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Aerztliche Sachverständigen-Zeitung, 8. Jg. 15. Juni 1902, No 12.

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Academic year: 2021

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Die „A e rz tlic h e S achverstH udigen-Z eitunga e rsc h e in t m onat- A J " ■ £ A lle M an u sk rip te, M itth eilu n g en und re d a k tio n e lle n A n fragen lieh zw eim al. D u rch je d e s d e u tsch e P o stam t w ird d ieselb e I ^ " V b elieb e m an zu se n d en a n D r. F. L e p p m a n n , B erlin NW., zum P reise von Mk. 5.— v ie rte ljä h rlic h (M. 4.94 f ü r die Sach- W ® * I I B V 8 1 . ^ W ik in g e r-U fe r No. 1. K o rre k tu re n , R ezen sio n s-E x em p lare.

v e rstä n d ig e n -Z e itu n g , 6 Pf. flir B estellgeld) fre i ins H aus ^ | J ^ J S o n d e rab d rü c k e an d ie V e rla g sb u ch h an d lu n g , In se ra te und

g e lie fe rt. (P o s t-Z e itu n g s-P re isliste No. 34). B eilagen a n d ie A n n o n c e n -E x p e d itio n von R u d o lf Moese.

Sachverständigen-Zeitung

Organ für die gesammte Sachyerständigentliätigkeit des praktischen Arztes sowie für praktische Hygiene und Unfall-Heilkunde.

R e d a k t i o n :

Dr. L. Becker Dr. Braehmer Dr. Florschütz Dr. Fürbringer Dr. Haug Dr. Kionka Dr. Kirchner Dr. A. Leppmann

G eh .M ed .-R ath G e h .S a n .-R a th G otha. G eh .M ed .-R ath u .P r o f. P rofessor P ro fesso r G eh. Ob.-Med.-R. u. Prof. M ed.-R ath.

B o rlin . B e rlin . B e rlin . M ünchen. J e n a . B e rlin . B e rlin .

Dr. von Liszt Dr. Loebker Dr. Ostertag Dr. Puppe Radtke Dr. Roth Dr. Silex Dr. Stolper Dr. Windscheid

G eh. J u st.-R a th u . Prof. P ro fesso r P r o fe sso r P riv.-D oz. u. G erich tsa rzt K a iserl. R e g .-R a th R e g .-u .G e h .M e d .-R a th P rofessor B r e s l a t l . P rofessor

B e rlin . B ochum . B e rlin . B e rlin . B e rlin . P o tsd am . B e rlin . L eip zig . Dr. F. Leppmann-Berlin.

V e r a n t w o r t l i c h e r R e d a k t e u r .

V erlag von R ich ard Schoetz, B erlin, NW., L u ise n stra sse No. 36.

VIII. Jahrgang* 1902. JW. 12 . Ausgegeben am 15. Juni.

In h a lt:

Die Technische Begründung zur Bekanntmachung vom 18. Februar 1902 betr. gesundheitsschädliche und täuschende Zusätze zu Fleisch und dessen Zubereitungen. S. 237.

Originalien: A p e lt, Arteriosklerose und Comraotio cerebri. S. 247.

B ie r f r e u n d , Beiträge zur traumatischen Entstehung innerer Krankheiten in aktenmässiger Darstellung. 1. Zwei Fälle von Rippennekrose und Empyem nach Brustquetschung. S. 252.

B r ä h m e r , Die neuen Aerztewagen bei den preussischen Staats­

bahnen. S. 253.

S c h ä f f e r , Sektionsbefund bei Vergiftung mit sog. Frankfurter Essigessenz (80 prozentiger Essigsäure) nebst Bemerkungen über den freien Handelsverkehr derselben. S. 254. (Schluss.) Referate: Chirurgie. W o lk o w its c h , Ueber die von mir angewandten

Behandlungsmethoden von Frakturen der grossen Knochen der Ex­

tremität. u. Gelenkresektionen u. die dabei erzielt. Resultate. S. 257.

R ie d in g e r, Willkürliche Verrenkung des Oberarmes. S. 257.

H o ffm a n n , Zwei Fälle v. Exerzirknochen i. linken Oberarm. S. 258.

L a n s c h , Beitrag zu den sogenannten Benettschen Brüchen des ersten Mittelhandknochens. S. 258.

S tu p a r ic h , Haematoma ossenm tibiae. S. 258.

S c h m iz , Bruch dreier Mittelfussknochen, Heilung mit starker Verschiebung der Bruchenden, Dienstfähigkeit erhalten. S. 258.

N e u b u r g e r , Fall von habitueller Luxation einer Beugesehne am Fuss nach Trauma. S. 258.

Ohrenheilkunde. U r b a n t s c h i t s c h , Verletzung des Ohres: leichte oder schwere Verletzung? S. 258.

Vergiftungen. R ic h te r , Die Farbe der Todtenflecke bei der Cyan- vergiftuug. S. 259.

K it t s t e i n e r , Ueber Pikrinsäure. S. 259.

Aus Vereinen und Versammlungen. A us d e n V e r h a n d lu n g e n d e r D e u ts c h e n G e s e lls c h a f t f ü r C h ir u r g ie . (Originalbericht der Aerztl. Sachv.-Ztg.) (Fortsetzung folgt.) S. 260.

Gerichtliche Entscheidungen: Aus dem R e ic h s -V e rs ie h e r u n g s a m t.

Erwerbs Verminderung liegt nicht vor bei Verlust des Ringfingers der linken Hand. S. 263.

Tagesgeschichte: Das Unfallkrankenhaus zu Strassburg i. E. — Das Berufsgeheimniss der Krankenpfleger. — Die Ausstellung ärzt­

licher Lehrmittel. S. 263.

Die Technische Begründung zur Bekanntmachung vom 18. Februar 1902 betr. gesundheitsschädliche und täuschende Zusätze zu Fleisch und dessen Zube­

reitungen.

Die B ekantm achung des B undesrathes, die in No. 5 dieses Jah rg an g s von uns w iedergegeben wurde, h a t zu einer heftigen Zeitungsfehde Anlass gegeben. Eine Reihe von T agesblättern und technischen Fachzeitschriften lässt es sich angelegen sein, das V erbot eines grossen Theiles d er aufgeführten Zusätze zu bekäm pfen, und alle diese polem ischen A rtikel gehen auf den Schusssatz aus: Die A rbeiten des R eichsgesundheitsam tes, die den Verboten zu G runde liegen, sind logisch oder sachlich unzulänglich, die A nhänger gegentheiliger A nschauungen können dadurch nicht w iderlegt w erden.

Es ist nicht daran zu zweifeln, dass auch in den K reisen der Aerzte diese A uslassungen der nichtärztlichen P re sse E in­

fluss zu gew innen geeignet sind. Dies w äre um so bedeut­

sam er, als ja die im Titel bezeichnete B ekanntm achung erst m it den A usführungsbestim m ungen zum Fleischschaugesetz in K raft tre te n wird und bis dahin die Entscheidung zahl­

reich er Prozesse über die Zulässigkeit der betreffenden Zusätze vom U rtheil der zugezogenen ärztlichen Sachverständigen m it abhängt.

W ir halten es daher für geboten, u n seren L esern die Be­

gründung der B ekanntm achung vom 18. F eb ru ar 1902, wie sie im R eichsgesundheitsam t ausgearbeitet w orden ist, voll­

ständig zugänglich zu m achen. Sie w erden dadurch um so sicherer ein selbständiges U rtheil in den einschlägigen F rag en gew innen, als j a die gegnerischen A nschauungen grossentheils gleichfalls in den Spalten un se rer Zeitschrift theils originaliter theils im R eferat (vergl. Jahrg. 1901 S. 444 und 499) ihren Ausdruck gefunden haben.

I. Allgemeine Gesichtspunkte.

Bei der B eurtheilung der F rage, welche K onservirungs- mittel eine gesundheitsschädliche Beschaffenheit des Fleisches herbeizuführen oder eine m inderw erthige B eschaffenheit des­

selben zu verdecken geeignet sind, ist davon auszugehen, dass m an allen chem ischen K onservirungsm itteln, welche nicht gleich dem Kochsalze, dem S alpeter und den beim R äuchern entstehenden Produkten durch l a n g e U ebung eingebürgert sind, m isstrauisch gegenüberstehen m uss, solange nicht ihre U nschädlichkeit erw iesen ist. Die G eschichte der Arznei­

behandlung lehrt in im m er neuen Beispielen, wie selbst m anche zu Heilzwecken em pfohlene, also von vorn herein m it grösserer w issenschaftlicher Strenge beurtheilte Mittel erst nach ja h re - oder jahrzehntelangem G ebrauch als keinesw egs harm los erkannt w erden, so beispielsw eise das Antifebrin, das

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•238 A e r z t l i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - Z e i t u n g . Sulfonal und das Jodoform . Dies m ahnt zu erhöhter Vorsicht

gegenüber solchen Stoffen, w elche N ahrungs- oder G enuss­

m itteln zugesetzt w erden sollen. G erade bei der V olksernährung fällt je d e r im U ebrigen einw andfreie Versuch oder je d e E r­

fahrung, w elche eine B eschädigung der G esundheit ergeben hat, schw erer in die W aagschale, als alle Beobachtungen m it negativem Ergebnisse, wie sie m it Vorliebe zur A npreisung und E inführung d e rartig er Mittel b ekannt gem acht zu w erden pflegen. Es ist nicht nur erlaubt, sondern sogar ein w issen­

schaftliches Erforderniss, dass m an sich nicht m it der F e st­

stellung begnügt, dass bis je tz t durch den G ebrauch konser- v irte r Lebensm ittel ein Schaden a u f das K onservirungsm ittel nachw eislich noch nicht h a t zurückgeführt w erden können.

Ebensow enig d arf m an bei der B eurtheilung dieser F rage, die fü r die E rnährung von gesundenen E rw achsenen, aber auch von schw ächlichen und kränklichen Personen, von G reisen und K indern gleich w ichtig ist, V ersuche m it kleinen Gaben an M enschen und am T hiere als bew eisend ansehen.

Auch abgesehen von dem Fehlen einer Anzeigepflicht für derartige E rkrankungen stösst es überhaupt auf grosse S chw ierigkeiten, solche Schädigungen m it Sicherheit a u f ihre w ahre U rsache zurückzuführen, da Zeichen des gestörten W ohlbefindens (M agendrücken, U ebelkeit, D iarrhoe, Kopfweh ii. s. w.) auch nach einer schw er verdaulichen Speise, einem kalten Trunke, nach Abkühlung u. s. w. ein treten können.

Dazu kom m t, dass die Aerzte im A llgem einen noch nicht über die Ausdehnung der N ahrungsm ittelkonservirung und über die L ebensm ittel, welche chem isch haltbar gem acht w erden, u n terrich tet sind. H andelt es sich um je n e m ehr oder w eniger grossen M assenvergiftungen durch konservirtes, aber trotzdem verdorbenes Fleisch, so w erden die W irkungen d er K onservirungsm ittel völlig durch die schw eren Anzeichen der V ergiftung durch verdorbenes Fleisch verdeckt.

V ielm ehr ist m it allen Mitteln des zielbew ussten, zuver­

lässigen V ersuchs festzustellen, ob ein Stoff überhaupt schäd­

lich w irken kann, und dabei die R ichtung oder der Angriffs­

punkt einer solchen Schädigung festzulegen. H ierzu ist die V erw endung g rö sserer Gaben unerlässlich. E rst aus dem ganzen W irkungsbild eines in kleinen und in grossen Gaben angew endeten K onservirungsm ittels wird ein U rtheil über die Z ulässigkeit zur H altbarm achung von L ebensm itteln gew onnen w erden dürfen. L eiden doch alle unsere E rm ittelungen m it k leinen M engen chem ischer Stoffe an M enschen und am T hiere an erheblichen Fehlerquellen zu G u n s t e n des betreffenden Mittels. D as w issenschaftliche E xperim ent v erm ag nur die T hätigkeitsäusserungen bestim m ter O rgane zu verfolgen oder aus den ausgeschiedenen A bgängen au f die grössere oder ge­

rin g ere V erw erthung der N ahrung im K örper zu schliessen.

Man v erm ag aber nicht die A enderungen in den O rganen selbst oder den A blauf des Stoffw echsels in seinen einzelnen Ab­

schnitten zu erkennen.

E rw eist sich z. B. beim pharm akologischen V ersuch ein Mittel in grö sseren Gaben als ein nierenschädigender Stoff, so m ah n t dieser Befund zur V orsicht bei der V erw endung des M ittels bei N ierenkranken, bei denen schon w esentlich kleinere G aben die gleiche Schädigung hervorbringen können, w ie grosse au f eine gesunde Niere. In vielen d er m it Konser- virungsm itteln an gestellten V ersuchen ist aber au sser Acht ge­

lassen worden, dass die akute W irkung von der chronischen w esentlich verschieden sein k ann und dass es bei V ersuchen m it K onservirungsm itteln nicht angängig ist, aus dem F ehlen ak u ter W irkungen die U nschädlichkeit der Mittel zu folgern.

U n ter diesen U m ständen ist es auch nicht angängig, dem von verschiedenen Seiten gem achten V orschläge zuzustim m en

und eine H ö c h s t g r e n z e für den Zusatz einzelner K onser­

v irungsm ittel festzulegen.

W ie schon bei einer R eihe von stark en Giften die An­

sichten über die krankm achenden Gaben bei einm aligem und häufigem G ebrauch u n ter den F achleuten w eit au seinander­

gehen, so ist es für die hier in F rag e kom m enden K onser­

virungsm ittel noch viel schw ieriger, w issenschaftlich genau die­

jen ig en noch w irksam en Gaben anzugeben, welche in allen F ällen von G esunden, Schw achen und K ranken ohne Benach­

te ilig u n g ih re r G esundheit selbst bei jah relan g em Gebrauche genossen w erden können. W ährend nach der Meinung des einen S achverständigen der län g er fortgesetzte tägliche Ge­

brauch von 1,2 g B orsäure oder Borax, w enn sie m it Speisen genossen w erden, eine nachtheilige W irkung au f die G esund­

heit nicht ausüben und selbst für den Gebrauch doppelter Mengen bisher keine Schädigungen erw iesen sein sollen, halten an d ere solche Gaben für geeignet, die m enschliche Gesund­

heit zu schädigen. E ben so sind die A nsichten über die M engen von schw efligsauren Salzen, von Salicylsäure und fluor­

w asserstoffsauren Salzen, w elche ohne Schaden für den Körper aufgenom m en w erden können, getheilt.

Selbst w enn es übrigens möglich wäre, für jedes einzelne K onservirungsm ittel eine Menge festzustellen, welche, m it der Nahrung genossen, w ährend eines T ages die G esundheit nicht schädigen w ürde, so en tstän d en w eitere Schw ierigkeiten da­

durch, dass die T agesm enge des betreffenden Stoffes au f die einzelnen dam it h altb ar gem achten, bei den versch ied en en M ahlzeiten in B etracht kom m enden L ebensm itteln zu vertheilen w äre. Es m uss dam it gerechnet w erden, dass ein Mensch w ährend des T ages nicht nur borhaltiges Fleisch, sondern auch borhaltige W urst, borhaltige Milch, borhaltige B utter u. s. w.

g em essen kann. W ürde für jed es der in F rag e kom m enden Lebensm ittel die unschädliche T agesgabe zulässig sein, so w ürde der Mensch das Zwei-, Drei- oder M ehrfache der als unschädlich erk an n ten Gabe aufnehm en. W ürde aber die T agesgabe auf säm m tliche N ahrungsm ittel vertheilt, so würde, ganz abgesehen von d er prak tisch en U ndurchführbarkeit einer solchen V orschrift, au f jed es N ahrungsm ittel so w enig fallen, dass die H altbarm achung selbst völlig ausgeschlossen w äre.

U eberdies ist, so lange nicht überzeugende V ersuche das G egen­

t e i l bew eisen, d aran festzuhalten, dass die an sich unschäd­

lichen H öchstgaben der einzelnen Stoffe, w enn sie gleichzeitig oder nach einander in den M agen gelangen, durch Anhäufung schädliche W irkungen en tfalten können.

Dazu kom m t die Schw ierigkeit, solche G renzw erthe im täglichen Gebrauch einzuhalten. D er F leischer arb eitet bei der B em essung d er M engen des K onservirungsm ittels nicht m it der A pothekerw aage, sondern m ehr oder w eniger nach dem A ugenm ass, indem er die zu konservirende Fleischm enge abschätzt und nach G utdünken das Mittel zusetzt. Wie wenig sich die F leisch er nach den G ebrauchsanw eisungen, w elche den P räserv esalzen beigegeben sind, richten, zeigt die T hat­

sache, dass bei d er chem ischen U ntersuchung ein er grossen Anzahl von H ackfleischproben M engen von 0,1 bis 1 Prozent schw efliger S äure (0,4 bis 4 Prozent Präservesalz) gefunden worden sind, d. h. das Zwei- bis Zw anzigfache der in den G ebrauchsanw eisungen em pfohlenen Mengen. Auch ist eine völlig gleichm ässige V e r te ilu n g des M ittels in ganzen Fleisch­

stücken oder selbst in zerkleinertem Fleische unm öglich, da die gebräuchlichen Stoffe nicht an der Oberfläche eines F leisch­

stücks oder zw ischen den Theilchen zerkleinerten Fleisches liegen bleiben, sondern in der F leischfeuchtigkeit sich lösen und im A ustausche m it anderen B e s ta n d te ile n des Fleisches in das In n e re Vordringen. Es lässt sich also nicht verm eiden,

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dass die zugelassene H öchstm enge an einzelnen Stellen über­

schritten wird.

F e rn e r erscheint es aber auch nicht angängig, solche K onservirungsm ittel, welche überhaupt als gesundheitsschäd­

lich erk an n t sind, etw a für gew isse Fleischw aaren oder unter D eklaration zuzulassen, und zw ar aus folgenden Erwägungen.

Schon aus allgem einen G ründen ist es nicht angängig, für bestim m te Fleischw aaren den Zusatz eines kouservirenden Stoffes zuzulassen, für andere dagegen zu verbieten. So w ar beispielsw eise angeregt, für solches Fleisch, welches dem K äufer in Folge von Pökeln oder R äuchern bereits als be­

handelt bekannt ist, gewisse A ntiseptika zuzulassen. Die ge­

sundheitspolizeilichen Bedenken, welche zum Ausschlüsse der chem ischen Stoffe bei der einen F leischw aare führen, m üssen auch bei den anderen F leischw aaren m assgebend sein. Dazu kommt, dass ein K onservirungsm ittel, w elches für das Fleisch, das w esentlichste N ahrungsm ittel neben dem Brote, selbst unter B eschränkung nachgelassen würde, w ahrscheinlich ohne W eiteres auch bei anderen Nahrungs- und G enussm itteln, wie Milch, Butter, Bier, W ein und Kompot für g e sta tte t erachtet w ürde, um som ehr, als im G egensätze zum Fleische hier w enig­

stens eine gleichm ässige D urchm ischung möglich ist. Damit wäre aber die Möglichkeit einer Anhäufung solcher Stoffe im K örper und eine erhöhte G efahr für die G esundheit gegeben.

Ein D eklarationszw ang k ann ebenso wenig befürw ortet werden.

Einm al h at die E rfahrung z. B. bei dem W eingesetze vom Ja h re 1892 gelehrt, dass die dort geforderte D eklaration für bestim m te Sorten von Wein in der P rax is unbeachtet geblieben ist. Man w ürde sich wohl auch von einer Deklarationspflicht bei Fleischw aaren vielen Erfolg kaum versprechen können.

Zw eitens würde selbst eine B ekanntgabe des Gehalts des Fleisches an K onservirungsm itteln kaum von wesentlichem Nutzen sein, weil der grösste Theil des kaufenden Publikum s sich aus den bezüglichen Angaben ein U rtheil über die ge­

sundheitlichen E rfahrungen nicht zu bilden verm ag.

Besonders m uss ab er auch der V erw endung solcher Stoffe entgegengetreten w erden, die einer au sich nicht einw and­

freien W aare den Anschein der Frische und der guten Be­

schaffenheit, oder der sachgem ässen Zubereitung verleihen.

Man ist im Allgemeinen gewohnt, bei nichtzubereitetein Fleische in der rothen F a rb e und in dem Fehlen von F äulnissgeruch einen G radm esser für die Frische zu erblicken, w ährend bei geräuchertem Fleische und g eräucherten Fleischw aaren, die durch eine gew isse A ustrocknung (W asserverlust) haltbar ge­

m acht und dadurch im W erthe erhöht w orden sind, die Gründ­

lichkeit und D auer der R äucherung und der Grad der dadurch bew irkten Austrocknung m assgebend für die B ew erthung sind.

Es sei hier daran erinnert, dass m an beispielsw eise bei harten C ervelatw ürsten bisweilen von Monat zu Monat höher steigende P reise zahlt. Die V erw endung von K onservirungsm itteln e r­

möglicht es nun aber, u n ter U m ständen altes Fleisch als scheinbar frisches zu verkaufen, w ährend im Innern desselben ungehindert die Zersetzung und das V erderben w eitergehen, oder g eräucherte Fleischw aaren zu liefern, d eren R äucherung durch ein Mittel wie Borsäure w esentlich abgekürzt worden ist, und nicht zu einer gleichen Austrockuung und H altbar­

m achung geführt hat, wie eine w eiter ausgedehnte R äuche­

rung ohne Borsäure. In vielen Fällen kann überhaupt nicht der N achweis geführt werden, ob einw andfreies Fleisch oder von vornherein Abfälle und Fleisch, w elches ohne Auffrischungs­

m ittel nicht verkäuflich gew esen wäre, zur V erw endung ge­

langte. So ist für das schw efligsaure Natrium durch eine Reihe der sorgfältigsten V ersuche nachgew iesen, dass es keine n e n n e n s w e r te desinfizirende, sondern nur eine erhebliche, die

15. Juni 1902.

Fäulnissbakterien in ih rer Entw icklung hem m ende W irkung besitzt, dagegen den rothen M uskelfarbstoff erhält, so dass es in der T hat rothes Fleisch vor dem G rauw erden schützt.

A usserdem verm ag es auch graugew ordenem F leische die rothe F arbe zurückzugeben.

D er im Ja h re 1900 in P aris abgehaltene internationale H ygienekongress sprach sich gegen jed en Zusatz von antisep­

tischen Stoffen zu frischen N ahrungsm itteln aus. So w eit zu gehen, dürfte sich aus praktischen E rw ägungen nicht em ­ pfehlen, vielm ehr wird, der W ichtigkeit der Nahrungsm ittel- konservirung entsprechend, bei jedem einzelnen Stoffe die F rag e nach der N othwendigkeit des Verbots aus gesundheit­

lichen und w irtsc h a ftlic h e n Gründen genau zu prüfen sein.

Von diesen G esichtspunkten aus wurde in eine P rüfung der Stoffe, die gegenw ärtig bei der B ehandlung des Fleisches zum Zwecke seiner H altbarm achung oder zur H erbeiführung eines schöneren A ussehens zugesetzt zu w erden pflegen, ein­

getreten und au f Grund der angestellten Erhebungen erm ittelt, dass nachbezeichnete Stoffe von der fern eren Verw endung bei der gew erbsm ässigen B ehandlung von Fleisch auszuschliessen sein m öchten:

1. B orsäure und deren Salze, 2. Form aldehyd,

3. Alkali- und Erdalkali-H ydroxyde und -K arbonate, 4. Schweflige Säure und deren Salze, sowie u n ter­

schw efligsaure Salze,

5. Fluorw asserstoff und deren Salze, 0. Salicylsäure und deren V erbindungen, 7. Chlorsäure Salze.

Als Stoffe, welche n u r u n t e r g e w i s s e n B e d i n ­ g u n g e n bei der gew erbsm ässigen Zubereitung von Fleisch zu erlauben, im U ebrigen aber ebenfalls zu verbieten sein dürften, sind

8. Farbstoffe je d e r Art anzusehen; die ausnahm sw eise Zulassung ihrer V erwendung wird sich nur zum Zwecke der G elbfärbung der M argarine und zum Zwecke des F ärbens der W ursthüllen rechtfertigen lassen.

Alle diese Stoffe, ausgenom m en die Alkali- und Erdalkali­

verbindungen und einige Farbstoffe, sind in den üblichen, zur V erw endung kom m enden Mengen als gesundheitsschädlich zu betrachten. Die unter Ziffer 1, 2, 3, 4 und 8 aufgeführten Stoffe sind ausserdem geeignet, über die wirkliche Beschaffen­

heit der W aare zu täuschen, insofern sie die K ennzeichen der Zersetzung, wie v eränderte Farbe, Geruch, Konsistenz v er­

decken und te ilw e is e die F arbe des frischen Zustandes vor- spiegelu.

Das Verbot, w elches von erheblicher B edeutung für die b e te ilig te n K reise im In- und Ausland i s t , wird dies um so­

m ehr w erden, je längere Zeit bis zum Inkrafttreten desselben verstreicht. Der G ebrauch der antiseptischen Mittel zur H alt­

barm achung von Fleisch bürgert sich schon aus Bequem lich­

keitsgründen im m er m ehr ein, zumal ihre Anwendung auch finanziell v o r te ilh a f t ist und das Publikum in T äuschung über den w irklichen W erth der W aare erhält.

II. Besonderer Theil.

1. B o r s ä u r e u n d d e r e n S a l z e .

B orsäure findet sich häufig als natürlicher B e s ta n d te il in Obst, Aepfeln, Birnen, Pflaum en und Kirschen, in der W asser­

melone, in W eintrauben und dam it im W eine selbst, [ndessen ist der natürliche B orsäuregehalt durchw eg ein so geringer, dass derselbe nicht gesundheitsschädlich ist. In W einen sind Mengen von 1,52 bis 33 mg B orsäure im L iter gefunden wor­

den; Aepfel- und B irnenw eine enthielten 11 bis 17 mg Bor­

säure im L iter; verschiedene Aepfelsorten rund 0,7 bis 1,6 mg 239 A e r z t l i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - Z e i t u n g .

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240 A e r z t i i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - Z e i t u n g . No. 12.

B orsäure; Birnen 0,8 bis 1,9 m g B orsäure in 100 g; Zwetschen- saft 27,6 mg, R eineklaudensaft 2 2 , 6 mg und K irschsaft 40,4 mg B orsäure in einem L iter (vergl. K. W i n d i s c h , „Arbeiten aus dem K aiserlichen G esundheitsam te“, Bd. 14, 1898, S. 391 ff.).

Anders steh t es m it der Aufnahm e von Borverbindungen durch den G enuss k o n serv irter Lebensm ittel.

B orsäure und Borax unterscheiden sich als K onservirungs- m ittel dadurch w esentlich von den übrigen, dass sie nicht nur für das eine oder an d ere L ebensm ittel, sondern ganz allgemein zur H altbarm achung von Schinken, L achsschinken, Speck, Trockenpökelrindfleisch, D auerw urst, B lutw urst, Brühw ürstchen, F ran k fu rter W ürstchen und anderen F le isc h w a a re n , Fischen, frischen Schalthieren, Milch, B utter, M argarine, Eigelb, Eiweiss em pfohlen und bereits verw endet w erden.

Abgesehen von dem absichtlichen unm ittelbaren Zusatze der P rä p a ra te selbst zu den N ahrungsm itteln können übrigens z. B. B orverbindungen in L eberw urst auch gelangen bei V er­

w endung von Lebern, w e lc h e , m ittelst eingespritzter Bor­

lösungen k o n serv irt, nach D eutschland eingeführt w erden.

F ern er in W ürstchen durch V erw endung von Eiw eiss aus Kon­

ditoreien u. s. w., das zur H altbarm achung m it B orsäure v e r­

setzt wird.

Als erstes borhaltiges K onservirungsm ittel für Fleisch und Milch kam das sogenannte Aseptin in den Handel (1873).

Je tz t giebt es eine grössere Anzahl borhaltiger K onservirungs­

m ittel, wie zahlreiche im K aiserlichen G esundheitsam t ausge­

führte U ntersuchungen erw iesen h aben, z. B. Konservirungs*

flüssigkeit für W urstgut, verschiedene P räservirungssalze, ein­

faches und dreifaches K onservirungssalz, W i c k e r s - i h e i m e r ’sehe Flüssigkeit zur K onservirung von N ahrungs­

m itteln, Boroglycerid. Auch in Farbstoffen zur F ärb u n g von W urst findet sich B orax und in Pökelrezepten wird B orsäure neben Kochsalz und Salpeter em pfohlen ( H e r z e n ’sche Me­

thode 1875). Nach einem n eueren Rezepte w erden einer Pökellage m it 100 Pfund Salz 2 Pfund B orsäure zugesetzt.

Die in den so konservirten N ahrungsm itteln gefundenen Mengen von Borverbindungen schw anken sehr, sind aber m eist nicht unbeträchtlich. Das am erikanische T rockenpökelrind­

fleisch en th ält nach Angabe der einführenden H ändler 1 bis 2 Prozent B orsäure; es sind aber darin bis 3,87 P rozent Bor­

säu re (Dresden) gefunden w orden; bei U ntersuchung von 51 Proben im K aiserlichen G esundheitsam te konnte iu 9 Borax nur qualitativ, in 2 w eniger als 0,5 Prozent, in 7 Proben 0,5 bis 1,0 Prozent, in 19 Proben 1,0 bis 2.0 Prozent, in 13 Proben 2,0 bis 3,0 Prozent, in 1 Probe 3,36 Prozent B orax nachge­

w iesen w erden ( P o l e n s k e , „Arbeiten aus dem K aiserlichen G esundheitsam te“, Bd. 17, 1900, S. 561). Dass die Borver­

bindungen selbst beim A ufstreuen nach län g erer Einw irkung bis in die Mitte der Fleischstücke eindringen können und zwar bei frischem Fleische in erheblicherem Masse und in k ü rzerer Zeit als bei g eräu c h erter W aare, haben ebenfalls Versuche im K aiserlichen G esundheitsam te ergeben. Frisches, fettreiches Schweinefleisch, w elches in B oraxpulver gepackt, 3 W ochen aufbew ahrt w orden w ar, enthielt in den innersten Theilen 2,73 Prozent Borax, w ährend eine D urchschnittsprobe des übrigen Fleisches 4,05 P rozent B orax aufwies. Zwei ge­

räucherte Schinken, w elche 4 W ochen lang in Borax- be­

ziehungsw eise B orsäurepulver eingehüllt gelegen hatten, zeigten in einer Tiefe von 1/>2 cm von der Oberfläche A: 0,45 Prozent B orax und B: 0,273 P rozent B orsäure, in einer Tiefe von 4 bis 6 cm A: 0,096 Prozent Borax und B: 0,025 Prozent Bor­

säure. Auch in Speckseiten können die Borverbindungen, selbst beim blossen E instreuen und V erpacken m it denselben, eindringen, da auch der Speck in Folge seines W assergehalts

und der H autm uskeln, die in ihm liegen können, die Be­

dingungen zur A ufnahm e von Borverbindungen bietet.

Es ist hiernach die Erfüllung des W unsches der In te r­

essenten, w enigstens das B estreuen von geräuchertem und ge- pöckeltem Fleische zu gestatten, nicht angängig. Ausserdem w ürde m an h in terh er durch die chem ische U ntersuchung mit Sicherheit nicht feststellen können, ob d erartiges F leisch mit B orpräparaten b estreut oder durch Einlegen in eine Lösung derselben behandelt w orden ist.

Die Behauptung, dass durch gründliches A bw aschen und W ässern die Borverbindungen zum grössten Theil aus dem Fleische en tfern t w erden, ist durch die U ntersuchungen von B e y t h i e n und H e m p e l w iderlegt. W uschen sie am eri­

kanisches Trockespökelrindfleisch, das 1,12 Prozent Borsäure enthielt, u n ter der W asserleitung und w ässerten es 21 / 2 bezw.

12 Stunden, so enthielt es im m er noch 0,96 bezw. 0,69 Prozent B orsäure (Zeitschrift für U ntersuchung der N ahrungs- und Ge­

nussm ittel 1899, S. 842). In die Bouillon gingen beim Kochen noch 0,26 P rozent bezw. 0,17 Prozent B orsäure über. Auch die übliche Zubereitung zum Essen schützt also nicht vor der Aufnahm e grösser Borm engen; w as das Fleisch davon w eniger führt, enthält dann die B ratensauce oder die Fleischbrühe.

In frischen B ratw ürsten in Büchsen sind bis zu 0,87 Pro­

zent B orsäure ( P o p p und F r e s e n i u s , Z eitschrift für öffent­

liche Chemie 1897, S. 155), in K rabben sogar bis zu 2,8 P ro ­ zent B orsäure gefunden worden ( K i s t e r , Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. 37, 1901, S. 226).

Es können hiernach leicht täglich 3 g oder m ehr von B orsäure oder deren Salzen allein m it Fleisch aufgenom m en w erden, eine Menge, w elche F ö r s t e r schon 1884 bei gleichzeitigem Genüsse von borsäurehaltigem Fleische, Milch und anderen G etränken w ährend eines Tages als möglich hingestellt hat.

Dass derartig hohe Prozentsätze im Fleische nicht etw a Aus­

nahm en und durch G ew issenlosigkeit der Fleischer bedingt s in d , bew eist die ganze N atur der B orpräparate als Kon­

servirungsm ittel. So lässt sich nach L a z a r u s Milch nur durch so grosse Zusätze von B orsäure süss erhalten, dass die Milch ihres G eschm acks w egen zum Genuss untauglich wird (Zeitschrift für Hygiene, Bd. 8, 1890. S. 207). Wie w enig zu­

verlässig die K onservirung aus dem Auslande eingeführter Schinken m it B orpräparaten ist, bew eist die T hatsache, dass nicht allzu selten die in F ässer gepressten und m it diesen M itteln eingestreuten Fleischstücke in verdorbenem Zustand in D eutschland ankom m en. B ereits in den technischen E r­

läu terungen zu dem Gesetze, betreffend den V erkehr m it Wein, vom 20. April 1892, w urde d arau f hingew iesen, dass die an ti­

septische und dam it auch die konservirende W irkung der Bor­

säure und ihrer Salze verhältnissm ässig gering sei, so dass zu einer sicheren H altbarm achung nicht unbeträchtliche Mengen nöthig seien. Diese Angabe lässt sich noch durch neuere Ver­

suche dahin erw eitern, dass L a n g e in Blut- und Fleischproben m it Hilfe von Borverbindungen bei keiner K onzentration uud bei kein er Z eitdauer B akterienw achsthum oder Schim m el­

bildung unterdrücken konnte (Archiv für H ygiene, Bd. 40, 1901, S. 143); ja sogar in der völlig erw eichten, durch und durch m it B orsäure durchsetzten R indenschicht einer F leisch­

probe, w elche in einem Glase m it Borsäure verp ack t au fg e­

hoben w orden w ar, zeigten sich die B akterien keinesw egs ab- g etödtet ( Ru b n e r ) . Bei den angeführten V ersuchen L a n g e s h at sich gleichzeitig gezeigt, dass B orverbindungen das Fleisch länger weich und saftig, d. h. m ehr w asserhaltig erhalten, als Kochsalz und auch die rothe F arbe des F leisches bis zu einem gew issen G rade konservireu, dass sie aber nur den Fäulniss- g e r u c h bei beginnender Zersetzung zu v e r d e o k e n im ' Stande sind.

(5)

15. Juni 1902. A o rz tl ic he S a c h v e r s t a n d i g e n - Z c i t u n g . 241 Die Thatsache, dass grössere Mengen von B orverbindungen

zur K onservirung non Fleisch nöthig sind und auch th atsäch ­ lich verw endet w erden, ist von W ichtigkeit für die Beurthei- lung vom gesundheitlichen Standpunkte. W enn auch zu­

gegeben w erden muss, dass nach den bis je tz t vorliegenden E rfahrungen die als natürliche B estandtheile in N ahrungs­

m itteln vorkom m enden kleinsten Mengen von B orsäure ohne schädigenden Einfluss auf die G esundheit sind, so sind die thatsächlich bei der H altbarm achung von N ahrungsm itteln zur V erw endung gelangenden Mengen bis nahezu 4 Prozent in gesundheitlicher Beziehung keinesw egs unbedenklich.

Auch verleihen sie den N ahrungsm itteln, solange sie ihnen nur in m ässigen M engen zugesetzt w erden, nach R u b n e r s B eobachtungen nicht einen charakteristischen, ihre Anw esen­

heit verrath en d en Geschmack. G erade diese T hatsache ist nicht ohne Bedeutung. Da Borax wohl in w ässeriger Lösung einen w iderlichen Geschm ack besitzt, nicht aber im Fleische, das noch andere Schmeck- und Riechstoffe enthält und in welchem ausserdem noch G e w ü r z e sich finden können, so kann der A bnehm er sich durch seinen G eschm ackssinn nicht vor der Aufnahme überm ässiger M engen B orpräparate schützen.

Ganz abgesehen davon, dass Prozentsätze von nahezu 4 P ro ­ zent B orsäure in Fleischw aaren, die anstandslos gegessen sein würden, aufgefunden worden sind, hat schon L a z a r u s auf Grund von V ersuchen für B orsäure und B orax in Milch Mengen von 1 bis 2 g beziehungsw eise 4 g au f 1 L iter als diejenigen angegeben, welche von einem empfindlichen Ge­

schm ack erk an n t w erden (1890 a. a. Ü.).

Die B orsäure und der Borax dürfen im Allgem einen in ihrer W irkung auf den m enschlichen K örper als gleichartig angesehen w erden; nur soweit die schw achsaure oder die alkalische R eaktion ih rer Lösungen zur Geltung kom m en kann, sind sie verschieden. D er alkalisch reagirende Borax v e r­

ursacht leichter Reizung und Röthung der Schleim häute, des Magens und des Darmes, D ruckgefühl, Uebelkeit, E rbrechen als die Borsäure. Im Magen wird in Folge der Salzsäure des M agensaftes ein Theil des B orax in Borsäure übergeführt, im Darme die B orsäure zu borsauren Salzen abgestum pft, so dass auch die B orsäure an der S tätte der Aufsaugung als borsaures Salz vorhanden ist.

Somit ist es nicht angängig, die V erw endung der B orsäure als K onservirungsm ittel, wie es ang ereg t worden ist, zu v er­

bieten und den Borax hierfür zuzulassen. U ebrigens ist auch der D eutsche Fleischerverband im G egensätze hierzu in einer D ruckschrift „Gutachtliche A eusserungen des Deutschen F leischerverbandes bezüglich der zu erlassenden A usführungs­

bestim m ungen zum D eutschen Fleischbeschaugesetz 1901“

(Hamburg, 1901) für die V erw endung der B orsäure eingetreten, sagt dagegen vom Borax Folgendes (S. 30): „Borax ist als K onservirungsm ittel ohne W eiteres zu verw erfen, da es eine Verseifung der dam it behandelten Fleisch- und F etttheile zur Folge hat, die dieselben übel von Geruch und G eschm ack und für den Genuss w iderw ärtig und schw er verdaulich m ach t.“

Hierzu kommt, dass es in vielen F ällen nicht möglich sein wird, durch die U ntersuchung nachzuw eisen, ob die B orsäure oder ein Salz derselben verw endet w orden ist.

Die N othw endigkeit der V erw endung von B orsäure ist insbesondere m it Bezug auf die sogenannten F ran k fu rter W ürstchen und die sogenannten L achsschinken behauptet w orden. G egenüber der B ehauptung der F abrikanten, dass die F ran k fu rter W ürstchen w enigstens für die Ausfuhr ohne B orsäurezusatz nicht haltbar seien, wird indessen von an d erer Seite d arau f hingew iesen, dass jene W ürstchen in früherer Zeit auch ohne solche Zusätze h erg estellt seien und dass g e­

rade diese Zusätze dazu beigetragen hätten, den W assergehalt der W ürstchen gegen früher nicht unw esentlich zu erhöhen.

Auch je tz t noch w ürde es durch geeignete B ehandlung sehr wohl möglich sein, die W ürstchen ohne Borzusatz als Dauer- w aaren für die Ausfuhr herzustellen. Es kann dem nach ein Bedürfniss für eine A usnahm estellung der F ran k fu rter W ürst­

chen gegenüber einem Verbote der B orsäure und des Borax zum M indesten nicht als erw iesen e rach tet werden.

Das Gleiche trifft für L achsschinken zu. B orsäure ist in allen diesen F ällen m ehr ein B eschw erungsm ittel zur Erhöhung des W assergehalts, als ein w irkliches K onservirungsm ittel.

Die m it B orsäure und Borax angestellten Versuche über den Ablauf der V erdauungsvorgänge und der Labgerinnung der Milch ausserhalb des K örpers im R eagenzglase sind nicht von ausschlaggebender Bedeutung für die Beantw ortung der hier gestellten F rage. Den Borverbindungen kom m t keine ihnen eigenthiim liche Beeinflussung der bei jenen Vorgängen w irksam en F erm en te zu; sow eit die Reaktion d er Borverbin- dungen nicht bereits vom N ahrungsm ittel, wie Milch im B e­

ginne der Säuerung, zu dem sie zugesetzt worden, aufgehoben worden ist, w irken sie hierbei nach Massgabe ih rer sauren oder alkalischen R eaktion im W esentlichen anscheinend nicht anders als eine säuerliche Lim onade oder ein alkalisches Tafelw asser.

Nach den bei der arzneilichen V erw endung und im Thier-

; versuche gew onnenen E rfahrungen galt bisher die B orsäure in Lösung entsprechend ihrem chem ischen V erhalten hinsicht­

lich der Reizwirkung als ein verhältnissm ässig ungefährlicher Stoff. W eder auf die AugBnbindehaut noch die Schleim häute der Mundhöhle, des Magens, des D arm es und der Blase haben selbst gesättig te (vierprozentige) Lösungen beim Menschen eine schädliche W irkung gezeigt. D agegen h a t R ö s e unter Hof - m a n n s Leitung neuerdings nach G ebrauch einer zweiprozentigen Borsäurelösung als M undspülwasser eine stark e Reizw irkung festgestellt, bestehend in v erm ehrter Absonderung von Schleim und g esteig erter Abstossung von Zellen der Schleim häute (Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. 36, 1901, S. 161).

U nter gew issen U m ständen können B orverbindungen eine Reizwirkung auf die Schleim haut des Magens ausüben. So hat L i e b r e i c h (V ierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin, 1900, S. 83) bei zwei seiner V ersuchshunde, denen er täglich 0,23 bis 0,24 g B orsäure pro Kilogram m Körpergew icht, also eine Menge, die w eit unter der von N e u m a n n angegebenen u n ­ schädlichen Grenze von 0,4 g für Hunde liegt, verfütterte, nach 1 2 und 15 Tagen E rbrechen festgestellt. Bei V ersuchen des K aiserlichen G esundheitsam ts erbrach ein Hund von 10 kg auf 2 g B orsäure im gew ohnten Fleischfutter, obwohl er vorher tägliche Gaben von kohlensaurem Natrium bis zu 8 g, von sa l­

petersaurem Kalium (Salpeter) bis zu 10 g verzehrt hatte, und vertrug im H ungerzustande bereits die Gabe von 1 g Bor­

säure in 1 0 0 ccm W asser nicht, obwohl er vorher und n ach ­ h er auf das W asser allein nicht erbrach. Noch em pfindlicher erw eisen sich K atzen; w enigstens verw eigerten, abgesehen von einer K atze, w elche e rst au f 2 g die F resslu st verlor, zwei ihr F u tte r von 200 g Fleisch bereits bei Zugabe von 0,5 g B orsäure (0,25 Prozent borsäurehaltiges Fleisch) und eine K atze ihr F u tte r bei Zusatz von 0,5 g Borax. M a t t e r n , der 1 g B orsäure ohne Beschw erden vertrug, versp ü rte nach 2 g so heftige M agenschm erzen, dass er sich zu einer W ieder­

holung des V ersuchs nicht entschliessen konnte. Ebenso u n ­ günstig verliefen Versuche an 2 K aninchen und 1 Hund (Be­

richt der 7. V ersam m lung der freien V ereinigung bayerischer V ertreter der angew andten Chemie, 1888). B esonders ist aber

(6)

242 A e r z t l i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - Z e i t u n g . hier a u f die B eobachtungen B i n s w a n g e r s hinzuweisen, der

bei verschiedenen K ranken durch V erordnung von Borver- binduugen in allerdings grossen Gaben eine bereits bestehende entzündliche Reizung des M agendarm es sich steigern sah (Pharm akologische W ürdigung der B orsäure, 1846). In E ng­

land sind neuerdings F älle von D iarrhoe bei kleinen K indern nach Genuss konservirter Milch beobachtet w orden; sie schw anden, w enn reine Milch, sie setzten w ieder ein, w enn borhaltige Milch von Neuem gegeben w urde ( T u b b T h o m a s ) . Aehnliche klinische B eobachtungen w urden bei K indern im Falle der E rn äh ru n g m it borhaltiger Milch gem acht ( Al l e n ) .

Französische Aerzte, w elche die Fallsucht mit grossen Gaben B orax behandeln, unterscheiden sogar bestim m te „Bo­

rism u s“ genannte Anzeichen einer E rkrankung, die in H aut­

ausschlägen, K räfteverfall und N ierenentzündung sich äussern soll.

Einw andfrei sichergestellt ist, dass die Borverbindungen die Ausnutzung der eiw eisshaltigen Nahrung herabzusetzen verm ögen; schon nach Gaben von 0,5 g B orsäure w urde in dem V ersuche F ö r s t e r s und S c h l e n k e r s m ehr Stuhl und in ihm eine grössere Menge verdaulicher Stoffe ausgeschieden (Archiv für Hygiene, Bd. 2, 1884, S. 75). Bei einem diesem ähnlichen V ersuch im G esundheitsam te konnte der gleiche Einfluss auf die A usnutzung der N ahrung beim M enschen auf­

gefunden und m it Hilfe einer anderen V ersuchsanordnung ge- | stützt w erden, w elche gestattet, die in den einzelnen Stunden nach einer borsäurehaltigen M ahlzeit aufgenom m en und als stickstoffhaltige H arnbestandtheile ausgeschiedenen Eiw eiss­

m engen m it N orm alw erthen zu vergleichen. In 4 an deren Versuchen, w elche m it 3 g B orsäure und 3 bis 5 g Borax über 10 bis 1 2 Tage ausgedehnt w urden, tra t dieser die Aus­

nutzbarkeit d er eiw eisshaltigen N ahrung herabsetzende Ein­

fluss allerdings nur einm al einw andfrei ein, erstreck te sich ab er auch auf die A usnutzung des F ettes und w iederholte sich in gleicher W eise bei einem zweiten V ersuchsabschnitte m it B orsäureeinnahm e. Ein ähnlicher Befund, näm lich eine deutliche Störung in der V erw erthung der Nahrung, w urde von C h i t t e n d e n und G i e s (American Journal of Physiology, Bd. 1, 1898, S. 1) und von L i e b r e i c h (a. a. 0.) für den Hund erhoben.

Es w ürde die von F ö r s t e r und S c h l e n k e r au sg e­

sprochene V erm uthung, dass es sich hierbei nicht nur um eine Schädigung des O rganism us durch eine g esteig erte Ab- stossung von Zellen der D arm w and und M ehrabsonderung von Schleim handle, durch die schon erw ähnten Ergebnisse der V ersuche R ö s e s (a. a. 0.) eine nicht unw esentliche Stütze finden können.

Von A llgem einwirkungen, d. h. W irkungen, w elche erst nach dem U ebertritte der Borverbindungen in die Blutbahn auftreten, ist hier ein in V ersuchen des K aiserlichen G esund­

heitsam ts am M enschen regelm ässig beobachtetes Absinken des K örpergew ichts anzuführen.

V ersuchsperson A, w elche sich in einem V orversuche von 7 T agen auf gleichem Gewicht erhalten hatte (63400 g), v e r­

lor w ährend einer 1 2 tägigen Versuchszeit, in der sie täglich 3 g B orsäure ass, 1150 g, V ersuchsperson B bei einem Ge­

wicht von 59 2 0 0 g u n ter denselben Bedingungen 1 0 0 0 g, V ersuchsperson N bei einer 10 tägigen Aufnahm e von 3 g B orax 1200 g ihres 71 600 g betragenden Körpergew ichts.

Die letzte V ersuchsperson hat durch gleich lange Stoffwechsel­

versuche m it anderen Stoffen erw iesen, dass der Versuch an sich das K örpergew icht in keiner W eise verändert. Zwei w eitere V ersuchspersonen (W und S) verloren nach einer Vor­

periode m it gleichem Gewichte schon nach der ersten T ag es­

gabe von 3 g je 800 g, im Verlaufe des fünftägigen Versuchs 1300 g bezw. 1600 g an K örpergew icht Auch die beiden mit B orsäure gefütterten Hunde zeigten einen Rückgang des K örpergew ichts von 10 000 auf 9 500 g und von 9 750 auf

8 300 g. D ieser V erlust an K örpergew icht ist t l i e i l w e i s e durch eine der Borsäure eigenthüm liche W 'asserm ehraus- scheidung im H arn bedingt, theilw eise dürfte er, da der Ei­

w eissum satz u n ter B orsäuregenuss nicht leidet, au f K osten des in v erm ehrter Menge um gesetzten K ö r p e r f e tts ge­

schehen, eine Annahm e, zu deren P rüfung geeigte Versuche im Gange sind.

Von W ichtigkeit zur B eurtheilung der Borwirkung ist ferner der im G esundheitsam t erhobene (und auch von an d erer Seite [ J o h n s o n , Nord, mediz. Archiv, Bd. 17, 1885, No. 9] bereits beobachtete) Befund, dass bei 3 V ersuchs­

personen noch 18 bis 19 Tage, bei 2 anderen, w elche nur 5 T age lang B orsäure genossen hatten, 12 bis 14 Tage nach dem Aufhören der B oraufnahm e B orsäure mit dem H arn au s­

geschieden wurde, besonders deshalb, weil nach M ittheilung des französischen Arztes F e r e (La sem aine m edicale, 1894, No. 62, S. 497) bei N ierenkranken m itunter noch 6 bis

8 W ochen nach der Borzufuhr der H arn borsäurehaltig w a r;

m it der Gefahr einer zur E rkrankung führenden A nhäufung der B orsäure im K örper m uss also gerechnet w erden. Neben der Abnahme des K örpergew ichts und der B orzurückhaltung spricht noch ein d ritter Befund, eine bei 4 V ersuchspersonen aufgefundene Steigerung der H arnm enge, dafür, dass der Bor­

säu re chronische W irkungen zukommen.

W as die vielfach der B orsäure zur L ast gelegten H aut­

ausschläge anlangt, so sind die m eisten derselben zw ar nicht einw andfrei beobachtet und beschrieben, im m erhin h at B i n s - w a n g e r (a. a. 0 .) an sich nach Einnahm e grösser Gaben H autausschläge auftreten sehen und H a n d f o r d neuerdings eine Beobachtung m itgetheilt, bei der nur die B orsäure die V eranlassung des A usschlags sein konnte. Bei einem P atienten m it M agenerw eiterung tra t jedesm al dann ein Aus­

schlag ein, w enn der Magen m it B orsäurelösung a u s g e s p ü l t wurde, nicht aber, w enn W asser v erw en d et w urde (Brit. med.

journ. 1900, 24. November, S. 1495).

Diesen au f eine w enigstens theilw eise schädigende Be­

einflussung des m enschlichen und thierischen K örpers deu ten ­ den Beobachtungen stehen E rfahrungen und V ersuche ohne ein bestim m tes Ergebniss gegenüber.

Die zur B ehandlung von W unden, M undgeschwüren (der sogenannte B orsäureschnuller gegen Soor der Kinder) und früher auch gegen an d ere K rankheiten (D iphtherie, Cholera) vielfach gebrauchten B orverbindungen haben sich nach den Erfahrungen der Aerzte nicht als gefährlich oder von zur Vorsicht m ah n en ­ den N ebenw irkungen begleitet erw iesen. Die m eisten v er­

öffentlichten V ersuche am M enschen über die Aufnahme von B orsäure in Menge bis zu einigen Grammen, selbst über einige W ochen ausgedehnt, haben eine Störung des Wohlbefindens nicht erkennen lassen: W i l d n e r nahm m ehrere T age hindurch 0,5 g bis 1 g ; auch eine Gabe von 2,5 g B orsäure in 1 Stunde genossen, erw ies sich als w irkungslos (D issertation W ürzburg 1885). Nach P o l l i haben 8 Personen innerhalb 45 Tagen täglich 2 g und innerhalb 23 Tagen 4 g in Milch ohne nach­

w eisbare Schädigung zu sich genom m en. B i n s w a n g e r spürte erst bei E innahm e von M engen, die etw a 4 g B orsäure be­

tru g en , leichte Uebelkeit. Dem gegenüber hat K i s t e r schon nach 1 g B orsäure bei 4 von 6 P ersonen leichtere M agendarm ­ störungen und bei 2 von 3 Personen nach 3 g täglich s o g a r schw erere E rscheinungen beobachtet (Zeitschrift für H y g i e n e und Infektionskrankheiten, 37, 1901, S. 225). D as W achsthuni

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15. Juni 1902.

ju n g e r T hiere (5 W ochen alte K ätzchen und Hunde, und au sser­

dem 4 Hunde vom 90. bis 190. Lebenstage) wird entgegen den auf m angelhafter V ersuchsanordnung beruhenden Ergebnissen A n n e t t s (The L ancet 1899, 1 1. November), w elcher solche K ätzchen an B orsäure sterben sah, nicht beeinflusst (Versuche des K aiserlichen G esundheitsam ts). Auch saugende Schweine sollen einer Angabe T u n n i c l i f f e s und R o s e n h e i m s zufolge auf Gaben von 0,2 bis 2,4 g B orsäure täglich w ährend 7 W ochen w eder im W achsthum e noch im sonstigen G esundheitszustände beeinflusst w orden sein. Nach sorgfältigen V ersuchen T u n n i ­ c l i f f e s und R o s e n h e i m s nahm en Kinder von 21/2, 4 und 5 Jah re n trotz 7 tägiger Aufnahm e von täglich 0,5 bis 1 g Bor­

säure und 5 tägiger Aufnahme von täglich 1,5 g Borax an Ge­

wicht zu. Irgend eine Einw irkung auf die N ahrungsausnutzung, den Eiweissstoffwechsel w ar nicht festzustellen, auch zeigte der Harn bereits nach 3 Tagen B orsäurefreiheit des Körpers an (Journal of hygiene Bd. 1, 1901, S. 168).

Die von C h i t t e n d e n und G i e s (a. a. 0.) ausgeführten Stoffwechselversuche an Hunden sind so wenig einw andfrei, dass sie zur E ntscheidung besonderer F rag en nicht herange- zogen w erden können. Im m erhin haben s i e , wie auch die Versuche L i e b r e i c h s , ergeben, dass eine nennensw erthe Be­

einflussung des E iw eissum satzes bei Hunden nicht stattfindet.

Die V ersuche an K indern und ju n g en Thieren w eisen nach, dass in dem jugendlichen O rganism us die W achsthum senergie durch m ässige Gaben von B orpräparaten nicht gehem m t wird, ohne dass hieraus m assgebende Schlüsse auf die allgem eine B edeutung der P räp ara te für die A usnutzung der N ahrung bei e r­

w achsenen und geschw ächten Personen gezogen w erden dürfen.

W enn aber zu Gunsten des Borax au f V ersuche m it dem thatsächlich schon so lange gebrauchten K alisalpeter verw iesen wird, die in 36 T agen bei täglicher Aufnahme von 3 g einen G ew ichtsverlust von 2 0 P rozent bei einem Hunde von 27 kg erzeugten ( L i e b r e i c h ) , so ist dem gegenüber d arau f hinzu­

w eisen, dass ein Hund von 10 kg Gaben bis zu 10 g K ali­

salpeter vertrug, ohne nur die geringste Schw ankung im K örper­

gew ichte zu zeigen, und dass andere Hunde 17 und 2 0 g N atron­

salpeter ohne Schaden aufnahm en (E. R o s t , A rbeiten aus dem K aiserlichen G esundheitsam te Bd. 18, 1901, S. 78).

Es sind dem nach die in den Fachzeitschriften n iederge­

legten V ersuchsergebnisse und E rfahrungen keinesw egs derart, die U nschädlichkeit der B orsäure und deren Salze oder gar die von Einzelnen behauptete N ützlichkeit derselben für den m enschlichen O rganism us zu beweisen. Vielm ehr haben sich die B orverbindungen besonders in den am Menschen ange- stellten Stoffw echselversuchen als keinesw egs gleichgiltig e r­

wiesen, was desw egen noch besonders hervorgehoben zu werden verdient, weil einige F orscher ihr günstiges U rtheil — soweit ihre eigenen V ersuche in B etracht kommen — nur durch U nter­

suchungen am Thiere stützen.

W ährend fern er von einem Theile der Forscher bei ihren U ntersuchungen im W esentlichen nur auf etw aige akute Störungen durch den Genuss von Borverbinduugen gefahndet worden ist, sind in den V ersuchen des K aiserlichen Gesund­

heitsam ts chronische Einw irkungen dieser Stoffe au f den m ensch­

lichen K örper gefunden w orden, die wie die S teigerung der H arnm enge und das lange V erbleiben der Borverbindungen im O rganism us zum M indesten als eine Störung der L ebens­

vorgänge anzusehen sind, w ährend die Abnahme des K örper­

gew ichts direkt als eine Schädigung des K örpers angesprochen Werden m uss.

Dem nach m uss daran festgehalten w erden, dass die Bor­

säure und der Borax sowohl vom gesundheitlichen Standpunkt aus zu beanstanden sind, wie auch, dass sie geeignet sind,

über die Beschaffenheit der m it ihnen versetzten N ahrungs­

m ittel zu täuschen.

Verbote der hier in F rag e kom m enden Art sind auch vom Auslande schon erlassen worden, so h at beispielsw eise F ra n k ­ reich die Einfuhr von Fleisch, w elches m it B orsäure oder Borax versehen ist (Z irkularerlass des A ckerbaum inisters vom 30. März 1898), die Schweiz die Einfuhr von Speck- und Fleischsendungen, bei denen das V orhandensein von Bor und B orpräparaten nach­

weisbar ist, verboten (Verfügung des schw eizerischen Land- w irthschaftsdepartem ents vom 5. D ezem ber 1898, Veröffentl.

des Kaiser!. G esundheitsam ts 1899, S. 328). ' In Belgien ist es verboten, dem gehackten Fleische oder Z ubereitungen von F leisch (derives de viande), Fleischgelatine, Brühe, E xtrakten, P eptonen u. s. w. irgend eine antiseptische Substanz beizufügen (Königliche V erordnung vom 28. Mai 1901, Veröffentl. des K aiserl.

G esundheitsam ts 1901, S. 837).

Dass das Ausland aber in der Lage ist, F leischsendungen in genussfähigem Zustand in andere L änder einzuführen, ohne dass Borverbindungen zur H altbarm achung in V erw endung kom m en, zeigt die T h atsach e, dass in der Schweiz borfreies F leisch aus Am erika und nach einer M ittheilung des D irektors des hygienischen Instituts H o f i n a n n in Leipzig auf dem dortigen Schlachthof am erikanische Schinken, die frei von Borverbin- dungen sind, in unverdorbenem Zustand eiugeliefert werden.

2. F o r m a l d e h y d .

D er Form aldehyd ist für niedere Lebew esen ein heftiges Gift, ein w irksam es D esinfektionsm ittel und geeignet, üblen Geruch zu beseitigen. Zum Zwecke der K onservirung von N ahrungsm itteln wird er in Form der Dämpfe und der w ässe­

rigen Lösung benutzt. Fleisch w ird in eigens dazu h erg erich ­ teten Schränken den Däm pfen des Form aldehyds ausgesetzt, in England wird in steigendem Masse die Milch durch dieses Mittel süss zu erhalten gesucht. D er Form aldehyd hat hier die Salicylsäure so gut wie vollständig, die Borsäure und deren Salze erheblich verdrängt. Iu Amerika wird Milch m it den F orm aldehydpräparaten Freezine, Milk-sweet, Callerine u. s. w.

versetzt (Annett, The L ancet 1899, 11. November). Nach Duff M anufacture of sausages, New York, S. 56) w erden zur W urst­

bereitung Mittel, die Form aldehyd enthalten, verw endet.

Der Form aldehyd geht mit Eiw eisskörpern V erbindungen ein, die theilw eise untersucht sind (L. S c h w a r z , Zeitschrift für physiolog. Chemie, Bd. 31, 1901 S. 460), verliert dadurch aber nicht völlig seine W irksam keit: es gelingt noch nach W ochen, ihn hieraus w ieder abzuscheiden. Nach den U n ter­

suchungen von W e i g l e und M e r k e l w erden die Eiweiss­

körper der Milch durch die Einw irkung von Form aldehyd w esentlich verändert. So zeigt das K asein einer mit F orm al­

dehyd h altbar gem achten Milch v erän d erte Löslichkeit und giebt bei Fällung einen grossflockigen, dicken Niederschlag.

Diese E igenschaften w ürden so konservirte Milch von der Ver­

w endung für die K inderernährung ausschliessen (Forschungs­

berichte über L ebensm ittel, 1895, S. 91 j.

W egen seiner stark ätzenden Eigenschaft besonders au f Schleim häute, m it deren Gew ebsbestandtheilen er sich v e r­

bindet, ist der Form aldehyd als K onservirungsm ittel vom Standpunkte der Gesundheitspflege aus bedenklich. Die von A nderen beobachteten örtlichen Reizerscheinuugen des F orm al­

dehyds im Magen sind auch im K aiserlichen G esuudheitsam te gesehen worden. Ein Hund von 10 kg Gewicht erbrach reg el­

m ässig sein F u tter (350 g Fleisch), sobald dem selben 0,4 g Form aldehyd zugem ischt waren, nach einigen Stunden, w ährend er au f die Menge von 0,6 g im F u tter sofort m it E rbrechen antw ortete.

A e r z t l i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - L e i t u n g . 243

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244 A e r z t l i c h e S a c h v e r s t ä n d i g e n - Z e i t u n g . A llerdings wird behauptet, dass schon Mengen von Vso

eines G ram m es in 1 L iter Milch zur E rhaltung des süssen G eschm acks bis zu 48 Stunden genügen sollen. Jedoch ist an d ererseits erw iesen, dass pathogene B akterien erst bei Zu­

sätzen von m indestens 1 P rozent Form aldehyd abgetödtet w er­

den, d. h. durch Dosen, w elche in dieser Höhe schon aus Rücksicht auf Geschm ack, Geruch und sonstige E igenschaften der Milch als Genussm ittel, aber auch aus Rücksicht auf die G esundheit des G eniessenden nicht zulässig erscheinen.

D agegen ist von T u n n i c l i f f e und R o s e n h e i m nach­

gew iesen worden, dass 3 Kinder von 2i/ 2 bis 5 Ja h ren bei einem Zusatze von Form aldehyd zu der Milch (im V erhältniss 1 au f 5000 oder 1 a u f 9000 in der G esam m tnahrung) eine eben beginnende verm inderte Aufsaugung des Phosphors und des F ettes im D arm e zeigten und dass in dem einen Falle, wo es sich um ein schw ächliches Kind handelte, der Einfluss auf die Eiweiss-, Phosphor- und F ettaufsaugung deutlich m ess­

bar v errin g ert w ar (Journal of hygiene Bd. 1, 1901, S. 321).

Eine besondere B edeutung erlangen diese V ersuche noch da­

durch, dass sie zeigen, wie ein schw ächliches Kind in der Ge­

nesung nach einer Lungenentzündung auf den der N ahrung zugesetzten Form aldehyd in erhöhtem Masse reagirte. Es fand nicht nur eine geringe Ausnutzung der g en an n te n N ahrungs­

stoffe im D arm e statt, sondern es tra t auch — im Gegensätze zu den beiden anderen Kindern, w elche w eniger H arn au s­

schieden — eine H arnverm ehrung bei diesem ein.

Auf den Ablauf der V erdauungsvorgänge w irkt der F orm al­

dehyd verzögernd ein ( C h i t t e n d e n , Dietetic and hygienic Ga­

zette 1893, F eb ru ar, R i d e a l und F o u l e r t o n , a. a. O., Ma y - b e r y und G o l d s m i t h , Journ. of the Amer. Chem. Soc. 1897, S. 889). Nach U ntersuchungen von L. S c h w a r z (a. a. 0.) ist reines F orm aldehydserum album in vom v erdauenden F e r­

m ente der Bauchspeicheldrüse, dem stärkstw irkenden des Körpers, überhaupt nicht angreifbar.

G egen das Vorkom m en des Form aldehyds in alkoholischen G etränken spricht sich K o b e r t zur V erhütung von G esund­

heitsschädigungen entschieden aus ( K o b e r t , Intoxikationen 1893, S. 486). Vor dem innerlich verabreichten Form aldehyd in Form von Holzinol u. s. w. ist von m edizinischer Seite mit R echt gew arnt worden. A usserdem liegen aus den Jah ren 1899 und 1900 die vier ersten V ergiftungsfälle durch v e r­

sehentliches T rinken von Lösungen von Form aldehyd vor;

eine der P erso n en erlag nach 29 Stunden der V ergiftung unter H erzschw äche ( A n d r e , Journal de pharm , et de chimie X.

1899, S. 10; Medical P ress 1899, S. 309, zitirt nach T u n n i - c l i f f e ; K l i i b e r , M ünchener medizin. W ochenschrift 1900, No. 41; Z o r n , ebenda No. 46).

Schliesslich kom m t hier dazu, dass der Form aldehyd g e­

eignet ist, durch E inw irkung a u f riechende Stoffe und Fäul- nissstoffe eine gesundheitsschädliche Beschaffenheit der W aare zu verdecken.

3. A l k a l i - u n d E r d a l k a l i - H y d r o x y d e u n d - K a r b o n a t e . Durch die in einzelnen Fällen beobachtete Verwendung von Alkali- und Erdalkali - Hydroxyden und -K arbonaten zur N eutralisirung von Säuren in ranzig gew ordenen F etten wird eine m inderw erthige B eschaffenheit der W aare verdeckt.

4. S c h w e f l i g e S ä u r e u n d d e r e n S a l z e s o w i e u n t e r ­ s c h w e f l i g s a u r e S a l z e .

a) Schweflige Säure und deren Salze.

Die schweflige Säure und deren Salze finden für die H altbarm achung von F leischpräparaten “neben B orsäure und

d eren Salzen am m eisten Verwendung. Der ursprüngliche Ge­

brauch der R äucherung ganzer Fleischstücke m it gasförm iger schw efliger Säure ( B r a c o n n o t , n a c h B r e v a n s , les conserves alim entaires 1896, S. 160) dürfte aufgegeben sei n; in franzö­

sischen W erken w ird auch das E intauchen von Fleisch in eine Lösung von schw efliger Säure und deren Salzen als gebräuch­

lich erw ähnt ( B r e v a n s a. a. 0.) N o c a r d berichtet über H altbarm achung von Fleisch m ittelst der schw efligsaure Salze enthaltenden F lüssigkeit „O den“ (Annales d’hygiene publique Bd. 32, 1894, S. 173). Die haltbar zu m achende W aare wird m it den Salzen in Pulverform oder in Lösung verm ischt, bis­

weilen, w enn es sich um Fleischstücke handelt, m it dem Salze b estreut oder eingerieben oder m it verdünnter Lösung abge­

w aschen. Auch zur H altbarm achung von Blut w erden die schw efligsaureu Salze empfohlen. Nach den G ebrauchsan­

w eisungen w erden sie in der Form des trockenen Salzes oder einer Lösung für Hack- und Schabefleisch, für W urst, Wild- pret, Geflügel und Fische angew endet. Ausserdem w erden eingem achte G emüse (Spargel) und Früchte, getrocknete F rüchte und Suppenkräuter m it schw efliger Säure oder deren Salzen versetzt. Auch in Wein findet sich in Folge des S c h w e f e ln s der F ä sser freie wie auch w ahrscheinlich an Aldehyd ge­

bundene schw eflige Säure.

Das neutrale und das sau re Natrium - oder Calciumsalz der schw efligen Säure bildet den w irksam en B estandtheil der m eisten als Geheim m ittel u n ter den verschiedensten Namen (P räservesalz, Meat preserve, T reuenit, Freeze-Em , Deutsches Fleischw asser, K onserve-E ssenz u. s. w.) im H andel befind­

lichen P räp arate. In einigen derselben findet sich n e b e n b e i B orsäure beziehungsw eise B orax (China-Erhaltungspulver, Mi­

nerva, K onservesalz ohne nähere Bezeichnung).

D er Gehalt an schw efligsaurem Salze im konservirten H ackfleische schw ankt von kleinsten Mengen bis zu 1 und 1,36 Prozent (m it einem Gehalte von 0,25 und 0,34 s c h w e f l i g e r S äure); aber auch grössere Zusätze, 3,2 bis 4 Prozent schw eflig­

saures Salz sind gefunden worden. K ä m m e r e r berichtet sogar über eine Hackfleischprobe, die dick m it P räservesalz bestreut war. Nach der den Präservesalzum hüllungen aufgedruckten G ebrauchsanw eisung w erden 2 g Salz a u f 1 kg Fleisch, das ist 0,05 P rozent schw eflige Säure, empfohlen. S p a r g e l k o n s e r v e n enthielten in einem Stücke 0,03 g, in der Brühe 0,16 Prozent schw eflige S äure; in einem anderen F alle enthielt die Brühe ebenfalls 0,16 Prozent, ein Spargel 0,019 g schw eflige Säure.

D urch das vorschriftsm ässige Abbrühen der Spargeln wurde der Gehalt an schw efliger Säure nicht geändert.

Die B edeutung der schw efligen Säure und deren Salze für die Fleischkonservirung liegt w eniger in der a n t i s e p t i s c h e n Kraft, die gering ist, als in der Fähigkeit, den Muskelfarbstoft zu erhalten ( R u b n e r , Münch, mediz. W ochenschr., 1898, No. 18) und grau gew ordenem Fleische die rothe F arbe zurückzugeben.

Es geht also, w ährend das Fleisch seine rothe F arbe b e i b e h ä l t ,

die Zersetzung beständig w eiter, so dass der Abnehmer, w elcher in der rothen F arbe des Hackfleisches ein untrügliches Z e i c h e n für die F rische der W aare zu sehen gew ohnt ist, dieses E r­

kennungsm erkm al v erliert; das von ihm als frisch gekaufte rotli aussehende Fleisch kann ein solches sein, das ohne Zusatz von schw efligsaurem Salz w egen seiner grauen F ärbung oder seines Geruchs nicht m ehr angenom m en würde. So w aren in Danzig von 113 als frisch eingekauften konservirten H ack­

fleischproben 6 verdorben und 2 1 eben noch brauchbar ( B o r n t r ä g e r , Die B e u r te ilu n g des Zusatzes schw efligsaurer Salze zum Fleische, 1900, S. 20). Auch durch Versuche ist erw iesen, dass grau aussehendes Fleisch m it Hilfe von P rä ­ servesalz w ieder roth gem acht w erden kann (D enkschrift des

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