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XIX. Jahrg. Berlin,denl.Januar1911.
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Sieben Kreuzer ...... . 95 Sozialdemokratie, dies.Re-
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Wien und Berlin s. Vero- linum.
-Zuckersabrikations.Vor hun- dert Jahren.
Zweckverbands. Veroliuum.
Sie Zukunft
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Berlin, den l.Januar 1911.
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Rezept.
GmNeujahrsmorgen, als derKaiser,um dieParole auszu-
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geben,mitseinenSöhnenundmitgroßemGefolgeinsZeug- haus ging,war, außerdem alltäglichen Posten, am Lustgarten, ausderSchloßbrücke,amZeughauskeinSchutzmann zusehen.
Nach derNückkehrinsSchloßkleidete derKaiser-sichumund machte dann,imbürgerlichenAnzug,mitseinemvierten Sohn,demNe- ferendarius PrinzenAugustWilhelm, zuFuszeinenlangenSpa- zirgang,derbisüber denBayerischeuPlatzhinausführte.Die Herren wurden, woman sie erkannte,herzlich begrüßt,dochnir- gendsvonzudrängender Neugier belästigt.Vom Stadtpark fuh- ren sie,in einerAutomobildroschke, nachdemSchloß zurück.
Der höchstbetitelteErbederNamen,derenTräger,Simon Moritz Vethmann und JohannJakobHollweg,derfranksurter Firma Gebrüder Bethmann inGeltungundAnsehen geholfen haben, blättert,an einem nichtallzuschwermitAktenbelasteten Vormittag,indengilbendenBerichtenüber dieVerhandlungen desfrankfurter Parlamentes, derersten DeutschenNationalver- sammlung,undnotirt,zurVerwendung in etwanächstenszu lei- stendenNedemeinpaarSätzeAdvokat Ludwig SimonvomDon- nersbergderäußerstenLinken:»JndemVericht,denHerrBasser- mann uns überseineimAuftragdesNeichsministeriums unter-
nommene Reise nachBerlin vorgelegthat, stehtderPassus: ,Spc·it
kamichan,durchwanderte aber nochdieStraßenund mußge- 1
2 DieZukunft.
stehen, daßdieBevölkerung,dieich auf ihnen, namentlichinder NähedesSitzunglokales derStände, erblickte, mich erschreckte;
ich sahdieStraßenvonGestalten bevölkert,dieich nichtschildern will.«Herr Vassermann ist alsomitsehr erschrecktemGemüthvon Berlin zurückgekommen:das berliner Volk hatihm mißfallenz natürlichkann nicht jedesGesicht Herrn Bassermann gefallen.
Wenn man sichaber ausdie kleinstenDingeberust,um einenVer- fassungbruchzurechtfertigen,soerkenneich geradedarin dievoll- kommene Haltlosigkeit.Herr Vassermann sprichtvoneiner Kari- katur,denTraum eines Republikaners darstellend, auf welcher verschiedene tötlicheVerrichtungen verzeichnet sind.EinPendant dazu istderTraum eines Reaktionärs«,eineKarikatur, inwel- cher sich bombardirte, inSchuttund Staub versinkendeStädte demAugedarbieten. Das sind Gestaltungen derberlinerVolks- laune,deren Harmlosigkeitsich schon dadurch beweist,daßsienach beidenSeiten hin gerichtetist.«Vankier undNeichsfinanzminister Hermann vonBeckerathausdemKasinodesNechtenCentrums:
,,DieVeschränkungdesallgemeinenStimmrechtesistfürdenStaat einePflichtderSelbsterhaltung;erstürztsichsonstauseinerKrise indie andere undseineganze ExistenzgeräthinGefahr.Wo die Vürgschaft fehlt, daßdas BestehendezwarderVervollkomm- nung entgegengeführt,niemals abergewaltsam umgestürzt wird, dakann diematerielle Wohlfahrt nicht gedeihen, am Aller- wenigstendas WohlebenderKlassen,diedurchdas allgemeine Stimmrecht besonders begünstigtwerden sollen.Weil ichmein Vaterland großund freiwünsche,weil ichden Staat so gestellt wünsche,daßerdieihmobliegende Verpflichtung,fürdie immer weitere Verbreitung derpolitischen Rechtezusorgen, erfüllen kann,ebendeshalberkläreich mich fiirdieVeschränkungdesall- gemeinen Stirnmrechtes.«JosephMaria vonRadowitzaus dem .Steinernen HausderRechten:»Esgiebt Zeiten,indenen die Staatsverfassung eines Volkes wederbestehen kann,wiesie ist, noch auch so umgestaltetwerden könnte, daß siezubestehenver- mag.Das sinddieZeiten,wodasAlte mitdemNeuen,derbis- herigeZustandderbürgerlichenGesellschaftmiteinem anderen, noch unentschiedenenund von derEntscheidungweitentfernten imKampfliegt. WehdemFürsten,demStaatsmann, dessenLeben insolche Zeit fällt!Was erauch thue:erthutes entweder zuspät oderzufrüh;ersieht vielleichtdasZiel,aber erkannesnichter-
Rezept. 8
reichen.«BuchhändlerundUnterstaatssekretärJriedrichVasser- mann, nochEiner ausdemKasino: »Die SozialistenunsererTage habeneinenwiderlichen Gegensatz zwischenVolkundVourgeoisie aufgestellt. DiesenHerrenistzweifelhaft,obsiedenBürger,der durchTalent, FleißundMäßigkeit sicheinBesitzthumerworben hat, dessen Bestreben dahin geht, seinErrungenesfür seineKin- der,seineFamilie zuerhalten,zum Volkrechnen sollen. Daßaber Einer, dersich nichtanstrengt, der,verschuldet oderunverschuldet,in Ungebildetheitverbliebenistunds eineganzeWeisheitaus irgend- welcherPhraseoderirgendeinem Lokalblättchenschöpft,zum Volk gerechnetwerden müsse,ist diesen Herren nicht zweifelhaft.Was aber hatderdeutschenNation von jeihreZierdeundihren Stolz gegeben?Waren esnichtgeradedieMänner,dienachden Be- griffenderSozialisten nichtzu denArbeitern, nichtzu demVolk gehören? Herderwar Geistlicher, Goethe Minister undSchiller einer dergeschmähtenProfessoren. Und gehörtendieFührerin denBefreiungskriegen,gehörteeinNotteck etwa nichtzum Volk?«
ProfessorJakob Grimm, derBerühmtesteaus demKasinm »Wir Deutsche (Daswirduns Niemand bestreiten) sindeingeschäfti- ges,ordentlichesVolk.Doch dieselöblichenEigenschaftenschlagen auchbei uns oft inFehlerum.Wir haben, ich mußessagen,eine großeAnlagezumPedantischen; ichhabe sogar neulich ausge- sprochen, daß,wenn dasPedantischeinderWelt unerfundenge- blieben wäre,derDeutscheeserfunden habenwürde-DerJ-ehler besteht darin, daßwirallzu sehr geneigt sind,andem-Geringfügi- genund Kleinen zuhängenunddasGroßeunsdarüberentschlüp- fenzulassen.Derbekannte Satz: ,Vorgethanundnachbedachthat MancheningroßesLeidgebracht«,dieser SatzkannaufunsDeut- scheinPolitischenDingensehrselten angewendetwerdenz vielmehr konnte einanderer aufuns angewendet werden: ,Langbedacht undschlechtgethan: istder deutsche·Schle11drian«.«Das,denktder Kollektor, mußwirken;geradeausmeinemMundWeilman mir immer Pedanterie undUnfähigkeitzumEntschluß vorwirftund selbstSchmollers Excellenz micheinen Cunctator genannt hat.
AmdrittenJanuarabend erscheintinderNorddeutschenAll-- gemeinenZeitungeinArtikel,indem gesagtwird:,,DieNeujahrs- betrachtungenderdeutschenPresse lassen erkennen, daßüber die AbsichtenderVerbüudetenNegirungennochinnnerJrrthümerbe-
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4 DieZukunft-
stehen,deren FortdauerdieruhigeFührungderReichsgeschäfte erschweren müßte.Wenn vonden Vertretern desNadikalismus derGlaube geschaffenundgenährtwird,etwas einer ,Neaktion«
Aehnlichesseizufürchten oderschonEreigniß geworden,undwenn dabei,woBegriffe fehlen,in die Lücken desDenkapparates wie- der derzumeeckderEkelerregungerfundeneName einerschwarz- blauenNegirung eingestellt wird, sobrauchtüberdieses unernste Treiben wohlkein Wort mehrgesagtzu werden.Der geistig nicht Wohlhabende entschließtsichschwer,von billigerGewohnheitzu scheiden; undwer kein trockenes Pulver hat,mageineWeile ver- suchen,mitfeuchtemzuschießen.EinStaatsmann, demnichtdie Mußezu leeremGerede bleibt,wirddieZeit,dieerseiner-Arbeit entziehen müßte,nichtandas fruchtloseVemühenverzetteln,Per- sonenzuüberzeugen,dienicht überzeugt sein wollen,weilsiean- nehmen,nur ingetrübtemWafsereinenFangmachen zukönneu, oderihre Sache aufdieVertretung ausländischerundsozialde- magogischerWünschegestellthaben.Nicht ohneWiderspruchaber dürfen falscheVorstellungenbleiben,die ausgutemGlauben ent- standen scheinen.DemReichskanzler wird, auchinernstzuneh- menden Blättern, vorgeworfen,erhabemitseinerNedeüber die UrsachendermoabiterUnruhen in einschwebendesGerichtsver- fahreneingegriffen.DerVorwurfkannihnnicht treffen.DerVe- hauptungeines sozialdemokratischen Abgeordneten, dieSchuld derPolizeisei erwiesen,hat derNeichskanzler diejedenfalls besser fundirteentgegengestellt, diePolizei habe auchbeidies emtraurigen AnlaßihrePflicht erfüllt.ObVerfehlungenundunnöthigeBru- talitätenvorgekommen sind (diedann ohneschwächlicheNachsicht zustrafenwären),wirddieUntersuchung ergeben, fürderenOber- leitungeinnichtdemPolizeipräsidiumunterstellterBeamter in Aussichtgenommenist.Dann erstwirdauchzuermessen sein,ob das Vedürfniß eineAenderung inderOrganisationderSchutzmaan- schaftempfiehlt.DerReichskanzler hatferner gesagt,diemoralische MitschuldderSozialdemokratie, deren Pressedie moabiterArbei- terschaft aufgehetzthabe,seifür ihn jedem Zweifel entrückt.Dieser Meinung habenzweiDritteldesNeichstages durchAkklamation zugestimmt.Selbst wenn sieaberobjektiv unrichtigwäre:mitdem schwebenden Gerichtsverfahren hatsie nichtdas Geringstezuthun.
Nur dieSchuldoderUnschuldderAngeklagten, nichtdie Mit- schuldoderUnschuldeiner Politischen Partei hatdiezuständige
Rezept 5
Strafkamsmerfestzustellen.DiemitzäherBeharrlichkeitfestgehal- teneBehauptung,dieAnklage seivonderStaatsanwaltschaft mit politischenErwägungenbegründetworden,istfalsch.Nurin einem Nebensatz,derebenso gutwegbleibenkonnte, sprichtdieAnklage
von derHetzarbeiteines sozialdemokratischenBlattes; undeinen ,PolitischenNachtrag«hates niegegeben.Das politischeInteresse scheint aufder anderen Seite zusein;eszeigt sichdarin, daßeine ungemein großeZahlvonZeugenvon denAngeklagtenunmittel- bar, also doch wohl auf KostendersozialdemokratischenPartei- kasse,vorgeladenworden ist.DieVernehmung dieserunmittelbar geladenenZeugen, derenGebührenvondenAngeklagtenzuzah- lensind,kannderGerichtshof, nach ausdrücklicherBorschriftder Strafprozeßordnung,nicht ablehnen.Daraus undausderTaktik derBertheidigung,dienachweisenwill,daßdiePolizeiihreAmts- befugnißüberschrittenhabe, also nichtinAusübung ihrerPflicht aufWiderstand gestoßensei,erklärtsichdieungewöhnlich lange Dauer derHauptverhandlung DerMinisterpräsidenthatweder aufdieArt derAnklage (dievondemzuständigenAbtheilungchef vorbereitet undvon demVertreter desbeurlaubten Oberstaats- anwaltes gezeichnet wurde) noch aufdieWahldesForumsir- gendwelchen Einflußgenommen ; undwenn erwirklichso unklug undgewissenloswäre,eineEinwirkungaufdenGerichtshofzu erstreben,somüßtediesesStrebenanderUnabhängigkeitdeutscher Richter abprallen,fürderenUrtheilausschließlichdasinderHaupt- verhandlung Borgebrachte inBetrachtkommen darf.Ueberdie Schuld oderUnschuldderAngeklagten weißderReichskanzler nichtsundhat deshalbnatürlichauchkeinWort darübergesagt.Die falschen Darstellungen hängenmit demweithinverbreiteten und aus allerlei nichtganzreinlichenQuellen getränktenGlauben zu- sammen, dieNegirungplane, umdieAufmerksamkeitvon ,inneren Schwierigkeiten«abzulenken,einegroßeAktiongegendie Sozialde- mokratie. DenBerbreitern ist wohl nichtinsBewußtseingedrun- gen,welcheHandlungweisesolcherGlaubedenBerbündetenNegi- rungen zutraut. EineNegirung, die,weilihrschöpferischerGeist fehltund siesichmitden Fraktionen nicht verständigenkann,vonder Ausmalung desNothenSchreckensihr Heilerwartet undeinen großenTheilderBevölkerungindenBerdachtstaatsverbrecher- ischerUmtriebe bringt,handeltnoch frivoleralseine,dieinsolcher LagedemUnmuthdasBentil nachaußenöffnet.Die Berbündeten
6 DieZukunft.
Negirungenhabenaberauch nichtdengeringstenGrundJnach sol- chenMitteln Verzweifelnder auszuspähen.Diemaßlose Sprache dersozialdemokratischenPresse,dieHäufung ihrer Tadelssuper- lative undPersonalbeschimpfungen wirktaufdieArbeiterschaft längst nicht mehrmitdererhofftenWucht.DerdeutscheArbeiter istgegen dieseArtparteilichenGeschäftsbetriebes nachgeradeab- gestumpftund erfüllt fast ausnahmelos mitmusterhafter Pünkt- lichkeit seineStaatsbürgerpflicht.DiegescholtenenVeamtenaber würden denhärtestenTadel erstdann verdienen,wenn sie durch ungerechtenSchimpf, durchdieunbeträchtlicheTagesleistungein- zelnerZeitungschreibersichaus ihrerkaltblütigenRuhe drängen ließen.DieStaatsgewalt istbei uns starkgenug,um jeden Auf- ruhrversuch rasch niederzuzwingen. Mit dieser Gewißheit sollte man auchdarechnen,woman Unsnichtfreundlichgesinnt ist,und dieeitleHoffnung aufeineallmählicheEntkräftungdesDeutschen Reiches durchinnere Wirrnißfahrenlassen. Auch nach künstlicher Aufbauschung erscheinen unsere Schwierigkeiten nichtschlimmer alsdieanderer GroßmächtevonungeschmälertemAnsehen.Nir- gends ist auchnur derkleinsteAnlaßzu Sonderaktionen odergar zu einemHeiligen KrieggegendieUmsturzParteisichtbar.DieSo- zialdemokratie,dievon ,inneren Schwierigkeiten«ja selbst nicht freiist,wird in denGemeindeparlamenten undindergewerkschaft- lichenArbeit sich mehrundmehrdenNothwendigkeiten dernüch- ternen Praxis anpassenlernen und, wenn sie soweitist,überall auchals zurStaatsregirungMitwirkende willkommensein. Diese nützlicheEntwickelungwirdsichum soschnellervollziehen,jeruhi- german dieSozialdemokratie inihremFettschmorenläßtundje rascherman dieGewohnheit ablegt, sietäglichzumObjektvonEr- örterungenzumachen,dieihrSelbstgefühlinsUngeheuresteigern.
Wer sienichtineinemWahlkampfüberlisten,sonderndem Staat gewinnen will, darfsichmitihrnur beschäftigen,wenn esunver- meidlich istund solcheBeschäftigungnach Menschenermessen Heil- samesbewirken kann.DieWahl, die, nachderVerfassung,im LaufdessoebenbegonnenenJahresanzuordnen ist, hatnichtden Zweck,einer Partei eine Niederlagezubereiten,sondern den, einenZustandzuschaffen,der einestetige, tapfereunddemReich förderlicheGeschäftsführungsichert.Was diesemZweckdienen kann,wirdgeschehen;anderdazunöthigenZeitfehltesnochnicht.
Rezept. ?
Zudenkleinen und aufdie Dauer unersprießlichenManöverir einer ,Wahlmache«werden dieRegirenden sichnichterniedern.«
AmAbend vorderEröffnungderneuenLandtagssession wird bekannt, daßderKönigaus besonderemVertrauen vierzigPreu- ßenindasHerrenhaus berufenwolle. Davongehören dreißigder Industrie,demGewerbe undHandelan;dieübrigen sind Tech- niker,Handwerkerundauf höhereVetriebsposten gelangte Lohn- arbeiter. Jndem Kommentar wirddarauf hingewiesen, daßeine Zeit,inderDeutschlandsGesammthandelWaaren imWerthvon fastsechzehntausendMillionenMarkinBewegungsetzt,die Pflicht erzeugthabe,denVertretern diesesHandelsund derihmver- bündeten Berufe auchimHerrenhaus desgrößtenundgewerb- lich stärkstenBundesstaates denihrerLeistungangemessenen Platz zuschaffen.DieBesetzungdesHerrenhauses müssederStruktur des preußischenStaates entsprechen,dieheuteeinerweitertes Vertretungrecht fordere,weil sie nicht mehrzurichtigemAusdruck
omme, wenn, außerdenPrinzendesKöniglichen Hauses,dem privilegirtenAdel, deanhabern dergroßenHofämter,denDom- stiften, Provinzial- undFamilienverbänden,demalten undbe- festigtenGrundbesitz,nur diegrößerenStädteundUniversitäten in derErstenKammerSitzund Stimme haben. AuchdenKörper- schaftenderJndustrieunddesHandelssei fortandasRechtzur PräsentationzugewährenunddieZahlder ausbesonderemBer- trauen vomKönigzuberufendenPers onen zuerhöhen.DieRovelle zurVerfassungwerde demLandtag sofort zugehenundder Re- girungwiederMehrheit dieerwünschteGelegenheitzu demBe- weis bieten,daß sie zeitgemäßeReformen nicht feig aufschieben unddenum dieWirthschaftentwickelungverdienten Schichtendas ihnen gebührende politische Recht nicht vorenthalten wollen.
Aus demReichsanzeiger: ,,UeberdieStudienreise Seiner Kaiserlichen HoheitdesKronprinzenwerden fast täglich Privat- berichte veröffentlicht,durch dieleichtderGlaube entstehen könnte, dereinzigeZweckdieser Reisesei,derWaidmannslust undder Freude an Sportvergnügen jeglicherArtneue, inEuropanicht erreichbare Nahrungzu bieten.Wenn derdeutsche Bürgerimmer wieder vonallerlei glanzvollenJagdveranstaltungen und Reiter- festen liestoder garvernimmt, nur desGolfspieles wegenhabe
8 DieZukunft.
Seine Kaiserliche HoheitsichachtTagelanganeinemOrtaufgehal- ten,mußerderMeinungverfallen,eshandle sichumeineVergnü-- gungreisevon ungewöhnlicherLänge.Daswäre einbedauerlicher Jrrthum. DerKronprinz hat sicheinenernsten Studienplan vor- gezeichnet, dessen Durchführungder dem Lebensalter deshohen Herrn entsprechendeDrangnach körperlicherBethätigungnicht hindernoderauchnur verzögernwird. Daßdie insGefolgedes Kronprinzen zugelassenenVertreter derPresse,denen diestille Arbeit desThronfolgersnichtsichtbarwird, sichdurchdie aus- fiihrlichsteSchilderung desin denErholungstundenUnternom-
menen schadloszuhaltenversuchen, istbegreiflich.VonderJn-
telligenzunddempatriotischenVerantwortlichkeitgefühlderZei- tungleiter darfabererwartet werden, daß sie füreinesachgemäße Aufklärung ihresLeserkreisessorgenundnichtdenGlauben auf- kommen lassen,inLändern,von deren Wesenundfortwirkender Werdensgeschichtejeder ernste Europäersinnbei dererstenVe- rührungdietiefstenEindrückeempfangen muß,widme derKron- prinz seineganze ZeitSportspielenundanderer Lustbarkeit.«
VieleMitglieder der in Berlin tagenden Parlamente, auch desProvinziallandtages und derStadtverordnetenversammlun- gen,sindzueinem Vierabend ins Schloß geladenworden. An Beamte irgendwelchen Ranges sind Einladungen dazu nichter- gangen. Diese Thatsache beweist, daßanirgendwieoffizielleBe- sprechungenund bindende Vereinbarungen (die ohneMitwirk- ungderverantwortlichenVerather unmöglichwären)nicht gedacht wird.DerKaiserundKönigwünscht,dieStimmung derParteien unddervonihnenvertretenen Volksgruppen,ohnediedurchdas Temperamenteines vortragenden Ministers bedingte Färbung, aus unmittelbarem Verkehrkennen zu lernen undseinen Gästen (die,wiederHausherr, imschwarzenNockohneOrden erscheinen werden) eine GelegenheitzurückhaltloserAusspracheund be- quemer Konfrontirung ihrer Wünschezugeben.Dieser Versuch gesellschaftlicherFiihlungnahme undzwangloserJnformationsoll wiederholtund der KreisderEinzuladendensoweitgedehntwer- den,wie die in denFraktionenherrschende Verkehrssitte (ohne Rücksichtaufdas politischeVekenntniß)esirgenderlaubt.