• Nie Znaleziono Wyników

Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 15. Jahrgang, 1905, Heft 2.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 15. Jahrgang, 1905, Heft 2."

Copied!
120
0
0

Pełen tekst

(1)

ZEITSCHRIFT

des

Vereins für Volkskunde.

15. Jahrgang.

Begründet von Karl Weinhold.

Im Aufträge des Vereins

h e ra u sg e g e b e n von

Johannes Bolte.

Heft 2. 1905.

B E R L I N

Behrend & Co

(vorm als A. A s h e r & C o ., V e r l a g )

Die Zeitschrift erscheint 4 mal jährlich.

(2)

S e ite

Aus alten Novellen und L egenden. Von P ietro T o ld o (8. Die S a k r i s t a n i n ) ... ... ...129— 137 D as Salz im V olksglauben. Von Otto S c lie ll (1. W oher kommt das Salz? 2. D ie lebenspendende K raft des Salzes. 3. Nach­

träge) ... ...137— 141) Bildergedichte des 17. Jah rh u n d erts, gesam m elt von C am illis W e n d e i e r (herausgeg. von J. B olte: 7. D er K am pf des bösen W eibes m it den Teufeln. 8. D oktorprobe. 9. D er diebische Zöllner und seine F rau. 10. D ie verkehrte W elt.

1 1. D ie w iderw ärtige W elt. 1 2. Die törichte W elt) . . 150— lli5 Grussform eln russischer B auern im G ouvernem ent Smolensk.

Von R obert C ro o n . . ... . . . Uifi —171 K leine M itteilungen:

D er Binder. Von A. P ö s c h l . S. 172. — Das Kutschkelied. Von J. B o lte . S. 173.

— Rübezahls W agenspuren. Von R. L o e w e . S. 176. — W eihnachtsfeier in der ehe­

maligen D eutschbanater M ilitärgrenze. Von R. v. S t r e l e . S. 179. — Zaubersegen des 16. Jahrhunderts, aus dem Orgichtboecke im Braunschweiger Stadtarchive. Von 0 . S c h ü tt e . S. 180. — Zu den ABC-Kuchen. Von H. L ew y. S. 181.

B erichte und B ücheranzeigen:

Forschungen über volkstümlichen Wohnbau, T racht und Bauernkunst in D eutschland im Jah re 1903 ( I I —IV). Von 0 . L a u f f e r . S. 182. — N euere Arbeiten zur slawischen Volkskunde (1903), 1: Polnisch und Böhmisch. Von A. B r ü c k n e r . 2: Südslawisch und Russisch. Von G. P o l i v k a . S. 204. — Neuere M ärchenliteratur (Bonus, v. d. Leven, W ake, Polivka, Steig, Wisser, D ähnhardt, Bundi, Ulrich, Chauvin, v. Held). Von J. B o lte . S. 226. M. P r e i n d l s b e r g e r - M r a z o v i c , Bosnische Volksmärchen (G. Polivka). S. 230.

— 0 . S c h r ä d e r , Totenhochzeit (Th. Zachariae). S. 232 — R. A n d r e e , Votive und W eihegaben des katholischen Volkes in Süddeutschland (J. Bolte). S. 233. — W. T lia l- b i t z e r , A phonetical study of t,he Eskimo Language (A. Heusler). S. 235. — P. H i l d e ­ b r a n d t , Das Spielzeug im Leben des Kindes (E. Lemke). S. 236. — A. de C o ck en J . T e i r l i n c k , Kinderspel en kinderlust in Zuid-Nederland IV (J. B.). S. 237. — P. H.

van M o e r k e r k e n jr ., De satire in de nederlandsche kunst der middeleeuwen (J. B.).

S. 238. — G. P i t r e , Studi di leggende popolari in Sicilia (J. B.). S. 238. — The Shade of the Balkans, a collection of B ulgarian folksongs and proverbs (K. D ie te r ic h ) . S. 239. — Ellen u. P aul M i tz s c h k e , Sagenschatz der Stadt W eim ar und ihrer Umgebung (J. B.). S. 240.

Adolf Bastian f . Von Max R o e d i g e r . ... 241 A nna W einhold f . Von Max R o e d i g e r ... 242 Aus den Sitzungs-Protokollen des Vereins für V olkskunde (O. E l t e r ­

m a n n ) ... 342

B e i t r ä g e f ü r d ie Z e i t s c h r i f t , b ei denen um deutliche Schrift auf Q uartblättern m it R and gebeten w ird, M i t t e i l u n g e n im I n t e r e s s e d e s V e r e i n s , K r e u z b a n d s e n d u n g e n beliebe man an die Adresse des H erausgebers, P rof. D r. Johannes B o l te , B erlin SO. 26, E lisabethufer 37.

zu richten.

B ücher zur B esprechung in der Zeitschrift wolle man an die Verlags- B uchhandlung A. A s h e r & Co., B e rlin W ., U nter den Linden 13, senden.

B eitrittserklärungen zum Verein nehm en der 1. und 2. V orsitzende Prof. D r. Max R o e d i g e r , B erlin SW., G rossbeerenstr. 70, und Prof. Dr.

Johannes B o lte , sowie der Schatzm eister B ankier Hugo A s c h e r , Berlin N., F riedrichstr. 112b, entgegen.

D er Jahresbeitrag, wofür die Zeitschrift an die M itglieder gratis und franko geliefert wird, b eträ g t 12 Mk. und ist bis zum 15. J a n u a r an den Schatzm eister zu zahlen. Nach diesem T erm ine w ird er von den B erliner M itgliedern durch die P aketfahrtgesellschaft efngezogen werden.

(Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.)

(3)

Aus alten Novellen und Legenden.

Von Pietro Toldo.

(Vgl. oben 13, 412—426. 14, 47—61. 15, GO—74.)

8. Die Sakristanin.

In B o z o n s nach 1320 niedergeschriebenen ‘Contes m oralises’1) heisst es: „Als König- R ichard zum heiligen L ande zog, verliebte sich ein R itte r aus seinem Gefolge in einer Stadt, wo sie sich eine W eile auf hielten, in eine Nonne, die endlich den B itten des R itters Gehör schenkte. Eines Nachts nahm sie die Schlüssel des K losters, da sie selber P fö rtn erin war, und wollte zu dem R itte r gehen, dessen W ohnung nahe dem H ause lag ; und da sie Gott und seiner süssen M utter ergeben w ar und jedesm al niederkniete, wenn sie vor dem Kreuze vorüberging, so sprach sie auch je tz t: ‘Ich flehe zu dir, Jesus Christus, und danke dir für m eine E rlösung;

durch deine teuren W unden und dein heiliges L eiden schütze mich vor Unfall und vor der höllischen P e in !’ Als sie so gesprochen, nahm sie die Schlüssel, öffnete das T or und wollte hinaus. D a stand das Kruzifix vor ihr und streckte die Arme aus. A ber sie war von fleischlicher A n­

fechtung so entbrannt und von der finsteren N acht so geblendet, dass sie es nicht m erkte. D a streckte das Bild des G ekreuzigten eine H and aus und fasste und hielt sie, dass sie nicht von der Stelle konnte, bis die Nonnen zur Mette aufstanden und sie dort festgehalten fanden. D a begann sie ihren bösen Vorsatz zu bereuen und versprach B esserung, und das Kruzifix zog die H and zurück. Alle, die dies W under hörten, lobten Gott wie billig .“

Bozons Erzählung ist, obwohl die trefflichen H erausgeber es nicht angem erkt haben, inhaltlich sehr ähnlich einer bereits bei C a e s a r i u s v o n H e i s t e r b a c h 2) ( f 1240) auftretenden Geschichte: Eine von Liebes-

1) Les contes moralises de Nicole Bozon, ed. L. Toulmin Smith et P . Meyer (Paris 188!)), p. 100, nr. 80.

2) Dialogus m iraculorum 7, 33 ed. Strange. — Vgl. meinen Aufsatz ‘Leben und W under der H eiligen im M ittelalter’ in den Studien zur vgl. L iteraturgeschichte 2, 314.

320 (1902).

Z e itsc h r. d. V e re in s f. V o lk sk u n d e . 1905. 9

(4)

leidenschaft getriebene Nonne will in die W elt fliehen, aber sie ist Jesus ergeben, und Jesus verw ehrt ih r ‘m anibus in cruce expansis5 den Ausgang.

Doch tritt hier zum H eiland die hl. Jungfrau, von der es bei Bozon nur heisst: ‘la dame out estee devoute a D ieux e a sa douce m iere’. In der deutschen Legende ist M aria m inder ‘sanft’ als bei dem französischen E r­

zähler; denn sie gibt der F lu ch tbereiten einen B ackenstreich, der das ver­

irrte Schäflein rasch w ieder auf den P fad der T ugend bringt. So vergisst die Nonne für im m er den schönen L iebhaber, der sie beinahe in die V er­

dam m nis gelockt hätte.

Von den zahlreichen B earbeitungen dieser von G autier de Coincy, Passavanti u. a.1) erzählten L egende abgesehen, suchen anderw ärts Jesus oder Maria vergeblich die F lu ch t der P flichtvergessenen zu hindern. Die Leidenschaft siegt über die F röm m igkeit, die N onne flieht aus dem K loster und geniesst die verbotene w eltliche Lust. Das der Flüchtigen entgegen­

tretende G ottesbild v erk ö rp ert die den S chritt der Nonne hem m enden Gewissensbisse; da jedoch die L eidenschaft stärk e r als das Gelübde ist, übernim m t die hl. Jungfrau m eist eine barm herzigere R olle. W ehe, wenn die m enschlichen F e h ltritte nicht von Gottes Güte ausgelöscht würden und ein A ugenblick der R eue nicht die schuldbelastete Seele erlösen könnte! F eh lt auch die Nonne gegen ihre Pflicht, so träg t doch ih r in der verhängnisvollen Stunde an die G ottesm utter gerichtetes G ebet später reiche F ru ch t; die Sünderin k eh rt ins K loster zurück und findet, dass Maria ihre Stelle eingenom m en, ihren F a ll vor allen verborgen hat und ihre V erzeihung erw irkt. D ie hohe B arm herzigkeit der allerreinsten Jungfrau p reist schon der hl. B ernhard in D antes ‘G öttlicher Kom ödie7 *):

E in W eib b is t d u so g ro ss, u n d soviel g ilts t du, D ass, w er nach G n ad e s tre b t u n d d ic h n ic h t a n ru ft, D e r w ü n sc h e t sich , zu fliegen so n d e r S ch w in g en . U nd d e in e G ü tig k e it g e w ä h rt d em H ilfe

A llein n ich t, d e r d ru m b itte t; n ein , zum ö ftern K o m m t sie z u v o r d e r B itt’ au s freiem W illen.

1) Mussafia, Studien zu den m ittelalterlichen M arienlegenden [1, 73: P ariser Hs. des 13. Jahrh. (Sitzgsber. der W iener Akademie 113. 1887). 2, 58 (ebd. 115. 1888). 3, 8. 44:

Etienne von Besan<jon N r. 11 (ebd. 119. 1889). 4, IG (ebd. 123. 1891). 5, 15 (ebd. 139.

1898). W right, Latin Stories N r. 106: L)e moniali sacristana. Oaesarius von H eisterbach, L ibri V III m iraculorum ed. Meister 1901 (Röm. Q uartalschrift f. christl. A ltertum skunde, 14. Suppl.) S. 138: I I I , 11. Anderes bei W atenphul in der am Schlüsse des Aufsatzes angeführten Dissertation.] Aus dem Alphabetum narrationum des Etienne von Besancon (vgl. Hist. litt, de la France 20, 266. Romania 10, 277. 19, 363. Gröbers Grundriss der roinan. Phil. 2, 2, 96. Jacques de Vitry, Exempla 1890, p. LXXI) ist, wie Crane (Academy 1890, 22. Febr.) bemerkte, der von D. Mariano-Aguilo herausgegebene portugiesische ‘Recull de eximplis e miracles, gestes e faules e altres legendes ordenades per A B C 1 übersetzt, der unter N r. 409 (2, 38: Maria officium servorum suorum im plet eis absentibus) die Ge­

schichte der Beatrix und unter N r. 411 (2, 41: Marie cogitatio malam cogitationem impedit) eine dem unten zu besprechenden französischen Mirakelspiele ähnliche Legende erzählt.

2) Paradies, 33. Gesang (deutsch von Philalethes).

(5)

Aus alten Novellen und Legenden. 131 D er Ausdruck ‘fliegen sonder Schwingen’ besagt, dass m an ohne Marias H ilfe keine him m lische Gnade erhält und dass sie die geborene F ü r­

sprecherin der arm en sündigen M enschheit ist. In den ersten christlichen Jah rhunderten war die hl. Jungfrau vergessen oder doch vernachlässigt, aber dann drang die V orstellung von ih rer M acht nicht nur in den Sinn aller Gläubigen, sondern wuchs auch bei A bergläubigen und E infältigen zu ungeheuerlicher Grösse. D er H im m el w ird zu einem Gerichtshöfe, in dem der Teufel als A nkläger, Jesus als R ich ter und M aria als V erteidiger auftritt. W enn der H öllenfürst die m it B lut geschriebenen Schuldscheine derer vorlegt, die ihm ihre Seele verkauft haben, oder das lange Sünden­

register der Menschen verliest, so weiss Gott sehr wohl, dass der F ein d des Guten nicht ohne G rund red et; aber die H im m elskönigin lächelt sanft, und ih r Lächeln löscht die Schuld aus und v ernichtet die A nklagen des Bösen. D er Teufel muss m it langer Nase abziehen, von den Erzengeln m it feurigen Schw ertern verfolgt, und sich m it den im m erhin zahlreichen Sündern begnügen, die den göttlichen B eistand nicht anriefen oder als dessen unw ert befunden wurden. Aus der Neigung, Ü bernatürliches zu verm enschlichen, und aus der v erbreiteten V orstellung von M arias Güte entsprangen sonderbare, ja unehrerbietige Legenden.

In den französischen M irakelspielen und ‘andächtigen E rzählungen’1) wird die hl. Jungfrau über die Massen vertraulich b ehan delt; sie verjagt die Teufel, welche die Keuschheit von Mönchen und Nonnen durch T r u f - ' Ö bilder anfechten, hindert wrie zum Scherz einen Jüngling, der ihrem Bilde einen Ring an den F in g er gesteckt hat, seine G attin zu u m arm en 2), und leistet in der Legende ‘d’une abbesse qui fu t grosse’3) sogar ih rer Schutz­

befohlenen H ebam m endienste. E in anderm al käm pft sie im T u rn ier anstatt eines R itters, oder sie schirm t ein sündiges L iebespaar auf seiner F lu ch t und lässt sich herbei, einen arm en Ehem ann zu betrügen. Es w ird daher nicht w undernehm en, dass in P a s s a v a n t i s Version der Geschichte von der S ak ristan in 4) Maria sich nicht n ur zur niedrigsten R olle bequem t, sondern auch das ihrem göttlichen Sohne angetane U nrecht zudeckt.

E in P rie ste r reizte durch unkeusche W orte eine Nonne zu Köln zur L üsternheit. Da nun ihre Anfechtung, vom T eufel genährt, täglich wuchs und die Nonne sie nicht zu überw inden verm ochte, beschloss sie endlich voller Verzweiflung, aus dem K loster zu fliehen und, den Begierden des schwachen Fleisches folgend, in der W e lt zu leben. Und eines Tages nahm sie die Schlüssel der Sakristei, die sie schon lange verw altet hatte, w arf

1) Vgl. Les m iraclcs de Nostre - Dame, ed. G. P aris et U. Barbier. Toldo in den Studien zur vergl. Litgesch. 3, 315—324.

2) [Landau, Das Heiratsversprechen. Ztschr. f. vgl. Litgcsch. 1, 13—33 (1887). De Vooys, Mnl. M arialegenden 11)04 2, 304 zu Nr. IGO.]

3) Meon, Nouveau recueil 2, 314. v. d. H agen, Gesamtabenteuer Nr. 83.

4) Fr. Jacopo Passavanti, Lo specchio di vera penitenza (Milano 1716) p. 142—144.

()*

(6)

sich vor dem A ltäre m it dem B ilde der Jun gfrau M aria n ieder und sprach:

‘H errin, m anches J a h r hab ich diese Schlüssel als S akristanin bew ahrt und T ag und N acht dir gedient. J e tz t bin ich in einem ungew ohnten K am pfe so h art angefochten, dass ich m ich auf keine W eise zu w ehren vermag, und du stehst m ir nicht bei. D arum liefere ich dir m eine A m tsschlüssel ab und gebe mich besiegt.’ D am it liess sie die Schlüssel auf dem Altar, ging aus dem K loster und lebte eine W eile m it einem K lerik e r; und als dieser sie verliess, sank sie so tief, dass sie eine gem eine und öffentliche S ünderin ward. Nach fünfzehn Jah ren der Sünde kam sie einst zur P forte ihres K losters und fragte den P fö rtn e r: ‘H ast du eine Nonne Beatrice gekannt, die früher S akristanin in diesem K loster w ar?’ ‘Die k enne ich wohl’, sagte der P förtner, ‘sie ist eine verständige und ehrbare K losterfrau und hat von ih rer K indheit bis heut in diesem K loster heilig und wohl­

angesehen gelebt.’ D ie Sünderin verstand die W orte des Mannes nicht, sondern keh rte um und ging davon. D a erschien ih r die Ju n gfrau Maria, von der sie U rlaub genomm en hatte, als sie entwich und die Schlüssel abgab, und sprach: ‘F ünfzehn Ja h re habe ich in deinem K leid und deiner G estalt deinen D ienst versehen, seit du aus dem K loster gingest, und kein L eben der weiss von deiner Sünde. D arum keh re ins K loster in dein Amt zurück und tu Busse für deine Sünde! D ie Schlüssel der S akristei findest du auf dem A ltar auf der Stelle, wo du sie liessest.’ E rsch ü ttert von G ottes B arm herzigkeit und der hl. Jungfrau Gnade, k ehrte B eatrice ins K loster zurück und lebte in Busse und heiligem W andel bis zu ihrem Tode.

Man könnte anneliinen, dass Bozons Legende von Passavantis soeben w iedergegebener F assung unabhängig sei, wenn nicht eins der ‘M ir a c le s de N ostre-D am e’ (1, 309. 1876) bezeugte, dass die beiden T eile der E r ­ zählung, wenn sie auch getren n t für sich existieren konnten, sich doch so ergänzen, dass m an nicht an eine blosse L aune eines D ichters denken darf. Das M irakelspiel erzählt „d’une nonne qui laissa son abbaie pour s’en aler avec un Chevalier qui l’espousa, et depuis qu’ilz orent eu de biaux enfans, N ostre Dame s’apparut a eile, dont eile retourna en l’abbaie, et le Chevalier se rendi m oinne.“ D ie Nonne gew innt einen edlen R itter, der das K loster besuchen darf, über die Massen lieb und verspricht ihm, in die W elt zu folgen. D ie L iebenden haben die M itternachtsstunde zur F lucht gewählt. Im K loster schlafen alle und träum en von den him m ­ lischen Freuden, nur die Sakristanin wacht im G edanken an die irdischen.

D raussen h arrt der R itte r m it seinem treuen K nappen P erro tin und dem ungeduldig stam pfenden Rosse. D ie Nonne spricht:

P u is q u e co u v en t e st en d o rin iz, P a r g ra n t a m o u r e t fiancie

II e sco n v ien t que je m ’en aille. A u d o u lx a qui le m ien e u e r tent, Ce n ’e s t p a s ra iso n que j e faille C ar tro p a n n u ie a qu i atent, D ’a le r ou j ’ay co n v en an cie J e le s^ay bien, n ’e st p a s nouvelle.

(7)

Aus alten Novellen und Legenden. 133 M ais a v a n t p a r ce ste c h ap p elle, D am e, a D ieu ! j e m ’en vois m a is h u i:

O u p a s s e r p a rm y m e co nvient, P lu s ne vous vueil o re a o u re r.

L a d o u lce vierge p a r qu i v ie n t E g a r! m e fa u lt il dem ourcrV G race a u x h u m a in s d es cieu lx ca ju s M ere D ieu , que p e u t ce ci e s tre ? A m a in s jo in te s , a g en o u z nuz, V o stre ym ag e s ’e st venu m e ttre H u m b le m e n t s a lu e r m ’en vois L i d ro it au tra v e rs de ce st h u is D e e u e r d e v o t a b a ss e vois. Q ue n u lle m e n t p a s s e r n e puis.

V ie rg e q u i ta n t n o u s as valu E ! d o u lx am is, v ous m u serez, C o n tre S ath an , je vous sa lu N o stre am ie h u im a is p as n ’arez, En d is a n t: ‘Ave M aria, D o n t m o u lt fo rm en t au e u e r m e G ra c ia p le n a , d o m in u s tecum , b en e- poise.

d ic ta tu in m u lie rib u s C ’e st nient, il fau lt q u e je m e voise E t b e n e d ic tu s fru c tu s v e n tris tu i.’ E n m on d o rto ir.

Das M arienbild wird also unversehens lebendig und hindert die F lu ch t der N onne; diese geht in ihre Zelle zurück. A ber dann gew innt das F lehen des R itters und des Teufels V ersuchung w ieder die O berhand.

W arum soll sie das L eben im K loster vertrauern!

T ro p lo n g tem p s en c lo istre ay m u se E t m on co rp s en p e n a n c e u se.

D am it das M arienbild ihr nicht die F lu ch t verbiete, geht die Nonne still ohne G ebet von dannen:

C o u v en t d ort, qu e je bien le say, E t si m e m e ttra y en essay D e p a ss e r p a rm y la c h a p p elle Sanz d ire Ave, ne K y rielle D e v a n t l’im ag e d e M arie.

So Q-elanst sie zum R itter, und beide entrinnen in der tiefen D unkel-o © heit. Aus dem verbrecherischen Ehebunde gehen K inder hervor. W ie im Laufe der Jah re die Leidenschaft verraucht, zieht die R eue ein. Eines Nachts hört die Sakristanin eine frem de Stim m e rufen und m ahnen: ‘Die Stunde der Busse hat geschlagen.’ E rsch reck t fährt sie vom L ager auf, w eckt ihren Mann und teilt ihm mit, was sie gehört hat und was sie tun will.

D er R itte r lässt sich überzeugen und nim m t von der geliebten F ra u für im m er Abschied. Das moderne Bewusstsein würde sich gegenüber einerO O so unvorhergesehenen T rennung laut em pören; den m ittelalterlichen Menschen stützt der G laube und erstick t den Schrei der Leidenschaft. So scheiden die durch Schuld geeinten G atten ohne T rän e voneinander; der R itte r wird Mönch, die Nonne k e h rt ins K loster zurück, um nach Marias W eisung ihre Schuld zu büssen, und die K inder bleiben schutzlos im einsam en Schlosse und rufen vergebens nach denen, denen sie je tz t nur noch das L eben verdanken. H ier versieht unsere liebe F ra u nicht m ehr den D ienst der S akristanin, sie b eschränkt sich darauf, diese zur Sühne an z u treib en ; doch lässt sich nicht leugnen, dass die dram atische H andlung, w ährend sie im ersten T eile Bozons E rzählung gleicht, im zweiten noch im m er an Passavanti erinnert. Um der von der Nonne bew iesenen E r ­

(8)

gebenh eit willen sorgt M aria für ihre Busse und g estattet ihr, in dem K loster, das sie nie hätte verlassen sollen, ih r L eben zu beschliessen.

Auch m oderne A utoren haben die from m e L egende zu rührenden D ichtungen benutzt. Ich verw eise auf Charles N o d i e r s m it soviel K u nst­

gefühl erzählte ‘L egende de soeur B eatrice’ (Contes de la veillee. 1838), in der die G eschichte der Sakristanin m it vollständiger V erschm elzung der verschiedenen E lem ente dargestellt ist, und auf eine von G ottfried K e l l e r s

‘Sieben L eg e n d en ’ (187*2): ‘D ie Ju ngfrau und die N onne’, in der nach m einer Em pfindung ein höchst lebendiges Gefühl fürs M ittelalter und eine rom antische Sehnsucht die F lü g el re g t.1)

Auch hier heisst die Nonne B eatrix und ist K üsterin des Klosters.

Auch hier legt sie die Schlüssel des K losters der hl. Ju ng frau hin, aber das M arienbild steigt nicht vom Altar, um die gottvergessene F lu ch t zu hindern. D er alten Sage hat K eller eben viel Eigenes beigem ischt; die K lostereinsam keit, zu der die S ünderin zurückkehrt, um das unterdes von ih rer Schützerin verw altete Am t w ieder zu versehen, u nterb rich t er tröstlich durch das unverm utete Erscheinen des G atten und der Söhne. E s war M arienfest; alle Nonnen hatten vor dem heiligen Bilde G eschenke d ar­

gebracht, n u r Schw ester B eatrix h atte nichts bereitet. „W ie h ierau f die N onnen gar herrlich zu singen und zu m usizieren begannen, zog ein greiser R ittersm ann m it acht bildschönen bewaffneten Jüngling en des W eges, alle auf stolzen Rossen, von ebensoviel reisigen K nappen gefolgt. Es war W onnebold [der G atte] m it seinen Söhnen, die er dem R eichsheere zu­

führte. Das H ocham t in dem Gotteshaus vernehm end, hiess er seine Söhne absteigen und ging m it ihnen hinein, um der heiligen Ju n g frau ein gutes G ebet darzubringen. Jederm ann erstaunte üb er den herrlichen A nblick, als der eiserne G reis m it den acht jugendlichen K riegern kniete, welche wie ebensoviel geharnischte E ngel anzusehen w aren, und die Nonnen w urden irre in ih rer Musik, dass sie einen A ugenblick aufhörten. B eatrix ab er erkannte alle ihre K inder an ihrem Gemahl, schrie auf und eilte zu ihnen, und indem sie sich zu erkennen gab, verkündigte sie ih r Geheim nis und erzählte das grosse W under, das sie erfahren hatte. So m usste nun jederm ann gestehen, dass sie heute d er Jun gfrau die reichste Gabe d ar­

gebracht; und dass dieselbe angenomm en wurde, bezeugten acht K ränze von jungem Eichenlaub, welche plötzlich an den H äu ptern der Jünglinge zu sehen waren, von der unsichtbaren H and der H im m elskönigin darauf g ed rü ck t.“

Von Geschlecht zu Geschlecht pflanzen sich die Yolkssagen fort, ihren Stoff und bis zu einem gewissen Grade auch die F orm bew ahrend, etwa wie die K inder einer edlen Fam ilie, bei d er in den E n k eln das Bild der

1) [Keller benutzte K osegartens Legenden. Vgl. S cherer, V orträge und Aufsätze 1874 S. 397 f.]

(9)

Aus alten Novellen und Legenden. 135 A hnen w ieder auflebt. Schön oder hässlich, sind sie rechtm ässige Nach­

kom m en, und keinem fällt es ein, das zu bestreiten. W enn dagegen, wie ich gelegentlich in einem anderen A ufsatze1) zeigte, die V olksüberlieferung von K unstdichtern b earb eitet wird, so ändern sich die Gesichtszüge, durch die M enschenbeobachtung des Autors um geformt. In der V olksdichtung und in einer noch nicht verfeinerten L ite ra tu r verb irg t der Verfasser sich hin ter seinem W erke, so dass dem L eser oder H ö rer selten in den Sinn kom m t, nach dem, der ihn rü h rt oder erheitert, zu fragen. In der m odernen K unstdichtung dagegen b em erkt man, auch wenn der A utor alte Stoffe bearbeitet, bei schärferem Zusehen ein gewisses Lächeln, das uns den Spott des D ichters in Aussicht stellt, wenn wir die E infalt seines Tones allzu ernst nehm en wollten. — In N odiers und noch m ehr in K ellers B e­

arbeitung finden wir zahlreiche und durchgreifende Ä nderungen, und bei aller A nerkennung des künstlerischen W ertes der deutschen Prosadichtung kann man m eines Erachtens nicht behaupten, dass der V erfasser w irklich die religiöse Em pfindung des M ittelalters treu w iedergespiegelt habe. Die K üsterin, die m it ihrem Bewusstsein der Gegenwart n äher steht, kann jen e Zeit voll sündhaften Glückes nicht vergessen und le n k t noch von der Schwelle des K losters ihre G edanken trauernd zu den m itten im schönen L eben stehenden L ieben zurück. Selbst die hl. Jungfrau fordert bei K eller keine unbedingte R eue ohne Klagen und Z urückblicken, sie erlaubt der Biisserin, die G eliebten wiederzusehen, und tröstet sie durch die Hoffnung, dereinst im friedevollen Jenseits m it ihnen vereint zu werden. So er­

scheint uns Maria noch nachsichtiger gegen m enschliche G ebrechen, und die K üsterin rü h rt uns, weil sie schwächer und w eiblicher ist. Doch entsprechen diese M aria und diese S akristanin nicht der Ü berlieferung.

Bei Bozon, Passavanti, im französischen Spiele ist die letztere eine m ittel­

alterliche, in schreckhaften V orstellungen aufgewachsene Nonne, die schaurige R ufe aus G rüften zu hören und Verdam m te und Teufel heulend durch den W ald laufen zu sehen glaubt. Bei der sie im Sündenleben ü b er­

raschenden Mahnung befällt sie eine seltsam e A ngst, stärk er als der Schauder vor dem Bösen und die F u rch t vor der Strafe, und sie erblickt schon die von Seufzern, Klagen und W eherufen w iederhallende Hölle, wie sie ihr von ihren frommen Genossinnen geschildert und vom P red ig er auf der K anzel ausgem alt worden war. D arum vergisst die Sakristanin so leicht W elt, G atten und K inder, darum flieht sie in tollem Schreck und sucht in ihrem K loster Zuflucht und Schutz bei dem M arienbilde, das alle aufnim m t, die sich zu ihm wenden. Das gleiche begegnet dem G atten; wenn er sich nicht sofort bekehrt, folgt auf das kurze L eben eine E w igkeit voll Schm erzen; die V ergangenheit gehörte dem Teufel, je tz t ist

1) Zeitschrift für romanische Philologie 27, 278—297 (1!)03): ‘La leggenda dell’amore che trasform a.’

(10)

die Stunde der Sühne. W as gelten die flüchtigen F reu d en der W elt im Vergleich zu einem F ried en oder einer Qual ohne E nde! D ie m ittelalter­

liche Ju ngfrau M aria würde ihren B lick von der flehenden B üsserin ab­

wenden, wenn die E rinnerung an die sündige L iebe nicht völlig in ihr erloschen w äre; w ar die Schuld gross, muss die Busse ganz und b e­

dingungslos, W eltlu st und F leisch für im m er erstorben sein; Fam ilie, Kinder, G atten muss sie vergessen um der L iebe zu Christus willen.

Denn wer verlässt H äuser oder B rüder oder Schwestern oder V ater oder M utter oder W eib oder K inder oder Ä cker um m eines Namens willen, der wird es hundertfältig nehm en und das ewige Leben e re rb e n .1)

[Ich e rla u b e m ir h in z u z u fü g e n , d a ss n o ch m e h r als d ie S. 129 g e n a n n te E r­

z ä h lu n g 7, 33 d es C ä s a r i u s von H e iste rb a c h d ie d a ra u f fo lg en d e N r. 7, 34 ‘D e B e a tric e cu sto d e ’ a u f d ie fo lg en d en B e a rb e itu n g e n d e r L e g en d e von d e r S a k rista n in ein g e w irk t hat, w ie d ie s W a lth e r F rie d lä n d e r in ein em h ü b s c h e n F e u ille to n d er N a tio n a lz e itu n g 1904, 6. u n d 8. M ärz a n lä s slic h d es M a e te rlin c k sc h e n D ra m a s d a r­

legt. B e a trix h e is s t sie in d e r oben a n g e fü h rte n m e trisc h e n la te in isc h e n L e g en d e (M ussafia, S tu d ien 3, 8), b e i E tie n n e v o n B esan^on (oben S. 1301), in dem sch ö n en n ie d e rlä n d isc h e n G e d ic h te B eatrijs (B ., een sp ro k e u it de 13. eeu w uitg. d o o r J o n c k b lo e t 1841 u n d 1859, d o o r K a a k e b e e n en L ig th a rt 1902; d eu tsc h von W . B e rg 1 8 7 0 ), in d e r n ie d e rlä n d isc h e n P ro s a le g e n d e (D e V o o y s, M id d e ln e d e rla n d sc h e M ariale g en d en 1, 4 2 —51. 2 ,1 0 6 . 276 f. 1903. V gl. D e V o o y s, M id d e ln e d e rla n d sc h e L eg e n d e n en E x e m p e le n 1900 S. 1 0 9 2) , in d e n A le x a n d rin e rn von P e tru s V lo e rs (M irak elen v an d e n h. R o o se n c ra n s , 2. deel, A ntw . 1659, N r. 7), b ei A lanus d e R u p e (T ra c ta tu s m ira b ilis d e o rtu atq u e p ro g re s s u p s a lte rii C h risti. V e n e tiis 1665, p . 272), J . A lb erd in g k T h ijm , L e g e n d e n en fa n ta sie n 1847, S. 36, J . O v o let de B ro u w ere van S teelan d , G e d ic h te n 1, 117— 141, C. H o n ig h , G een zom er, nieuvve g e d ic h te n 1 8 8 0 2) usw . — 1630 e rz ä h lt C h ry so s to m u s H e n riq u e z , d e r H isto rio g ra p h d es C is te r- z ie n s e ro rd e n s (M enologium C iste rtie n se , A ntw . 1630, S. 373. D a n a c h G. B u c e lin u s, M enologium B e n e d ic tin u m 1655 S. 7 6 1 ), d a ss die am 6. N o v em b er v e rs to rb e n e B eata B e a trix , d ie H e ld in d e r L e g e n d e d es C iste rz ie n se rs C ä sa riu s, zu M a r m o n t i e r im H e n n e g a u im C iste rz ie n se rk lo ste r S. M aria d e O liv a 3) g e le b t h a b e u n d d ass ih r G rab m al, d as e r se lb s t in d e r d u rc h F e u e rs b ru n s t z e rs tö rte n K lo ste rk irc h e n ic h t m e h r h a b e auffinden k ö n n en , eh e d e m v ielfach v e re h rt w o rd e n sei: ‘E t q u id em u sq u e in h o d ie rn u m d iem rau lti sunt, q u i sa n c ta e fem in ae a u x iliu m im p lo ra tu ri eo v e n iu n t m u lta q u e eiu s m ira c u la p a tr a n tu r’. O b b e re its d ie von ih m zitie rte sp an isch e C h ro n ic a del o rd e n d e C iste r d es B a rn a b a s d e M ontalvo (1602. 1, lib. 2) die L e g e n d e lo k a lis ie rt hat, k o n n te ich b is h e r n ic h t fe s tste lle n ; ü b e r d ie re g e B etätig u n g d e r C iste rz ie n se r in d e r M a rien p o esie vgl. S ch ö n b ach , S tu d ie n z u r E rz ä h lu n g s lite ra tu r d e s M itte la lte rs 1, 111 (S itz u n g sb e r. d e r W ie n e r A k a d e m ie 139, 5. 1898). — V gl.

fe rn e r M eon, N o u v eau re c u e il de fa b lia u x 2, 154: ‘D e la s o u g re ta in e ’ (1 8 2 3 ); vgl.

T o b le r, J a h r b . f. ro m an . P h il. 7, 423 u n d R o m a n ia 13, 240. G rö b e r, E in M arien ­ m ira k e l (Beiträge z u r ro m an . u. engl. P h ilo lo g ie , F e s tg a b e fü r W . F ö rs te r 1902 S. 4 2 1 — 442; vgl. G. P a ris , R o m a n ia 31, 61 9 ): ‘D ’une n one tr e s o rie re ’. J e a n M ielot,

1) Ev. M atth. 19, 29.

2) Auf diese drei B earbeitungen wies mich H err Fl. van Duyse in G ent freundlichst hin.

3) ‘Olivae abbatia (Olive) dioc. H annonia, inter N ivellam et Binchium ’ (A. Miraeus,.

Chronicon Cistercif'nsis ordinis 1614 S. 303).

(11)

Schell: Das Salz im Volksglauben. 137 M iracles de N o stre D am e ed. W a r n e t 1885 N r. 69. G a u tie r de C oincy, O’e st d ’u n e n o n n ain qui issi d e l’a b a ie p o r son a m is (ed. U lric h , Z s. f. ro m . P h il. G, 339).

A d g ars M a rie n le g e n d e n h sg . von N eu h au s 1886 S. 223. R u te b e u f 1, 302. G u d in , C o n tes 1804 1, 65. T re s o r de Tarne (M elan g es tire s d ’une g r. bibl. 5, 13. W ie la n d , W e rk e 49, 16 = T e u ts c h e r M e rk u r 1781, 3, 58 : B eatrice). P. C ra s s e t, L ’e c h e lle du p a ra d is p. 123. N odier, L e g e n d e d e so e u r B e a tric e (d e u tsc h in d en B lättern z.

K. d e r L it. d es A u sla n d e s 1840, 602). A. V illie rs d e l ’Is le , N o u v eau x c o n tes c ru els.

E. G ens, in R u in e s et p ay sag es en B elgique. L. d e B u ssc h e re in R e v u e b lan ch e 1897, J u n i. M a e te rlin c k , S o e u r B e a tric e 1901. A v ellan e d a, S eg u n d o tom o del D on Q u ix o te 1614 cap. 17 = B ülow , N o v ellen b u c h 3, 388 (1 8 3 6 : D as g lü c k s e lig e L ie b e sp a a r). L ope de V ega, L a b u e n a g u a rd a o d e r L a e n c o m ie n d a b ien g u a rd a d a (S chack, G e sch ich te d e r d ra m a t. L it. in S p an ien , N ach tr. 1854 S. 51. Schaffer, G esch ich te d es span. N a tio n a ld ra m a s 1890 1, 171). R o s e te N ino, Solo en D io s la confianza (S chaffer 2 , *216). A. M. v. L ig u o ri, H e rrlic h k e ite n M ariä (S ä m tlic h e W e rk e 1, 1, 4, 172. R e g e n s b u rg 1842). J . Z o rrilla, M a rg a rita la to r n e ra (C an to s del tro b a d o r — O b ras 1852 1, 281). B usk, F o lk -lo re o f R o m e 1874 S. 228: ‘L a m o n ica B e a tric e ’. P ro cto r, L e g e n d s a n d ly ric s vol. 2 : ‘A le g e n d o f P ro v e n c e ’ (N otes an d Q u e rie s 5. S er. 10, 177. 1878). M ariu S aga ed. U n g e r 1869 S. 514. — D e u tsc h e P ro s a im M ü n c h n e r Cod. g erm . 626 u n d B olte, A lem an n ia 17, 11. G e r­

m ania, T ra u e rs p ie l von P a te r E lia s (E ic h s tä d t 1800) S. 25. K o seg arten , L eg e n d e n 1, 117 (1810: B eatrix , P ro s a ). A m alie v. H elw ig, D ie R ü c k k e h r d e r P fö rtn erin (T a sc h e n b u c h d e r S agen u n d L e g e n d e n 1 ,3 5 . 1812: C lä rc h e n ). E u se b . E m m e ra n , D ie G lorie d e r hl. J u n g fra u M aria 1841 S. 21: ‘M aria a ls K ü s te rin ’. M o n tan u s [Z u ccalm ag lio ], D ie V o rz e it d. L ä n d e r C leve 1, 350 (18 3 7 : G u n h ild e, nach C a e sa riu s).

K re tz s c h m e r-Z u c c a lm a g lio , D e u tsc h e V o lk slie d e r 2, 104 N r. 46 (1840. G u n h ild e.

‘V o m N ie d e rrh e in ’) = B ra h m s , D e u tsc h e V o lk s lie d e r H e ft 1. W . v. W a ld b rü h l, R h in g s c h e r K la a f 1869 S. 139. S ch ell, B e rg is c h e S agen 1897 S. 78 u n d 5 73:

‘G u n h ild ’. W . v. M erckel, M a ria vom b lü h e n d e n D o rn s tra u c h (1842. G e d ic h te 1866 S. 74 — 96). W o lf, N ie d e rlä n d is c h e S agen 1 «43 S. 418 (B e a tr ix ) . Kaltenbäck, M arien sag en in Ö ste rre ic h 1845 No. 17: ‘Z u r H im m e ls p fö rtn e rin ’. V ogl, B allad en 1851 S. 447: ‘V on d e r P fö rtn e rin ’. F. H alm , W e rk e 7, 168 (1864: ‘D ie P fö rtn e rin ’).

B a u ern feld , A us d e r M appe d es F a b u lis te n 1879 S. 12: ‘A us d e r W ie n e r H im m el- p fo rtg a ss e ’. — D ie m eisten d ie s e r F a ss u n g e n s in d so rg fä ltig u n te rs u c h t u n d be­

s p ro c h e n in e in e r so eb en e rs c h ie n e n e n G ö ttin g e r D iss e rta tio n von H. W a t e n p h u l : D ie G esch ich te d e r M a rien le g en d e von B e a trix d e r K ü ste rin . N eu w ied 1904. 108 S.

J. B o l t e . ]

Das Salz im Volksglauben.

V on Otto Schell.

1. Woher kommt das Salz?

In der Sage vom E ngelberger Pfaffen (L aistner, N ebelsagen S. 191) schleppt dieser ein F ass den B erg hinan. D ieses F ass ist m it Salz gefüllt.

Es springt sofort in die Augen, dass w ir in diesem Zuge eine V erw andt­

schaft m it der Sisyphussage vor uns haben. D as Salz des Fasses scheint

(12)

ab e r, wie L aistn er bem erkt, dasselbe zu bedeuten wie der Sand, den der springende und platzende N ebelw olf in sich gefressen hat, näm lich Schnee.

Als salzig w ird darum der Schnee bezeichnet, wenn er durch die K älte körnig und locker gew orden ist (B erlepsch, D ie Alpen in N atur- und L ebensbildern S. 200), und der deutsche Yolkswitz erzählt von einem, d er Schnee dörrte, um ihn für Salz zu verkaufen (K örte, Sprichw örter S. 399. [M ü ller-F rau reu th , D ie deutschen Lügendichtungen 1881 S. 45.

57. 120]). L aistn er b em erk t: „D es N ebelm ännleins Leclctäschlein ist also m it Schnee gefüllt, und von solchem Salze wollen freilich die W eidekühe nichts wissen. D ie W olk enkühe sind w illiger, und so oft sich das N ebel­

m ännlein gezeigt hat, w ird im S chneegestöber offenbar, wie gierig sie aus seiner N ebeltasche geschm aust haben. Im Somm er allerdings ist es anders, da müssen sie des Schnees darb en; die schneelosen Som m erwolken sind die Kühe, die er hintangesetzt hat, und die nu r für die E th ik der Sage aus m issachteten T ieren zu T ieren der M issachteten, der Arm en und U nterdrückten w erden.“

E inen Schritt w eiter in u nserer U ntersuchung b ring t uns ein M ärchen der B rüder Colshorn (S. 78), welches von einer Mühle erzählt, welche weisses Mehl m ahlt, wenn sie links herum gedreht w ird; im anderen Falle m ahlt sie G raupen. E inst, als diese Mühle G raupen m ahlte, w ar sie nicht m ehr zum Stillstand zu bringen, weil niem and m ehr den geheim en K unst­

griff, der dies herbeiführte, kannte. D arum m ahlt die Mühle nun im m erzu;

ist aber ein grösser H aufen Gemahl beisam m en, dann w eht es der W ind auf die E rde herab, und es graupelt. D ie G raupen bedeuten hier also die G raupeln; das Mehl kann darum n ur den Schnee darstellen. Nach dieser Yolksanschauung gibt es demnach eine him m lische Mühle, welche hier als Schnee- und G raupelm ühle erscheint, an anderen Stellen aber (Cols- horn S. 173ff.; M annhardt, Mythen S. 399) als Salzm ühle. U nter dem Salz haben w ir dem nach nichts anderes zu verstehen als die aus den W olken kom m enden weissen N iederschläge: Schnee und Graupeln. Nach Montanus (Volksfeste S. 37) w ird am N iederrhein der Schnee auch als Häcksel aufgefasst.

D ie jüng ere E d d a enthält die Sage vom Gesang bei der Mühle, ein mythisches Lied, wie es H ans von W olzogen (D ie E d d a) bezeichnet.

F e n ja und Menja, die beiden Mägde, welche da m ahlten, sind W olken- jungfrauen. Nach der E rn te des K ornes m ahlen sie n ur Salz, näm lich Schnee. D ie lichte F re ia , die deutsche B erta, wird zur w interlichen F ra u H olle, die weisse F lo cken statt goldener Ä hren zur D ecke für die E rde herabsendet. D er Seekönig Mausing raubte F ro tes Mühle und brachte sie auf sein Schiff. D ort liess er weisses Salz m ahlen, bis alles in der P etlan d sb u ch t versank. An dieser Stelle ist seitdem ein Strudel, da, wo die See durch das Loch des M ühlsteins fällt; die See ab er tost, wo er sich dreht, und ward daher auch salzig. [H errm ann, Nord. Mythologie 1903

(13)

Das Salz im Volksglauben. 139 S. 222.] E ine U m gestaltung hat die m ythische Schneem ühle in diesem

‘m ythischen L iede' bereits erfahren, indem sie zur W unschm ühle gew orden ist, wTelche alles mahlt, was K önig F ro te n u r w ünscht: Gold und F ried en . D arum lieisst es in dem L iede:

W ir m a h le n d e m P ro te M ach t u n d H eil U n d re ic h e s G u t a u f d es G lü ck es M ü h le:

E r sitze im R e ic h tu m , e r ru h e a u f D au n en , Sei m u n te r am M orgen, so m a h le n w ir’s gut.

Auch ist die Mühle schon aus ihrem natürlichen R eiche, dem ge- biro-io-en Schweden, nach D änem ark gekom m en und in den Besitz des Ö Ö D änenkönigs gelangt; aber man bed arf zu ihrem B etrieb doch noch der

*Schneeriesinnen F en ja und Menja. Auch m ahlt die Mühle nach unserem L iede noch das ursprüngliche Salz. A ber das L ied versteht das Salz als w irkliches Salz, welches dem M eerwasser seinen Salzgeschm ack verleiht.

Das ist eine von dem ursprünglichen Mythus abw eichende Auffassung.

König Mysingr oder Mausing führt diese U m w andlung herbei, „der die V erm ittlung des Sclineesalzes m it dem Seesalze übernim m t .

Die Schneem ühle ist aber eine W etterm ühle überhaupt, wie L aistn er (N ebelsagen S. 326) nachweist. Mahlte schon die einfache Schneem ühle G raupen, Mehl, Salz usw., so tritt bei ih rer E rw eiterung zur W etterm ühle noch Gold und F ried en hinzu; dam it war es nahe gelegt, die m eteoro­

logische Mühle auch als W unschm ühle aufzufassen. „Um so m erkw ürdiger ist, dass auch nach dem Ü bergang in frem de Volksvorstellungen, näm lich als Sampo im finnischen Epos, unsere Mühle im m er noch Salz, Mehl und Gold m ahlt, zwei w interliche und ein som m erliches Sym bol.“ E ine gold- m ahlende Mühle k en n t auch eine faröische Sage (A ntiquarisk T id sk rift 1847, S. 296 und L iebrecht, Zur V olkskunde S. 317 f.)-

D er Glaube an unsere Schneem ühle lässt sich in ganz D eutschland nachweisen. A ber in O berdeutschland b rin g t der V olksglaube das Salz m it dieser Mühle nicht m ehr in V erbindung, wohl aber in N iederdeutsch­

land (Colshorn, M ärchen S. 175). E ine starke Abwandlung hat diese Auf­

fassung in einer von Kulm (W estfäl. Sagen 2, 10) m itgeteilten Sage er­

fahren: D er wilde Jäg e r heisst in der Gegend von W erle der H ojäger.

E inm al lagen P ferdejungen beim F eu er, und es schrie ihm einer von ihnen nach; da w arf er eine P ferdekeule herab ; der Jun ge war aber kurz ent­

schlossen und rief, den B raten habe er nun, je tz t müsse er auch Salz bringen, da ist die Keule w ieder verschwunden. Das him m lische Salz ist hier noch deutlich erkennbar.

F e rn e r darf hier der A bschnitt aus der germ anischen Mythologie an­

gezogen werden, w elcher die E ntstehung der G ötter schildert. Audhum bla, die m ilchspendende U rkuh, ‘ein indogerm anisches Bild der allnährenden W olke’ (E. H. Meyer, Germ. Myth. S. 108), ist aus dem N ebel und Eis d er Elivaga hervorgegangen. Sie n äh rt den R iesen Y m er und leck t aus

(14)

den salzigen R eifsteinen das Urw esen B uri hervo r, w elcher m it den Menschen in der G estalt übereinstim m t. Doch muss bem erk t werden, dass E. H. Meyer diese Mythe in ih rer E ch th eit anzweifelt. Sehen w ir davon ab, so erscheint das Salz als belebend und ernährend. Sim rock (M yth.6 S. 19) d eutet diese M itteilung folgenderm assen: „H ier gew innen wir aber eine B estätigung der eddischen D arstellung. Jen e Salzsteine waren durch die G egeneinanderw irkung von F ro st und H itze, aus Eis und F e u e r entstanden; und ähnliches m eldet T acitus als den G lauben der G erm anen von der noch fortw ährenden E rzeugung des Salzes, als sei es

‘ex contrariis in ter se elem entis, igne atque aquis, indulgentia num inis (durch A llvaters Z ulassung?) concretum ’. Ygl. Uhland, Schriften 7, 479.

Auch das Salz ist belebend und ernährend: es dient überall zum B ilde geistiger K raft und Nahrung, und germ anische Völker, K elten und H e r­

m unduren sowie später B urgunden und A lem annen stritten um die heiligen Salzquellen: T ac., Germ. '20; Ann. 13, 57; P lin iu s, Hist. nat. 31, 39.

Am m ianus Marc. 28, 5. In ihm müsste die m ännliche Z eugungskraft an­

gedeutet sein.“

2. Die lebenspendende Kraft des Salzes

tritt uns auf den verschiedensten G ebieten entgegen. Diese kurz zu b e­

leuchten, ist der Zweck der w eiteren A usführungen.

Das geheim nisvolle Salz, welches der him m lischen Salzmi'ihle ent­

quillt, tritt zunächst m it der ebenfalls von einem göttlichen G eheim nis um gebenen Quelle, welche durch den him m lischen B litzstrahl erschlossen wurde, in V erbindung. D er Salzquell, das P ro d u k t dieser V erbindung, w ar darum den G erm anen besonders heilig und führte, wie wir oben an­

deuteten, zum K am pf um die heiligen Salzquellen bei verschiedenen ger­

m anischen V ölkerstäm m en. F e rn e r verstehen w ir es, wenn nach Som m er (Sagen aus Sachsen und T hüringen Nr. 67) im salzigen See bei Eisleben F ra u W olle (entstellte Namensform für F ra u H olle) badet, nachdem sie von einem steinichten Berge bei Aseleben herabgestiegen ist. Das Bad ist hier nicht schlechtweg als eine R einigung aufzufassen, sondern F rau H olle ist die W olkengöttin der Germ anen, welche R egen und Schnee zu r E rd e sendet und darum zu den B runnen in besonders nahe Beziehungen tritt (vgl. K. W einhold, D ie V erehrung der Q uellen in D eutschland S. 18ff.).

D ass sie aber von einem Berge zum Bade herabsteigt, „ist der A usdruck für die weisse W olke, die sich aus der H öhe in den feuchten W aldgrund oder zum F luss h erab sen k t“ (W einhold). D ie w eitere Ausgestaltung dieser Anschauung zu der vom W ohnen der G eister in Salzquellen ist nicht b e­

frem dend. So berich tet E rn st Meyer (Sagen aus Schwaben S. 9(5) von Schw äbisch-H all, dass dort ein B runnengeist in der Salzquelle hause, der H allgeist genannt. D erselbe zeigt Ü berschw em m ungen an, und man ist bestrebt, ihn bei guter Laune zu erhalten. W enn es um den B runnen,

(15)

Das Salz im Volksglauben. 141 so berichtet H erolds C hronik von 1541, „etwan o ngeheir“ ward, Umschrift m;in am Sonntag R ogate m it dem H eiligtum den genannten Salzbrunnen.

D er S alzbrunnen ist hier ein heiliger, v ereh rter Quell. S tark h e ra b ­ gem indert erscheint diese V erehrung, wenn man in d er Eifel in einen neugegrabenen B runnen gleich nach der F ertig stellu n g Salz w irft; man glaubt, dadurch halte sich das W asser besser und sei gesunder (Schm itz, Sitten und Sagen des Eifler Volkes 1, 97). In der Um gegend von M ett­

mann bei E lberfeld ist derselbe Gebrauch auch heute noch in Übung, und auch nach der R einigung eines B runnens schüttet m an Salz hinein. L etzteres geschah dort z. B. vor einigen Ja h re n ; das Q uantum , 3— 4 kg, w ar aber etwas reichlich bem essen worden, und das W asser blieb längere Z eit un- geniessbar. E inen G rund kann man für dieses V orgehen in M ettm ann nicht m ehr angeben. Man folgt lediglich den T raditionen der Väter.

In R em lingrode (und auch an anderen O rten des ehem aligen H erzog­

tums Berg usw.) w arf m an in früheren Zeiten einige Salzkörner in die Milch und glaubte sich nun sicher, dass diese nicht behext w erden könnte.

Auch liier hat m an einen uralten Brauch beib ehalten ; aber zu einer Zeit, wo man vielfach unverstandene Sitten und G ebräuche m it der H exerei in V erbindung brachte, auch diese Gewohnheit in der oben angedeuteten W eise zu erklären versucht. Den tieferen Sinn- erkennen w ir aber, wenn wir eine kleine A nleihe in W estfalen machen. Nach Kuhn (N orddeutsche Sagen S. 470) soll, wer einen H eck taler haben will, in der längsten Nacht des Jahres einen schwarzen K ater in einen Sack stecken und diesen fest und zwar m it 99 Knoten, zubinden. Dann geht man dreim al um die K irche und ruft, wenn man am Schlüsselloch vorbeigeht, den K üster. Beim dritten Male erscheint dann der Teufel, welchen man fragt, ob er einen H asen zu kaufen wünscht, w orauf man für den K ater den gewünschten H eck taler erhält. D er Betreffende hat sich dann aber eiligst zu entfernen, um in ein Haus zu gelangen; denn holt ihn der Teufel vorher ein, nachdem er die 99 Knoten gelöst hat, so ist der Mensch verloren. Den H ecktaler wird m an nur los, wenn man ihn in Salz steckt, vermöge der H eiligkeit desselben. W enn also Salz in die Milch, in den B runnen geworfen wird, so ist dies nichts w eiter als ein W eiheakt nach germ anisch - heidnischer Sitte, vollzogen durch das heilige Salz.

In Guldal in Norw egen w irft m an auch (L iebrecht, Zur Volkskunde S. 316 ff.) Salz in die Milch, dam it die H exen der Kuh, von der die Milch komm t, nicht schaden können, denn „das Salz kom m t von dem Meere, und das Meer ist gew eiht“. Pfannenschm idt (Das W eihw asser) b em erk t erläuternd dazu: ,,Es ist längst bekannt, dass G riechen und Röm er, welche den Ge­

brauch des W eihw assers vor dem C hristentum kannten, gern Meerwasser zu W eihw asser benutzten, und dass sie, wo sie dasselbe nicht haben konnten, das Quellwasser durch einen Zusatz von Salz zu künstlichem

;Meerwasser umschufen, um dessen W irk sam k eit als W eihw asser dadurch

(16)

zu erhöhen. Schon E uripides hatte gesagt, dass das Meer (oder das gesalzene W asser) alle Sünden d er M enschen abwasche. D a das Salz nicht nur eine erhaltende, sondern deshalb auch eine reinigende K raft besitzt, so wird m an dem M eerwasser oder dem künstlich erzeugten Salz­

w asser ebenfalls eine vorzugsweis reinigende K raft zugeschrieben haben.

So w urde das m it Salz versetzte W eihw asser ein symbolisches M ittel der R ein ig u n g .“

G leichzeitig tritt das Salz zu einem zw eiten E lem ent, dem F euer, in B eziehung, und zwar im G lauben der galizischen Ju d e n , w orüber B.

W . Schiffer (U rquell 4, 210) folgende M itteilung m acht: „Gegen bösen B lick: Kohlenlöschen. W ird jem and ohne sichtbare Ursache von Ü belkeit befallen, so geschah dies n ur infolge eines bösen Blickes. Man nehm e ein m it W asser gefülltes Glas und w erfe m it einem Messer darin glühende Kohlen vom H erde, indem m an zählt: eins, zwei, drei usw. bis neun;

darauf spreche m an: So wie ü ber Jo sef den G erechten das ‘A in-ha-ra’

(böser B lick) nicht ‘scholet’ sein (bew ältigen) konnte, so möge es von N.

Sohn (T och ter) der N. (h ier w ird der Name des K ranken und der seiner M utter gelispelt) schwinden, ohne ihm schaden zu können. W eiter spreche m an: G leich wie die Kohlen im W asser zerfliessen, so zerfliesse das

‘A in-ha-ra’ von N. N. D arauf werfe m an neuerdings glühende Kohlen ins Glas, indem man zählt: nich t eins, nicht zwei usw. bis neun, und w ieder­

hole dieselbe Form el. E ndlich werfe m an w eitere neun Kohlen ins Glas und zähle rückw ärts: nicht neun, nicht acht usw. bis eins, und spreche dieselbe Form el. Zum Schluss schütte man etwas Salz ins Glas auf der Spitze des Messers und spreche: Gleich wie das Salz zerfliesst, so zer­

fliesse usw. D ie F orm el ist jew eilig je dreim al zu wiederholen. Je tz t beobachte man, ob die Kohlen steigen oder fallen; wenn ja, rü h rt der böse B lick von einem F rauenzim m er, wenn nicht, von einem Manne her.

Man gebe darauf dem K ranken vom W asser zu kosten, befeuchte seine H ände und Schläfen und schütte den R est in alle vier E ck en des Zimmers, das Glas stelle m an darauf um gestürzt vor der T ü r.“ B. W . Schiffer berichtet noch ein anderes Beispiel vom Volksglauben der galizischen Juden, welches hier angezogen w erden muss (U rquell 4, 74): „H eftiges P rasseln des F eu ers auf dem H erde bedeutet, dass F einde böse R än k e schm ieden; man muss daher eine H andvoll Salz ins F e u e r schütten, was man ‘den F einden Salz in die Augen streuen ’ h eisst.“ Auch bei den Nordgerm anen gew innt das Salz durch eine V erbindung m it dem F euer.

Am W eihnachtsabend wird in Norwegen ein H äufchen Salz m it einem H olzkreuz darin auf den H erd geschüttet. Am nächsten Morgen zerreibt man das durch die W ärm e gehärtete Salz und gibt es den K ühen (L ieb ­ recht, Zur V olkskunde S. 320).

Zur Anwendung des Salzes in der Volksm edizin gehören noch einige Beispiele aus Litauen. So schützt Salz, welches man in den Zipfel des

(17)

Das Salz im Volksglauben. 14^

Gewandes bindet oder, in ein Tuch gebunden, um den H als trägt, gegen Ansteckung. Am Tage oder bei der N acht zwischen 11 und 1*2 U hr nim m t man einen Esslöffel voll Salz in die linke H and, geht an ein fliessendes W asser, streut m it der rechten H and das Salz ins W asser, indem man das G esicht nach der M ündung k e h rt und spricht:

Ic h stre u e d ie se n S am en In G o ttes N am en,

So d ie s e r S am e w ird a u fg eh n , W ill ich m ein F ie b e r w ie d e rse h n .

(Aus A lt-P illau bei F rischbier, H exenspruch und Z auberbann S. 32. 52f.) Nach B artsch (Sagen aus M ecklenburg 2, 106) verw endet man Salz zur H eilung des F ieb ers in folgender W eise: W enn man B rot und Salz in einen Leinw andlappen bindet, drei V aterunser darüb er b etet und zugleich das Zeichen des heiligen Kreuzes darüber m acht und es alsdann rücklings in fliessendes W asser wirft, so vergeht das F ieber. In diesen B eispielen geht das Salz w ieder eine V erbindung m it dem W asser ein und w ird dadurch erst zu einem zauberkräftigen H eilm ittel. In D änem ark nim m t man morgens, ehe man etwas genossen hat, Salz und B rot und glaubt dann vor je d e r K ran k h eit geschützt zu sein (nach m ündlichen M itteilungen).

Auch zum dritten der alten E lem ente, der E rde, h at das Salz eine A rt W ahlverw andtschaft, als deren Folge H e ilk raft und Segen hervorgehen.

So berichtet L ieb recht (Z ur V olkskunde S. 316) aus Norwegen, dass dort die Sennerinnen bei der A nkunft auf der Sennerei ehedem etwas E rde vor der T ü r der Sennhütte aufnahm en, diese m it Salz verm ischten und dem V ieh gaben. Befanden sich m ehr Sennenw irtscliaften in der Nähe und waren noch nicht bezogen, so konnte die Sennin sich auch dorthin schleichen und etwas E rde fortnehm en.

F ü h ren wir hier gleich noch verschiedene B eispiele an, in welchen gezeigt wird, wie der Mensch sein Vieh durch die dem Salz innewohnende K raft gegen Unfall usw. zu schützen sucht. O O W en n in Norwegen der L eit-o kuh die Glocke um gehängt w erden soll, füllt man sie zuvor m it Salz und gibt das dann der Kuh (L iebrecht, Zur V olkskunde S. 320). D ürfen wir hier nicht eine V erbindung des Salzes m it der L u ft als dem vierten E lem ent annehm en? A. T ienken (oben 9, 166f.) berichtet aus den M arschen:

„So legte m an dem Vieh, wenn es im F rü h jah r auf die W eide getrieben wurde, ein Beil vor die Schwelle. Das schützte vor H exerei. E in anderes M ittel bestand darin, dass das Vieh auf Stirn und K reuz m it Salz bestreut wurde, wozu dann allerlei geheim nisvolle Sprüche gem urm elt wurden.

Diese beiden Prozeduren geschahen in vielen H äusern stets, sobald das Vieh den Stall, wenn auch n ur vorübergehend, verlassen m usste.“ H eiterer (H exen- und W ildererglaube in S teierm ark, oben 5, 412) schreibt ab er:

„Ganz originell ist die bäuerliche Anschauung, dass W ild erer dem W ilde geweihtes Steinsalz geben, um es leichter zu bekom m en. B ekanntlich ist

(18)

es auf dem Lande üblich, am Stephanstage in d er K irche Salz weihen zu lassen, das sogen. Stephanssalz, welches den H austieren, vornehm lich dem R inde, gegeben wird, dam it allerlei Ü bel abgew endet werden. D eshalb finden w ir es auch erklärlich, warum geglaubt wird, gew eihtes Steinsalz könne auch eine W irk u n g au f das W ild haben. E s w ird als ‘L ecksalz’

auf die B erge gebracht, und das W ild wird dadurch zahm er und leichter zugänglich.“

E s ist n u r eine logische Konsequenz dieses Glaubens, wenn das Salz auch zum G edeihen des G etreides in B eziehung gebracht wird. So bindet man in der Gegend von M arggrabowa in P reu ssen in den Zipfel des Säe­

lak en s Salz und einen Silbergroschen, um dem G etreide W achstum zu sichern; in m anchen O rtschaften um Dönhoffstädt legt man Geld hinein, um einen hohen P reis für das G etreide zu erzielen. In L ubainen knüpft man nach den M itteilungen Töppens (A berglauben aus Masuren S. 9*2) B rot und Salz, in H ohenstein Silberstückchen, Brot, Salz und Fenchel zur Beförderung des G edeihens in S äelaken (F risch b ier, H exenspruch und Z auberbann S. 134f.).

D iese belebende K raft des Salzes muss sich auch (w ir führten schon dafür in anderen Beziehungen B eispiele an) als G egenm ittel gegen die geheim nisvolle W irk sam k eit der H exen bew ähren, so dass hier die leben ­ w irkende, lebenspendende K raft, welche dem Salz im V olksglauben inne- wolmt, noch potenzierter erscheint. Im P atzn aun tale (A lpenburg, D eutsche Alpensagen S. 200f.) waren einst die H exenw eiber zum Tanz versam m elt, als sich der neugierige Mann einer T eilnehm erin einfand. Das W eib bot ihm Kuchen dar; davon nahm und ass der Mann; aber er schm eckte wie Judenm atzen, war ohne Salz und Schmalz. D er Mann hatte etwas Salz in seiner T asche; das streute er auf, ass und sagte: Das Salz ist doch eine herrliche G ottesgabe! D a krachte es um ihn als berste der Berg; L ichter und F e u e r erloschen; alles verschwand, und der Mann sass allein auf einem F elsen in öder finsterer W ildnis. — Im gew öhnlichen L eben sind aber die H exen vom Salz ebenso abhängig wie die übrigen Sterblichen, was die von A lpenburg (S. 184) m itgeteilte Sage von der Sattelhexe beweist.

D ie K raft des Salzes bew ährt sich nach dem allgem ein verbreiteten Glauben, dass man, wenn einer von dem anderen Milch holt, Salz hinein­

streuen müsse, da sonst durch die Milch etwas angetan w erden könnte (M ecklenburg: B artsch *2, 137; im ehem aligen H erzogtum B erg: des Yerf.

Bergische Sagen S. 264 usw.). F risch b ier (H exenspruch S. 15) b em erkt:

„H at man auf dem M arkte Milch gekauft, so tu t man gut, auf dem H eim ­ wege etwas Salz in dieselbe zu streuen: sie ist dadurch gesichert gegen den bösen Blick, das V errufen m issgünstiger L eu te (E rm lan d ).“ Am heil.

C hristabend treiben die H exen nam entlich ihr W esen. D er B auer in P reussen streut darum, um ihrem Z auber zu begegnen, gleich nach Sonnen­

untergang Salz in den Stall und in die K rippen, greift aber auch noch zu

(19)

ü a s Salz im Volksglauben. 145 anderen M itteln (F risch b ier, H exenspruch S. l*2f.). „L eih t man noch warm es B rot weg, oder gibt m an es in anderer A rt aus dem H ause, so steckt m an Salz hinein, dann kann m an vor jedem ‘S chabernack’ sicher sein“ (S am land; F rischbier, H exenspruch S. 1*23f.). W ird das V ieh m it Salz b estreu t, so ist es vor V erhexung, bösen Augen usw. geschützt (B artsch ‘2, 142. 144. 146). Auch als D iebeszauber wird das Salz in M ecklenburg (B artsch 2, 339f.) angewandt, indem m an drei neue T eller auf den H erd stellt, den einen m it Brot, den zw eiten m it Salz und den dritten m it Schmalz füllt. D ann legt man einen B lechdeckel darüber.

A uf jed en D eckel lege man fern er glühende Kohlen und spreche kaum hörbar:

Ic h leg e dir, N. N., B ro t, Salz u n d S ch m alz a u f d ie G lut, V on w eg en d e in e r S ü n d u n d Ü b e rm u t usw .

Solches muss drei Abende nacheinander geschehen, jedesm al neunm al usw.

B efrem dend ist es nach diesen M itteilungen, dass in P reu ssen (F risch ­ bier, H exenspruch S. 8) eine M utter, um zu erfahren, ob ih r ungetauftes Kind verrufen sei, n ur m it der Zunge ü b er seine Stirn zu fahren b raucht;

zeigt sich ein salziger Geschmack, so ist die V errufung ausser Zweifel.

Auch das W ohnhaus schützt man gegen jed e E inw irkung der H exen durch Salz. Nach Montanus (V olksfeste S. 18) streut der bergische L an d­

mann in die zur G rundm auer aufgeworfenen G ruben Salz, Asche, G etreide und W erm utblätter (auch wohl andere K räuter); „einige sagen, um Spuk fernzuhalten, andere sagen, um der Mäuse w illen.“ In diesem Brauche dürften sich verschiedene E lem ente naiven V olksglaubens berü h ren ; nicht zuletzt aber darf das Salz h ier als A bw ehrzauber gegen H exen usw. auf­

gefasst werden. In eine neue W ohnung muss m an zuerst B rot und Salz hineinbringen (B artsch 2, 1*29). D asselbe fordert der Volksglauben in D änem ark selbst in den besseren K reisen der H au ptstad t noch heute vielfach. Oft wird auch B rot und Salz von den L euten gegessen, die die W ohnung beziehen. In P reussen (F rischbier, H exenspruch S. 106), wo derselbe G ebrauch herrscht, glaubt man, dass die B ew ohner dann niem als Mangel leiden. B ekanntlich bieten die H alloren aus H alle, welche schon durch Sprache und K leidung ihren w endischen U rsprung dokum entieren und noch manche altväterliche Sitte bew ahrt haben, an jedem N eujahrs­

tage dem deutschen K aiser B rot und Salz an, wie es in R ussland allgem ein Sitte ist. Im ‘D annebrog’ vom 9. Ju n i 190*2 w urde berichtet, dass bei der A nkunft des dänischen P rinzen C hristian und seiner F am ilie in A arhus in Jütland, um sein Sommerschloss — ein G eschenk der jütländischen B ürger — zu beziehen, ihm vor dem Schlosstor B rot und Salz gereicht wurde, ersteres in F orm eines K uchens m it einem Loch in der Mitte, in welchem ein silbernes Salzgefäss angebracht war. P rinz, P rinzessin und K inder assen davon, und dann erst w urde die F a h rt in den Schlosshof fortgesetzt. Auch bei den Südslawen (oben 2, 185) b ietet m an dem Gaste

Zeitschr. d. V e re in s f. V o lk s k u n d e . 1905. 10

Cytaty

Powiązane dokumenty

bild verehrt wurden. W ie zahlreich einst die protestantische B evölkerung nach Zluttowo bei Löbau pilgerte, lässt sich daraus erm essen, dass einm al die

k lüftetes Gebiet läßt nur bei schärferer Grenzführung D eutungen zu. Aber auch größere Gebiete rufen danach. Aber um das deuten zu können, um zu erkennen, ob etwa das Bistum

L eider ist nicht angegeben, was man m it dem zur H inrichtung benutzten Strick zu zaubern verm ochte, aber wir finden in den vorher schon erwähnten

gedacht. — D iese wahllos angezogenen Beispiele, die w ir gelegentlich noch verm ehren werden, sollen vor allen D ingen zum Beweise für zwei sehr oft übersehene

achtungen ergänzten A nm erkungen sowohl einen tieferen E inb lick zu erm öglichen in die verschiedenen G ruppen der neugriechischen Sagen, die bisher zu einseitig

liegenden Buche —, und was man sonst noch hinzufügen mag, als reiner, für sich arbeitender W issenschaften gehören nicht in die Volkskunde, sondern nur ihre

k ö rperten Seelenscharen) in Beziehung zu dem einzelnen Toten gesetzt werden. 1 4 ff.) ursprünglich etwas mit der Auffassung zu tun hat, dass in den rächenden, dem

durst ist etwas däm onisches und wird von däm onischen Mächten und K räften unterstützt und zum Ziele geführt. Y üjang wird aus seinem V ersteck hervorgezogen,