten von Hämoglobinämie und -urie bei E ssigsäure­

vergiftung beobachtet. Seine schöne Arbeit ist offenbar M a r c i n o w s k i , der in dieser Zeitschrift, 1902, No. 6, einen w eiteren hierh er gehörigen Fall in aller Kürze m ittheilte, trotz der seh r spärlichen L iteratur über E ssigsäurevergiftungen, un bekannt geblieben, wie aus M a r c i u o w s k i s P rio ritätsan ­ spruch hinsichtlich der H äm oglobinurie hervorgeht.*)

S t u m p f 0) theilt nur den anatom ischen Befund des M a g e n s mit. E r hebt die dunkelgraue V erfärbung der Schleim haut, die ausgedehnten punkt-, strich- und inselförm i­

gen Ecchym osen bis zu erheblicher Grösse als bem erkens- w erth hervor. In den Lehrbüchern von B ö h m , K o b e r t , K u n k e l , K i o n k a ist hinsichtlich des M agenbefundes be­

m erkt, dass U lcerationen bei E ssigsäuretoxikosen fehlen sollen und daran erinnert, dass die E ssigsäure auch in kon- zentrirtem Zustand nicht eiw eissfällend wirkt, ein U m stand, der vielleicht dieses unterschiedliche V erhalten anderen Säuren gegenüber erklären kann. In m e i n e m F all fanden sich ganz ausserordentlich um fangreiche, flächenhafte, bis zu 2 cm dicke Blutungen u n ter der Schleim haut. W enn ich auch bei der mikroskopischen U ntersuchung keine tiefergreifenden Schleim ­ hautdefekte konstatiren konnte, so denke ich in e rste r Linie nicht so sehr an eine spezifische Essigsäurew irkung, sondern nach m einem D afürhalten w ar die Zeit zu kurz, als dass in dem erw eichten und blutig infiltrirten Schleim hautgew ebe eine Selbstverdauung durch den M agensaft bereits hätte Platz greifen können. Auffallend w ar bei den m ikroskopischen P räp araten , die ich aus dem Magen h e rs te llte , die ganz enorm e Quellung der Submucosa und M uscularis, ein Befund, der wohl als die spezifische Essigsäurew irkung aufzufassen ist, indem die E ssigsäure seh r tiefgehend erw eicht und u n ter ihrer Einwirkung, wie j a schon aus der histiologischen Technik geläufig ist, die protoplasm atischen Substanzen stark aufquellen.

Besonderes Interesse h a t d er m ikroskopische N i e r e n - b e f u n d .

Das in Folge der Blutdissolution frei gew ordene Hämo­

globin wird gelöst und vorzugsw eise in den H e n ie 's e h e n Schleifen und in den Sam m elröhren ausgeschieden. Besonders im Q uerschnitt getroffene Tubuli lassen die von B o s t r ö m 3) (s. u.) zuerst beschriebene Tropfenform des ausgeschiedenen Hämoglobins rech t gut erkennen. An anderen Stellen sind diese Tropfen zu vollständigen A usgüssen der K anälchen zu­

sam m engelaufen, es en tstehen Hämoglobinzylinder, zwischen w elchen einzelne hyaline Zylinder sitzen.

Die Hämoglobinzylinder füllen das ganze Lum en der K anälchen prall aus, sie sind in der Papille so zahlreich, dass sie derselben ein schw arzes ra d iä r gestricheltes A ussehen v e r­

liehen. Das Epithel ist nicht selten vollständig platt gedrückt und die Häm oglobinzylinder erscheinen in die ausgedehnten K anälchen geradezu eingekeilt. Ich habe also für die Essig­

säure ganz den g l e i c h e n Befund konstatirt, wie er z. B. für die V ergiftungen von Kali chloricum von M a r c h a n d , S u ­ d e c k , für die Lorchel (helvella esculeuta) -V ergiftung zuerst von H errn Geh. Rath B o s t r ö m konstatirt w orden ist, d er die

*) Anm. d. Red. Einen von W y g o d z i n s k i beschriebenen Fall von Essigessonzvergiftung s. S. 15 dieses Jahrgangs. Zwei weitere

1 Fälle s. S. 218.

(6)

218 A e r z t l i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - Z e i t u n f r . No. 11.

L iebensw ürdigkeit hatte, m eine m ikroskopischen P rä p a ra te ein­

zusehen. B o s t r ö m ko n statirte in seinen F ällen von Lorchel­

vergiftung — blutkörperchenlösend w irkt die in diesem Pilz vorhandene H evellasäure ( B o s t r ö m , K o b e r t ) — neben den typischen V eränderungen in der Niere noch m assenhafte H äm oglobinablagerungen in der Milz, Leber, K nochenm ark und m acht besonders au f das A uftreten eines häm atogenen Icterus aufm erksam . Zu H auticterus ist es in m einem Fall, der schon nach 6 Stundeji letal endete, nicht gekom m en.

Auffallend w ar fe rn er d ie u m f a n g r e i c h e N e k r o s e d e r E p i t h e l i e n i n d e n G l o m e r u l i s u n d z u m T h e i l i n d e n K a n ä l c h e n , deren K erne das T inktionsverm ögen nicht selten vollständig verloren hatten. Das dies nicht etw a unm ittelbare Säurew irkung sein kann, ergiebt sich wohl schon aus der stark en Alkaleszenz des Urins. Ich erkläre m ir das Zustande­

kom m en dieser inselförm igen, fleckenw eisen N ekrosen folgeuder- m assen: Die Epithelien der K näuel und K anälchen, als die em pfindlichsten Theile der Niere, reag iren schon bei starken Senkungen des B lutdruckes sehr prom pt m it Nekrose, wie bereits L e y d e n , G r i e s i n g e r u. A. festgestellt haben. Die experim entellen U ntersuchungen von Go l z und B o b r i k lassen ein rapides Senken des B lutdruckes als Essigsäurew irkung nicht zw eifelhaft erscheinen. In den m itgetheilten Fällen von E ssigsäuretoxikosen ist dem entsprechend auch stets grösser Kollaps, kleiner Puls, k alter Schweiss beobachtet w orden und H e i n e erzielte experim entell insbesondere starke Tem peratur- Senkungen.

Die W i r k u n g d e r B l u t d r u c k s e n k u n g w ird nach m einer A nsicht noch potenzirt durch die V e r s c h l e c h t e r u n g d e r Z i r ­ k u l a t i o n s v e r h ä l t n i s s e i n F o l g e d e r n a c h g e w i e s e n e n V e r ä n d e r u n g e n a n d e n B l u t k ö r p e r c h e n . Nach K u n k e l wird das Blut in Folge der G estaltveränderung, Auflösung, Zerfall u. s. w. der B lutkörperchen zäh und dickflüssig. K u n k e l betont ferner, dass bei allen Giften, die eine V eränderung der Blutkörper chen bew irken, bei B lutdrucksenkung eine starke V erm inderung, ja völlige Sistirung des K reislaufes gerade in den einzelnen Glom erulusbezirken sehr leicht zu Stande kom m en kann und führt dies auf dieG efässanordnung der a rte riae interlobulares und rec tae zurück. Auch andere E rfahrungen m achen es w ahr­

scheinlich, dass auf der Bahn des grossen W iderstandes durch die Glomeruli n u r bei hohem Blutdruck reichlich Blut ström t.

Man braucht noch g ar nicht an w irkliche Verstopfung, sondern nur an A ngefülltsein d er G efässe m it zähflüssigem Blut zu denken, dann w ird bei Sinken des B lutdruckes an einzelnen Stellen der K reislauf ganz aufgehoben, unterbrochen sein können. D am it stim m t auch sehr gut der mikroskopische Be­

fund m eines Falles überein, n i c h t d i e g a n z e R i n d e ist v er­

ändert, sondern nur e i n z e l n e S t e l l e n z w i s c h e n g a n z g e ­ s u n d e n P a rtie e n , dieselben treten an den m it K ernfärbungs­

m itteln behandelten Schnitten in Form der herd- und flecken­

weise angeordneten Epithelnekrose ohne W eiteres hervor.

Die H ä m o g l o b i n ä m i e — Methämoglobin konnte ich spektro­

skopisch nicht nachw eisen —, betrachtet K i o n k a als resorp- tive W irkung der E ssigsäure, als Folge der durch die S äu re­

einw irkung veru rsach ten V erm inderung der Blutalkaleszenz.

Dem gegenüber erw äh n t K u n k e l , dass die F ettsäu ren , wie Essig- und A m eisensäure, im O rganism us rasch zu K ohlensäure v erb ra n n t w erden und sonach ohne Einfluss auf die H erab­

setzung der Blutalkaleszenz sind. Eine E rklärung für die Hämoglobinämie bei E ssigsäure - V ergiftung giebt indessen K u n k e l nicht. B em erkensw erth erscheint m ir in diesem Zu­

sam m enhang die von H i t z i g in seinem oben zitirten Fall von E ssigsäuretoxikose konstatirte stark e V erm ehrung der A m m oniakausscheidung durch den Urin und K u n k e l selbst schliesst aus der verm ehrten A m m oniakausfuhr bei einigen

Vergiftungen au f eine V erm inderung der Blutalkaleszenz durch organische Säuren.

Noch einige W orte über die a l k a l i s c h e R e a k t i o n d e s U r i n s i n d e m von m ir beobachteten Fall. Die zur F ettsä u re ­ reihe gehörige Essig- und A m eisensäure w erden, wie gesagt, zu K ohlensäure v erb ran n t und als kohlensaure Salze au sg e­

schieden. D aher im G egensatz zu an deren Säuretoxikosen der n eu trale oder bei grö sserer Säurezufuhr, wie in m einem Fall, stark alkalische Urin (v. J a c k s c h ) . Dieses bem erkens- w erthe V erhalten ist auch in den g rösseren W erken über Toxikologie nicht erw ähnt. H i t z i g hat bei der Schilderung seines Falles eine vollständige H arnanalyse m itgetheilt, in ­ dessen verm isse ich eine Angabe ü ber die H arnreaktion, v. J a c k s c h ist der Einzige, der diese A enderung der Uriu- reaktion erw ähnt. Er hält sie für so charakteristisch, dass m an schon aus diesem Symptom behaupten kann, falls S äure­

verätzungen vorhanden sind, dass eine der beiden vorerw ähnten Säuren eingeführt wurde.

Mir h a t sich die F rag e aufgedrängt, ob bei der starken Alkaleszenz des H arns nicht noch andere Momente m itw irken, so einw andfrei ja gewiss die E rklärung von J a c k s c h ist.

Wir finden näm lich in der Regel bei V ergiftungen m it Blut­

körperchen lösenden Substanzen, die also Hämoglobinämie und Hämoglobinurie m achen, alkalische H arnreaktionen. Ich e r­

innere an die V ergiftung m it Arsenwasserstoff, Toluylendiam in, Pyrogallol und vor Allem an Kali chloricum. F ü r diese Substanzen nim m t K u n k e l (1. c. pg. 69) an, dass durch die A enderungen an den B lutkörperchen in den gelösten B estand- theilen des Blutes selbst eine „solche V erschiebung“ eintritt, dass danach ein alkalischer H arn abfiltrirt wird. D etailunter­

suchungen nach dieser Richtung stehen jedoch noch aus.

In einigen M itteilungen über E ssigsäuretoxikosen ist auch von einer S c h ä d i g u n g d e s Z e n t r a l n e r v e n s y s t e m s durch die resorbirte Essigsäure die Rede. Diese Auffassung ist offenbar von der H e i n e ’sehen Arbeit in die folgenden übernom m en worden. B etrachten wir uns aber die E rscheinungen, welche m an als Schädigungen des Z entralnervensystem s angeführt h a t (M uskelzittern, Frösteln, rasches Kollabiren), so kann m an sie doch wohl m it eben so grösser W ahrscheinlichkeit als die B egleiterscheinungen der experim entell erw iesenen B lutdruck­

senkung auffassen und m an braucht nicht eine spezifische W irkung auf das N ervensystem darin zu erblicken.

W enn H e i n e ausgebildete tetanische Erscheinungen an seinen V ersuchsthieren beobachtete, denen er Infusion von re in e r, diluirter E ssigsäure in die Jugularvene m achte, so kann m an dies wohl kaum au f R echnung der E ssigsäure setzen. B i l l r o t h beobachtete das Gleiche bei Einspritzung von kohlensaurem Ammoniak in das Blut, W e b e r bei Schwefel­

am m on und B uttersäure, wie H e i n e selbst zitirt. H i t z i g hat beim M enschen bei E inführung per os keine tetanischen K räm pfe beobachtet und auch in m einem Falle m üssen solche nach den ad hoc angestellten E rm ittlungen ausgeschlossen

w erden. (Schluss folgt.)

Ueber zwei Fälle von Essig-Essenz-Genuss.

V o n

Dr. Curschmann-Oberkaufungen.

Bei der stark en V erbreitung, die die V erw endung der Essigessenz allm ählich im H aushalt gew innt, halte ich es für angebracht, auch einzelne F älle von Schädigungen von Seiten derselben aus d er alltäglichen P rax is zu erw ähnen, denn g e­

rade die A nw endung dieser stark en Säure im H aushalt bedingt natürlich auch eine um so grössere Menge von U nglücksfällen, von Vergiftungen. U nglücksfälle, V erw echselungen dürften es

(7)

1. Juni 1902. A e r z t l i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - Z e i t u n g . 219 wohl bei W eitem sein, da eine absichtliche Beim ischung zu

leicht durch den starken, durchdringenden Geruch v errathen wird.

Zufälliger W eise konnte ich in rasch er Folge zwei Fälle von E ssigessenzgenuss beobachten (ich m uss „G enuss“ sagen, da der eine Fall keine eigentliche Intoxikation darstellte), und glaube, gerade diese beiden Fälle m ittheilen zu sollen, da sie wohl die E xtrem e der V ergiftungserscheinungen vorführen.

Die erste der beiden E rkrankungen b e traf einen überaus kräftigen, ju n g en M enschen von 25 Jah ren , der im heissesten Sommer, in der Meinung, die auf dem Tische stehende Flasche enthalte Schnaps, einen gehörigen Schluck davon nahm. Doch schon beim H erunterschlucken m erkte er, dass diese Flüssig­

keit jed en Schnaps an Schärfe w eit übertraf, er eilte, seinen Irrthum gew ahr w erdend, sofort an den W assereim er und tra n k direkt hinterher einen bis zwei L iter W asser, so­

dann will e r im Laufe des N achm ittags noch 10 bis 15 Liter W asser getrunken haben! Eine A utotherapie, die wohl ihres Gleichen sucht. — Allerdings bot dann auch der ju n g e Mensch etw a 1 bis 2 Stunden sp äter bei m einer Ankunft eigentlich gar keine K rankheitserscheinungen au sser einem m ässigen K ratzen und Brennen im Halse und Schlunde; die Schleim ­ haut daselbst w ar dem gem äss ziemlich stark geschwollen und geröthet, unterbrochen von einzelnen, w eisslichen Inseln. — Auch der w eitere V erlauf wies durchaus nichts K rankhaftes auf; der P atien t ging nach wie vor seiner Arbeit nach. Nur die Diurese soll in der Nacht und am folgenden Tage ausser­

ordentlich stark gew esen sein, w as ja nicht W under nehm en kann.

Schon w enige W ochen später w urde ich zum zweiten Falle gerufen, der im G egensatz zum ersten um so schw erer verlief. Es handelte sich um ein kräftiges, gesundes Mädchen von 4 Jahren, das, als es in der heissen Som m erzeit N ach­

m ittags um 4 U hr aus der K inderschule kam , in der Meinung, der Inhalt der au f dem Tische stehenden Flasche sei W asser, in einem unbew achten Augenblick auf einen Stuhl k letterte und einen Schluck aus der F lasche nahm. Auch hier wurde der Irrth u m sofort entdeckt. Als ich jedoch etw a eine halbe Stunde sp äter eintraf, fand ich das Kind bereits ziemlich stark som nolent, es reag irte nur auf stärk ere Reize; ein Oeffnen des Mundes w ar nicht möglich, die K iefer w aren trism usartig auf einander gepresst. Eine lokale Inspektion der Mund- und Rachenhöhle konnte d aher nicht vorgenom m en w erden, auch eine M agenausspülung w ar in Folge dessen nicht möglich, dagegen erbrach das Kind öfters spontan, wobei es die ersten Male m ehrm als zu heftigem H usten kam . Die Ausathm ungs- luft roch schon in der E ntfernung ausserordentlich stark nach Kssig. — Die Somnolenz, die allm ählich geradezu in Koma überging, nahm erst am nächsten Morgen, also nach zirka 16 bis 18 Stunden w ieder ab; leider aber hatte das Kind w ährend dieser Zeit Alles unter sich gehen lassen, so dass der erste U rin nicht beobachtet w erden konnte. D agegen tr a t am zweiten Tage für ungefähr 24 Stunden eine absolute Anurie auf, die zum Theil jedenfalls durch das Erbrechen und die aufgehobene Flüssigkeitszufuhr zu erklären war, zum grösseren Theil aber sicher durch eine toxische N ephritis veru rsach t wurde, denn der erste U rin enthielt dann m assenhaft Eiweiss und Form elem ente. D aneben etablirte sich noch eine schwere, fieberhafte lobuläre Pneum onie fast der ganzen rechten Lunge, die erst nach zirka 6 W ochen w ieder verschw and. Eine Abszedirung der Lunge, die ja bei der durch die Aspiration des sehr stark sauren M ageninhalts entstandenen Schluck- pneum onie zu befürchten stand, tra t glücklicher W eise nicht ein. Auch von einer Stenosenbildung des P h ary n x blieb das Kind auffallender Weise vollständig verschont, es konnte ge- '

nau essen und schlucken wie vorher. Eine stärk ere N arben­

bildung w ar im R achen nicht w ahrnehm bar. Auoh im Urin konnte ich nach A blauf der K rankheitserscheinungen kein Eiweiss m ehr konstatiren.

Es tra t also hier trotz der sehr schw eren A nfangserschei­

nungen und K om plikationen schliesslich noch ein unverhält- nissm ässig günstiger Ausgang ein, w ährend im ersten Falle eine solche V erdünnung der Säure stattfand, dass sie als solche gar nicht zur W irkung kam.

Die Anmeldepflicht der praktischen Aerzte.

V o n

Dr. Felix Heymann-Berlin.

(Schluss.)

W enn wir uns nun zur F rag e der R echtsgiltigkeit der Polizeiverordnung w enden, so w ar, wie die B egründung der Entscheidung b esag t, die R egierung zu ihrem Erlass befugt nach § 6 f, §§ 11 und 12 des Gesetzes vom 11. März 1850 über die Polizei-V erordnung, da G egenstand der V erordnung eine Kontrole darüber ist, ob die sich zur P raxis als Aerzte nieder­

lassenden P ersonen im Besitze der gesetzlich erforderlichen Approbation sind, also eine M assregel der F ürsorge für Leben und G esundheit ist. Auch enthalte dieselbe keine Bestim m ungen, welche m it den Gesetzen oder V erordnungen einer höheren Instanz im W iderspruch stehen (§§ 12, 15 a. a. 0.). Auch in form eller Beziehung erwies sich die V erordnung als giltig, ins­

besondere auch nach der Richtung hin, dass sie auf § 11 des Gesetzes vom 11. März 1850 Bezug nahm und im Am tsblatt der Königlichen R egierung zu E. gehörig publizirt w orden war.

Nach § 6 f gedachten Gesetzes gehört zu den G egenständen der ortspolizeilichen Vorschriften die Sorge für Leben und Gesundheit, die K ontrole ist also im allgem einen gesundheits­

polizeilichen In teresse eingeführt. Von m indestens gleicher W ichtigkeit im allgem einen gesundheitspolizeilichen Interesse w äre nun aber eine Kontrole über die nicht approbirten, die Heilkunde gew erbsm ässig ausübenden Personen. Zwar hat nach der D ienstanw eisung für die K reisärzte vom 23. März 1901 der K reisarzt sein besonderes Augenm erk auf diejenigen P e r­

sonen zu richten, welche, ohne approbirt zu sein, die Heilkunde gew erbsm ässig ausiiben, und über sie unter Beihilfe der Orts- polizeibehörden und der Aerzte des Bezirkes ein Verzeichniss zu f ühren, welches M ittheilungen über Vorleben, B eruf, Heil­

m ethoden und etw aige B estrafungen en th ält; auch hat er d arau f zu achten, dass sie in der Ausübung der Heilkunde nicht ihre Befugnisse überschreiten. Aber eine K ontrole, wie sie für Aerzte und andere M edizinalpersonen durch die Verpflichtung zur An- und Abmeldung bei d er N iederlassung, beim Umzug und bei der Aufgabe der P rax is und zum Ausweis über die B erechtigung zur Führung des Arzt- und Doktor-Titels, sowie zur A uskuuftsertheilung über ihre P ersonalverhältnisse, über ihren Lebensgang seit der Approbation eingeführt ist — eine solche Kontrole existirt für die nichtapprobirten heilbeflissenen P ersonen nicht oder doch nur in einem oder einigen R egierungs­

bezirken der ganzen Monarchie. W ir w issen wohl, dass gegen eine solche Kontrole von ärztlicher Seite w iederholt Stellung genom m en w orden ist. Aber ihre Durchführung ist eine F orderung des allgem einen Wohls. Im U ebrigen ist die Kontrole auch schon w iederholt empfohlen w orden, und zw ar nicht n u r von juristischer, sondern auch von ärztlicher Seite. Und dass die O rtspolizeibehörden berufen sind, zu v erh ü ten , dass sich m it der Ausübung eines bestim m ten G ew erbes eine Schädigung des gem einen W ohles verbinde, dafür käm e ausser dem oben genannten Gesetz vom 1 1. März 1850 noch § 10, Tit. 17, Th. II.

A. L.-R. in Frage, der wie folgt lau tet:

Cytaty

Powiązane dokumenty

W ann m an ein K ran k en lag er als „lan g es“ bezeichnen soll, ist natürlich nicht in absoluten Zahlen auszudrücken. Ich glaube aber doch, dass m an im

Meine V ersuchshunde zeigten in tra vitam ja auch nicht die g eringste Störung ihres Befindens (abgesehen von den beiden trächtigen Hündinnen), und doch w aren

Mit therapeutischen M assnahm en wie m ediko-m echanischen U ebungen sollte m an seh r vorsichtig sein. In absehbarer Zeit Etw as zu erreichen, ist nicht

Der Faustschluss ist an der rechten Hand sehr unvollkommen. Auch der Zeigefinger bleibt aktiv eine Spur zurück. Der Daumen kann gut, aber ohne grosse Kraft

schärfe verbessern. Die V erordnung einer Brille zur Hebung des Sehverm ögens durch K orrektion einer Refraktionsanom alie verfolgt oft genug nicht nu r einen

Was die Therapie betrifft, so wird man die Luxationen verschieden behandeln müssen, je nachdem sie mit offenen Wunden kompliziert sind oder nicht. Im ersteren

sprochen werde und eben dieser ihr Aufbau aus allen Ergebnissen einer genauen Untersuchung erkläre es, daß jeder Fehler im einzelnen auch die Richtigkeit

rungsgesetz stellt, aber sie sind doch eng verw andt. die versicherungsärztliche B eurtheilung der über- standenen B rustfellentzündungen, der Thoraxanom alieen, der