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Aerztliche Sachverständigen-Zeitung, 8. Jg. 1. Mai 1902, No 9.

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Die „ A e rz tlic h e S a ch v erstttn d lg en -Z eitu n g u e rs c h e in t monat« A i ^ A lle M an u sk rip te, M itth eilu n g en und red a k tio n e lle n A nfragen Hcli zw eim al. D u rch je d e s d eu tsch e P o stam t w ird d ieselb e .^"V I b e lie b e m an z u se n d en an Dr. F. L e p p m a n n , H e rlin N W ., zum P reise von Mk. 6.— v ie rte ljä h rlic h (M. 4.94 f ü r die Sach . I 1 1 0 ■ I W ik in g e r-U fe r No. 1. K o rre k tu re n , R ezen sio n s-E x em p lare, v erstä n d ig e n .Z e itu n g , fl Pf. f ü r B estellgeld) fre i ins H auB | M » j 1 I S o n d e rab d rü c k e an die V e rla g sb u ch h an d lu n g , InBerate und

g e lie fe rt. (P o s t-Z e itu n g s-P re isliste No. 34). B eilag en a n die A n n o n c e n -E x p e d itio n von K u d o lf Mosse.

Sachverständigen-Zeitimg

Organ für die gesaminte Sachverständigentliätigkeit des praktischen Arztes sowie für praktische Hygiene und Unfall-Heilkunde.

R e d a k tio n :

Dr. L. Becker Dr. Braehmer Dr. Florschiitz Dr. Fürbringer Dr. Haug Dr. Kionka Dr. Kirchner Dr. A. Leppmann

G eh..M ed.-Rath G e h .S a n .-R a th G o t h a . G eh .M ed .-R ath u .P r o f. P rofessor P ro fesso r G eh. Ob.-Med.-R. u. Prof. M ed.-R ath.

B e rlin . B erlin . B e rlin . M ünchen. J e n a . B erlin . B e rlin .

Dr. von Liszt Dr. Loebker Dr. Ostertag Dr. Puppe Radtke Dr. Roth Dr. Silex Dr. Stolper Dr. Windscheid

G e h .J u st.-R a th u . Prof. P ro fesso r P ro fesso r Priv.-D oz. u. G erich tsa rzt K aiserl. R eg .-R a th R e g .-u . G eh.M ed.-R ath P rofessor B re sla il. P ro fesso r

B e rlin . B ochum . B e rlin . B e rlin . B e rlin . P o tsd a m . B e rlin . L eip zig . Dr. F. Leppmann - Berlin.

V e r a n t w o r t l i c h e r R e d a k t e u r .

V e r l a g v o n R i c h a r d S c h o e t z , B e r l i n , NW., L u i s e n s t r a s s e No. 36.

VIII. Jahrgang 1902.

M 9 .

Ausgegeben am 1. Mai.

Inhalt:

Originalien: O p p en h eim , Gutachten über einen Pall von Hirnblutung, | angeblich traumatischer Entstehung. S. 173. i S e y d e l, Drei Fälle von versuchter Täuschung durch Selbstmord. S. 177.

K ü h n , Das Trauma in seiner ätiologischen Bedeutung im Allgemeinen und für den akuten Gelenkrheumatismus im Besonderen. S. 178.

Referate: Sammelbericht. S to lp e r , Die neueren Arbeiten über trau- ■ matische Erkrankungen der Wirbelsäule. (Schluss). S. 181.

Chirurgie. O ssig , Erhaltung eines brauchbaren Armes trotz Zer- \

malmung des Oberarms bis auf eine schmale Weichtheilbrücke und komplizirter Schulterverletzung. S. 184.

M ilb re c h t, Eine Oberarmfraktur durch Muskelzug. S. 184. i H a b e re rn , Ueber Sehnenluxationen. S. 185.

B e n d e r, Ein Fall von einseitigem, fast vollständigem Fehlen des Musculus cucullaris. S. 185.

Innere Medizin. E r c k le n tz , Traumatische Herzerkrankungen. S. 185. I

Ohrenheilkunde. S u c k s t o r f f , Ohrenkomplikationen bei einer schweren j

Typhusepidemie. S. 186. i

P h ilip p s , Otitis media acuta, Kleinhirnabszess; Operation. Tod in Folge von Meningitis. S. 186.

P a n s e , Schwindel. S. 186.

Hygiene. N o d e r, Wodurch unterscheiden sich die Gesundheitsver­

hältnisse in Grossstädten von denen auf dem Lande? S. 186.

S z a n a , Beaufsichtigung der in unentgeltliche Aussenpflege ge­

gebenen Kinder. S. 186.

Aus Vereinen und Versammlungen: G e n e r a lv e r s a m m lu n g d es d e u ts c h e n Z e n tr a lk o m ite e s z u r E r r i c h t u n g von H e il­

s t ä t t e n f ü r L u n g e n k r a n k e . — B e r l i n e r G e s e lls c h a f t fü r P s y c h i a t r i e u n d N e r v e n k r a n k h e ite n . S. 187.

Gerichtliche Entscheidungen: Aus dem R e ic h s - V e r s ic h e r u n g s a m t:

Wenn ein Arbeiter innerhalb der Betriebsstätte todt aufgefunden wird und sich die Todesursache nicht genau ermitteln lässt, ist im Zweifel anzunehmen, dass ein Betriebsunfall vorliegt. S. 190.

Tagesgeschichte: Die erste Lesung des Gebühren-Gesetzentwurfes. — Fürsorge für Beamte, welche Betriebsunfälle erlitten haben. — Die neue Heilgehilfen - Ordnung. — Eidliche Vernehmung von Zeugen auf Ersuchen von Berufsgenossenschaften. — Hypnotische Kurpfuscherei. — Die Hygiene in der Kirche. — Verbrennung der Pestleichen. — Allgemeiner Deutscher Verein für Schul- gesundheitspflege. — Der Deutsche Verein für öffentliche Gesund­

heitspflege. — Neue Ministerialerlasse. S. 191.

Gutachten über einen Fall von Hirnblutung, angeblich traumatischer Entstehung.

V on

Professor H. Oppenheim.

Dem G utachten, das ich nachstehend im Auszuge w ieder­

gebe, dient folgender Thatbestand als B asis:

Nach dem Ergebniss der B ew eisaufnahm e ist X., ein bis da angeblich gesunder Mann, am 10. August 1898 u n ter den Erscheinungen eines Hirnleidens erkrankt. U eber den H er­

gang und die nächsten U rsachen dieser E rkrankung ist aus den Akten Folgendes zu entnehm en. Die einzige Zeugin der Begebenheit, die Ehefrau, bekundet: Mein Mann sass an jenem Tage a u f dem Sofa; ich stand vor ihm, er suchte mich an sich zu ziehen, um m ir einen Kuss zu geben, ich sträubte mich, e r m usste plötzlich heftig niesen, hierbei bew egte er den Kopf nach vorn, ich suchte m einen O berkörper nach hinten zu bringen, um mich loszureissen. Mein E hem ann liess nicht los und m usste in Folge dessen, als ich mich nach hinten überbog, sich m it dem O berkörper nach vorn bew egen, hierbei schlug er m it dem Kopf auf den Tisch auf, d er vor dem Sofa sich befand. Er tra f m it dem Kopfe gerade eine rechtw ink­

lige Ecke des Tisches. E r m uss sehr heftig aufgeschlagen haben, da es einen sehr lauten Schlag gab, wie w enn m an m it einem H am m er auf den Tisch geschlagen hätte. E r tra f m it der linken Seite die Tischecke. E r w urde dunkelroth im Gesicht, lehnte sich in die Sofaecke zurück und rieb m it der rechten Hand den linken Arm. Auf m eine F rag e, w as ihm w äre, sah er mich sta rr an und m urm elte etw as U nverständ­

liches. Gleich d arau f w urde er leichenblass im Gesicht und sein Gesicht bedeckte sich m it Schweiss. Ich lief aus der Stube heraus, um Hilfe zu holen. Als ich mich noch einm al um sah, bem erkte ich, wie m ein E hem ann an der Thür stan d ; e r sah w ieder dunkelroth im Gesicht aus. Als ich nach Be­

nachrichtigung der N achbarn w ieder zurückkehrte, fand ich m einen E hem ann w ieder im Sofa sitzend. Ich bin dann zu Dr. R.

gegangen etc.

Von den Personen, die den X. unm ittelbar oder kurze Zeit nach diesem Vorgang sahen, w eiss die eine, F ra u W., die a u f E rsuchen der Ehefrau herbeieilte, nichts W esentliches auszu­

sagen. Doch hebt sie hervor, dass der X., als seine F rau sich anschickte, den Arzt zu holen, dieser 5— 6 Schritte zur T hür gefolgt sei. „Er ging etw a 4 Schritte und reckte seinen Körper, nam entlich, wie m ir vorsteht, die Arme m it den E llen­

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174 A e r z t l i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - Z e i t u n g . No. 9.

bogen nach hinten und oben zu, w enigstens einen Arm. E iner d er anw esenden M änner tr a t ihm entgegen und hielt ihn auf.

E r begab sich d arau f auf seinen Sofaplatz zurück und setzte sich ohne Hilfe. Bald d a rau f nahm er seine T aschenuhr aus der T asche, wie um die Zeit abzulesen, steckte sie w ieder ein etc. Kurze Zeit d a rau f kam der Dr. R. E r forderte den X. auf, ihm die H and zu geben und ein Bein über das andere zu schlagen; Beides verm ochte X. nicht. Als d arau f Dr. R.

anordnete, X. ins B ett zu legen, entfernte ich mich. Als ich zurückkehrte, lag er bereits im Bett und m achte m it einer Hand, ich glaube, m it der linken, fühlende B ew egungen an seinem Shlipse. Die E hefrau erzählte uns sogleich, dass ihr Mann bei plötzlichem Niesen m it dem Kopf au f den Tisch aufgeschlagen sei und seitdem nicht m ehr gesprochen habe. Die Zeit m einer A nw esenheit im W ohnzim m er bis zum E rscheinen des Arztes hat n u r einige M inuten, höchstens eine V iertelstunde, be­

tragen. “

Die nächste Zeugin A. m acht ungefähr dieselben A ngaben über die persönlichen W ahrnehm ungen, die sie gleichzeitig m it der v orerw ähnten F rau W. an g estellt hat. Nur h at nach ih rer E rinnerung F rau X. erzählt, dass ihr E hem ann die Sprache verloren habe, nachdem sie ihm einen Witz erzählt und er herzhaft gelacht und dann geniest habe. Von einer Kopf­

verletzung habe sie dagegen nicht gesprochen.

F ra u N. bekundet F o lg en d es: Nachdem ich kurze Zeit vorher m it dem X. ein G espräch geführt hatte und als ich mich in u nserem W ohnzim m er befand, w elches durch einen kleinen H aus­

flur von dem des X. g e tre n n t war, hörte ich aus dem selben trotz der verschlossenen T hüren ein sehr kräftiges Niesen. Gleich d a ra u f hörte ich ein A ufschlagen, wie w enn m an „einen h arten G egenstand au f den Tisch schlägt e tc .“.

Von den ärztlichen F eststellungen haben die des Dr. R., der den X. kurze Zeit nach dem E in tritt der E rkrankung u n te r­

sucht hat, die grösste Bedeutung. Er sag t: „Als ich am 10. August 1898 in die W ohnung des X. gerufen wurde, fand ich ihn im Sofa sitzen. E r s c h n a rc h te ; sein Gesicht w ar hoch geröthet, bei der Athm ung blähte sich seine rechte W ange wie ein Segel au f und zog sich w ieder ein. Aus der rech ten M undecke floss Speichel. Er w ar bew egungslos, reaktionslos und bewusstlos. Die M uskulatur der ganzen rechten Seite b e­

fand sich in schlaffer L ähm ung etc. Pupille sehr verengt.

Auf A nrufen gab er keine Antwort und kein Zeichen des Ver­

ständnisses. Sein Puls w ar h a rt und hatte ungefähr 78 Schläge p er Minute. Die Sehnenreflexe der rechten Seite w aren e r­

loschen, die der linken habe ich nicht geprüft. . . . liess er Koth und U rin u n te r sich. Die Sprache fand sich nach Tagen und W ochen nicht w ieder . . . Am folgenden Tage nach dem E in tritt der E rkrankung w urde ich d arau f aufm erksam g e ­ m acht, dass der X. einen N ieskram pf gehabt h ätte und hierbei m it dem K opf auf eine T ischkante aufgeschlagen w äre. In F olge dessen habe ich daraufhin an dem selben Tage den K opf genau untersucht. An dem Kopfe befand sich aber w eder eine Blutbeule noch eine H autverfärbung. Shok, d. h.

E rlöschen der G ehirnfunktionen unter gleichzeitigem E intreten von G esichtsblässe, H autkälte, U nregelm ässigkeit und Ver­

langsam ung des P ulses und E rbrechen fehlten. U ngefähr

6 Tage lan g habe ich den X. in sein er W ohnung behandelt.

In dieser Zeit w ar der Puls im m er regelm ässig, nicht ver­

lan g sam t etc. Nach ungefähr 6 W ochen habe ich X. ungefähr 2 W ochen lang im hiesigen K rankenhause behandelt. Auch dort w ar der P uls nicht verlangsam t. D ort fand ich, dass die ganze rech te Seite gelähm t w ar, dass jedoch das Bew usstsein zurückgekehrt w ar und dass er w enige einzelne W orte, drei oder vier, sprechen gelernt hatte. Ich stellte auch fest, dass e r das E rinnerungsverm ögen w iedererlangt h a tte .“

Die Bekundungen der DDr. H. und M. haben geringeres Interesse. W ir e rfah ren dann aus dem G utachten des Prof. L., dass X. vom N ovem ber 1898 bis zum F eb ru ar 1899 in einem hiesigen K rankenhause behandelt w urde und dass dam als die E r­

scheinungen einer unvollständigen H e m i p l e g i a d e x t r a mit K o n t r a k t u r und i n k o m p l e t e r A p h a s i e Vorgelegen haben.

D ann hat Prof. B. ihn am 29. März 1901 im K ränkenhause u ntersucht und über das Ergebniss seiner Beobachtungen in seinem G utachten vom 2. April berichtet. Seine W ahrneh­

m ungen decken sich m it dem von m ir selbst erhobenen Be­

funde in den w esentlichen Punkten, so dass ich gleich das R esultat m einer eigenen U ntersuchung m ittheilen k an n :

X., der sich noch im K rankenhause befindet, ist ein k ö rp er­

lich gut g enährtes Individuum . So w eit sich bei der b esteh en ­ den Sprachstörung beurtheilen lässt, ist er geistig klar, doch ist es nicht möglich, sich über den Grad der Intelligenz ein sicheres U rtheil zu bilden. Am A ugenm uskelapparat finden sich keine Lähm ungserscheinungen, am Schädel keine N arben etc. X. b ietet auch je tz t noch die Symptome einer r e c h t s ­ s e i t i g e n K ö r p e r l ä h m u n g , welche sich auf den Gesichts­

nerven, den Arm und das Bein erstreckt. Im Arm ist die L ähm ung noch eine fast vollkom m ene, das Bein h a t ein grösseres Mass von B ew eglichkeit w iedererlangt. Der Muskel­

tonus und die Sebnenphänom ene sind in charakteristischer W eise erhöht. Die Sprache ist noch erheblich g estö rt: X. ist nicht im Stande, zusam m enhängend zu sprechen, auch ist sein W ortschatz noch ein ziemlich beschränkter, schliesslich ist auch das W ortverständniss bis zu einem gew issen Grade be­

einträchtigt etc.

Es unterliegt nach diesem Befunde keinem Zweifel und ist auch von allen Aerzten, die sich in dieser F rag e g eäu ssert haben, angenom m en w orden, dass X. an einer H e r d e r k r a n ­ k u n g d e r l i n k e n H i r n h e m i s p h ä r e leidet, die einen rech t um ­ fangreichen Theil des G ehirnes funktionsunfähig gem acht hat.

Auch in der H insicht herrscht volle U ebereinstim m ung, als dieser K rankheitsprozess als H i r n b l u t u n g und zw ar als Blut­

erguss in das In n ere des Gehirns gedeutet wird. Nur bezüg­

lich der U r s a c h e n dieser H irnaffektion gehen die Ansichten der Aerzte w esentlich auseinander. Die von dem Anwalt des X. v e rtrete n e A nschauung, dass die H irnblutung die Folge einer von ihm am 10. August 1898 erlittenen Kopfverletzung ist,*) w ird von Prof. B. und Prof. L. getheilt, und auch Prof. K.

h ält w enigstens die Möglichkeit nicht für ausgeschlossen, dass die E rkrankung des X. eine Folge des Aufschlagens a u f die T ischkante gew esen ist. D em gegenüber haben sich die Prof.

R. und F. m it grösser B estim m theit gegen die traum stische G rundlage des Leidens ausgesprochen.

Es ist nicht erforderlich, die Ausführungen der H erren V orgutachter in extenso hier w iederzugeben, um so w eniger als ihr Standpunkt und die M otivirung desselben durch mein G utachten beleuchtet wird, ich beschränke mich deshalb hier au f die W iedergabe des letzteren.

G u t a c h t e n .

U nter voller B erücksichtigung des m ir vorgelegten Akten­

m aterials sowie a u f Grund m einer eigenen W ahrnehm ungen und E rfahrungen kann ich die an mich gerichtete F rag e „ob d ie j e t z t v o r l i e g e n d e K r a n k h e i t n a c h d e m B e f u n d e u n d d e m E r g e b n i s s e d e r B e w e i s a u f n a h m e a l s F o l g e e i n e s U n f a l l s ( t r a u m a t i s c h e r B l u t u n g ) zu e r a c h t e n i s t “ in Folgendem beantw orten.

X. bietet seit dem 30. August 1898 eine Sum m e von K rankeitserscheinungen, die au f einen ausgedehnten Krank-

*) NB. X. ist gegen Unfälle versichert.

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1. Mai 1902. A e r z t l i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - Z e i t u n g . 175 heitsherd in der linken G rosshirnhem isphäre hinw eisen. Die

Art der Entw icklung und die Sym ptom atologie m acht es w ah r­

scheinlich, dass dieser seinen Sitz in den sog. zentralen Gang­

lien bezw. in der in n eren K apsel, einem in der Tiefe des Ge­

hirns verlaufenden F aserzug hat, doch deutet die In ten sität und lange D auer der S prachstörung (Aphasie) d arauf hin, dass der H erd bis in das subkortikale M arklager des Sprachzentrum s hineinreicht. Allerdings lässt es sich auch nicht ausschliessen, dass m ehrere H erde den L ähm ungserscheinungen zu Grunde liegen, von denen der eine in der Tiefe der H em isphäre, der andere in oberflächlichen Gebieten seinen Sitz haben kann.

Im m erhin fehlt es an K riterien, durch w elche sich die letztere Annahme in überzeugender W eise b egründen Hesse.

D erartige H erderkrankungen en tstehen im Gehirn in der grossen M ehrzahl der F älle in Folge einer Affektion des Ge=

fässapparates und zw ar einer A derzerreissung mit B lutaustritt aus derselben oder eines A derverschlusses (Embolie, T hrom ­ bose) m it nachfolgender Gew ebserw eichung. Die von den V orgutachtern bereits angeführten und berücksichtigten Mo­

m ente m achen es in hohem Masse w ahrscheinlich, dass es sich in dem vorliegenden F alle um eine Gehirnblutung ge­

handelt hat. Es w urde auch schon hervorgehoben, dass die Entstehung einer Hirnblutung bei einem bis dahin gesunden Individuum in dem A lter des H errn X. etw as aussergew öhn- ist Seltenes ist.

Gehen w ir zunächst von der A nnahm e aus, dass bei dem X. keine der Bedingungen erfüllt gew esen ist, u n ter w elchen der G efässapparat des G ehirns vorzeitig erkrankt, so haben wir doch noch m it zwei Möglichkeiten zu rech n en : 1. m it der, dass die A rterien des G ehirns bis zum E intritt der Blutung ganz gesund gew esen sind, 2. m it der anderen, dass die sog­

m iliaren A neurysm en — die gew öhnliche Quelle der Hirn­

blutung — , w elche in der Regel erst im höheren Alter zur Entw icklung kommen, hier ohne erk en n b aren Grund u n g e­

wöhnlich früh entstanden sind. Dass das in seltenen F ällen vorkom m t, ist eine w issenschaftlich festgestellte T hatsache.

Im ersteren Falle w äre das Zustandekom m en der Hirnblutung besonders schw er zu deuten und w ürde jedenfalls Bedingungen erfordern, die besonders hohe Anforderungen an die W ider­

standsfähigkeit der G efässw and stellen. Eine schw ere Kopf­

verletzung, auch eine solche durch stum pfe Gewalt, die den Schädelknochen unversehrt lässt, ist wohl im Stande, eine solche A derzerreissung zu bew irken. Aber es ist rech t u nge­

wöhnlich, dass sie ein in der Tiefe der H irnsubstanz v er­

laufendes Gefäss zur B erstung bringt. Und w enn wir diese Möglichkeit auch nach der vorliegenden E rfahrung zugeben m üssen, so fehlen doch in dem vorliegenden Fall der Kopf­

verletzung alle die A ttribute, w elche sie zu einer schw eren stem peln w ürden.

Anders steht es mit der Zerreissung einer G ehirnarterie aus i n n e r e n U rsachen. W enn es auch von vielen hervor­

ragenden A erzten bezw eifelt wird, dass ein gesundes Gehirn- gefäss in Folge stärk e ren B lutandranges zum Kopf bersten kann, so Hegen doch E rfahrungen vor, w elche eine andere D eutung nicht zulassen: das Vorkommen der H irnblutung bei bis da gesunden K indern auf der Höhe eines H ustenanfalls, bei gesunden M ännern w ährend des Koitus u. s. w. Gewiss handelt es sich da um seltene E rscheinungen, aber wir finden uns ja auch vor einen Fall gestellt, der unter der V oraus­

setzung I an sich aussergew öhnliche, schw er zu deutende V erhältnisse bietet, und da ist es u n sere Aufgabe, von den zu Gebote stehenden E rklärungen diejenige zu w ählen, welche das grössere Mass von W ahrscheinlichkeit für sich besitzt.

Die sog. inneren U rsachen: das heftige Ringen, das gew alt­

sam e Niesen und die allem Anschein nach in F rag e kom m ende

geschlechtliche E rre g u n g x) bilden nun eine solche Häufung von in dem selben Sinne w irkenden Schädlichkeiten, dass es nach m einer U eberzeugung grössere B erechtigung hat, sie als die U rsache der G ehirnblutung zu beschuldigen als den relativ geringfügigen Unfall.

Gehen w ir von der V oraussetzung II aus, dass sich die sog. m iliaren A neurysm en bei X. ungew öhnlich früh ent­

wickelt haben, so w ürde das Zustandekom m en der Hirnblutung an sich kein so auffälliges F aktum darstellen. U nter solchen V erhältnissen kann sie s p o n t a n , d. h. ohne jeden erk en n ­ baren Anlass erfolgen. Im m erhin wird ihre E ntstehung er- fahrungsgem äss w esentlich gefördert durch die S t e i g e r u n g d e s B l u t d r u c k s in den H irngefässen. So k ann beim H eben einer Last, beim H usten, P ressen, Lachen, Niesen, beim Ge­

schlechtsakt die B erstung des Aneurysm as und dam it die Blutung erfolgen. Gewiss wird auch eine K opfverletzung ein derartig erkranktes G efäss leichter zum P latzen bringen als ein gesundes, aber bei der Abwägung dieser beiden Faktoren

— der äu sseren G ew alt und der inneren U rsachen — m uss m an ebenso w ie es oben für I erö rtert w urde, den i n n e r e n U r s a c h e n e i n e g r ö s s e r e B e d e u t u n g zuerkennen.

Es bleibt aber noch die F ra g e zu erörtern, ob bei dem X. keine der Bedingungen erfüllt w ar, w elche erfahrungsge- m äss häufig zu einer frühzeitigen E rkrankung der H irnarterien führen. E inige derselben (Nierenaffektionen, chronische Alko­

hol- und Bleivergiftung) sind dem N achw eis leicht zugänglich und können som it schnell ausgeschlossen w erden. F ü r andere, und zw ar gilt das besonders für die S y p h i l i s , trifft das je ­ doch keinesw egs zu. Sehr viele M enschen erw erben Syphilis, ohne dass sich bei ihnen nach Ja h re n irgend ein Zeichen der überstandenen Infektion zu finden braucht. Auch die T hat­

sache, dass die E hefrau gesund bleibt und dass gesunde Kinder erzeugt w erden, bietet keinerlei G ewähr dafür, dass Syphilis nicht vorhanden gew esen ist und im Inneren des K örpers ihre verh eeren d e Arbeit verrich tet hat. Mit der F rag e nach der ü b erstandenen Syphilis d arf m an es bei einem H irn­

leiden niem als leicht nehm en, und am w enigsten, w enn es sich um ein ju n g es Individuum handelt, bei dem an d ere U r­

sachen, die die E ntstehung der H irnkrankheit in befriedigender W eise erklären, nicht nachzuw eisen sind. Diese F ra g e ist in dem vorliegenden F alle m it einer m erkw ürdigen Scheu um ­ gangen oder doch nur gestreift worden. Die begutachtenden A erzte, w elche sie berührten, haben sich m it dem Hinweis d arau f begnügt, dass Syphilis nicht festzustellen und dass der Ehe nur gesunde K inder entsprossen seien. (Ich will ganz davon absehen, dass eine U ntersuchung dieser K inder auf Zeichen erblicher Syphilis doch nicht vorgenom m en zu sein scheint). In dem ju ristisch en Theil der Akten w ird das Be­

stehen der Syphilis einm al vorsichtig angedeutet (Bl. 13), aber diese B em erkung gleich dam it niedergeschlagen, dass eine derartige K enntniss nu r durch einen V ertrauensm iss­

brauch von Seiten der Aerzte erw orben w orden sein könne (Bl. 33). W ir brauchen uns nun keine V erletzung des B erufs­

geheim nisses zu Schulden kom m en zu lassen, w enn wir uns d a ra u f beschränken, zu m uthm assen, dass X. syphilitisch in- fizirt gew esen ist.2) W ir sind nicht allein berechtigt, sondern sogar verpflichtet, in einem sonst so schw er zu deutenden Falle m it dieser Annahme zu rechnen. Ich glaube sogar sagen zu dürfen, dass kein sachkundiger Arzt es versäum t haben w ürde, in einem derartigen F alle eine antisyphilitische B ehandlung vorzunehm en.

*) Ist zugegeben worden.

2) Es ist mir übrigens durch das Krankenhausjournal bekannt geworden, dass X. in der That der Lues sehr verdächtig ist (Zusatz, der nicht im Originalgutachten enthalten ist).

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176 A e r z t l i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - L e i t u n g . No. 9.

W ir haben also noch die Aufgabe, die an uns gestellte F ra g e u n ter der V oraussetzung III, dass X. frü h er einm al Syphilis ü berstanden hat, zu beantw orten.

Es ist eine w issenschaftlich festgestellte T hatsache, dass die Syphilis sehr häufig den Grund zu einer frühzeitigen Er­

krankung des H irngefässapparates legt. Ist auch die gew öhn­

liche Folge dieser G efässerkrankung die sogenannte Gehirn­

erw eichung (Encephalom alacie), so w ird es doch auch von allen auf diesem Gebiet erfahrenen Autoren anerkannt, dass die syphilitische G efässerkrankung auch der E ntstehung der H irn­

blutung Vorschub leistet.

U nter der A nnahm e der ü b erstandenen Syphilis k ann die H irnblutung bei dem X. spontan, d. h. ohne w eitere G elegen­

h eitsursache oder in Folge der angeführten in n eren U rsachen oder in Folge der äusseren G ew alt entstanden sein. Zu der A nnahm e einer spontanen E ntstehung w ürde m an sich nur d rängen lassen dürfen, w enn G elegenheitsursachen fehlen.

H ier bieten sich uns ab er Momente, die bei einer bestehenden E rkrankung des H irngefässapparates erfahrungsgem äss häufig den B ruch der G efässw and veranlassen. Es kom m t also w ieder d arau f hinaus, die B edeutung der beiden Faktoren gegen einander abzuschätzen, und wir h ä tte n nur zu w ied er­

holen, w as u n ter der V oraussetzung I und II oben bereits d argelegt w orden ist. Indess sind doch h ier ein p aar w eitere U eberlegungen erforderlich; auch wollen wir an dieser Stelle einige von den H erren V orgutachtern zu G unsten dieser oder je n e r Auffassung ins F eld g eführten A rgum ente berück­

sichtigen und au f ihren W erth prüfen. Gegen die u rsäch ­ liche B edeutung der „inneren U rsach en “ ist der Einw and e r­

hoben worden, dass X. nach dem Niesen noch scherzhafte B em erkungen gem acht und erst nach dem A ufschlagen m it dem Kopfe die S prache verloren habe. Aber abgesehen da­

von, dass über diesen P u n k t ganz zuverlässig erscheinende A ngaben nicht vorliegen, folgten doch diese beiden Momente seh r schnell auf einander, ausserdem fand in der Zwischenzeit das Ringen statt, dem w ir als einem den Blutdruck erhöhen- V organg keinesw egs eine geringe B edeutung zuschreiben.

F ern er g eh t es ja aus der Schilderung des H ergangs deutlich hervor, dass es sich hier nicht um eine plötzliche E ntw icke­

lung aller E rscheinungen des Schlaganfalls, sondern um eine etw as p r o t r a h i r t e , sich etw a über den Zeitraum einer V iertelstunde erstreckende E ntstehung derselben gehandelt hat. D er Einw and ist also ganz hinfällig.

A ndererseits ist gerade dieser U m stand, die langsam e, etw as verzögerte Entw icklung zu G unsten der traum atischen Genese angeführt und v erw erth et worden. Es geht näm lich, wie oben dargelegt, aus den Z eugenaussagen hervor, dass d er H irnschlag hier nicht m it voller Plötzlichkeit ein g etreten ist, sondern eine gew isse Zeit — so w eit sich feststellen lässt, h a t es sich um M inuten bis zu einer V iertelstunde gehandelt — , zu seiner Entw ickelung gebraucht hat. Es ist nun richtig, dass g erade bei den durch äussere G ew alt hervorgerufenen H irn­

hautblutungen häufig ein sogenanntes freies Intervall beob­

ac h tet wird, d. h. nachdem der V erletzte aus d er Shok-Be- täubung erw acht ist, können Stunden und selbst T age v e r­

gehen, bis das B ew usstsein aufs Neue schw indet und die anderw eitigen, durch die Kom pression des G ehirns bedingten E rscheinungen hervortreten.

Diese T hatsache h at wohl denjenigen G utachtern vorge­

schwebt, die in d er nicht-plötzlichen E ntstehung der H irn­

schlag-Sym ptom e einen Bew eis für den traum atischen U rsprung erblickten. Aber sie haben übersehen, dass der W erdegang hier doch ein ganz an d erer gew esen ist als bei der trau m ati­

schen H irnhautblutung. Es h at sich nicht um ein freies In terv all von lä n g e re r D auer gehandelt, sondern es sind nur

gew isse E rscheinungen der Hirnläsion der E ntw ickelung der vollkom m enen Bew usstlosigkeit und halbseitigen K örperlähm ung um einige M inuten bis zu einer V iertelstunde vorausgegangen.

D as kom m t nun aber auch bei der spontanen Hirnblutung, bei dem gew öhnlichen Schlaganfall nicht selten vor. Ich will mich hier nicht au f die eigene E rfahrung stützen, sondern nur a u f einen an erk an n ten Autor verw eisen, der diese F rage vor K urzem eingehend behandelt h at und sich so äussert: „Der gew öhnliche H ergang ist fo lg en d er: M itten in der gew ohnten Arbeit oder bei einer Erholung, U nterhaltung, bisw eilen auch bei einer Mahlzeit fühlt der P atie n t plötzlich (auch ohne dass eine G elegenheitsursache vorausging) eine B eklom m enheit; es w ird ihm bange und schwindlig, die G edanken verw irren sich;

P a tie n t spürt Schw äche, häufig auch Schmerz nur auf einer K örperhälfte oder in einer E xtrem ität (Gefühl, als gehörten ihm diese Theile nicht m ehr zu). Das Gleichgewicht des P atien ten w ird gestört; er schleppt sich noch eine kurze S trecke fort und sucht eine Stütze, einen Sitz. Er kann noch einige W orte sagen (z. B. „ 0 m ein K opf!“ „Es wird mir schlecht“). — plötzlich ( of t a l l e r d i n g s n a c h e i n i g e n M i n u t e n b i s S t u n d e n ) bricht er bewusstlos zusam m en und v e rh a rrt bew egungslos in einem schlafähnlichen, d. h. kom a­

tö sen Zustande, bei w elchem Puls und R espiration in unge­

stö rte r W eise fortarbeiten. Kurze Zeit d arau f stellt sich m it­

u n ter E rbrechen ein. Die G esichtsfarbe im Momente der A ttaque ist in einzelnen F ällen blass, in den m eisten F ällen ab er eh er geröthet oder cyanotisch. D er Puls w ird voll und v erlan g sam t; die T em peratur sinkt; die R espiration w ird m it­

u n ter sch n arch en d 1) etc. e tc .“

Ich finde nun in der von den Zeugen gegebenen Schilde­

rung, so w eit sie sich auf den Entw ickelungsgang des Hirn- schlags bei X. bezieht, nichts, w as nicht in den Rahm en dieses von v. M o n a k o w entw orfenen Bildes des sogenannten a p o - p l e k t i s c h e n I n s u l t e s hineinpasste, m ag nun zuerst eine Art von U nbesinnlichkeit oder Sprachverlust hervorgetreten sein, m ag er noch ein p aa r Schritte sicher oder taum elnd g e ­ g angen sein etc. Auch das H ervorziehen der U hr aus der W estentasche stellt einen so m echanischen, autom atischen V organg dar, dass der B lutaustritt aus der geborstenen H irn­

ader schon begonnen und der B luterguss selbst schon einen gew issen U m fang erlangt haben konnte, als X. diese Be­

w egung noch ausführte.

Ein w eiteres A rgum ent, au f w elches sich die A nhänger der traum atischen Aetiologie gestützt haben, ist die Thatsache, dass X. m it der l i n k e n Stirn au f die Tischkante aufge- schlagen sein soll, also m it dem jenigen Theil des Schädels, dem der Sitz der H irnblutung nah benachbart ist. Nun befindet sich aber der Blutherd, wie schon ausgeführt w urde, tie f im In n ere n des Hirns, also doch noch ziemlich w eit en tfern t von dem Angriffsort der V erletzung, und w as noch w ichtiger ist, nicht an einer ungew öhnlichen Stelle, sondern an dem Lieb­

lingssitz der spontanen H irnblutung (zentrale Ganglien, innere Kapsel). Es bleibt also nur die T hatsache bestehen, dass der O rt der H irnblutung m it d erjenigen Schädelseite zusam m en - fällt, die von dem Stoss getroffen sein soll. Das ist aber eine rech t schw ache Stütze fü r die Annahm e des Unfalls.

D enn das G ehirn h a t bekanntlich nur 2 H em isphären und es ist auch für die H irnblutung spontaner E ntstehung durchaus eben so w ahrscheinlich, dass sie im gegebenen F alle in die linke wie dass sie in die rech te H em isphäre hinein erfolgt. — Bei der A bschätzung der ursächlichen F ak to ren u n te r V oraussetzung III bleibt aber noch ein U m stand anzuführen.

*) v. M o n ak o w : Gehirnpathologie. N o th n a g e l’s Spec. Path.

und Ther. 1897. S. 734.

(5)

1. Mai 1902.

Es ist durch zahlreiche Beobachtungen erw iesen und allge­

m ein anerkannt, dass die E rscheinungen der Hirnsyphilis oft erst im Anschluss an eine Kopfverletzung zur Entw ickelung gelangen, und es ist selbst zuzugeben, dass es in einzelnen F ällen relativ geringfügige T rau m ata w aren — ein einfacher Stoss gegen den Kopf, ein A nprallen der Stirn oder des Scheitels an eine T hürpfoste und dgl. — durch w elche die ersten E rscheinungen des H irnleidens ausgelöst w urden. Man begreift, wie sehr diese T hatsache geeignet ist, die forensische B eurtheilung eines derartigen F alles zu erschw eren und wie gross die G efahr ist, dass sich bei ih rer A nerkennung der Begriff des Unfalls ins U ndefinirbare verliert. Diese E r­

w ägung kann uns aber nicht der Verpflichtung entheben, es w enigstens als durchaus m öglich hinzustellen, dass u n te r Vor­

aussetzung III die geringfügige K opfverletzung den Anstoss zur E ntstehung der H irnblutung gegeben hat.

Elie ich m ein G utachten in Schlusssätze zusam m enfasse, habe ich noch auf einen P u n k t zurückzukom m en. Es ist bei­

läufig erw ähnt worden, dass sich unm ittelbar oder in den ersten Tagen nach dem Unfall Blut in den W äschestücken und Ex­

krem enten des X. gefunden habe (Aussage der Ehefrau). Einer der H erren G utachter (Professor B.) h a t auch darin ein Zeichen des Unfalls erblickt, indem er m einte, dass es bei dem Stoss gegen den Kopf zu einer K ontinuitätstrennung der Mund- und N asenschleim haut gekom m en und das Blut verschluckt und so in die E xkrem ente gelangt sein könne. Ich halte diese An­

nahm e für eine seh r vage und kann ih r eine Berechtigung nicht zuerkennen. Die V oraussetzung, dass der Stoss gegen die Stirn zu einer sog. B asisfraktur geführt habe, ist eine durch­

aus w illkürliche, da keinerlei Zeichen und Erscheinungen der­

selben Vorgelegen haben. Wie es aber ohne diese zu einer Z erreissung der Mund- oder N asenschleim haut gekom m en sein soll, ist noch w eniger zu verstehen. Und wollte man das selbst zugeben — w elche Massen von Blut m üssten da unbem erkt in die Speiseröhre hinabgeflossen sein, dam it sie noch im Koth und in den W äschestücken den Laien als eine deutlich w ahr­

nehm bare Beim engung erkennbar w aren! Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass verschlucktes Blut bei seinem D urchtritt durch den M agendarm kanal gewöhnlich so v erän d ert (schwarz verfärbt) w ird, dass es von Nicht-Sachkundigen nicht als Blut erk an n t und bezeichnet wird.

Will m an aber trotzdem m it Professor B. annehm en, dass Blut verschluckt w u rd e, so liegt es doch w ahrlich näher, vorauszusetzen, dass sich X. bei dem apoplektischen Insult in die Zunge gebissen und das aus dieser Bisswunde stam m ende Blut verschluckt hat.

Ich bin aber w eit davon en tfern t, diese Hypothese aufzu­

stellen, sondern bin m it Professor L. der Meinung, dass diese T hatsache für die B eurtheilung des Falles ganz belanglos ist und aus der B etrachtung ausscheiden muss.

Ich resum ire m ein G utachten in folgenden Sätzen:

1. Die m ir vorgelegte F ra g e ist nicht m it einer apodikti­

schen B estim m theit, nicht m it einem einfachen J a oder Nein zu beantw orten.

2. Es ist nicht w ahrscheinlich, dass die H irnblutung aus einem bis da gesunden G ehirngefäss erfolgte, die Möglichkeit m uss aber zugegeben w erden.

3. W aren die G ehirngefässe des X. bis da gesund oder hatten sich bei ihm vorzeitig die sog. m iliaren A neurysm en (die gew öhnliche Quelle der Hirnblutung) entw ickelt, so kann es zw ar nicht als unm öglich bezeichnet w erd e n , dass der a n ­ gebliche Stoss gegen die Stirn die H irnblutung hervorgerufen hat. Die W ahrscheinlichkeit ist aber eine w eit grössere, dass die Blutung aus in n eren U rsachen (B lutandrang nach dem Kopf

177 in Folge körperlicher A nstrengung, geschlechtlicher E rregung und kräftigen Niesens) erfolgte.

4. Es ist auch ohne G eständniss und ohne diesbezügliche ärztliche M ittheilungen die Annahme bezw. V erm uthung be­

rechtigt. dass X. frü h er syphilitisch infizirt gew esen ist. U nter dieser V oraussetzung bereitet die E ntstehung der Hirnblutung dem V erständniss keine Schwierigkeiten. Es ist dann auch als durchaus möglich zu bezeichnen, dass eine so geringfügige E rschütterung des Kopfes, wie sie X. am 10. August 1898 e r­

litten haben soll, den Anstoss zur Entw ickelung der H irnblutung gegeben hat. Es ist aber auch u n ter diesen V erhältnissen m indestens eben so w ahrscheinlich, dass die angeführten inneren U rsachen die Hirnblutung hervorgebracht haben.

Drei Fälle von versuchter Täuschung durch Selbstmord.

V on

Prof. Seydel-Königsberg.

W enn auch die T äuschung, durch Selbstm ord sich die Lebensversicherungssum m e zu verschaffen, im Allgem einen selten, so w ird die M ittheilung nachstehender drei Fälle nicht ohne In teresse sein, da die W ege der Täuschung und die Mittel, derselben rechtzeitig zu begegnen, kurz berü h rt w erden sollen.

Der erste Fall b etraf einen etw a 40 jä h rig e n leichtsinnigen und ziem lich einfältigen G utspächter; derselbe hatte sein Leben m it etw a 30 000 Mark versichert, w ar seit län g erer Zeit in finanzielle Schw ierigkeiten g erath en und starb plötzlich nach vorangegangenem vollständigen W ohlsein, nach einer etw a 5 Stunden lang dauernden E rkrankung m it starkem E r­

brechen und schnellem K räfteverfall. Die betr. G esellschaft requirirte einen älteren erfahrenen Physikus, der bei der M agensektion die für A rsenvergiftung charakteristischen V er­

änderungen, blutigen Schleim als Inhalt, blutige Suffusion der Schleim haut und ein fast kirschkerngrosses Stück Arsenik (arsenige Säure) vorfand. D er Beweis für eine absichtliche V ergiftung durch den V ersicherten w ar hierdurch erbracht.

Die Auszahlung der L ebensversicherungssum m e seitens der V ersicherungsgesellschaft unterblieb. W elche Rückzahlung seitens der V ersicherungs-G esellschaft an die Angehörigen etw a gem acht ist, habe ich nicht erfahren.

W esentlich kom plizirter und vom ärztlichen Standpunkt in teressan ter ist der zweite Fall.

Ein seit län g e rer Zeit in finanziellen Schw ierigkeiten be­

findlicher G utspächter, der ziemlich w eit von der nächsten Stadt au f dem Lande wohnte, hatte sein Leben inkl. U nfalls­

versicherung enorm hoch, ich glaube nicht zu irren, im Ganzen m it 270 000 Mark versichert.

E r w ar vor Zeugen au f ein junges, etw as unbändiges P ferd gestiegen, von dem selben abgeworfen, h atte es von Neuem bestiegen und wurde zum zw eiten Male abgeworfen.

Er w ar dann in seine W ohnung gegangen, hatte sich zu Bett gelegt, vorher aber an säm m tliche G esellschaften, bei denen e r v ersich ert w ar, N achricht über seinen schw eren Unfall g e­

schickt. D ann hatte er einen Arzt holen lassen, der erst in einigen Stunden e in traf und keine H autverletzung nachw eisen konnte. K urse Zeit darauf stellten sich bei dem V ersicherten stark e K räm pfe ein, unter welchen der Tod in etw a 24 Stunden erfolgte.

Die V ertreter der V ersicherungsgesellschaften scheinen etw as lange mit der Sektion gezögert zu haben, so dass die Leiche im heissen Sommer in einen seh r vorgeschrittenen A e rz tiic h e S a c h v e r s tä n d ig e n - Z e itu n g .

(6)

178 A e r z t l i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - Z e i t u n g . No. 9.

F äulnissgrad g erath en w ar. Schliesslich w urde der P rosektor des hiesigen pathologischen Instituts m it der Sektion beauf­

tragt, d eren R esultat in A nbetracht der stark e n Z ersetzung negativ sein m usste. Mit den L eichentheilen ist m eines W issens keine w eitere U ntersuchung, nam entlich kein physio­

logisches E xperim ent vorgenom m en w orden. Die V ersiche­

rungssum m e ist, so w eit ich erfahren, von den G esellschaften zum grössten Theile gezahlt worden.

Fall 3 befindet sich noch gegenw ärtig in gerichtlicher V erhandlung und zeigt, wie grosse Vorsicht geschickten T äuschern gegenüber, nam entlich von Seiten der G esell­

schaften, geboten.

Ein etw a dreissigjähriger, rech t kräftig gebauter und gut g en äh rter P rivatlehrer, der frü h er Medizin, später Philologie studirt hatte, m eldete sich zu einer ziemlich hohen V ersiche­

rung (30 000 Mark) bei einer älteren Gesellschaft, w elche die V ersicherung des bei anderen G esellschaften schon m ehrfach versicherten M annes ablehnte. Eine andere G esellschaft be­

anstan d ete seine Aufnahme, nachdem die ärztliche U n ter­

suchung ein relativ günstiges R esultat ergeben hatte, nicht und nahm den A ntrag an. D er V ersicherte lebte in einem k leinen Städtchen im Süden O stpreussens. Hier h atte er im besten W ohlsein eine F estlich k eit m itgem acht, w ar in seine 1 Treppe hoch belegene W ohnung gegangen und am Morgen als Leiche aufgefunden. V erdächtig war, dass am Abend vor seinem Tode ein B ekannter, V ertreter des Inhabers der Police, in derselben gew esen w ar und säm m tliche P apiere, n am en t­

lich die Versicherungspolice, an sich genom m en hatte. Es w urde nachgew iesen, dass der V ersicherte sehr plötzlich ge­

storben sein m üsste, da die Leiche am Fussboden nahe bei der Stubenthüre liegend gefunden w urde.

Die von dem V ertreter der V ersicherungs-G esellschaft be­

an tra g te Leichenöffnung w urde anfangs von den Behörden abgelehnt, sp äter nach B eschw erden beim zuständigen L an d ­ gerichte g e stattet und 8 W ochen nach dem Tode ausgeführt.

Auffällige anatom ische V eränderungen w urden an der Leiche nicht gefunden, die chem ische U ntersuchung a u f Gifte fiel n egativ aus. Die G esellschaft verw eigerte die Auszahlung der V e rsic h e ru n g , da ausser diesem verdächtigen Tode T äuschungen durch falsche A ngaben über den G esundheits­

zustand nachgew iesen w erden konnten. Die A ngelegenheit ist noch nicht entschieden.

Die beiden letzten F älle scheinen m ir für die V ersiche­

rungsgesellschaften folgende dringliche F orderungen zu e r­

geben: Es m uss in jed em Falle plötzlichen oder unnatürlichen Todes den G esellschaften g e stattet w erden, durch zuverlässige V ertrauensärzte die Oeffnung der L eiche sofort auzuführen.

In e rste r Linie sind dazu zw ar die beam teten K reisärzte hin­

zuzuziehen, sobald die G esellschaften aber eine bakteriologisch und toxikologisch ausgebildete P erso n dam it beauftragen, sollen B ehörden die Erlaubniss nicht verw eigern. V erw eige­

rung der Sektion durch die E rben ist gleichbedeutend m it Verzicht au f die V ersicherungssum m e, wie bei der U nfalls­

gesetzgebung.

Im zw eiten F all h a t es sich nach dem V erlaufe der K rankheit jedenfalls um eine Strychnin-V ergiftung gehandelt.

Die Absicht, eine E rkrankung an W undstarrkram pf vorzu­

täuschen, ist damit, so w eit m eine Inform ation reicht, gelungen.

D er N achweis des T etanus-G iftes aus selbst etw as faulen L eichen gelingt nach den n eu eren E rfah ru n g en m it absoluter Sicherheit durch das T hierexperim ent an Mäusen. Der Nach­

weis des Strychnins w äre bei rechtzeitiger Sektion und wohl auch sp äter aus dem N ierensekret, wo das Gift bekanntlich am ko n zen trirtesten zu finden ist, bei genauer U ntersuchung

gelungen. Das K rankheitsbild ist m. E. auch ganz ungenügend v erw erth et worden.

Im dritten F alle k ann es sich von den bekannten Giften nur um ein blausäurehaltiges Mittel, w ahrscheinlich um Cyan­

kalium handeln. D er Nachweis dieses Giftes ist bekanntlich in frischen F ällen am leichtesten durch den charakteristischen Geruch, w ird ab e r m it je d e r Woche nach dem Tode schw ieriger und schw indet nach etw a 6 W ochen, w enn der Geruch auf­

gehört hat, vollständig. In diesem F alle w ar die sofortige Sektion der sehr verdächtigen Leiche das einzige sichere B e­

weism ittel.

Vielleicht dürfte es sich in solchen suspekten F ällen em ­ pfehlen, von vornherein einen A ntrag bei der zuständigen S taatsanw altschaft zu stellen, um die Sektion durch die lo­

kalen b eam teten Aerzte u n ter Zuziehung eines V ertrauens­

arztes der betreffenden V ersicherungsgesellschaft m öglichst schnell ausführen zu lassen.

In verdächtigen F ällen m üsste aber V erw eigerung der Sektion seitens der E rben oder Policeinhaber gleichbedeutend sein m it V erzicht au f die L ebensversicherungssum m e, nach dem selben Prinzipe, wie es von der U nfallversicherung, deren hum ane Tendenzen über allen Zweifel erhaben sind, für die R entengew ährung an H interbliebene aufgestellt ist.

Das Trauma in seiner ätiologischen Bedeutung im Allgemeinen und für den akuten Gelenkrheumatismus

im Besonderen.

V o n

D r . H. Kühn-Hoya a. W .

So u n b estritten sicherlich von allen A erzten die g eleg en t­

liche B edeutung des T raum as für die E ntstehung innerer K rankheiten an erk an n t wird und deshalb dasselbe zu den allgem einen K rankheitsursachen gerechnet w ird, wie z. B.

auch die a tm o s p h ä ris c h e n und therm ischen Einflüsse, so h at doch gerade in den verflossenen letzten zwei Ja h re n ein leb­

h after W iderstreit und Austausch der Meinungen ärztlicher A utoren über Q uantität und Q ualität des Einflusses der T raum en in besagter H insicht stattgefunden. Und das ist gut so, denn nur durch eingehende Beleuchtung dieser äu sserst w ichtigen F rag e von den verschiedensten Seiten aus, unter Benutzung aller uns zu Gebote stehenden Hilfsmittel und u n ter kritischer Anw endung derselben ohne V oreingenom m enheit und R ück­

sicht au f das sich eventuell ergebende R esultat dürfte es hoffentlich gelingen, hier m ehr K larheit und W ahrheit in den thatsächlichen objektiven V erhältnissen zu schaffen.

Der reine Zufall ist es bestim m t nicht, dass besonders in den letzten 17 Ja h re n , und zw ar seit der W irksam keit der U nfallversicherungsgesetze, die K rankheiten voranlassende Eigenschaft der T raum en ganz ausserordentlich gestiegen und an w esentlicher B edeutung gew onnen h at für alle betheiligten P arteien, für die V ersicherten zur G eltendm achung von An­

sprüchen bezw. zur E rlangung einer R ente, für die Aerzte als naheliegendes Moment, um bei Mangel an anderen U rsachen einen vorliegenden K rankheitszustaud bei einem U nfallver­

letzten leicht und ungezw ungen zu erklären, zu ih rer eigenen B eruhiguug und zur Zufriedenheit der Petenten. W ährend nun die einen B eurtheiler beim B eschreiten des „W eges n ü ch tern e r K ritik“ den K reis der ätiologischen Bedeutung des T raum as reichlich eng ziehen, w ollen die Anderen diesem erheblich w eitere Gren_zen stecken, in durchaus richtiger Er- kenntniss, dass es ja wie bei vielen m edizinischen F rag en , so auch bei der B ew erthung der F rag e nach der U rsächlichkeit des T rau m as m eist nicht möglich sei, einen strikten Beweis

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zahlung an die H interbliebenen m it Hinweis au f V erjährung verw eigerte und gegen das für sie ungünstige U rtheil des Schiedsgerichts B erufung einlegte, rü h