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Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 21. Jahrgang, 1911, Heft 2.

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ZEITSCHRIFT

des

Vereins für Volkskunde

Begründet von Karl Weinhold.

Unter Mitwirkung von J o h a n n e s B o l t e

lierausgegebeu von

Hermann Michel.

21. Jahrgang. I I U K tW Heft 2. 1911.

BERL IN.

B E H R E N D & C °.

1911.

D ie Z e itsch rift ersch ein t 4 m al jä h rlich .

(2)

Seite

K atholische Ü b erleb sei beim evangelischen V olke. Von Richard

A n d r e e ... 113— 125 W eiteres über R übezahl im heutigen V olksglauben (Schluss).

Von Richard L o e w e ... 12(5 —151 Etwas vom M essen der Kranken. (D er rohe Faden.) Von

Theodor Z a c h a r i a e ...151— 159 K leine M itteilungen:

Gereimte M ärchen und Schwänke aus dem 16. Jah rh u n d ert (1. Hans Sachs, Der ritter m it der verzauberten nadel. 2. Die Feindschaft zwischen Hunden, Katzen und Mäusen. 2 a. P eter H eiberger, Die hund m it dem brieff. 2b. Eucharius Eyring, W er wil der Katzen die Schelln anhencken? 2 c. Guillaume H audent, De la guerre des chiens, des chatz et des souris. 3. Ein lied von einem eelichen volck. 4. Lorenz Wessel, Der w andrer m it dem hasen. 5 Adam Meyer, Der lanczkneclit m it den hünern). Von J. B o ltc . S. 160. — Albanesische Volkslieder (1. Lied von der Geliebten. 2. Das Lied von Chimara.

3. Liebeslied des Mädchens. 4. Janina. 5. Nik Dhim, der Türkentöter. 6. Lied von einem reichen C-himarioten, den seine H irten umbrachten. 7. Liebeslied des Jünglings).

Von F. S a t t l e r . S. 173. — Ein altisländisches Rechenrätsel. Von A. G e b h a r d t . — K labauterm ann. Von E. H a h n . S. 178. — Das ‘Borenleihen’ (Bärenführen). Von E. W e it la n d . S. 179. — Segen w ider die Rose aus Masuren. Von E. S c h n ip p e i . S. 179.

Berichte und Bücheranzeigen:

N euere M ärchenliteratur. Von J . B o lte . S. 180. — N euere Arbeiten zur slawischen Volkskunde 1. Böhmisch und Polnisch. Von A. B r ü c k n e r . S. 198. — H. H a h n e , Das vorgeschichtliche Europa (S. Feist). S. 208. — R. M a r e t t , Die Anthropologie und die K lassiker (E. Samt er). S. 210. — S. B u g g e , Der Runenstein von Rök (A. Heusler).

S. 212. — E. F r i e d e i und R. M ie lk e , Landeskunde der Provinz Brandenburg Bd. 2 (K. Beucke). S. 214. — E. v. F r i s c h , K ulturgeschichtliche Bilder vom Abersee (M. Andree- Eysn). S. 216. — Th. B i r t , Aus der Provence (J. Hirsch). S. 216.

N otizen:

Evangelien van den Spinrocke, Junk, Kittredge', Knrtum, Kühnau, Ranke S. 217—218.

Bernhard Kahle f (M. R o e d i g e r ) ... 219 Aus den S itzu n gs-P rotok ollen des Vereins für Volkskunde

(K. B r u n n e r ) ... ...219— 224

B e i t r ä g e fü r d ie Z e i t s c h r i f t , b ei denen um deutliche Schrift auf Quartblättern m it Rand gebeten wird, M it t e i l u n g e n im I n t e r e s s e d e s V e r e i n s , K r e u z b a n d s e n d u n g e n beliebe man an den H erausgeber Dr. Hermann M i c h e l , B erlin N W . 52, Spenerstr. 35, zu richten.

Bücher zur B esprechung in der Zeitschrift w olle man an die V erlags­

buchhandlung B e h r e n d & Co., B erlin W . 64, Unter den Linden 10, senden.

Beitrittserklärungen zum Verein nehm en der 1. und 2. V orsitzende Geh. R egierungsrat Prof. Dr. Max R o e d i g e r , Berlin W . 62, Bayreutherstr. 43, und Prof. Dr. Johannes B o l t e , SO. 26, Elisabethufer 37, sowie der Schatz­

m eister Dr. Max F i e b e l k o r n , N W . 21, D reysestr. 4, entgegen.

D er Jahresbeitrag, wofür die Zeitschrift an die M itglieder gratis und franko geliefert wird, beträgt 12'Mk. und ist bis zum 15. J a n u a r an den Schatzm eister zu zahlen, am besten auf das Konto „Dr. Max F i e b e l k o r n und Geheimrat Dr. R o e d i g e r “ bei der D epositenkasse K der D eutschen B ank in Berlin. Nach diesem Term ine wird er von den Berliner Mit­

gliedern durch die P aketfahrtgesellschaft eingezogen werden.

(Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.)

(3)

Von R ichard Andree.

R eg el ist, dass jed e neu zur Herrschaft gelangende R eligion von ihrer durch sie unterdrückten Vorgängerin mehr oder minder auch imO O Kultus beibehält. Sie schleppt diese E lem ente durch die Zeiten m it sich fort, ändert sie, passt sie ihren Zw ecken an und macht sie dabei öfter so unkenntlich, dass nur ein sorgfältiges Studium den Ursprung w ieder er­

kennen lässt.

So ist es auch dem Christentum eraansen, das v iel Jüdisches undo o 1 H eidnisches in sich aufgenom m en hat. Von den Juden hat es die W oche und deren E inteilung; das christliche Osterfest ist aus dem jüdischen P assahfeste hervorgewachsen usw., so dass man sagen kann, die christliche Kultusordnung sei jüdischer H erkunft. Und ebenso entstammt vieles dem H eidentum . D ie w ichtigste Ergänzung des christlichen Festkalenders aus dem H eidentum ist das W eihnachtsfest, auch B itt- und Sühngänge und H eiligen feste sind von der Kirche nach Massgabe heidnischer F este fixiert worden, K erzen und W eihrauch entstam m en dem H eidentum , und wenn der H eilig en k u lt auch aus der Verehrung der Märtyrer herauswuchs, so nahm er doch im m er mehr die Form en des H eroenkults an. Auch W eih ­ gesch en k e und A m ulette entlehnte die Kirche aus dem H eidentum . Dass der Ü bergang von einer R eligion in die andere sich nur stufenw eise voll­

ziehen konnte, lie g t auf der Hand. Manches, was noch heidnisch war, wurde von den Bekehrern in politischer W eise anfangs noch geduldet, um es dann später zu unterdrücken, während anderes durch die Jahrhunderte m itgeschleppt wurde bis auf den heutigen Tag. Und darüber sind anderthalb Jahrtausende vergangen.

Ist es da zu verwundern, dass bis zur G egenwart im V olke b ei den Bekennern der evangelischen Kirche, die doch kaum 400 Jahre alt ist, sich noch echt katholische Gebräuche und Anschauungen erhalten haben, die von jen er verworfen werden? Zähe hält das V olk an m ancherlei auf diesem G ebiete fest, zumal in jen en G egenden, wo die K onfessionen gem ischt oder einander benachbart sind und das katholische B eisp iel den

Zeitschr. d. Vereins f. Volkskunde. 1911. Heft 2. 8

(4)

Evangelischen stets vor A ugen schwebt. D ie v ielen Ä usserlichkeiten des katholischen K ultus, die im evangelischen fortfielen, trugen dazu bei, dass das Y olk darin etwas B esonderes und kräftiger W irkendes, als im ein­

fach en , nüchternen protestantischen K ultus erblickte. D ie von den Protestanten m it der Z eit nicht mehr verstandenen katholischen K ult­

handlungen erschienen als etwas G eheim nisvolles, regten die E inbildu ngs­

kraft an, und das Y olk schrieb ihnen eine besondere Kraft zu. Und d iese Kraft übertrug man auf die k a t h o l i s c h e n G e i s t l i c h e n , die man vielfach mit Zauberkräften ausgestattet wähnte und nach dieser R ichtung hin den protestantischen als überlegen ansah.

Ich habe das im H ildesheim schen, wo die K onfessionen durcheinander­

gehen, erfahren. A lles, was sich auf Zauberei und abergläubige H andlungen bezieht, kann dort w eit w irkungsvoller von einem katholischen G eistlichen als von einem evangelischen ausgeführt werden, wozu m anche katholische H andlung, w ie das W eihen neuer Häuser, das Ausräuchern von Ställen usw., A nlass g e g e b e n -haben kann. A llen E rnstes erzählte mir noch ein ‘A ll­

vater’ nam ens Brandes, dass, als in Ölsburg ein Verstorbener nam ens R ittm eyer spukend in seiner W ohnung um ging und die Überlebenden b elästigte, man einen katholischen G eistlichen gerufen habe, um den G eist zu bannen, ‘denn ein lutherischer kann so was nicht’ 1). Im O ldenburgischen haben wir die gleiche V olksm einung. Man erzählt: Zu V echta stritten sich ein evangelischer und ein katholischer G eistlicher darüber, w elche von beiden R eligion en die stärkere sei und ihren Priestern die m eiste G ew alt über die bösen G eister gebe. Um das auszuproben, holte man einen ‘bösen G eist’ aus der H eide und setzte ihn auf einen Tisch, da wurde er zu einem schwarzen Hund. D er katholische G eistliche steckte ihm zum Zeichen seiner G ewalt den Arm bis an die Schulter in den geöffneten R achen und zog ihn w ieder unversehrt heraus. Als aber sein protestantischer K ollege das gleich e tun w ollte, schnappte der Hund zu, so dass jen er eilig st zurückfuhr. D a ward offenbar, bei wem die grössere Kraft zu finden w a r2).

In O stpreussen bitten E van gelisch e b ei schwerem U nglück, besonders auch, w enn Verstorbene um gehen, um die Fürbitte katholischer Priester als besonders wirksam und machen G eschenke an deren Kirchen. Das protestantische Landvolk Ost- und W estpreussens w endet sich, wenn es durch unm ittelbare V erm ittlung des H im m els etwas erreichen w ill, z. B.

die E ntdeckung eines D iebstahls, nicht an seinen eigenen, sondern an einen katholischen G eistlichen, und wenn dort katholische Prozessionen nach W allfahrtsorten ziehen, so geben v iele evangelische L eute den W all­

fahrern Geld, um dort für sie zur H eilu n g von K rankheiten beten zu la sse n 3).

1) R. Andree, Braunschw eiger Volkskunde 2 S. 377.

2) Strackerjan, Aberglaube aus O ldenburg 2, 4 (1867).

3) W uttke, D er deutsche Volksaberglaube 3 § 207.

(5)

Im B egin n e der Reform ation herrschte selbstverständlich eine Art Verwirrung in der K irche, und die Besucher richteten sich noch nach den alten längst gew ohnten Bräuchen, die erst allm ählich abgestellt wurden.

Ich w ill d iese Ü bergangsverhältnisse an dem B eisp iele der Kirchen­

ordnung Joachim s II. von Brandenburg im Jahre 1540 erläutern, in w elcher vie le katholische E lem ente erhalten blieben. B ei der Taufe wurden der Exorzism us, die Salbung m it Chrysam, das Kreuzm achen beibehalten.

Auch die B eichte b eliess Joachim II., lateinische L ieder, Chorröcke und K asein blieben. P rozessionen am Markustage, zu Ostern und am P alm ­ sonntage, die katholischen F este Circumcisio domini und Fronleichnam blieben, ebenso die F este der H eilig en Stephan, Lorenz, Martin, Katharina und Fasttage wurden m it der Begründung beibehalten, „weil Brandenburg Überfluss an F ischen habe.“ D iese aus der katholischen Kirche herüber­

genom m enen B estandteile der Kirchenordnung Joachims II. verschwanden erst nach und nach nicht ohne erbitterte K äm pfe1).

Auch in der B eurteilung des W e i h w a s s e r s herrschte Verwirrung.

Luther war in dieser B eziehung anfangs schwankend und unentschieden.

D em katholischen Begriffe des benedizierten W assers nachgebend (im kleinen und grossen K atechism us) erklärte er das Taufwasser als göttlich, him m lisch, h eilig und selig W asser, während die evangelische Kirche dann die besondere K onsekration des Taufwassers abschaffte2).

A ber noch jetzt wird die dem W eihw asser innew ohnende Kraft in evangelischen T eilen Oldenburgs gewürdigt. Man besprengt damit die Stuben, um bösen Zauber von diesen oder den M enschen abzuhalten. In der oldenburgischen protestantischen G eest werden katholische G eistliche zu diesem Z w ecke aufgesucht3).

D ie h e i l k r ä f t i g e n h e i l i g e n Q u e l l e n und W ässer, die in un­

gem essener Zahl heute noch in katholischen K apellen und an W allfahrts­

orten sprudeln, von H underttausenden von Pilgern benutzt werden und ein reinliches Erbstück des H eidentum s sind, haben noch vielfach ihre Bedeutung auch bei E vangelischen behalten und werden von diesen, w ie von den K atholiken benutzt, w iew ohl die evangelische G eistlichkeit dagegen kämpfte. In der Übergangszeit war die Quellenverehrung natürlich noch w eit stärker, während sie heute nur noch sporadisch bei Evangelischen nachweisbar ist. E ine W olfenbüttler Handschrift vom Jahre 1584, also bald nach der Durchführung der Reform ation im Braunschweigischen, berichtet von einer solchen Q uelle b ei Adersheim , aus der die L eute H eilu n g tranken und bei der sie noch ganz in alter Art opferten, indem sie an die benachbarten Sträucher Lum pen, H osenbänder, N esteln, Kränze,

1) J. Sonneck, Die B eibehaltung katholischer Form en in der Reform ation Joachim s II.

von Brandenburg. Rostocker D issertation 1903, S. 11.

2) H. Pfannenschm id, Das W eihwasser 1869, S. 134.

3) Strackerjan a. a. O. 2, 10.

8*

(6)

K erbhölzer und andere D in g e an k n ü p ften 1), ein vielfach auch anderwärts bekannter Brauch.

K irchliche Verbote von protestantischer S eite gegen die ursprünglich heidnische und durch den K atholizism us überkom m ene Q uellenverehrung sind nicht im mer b efolgt worden, und so wuchert sie noch hier und da fort. D ie St. Y eitsk ap elle zu W ieseh t in M ittelfranken war in katholischer Zeit ein berühm ter W allfahrtsort, der 1559 evangelisch wurde. Bis zum Jahre 1671 befand sich noch unter der K anzel ein vergittertes, m it W asser g efülltes Loch, das man in Töpfen heraufzog und gegen Augenschm erzen nach alter Art benutzte. D er evan gelisch e Pfarrer schrieb damals an das K onsistorium zu A nsbach: „Ich habe dieses U nw esen zwar insow eit abg-estellt, dass es in m einem B eisein nicht mehr verrichtet wird, aberO 7 ' w enn ich hinw eg bin, geht es gleichw ohl vor“ 8). — Schon im 18. Jahr­

hundert käm pfte das evangelische K onsistorium zu Lauterbach in H essen gegen ein ähnliches A ugenw asser, drohte selb st m it harten Geldstrafen, aber ohne E rfolg. Noch jetzt wird das R egenw asser, das sich in einem alten gotischen T aufstein b ei der evangelischen T otenkapelle von M eiches, hessisches Am t Schotten, sam m elt, als heilkräftiges A ugenw asser, w ie in katho­

lischer Zeit, benutzt, in F laschen geholt und sogar bis A m erika v ersch ick t3).

U nd im protestantischen D änem ark ist es gerade so, auch von dort finde ich ein Zeugnis, dass gerade h eilige Q uellen und deren W irkungen sich ungew öhnlich zähe erhalten. H ans Christian A ndersen hat uns in seinem Rom an ‘Nur ein G eiger’ eine genaue Schilderung von dem Kult hinterlassen, der b ei der St. R egissen q u elle in der G egend von Nyborg zw ischen den Dörfern O erebäk und Frörup betrieben wird. D ie Q uelle hat den N am en nach einer gottesfürchtigen Frau, deren K inder ermordet wurden. An der S telle aber, wo dieses geschah, entsprang eine herrliche Q uelle, über w elcher fromme P ilg e r eine K apelle erbauten. Jedes Jahr, an St. B oelm essentag, wurde bis zur R eform ationszeit hier gepredigt und erw ies sich die Q uelle als heilkräftig. Und das ist sie in der Meinung des evangelischen V olkes bis jetzt geb lieb en . Nur treten die W irkungen in der Johannisnacht auf. D ann bringt man die im F reien lagernden K ranken dorthin und wäscht sie m it dem Q uellwasser. D ie Q uelle ist von hohen Bäum en um schattet, an denen das Volk noch heutigen T ages nach k atholischer Sitte seine Opfer b efestigt, die in ein igen L ichtern bestehen.

Sehen wir so schon nach diesen B eisp ielen , dass die alte Q uellen­

verehrung sich aus dem K atholizism us in die protestantische Z eit hinüber­

gerettet hat, so ist dieses in noch w eit gesteigertem Masse bei den W a l l ­ f a h r t e n und der D arbringung von V otiven der F all. Luther hatte gegen

1) B raunschweigisches Magazin 1905, S. 5(>.

2) B eiträge zur Bayerischen K irchengeschichte, B and 9, H eft 6. Erlangen 1903.

N ach Hess. B lätter f. Volkskunde 3, 93.

3) Hessische B lä tte r für Volkskunde 3, 92.

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die W allfahrten geeifert und in einer P redigt gesagt: „W enn der G eist des W allfahrens in dein W eib oder deinen K necht fährt, so höre m einen Rat, nimm einen K reuzstock von E ichenholz und h eilig e ihren R ücken tapfer m it einigen Schlägen, und du wirst sehen, w ie durch diesen F inger Gottes jen er Däm on ausgetrieben w ird“ 1). Indessen ganz ist dieser Däm on doch nicht bei E vangelischen bis auf den heutigen T ag ausgetrieben, und auch hier erfolgte die Abschaffung nur allm ählich. Sehr schwer ist das z. B. in dem berühmten holsteinischen W allfahrtsorte Büchen geworden, wo h eiliges Blut, eine wundertätige H ostie und ein w undertätiges Marien­

bild verehrt wurden. Um die W allfahrt auszurotten, vernichtete man die H ostie, aber noch im Jahre 1581 kam en die „Bedefahrer“ dorthin und nun verbot man b ei schwerer Strafe die Kirche zu öffnen und Opfer an­

zunehm en. 1590 berichtet der dortige Pastor, der A berglaube daure trotzdem heim lich fort, und um ihn gänzlich auszurotten, liess man die K apelle zerstören und das K irchensilber v erk a u fen 2).

Für den Fortbestand evangelischer W allfahrten in der G egenwart liegen B eisp iele vor. „W ie vor der Reform ation so ist heute noch die M argarethenkapelle zu R ennhofen (b ei N eustadt a. d. A isch) für Protestanten ein W allfahrtsort, wo G elübde gelöst, Linderung leiblicher und geistiger G ebrechen für M enschen und Y ieh gesucht und reiche Opfer gespendet w erden“ schreibt Dr. G. L am m ert3).

R eich lich sind die katholischen Ü berlebsei bei den evangelischen Masuren in O stpreussen vorhanden. Noch im B eginne des 18. Jahrhunderts w allfahrteten sie zu den R uinen der K apelle, w elche an der S telle der Schlacht von T annenberg (1410) errichtet war. In einer E ingabe an die R egierung zu K önigsberg von 1719 wird über das ‘abergläubische U nw esen’

geklagt, w elches dort, sow ohl von lutherischem als päpstlichem V olke getrieben wird. Man opfere dort „ein gew isses Geld, auch von W achs gem achte Figuren in Form von H and, F uss oder, w enn das Kopfweh durch die W allfahrt gehoben werden solle, in Form eines wächsernen Kranzes“ 4).

W o sich, in Anknüpfung an katholische W allfahrten, dem evangelischen Masuren G elegenheit bot und noch bietet, da ist er dabei, wofür bei iö p p e n sich B eleg e finden6), so die W allfahrten nach der h eiligen Linde bei R össel im Saarburger K reise und nach D ietrichsw alde. W ie zahlreich einst die protestantische B evölkerung nach Zluttowo bei Löbau pilgerte, lässt sich daraus erm essen, dass einm al die K irchenvisitation in M ühlen, w elche auf den 6. August festgesetzt, war, verschoben werden musste, w oil

1) A. H ausrath, L uthers Leben 1, 115.

") Zeitschrift „N iedersachsen“ 13, 327 (1908).

3) Lam m ert, Volksmedizin in Bayern 18(59, S. 23.

4) M itteilungen der literarischen G esellschaft Masovia 1906, S. 73.

5) Aberglauben aus Masuren 2 S. 10 f.

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an diesem T age ein grösser T e il der Schulkinder m it ihren E ltern sich auf dem A blassm arkte zu Zluttowo befand. D ort liess man sich W ein segnen oder gar Ablass geben.

Für W allfahrten E vangelischer in H essen gib t uns das schon er­

wähnte ‘T oten k ip p el’ beim D orfe M eiches den B eleg . Am zw eiten Pfingst- tage wallfahrten aus den evangelischen D örfern H elpershein, D irlam m en, Engelrod, H örgenau und E ich elh ain kranke L eute dorthin, um im Opfer­

stock dort zu opfern, in der Voraussetzung, dass sie dadurch g esu n d en 1).

D ie se W allfahrten sind einfache Fortsetzungen der alten katholischen, da das T oten k ip p el eine alte St. G eorgskapelle und W allfahrtsort war, zu dem, schon als es evangelisch war, noch im 19. Jahrhundert einzelne K atholiken w allfahrteten.

D azu noch ein B eisp iel aus N orw egen. In der Kirche zu R öldal befand sich in katholischer Zeit ein w undertätiges Christusbild, zu dem in der Johannisnacht die L eute wallfahrteten, um m it dem Schw eisse, den das B ild von sich gab, K rankheiten, nam entlich B lin d h eit zu heilen.

Zahlreiche zurückgelassene V otive legten von den H eilerfolgen Zeugnis ab. D ie W allfahrt nach R öldal wird zuerst im 17. Jahrhundert erwähnt, also in protestantischer Zeit, w iew ohl sie natürlich älter ist. Professor B. K ahle, der dort war und dem wir obiges entnehm en, schreibt: „H öchst m erkw ürdig ist es, w ie lange sie sich in diesem protestantischen L ande erhalten hat: Sie wurde erst im Jahre 1840 infolge eines B erichtes der P ropstei von R yfylk e durch den (protestantischen) B isch of von K ristians- sand abgeschafft. W ie mir der Pfarrer von R öldal erzählte, seien in den letzten Jahren der W allfahrt die L eu te vom Ort freilich nicht mehr gläubig gew esen, aber von w either sei man noch gek om m en “ 2).

Auch b ei den heut noch so vielfach in katholischen Landen vor­

kom m enden P ferd e- und V iehsegnungen b eteilig en sich gern E vangelische.

So z. B. b ei der P ferdesegnung von G aualgesheim im R heingau am L au ren zitage3).

Z iem lich verbreitet ist auch die öfter m it W allfahrten zusam m en­

hängende D a r b r i n g u n g v o n O p fe r n in G eld und Naturalien und von W eih egesch en k en , W achsvotiven usw., ganz nach alter katholischer Art, in evangelischen K irchen bis auf unsere T age. Am stärksten m usste natürlich diese Fortdauer noch in der Z eit gleich nach der R eform ation sein, und die ersten evangelischen G eistlichen hatten genug damit zu tun, die alten katholischen G ew ohnheiten auszurotten. So berichtet am Ende des lß . Jahrhunderts der erste evangelische Superintendent vom braun­

schw eigischen D orfe Engerode: „Es geschieht aber noch b isw eilen an diesem Orte A bgötterey, diew eil im Babstthum b daselbst gross Ablass

1) Hessische B lätter fü r Volkskunde 3, 89.

2) Archiv für Religionswissenschaft 12, 147.

o) Mitt. d. Ver. f. N assauische A ltertum skunde, Ju li 1909, S. 73. Globus 97, 133.

(9)

gew esen, die Leute oft noch kom m en und was sie in ihren N öten gelobt, darbringen, als Arme, B eine, H ände, F üsse, K reuze, K inder u. dgl. von W achs aufhängen in die Ehre unsrer L ieben F rau en “ 1).

D as hielt aber, trotzdem dagegen gew irkt wurde, in jen en G egenden noch lange an, worüber der Harzburger Superintendent Andreas Krieg uns ausführliche Schilderungen hinterlassen h a t2). W ir m üssen da eine Abhandlung* über den sagenhaften Harzgötzen Krodo samt vier ‘Salz- predigten des frommen Superintendenten über uns ergehen lassen, bis er S eite 24 darauf kom m t, dass in H arzburg A bgötterei und A berglauben, w elche tiefe W urzel zu schlagen pflegen, nicht gänzlich ausgerottet werden können. Und nun klagt K rieg darüber, dass in der damals noch vor­

handenen alten, ehem als katholischen K apelle auf dem Burgberge noch katholische K ulthandlungen vorkam en, indem nicht allein in der N ähe, sondern auch aus w eit abgelegenen Orten v iel presshafte Kranke und au Händen und F üssen L ahm e, auch blinde L eute, sich durch M ittel auf die Harzburg, durch K onivenz des Pförtners, gem acht, ihr G ebet vor dem Altar verrichtet, ein w enig Geld in den ‘Armen Sack’ g eleget und dann das ungesunde L eib esg lied in W achs abgebildet in der Kirchen auff und an die W and nebst den Krücken, worauff sie hinauff gekrochen, gehenckt, und sich alsdann gesund davon gem acht.

„Es wird auch beständig berichtet, dass an der Mutter Maria R ock, w elches B ildnis auff dem Altar gestanden — — — Krücken und ab­

g eb ild ete W achsbilder der m enschlichen G lieder von der Kirchen ab­

genom m en und also diesem neuen G reuel durch die hohe christliche O brigkeit das F in al gem acht w orden.“

Im Jahre 1654 wurde dann dieses K irchlein auf der Harzburg auf B efehl des H erzogs A ugust ‘gänzlich dem oliert’. Mit den ‘von press­

haften L euten zurückgelassenen K rücken’ ist man aber ganz besonders ' ei fahren. D er über die katholischen Ü b erlebsel empörte evangelische Superintendent, der in dessen kaum aufgeklärter als die armen, zur Mutter Maria pilgernden Kranken gew esen sein wird, erzählt näm lich auf S. *25 von den geopferten Krücken, „dass selb ige der dam ahlige Ambt-Mann, Caspar W iedem ann, herüber auffs Am bt (in Harzburg) fahren lassen und

»ntendiert ein Gebrau Breyhan damit brauen zu lassen. A ls aber d ie­

selben unter die Pfanne gesteck et worden, ist ein solcher Lärm im Brau- hause entstanden, dass nicht allein k ein Mensch darinnen verbleiben können, sondern das B ier dergestalt m issrathen, dass auch die Schw eine selb ig es nicht gen iessen m ögen. So gibt der H öllen-G eist seinen Unmuth zu erkennen, wenn sein R eich zerstöret w ird.“

1) Braunschw eigisches Magazin 1898, S. G7.

-) Andreas K rieg, H artzburgscher M ahl-S tein usw. Goslar bey Joh. Christoph König 1709.

(10)

E in anderes B eisp iel aus der Ü bergangszeit, w obei es sich um die Fortdauer des lebenden T i e r o p f e r s nach noch heute in Süddeutschland üblicher Art in der protestantischen schon erwähnten St. V eitsk ap elle b ei W iesch t in M ittelfranken handelt. Zu Z eiten des evangelischen Pfarrers H orn (1 6 3 2 — 1661) wurde dort eine leb en d e Kuh geopfert und an den Kirchthurm gebunden. 1671 berichtet der evangelische Pfarrer an das K onsistorium zu Ansbach: „Von jungen H ühnern geht wenig- ein, w elche man sonst häufig geliefert und in einem gew issen B ehälter in der K apelle gesperrt. W eil ich aber dieses w egen des Krähens unter der P redigt nicht leid en w ollen, so unterlässt man’s. D och bringt man manchmal etwas von Hühnern in m ein H au s“1).

Auch bei dem schon erwähnten evangelischen T otenkippel von M eiches in H essen werden — w enigstens noch in der zw eiten H älfte des 19. Jahrhunderts — Naturalopfer von E vangelischen auf dem alten Stein­

altar n ied ergelegt, Mehl, Früchte, K leider, H em den und ein Mann, der an einer Salzfluss genannten F lech te litt, liess dort einen Zentner Salz hinschaffen2).

Von den Masuren O stpreussens w issen wir, dass sie noch im 16. Jahr­

hundert trotz der W irksam keit der katholischen G eistlich k eit die alten heidnischen Götter anriefen und ihnen Opfer brachten. E s ist daher auch nicht zu verw undern, wenn wir b ei diesem slaw ischen V olksstam m e, trotzdem er schon lange (nach 1525) die R eform ation angenom m en hat, noch eine ganze Anzahl katholischer U berlebsel finden, von denen er sich nicht losm achen kann, w eil er m it ihnen eine w undertätige Kraft ver­

bunden g la u b t3). Opfer in Kirchen niederzulegen ist bei ihnen etwas ganz G ew öhnliches. W enn für die G enesung einer E pileptischen geopfert wird, so geschieht dieses g leich zeitig in drei K irchen, von denen aber eine eine katholische sein muss. Am 6. August (T a g der Verklärung Jesu) werden von den Masuren Opfer in katholischen K irchen nieder­

gelegt, und sie strömen dann scharenw eise zum katholischen G ottesdienst.

D as hat nach einem Synodalberichte des Superintendenten S cliellin g in Marggrabowa vom Jahre 1882 in letzter L in ie einen sprachlichen Grund.

„W eil das W ort Verklärung in der polnischen Sprache m it dem W orte

‘Um w andlung’ w iedergegeben wird, so hat sich in der katholischen Kirche und von dorther auch bei den Masuren die V orstellung ausgebildet, dass die F eier dieses T ages den Teilnehm ern eine Um wandlung ihrer b e­

sonderen Ü bel und L eid en einbringt, besonders w enn sie ihre G ebete m it A ltargeschenken b eg leite n “ 4).

Durch Opfergaben können auch die a r m e n S e e l e n bei den evan­

gelischen Masuren erlöst werden. E in e Frau opferte fünf Silbergroschen

1) B eiträge zur bayerischen K irchengeschichte, Band 9, H eft <5. Erlangen 1903.

2) Hessische B lätter für Volkskunde 3, 88.

3) Vgl. dazu A. Zweck, Masuren. S tu ttg a rt 1900, S. 215.

4) P. Hensel, D ie evangelischen Masuren. Königsberg 1908, S. 4:5.

(11)

für den Mann, dessen S eele k ein e R uhe finde, und sprach dabei die Hoffnung aus, dass eine glückliche S eele diese fünf Silbergroschen finde und durch G ebet die arme S eele erlösen m öchte. W enn das Opfer an eine katholische K irche käm e, wäre es wirksamer, als an eine evangelische, glaubte s i e 1). Selbst Naturalopfer, Mehl und W ach s, an katholische Kirchen kom m en noch vor.

D ass auch heim lich in evangelischen Kirchen in versteckter Form G eldopfer dargebracht werden, dafür lieg t ein B eispiel vor; es handelt sich um den h eiligen Ort, im Glauben dadurch eine W irkung zu erzielen.

Als im Jahre 1900 m it dem Abbruche der alten baufälligen Kirche zu Bukow bei Lübbenau in der N iederlausitz begonnen wurde, fand man in den Spalten der alten H olzsäulen und B alken viele Taler und Z w eitaler­

stücke aus dem 18., w eniger aus dem 19. Jahrhundert versteckt. Jed es einzelne G eldstück war in P apier eingeschlagen. Als Grund wurde an­

gegeben, dass man auf diese W eise opfere, wenn ein Kind gestorben sei und man die übrigen vor dem gleichen Schicksale bewahren w o lle“ 2).

E in e besondere Art der W eihgeschenke stellen die S c h i f f s v o t i v e dar, die bei den Seefahrern katholischer Länder oft in grösser Anzahl in den Kirchen aufgehängt werden von Schiffern, w elche Seenot glücklich überstanden haben und nun zum D anke in den Kirchen des h. N ikolaus, des Patrons der Seefahrer, oder in den M arienkirchen von der D e c k e herabhängen oder an den P feilern b efestigt werden. R eich an solchen Schiffsm odellen sind z. B. die H eiligtüm er der Notre D am e de Roc-Am adour (französische N ordküste), die Kirche der Maria d’Annunziata auf der dalm atinischen Insel L ussin piccolo; ein k lein es Museum solcher Schiffs- votiye fand ich in der Kirche der Madonna del Soccorso zu Forio auf schia, wo die V otive vom 18. Jahrhundert an bis auf die Gegenwart reichen.

Schon früher8) habe ich darauf hingew iesen, dass bei unseren nord­

deutschen evangelischen Schiffern sich dieser katholische Brauch, ein Zeichen der D ankbarkeit an die him m lischen Mächte für Errettung aus Seenot, forterhalten hat. U nd w enn es auch nicht imm er sich um die A ufstellung eines Modells des dem U ntergange entrissenen Schiffes handelt, so findet doch eine einfachere Form der D ankbezeugung statt. A uf den schlesw igschen H alligen bittet ein von langer Fahrt glücklich zurück-

»ekehrter Seem ann den Pastor, am nächsten Sonntag nach der P redigt ein öffentliches D ankgebet für ihn zu sprechen, wofür er eine k lein e Summe zu zahlen p fleg t4). Noch heute sind Schiffsm odelle in den K irchen

1) lö p p e n , A berglauben aus Masuren 2 S. 7.

^ N ach einem Berichte aus Lübbenau in der F rankfurter Oderzeitung vom 10- APril 1900.

i>) K °rrespondenzblatt der deutschen Anthropolog. Gesellschaft 1905, N r. 10.

4) E. T raeger, Die Halligen der Nordsee 1892. S. 50.

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an der Ost- und Nordsee nicht selten, und sie reichen zum T eil, w ie die Form en der F ahrzeuge bew eisen, in alte Z eiten, aber kaum in die vor- reform atorische zurück. Auch in der Sage spielen diese Schiffsm odelle eine R olle, so das noch heute in der evangelischen Pfarrkirche zu Ram bin auf R ügen aufgehängte1). Von dem bew ährten K enner der pom m erschen V olkskunde, H errn P rofessor A. Haas in Stettin, an den ich m ich um Auskunft w endete, erhielt ich noch eine Anzahl auf Schiffsvotive in evan­

gelischen K irchen bezügliche Angaben, die auch nach seinen Beobachtungen erst in evangelischer Z eit gestiftet wurden, einm al zum A ndenken solcher Schiffer, die auf S ee b lieb en oder aus dankbarer E rinnerung an eine er­

folgte R ettung aus Seenot. A ls B eisp iele führt mir Herr Professor Haas an ein Schiffsm odell von 1777 in der Kirche zu L übzin am Dam m schen S ee und mehrere aus evangelischen K irchen in das P om m ersche A ltertum s­

museum zu Stettin gelangte Schiffsm odelle, die teilw eise auf das 16. bis 17. Jahrhundert zurückgehen. E in es stellt ein V ollschiff aus der ersten H älfte des 19. Jahrhunderts, unter K apitän W ilhelm Bödow aus Stepenitz, dar. Er verlor im Sturme bei Kap Horn seinen Steuerm ann. Ihm zum A ndenken wurde das M odell angefertigt und seinerzeit in der K öpitzer K irche aufgehängt. Auch in Schw eden haben sich solche V otivschiffe lange in der evangelischen Z eit erhalten, w ie die Exem plare im N ordischen Museum in Stockholm b ew eisen. S ie hingen vordem in den Kirchen norw egischer und schw edischer K üstenstädte, als Zeichen der D ankbarkeit für Errettung aus S e e n o t2).

Und nicht nur die V otivschiffe in alter W eise lassen sich nachw eisen, sondern auch, w enigstens an die Schiffahrt anknüpfend, auch V o t i v ­ b i l d e r . D ie Chorfenster der K irche zu G ross-Z icker auf der H albinsel M önchgut enthalten G lasm alereien, w ahrscheinlich E rzeugnisse nieder­

ländischer K ünstler aus dem 16. bis 17. Jahrhundert, die ältesten von 1595, w elche vielfach Schiffe darstellen. E in es dieser B ilder zeigt einen vom Maste in die S ee stürzenden Mann, also w ohl die D arstellung ein es w irk­

lichen V organ ges3). D ie Übereinstim m ung m it der D arstellu n g von U nglücksfällen, w ie sie so vielfach auf den V otivtafeln der katholischen K irchen erscheinen, lie g t hier klar vor, w enn auch ein G elöbnis, w ie es sich bei den K atholiken in solchen F ä llen findet, hier sich nicht nach­

w eisen lässt, sondern mehr der historische V organg betont zu sein scheint.

In der Ü bergangszeit der Reform ation herrschte bezüglich des Kultus häufig Verwirrung. E s gab G eistliche, die nach B elieb en ihrer Pfarr- kinder diese auf katholische oder evangelische W eise bedienten. D as drückte sich auch b ei Luther aus, der m anchen katholischen Brauch erst

1) Jahn, Volkssagen aus Pom m ern 1886, S. 43. H aas, Rügensche S a g e n 2 S. 139.

2) Hazelius, Guide to the Collections of the N orthern Museum 1889, S. 50.

3) Baltische Studien 15, 2, S. 166. H aas und W orm, Die H albinsel Mönchgut 11109, S. 40.

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nach und nach abstreifte. Im K leinen K atechism us, der die ‘Eierschalen der P apstkirche an sich trug’, w ie die Z w inglianer sagten, em pfiehlt er noch das Segnen m it dem K r e u z s c h l a g e n 1). Und was tut heute der evangelische Masure? Er verneigt sich beim E in - und A ustritte aus der irche vor dem Altar und macht dabei das Zeichen des K reuzes*). Früher wai die B ekreuzigung bei den Masuren noch w eit häufiger; die auf- getragenen Speisen wurden vor der M ahlzeit m it dem Zeichen des K reuzes

% ersehen, und selb st der Fuhrm ann machte mit der P eitsch e vor seinen Pferden dieses Z eichen, wenn er eine R eise antrat3).

Auch das katholische F a s t e n hat sich in Ü berlebseln bei Protestanten ei halten. Es war ja als ein der G ottheit w ohlgefälliges W erk der Selb st­

verleugnung bei vielen V ölkern des Altertum s üblich. D a Luther es für eine ‘feine äusserliche Zucht’ erklärte, erhielt es sich bei den Evangelischen noch lange, und die R este sind auf unsere T age gekom m en. W enigstens am Karfreitag fastet man im protestantischen Ostpreussen noch v ielfa ch 4), und im Zürcherischen Oberlande werden, nach vorreformatorischer Über­

lieferung, noch je tzt am F reitage von Protestanten nur Fastenspeisen g e ­ nossen. Man isst ‘W äfen’ aus Ä pfeln oder Birnen, ‘N id el’ (R ahm ) und B o lle n 5).

L in e unm ittelbare B e i b e h a l t u n g d e r k a t h o l i s c h e n F e i e r t a g e finden \\ir w ieder bei den evangelischen Masuren. Man findet bei ihnen G elöbnisse am Jakobitage, an Christi Verklärung, an den Marientagen u. a.

nicht aut dem F eld e zu arbeiten. A ls ein evangelischer Pfarrer an einem solchen l ä g e dieses doch tun liess und unerwartet ein H agelw etter eintrat, sam m elten die Bauern einige Metzen H agelkörner, brachten sie zum Landrate nach N eidenburg und verklagten den Pfarrer, dessen

^ ottlosigkeit sie durch die H agelkörner zu bew eisen m einten. D ie R ück- ir vung der katholischen Anschauungen zeigte sich bei den Masuren auch t a< urch, dass, nach katholischer Art, der Karfreitag nicht, w ie b ei den

>an_,elischen, als rechter F esttag gefeiert und bei vielen der Grün­

donnerstag höher g estellt w ir d 9).

Sein stark sind die N iederschläge, die sich auf die katholische V e r -

o h l

lu n g d e r H e i l i g e n beziehen, und sich w enigstens im Sprachgebrauche und auch in Sitten bei den Protestanten erhalten haben. W ährend bei der R eform ation nur jen e F este erhalten blieb en , die sich auf das L eben Jesu bezogen, wurden die F e ste der H eiligen und Fronleichnam a o eschafft. Aber die K alenderbezeichnungen nach den H eiligen sind bis

1) A. H ausrath, Luthers Leben 2, 113.

2) P. Hensel, Die evangelischen M asuren S. 42.

°) Toppen, A berglauben aus Masuren 2 S. G.

4) E. Lemke, Volkstümliches aus Ostpreussen 1, 13 (1884).

5) H. Messikommer, A us a lte r Zeit 1, 43 (Zürich 1909).

<>) Toppen a. a. 0 . S. 7. 9.

(14)

auf d iesen T ag in evangelischen Landen geb lieb en ; wir rechnen nach M ichaelis, erinnern uns an den h eilig en Martin, dessen T ag im D eutschen R eich e allgem einer T erm intag war, an dem das G esinde an- und abzog.

So kann man denn im protestantischen N iederdeutschland noch die R edensart hören für einen K necht, der zu früh seinen D ien st verlässt:

he m äket Martinich. Erst in neuer Z eit werden die neugebauten pro­

testantischen K irchen nach Luther, der D reifaltigk eit, den E van gelisten u. dgl.

benannt, während b ei den in der Vorreform ationszeit erbauten die alten katholischen H eiligen n am en fortbestehen. Und so gelten diese auch b ei F esten in evangelischen G egenden. W enn in Ham burg ein Schulfest gefeiert wurde, b ei dem man die Kinder ins Grüne führte, so sagte man:

Se gät in ’t P an taljoh n 1), w obei man natürlich nicht m ehr an den h eiligen Pantaleon von N icom edien dachte, der im vierten Jahrhundert leb te und Schutzpatron der Ammen und gut gegen H euschrecken ist. Und w ie b elieb t ist nicht auch bei protestantischen K indern St. N ikolaus, der ein B isch of von Myra in L yk ien war! D ieser am 6. D ezem ber bei unsern K indern w egen seiner R ute ebenso gefürchtete als w egen seiner A pfel und N üsse b elieb te H e ilig e ist ja b ei E vangelischen noch ebenso ver­

breitet, w ie bei den K atholiken. Auch in K inderspielen k lin gen bei E vangelischen katholische H eilig e nach. D as von der Kirche gesegn ete Agathenbrot, w elches ins F eu er gew orfen, dieses hem m t, ist in evan­

gelisch en K antonen der Schw eiz in A bzählreim en erhalten geb lieb en , w obei neben richtigen V ersen ‘A gathenbrot in der N ot’ auch allerlei un­

sinnige N am enentstellungen Vorkom m en2).

Selb st zur B ezeichnung der Bilderbücher schlechthin ist der N am e der H eilig en gew orden und hat sich so nach der R eform ation erhalten.

In den Büchern, die in den frühesten Z eiten nach der Erfindung der Buchdruckerkunst in die H ände des gem einen Mannes gelangten, waren es zum eist die erbaulichen, w elche B ilder enthielten, unter denen die H e ilig en die erste R o lle spielten, und daher kam der noch im 18. Jahr­

hundert übliche plattdeutsche Ausdruck H illig en für B ilderbücher3). Auch die W eidm annssprache hat die H e ilig en überall bewahrt. Sie redet von der H ubertusjagd und sagt, dass der H irsch Ägydi auf die Brunft tritt.

W ährend so die H e ilig en unter dem evangelischen V olke immerhin noch in Ü berlebsein vertreten sind, verm ag man von der R e l i q u i e n - v e r e h r u n g nur noch schwache Spuren nachzuw eisen. Ausserordentlich scharf sind die R eform atoren gegen diese vorgegangen, und w ie heute von christlichen M issionaren noch afrikanische G ötzenbilder verbrannt wurden, so zerstörte man vielfach R eliq u ien , die aber auch von guten

1) Richey, Idioticon H am burgense 1755, S. 180.

2) Rochholz, Alemannisches K inderlied S. 14. (Fritz Staub), Das B rot im Spiegel schw eizer-deutscher Volkssprache 1868, S. 115.

3) Richey a. a. 0 . S. 95.

(15)

K atholiken w iederholt vor Zerstörung bewahrt und gerettet wurden, w ie jen e St. Bennos von M eissen, die H erzog A lbrecht Y. von Bayern nach München brachte. B ei der nachdrücklichen R eliq u ien b eseitigu n g in protestantischen Ländern konnte natürlich eine unm ittelbare Anknüpfung {in solche dort nicht mehr erfolgen. W o aber die V orstellung herrschte, solche R eliquien könnten in irgend einer B eziehung helfen, da suchte man bei auswärtigen H ilfe. Dafür w enigstens ein B eisp iel. Noch heute verkauft die Kirche in Augsburg in k leinen Tüten St. U lrichserde, die wirksam für die V ertreibung von Ratten und Mäusen sein soll. „Der Umstand, dass St. U lrich ursprünglich auf blosser Erde bestattet wurde, war die Veranlassung, dass man Jahrhunderte lang die Erde, die man im Jahre 1183 dem Grabe entnahm, als eine Art R eliquie ansah und sie besonders zur V ertreibung der R atten und Mäuse verwendete. Im Pfarr- archiv St. Ulrich befindet sich ein von dem (protestantischen) H erzog Friedrich von Schlesw ig-H olstein selbstgeschriebener Brief, datiert 24. März

Ö ö

1700 an das K loster St. Ulrich, in w elchem er seine B itte um Verabreichung von Ulrichserde zur V ertreibung der R atten und Mäuse auf seinen F eldern und in seinen Schlössern erneuert und verspricht, dass m it derselben k ein Missbrauch getrieben, sondern sie nur im Vertrauen zum h. Ulrich gebraucht w erde“ 1). Es ist nicht ausgeschlossen, dass einzelne R eliquien sich in evangelischen Kirchen erhielten und der Zerstörung entgingen.

Darauf deuten die mehrfach erhaltenen sagenum webten Mumienhände, wohl ursprünglich R eliquienhände, hin. H inter dem Altar der Kirche zu M ellentin in Pom m ern lieg t eine solche Hand, von der die Sage berichtet, sie hätte einem Mädchen angehört, das seine Mutter geschlagen und sei aus dem Grabe herausgew achsen2). Und so verhält es sich m it der mum ifizierten M enschenhand, die an eiserner K ette in der D orfkirche zu G ross-R edensleben in der Altm ark hängt, dabei eine T afel, w elche in A ersen die G eschichte von dem Sohne erzählt, der den Vater sch lu g3).

Auch in der Sakristei der P etri-P aul-K irch e zu Stettin sollen zwei mumi­

fizierte Kinderhände gehangen haben, die aus dem Grabe gewachsen waren. Ü berall erscheint mir die echte R eliquienhand als das ursprüng­

liche, an das dann später sich die so w eitverbreitete Sage von dem undankbaren Kinde anschloss, dem die H and aus dem Grabe wuchs.

D as sind nur ein ige B eisp iele von der zähen Ausdauer, die alt­

katholische Bräuche und Anschauungen heute noch im evangelischen

^ olke besitzen, und ein B eleg dafür, w ie neue R eligion en von ihren Vor­

gängerinnen im m er noch einzelnes übernehm en und weiter gebrauchen.

M ü n c h e n .

1) Friesenegger, Die St. Ulrichskirche zu Augsburg 1900, S. 59.

-) Kuhn und Schwartz, Norddeutsche Sagen 1848, N r. 28. 4G.

'*) Temme, Volkssagen der A ltm ark 1839, S. 48 Nr. 56.

(16)

Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben.

V on Richard Loewe.

(Vgl. oben 18, 1. 151. 21, 31.)

I. Der Südosten.

A us d em R ie s e n g r u n d (R ie s e n h a in ) b e ric h te te m ir n o ch d e r d a s e lb s t 1838 g e b o re n e u n d je tz t noch w o h n h a fte F e ld g ä r tn e r S te fa n B u c h b e rg e r, d e r s e lb st n ic h t m e h r w u n d e rg lä u b ig ist, fo lg e n d e s:

„D ie a lte n L e u te h a b e n viel v o n R ü b e z a h l g e sp ro c h e n , w en ig vom N a c h t­

jä g e r , n ic h ts vom F e u e rm a n n .

R ü b e z a h l le b te in T e u ie ls L u s tg ä rtc h e n . D o ch w a r e r a u c h ö fters in d e r B la u h ö lle u n d in R ü b e z a h ls G a rte n . Im R ie s e n g r u n d is t e r oft a u f- u n d a b ­ g e g a n g e n . N e b e n e in e m W a s s e rg ra b e n h a tte e r se in e n W e g von T e u fe ls L u s t­

g ä rtc h e n in d a s T a l (d en R ie s e n g r u n d ); d e r W e g fü h rte ü b e r e in e felsig e K lippe.

J e tz t is t d e r W eg ü b e rw a c h s e n ; es is t n u r n o ch m ü h s a m h in d u rc h z u k o m m e n . D e r T e u fe ls g ra t fü h r t vom T e u fe ls g ä rtc h e n a u s so w o h l a b w ä rts als au ch nach re c h ts u n d lin k s ; e r e rre ic h t a u c h n och d ie B la u h ö lle . I n T e u fe ls L u stg ä rtc h e n w u c h s a u c h ein A p felb au m .

R ü b e z a h l h a t so a u sg e s e h e n , wie m an ih n d a rs te llt. E r h a t sich a u c h v e r­

w a n d e ln k ö n n e n , z. B. in e in e n J ä g e r o d e r ein en fein en H e rrn .

R ü b e z a h l h a tte a u c h e in e F r a u n a m e n s E m m a, d ie h ü b sc h w ar. Sie h a t sich ö fte rs e n tfe rn t, e r h a t sie a b e r im m e r w ie d e rg e h o lt.

R ü b e z a h l h o lte sich oft W a s s e rrü b e n au s d e m R ie s e n g r u n d ; d ie L e u te w aren froh, w en n e r sich w ie d e r e n tfe rn t h a tte ; b e sc h w e rt h a t sich n iem an d d a rü b e r a u s A ngst. D ie L e u te h a b e n a u c h g e fü rc h te t, d a ss R ü b e z a h l ih n e n a u f Z a u b e r­

a r t sc h a d e n k ö n n te . S ie h ie lte n ih n fü r ein e n b ö sen G eist u n d sa g te n au ch , e r sei d e r T e u fe l. W enn R ü b e z a h l je m a n d e m etw a s in den W e g leg en w ollte, so stie g ein G e w itte r auf. O ft g in g e r a u c h m it d en L e u te n u n d zeig te sich an fa n g s d a b e i fre u n d lic h , ä rg e rte sie a b e r n a c h h e r. Ö fters h a t e r a u c h L e u te irre g e f ü h r t.“

G u te s w u sste S tefan B u c h b e rg e r ü b e r R ü b e z a h l ü b e rh a u p t n ic h t zu b e ­ ric h te n , a u c h n ic h t, d a ss e r d ie Ä pfel se in e s A p felb au m es irg e n d je m a n d e m g e ­ s c h e n k t h ä tte .

A us d em vom R ie s e n g r u n d au s z u n ä c h s t ta lw ä rts g e le g e n e n S tu m p e n g ru n d e rh ie lt ich fo lg e n d e A u sk u n ft vo n d e r d o rt 1836 g e b o re n e n u n d je tz t noch w ohn­

h a fte n S c h n e id e rm e iste rsw itw e K a th a rin a B o en sch , g eb . M itlö h n e r:

„ R ü b e z a h l lie f im m e r von d e r S ch n e e k o p p e a u f d ie g e g e n ü b e rlie g e n d e K oppe (s c h w a rz e K oppe o d e r B ru n n b e rg ) d u rc h d en R ie s e n g ru n d . E r ist ein G e ist u n d sc h ic k t n o c h je tz t G e w itte r u n d p lö tz lic h e U n w e tte r, fü h r t auch n o ch je tz t d ie M e n s c h e n irre . In R ü b e z a h ls L u s tg a r te n g ib t es n o ch a lle rle i O b stb äu m e, b ra u n e N elk en , ro te N elk en u n d a n d e re sch ö n e B lu m e n . G e ta n z t h a t R ü b e z a h l oft m it ju n g e n M ä d c h e n .“

D a z u e rz ä h lt K a th a rin a B o en sch n o ch fo lg en d e G e sc h ic h te n , d av o n die e rs te n ach E rz ä h lu n g ih r e r G ro s s m u tte r (V a te rs M u tter) a u s K lein -A u p a:

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