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Die Zukunft, 11. Februar, Jahrg. XIX, Bd. 74, Nr 20.

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XC. Jahrg. Yerlityden11.«2februar1911.- Ye.20.

Herausgehen

Waximilian Kardew

Inhalt: Seite

Rüakuor ..........................,....205

Däademisåxe Baums-txt VonWacter Behrendk ............220

Bchmukx.VonHermann Schelenx ..................224

lviegrvtkeKunst. VonAlexander von Gleichen-Ruf1wurm .....231

Danhsikkenpolixei. Vontadon ..........-..·......235

Nachdruck verboten.

q—- f

Erscheint jeden Sonnakend Preisvierteljähuich5 Max-,dieeins-cu-Nmmuep 50Pi.

Ip.

Berlin.

Verlag den Zukunft.

WilhelmstraßeZa- 1911.

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Berlin, den 11.Februar 1911.

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Quatuor.

Schröder und Genossen.

mdritten Februar 1895 wurde Herr Ludwig Schröder,der imMai 1889 dievondenstrikendenBergarbeitern Abge- ordneten insberliner Schloß geführtund aus dem Munde des Kaisersdas Wort gehört hatte:»FürmichistjederSozialdemo- krat einReichs-undVaterlandsfeind«,alsSozialdemokrat mit anderen Genossenaus einerVersammlung desChristlichenGe- werkvereines gewiesen.AmKassentischforderter diezehn Pfen- nige,dieerfürdieErlaubnißzum Eintritt gezahlthat,zurück.Der mitderAufsichtbetraute Gendarme Gustav Münter,einbaum- hoher Mann, dem derAbzugderSozialdemokratenallzu lange dauert,tritt»energischundscharf«(WorteausseinerZeugenauss sage)an Schröderheranund ruft ihmzu: »Nunaber ’raus!«

Schröderstürzt,stehtauf,fälltzumzweitenMal; undverläßtdann den Saal. JnderZeitungdes»AltenBergarbeiterverbandes«

wird erzählt,Münter habedenVergmann durch zwei Stößezu Fallgebracht.DerRedakteur desVlattes, Herr Margraf, wird -angeklagt,Münter durchdieöffentlicheBehauptungnichterweis- lichwahrerThatsachenbeleidigtzuhaben. Schröder sagtunter demZeugeneid aus, daßderGendarme ihn gestoßenhabe;sechs Genossenbeschwören,daß siedenStoß gesehen haben.Münter leugnetihn;sagt, daßseineHanddenBergmann nichtberührthabe, undfindetZeugen,diebekunden, daßsiedenStoß,derihremAuge nicht entgehen konnte, nichtgesehen haben.Dadieessener Straf- kammer nur dieBelastungzeugenfürglaubwürdighält,verur-

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theiltsiedenRedakteurzusiebenTagenGefängniß.DieKönig- licheStaatsanwaltschaft amLandgerichtEssen abersagtsichnicht:

·,,ErregungundpolitischesVorurtheil magdieseLeutegeblendet haben;ihren gutenGlauben anzuzweifeln, ist schon deshalbkein

«Grund,weils dochgar zu albern wäre,solcherKleinigkeitwegensich derMeineidsgefahr auszusetzen.KeineMachtder Erde bringt michindieThorenmeinung,vonzweieinander widersprechenden Eidenmüsseeiner wissentlich falsch sein.Jchbinzufrieden damit, daßdieStraskammer meinen Zeugengeglaubt hat; irrrten sie, so ist fürMargraf,der·wegenanderer Preßvergehen siebenMonate zuverbüßenhat,dieZusatzstrafevoneinerWoche schließlichkeine Katastrophe. Jch lassedieSache ruhen.«DieKöniglicheStaats- anwaltschafterhebtgegenMargrafs siebenEntlastungzeugenAn- klagewegen wissentlichen Meineides, nennt sie,inderAnklage- schriftwiderSchröderundGenossen,,,verbissene Sozialdemokra-

·ten« und erreicht raschdieEröffnungdesHauptverfahrens Jm KäfigderAngeklagtensozialdemokratischeVergarbeiter;aufden Bänken derGeschworenen essenerBürger,die daskreischendeGe- schimpfderProletarierblätter oftgeärgerthatund die,wieder

.Deuts cheKaiser,indemGlaubenleben,jederSozialdemokratsei ein

«Reichs-undBaterlandsfeind. SolchenLeuten traut das feind- licheKlassenempfinden gern denEntschlußzu einemMeineid zu.

Und der Vertreter derAnklagebehörde schürtdenGroll durchdie ,Feststellung,daßfastallefür dieAngeklagtenZeugenden der So-

,zialdemokratie angehören. Immerhin muß sogareinSchutzmann, müssen christlichssozialeZeugenzugeben, daßMünter ,,mitden Armen gestikulirtahabe;währenderselbstbehauptet,seine rechte Handseigeballtgewesen,dielinkehabedenSäbelgriffumfaßt

»undnur seinLeib vielleichtdenKörper Schröders berührt. Fünf- zehn unbescholteneMänner zeugen widerMünter. DochdieJury glaubtihm.AmsiebenzehntenAugustabenddesJahres 1895ver- kündet ihrObmann denSchuldspruchDiesieben Angeklagten werden insZuchthaus geschickt.AmnächstenMorgen preistdie zKölnischeZeitung»den Tag,an demeinSchwurgericht durch

·seinen Spruch festgestellt hat,daßSozialdemokratengeneigtsind, fürinbedrängterLage sichbefindendeGenossenmiteinemMeineid

»einzutreten«.Aehnliches liestmaninanderen Zeitungenähnlicher Farbe.Undan demselbenTagschreibtSchröderan seinen Bek-

»theidiger,Herrn Rechtsanwalt Dr.Victor Riemeer inEssen:

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Quatuor. 207

»SeienSie versichert, ichwerdemeinemirauferlegteStrafe,wenn esnichtanders sein kann,mitmännlicher Geradheitzutragen wissen;dieabsolute Schuldlosigkeit giebtmirdenMuthunddie Kraft,auchinunglücklichenTagenmitderinnerlichstenBeruhi- gungdersotraurigenZukunft getrost entgegenzusehen.Mit aller HochachtungLudwigSchröder,zu272JahrenZuchthaus,Ver- lustderbürgerlichenEhrenrechte aufZJahre undniemals wieder als Zeugeoder Sachverständigerzugelassenzu werden Verm- theilterwegenwissentlichenMeineides.«

Diesen BriefhatHerrDr.NiemeyerimSeptember1895hier veröffentlicht;undgesagt:,,Das menschliche Auge istkeinphoto-

-graphischerApparat; dasdeinGeisteingeprägteBild verändert sichdurch spätereErzählungenundBesprechungen,wobei die Suggestion eine unglaublich großeRolle spielt; Gehörtesund -Wiedererzähltes vermischt sichmitdemThatbestand deswirklich Veobachtetem undso entstehen Schilderungen, die unvereinbar scheinenundvon derenWahrheit dieSchilderndendochfestüber- zeugtsind.Wenn Münter wirklich gestoßenhätte, sowäreohne -Weiteres noch nicht anzunehmen, daßereinenMeineid geleistet habe. Auch diesernervös erregte Mann, dertäglichinähnliche Konflikteeinzugreifen hatunddersichindembochumerProzeß vielbedeutsamerer Dinge ,nichtzuentsinnen«vermochte,brauchte sichderEinzelheitenseines Vorgehens nichtmehrbewußtzusein.«

»NochimAugust hatte ich geschrieben: »Wer dieMacht derSag- gestionundAutosuggestionkennt,kannsichvorstellen, daßdieAn- Igeklagtetl Optjmafidegeschworen haben, selbstwenn dieBehaup- tungdesGendarmen, erhabe SchrödermitderHandnichtbe- rührt, richtig ist.DaMünters PersönlichkeitnichtdenbestenEin- druckmachteundersichzuleichtfertigenBehauptungen hinreißen ließ,da keine der beidenZeugengruppeninihren Aussagenent- kräftetwurde und dafernerdiefünf Vertheidigerin einer feier- lichenKollektiverklärungdiesesteUeberzeugungvon derUnschuld ihrerKlienten aussprachen,erwartete man ziemlich allgemeindie FreisprechungderAngeklagten. DieMöglichkeit, daßdieGe- schworenenimVann einerKlassenanschauungstanden,dieihnen Sozialdemokratenweniger glaubwürdigerscheinen ließals-andere Bürger,istindiesemFallschwerabzuweisen.DerGenossewar nicht dumm,der einmal sagte,dieSozialdemokratiekönne,ohne sichselbstanzustrengen,von denFehlernihrerGegner frohund

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behaglichleben.«Herr Schröder hatte,alserinsZuchthauskam, zehn Kinder,warJnhaber derKriegsdenkmünzevon1870 und derLandwchrdienftauszeichnungund, trotzdemerschonzweiJahr- zehnte lang fürdieBergarbeiterfocht,nur dreimal (wegenVe- leidigung durchdiePresseundwegenAufforderungzumStrike) bestraftworden. Einruhiger Mann; keinsetzenErhatdieZucht- hauszeit inleidlicher RüstigkeitüberlebtundiftjetzteinSechziger.

SechzehnJahrelang hat, ohnevom FehlschlagdenEifer lähmenzulassen,Herr Dr.Niemeyer fürdasRecht seinesMan- danten gekämpft,derihmdieMühe doch nicht durch hohen Lohn vergelten konntezundendlich erreicht,daßvomhammerOberlan- desgerichtdieWeisung kam,dasBerfahrenwieder aufzunehmen.

(Warum entschließenunsere Gerichte sich so schwerzurWieder- aufnahmeeinesdurch rechtskräftiges Urtheil geschlossenenVer- fahrens?Warum sträuben fie sichmeist so sprödgegen denNach- weiseinesder imParagraphen 399derStrafprozeßordnungum-

schriebenen Berfahrensfehler? Richter,dieaneiner Schwurge- richtsverhandlung mitgewirktundnachderenSchlußzu dem Ver- theidiger gesagt hatten,keinerStrafkammer hätte dieser Thatbes standzu einerVerurtheilung genügt, habeninderfelben Sache denAntrag,dieWiederaufnahme zubeschließen,abgelehnt.Der Fallist nicht vereinzelt.Sind zehn Wiederaufnahmen, die das rechtskräftigeUrtheil bestätigen,vonStaat undJustiz nichtleich- terzutragenals eine Ablehnung desVerfahrens, das einem schuldlos Vestraftenzuseinem Recht,seinerEhrehelfenkönnte?) Wieder standen SchröderundGenossen (einer ist inzwischenge- storben,einerverschollen)nun vordemessenerSchwurgericht:und diesmal find siefreigesprochenworden«DerKronzeugevomMai 1895, Gendarme GustavMünter,isttot,sein Zeugnißdurchneue

Angabenalsmindestens objektiv unglaubwürdigerwiesen.Das Schwurgerichthatfestgestellt,»daßeinbegründeterVerdachtge- gendieAngeklagtennichtmehr vorliege«,undihnendeshalb,nach demerstenParagraphendes»GesetzesbetreffenddieEntschädi- gung der imWiederaufnahmeverfahren freigesprochenenPerso- nen«(vomMai 1898),das Recht auf Entschädigungaus der Staatskassezuerkannt.Das istamdritten Februar191 1geschehen.

Das genügt abernicht.DenMännern, dieschuldlosimZucht- hausgesessenhaben,schuldetDeutschland einestärkereGenugthu- ung. SechzehnJahre lang sind siealsEntehrtedurch dieNeihen

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ihrer Mitbürgergeschritten;undvonManchem hattendieNäch- stenselbstsichinZornoderVerachtung gewandt.Was kannge- schehen?Da dieEnthüllungdesFehlspruchesundseinerFolgen dieGemüther mächtiggepackthat,wärerascheinestattlicheSumme fürdieüberlebendenOpfereinesverhängnißvollenJustizirrthums aufzubringen ;leicht aucheineFormzufinden,diederEhrengabe jedenMakeleinesAlmosensnähmeDasgenügtnochnicht.Mein WunschsuchteinwürdigeresDenkmal.JneinerErklärung,dervon derMaßbisandieMemel,von derEtschbisandenVeltUnter- schristenzuwerbenwären,müßteausgesprochenwerden, daßAlle, dieentschlossensind,mit-den großenZeichenderZeitzugeben, alleKraftandieAusgabe setzen wollen,dieWiederkehrdunkler Stunden zuverhüten,indenenein Glaube geächtet,einDeutscher demanderen alsTotseind verdächtigtwird undderWahn,der einernachanderer GesellschaftsormstrebendenParteiAnhangen- deseieinunredlicher, unsaubererMensch, neues Unheil zeugt-Daß siewederdasZielnochdieKampfesart derSozialdemokratie billi- gen,aberüberzeugtsind, daßeinegedeihliche Entwickelungdeut- schenNeichslebcns nur gesichertwerden kann,wenn diese Partei wiejedeanderebehandeltund allmählichsozurpositivenMitarbeit amReichsgeschäftgezwungen wird.Daß siedesunnützlichen(83e-

-redes gegen diese Partei (schonweiles im Ausland falscheund demReich schädlicheVorstellungenvon der inneren Einheitund äußerenStoßkraft Deutschlands entstehen läßt) längstmüde ge- worden sindundnichtschweigend zuhören werden,wenn einebe- drängte NegirungoderParteienkoalition, um denBlickvonihren Schwierigkeitenabzulenken,zu einemKreuzng gegendieSozial- demokratie ruft,zu demnirgends auchnurderkleinste Anlaß sicht- barist.DaßihreUeberzeugungdenkürzestenAusdruck indem Satz findet:DieSozialdemokratiewirdindenGemeindeparla- menten undindergewerkschastlichenArbeit sichmehrundmehr denNothwendigkeitendernüchternenPraxis anpassenlernenund muß,wenn sie soweit«ist,überall auchalszurStaatsregirung Mitwirkende willkommen sein;diese wohlthätigeEntwickelung wirdumso schneller vorschreiten, je ruhigerman dieSozialdemo- kratieihremSchicksal überläßtundjeraschermandieGewohnheit ablegt, sie täglichzumObjektvonErörterungen undKriegserklä- rungen zumachen,dieihr SelbstgefühlinsUngeheure steigern.

Jünftens: daß siedenEntschluß,auchinderZeitderReichstags-

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wahljedem Versuch derVolkstäufchung (durch grelle Ausmalung desNothenSchreckens)sichkräftigentgegenzustemmen,geradejetzt rückhaltlos aussprechen,weildieessenerVorgänge,die denBlick indas Jahrder,,Umsturzvorlage«zurücklenken,gezeigt haben, welches Unheil durchdieLockerungderVolksgemeinschaftbewirkt werden kann,und weileseinerNation von derKraftunddem Muth derdeutschen unwürdig ist,einVierteljahrhundert lang, dumvolvitur orbis,aufdemStandpunktzubleiben,den, vorvöllig Neuem und bedrohlich Scheinenden, dieerste Angst empfahl, Ueberrumpelten empfehlenkonnte...Das wäre ein Denkmal.

DieStrafsache sollman nichtzurHintertreppengeschichtever- pfuschen.DerlangeMünter scheinteinfleckigerLüdrian,braucht aberkeinScheusal gewesenzusein;nichteinabgebrühterHalunke, der,um sicheinen sanftenNüffelzuersparen (Schlimmeres hatte er,beidemWind, derannoUmsturzvorlagewehte, ja nichtzufürch- ten),siebenanständigeMänner insZuchthausschwört.Wenn er nochlebteundjetzt, nachdemFreispruchdesessenerSchwurge- richtes,alsdes Meineides Angeklagtervor dieJurykäme,wäre solches Verfahrenkaumvielerfreulicherals dasimSommer 1895 begonnene.Damals mußteeinweiser Richter sämmtlicheEide nach ihremwahrenWerthwägemsiealsehrlichenAusdruckeines vielleichtirrenden Glaubens nehmen, nichtalsobjektive,nur durch denNachweis desMeineides zuerschütternde..Feststellung«des Thatbeftandes DieerstenMinuten ineinerArbeiterversamm- lung. Stimmengeschwirr undgeschäftigeBewegung.DieChrist- lich-SozialeninhellerWuth,weilSozialdemokraten sichinden Saal geschmuggelthaben;gewißinderAbsicht,dieVersammlung zusprengen.Die Sozialdemokratenknirs chen: siehaben,weil»freie Diskussion«zugesagtworden war,an derKassedasEintrittsgeld gezahlt,um den LeutendesChristlichen Gewerkvereines wieder einmal gründlichdieWahrheit zusagen,und werden nun, wie räudigeHunde,weggejagt.Der Gendarme hat sichnatürlich schon über dieStörungseinerAbendruhegeärgert,dieerbeimSchoppen genießenwollte,undfürchtetjetzt,dieNenitenzderRothen,dieer längst aufdemStrich hat,werde die Dauer derVersammlung nochweitüber dieGeisterstunde hinaus dehnen.Wenn ernichtein schlapperKerlscheinen will, mußdieVagagedraußen sein, ehe derLärm seinen Wachtmeisteraus demSchänkraum herbeiruft.

Ernähert sichHerrn Schröder,der zuzaudern scheint,und will,

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Quatuor. 211

,,energischundscharf«,demNädelsführerBeine machen. »Nun aber’raus!«DieKörperderBeidenberühreneinanderHatMünter gestoßen?Mit derFaust,dem KnieoderBauch?AlserdieVe- hauptung liest, sagterwohl: ,,Blech; ich habeden Mann garnicht angefaßt-« Sagts auchdenVorgesetzten; undistüberzeugt,daßer AIahrheit spricht.Wenn erinderHauptverhandlung gegen den NedakteurMargraf »umfällt«,istseineVehördeblamirt, dieseine Aussage zurStellungdesStrafantrages bestimmt hat.Aberer fällt nichtum. Sozialdemokraten recken dieSchwurfingergegen ihn?DieSorte kenntman. DielassenkeinenGenossen,demihr Eidheraushelfenkönnte,imWurstkessel schwitzen.UndMünter wirdweder vomStaatsanwalt nochvomVorsitzendenhartange- Packt;nichtindemGewitterton,indemschonderschreckendeDonner desStrafparagraphen 153grollt, ermahnt,gewissenhaft (,,weil sonstWeiterungen entstehen könnten«)zuüberlegen,obnichtdoch vielleichteineZufallsbewegung seines KörpersdenVergmannzu Fall gebracht habe.EinDiensteid!Denauchnur leise anzuzwei- feln,dünktmanchen Gerichtsbeamten eine Sündewider denHei- ligen GeistderAmtspflicht. DieFrage,ob derangeklagteRe- dakteur zubestrafenoderfreizusprechen sei,war leichtzu beant- worten. Ermußtebeweisen,daßderGendarme gestoßenhabe.Das konnte ernicht;hattedieThatsacheabervonsiebenglaubwürdigen Niännern gehört,die alsbeeidete Zeugennun für seineDarstell- ungeintraten.War also,selbstwenndasGericht ihn fürfahrlässig hielt, höchstensanseinemGeldbeutel zustrafen. MußtedieFrage, ob Münter gestoßenodernur ,,gedrängelt«habe,zur Staatsaktion

«aufgebauschtwerden?Daßer, wenns nichtandersgegangen wärez gestoßen(und damit, nach seinerMeinung, dieDienstpflicht nicht verletzt) hätte,hatder Gendarme alsZeugebekundet. Undwegen solchen QuarkseinhochnothpeinlichesSchwurgerichtsverfahren?

DaßSchröderundGenossen verurtheilt wurden,war dieSchuld derJury;Männer,dieinihremKlasseninteressewurzelnund denen dieErfahrungdesPsychologenundKriminalisten fehlt, sindzur Urtheilsfindung inhalbwegs schwierigenRechtssällenebendoch nicht sogutgerüstet,wiedervomSegenderBolksgerichte Schwär- mende wähnt.VonallerSchuld sindaberauch dieJuristen,diean demVerfahrenmitgewirkthaben,nichtloszusprechen.DerGerichts- hofwar andenWahrspruch derGeschworenen gebunden; konnte iaber,wenn dessenGrundmauer ihmbrüchigschien,einegelindere

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212 DieZukunft.

Strafeverkünden. DerVorsitzende mußtebei derNechtsbelehr- ungden Laieneinschärfen,daßeinebeeideteAussage,densan- haltals objektivunrichtigerwiesenseüdieThatbestandsmerkmale strafbarenMeineides erst durch denNachweis wissentlichfalschen Zeugnisses erhalte.Wenn dieVeschlußkammersich diesesUnter- schiedes bewußtgeworden(undbeiunsdie Eröffnung ebensoaus- führlichzubegründen,auchebenso angreifbarwiedieAblehnung) wäre, hätte siedas Verfahren nicht eröffnet.Wann endlichwird demHirnallerRichter einleuchten, daßinneunzigvonhundert Fällenderredlichste Zeugenur beschwörenkann,waserfür rich- tig hält,und daß erstderNachweis einerwider besseres Wissen beschworenenAngabeihn meineidig macht?Zueinerseugin, die gesagt hatte,genau so,wie sie ihn dargestellt habe, seiderVorgang inihrem Gedächtniß, hörteicheinenStrafkammerpräsidentenspre- chen: »Achwas! JhrGedächtniß!Damit kanndasGericht nichts anfangen.DieSache ist elfJahreher. Hier handelt sichs darnm, obsieganzsichersowar,wieSieangeben.Vedenken Sie, daßSie unter JhremEidstehen!Sie hören doch, daßein anderer Zeuge ganzanders aussagt.Dakönnen Sie unsnichtmitihremGedächt- nißkommen!«Wäre inPreußenderJustizministereinKrimina- list(daßersnicht ist,hatHerrBeselerdurchdieganzeVehandlnng dermoabiter Sache,insbesondere durchseineRedeüberdenNoth- wehrbegrifswieder gezeigt),dann würdeerdieErstenStaatsan- wälteanweisen,gegendie imneuntenAbschnitt deszweiten Stras- gesetzbuchtheiles aufgezähltenVerbrechennur da einen Strafan- tragzustellen,wo nüchterne ErwägungdenNachweis wissentlich falscher Bekundung für wahrscheinlich hältundnichtnurdieHoff- nung-winkt,dasKlassengefühleinerJnryüberdie LückendesThat- beweises wegreißenundso »die Sachedurchkriegen«zu können.

Moabit.

EinStatistiker müßteeinmal ausrechnen, wievieleArtikel über die moabiter Ex-undProzesseinDeutschland veröffentlicht worden sindundwievieleStunden berliner Parlamente mitder Erörterung dieser Gegenstände verschwatzt haben.Die Stunden- zahl istgewißgrößeralsdie inzehn JahrenderPrüfungdesin- ternationalenReichsgeschästes gegönnte.Nachderlangwierigen Drescherarbeitblieb aufderTenne kaum einbrauchbaresKorn.

Da außerderStraskammer das Schwurgerichtbemühtworden

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Quatuor. 213 war,mußteman erwarten,daß dieNädelssührerdiehärtesteAuf- ruhrstrafe(Zuchthausbiszuzehn Jahren und Polizeiaufsicht) treffenwerde. Das ist nicht geschehen; so schlimm,wiesiegeschil- dertworden waren, kanndieZusammenrottungundderWider- standgegendieStaatsgewalt also nicht gewesen sein.Unddaßdie überanstrengte, durchgröbstenSchimpfundtückischenAngriffge- reizteSchutzmannschaftvieleFehler gemacht,vieleUnschuldige mißhandelt hat,istvondenGerichten,imNamen desKönigs,fest- gestelltworden. Wenn insolchem Fall,der dasBürgergefühlauf dieSeite derfür OrdnungundSicherheit kämpfenden,blutenden Polizeidrängt,einpreußischerGerichtshofsichzusolcherFeststell- ungentschließt,müssenmindestens einzelneVertreter der Staats- gewaltrechtarggesündigthaben.JmGetümmelisteinUnschuldiger getötetundderVeamte,dessenWaffe ihn niedergestreckthat, nicht gefunden worden.Nachder(noch nichtwiderlegten) Behauptung derVertheidiger wurde einem durch rechtskräftigen Gerichts- spruch verurtheilten Zeugendervon einem Kriminalkommissar für ihnerbetene Strafausschub gewährt,damiter,dessenAussage dieAngeklagteu belasteu mußte,nichtalsGefangener vorgeführt werdeunddenGeschworenendann wenigerglaubwürdigscheine

«alseinfreierMann. Jsts wahr, so istgegendieParagraphen 487 undz188derStrafprozeszordnunggehandeltworden. DerAbge- ordnete Deine,der in beidenProzefsenVertheidigerwar,hatim Reichstaggesagt: »WasindiesenProzessenan offenerundver- steckterBeeinflussung geleistetworden ist,war bisher unerhört.

DieAnklagebehörde hat Kniffe angewandt, dieman an einem Rechtsanwalt, alsgemeine Advokatenkniffe,lauttadeln würde«

Daraufist nicht geantwortet worden. DerAbgeordnete mußer- sucht werden,die Behauptungda zuwiederholen,woernichtim- munist und gezwungen werden kann,siealswahrzuerweisen.

EinstwcilenhatderpreußischeJustizminister,demdieFehlerliste wohl noch nicht langgenug schien,neuen Grund zuernsterVe- schwerde geliefert.DerSchwurgerichtsprcisident hatte sichver- pflichtet geglaubt,inseinem Schlußvortrag(,,Rechtsbelehrung«) dieMeinung derVertheidiger zubekämpfen, daßderThatbe- standstrafloser Nothwehr schongegebensei,wenn dersichWeh- rendedenAngriff für,,rechtswidrig«(in diesemFall also für nicht vom Privilegium derAmtspflicht geschützt)hielt;undaneinem Beispielzuzeigen versucht,wann dasGesetzerlaube,einenrechts-—-

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214 DieZukunft.

widrigen Angriff, auchdeneines Polizeibeamten, »durcheinen wohlgezielten Revolverschußabzuwehren«.DieAbsichtwar löb- lich,dieFormdesSatzesmißlungen. JnderPresse entstandLärm.

Rechtswurde dermißverstandeneRichter gerüffelt,links(sicher sehrwiderseinenWunsch)alsHortderFreiheit gepriesen.Weil HerrBeselervoraussah, daß auchdavon währendderBerathung desJustizhaushaltesdieNede sein werde, forderteerdenRichter auf, ihmin einem »Privatgespräch«ZweckundJnhalt des auf- fälligenSatzeszu erklären. AlsdieserSchrittgetadeltwurde,ant- wortete derMinister,erhabenur,um imLandtagAuskunftgeben zukönnen,vondemNichtereineJnformationerbeten. ,,Wassollte ichdenn thun?« Zweierleikonnte erthun.Entweder sichmitdem Berichtdes Oberstaatsanwaltes Preuszbegnügen,der die An- klagebehördevordem Schwurgerichtvertreten hatte,undimLand- tag«sagen,daßersichnichtberechtigtdünke,denunabhängigen NichterzumBerichtübereineAmtshandlung aufzufordern. (Dann war ihm »Beifall aufallenSeiten desHauses«sicher.)Oderdurch dasMedium derStaatsanwaltschaft denRichtersostimmen,dasz erselbst,aus freiem Willen, demMinister diegewünschteAuf- klärung anbot;unddann imAbgeordnetenhaussprechen: »Die Information, dieich,umjedesMißverständnißzumeiden, nicht erbeten hatte, hatderHerrLandgerichtsdirektormirgegeben, ohne irgendwie dazu genöthigtworden zusein.«SowäreeinGeschick- terum dieKlippe gekommen;undhätte sichnicht derGefahraus- gesetzt,ausdem Mund einesstolzenRichtersdieAntwort zuhören:

»Wasich,nachderVorschriftdes §300StP O,denGeschworenen gesagt habe,gehtEureExcellenzgarnichtan.«DochvonGeschick- lichkeitwarindem ganzen Handeljanichtszuspüren.Daszeran- dcrsbetrieben werden konnte, scheint, ausdemOrdensfest,auchder KaiserdemErstenStaatsanwaltSteinbrecht angedeutetzuhaben-

»Schonwieder hatvonJhnenEtwas inderPressegestan- den. DieRede,die Sieam Geburtstag desKaisersvorJhren höherenBeamten gehalten haben-Als muthigerundaufrichtiger Mann werden Siemirnicht erzählen,der Wortlaut seiohneJhr Wissen veröffentlichtworden. Einen Polizeipräsidenten,dersich injedemQuartal mindestenseinmal derNeugier desZeitung- lcsersempfiehlt,kannich nichtbrauchen. Bisher habe ichSie ge- halten,weil dieSozialdemokratenJhre VersetzungsüreinenPar- tcierfolg ausgegeben hätten.AberSie stellenmeine Geduld auf

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Quatuor. 215

schwere Proben. SiesindeingescheiterMann vonbestemWol- len und mögen sichzurMinisterpräsidentschaft berufenglauben.

Nochaber binichdiesesAmtesJnhaberzundduldenicht, daßein demMinisterium desInnerenunterstellter Exekutivbeamtermir inspolitische Geschäfthineinpfuscht.UeberGeschmacksfragenwill ichmitJhnen nichtstreiten.JnJhrer neustenRede bekennen Sie sichzu demGlauben andasKönigthumvonGottes Gnaden und erzählen, daß manche Republikuns umSeineMajestät beneide.

Das maghingehen; sowunderlich sichs,alsPolizeipräsidialerlaß, inderZeitung macht. Glauben Sieaber, daßdieWittelsbacher, Wettiner undandere deutsche Vundesfürften sich freuen,wenn sieausJhremMund hören,dieHohenzollernseienein ,unver- gleichliches«HerrschergeschlechtkckkDaß Jhre Angabe,dieSchutz- mannschafthabe,tadelloseM-mnszucht gehalten«undihr,Ehren- schild«seirein,dieGerichtsurtheile,dieanders sprechen,übertönen kann? JhrenLeuten istvielfachUnrecht geschehen;doch sie haben oft auch Unrecht gethan. Oefter,alsich nachdenerstenVerichten annehmen durfte. Jeder Sterblichekannirren? Stimmt; sagt schon Theognis Cicero,derswiederholt,setztaber,mitFug,hinzu,daß nur derThor sichindenJrrthum festbeiße.DieSchutzleute haben schwereArbeit gehabtundsindvonNoheitundNiedertrachtbis aufsBlut gereiztworden. Daraufmüssensiegefaßt sein.Das darf sie nichtinblindeWuth treiben. Jch binfürWahrungder Staats- autorität;wenn ichaber gesehen hätte, daßunschuldige Menschen s(wie Jhre Offizierevor Gerichtanerkannt haben),Frauen und Kinder sogar,mitdemSäbel geschlagen wurden, wäre auch ich wildgeworden. Jcherwartete vonJhnenBorschlägezueinerRe- organisationdes Dienstes: undSie rückenmitder tadellosen Mannsznchtund demreinen Ehrenschildan. Ueberall heißts nun natürlich,inPreußen dürfediePolizei ihre Mißachtungge- richtlicherUrtheilezuöffentlichhörbaremAusdruck bringen.Wen triffts? Mich.Mir scheint,Sie hättenam Alexanderplatz,wo dreiViertel desDienstbetriebes modernisirtwerden müßten,ge- nugzuthunundkeinenAnlaß, sichimmer wieder in,weiteste Oef- fentlicl)keit«zudrängen.Das Menschenrecht,imStreben zuirren, iiberschreiten«Sie,wenn Sie annehmen,die moabiter Sache (die, nachpreußischerTradition,nach demAblaufeines Tagesbeendet sein mußte)habeJhnenLorber eingebracht. Wirklichnicht;elenso wenigwieJhre Behandlung derArbeiterdemonstrationen, Jhre

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