Technik und Wirtschaft
ten deuts cher A r b e it: D a m p fh a m m e rs c h m ie d e d e r T h e o d o r W u p p e rm a nn G e s e lls c h a ft m it b e s c h rä n k te r Haftung, L e v e rk u s e n -S c h le b u s c h
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D I R E K T I O N B E R L I N W 5 6 B E H R E N S T R A S S E 3 5 - 3 9
N I E D E R L A S S U N G E N I N R U N D 17 0 S T Ä D T E N D E S IN- U N D A U S L A N D E S
A K T I E N K A P I T A L U N D R E S E R V E N 2 5 0 0 0 0 0 0 0 R M K O R R E S P O N D E N T E N A N A L L E N H A U P T P L Ä T Z E N D E R W E L T
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H e r a u s g e g e b e n v o n d e r F a c h g r u p p e „ V e r t r i e b s - I n g e n i e u r e “ b e i m V e r e i n d e u t s c h e r I n g e n i e u r e
H e f t 1 S t a t i s t i s c h e r Q u e l l e n n a c h w e i s f ü r d i e D u r c h f ü h r u n g v o n M a r k t a n a l y s e n . Bearbeitet von Dr. A. R e i t h i n g e r . DIN A 5, IU/45 Seiten. 1929. Broschiert RM 3,15 (VDI-Mitgl. 2,80).
H e f t 2 G r u n d z a h l e n z u r a l l g e m e i n e n S t r u k t u r d e s d e u t s c h e n I n l a n d m a r k t e s . Bearbeitet von Dr. A. R e i t h i n g e r . DIN A 5, 1V/27 Seiten mit 2 Abb. 1929. Broschiert RM 3,15 (VDI-Mitgl. 2,8»).
H e f t 3 S t u d i e n z u r M a r k t a n a l y s e . Von Dr. rer. pol Dr. phil. H. J.
S c h n e i d e r . DIN A 5 , 1V/52 Seiten mit 20 Abb. und 6 stat. Tafeln.
1929. Broschiert RM 5,40 (VDI-Mitgl. 4,85).
H e f t 4 D i e S ä g e w e r k s i n d u s t r i e . Grundzahlen zur Marktuntersuchung. ; Bearbeitet von der Fachgruppe „Vertriebsingenieure“ beim VDI- DIN A 5, I V/20 Seiten mit 1 Abbildung. 1929. Broschiert RM 2.70 , (VDI-Mitgl. 2,40).
H e f t 5 D i e L e d e r i n d u s t r i e . Grundzahlen zur Marktuntersuchung. Be- ; arbeitet von der Fachgruppe „Vertriebsingenieure“ beim VDI. I DIN A 5, 1V/29 Seiten mit 1 Abb. und 25 stat. Tafeln. 1929. | Broschiert RM 3,60 (VDI-Mitgl. 3,25).
H e f t 6 V e r t r i e b s g e m e i n s c h a f t e n in d e r W e r k z e u g m a s c h i n e n i n d u s t r i e . Von Dr.-Ing. E.h. Jos. R e i n d l . DIN A 5, IV/54 Seiten.
1930. Broschiert RM 3,60 (VDI-Mitgl. 3,25).
H e f t 7 8 G r u n d z a h l e n U b e r d i e U m s a t z e n t w i c k l u n g a u f d e m d e u t s c h e n I n l a n d s m a r k t . Von U. H. B y ch e l b e r g . DIN A 5, VI/76 Seiten mit 4 Abbildungen und 16 Zahlentafeln. 1932. Broschiert RM 7,80 (VDI-Mitgl. 7,—).
H e f t 9 S c h r i f t t u m ü b e r i n d u s t r i e l l e n V e r t r i e b . Von Dr. H. B e r l i t z e r . DIN A 5. VI/40 Seiten. 1932. Broschiert RM 4,80 (VDI- Mitgl. 4,30).
D u r c h j e d e B u c h h a n d l u n g l i e f e r b a r
D.R.P. 501591
„R o h rk rü m m e r fü r p n e u m atische F ö rd e ra n la g e n “
s o ll v e r w e r t e t w e r d e n .
A u s k u n f t P a te n t a n w a lt D ip l. - In g . B . K u g e l m a n n , B e r l i n S W 1 1 ,
S t r e s e m a n n s t r a ß e 3 8 .
TEFO
N E U E S W IS S E N D U R C H
S o n d e r h e ft 1/04. P reis R M 2.—
a u f Postsch. L e ip z ig 85774 d e r TE FO -D e ssau (h a n d e ls - g e r . e in g e tr.) z e ig t Ihnen, wie Sie sich als technischer Fachschriftsteller ¡ed. M o
nat einen hübschen M ehr
verdienst schaffen können.
Im A u slan dg eschäft
V D I - V E R L A G B E R L I N N W 7
g e b e n z w e ife lfr e ie F o rm u lie ru n g , V o lls tä n d ig k e it u. sprach
lich e K la rh e it e ines A n g e b o te s e rfa h ru n g s g e m ä ß oftm als den A u sschlag bei d e r V e rg e b u n g von A u fträ g e n . Um im te c h n is c h e n A u ß e n h an d e l d ie s e B ed ing ung en e r
füllen zu k ö nn en , sind d ie v e rs c h ie d e n a rtig s te n S a c h k e n n t
nisse m e is t in einem s o lc h e n U m fa n g e n ö tig , w ie s ie auch bei dem tü c h tig s te n A u s la n d in g e n ie u r, bei d e r g e w ie g te s te n A n g e b o ta b te ilu n g n ich t v o rh a n d e n sind. D as „H ilfs b u ch fü r d e n te c h n is c h e n A u ß e n h a n d e l“ von D r.-In g . E. K u r t L u b o w s k y b ie te t in s o lc h e n F ä lle n m it s ein e n 4 5 6 F ra g e bo g e n , 1 5 5 S e ite n E x p o rt-T a b e lle n und dem 4 8 S e ite n um
fa s s e n d e n R e g is te r, a lle s in v ie r S p ra c h e n (D e u ts c h , Eng
lisch, F ra n zö s is c h und S p a n is c h ), zu v e rlä s s ig e H ilfe und A u s ku n ft. A uch u n w ichtig e rs c h e in e n d e N e b e n u m s tä n d e sind h ier fü r d a s G e b ie t d e s a llg e m e in e n M a s c h in e n b a u e s und d e r E le k tro te c h n ik z u s a m m e n g e fa ß t. D ie E in sich t
nahm e in d a s „ H ilfs b u c h “ w ird je d e n im E x p o rt T ä tig e n ü b e rze u g e n und zur A n s ch affu n g v e ra n la s s e n ; es k o s te t in Leinen g e b u n d e n 3 7 ,8 0 RM und is t in K om m ission beim V D I- V e r l a g e rs c h ie n e n . J e d e B uc h h a n d lu n g fü h rt B e stellu n g e n aus.
Technik und Wirtschaft
H e r a u s g e b e r: Dr.-Ing. O tto B r e d t und Dr. G e o rg F re ita g / VDI-V erlag GmbH, B e rlin NW 7
26. Jahrgang
März 1933
Heft 3
I Mensch und Wirtschaft
Von Professor Dr. BER TH O LD JOSEPHY, J e n a W ir stehen im Z eitalter der W irtschaft. Das private Lehen jedes einzelnen, das öffentliche Dasein von V olk und S ta a t werden von der Allgewalt w irt
schaftlicher M ächte beherrscht. Die W irtsch a fts
krise ist zugleich eine Staats- und K ulturkrise.
W ir M enschen des 20. Jahrhunderts haben unsere W irtsc h a ft bis ins letzte ausgeklügelt, aber unsere Anschauungen von W elt und Leben sind so ungereift wie die der K inder. W ir kennen aufs genaueste die Rolle, die der Mensch fü r die W irtsch a ft spielt, als A rb eitsk ra ft, a h Verbraucher usw. Über die Rolle, die die W irtsc h a ft fü r die eigentlichen Zwecke des Menschenlebens spielt, pflegen wir nicht gründlich nachzudenken; und doch ist sie die ungleich wichtigere.
Im folgenden A u fsa tz wollen wir die Grundgedanken sammeln, die es ermöglichen, die Frage „Mensch und W irtsc h a ft“ vom Menschen her zu beantworten. Die Erkenntnisse, die w ir dabei gewinnen, werden uns lehren, daß das Thema „Mensch und W irtschaft“
nicht allein eine theoretische Frage, sondern zugleich eine große praktische A ufgabe in sich birgt.
1. Was b ed eu tet „ Z e ita lte r d er W irtschaft“ ? Das Zeitalter der W irtsch a ft begann geschichtlich m it dem Durchbruch des Liberalism us in S taats- und Gesellschafts
ordnung, also etwa ums J a h r 1800. U nter dem E indruck der französischen Revolution w urden die ererbten B indun
gen aufgelöst; die E rbuntertänigkeit des Bauern wurde durch die Freizügigkeit, die Z unftordnung des Handwerks durch die Gewerbefreiheit ersetzt. E in jeder du rfte als freier M ann tu n und lassen, was ihm frommte, w ofern er nur die allgemeinen Staatsgesetze achtete.
Das praktische Ergebnis dieser Rechtsordnung ist eine G esellsehaftsverfassung, die bis zum heutigen lä g e fo rt
besteht und als „freie W irtsch a ft“ bezeichnet wird. In die
ser Bezeichnung v e rrä t sich das W iderspruchsvolle des Zu
standes: der Mensch ist frei, sofern Gesetze und mensch
liche O rdnungen F re ih eit gewähren können, frei von än
dern Menschen und Behörden; aber gleichwohl muß er das Joch d er W irtsch a ft tragen, denn von H unger und D urst und den sonstigen N öten des Leibes kann ihn kein Gesetz
geber befreien. D er freie B ürger als Sklave seiner leib
lichen N o td u rft ist der Typus, den der moderne Mensch gegenüber der W irtsch a ft verkörpert.
Die „freie W irtsc h a ft“ gründet sich au f eine Freiwilligkeit der Entschlüsse und H andlungen, die im Grunde doch keine Freiw illigkeit ist. Niemand wird auf seinen Posten gezwungen, aber wer sich nicht aus eigenem Antriebe hin
stellt, h a t n u r das Recht zu verhungern. Man spricht von einer Eigengesetzlichkeit der W irtschaft und versteht d arunter das W irken der scheinbar m der W irtschaft em- gewurzelten K rä fte , au f die der einzelne Mensch kein Einfluß hat, denen er gehorchen muß. Den Eigengesetzen der W irtsch a ft m uß sich nicht allem der arbeitende
Mensch, sondern auch der Besitzer von sachlichen P ro duktionsm itteln und Geldkapitalien unterwerfen. Die
„freie W irtsch aft“ ist die W elt der freiwilligen Notwen
digkeiten.
Unsere F reiheit ist also im Ergebnis n u r eine Freiheit zur Frohnde. Aber ein Unterschied gegenüber der alten U n
freiheit besteht dennoch: wir sind nicht mehr an bestimmte Personen gebunden, sondern an die anonyme W irtschaft.
W ir gehören nicht mehr zu einem Stande, der unserm Da
sein feste Form en gibt; frü h er w ar man Bauer oder Ge
selle oder Rittersm ann und m ußte dementsprechend den A cker pflügen, ein Gewerbe treiben oder Grundgefälle er
heben. H eute sind wir von H ause aus alle dasselbe, ord
nen uns in unsere w irtschaftlichen Berufe ein und sind hinterher in unserm Gesamtleben das, was der B eruf aus uns macht. Die Rechtsfreiheit h at also die alten Lebens
formen weggeräumt, damit aber nicht, wie der Idealismus d er Freiheitsapostel wähnte, einem freien Leben zur F o r
mung verholfen, sondern leider nur ein Vakuum geschaf
fen, das von den Mächten der neuen Zeit in Besitz genom
men werden konnte. Diese Mächte waren die der W irt
schaft.
W ir sprechen von einem Zeitalter der W irtschaft, nicht weil wir heute geschickter oder vernünftiger oder erfolg
reicher w irtschaften können als unsere V orfahren, son
dern weil die W irtschaft unser vornehmlichster Lebens
und K ulturinhalt geworden ist. U nser modernes W irt
schaftsleben ist ein stolzes W ahrzeichen von technischem Können, von O rganisationstalent und zähem Arbeitsfleiß.
Es ist in seiner mam m uthaften Ausdehnung über alle menschlichen Lebenssphären zugleich ein trauriges W ahr
zeichen der Leere, die im K ulturleben der Völker P latz gegriffen hat.
2. Was sucht der Mensch
m it der W irtschaft zu erreich en ?
Der Mensch ist also der W irtschaft gegenüber letzten Endes doch unfrei. Aber diese U nfreiheit ist keine zufällige, historisch gewordene, sondern sie liegt gleichsam in der N atur des Menschen begründet. H unger und D urst und alles, was sich an sie anschließt, sind natürliche Vorgänge, unid alles, was der Mensch tut, um seinen Bedürfnissen gerecht zu werden, kann als naturgem äß angesprochen werden. Der vernünftig handelnde Mensch wird bereit sein auszuführen, was seine N atur ihm vorschreibt. Die U nterordnung unter die W irtschaft kann demnach als eine F orderung der V ernunft ausgelegt werden.
Diese Gedankenkette h at bei der B egründung der modernen W irtschaft eine wesentliche Rolle gespielt. Es ist vernunft
gemäß nicht einzusehen, warum ich einem bestimmten G rundherrn frohnden, einer bestimmten Zunftkorporation verpflichtet sein soll, warum bloß aus Gründen der Geburt der eine Edelmann, der andere Bauer sein soll. Es ist da
gegen vernünftig, daß der Mensch sich gegen H unger,
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Kälte usw. schützt, weil es sieh hier nic-hr tun willkürliche, sondern um schlechthin menschliche Bedürfnisse handelt.
So löste die Vernunft als Lenkerin der menschlichen Hand
langen die ererbte Standesordnung ab, und die Generation der Befreiungszeit brüstete sieh stolz über den Sieg der Vernunft, den sie erkämpft zu haben glaubte.
M an bezeichnet die vernunftgemäße Ausgestaltung dei W irtschaftsführung, unter Forträumung aller unprak
tischen Ü berlieferungen, als „wirtschaftlichen R ationalis
mus“ . Dieses Wort- hat einen ändern Sinn als der ent
sprechende A usdruck in der Philosophie- Die W irtschaft empfindet den Rationalism us als E in fü h ru n g durchdachter, wissenschaftlicher M ethoden in der A usnutzung aller M ittel: der Mensch re iß t sich, insofern er Berufsmensch ist, von seinen liehen Gepflogenheiten los und arbeitet so.
wie es am praktischsten ist: er vertauscht die Nacht mit dem Tage, dam it das F euer u n te r den K esseln nicht ge
löscht zu werden braucht; e r lä ß t sich in M ietskasernen zusamm enpferchen, um die Industriezentren zu bevölkern:
er beugt sieh der F ließarbeit, um ein H öchstm aß von E r tra g aus der A rbeitsstunde herauszuschlagen: er verzichtet a u f seine Selbständigkeit als F ab rik an t, a u f daß eine fusio
nierte G roßuntem ehm ung dem investierten K a p ita l die V orteile organisierter P roduktion und monopolistischer M artktbeherrschung im H öchstm aße darbieten kann. So und ähnlich h at der Sieg der V ern u n ft in den letzten -Jah
ren und Jahrzehnten ausgesehen.
O pfer müssen einen Zweck haben. Welchem Zweck diente und dient die bew ußte P reisgabe von Millionen Persönlieh- keitsw erten zugunsten der Rationalisierung der W irt
schaft? Die rationalistische W irtsch aftau ffässu n g sieht den Zweck aller W irtsch aft in der Befriedigung der indivi
duellen Bedürfnisse der Menschen, also des N ahrungs-, K leidungs- u n d W ohnungsbedarfs, des B edarfs an l nter- lialfungs- u nd Zerstreuungsm itteln, an Gegenständen der Gesundheits- und K örperpflege einschließlich aller höheren K ulturbedürfnisse. D er i n d i v i d u e l l e K o n s u m b e d a r f ist die G röße, um derentwillen die ganze ratio nalisierte W irtschaft ü b erhaupt da ist. M an m uß sich diesen Zusam m enhang recht k la r m achen: in der Zeit der U nfreiheit hatte der Mensch eine Berufspflicht, die ihm an
geboren w ar, als Bauer, als H andw erker, als D ienstm ann usw.; heute h at er keine B einfspflicht mehr, denn er ist ,frei“ ; da stellt er sich, vermeintlich freiw illig, in den Dienst seiner leiblichen B edürfnisse und glaubt, dies sei vernunftgem äß und natürlich.
A uf den ersten Blick scheint das U nterfangen der w irt
schaftlichen R ationalisierung ganz harmlos zu sein: denn die leiblichen B edürfnisse sind unleugbar vorhanden und müssen, da asketische Ideale heutzutage im allgemeinen nicht gepflegt werden, befriedigt werden. F ü r das K u ltu r
problem ist jedoch ein C harakterzug der w irtschaftlichen Entw icklung entscheidend geworden, der heute die Lage beherrscht und. nebenbei bem erkt, nicht wenig zu der gro
ßen W irtschaftskrise beigetragen hat. U nter dem Einfluß der steigenden E rtra g sk ra ft der W irtschaft unterliegen die menschlichen Bedürfnisse nämlich einem höchst eigenarti
gen W achstumsgesetz, das die scharfsichtigen Theoretiker, deren Lehren vor 100 und 150 Ja h re n der neuen W irt
schaftsära zum D urchbruch verhalten, keineswegs voraus
gesehen haben. D aß w ir von Jahrzehnt zu Jahrzehnt höhere A nsprüche a n unsere m aterielle V ersorgung stellen, ist in diesem Zusam m enhang belanglos; der A usbau der P roduktionsuntem ehm ungen w äre nicht denkbar, wenn die P rodukte keine willigen Abnehmer fänden. Bei steigendem
Einkom m en und verbesserter ’S ersorgung ' u ' 1 ,*
au einem g a r nicht fem liegenden P u n k t eint m e in : der Einkommensbezieher stellt seine äugen > c ' c- W ünsche a u f persönliche Behaglichkeit u>w. zurue - un versucht, sieh und seiner Fam ilie ein i-tiit eiien z u tiger Sicherheit zu kaufen; er s p a rt u nd legt 'Cme t .p a i nisse an. M an w ird dies in A nbetracht dei nsxc- e r ei und Bedrohtheit des menschlichen Schicksals durchaus ver
stehen: und doch kam t dieser V organg, w enn er Massen
erscheinung w ird und vom B ürgertum ausgehend die ganze behobene A rbeiterschaft e rfa ß t, in seiner Bedeutung kaum überschätzt werden. E s soll hier nicht von den eigentlich w irtschaftlichen W irkungen die Rede sein, von dem Zwang zur spekulativen Investierung und der E rschw erung des K o n su m w a ren a b sa tzes, die von der S p artätig k eit ausgehen.
I n dem vorliegenden Zusam m enhang kommt es a u f eme andere Gleichgewichtsstörung an. die die uherhandneh- mende D isposition a u f die Z uk u n ft im Gefolge hat.
Die V erw endung laufender Einkom m en fiir zukünftige Be
darfsfälle bedeutet eine U n s i c h t b a r m a c h u n g d e r w i r t s c h a f t l i c h e n Z w e c k e . Die schaffende Ar
beit. die als M ittel zum Zweck em pfunden w ird, vollzieht sich sichtbar in der G egenw art; ein wachsender Teil der Zwecke w ird in die Z u k u n ft p ro jiz ie rt und t r itt daher gegenw ärtig nicht sichtbar in E rscheinung. D am it hat das M ittel rein m engenm äßig die Ü berhand über den Zweck gewonnen; die gegenständliche W elt ist eine W elt der M ittel, der das Gleichgewicht der Zwecke fehlt. Dem ein
zelnen kommt dies nicht zum B ew ußtsein: wenn er hundert M ark a u f sein S parkassenbuch einzahlt oder in einer Reichsanleihe anlegt, d ann sieht er d arin einen hinreichen
den Zweck, der die Arbeitsm ühe, m it d er die hundert Mark verdient w u rd m . genügend begründet. D er S p arer merkt nicht, daß die Z u la g e der hundert M ark ja n u r ein fiktiver Zweck ist. der eine irkliche B edeutung erst dann bekommt, wenn mit dem g esparten Gelde etwas B rauchbares gekauit werden w ird: das soll aber nicht je tzt, sondern erst in der Z ukunft der F a ll sein. U nser, kulturelle S ituation wird zum guten Teil dadurch bezeichnet, d aß fiktive Zwecke tür wirkliche Zwecke angesehen werden. D as Geld ist der präg n an teste A usdruck dieser B egriffsverschiebung: es ist selbst und an sich g a r nichts, sondern w ird erst etwas, wenn es ausgegeben und zum E t fe nützlicher Dinge ver
w andt w ird: es ist trotzdem der z,weck schlechthin, au f den sich unsere gesamte W irtsch a ft ausrichtet, der Orientie
rungspunkt, der den W eg jedes w irtschaftlichen Erfolge^
anzeigt. D as w as allein M ittel sein sollte, ist zum alleini
gen Zweck geworden. N icht m ehr die w irkliche Befriedi
gung vorhandener B edürfnisse, sondern die A ufstapelung u ngenutzter V erfügungsm acht f ü r beliebige zukünftige Zwecke ist die vornehmste A ufgabe des wirtschaftlichen Schaffens geworden.
Die Zwischenschaltung des fiktiven Zweckes ist mit einer A usschaltung w irklicher Zwecke gleichbedeutend. Die G eldw irtschaft ist eine zweckleere O iganisation der reinen M ittel; sie ist nach dem Gelde ausgeric-htet. das der Stell
v ertreter der abwesenden w irklichen Zwecke ist. Da wir aber nicht n u r W irtsehaftspersonen. sondern auch Men
schen sind, eigeben sich hieraus w eittragende Komplika
tionen.
3. W elches sind die Irrtü m e r
der herrschenden W irts c h a fts a u ffa s s u n g ? Die O rganisation der heutigen W irtsc h a ft is t technisch außerordentlich vollkommen: aber in der A u ffassu n g von
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er Kollo der W irtsch aft im Rahmen des menschlichen K ult in h'bons w alten zwei große Irrtü m e r ob. W ir haben uns, vielleicht noch u nter dem Einfluß der Lehren der A ufklä
rungszeit, gewöhnt, den Menschen verkehrt einzuschätzen;
w ir bedienen uns einer falschen Psychologie und begehen deswegen unvermeidliche Fehler.
E lsten s glauben wir, daß wirklich die Befriedigung der physiologischen B edürfnisse im weitesten Sinne das zen
trale Ziel des menschlichen Strebens sei. Diese A uffassung geht au f den N aturalism us zurück, der in dem Menschen das verdauende und zeugende Animal sah. A ber sehen wir nicht, daß S tudenten sich durch eine zehnjährige Ausbil
dungszeit hindurchhungern, w ährend sie in einem p ra k ti
schen B erufe längst zum Broterw erb gelangt sein könn
te n ”? Sehen wir nicht, daß ganze. Volksstämme im Ge
fühl irratio n aler V erbundenheit mit dem E rtra g e einer kärglichen Scholle fürlieb nehmen und den Lockungen einer mit dem O pfer der Ü berlieferung v erknüpften Umsiedlung entsagen? A ber w ir wollen nicht mit extremen Fällen argumentieren. Die moderne psychologische Forschung hat nachgewiesen, daß der Mensch in W irklichkeit nicht das will, was er zu wollen glaubt; daß er mit der Prokla- mierung seiner vermeintlichen Zwecke seine eigentlichen Absichten totzuschreien versucht; daß er sich ein äußeres Wesen gibt, das mit den Notwendigkeiten seiner inneren S tru k tu r nicht übereinstim mt. W ir dürfen es deswegen nicht übertrieben ernst nehmen, wenn die w irtschaftende Gesellschaft die m aterielle B edürfnisbefriedigung als M ittelpunkt ihres Denkens und W ollens hinstellt. Der Mensch täuscht sich selbst und andere, wenn er so tut, als könne ein satter M agen und eine feuchte K ehle ihn ernst
lich befriedigen; der kritische B etrachter d a rf sich dadurch nicht täuschen lassen.
D er Mensch will etwas sein und etwas • ölten. E r kann es au f direktem Wege erreichen; der Idealist hungert, aber er ist etwas; der Beamte begnügt sich mit bescheidenem Gehalte, aber er gilt etwas. D er indirekte Weg fü h rt über die W irtschaft; wer etwas hat, braucht nichts zu sein und gilt gleichwohl. D ann ‘ g ibt sich der W irtschaftsm ensch wohl den Anschein, als' wolle er g ar nichts sein und gelten, sondern n u r haben; über das dürfen w ir ihm nicht glau
ben, denn es w iderspricht der wahren menschlichen Seelen
verfassung. Die falschen Psychologen haben sich durch eine vorgetäuschte H altu n g irreführen lassen. W ir w un
dem uns nicht, wenn die w ahren Absichten immer wieder spontan aus dem H intergründe hervorbrechen, und wenn unsere W irtschaftsm enschen sieh in solchen Augenblicken als höchst irrationale Denker erweisen.
Zweitens aber glauben wir, daß der Mensch die Mühen der w irtschaftlichen A rbeit n u r deswegen au f sich nimmt, weil er verurteilt ist, sein B rot im Schweiße seines Angesichts zu essen. A ber auch dies ist ein gro ß er Irrtum . Es ist zwar richtig, daß die A nstrengung der Sehwerarbeit ge
scheut wird, daß ein gewisser H ang zum I aulenzen im Menschen steckt. A ber viel m arkanter ist der in jedem gesunden Menschen wohnende Trieb zur Tätigkeit, nicht allein zum Spiel, sondern vor a lle n zur geordneten W irk
samkeit, zum planm äßigen Schaffen, zum Erfolg. Es ist deswegen ein unverzeihlicher Fehler, daß die W irtschafts- theoretiker ihre Systeme au f den Gedanken der natürlichen Arbeitsscheu aufgebaut haben; ein kulturhaftes V erständ
nis der W irtsch a ft erheischt als A usgangspunkt den geord
neten Taten- und Schaffensdrang aller gesunden k u ltu r
fähigen Personen.
D aher täuscht sich der w irtschaftliche Rationalism us, wenn er glaubt, mit der maschinellen Forträum ung der A rbeit absolute E rfolge erzielen zu können. Die Maschine nützt nicht, wenn sie Arbeit entbehrlich macht, sondern nui, wenn sic A rbeitskräfte zu anderm nützlichen Schaffen fre i
setzt. W ir leiden heute nicht n u r u nter einer E rw erbs
losigkeit, sondern auch unter einer Arbeits-, d. h. Beschäf
tigungslosigkeit von Millionen. Das sollte zu denken geben.
Das, was die W irtschaft als ein leidiges Mittel behandelt, die menschliche Arbeit, das ist in W ahrheit eine unent
behrliche E inrichtung der menschlichen Gesellschaft. Die Arbeit verbindet die einzelnen untereinander; sie müßte erfunden und eingeführt werden, wenn sie nicht zur Be
schaffung der täglichen N otdurft erforderlich wäre. Goethe schreibt (im West-Östlichen Diwan) :
Schwerer Dienste tägliche Bewahrung, Sonst b edarf es keiner Offenbarung.
4. W elches Schicksal erleid et der Mensch in der W irtsch aft?
Es soll hier nicht von dem Geschick des einzelnen die Rede sein, denn das kann ebenso vielfältig sein wie die Zahl der w irtschaftenden Menschen selbst. Sondern von dem Schicksal, das dem Menschengeschlecht insgesamt durch die moderne W irtschaft gegeben worden ist.
Die moderne W irtschaft hat alle Lebenszwecke gewisser
maßen in greifbare Nähe gerückt. Die W urzeln der Ge
sellschaftsordnung senken sich nicht mehr in unergründ
liche Tiefen; gottbegnadetes H errentum , frohnbeladene K nechtschaft, fü r deren Dasein es kein W arum gibt, sind abgeschafft; Zeremonien und Bräuche, die ihren Sinn im Geheimen tragen, werden nicht mehr geübt. Die heutige Gesellschaft verbürgt nicht mehr schamhaft ihre U rgründe;
wer gebietet, der tu t es, weil er Geld hat, und wer frohn- det, der ist durch Arm ut dazu gezwungen; die H andlungs
weise aber wird durch erforschbare physikalische und che
mische Gesetze bedingt. Das ist alles klipp und klar; was früher in mystischem Dunkel lag, ist heute in das Schein- w erferlicht klaren Erkennens gezogen.
Die modernen Menschen haben sich in ihren Denk- und Lebensgewohnheiten entsprechend angepaßt. Sie denken grundsätzlich im Sichtbaren, Greifbaren, Nahen. Sie sehen ihre Aufgaben in sicher erreichbaren Zielen. Die Sorge um geistige und geistliche Angelegenheiten h at gegenüber früheren Jahrhunderten gewaltig abgenommen; die Ziele sind ins Materielle verschoben, am ausgesprochensten dann, wenn sie sich im Streben nach Geld verkörpern. M as die Q ualität angeht, sind die Menschen im Vergleich mit ihren V orfahren bescheidener geworden; die wachsende W irtschaft hat sie zum quantitativen Denken erzogen.
Die wirtschaftliche Zweckwelt, die unsere Generation sich aufbaut, liegt ganz im Erreichbaren. Die kühnsten Träume der technischen Phantasie haben sich zu unserer Lebzeit verwirklicht; die Hebung des Lebensstandards der breitesten Volksschichten ist, tro tz W irtschaftskrise und Erwerbslosigkeit, in einem Ausmaße durchgeführt worden, das vor hundert Jah ren fü r phantastisch gegolten hätte.
H eute gilt kaum noch irgend etwas fü r unmöglich.
E in System g reifbarer Zwecke m it der Aussicht au f V er
wirklichung — das ist die eine Seite der heutigen Lage.
Sie sieht durchaus verlockend aus; man gerät in V er
suchung, dem Fortschrittsdogm a unserer Optimisten Glau
ben zu schenken. Aber die Sache hat eine Kehrseite.
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Ein Zweck, wenn er zu niedrig gehängt wird, hört auf. ein Lebenszweck zu sein. Warum das so ist. läßt =ieh nicht weiter erklären: es gehört eben zu den Eigenschaften unse
res Seelenlebens, daß wir die Frage nach dem Sinn des Lebens tiefgründig beantwortet haben wollen, nicht aber mit dem Erwerb eines seehs- oder siebenstelligen Ver
mögens oder der Konstruktion eines besonders leistungs
fähigen Motors. E s gibt Menschen, die sich auf so ein
fache Weise zufriedengeben und beruhigen, aber der w irk
liche kulturelle Typus tut dies nicht.
W ir müssen es als eine schlechthin gegebene Erfahrungs
tatsache hinnehmen, daß der Kulturmensch eine irrationale Sinndeutung sucht und verlangt. Dinge, die hoher smd als die erreichbaren Ziele, müssen dem Streben nach diesen
«nen Sinn, eine Beziehung auf den Menschen geben.
Darum liegt in der Greifbarkeit und Erfüllbarkeit des Lebenszieles ein Widerspruch in sich: das Spiel des Lebens Vann nur ..ein Spiel, bei dem man nie gewinnt", sein.
Die Wirtschaft kann also nicht Lebenszweck sein. Im Be
rufsleben muß und will man Erfolg haben. Der Zweck der Wirtschaft muß erfüllbar -ein. Die Wirtschaft be
herrscht unser Zeitalter und drückt ihre Zwecke mit A ll
gewalt den Menschen auf. Damit ist das kulturelle Schicksal besiegelt. W ir haben uns eine Zweckwelt auf
gebaut. die für unsere höheren menschlichen Antorderun- gen ungenügend ist: sie ist aber inzwischen so mächtig ge
worden. daß wir uns ihr nicht entziehen können, sondern in ihr leben und aufgehen müssen. Dadurch kommen wir an unserm menschlichen Teil zu kurz und empfinden unser Dasein in dieser Wirtschaft als eine Sinnlosigkeit, die uns quält und im äußersten Falle die Existenz unmöglich macht.
Das. was ein großer technischer und wirtschattlic-her Triumph schien, entpuppt sieh also als ein noch größerer seelischer und kultureller Schiffbruch. W ir werden die Geister, die wir gerufen, nicht mehr los und merken das erst zu einem Zeitpunkt, da sie uns schon nahezu uner
träglich geworden sind. Die Blicke vieler Zeitgenossen richten sieh rückwärts: Könnten wir doch wieder des Tages liebe Not und Mühe auf uns nehmen, wie es unsere bäuer
lichen Vorfahren taten, statt in unserer arbeitsparenden Technik einem erzwungenen Müßiggang obzuliegen! Wür
den wir uns nicht in den bescheidenen Produktionsbedin
gungen der alten Zünfte wohler befinden als in dem fieber
haften Konkurrenzkampf unserer Tage? W o liegt der Sinn verborgen, wenn wir uns das Leben zur Hölle machen, um dafür Ozeane zu überfliegen und Millionenkapitalien zu investieren?
D ie kulturellen Instinkte rebellieren. Aber der Weg zeigt nicht, rückwärts, sondern nach vom .
5. Wo ist die Lösung unserer
w irtsch aftlich en K u ltu rkrise zu suchen?
Die moderne Wirtschaft ist in nnserm öffentlichen und privaten Leben zu tief verwurzelt, als daß sieh die ein- getretene Entwicklung im Sinne einer Znrüekschranbung der Zeitgeschichte irgendwie rückgängig machen ließe:
darüber sollte sieh ein jeder von vornherein klar sein.
Darum kann eine Lösung der kulturellen Probleme immer nur auf dem W ege eines Ausgleichs mit der W irtschaft gesucht werden.
Zwei Hanpterfordem isse zeichnen sich auf diesem Wege ab. D ie eiste Aufgabe lautet: offenes Auge für die wirk
liche Lage, klare Erkenntnis der Dinge, die da sind. Ver
meidung der herrschenden Irrtümer. Das ist e V oraussetzu ng, die erfüllt sein muß. ehe es über atJPt J°*
wärts gehen kann. Worum es sieb im e.!ize en e t , kann nach den vorausgegangenen Betrachtungen o e wei teres gesagt werden.
In erster Linie kommt es darauf an, sich von d er land läufi gen Überschätzung d es Wirtschaftlichen freizu m a eh en . Die moderne W irtschaft ist und bleibt eine g e w a ltig e Errun
genschaft. aber sie is t nicht die E r r u n g e n sc h a ft schlecht
hin. als die sie sieh heute ausgibt, und so ll f o lg lic h auch nicht als solche gelten. Es kommt d a r a u f a n . k la r zu sehen, daß die einseitige Hegemonie des W ir ts c h a ftlic h e n ihren Grund in einer bedauerlichen t erö d u n g d er nic-htwirt- scha ft liehen Seiten des menschlichen Lebens h a t.
Sodann muß die Verwechslung fiktiver und wirklicher Zwecke aufhören. Möglichkeiten sind keine Wirklich
keiten. und ungenutzte f erfügungsmaeht ist keine Zweck- erfüllung. W ir werden nicht umhin können, auch fürder
hin Vermögenswerte für zukünftigen Bedarf anfzustapeln:
wir werden fortfahren, sie in Geldzahlen anszudrüc-ken und in Gestalt von Geldkapitalien darzustellen. W ir werden die eigentliche Wirtschaft auch weiterhin an der Hand von Geldbilanzen ansriebten. weil wir kein besseres Mittel vor- zn'chlagen wissen. Aber wir müssen davon abkommen, das. was das Ziel des W irtsehaftens ist. fü r einen wahr
haften Daseinszweck des wirtschaftenden Menschen zu halten.
Die dritte Teilaulgabe richtet sich auf die Erkenntnis, daß die von der W irtschaft geprägte Vorstellung von der reinen Mittelhafrigkeit der wirtschaftlichen Dienstleistun
gen nicht als Lebensansehauung übernommen werden Varm Die W irtschaft faßt die Arbeit als eine leidige Not
wendigkeit auf, die man größtmöglich herabmindem muß.
nrn dem Menschen Zeit für seine wirklichen Lebenszwecke zu lassen; tatsächlich läuft es darauf hinaus, daß der Mensch, mit Haut und Haaren von der W irtschaft ver
schlungen. von diesen eigentlichen Lebenszwecken nichts zu sehen bekommt. An dieser entscheidenden Stelle muß die Lebensauffassung ihr Vorrecht vor der Wirtschafts- anffässtmg geltend machen: eine Teilung der Lebenssphären in Mittel und Zwecke ist unsinnig; das Leben, das wir leben, ist Selbstzweck in jeder seiner Phasen, „und wenns köstlich gewesen ist, so ist's Mühe und Arbeit gewesen“.
Die Arbeit im Beruf muß als integrierende Lebensaufgabe des Menschen bejaht werden: sie ist ein Stück unseres Daseins, dem wir nicht mit Ächzen und Stöhnen, sondern mit frohem Mnt und Schaffensfreudigkeit entgegenzntreten haben. Was nicht ausschließt, daß wir bemüht sind, lästige Verrichtungen anszuschalten und die Arbeit, namentlich auch in seelischer Hinsicht, zu veredeln.
Wenn dies eingesehen ist, dann wird sieh schließlich auch die Erkenntnis offenbaren, daß die W irtschaft überhaupt nicht dazu da ist, dem Menschenleben Zwecke zu setzen.
Der Mensch braucht materielle Fnterhaltm ittel; er braucht ebenso notwendig eine geregelte Beschäftigung im Beruf, die ihn zugleich in feste Beziehung zu seinen Mit
menschen setzt. Die W irtschaft ist dazu da, diese beiden Aufgaben in einem zu erfüllen. W eil das Leben eine materielle Seite hat. darum muß es eine W irtschaft geben.
Nichts aber ist verfehlter, als von dieser W irtschaft die Lösung von Aufgaben zu erwarten, die nicht ihres Amtes -ind. Man mag die W irtschaft modeln und reformieren, wie man w ill: für die höhere Lebens- und Kultursphäre wird nichts dabei herausspringen. Der Fehler liegt aber
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nicht bei d e r W irtschaft, sondern bei den Menschen, die etwas W esensfremdes von ihr verlangen. D arum soll K larheit darüber bestehen, daß die W irtsch a ft um der materiellen V erwurzelung des Menschenlebens willen un
bedingt vonnöten und dam it zugleich berechtigt ist, daß sie mit der K ulturspliäre des Lebens aber nichts zu tun hat.
H aben wir uns diesen E rkenntnissen zugänglich gemacht, dann können w ir uns dem zweiten H aupterfordernis zu
wenden; es gilt, die verödeten Lebenszwecke wieder aus
zufüllen. N icht die W irtsch aft ist an der K ulturkrise schuld, sondern die Schwachheit der Menschen, die ihr er
lagen. D arum gilt es, nicht die W irtsch aft aufzulösen, sondern ihr ein Gegengewicht gegenüberzustellen. Es ist der Fehler des Sozialismus aller Schattierungen, daß er w irtschaftlicher sein will als die W irtsch aft; au f diesem Wege lassen sieh keine kulturellen Nöte beheben.
Die F rage nach dem Sinn des Lebens steht unm ittelbar vor uns. Sie kann durch Technik und W irtschaft nicht gelöst werden, denn diese reichen über die materielle S phäre des Lebens nicht hinaus. Sie kann überhaupt nicht „gelöst“ werden in dem Sinne, daß sie nach erfolg
ter Lösung erledigt und nicht mehr da ist; die F rage nach dem Sinn des Lebens ist und bleibt F rage und hört nie
mals auf, F ra g e zu sein. Das muß man begreifen, um überhaupt unser K ulturproblem verstehen zu können. Die kulturelle E rfü llu n g des Menschen besteht in dem F r a g e n nach dem Sinn von W elt und Leben, und die K rise, die die moderne W irtschaft über Menschen und K u ltu r gebracht hat, beruht eben darauf, daß eine schein
bare Beantw ortung das kulturelle F ragen vermeintlich er
ledigt hat. Und ebendies b at uns genötigt, die E ntlarvung und W egräum ung der vermeintlichen Beantwortung der K u ltu rfrag e durch die W irtschaft fü r die Voraussetzung einer Lösung des w irtschaftlichen K ulturproblem s zu er
klären.
Nur ein S tüm per kann vermeinen, auf die F ra g e nach dem Sinn von Leben und K u ltu r eine A ntw ort erteilen zu können; wer das tut, der h at die F ra g e überhaupt nicht verstanden. Die kulturelle T at liegt ganz in der Intensität des F ragens; A ufgabe ist es, den W eg hierzu fre i
zumachen.
Diese Aufgabe ist rein dialektischer N atu r; es gilt, die Hegemonie der W irtsch a ft aufzuheben, ohne die W irt
schaft selbst aufzulösen. I n der W irtschaft werden Individualism us und Egoismus leitende P rinzipien bleiben;
also gilt es, im nichtw irtschaftlichen Sektor des Menschen
lebens die Gefühle der Verbundenheit und Nächstenliebe großzuziehen. Die W irtschaft wird fürderhin rationell arbeiten und die W elt der M aterie in kausalen Denk
funktionen analysieren; im niehtw irtsehaft liehen Leben müssen w ir uns bemühen, der materialistischen E rg rü n dung der Ursachen die kulturelle Setzung von Zwecken entgegenzuhalten und aus den analysierten Atomen wieder eine synthetische E inheit aufzubauen. F ü r die W irtschaft wird es immer n u r Personenkategorien m it bestimmten Be
dürfnissen und bestimmtem Leistungsvermögen geben; die außerw irtschaftliche W elt, die w ir aufzubauen haben, soll von einem allverbindenden Geiste getragen sein. W as die W irtschaft sachlich auflöst, muß hinterher geistig verbun
den werden.
Diese A ufgabe gilt es uns hier herauszuarbeiten; sie im einzelnen auszubauen, ist die Aufgabe der lebenden Gene
ration, die von der W irtschaft vor ein überwältigendes K ulturpröblem gestellt worden i s t 1). Die A ufgabe wird gelöst sein, nicht wenn die W irtschaft sich so oder so ver
ändert hat, sondern wenn der Mensch, der der W irtschaft gegenübertritt, ein anderer geworden sein w ird; wenn er sich nicht mehr als hungriges Animal gebärdet, sondern als sittliches Wesen fühlt. D er Mensch, der sich von vornherein frei w ähnt und die W irtschaft fü r eine mel
kende K uh hält, m it der er sich abplagt, soweit es eben sein hungriger Magen gebeut, der muß am Ende entweder seelisch verdorren oder in eine schwere K ulturkrise ge
raten, fü r die er wahrscheinlich die W irtschaft verantw ort
lich macht. Der Mensch dagegen, der sich sittlich ver
pflichtet und gebunden fühlt, erblickt in der W irtschaft den materiellen Teil des Schicksals, dem er unterw orfen ist; er gibt der W irtschaft, was der W irtschaft ist, aber nicht mehr, nicht sein Leben. F ü r ein Geschlecht, das im Sittlichen verwurzelt ist, ist die gewaltigste W irtschaft ohne G efahr; sie ist gerichtet und reicht nicht in die S phären des höheren Lebens. Die Hegemonie der W irt
schaft w ird au f diese W eise gebrochen. W ird das Zeit
alter der W irtschaft ein sittlich erstarkendes Geschlecht er
zeugen, dann w ird es von einem Z eitalter der sittlich ge
bundenen W irtschaft abgelöst werden. Die Entscheidung
liegt bei uns. [1615]
Nähere Einzelheiten über das hier behandelte Problem finden sich in meinem Buch „W irtschaft — R ationalism us — M ensch“, Leipzig 1931.
W erner Siem ens als S o z ia lp o litik e r')
Es ist reizvoll, W erner Siemens einmal von einer ganz neuen Seite kennenzulernen. W er hätte in dem W issen
schaftler und Erfinder einen Sozialpolitiker großen F o r
mats verm utet, bahnbrechend zu einer Zeit, die noch keine staatliche soziale Gesetzgebung kannte, ja die Notwendig
keit solcher M aßnahm en fast einmütig ablehnte? Man ist versucht, diese frühen sozialen Bestrebungen m it neuzeit
lichen A nschauungen und Errungenschaften zu vergleichen, und ist erstaunt, am A nfang der modernen Industriew irt- sehaft einen U nternehm er zu finden, der nach seinen eige
nen W orten in einer glücklichen V erbindung von „gesun
dem Egoismus und menschlichem Em pfinden“ aus eigenem Antrieb Einrichtungen schuf, die heute gern als „der Ar- beitgebersehaft gleichsam mühevoll abgetrotzte E rrungen
schaften“ dargestellt werden. In einer gärenden Epoche der A uflösung einer bisher unerschütterlich scheinenden
J) Von K arl Burhenne. München 1932, C. M. B ecksclie V erlagsbuchhand
lung. 119 S. P reis 4 RM.
handwerklichen Arbeitsverfassung und der sozialen Um
schichtung der Arbeitnehmerkreise ist es Siemens gelungen, eine Sozialpolitik aufzubauen, die au f dem Gemeinschafts- gedanken beruht und heute mehr und mehr als natürliche und fruchtbare Grundlage der Beziehungen zwischen A r
beitgebern und Arbeitnehmern Geltung gewinnt.
Über die persönlichen Bestrebungen und Erfolge hinaus erhalten w ir einen Einblick in die Arbeiterbewegun
gen des 19. Jahrhunderts, die w irtschaftlichen Verhältnisse, die Auswirkungen des anbrechenden Maschinenzeitalters bis zu den Anfängen des staatlichen Eingriffs in die A r
beitsverfassung und den neuzeitlichen Begriffen von der Pflege der menschlichen A rbeitskraft als dem wichtigsten und empfindlichsten Produktionsm ittel. Arbeitzeit, Lohn
systeme, Lohnsätze, W ohnfragen, Altersversorgung werden berührt und die Vorgänge bei den Siemenswerken zu den in Berlin allgemein üblichen V erhältnissen in P arallele ge
setzt. W ir bekommen somit einen kurzen A briß der E n t
wicklung der sozialen F rage seit den ersten Jahrzehnten unserer W irtschaftsepoche. A . Th. Groß [1507]
Die Standortbedingungen der Großberliner
Industrie-Siedlung
V o n D r . - I n g .D r.re r.p o l.M A R T I N P F A N N S C H M I D T ,
B e rlin
Im Rahm en der von uns in letzter Z eit veröffent- lichten A u fsä tze über das Siedhmgsprobjern (le ig i.
Das industrielle Unternehmen und die Siedlung im .Januarheft 1932 und Otto D. Schäfer Die W erk
siedlung“ im Ju lih eft 1932) hegt der Schw erpunkt der A bhandlung von Dr. P fannschm idt in der t rage der m it den An- und Aussiedlungsprojekten ver
bundenen Standortverschiebungen der Industrie.
A ls Beispiel ist die B erliner Industrie gewählt, h in e Untersuchung der Berliner Verhältnisse ist nicht nur deswegen besonders interessant, weil Berlin eine der größten Städte der TVeit ist, sondern auch weil die Berliner Industrie in der Standort frage vom R oh
stoff aus nicht beeinflußt wird.
B is h e rig e B ezu g s - und A b s a tz b e d in g u n g e n und ih re A u s w irk u n g a u f d ie B e rlin e r In d u s trie n Eine U ntersuchung der Standortbedingungen der G roß
berliner In d u strie ist aus verschiedenen Gründen von be- sonderm Interesse. F e rn von den Rohstoff lagern \o n Kohle und Eisen ballt sich hier die dichteste In d u strie
bevölkerung Deutschlands. Über eine Million A rbeiter sind in der V ierm illionenstadt Berlin gewerblich tätig.
Rd. 2/s v011 ihnen wohnen und arbeiten au f engstem Raum innerhalb der Ringbahn. I n den sechs Landkreisen um Berlin, die m it der R eiehshauptstadt zu einem „engeren W irtschaftsgebiet G roßberlin“ zusam m engefaßt werden können, sind dagegen im gleichen J a h r 1925 nur etwa 100 000 A rbeiter beschäftigt. Nach P a ris ist Berlin da
mit der O rt der stärksten B allung von Industriestandorten au f dem europäischen Festland.
J e schwächer die R o h s t o f f b i n d u n g e n an immer- hin noch vorhandene 1 orkommen von Holz, Steinen und E rden und an geringw ertigere Braunkohlenlager in der Umgebung Berlins sind, umso stä rk e r machen sich die F r a c l i t b i n d u n g e n an IV asser und Eisenbahnen gel
tend. E in hochentwickeltes Netz von natürlichen und künstlichen W a s s e r s t r a ß e n macht B erlin zum V or
ort der binnenländischen Niederschlagsgebiete von Elbe und Oder und verbindet es darüber hinaus mit dem Xieder- schlagsgebiet der Weichsel, nach F ertigstellung des M ittel
landkanals auch mit W eser und Rhein. Die große E n t
fernung Berlins von den L agerstätten von K ohle und E rzen w ird dam it durch den billigen W assertransport von Steinkohle, Braunkohle, E rzen und Schrott weitgehend aus
geglichen. M engenm äßig überwiegt gleichwohl der G üter
tra n sp o rt au f den E i s e n b a h n e n , die B erlin strahlen
förm ig m it allen Teilen D eutschlands und des benachbar
ten Südosteuropa verbinden. W eist die Richtung der W asserstraßen nach den überseeischen Absatzgebieten an Ostsee, Nordsee und Atlantischem Ozean, so machen die E isenbahnen B erlin zum V orort der nordosteuropäischen Tiefebene und verbinden B erlin auch schon vor D urch
fü h ru n g der noc-h fehlenden K analverbindungen zwischen Oder-Marc-h-Donau und Rhein-M ain-D onau m it den süd- osteuropäischen D onaustaaten. — Seinen großen A r - b e i t s m a r k t verdankt Berlin den weiten landw irtschaft
lichen Gebieten N ordostdeutschlands. A usländische A r
beiter aus den östlichen N achbarstaaten brauchten n u r zu
Zeiten stärksten W achstum s der B erliner In d u A iien hei angezogen zu werden. Die D urchdringung c ei ei inei In d u strien mit hochwertigen G eschäftsgrundstucken und mit V erw altungsgebäuden der Reichs- und S taa ts e io i en und der P arlam ente h at allerdings zusamm en m it o ge- w irkungen von Bodenspekulationen dei G ründerzeit le Lebensverhältnisse der B erliner A rbeiter ei lieblich \e i- teuert. Die B erliner A r b e i t s l ö h n e sind mit die höchsten im Reich und machen B erlin als S tan d o rt lolm- empfindlieher Ind u strien ungeeignet. Diesen Nachteilen steht jedoch der außerordentliche I orteil eines k au fk räf
tigen örtlichen M arktes entgegen. D er stark e Verbrauch von fü n f M illionen E inw ohnern des engeren W irtschafts
gebiets G roßberlin h at seit je h er auch In d u strien m it fer
nen A bsatzm ärkten wertvolle M öglichkeiten einer ersten E n tfa ltu n g und eines festen M indestabsatzes geboten.
Diesen einzigartigen S tandortbedingungen verdanken die B erliner In d u strien die außergew öhnliche D e h n u n g d e r A b s a t z m ä r k t e aller Erzeugnisse, die nicht un
bedingt an die Rohstofflager von K ohle und Eisen und an billigste Arbeitslöhne gebunden sind. In die M itte des vorigen Ja h rh u n d e rts fällt die schnelle Entw icklung des Maschinen-, A p p arate- und Fahrzeugbaues, der fast den ganzen A rbeitsm arkt der zusam m engebrochenen merkanti- Hstisehen T extilindustrien aufsaugt. Nach 1871 blühen die K onfektionsindustrien a u f K osten der vorübergehend aus- geschalteten P a rise r K onfektion auf. N ach längeren K risenzeiten am A usgang des vorigen Jah rh u n d erts be
g in n t d ann d er Siegeszug der elektrotechnischen Indu
strien, nach 1900 der S tarkstrom industrie, nac-h dem Kriege der Schwachstrom- und R adioindustrie. Zu allen Zeiten bleibt das B erliner K unstgew erbe fü h re n d in zahlreichen Zweigen der V erarbeitung von M etall, von H olz und von kom binierten W erkstoffen, fü h re n d im Schlechten in dem Stilchaos der G ründerzeit, fü h re n d im G uten m einer erfolgreichen R einigung der A usdrucksform en nach dem W eltkrieg.
D er E inzigartigkeit des S tan d o rts B erlin entspricht aber auch seine starke K risenem pfindlichkeit, ein ständiger Wechsel von H ochschwung und T iefdruck, der bei der A bhängigkeit von den politischen E ntw icklungen vieler ausländischen A bsatzgebiete nicht W under nimmt. I nge- aelitet der schweren K risen, die nach 1873 und nochmals um die Jahrhundertw ende den w irtschaftlichen Aufstieg Berlins verlangsam ten, ist die heutige K rise an Tiefe und N achhaltigkeit wohl n u r mit jen er K rise vergleichbar, die nach A ufhebung der K o n tin e n talsp erre und nach Ein
beziehung der überlegenen rheinischen In d u strie in den preußischen W irtschaftsverband vor über hu n d ert Jahren zum Zusam m enbruch der m erkantilistischen Industrien fü h rte und die E ntstehung der hochkapitalistischen In
dustrien einleitete. H eute wie vor h undert Ja h re n stehen der wagemutige B erliner H andel mit seiner mühsam er
käm pften A bsatzorganisation in allen E rdteilen, stehen das ebenso ta tk rä ftig e wie w andlungsfähige B erliner l n- ternehm ertum und die hochqualifizierte B erliner Arbeiter- schaft vor der F rag e, ob die gegenw ärtige K rise das dauernde E nde vieler B erliner In d u strie n bedeuten wird, ob es gelingen wird, sie w ettbew erbfähig zu erhalten, sie um zustellen und w eiterzuentwickeln oder neue Industrien an ihre Stelle zu setzen.
Die außergewöhnlich hohen K ap italinvestierungen, deren W ert gelegentlich der B auausstellung 1931 a u f 20 Mrd.
Reichsm ark f ü r Gebäude aller A rt, au f 7 M rd. f ü r Grund
70
vorhandene l Mischsiedlung u.geplante \lndostriesiedlung vorhandene C itu
• Inauslriefldchen
vorhandene u \ Zentren von •
vorgeschlagene] Industriesiedlungen ° u.Mischsledlungen
Industriezentren m it großem Umschlag von ß ß. -Gütern °
" besonders großem Umschlag ® Häfen m it bedeutendem Umschlag von Wasserfrochten ■
Grenze von G ro ß -B e rlin Wasserstraßen, geplant .
" des Versondgebiets " , künstlich -
Kreisgrenze " > natürlich
ßisenbahn, geplant --- Bahnhöfe in Wohnsiedlungen ■
" , bestehend ---
A bb. 1. G e s a m tla g e ru n g d e r Industrien Im e n g e re n W irts c h a fts g e b ie t G roß berlin — V o rs c h lä g e fü r zukün ftige E rw e ite ru n g e n
und Boden und au f je 3 Mrd. fü r industrielle W erke und fü r W aren geschätzt wurde, hemmen dabei eine elastische Neuorientierung der Industriestandorte und eine Senkung der Lebenshaltungskosten der A rbeiter und Angestellten.
Sie wirken dam it den starken K rä ften entgegen, die bei dem heutigen Stand des Verkehrs und der K raftstoff
belieferung eine Auflockerung der übergroßen Ballung der Berliner Industrien innerhalb der Ringbahn und deren Ausbreitung in den äußeren Stadtgebieten und in der Um
gebung Berlins ermöglichen. T r o t z d i e s e r H e m m u n g e n a b e r l a s s e n i n d e m g e g e n w ä r t i g e n T i e f p u n k t d e r K r i s e d i e h e u t e s c h o n ü b e r s e h b a r e n S t a n d o r t , W a n d l u n g e n e i n e w e i t g e h e n d e U m l a g e r u n g d e r G r o ß b e r l i n e r I n d u s t r i e n e r w a r t e n . I h r e M ö g l i c h k e i t e n w e r d e n i m f o l g e n d e n k u r z u n t e r s u c h t .
Die örtliche Lagerung der G roßberliner Industriesiedlung
Mag m an im einzelnen und im ganzen mit einem Schrum pfen oder m it einem weiteren W achstum der B er
liner Industrien rechnen — die ungebrochene T atk ra ft der meisten Berliner Unternehmungen dürfte allzu billige P ro
phezeiungen eines Zerfalls der großstädtischen Industrien sicher als verfehlt erscheinen lassen -— so ist jedenfalls die zukünftige Entw icklung der Berliner Industrien au f das engste an deren bisherige Lagerung gebunden. Diese hat sich im L aufe der letzten M enschenalter in ständigem P reiskam pf um die w irtschaftlichsten Erzeugungs- und Absatzbedingungen und um den leistungsfähigsten A rbeits
m arkt entwickelt und sich trotz aller historischen Zufällig
keiten und städtebaulichen Hemmungen den örtlichen Standortbedingungen weitgehend angepaßt. U nter ihnen wirken sich die verschiedene Höhe der Frachtkosten, der G rundrenten und der Arbeitskosten au f die örtliche Lage
rung der Industrien aus. Die örtliche Lagerung der I n dustrien nach der S c h w e r e tr itt in gleichem M aße außerhalb und innerhalb Berlins in Erscheinung. Am W asser und an den Eisenbahnen im Zuge der W asserstraßen liegen die schwersten frachtgebundenen Industrien der schweren Metallgewinnung und -Verarbeitung, die schweren chemischen Industrien und die Industrien der Steine und Erden. Völlig unabhängig von den W asserstraßen sind die leichten Industrien der feinen Metallwaren, der H olz
verarbeitung und insbesondere der Textilindustrie und der Konfektion. Dazwischen liegen an den Eisenbahnen auch außerhalb der W asserstraßen halbschwere Industrien und
zahlreiche Betriebe des Maschinenbaues und der H olzge
winnung. Die frachtbedingte Staffelung der Industrien von den W asserstraßen aus ist f ü r ihre Gesam tlagerung so entscheidend, daß m an sich das schwache Relief der märkischen L andschaft zweckmäßig stark überhöht vor
stellt, um es in seiner ganzen W irksam keit zu erfassen.
Die G r u n d r e n t e n sinken im großen und ganzen von Berlin M itte aus nach den Außengebieten zu. In Berlin selbst liegen daher beispielsweise von der M etallverarbei
tung Betriebe hochwertiger P rodukte m it geringem Ge- ländebedarf, weiter außerhalb Betriebe billigerer Massen
artikel m it großen Lagerflächen. Ungeachtet der Lohn
unterschiede der einzelnen Industriezw eige sinken die A r b e i t s l ö h n e der männlichen A rbeiter gleichfalls mit zunehmender E n tfern u n g von Berlin. Das Angebot weiblicher A rbeitskräfte ist dagegen in B erlin (NO und C) am größten und billigsten. Infolgedessen halten sich in B erlin selbst nur Betriebe hochwertiger V eredlung des Maschinen-, A pparate- und Fahrzeugbaues und der E lek
trotechnik, der Feintisehlerei, des Pianofortebaues und die modegebundene K onfektion (Unterwäsche, Anzüge, M än
tel). A ußerhalb finden sich Betriebe genorm ter M assen
artikel der M etallverarbeitung, der einfacheren H olzver
arbeitung und der M assenkonfektion (H üte, Schuhe, H au s
schuhe, H andschuhe) Q.
Abb. 1 um reißt die G esam tlagerung der In d u strien im engeren W irtschaftsgebiet G roßberlin, wie sie sich infolge dieser Standortbedingungen bisher entwickelt hat, und enthält außerdem Vorschläge fü r deren zukünftiges E r weiterungsgelände. Im K ern der B erliner C i t y konzen
trieren sich H andel und O rganisation. Um sie verbreiten sich innerhalb Berlins im Gegensatz zu der ringförm igen A usdehnung des Berliner H äuserm eers ban d artig längs Spree, H avel und Teltowkanal „ I n d u s t r i e s i e d l u n g e n “ m it dichterer B allung der gewerblichen Be
triebe und der A rbeiterviertel. Leichte Indu strien wie die M etallverarbeitung und L am penindustrie in der Luisen
stadt, die Tischlereien im Südosten m it einem alten Zen
tru m in der L indenstraße und die K onfektion (NO und östliche City) liegen fern er von den W asserstraßen. A ußer
halb der Stadtgrenzen liegen die drei W irtschaftsgebiete Oberhavel, Potsdam —Nowawes— Teltow und Oberspree- Dahme im Bereich des B erliner A rbeitsm arktes. Drei weitere W irtschaftsgebiete E b e rsw a ld e -F in o w , B randen
burg und Luckenwalde liegen etwa an der 50 km-Grenze und verfügen als charakteristische T rabantenstädte bei enger gewerblicher V erflechtung mit, Berlin über selbstän
dige A rbeitsm ärkte. I n ihnen durchdringen sich die alten, noch in der Provinz ansässigen Textil- und K onfektionsindustrien m it den m etallverarbeitenden Industrien, die, von G roßberlin ausstrahlend, gleichfalls aus der W urzel der alten Textilindustrien gewachsen sind.
So finden sich neben großen Spinnereien in B randenburg dort und in Luckenwalde (W und S ). größere H u tin d u strien, in S trausberg, F ürstenw alde und Storkow ( 0 und SO) S chuhindustrien und in Eberswalde (NO) H au s
schuhindustrien. N äher Berlin halten sieh Textilindu
strien nur, soweit sie Z ubringerindustrien von modegebun
denen In d u strien sind. A ndere Textilindustrien in Nowa
wes (S W ) und B ernau (NO) sind rückgängig. Die fern von den W asserstraßen gelegenen Industrieorte Lucken-
!) E in e genaue örtliche B eschreibung der einzelnen Industriezw eige und ihrer Gesam tlagerung enth ält das Gutachten des V erfassers „D ie In d u strie
siedlung in der Um gehung von B erlin “. Berlin 1933, W ilhelm E rn st u Sohn. RM 2,00. E ine allgemeine Behandlung der Standorttheorie und aktueller Standortprobleme in D eutschland enthält ferner des V erfassers „Standort, L andesplanung, B aupolitik“. B erlin 193 2 , Carl H eym anns Verlag.
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walde (S ), S trausberg ( 0 ) und B ernau (NO) zeigen e sonders charakteristische Ballungen p ro \ inziel er eie industrien. Dazwischen liegen die l a n d w i i t s c a - l i e h e n G e b i e t e Teltow und B arium und die Niede
rungen westlich der H avel und im Oderbruch, in denen sich fa s t n u r landw irtschaftliche und forstw irtschaftliche V eredelungsindustrien entwickelt haben.
Die m it diesen Gebieten umschriebene I n d u s t r i e l a n d s c h a f t p a ß t sich der geologischen Oberflächen
gestaltung au fs engste an. Industriefeindlich sind die verhältnism äßig fru c h tb aren landw irtschaftlich genutzten G rundm oränengebiete B arnim und Teltow und die kleine
ren Grundm oränenflächen westlich der H avel. Die In dustriesiedlungen reihen sich infolgedessen bandartig an den W asserstraßen innerhalb der U rstrom täler und inner
halb der quer zu ihnen verlaufenden Endm oränen. Von letzteren ist im Osten die Linie Freienw alde—Kalk
berge R üdersdorf— K önigsw usterhausen und im Westen die Linie O ranienburg— P otsdam — Schwielowsee besonders m arkant. D as T h o m er U rstrom tal, in dem Eberswalde—
Finow und der nördliche G roßschiffahrtsw eg liegen, bildet die Nordgrenze, das Glogau— B a ru th er U rstrom tal die Süd
grenze des engeren W irtschaftsgebiets G roßberlin.
A ußer den Industriesiedlungen werden in Abb. 1 durch schwächere Schraffur gewerbliche „M i s c h s i e d l u n - g e n “ umrissen. I n ihnen w erden \Yohngebiete in loserer S treuung von kleineren B etrieben durchsetzt, die meist geringere F rachtem pfindliehkeit aufweisen und an örtliche A rbeitsm ärkte, A bsatzm ärkte oder Rohstoffe gebunden sind. D erartige bisher weniger beachtete Mischsiedlungen haben sich bisher im B erliner N orden und Süden in größe
rer E n tfern u n g von den W asserstraß en sowie längs der östlichen und westlichen V orortbahnen am sichtbarsten entwickelt.
Z u k ü n ftig e E n tw ic k lu n g s m ö g lic h k e ite n d er Industriesiedlung
F ü r die zukünftigen Entw icklungsm öglichkeiten der In
dustrien ist zunächst von Bedeutung, ob sie von ö r t l i c h e n M ä r k t e n abhängig sind, oder ob sie f e r n e r e M ä r k t e beliefern. Das erstere g ilt von den meisten rohstoffgebundenen In d u strien in der U m gebung Berlins.
Zu ihnen zählen fa s t alle In d u strien der Steine und Erden, der H olzgew innung und -Verarbeitung und der landwirt
schaftlichen V eredlung, die von den K o n ju n k tu ren des B erliner B aum arktes und N ahrungsm ittelm arktes abhän- gen. Z ur zweiten G ruppe gehören die m eisten metallverar
beitenden In d u strien und die K onfektion, die außer dem B erliner M arkt fern e und fern ste M ärkte beliefern. Ab
gesehen vom B aum arkt, dessen gegenw ärtige Lage infolge seiner A bhängigkeit von öffentlichen M itteln zur Zeit be
sonders schlecht ist, haben an sich die ortsgebundenen In d u strien in dem M assenbedarf von fa s t 5 Millionen Ein
wohnern einen krisenfesteren M ark t als die verkehrsgebun
denen In dustrien, die fern ere M ärkte beliefern. Auch wächst m it zunehmender N orm ung der M assenartikel und m it zunehmender H an d fe rtig k e it und B illigkeit anderer W irtschaftsgebiete deren W ettbew erbfähigkeit gegenüber den B erliner Industrien. D ie letzteren w erden sich dem
gegenüber n u r durch bevorzugte Pflege der Q ualitätsindu
strien, durch A usnutzung aller F ühlungsvorteile und durch Senkung der Lebenskosten und des A rbeitslohnes wett
bew erbfähig erhalten können.
In fo lg e der B elastung durch vorhandene bauliche Investie
rungen und infolge d er wohl noch längere Zeit anhalten-