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Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 2. Jahrgang, 1892, Heft 4.

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Academic year: 2022

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(1)

ZEITSCHRIFT

des

Vereins für Volkskunde

Neue Folge der Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft

,

begründet von M. Lazarus und H. Steinthal.

Im Aufträge des Vereins

herausgegeben von

Karl Weinhold.

Zweiter Jahrgang. 1892. Heft 4.

BERLI N.

V e r l a g v o n A. A s h e r & Co.

(2)

I n h a 11.

Seite

M ärchen in Saxo Gram maticus. 3. Yon A x e l O l r i k ... 367 Aus dem A ber- und G eisterglauben der Chinesen. Yon A r e n d t . 374 N achtrag. Yon A r e n d t ... . . 380 H andw erksbrauch in der Iglauer Sprachinsel. Yon P i g e r . . . . 382 Zur neugriechischen Y olkskunde. 3. Von D r. A l b e r t T h u m b . 392 Zwergsagen aus Nordfriesland. Yon C h r i s t i a n J e n s e n 407 R einhold K öhler. Yon Prof. D r. E r i c h S c h m i d t . 418 Sprichw örter und R edensarten. Yon K. Ed. H a a s e . . . 437 K leine M itteilungen:

Ein paar volksthümliche Miscellen. S. 440. — Sagen vom Sinichkopfe in Mais bei Meran. S. 441. — Ignaz Zingerle von Summersberg. S. 442. — Anmerkungen zu Zeit­

schrift II. S. 44B. — Pfingstlied. S. 446. — Ernst Ludwig Bochholz. S. 446. — Aus dem Ötzthal. S. 447. — Aus Oberinnthal. S. 448.

Aus den S itzungs-Protokollen des V ereins für V olkskunde . 448 L itte ratu r des Jahres 1891 ... . 450

Wir machen darauf aufmerksam, dass der Verein für Volkskunde (Sitz in Berlin), dessen Organ diese Zeitschrift ist, nichts gemein hat mit der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde des Dr. E. Veckenstedt in Halle a. S.

B e i t r ä g e f ü r d ie Z e i t s c h r i f t , b e i d e n e n u m d e u t l i c h e S c h r i f t a u f Q u a r t b l ä t t e r n m i t R a n d g e b e t e n w ir d , M i t t e i l u n g e n im I n t e r e s s e d e s V e r e i n s , K r e u z b a n d s e n d u n g e n , b e l i e b e m a n an d i e A d r e s s e d e s H e r a u s g e b e r s , G eh . R e g i e r u n g s r a t P r o f . D r.

K. W e in h o l d , B e r l i n W ., H o h e n z o l l e r n s t r . 10, z u r i c h t e n .

B ücher für B esprechung in der Z eitschrift wolle m an an die V erlags­

buchhandlung A. A sher & Co., W . U nter den L inden 13, senden.

B eitrittserk läru n g en zum V erein nim m t der S chriftführer P rof. Dr.

B r ü c k n e r , B erlin SW., L ankw itzstr. 1, und der Schatzm eister entgegen.

Schatzm eister des Vereins ist B anquier A l e x a n d e r M e y e r C o h n , B erlin W ., U nter den L inden 11.

D e r Jah resb eitrag ist 12 Mk., wofür die Zeitschrift an die M itglieder geliefert wird.

(3)

Von Axel Olrik.

3. Die Königstochter im Hügel.

Saxo, VII. B uch, S. 351 — 52: E in w ilder schwedischer Seeräuber, namens G unnar, landet im Ja th e r (Jedder) an der Südküste Norwegens und verheert das L and entsetzlich. D er alte norwegische K önig R egnald zieht gegen ih n , zuvor aber lässt er eine unterirdische H öhle einrichten und v erbirg t da seine einzige T ochter D rott nebst D ienern und Speise für lange Z eit, und versteckt hier auch seine zwei trefflichen Schwerter.

G unnar erschlägt den K önig R egnald und giebt zum Spott den Norwegern einen H und zum K önig; dann sucht er überall nach der P rinzessin; end­

lich hört er einm al Menschenstimmen u nter der E rde, er lässt graben und findet die H öhle; die D iener w erden erschlagen und die K önigstochter und der Schatz w eggebracht; nur die Schw erter hat sie also versteckt, dass er sie nicht findet. Sie w ird gezwungen, sein W eib zu werden und gebiert ihm einen Sohn H ildeger.

So lautet die Sage bei Saxo, der Anfang seiner H ildebrandsage. Auch die isländische Fassung derselben Sage, die Asm undar saga kappabana, k en n t die K önigstochter (in der P rosa H ildr genannt, aber D rott in einer S trophe), sowie die G eburt ih rer zwrei Söhne von verschiedenen Vätern, und die V erberguug der zwei Schw erter des Königs R egnald, welche seinen E nk eln verhängnisvoll werden. Die unter der E rde eingerichtete H öhle kom m t jedoch hier nicht vor; w ir treffen sie aber in nordischen Märchen und Volkssagen.

E ine dänische Volkssage erzählt: Ein K önig auf F üh nen hatte drei schöne T öchter; drei wilde K äm pen w arben um sie, w urden aber ab ­ gewiesen. Sie drohten sich zu rächen. D aher m achte der K önig in einem H ügel eine G rube und setzte seine drei T öchter hinein m it Speise für lange Zeit. D ie K äm pen kam en wieder, erschlugen den alten K önig und suchten überall nach den Jungfrauen; endlich wurden sie durch das B ellen eines kleinen H undes, den sie bei sich hatten, entdeckt, und die K äm pen gruben.

Als aber die jüngste K önigstochter die Männer erb lick te, erstach sie sich selbst m it einem Messer, und so thaten auch ihre Schwestern. Noch heute hört man, wie die K äm pen als G espenster über den H ügel wegfahren und

Zeitschrift d. V ereins f. Volkskunde. 1892. 2 5

(4)

an einer Südseite sieht man drei kleine L ich ter; auch den H ügel des Königs zeigt man am M eeresufer und die kleineren H ügel seiner Mannen rin g su m 1).

E in w eit verbreitetes dänisches M ärchen beg in nt folgenderm assen:

D er „H yldekong“ w irbt um des „V indekongs“ T ochter (oder der E nglands­

könig um des D änenkönigs T o c h te r), bekom m t aber einen Korb und droht m it K rieg. D e r K önig v erbirgt in eine im H ügel ausgegrabene Stube die T ochter m it ihren D ienerinnen, ihrem H und und genügender Speise für sieben J a h r e 2). Sieben Jah re lang sitzt die K önigstochter im H ügel (gewöhnlich sterben dann die D ienerinnen vor H unger), dann gräbt sie sich heraus und kom m t unkenntlich zu dem Schlosse ihres Vaters, wo ihr alter L iebhaber, der aufgegeben hat, sie zu finden, ein anderes Mädchen heiraten soll. Das folgende H auptstück des M ärchens, wie sie seine B raut wird, geht uns in dieser V erbindung nicht an.

Dieses M ärchen ist in D änem ark sehr v e rb re ite t3) und kom m t auch in Schweden v o r4); in N orw egen ist es b ez eu g t6) und im isländischen V olksm ärchen von F estram und Isöl erkennen w ir trotz neuerer Ä nderungen die „K önigstochter im H ü g el“ w ied e r6). Südlicher als in D ithm arschen (M üllenhoff No. 5 — Grimm No. 198) kom m t — m eines W issens — dieses M ärchen (B egräbnis im E rdhügel und die alte B raut in der K leidung der neuen) nicht vor; es scheint original nordisch zu sein.

E in dänisches V olkslied mag noch erw ähnt w erden, „K önig Görels T ochter“ 7) : D er K önig lässt seine T ochter m it ih rer B edienung in eine unterirdische W ohnung im W alde b ringen, dam it kein Jüngling sie v er­

führe; ein K necht v errät es aber dem Grafen H e n rik , und diesem gelingt es, als Mädchen verkleidet, in ihren „W aldsaal“ zu kommen. Dieses Lied, eine U m dichtung des alten dänischen H eldenliedes von H agbard und Signe, ist ohne Zweifel jü n g er als die Geschichte Saxos, und interessiert uns nur als ein Zeugnis, wie sich das Hügelm otiv von einer D ichtung zur anderen verbreitete.

U nter den drei ändern Sagen ist die E rzählung Saxos die am frühesten niedergeschriebene, aber sie kann nicht die Urform des Erdhügelm otivs

1) Thiele, Danm. folkesagn I 9, und vollständiger Welcker, Zocgas Leben I 211.

2) Zwei Varianten sagen nur: ein König, oder ein Edelmann, ehe er in den Krieg zog, verbarg in einem Hügel seine d rei Töchter. Die Zahl der Dienerinnen ist bald eine, bald zwei, oder sieben.

3) S. Grundtvig, Gamle danske minder II No. 5 und 308; Molbech, Eventyr 1. 88;

Berntsen, D. folkeseventyr I No. 23; Kamp, D. folkeseventyr I No. 3; Kristensen, Jyske folkeminder V No. S—9; Kristensen, Folkeseventyr af folkemindesamf. No. 37; Kristensen, Skattegraveren IX 185, 566; und noch vier ungedruckte Varianten (S. Grundtvig 48).

4) Cavallius och Stephens, Sv. folksagor No. 16.

5) N. M. Petersen, Den danske literaturs historie V, 1 S. 2 134.

6) Arnason, Islenzkir frjödsögur II 315 — 26. Ähnliche Umgestaltungen bisweilen auch in Schweden.

7) Syv. No. 11; Abrahamson No. 175; Grimm, Altdän. Heldenlieder No. 10.

368 I Olrik:

(5)

sein. D enn wo dies entstanden ist, muss es für die ganze E rzählung etwas zu bedeuten haben; in Saxo hat es gar keine B edeutung: er endet damit, dass G unnar sich der K önigstochter durch Gewalt bem ächtigt, — was er auch ohne dieses Motiv gethan hätte! Das H ügelbegräbnis ist also kein Motiv der H andlung, sondern nur ein Motiv der Ausschm ückung; d er­

gleichen Staffierung findet, sich m ehrm als in derselben Sage; der H un d­

könig in Norwegen ist eine solche, eine andere ist die Schilderung eines W ik in g R«tho, „er band bisw eilen den rechten Fuss eines Mannes an die E rde und den linken an einen niedergebogenen Baum fest und liess ihn so zerreissen.“ H ier sehen w ir E ntlehnung aus der w ohlbekannten klassi­

schen Sage von Theseus und Sinis zur Ausschm ückung verwendet.

In der dänischen Yolkssage und dem nordischen M ärchen ist die B edeutung des B egräbnisses viel grösser. Ohne dieses existierte die Y olks­

sage überhaupt nicht, w ährend das M ärchen durch den Y erlust desselben nur modificiert würde. Das M ärchen kann auch aus entscheidendem Grunde nicht seine Quelle sein, denn die M ärchendichtung muss es aus einer W irklichkeits-Y orstellung geholt haben. W enn nun das Märchen nordisch ist, ist die W irk lich k e it w ahrscheinlich auch nordisch; und dann liegt es auch nah e, sie in den grossen G rabhügeln D änem arks aus dem Steinalter zu suchen. Die B edeutung dieser Steinstuben in E rdhügeln als Motiv dänischer Y olkssagen habe ich schon anderswo hervorgezogen (D ania I 244), und es d arf uns nicht W under nehm en, dass auf den ebenen F eld ern D änem arks diese Steinm onum ente die A ufm erksam keit erregten und zur E rk läru n g durch Volkssagen einluden. E in solcher E rklärungsversuch ist die Sage von den drei verborgenen K önigstöchtern. Dass diese Sage prim itiv und nicht ein Reflex höherer D ichtung sei, ist m ir w ahrschein­

lich, auch weil die drei von R äub ern verfolgten Jungfrauen ein Yolkssagen- motiv sind; die höhere D ichtung, Märchen oder L ie d , wird im m er eine einzelne P erson hervorheben, und so thut auch unser M ärchen1). Ein anderes K ennzeichen ist, dass der H und im H ügel (w elcher in der Y olks­

sage seine H errin verrät) auch in einem grossen T eil der M ärchenaufzeich­

nungen wiedergefunden wird, ohne jedoch so bedeutend zu sein; das M ärchen hat hier eine E inzelheit festgehalten, die B edeutung aber nicht.

Saxos Sage von D rott im H ügel scheint beim ersten A nblick der Yolkssage entlehnt; denn auch hier treffen wir den Angriff des wilden R äubers und schliesslich die E ntdeckung der Königstocher; der Umstand, dass G unnar ihre Stimme im H ügel h ö rt, könnte dem B ellen des H undes entsprechen. So gewiss scheint m ir die Sache doch nicht: n u r eine K önigs­

tochter m it ih rer D ienerschaft entspricht viel genauer dem Märchen; und dass die eigene Stimme sie verrät, ist ein w eit schwächeres Motiv als das

1) Wenn zwei dänische Märchenvarianten d r e i Töchter nennen, muss das aus der Volkssage entlehnt sein.

26*

(6)

3 7 0 Olrik:

B ellen des H undes, welches die D rottsage, wenn sie es gekannt, wohl auch verw endet hätte. D er Zusam m enhang ist dann

Y olkssage

M ärchen Saxo

oder w ahrscheinlicher

Yolkssage — M ärchen — Saxo.

4. Jugend des Königs Jarmunrik.

N ur der letzte T eil des L ebens Jarm un riks (E rm anrichs) entspricht den E ddaliedern von Jo rm u n re k r, und nur ein paar Züge, die E rm ordung seiner Neffen und der E rm an rik ssc h atz, finden sich in deutschen Quellen w ieder. Seine ganze Jugendgeschichte kom m t n u r bei Saxo vor (V III. Buch, S. 408 — 411): D er K önig Syward ist zuerst in Schonen vom Schweden­

könig G ötar überw unden, und dann auf F ü h n en von Slaven erschlagen;

sein ju n g er Sohn Jarm u n rik und seine zwei T öchter w erden gefangen.

D ie zwei Mädchen w erden nach D eutschland und Norw egen verk au ft, der K önigssohn le b t in Sklaverei am wendischen Königshofe und arb eitet sich zu einer höheren Stufe herauf; K önig Ism ar w ar ihm gut, n u r die Königin konnte ihn nicht leiden.

Als einst der K önig zu der B eerdigung seines B ruders ausgezogen w ar, beschloss Jarm u n rik , sich zu b efreien, und h ielt m it seinem Pflege*

b ru d e r Gunne deshalb R a t; dann verfertigte er aus W olle und Zweigen eine P uppe, wie die, w elcher die B auern sich bedienen, um die Vögel zu verscheuchen, setzte einen lebendigen H und hinein und zog dieselbe m it seinen eigenen K leidern an. D arauf nahm Jarm u n rik den Schatz des Königs und verbarg ihn; Gunne aber ging in das Schloss m it seiner P u p p e, und als der H und anschlug und die K önigin fragte, was das sei, antw ortete er, es sei sein Genosse, der w ahnsinnig gew orden sei, und die Königin hiess ihn denselben hinausbringen; er trug die P upp e hinaus und legte sie in ein B ett. D er w irkliche Jarm u n rik ging in die W achtstube, überw ältigte die W ächter durch einen starken T run k, schlug dann ihre Köpfe ab und legte dieselben — ihnen zum Spotte — an ihre H intern. D ie Königin hörte den L ärm und steckte den K opf zur T h ü r hinaus, um zu sehen, was los w äre;

Gunne aber stand da und gab Acht und tötete sie sogleich; sterbend drohte sie ihnen: „W enn ich noch leben könnte, solltet ih r nie m it dem L eben w egkom m en!“ Nun fahren Jarm u n rik und sein Genosse zum T ra u e r­

schmaus und zünden das Gebäude an. Von den G ästen verfolgt, fliehen sie erst zu Pferd und dann zu Fuss, bis sie einen F luss erreichen; als die verfolgende Schar auf der B rücke re ite t, stürzt diese zusam m en, und wer nicht seinen Tod in den W ellen findet, wird von den Schw ertern der

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beiden D änen zerliauen. Sie erreichen nun leicht das M eeresufer und finden ein kleines F ahrzeug; noch auf der hohen See hörten sie die W enden am U fer laut rufen: wenn sie n ur zurückkehren w ollten, sollten sie das K önigtum bekom m en, bei ihnen sei es Gesetz, dass, wer den K önig tötete, selbst K önig w erden sollte. A ber sie segelten nach D änem ark. — In seinem Y aterlande fand Jarm u n rik seinen Oheim Buthle als Reichsverw eser, dieser aber gab nun ihm die Königswürde. Zuerst erschlug er K önig G ötar und unterw arf Schweden, dann besiegte er die W enden; vierzig G efangene liess er m it W ölfen zusammen hängen, „wie es einst m it V aterm ördern Sitte w ar“, um ihre R aubzüge gegen die D änen zu rächen. W ährend Jarm u n rik die Ostseevölker p lünderte, em pörten sich die W enden und plünderten in D änem ark; Jarm u n rik begegnete ih rer Flotte und schlug sie; ihre H äu p t­

linge liess er, R iem en durch die Schenkel gezogen, von wilden Stieren, die von H unden gejagt w urden, durch Moor und H ügel fortschleppen. — H ier beginnt die gewöhnliche E rm anriksage: von seinem Schlosse und seinen R eichtüm ern, vom R atgeber B ikke u. s. w.; nur einm al hören wir, dass die W enden sich nochmals em pören, und ihre H äuptlinge, R iem en durch die Schenkel gestochen, von P ferden zerrissen werden.

Diese ganze Jugendgeschichte Jarm unriks und alle die W enden­

ereignisse haben m it der übrigen Jarm unrikgeschichte Saxos keinen Zu­

sam m enhang; sie kann also nicht aus ihr entw ickelt sein. Ih r Schöpfer­

geist ist ein unersättlicher Hass gegen die W enden. E inen solchen Hass kennen w ir n ur in dem grossen Y ertilgungskrieg der W enden und der D änen in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Dass die D ichtung so neu ist, e rk lä rt uns auch, dass sie poetisch noch so formlos ist: der E rzäh ler kann zuletzt nur die schon einmal benutzte W endenstrafe wiederholen. Alle F eldzüge Jarm u n rik s gegen die W enden sind garnicht poetisch geformt, sie sind bloss eine R eihe von B estrafungen der Todfeinde, nur ein V er­

zeichnis der G rausam keiten, durch welche die heim gesuchten D änen sich zu rächen wünschten. D ie Jugendsklaverei Jarm un riks ist dagegen eine zusam m enhängende Geschichte, und sie muss ihre litterären V orbilder ge­

habt haben.

Ich wage es zu sagen: die V orbilder scheinen nu r die M ä r c h e n v o n U n h o l d e n zu sein. Setzen wir statt „W enden“ die „U nholde“ ein und gehen w ir der Geschichte nochmals nach: Zwei M enschenkinder sind in Sklaverei der Unholde gekom m en; einmal ist der U nholdvater ausgegangen, die H exe ist zu H ause und soll die M enschenkinder hüten. Sie machen eine P u p p e , die anstatt des einen Genossen im B ette liegt und deren Stimme als die seinige gilt; er selbst rau b t den Schatz der Unholde und flieht; die H exe steckt den K opf durch die T h ü r hervor, in dem selben A ugenblick w ird er abgeschlagen; die zwei M enschenkinder flüchten, und erst jen seit des Flusses sind sie sicher; die Unholde stehen zuletzt am M eeresufer und rufen, ob die M enschenkinder nicht zurückkom m en w ollen;

(8)

3 7 2 Olrik:

— dies scheint ja eine ganze R eihe von M ärchensituationen zu sein. E in einzelnes durchaus entsprechendes M ärchen kennen w ir nicht, sondern eine G ruppe von M ärchen, wo zwei M enschenkinder bei den U nholden dienen und von ihnen w eglaufen, oder wo das M enschenkind die Unholdschätze w egstiehlt und oft zugleich die Unholde tötet. D ie V orstellung von einem Flusse, w elcher die Unholdenwelt von der M enschenwelt trennt, kom m t oft in unsern M ärchen vor; oder der Mensch segelt ü b er die See hinweg, und die U nholde stehen am U fer und rufen ihm nach, wann er zurückkom m e?

D ie T ötung in der T h ü r kom m t in einem norwegischen M ärchen vor:

„D ann w underten sich die Unholde, w er da w äre und m itspräche; und sie gingen es zu sehen; als sie aber in die T h ü r k am en , sass Sm örbuk da droben und w arf M ühlensteine und Tannenw urzel ihnen auf den K opf und tötete sie; dann nahm er alles Gold und S ilber und zog heim zu seiner M u tter1) .“ In einem ändern norwegischen M ärchen steht der Mensch m it dem Z auberschw ert in der H and und schlägt den K opf des Unholden ab, indem er durch die T h ü r h e re in tritt2).

N ur ein einziges Motiv ist noch zu beleuchten. D ie P u pp e „wie eine Vogelscheuche“ m it einem lebendigen H unde ist ein so unpraktisches W e rk ­ zeug, dass es nicht nur in der w irklichen Wrelt unmöglicli ist, sondern auch in der poetischen nicht ursprünglich eine so horrible F orm haben kann.

Nun ist die F rag e : W o ist ihre ältere einfachere F orm ? Auch hier müssen w ir zu den U nholdm ärchen gehen. D ie P u p p e , welche für eine Person ausgegeben und als solche ins B ett gejegt wird, so dass auch ihre Stimme für die des Menschen g ilt, entspricht dem M ärchen, wo der K nabe vom Unholde entflieht und das Mädchen dann in sein B ett eine P u p pe von Stroh legt, die sie an seiner Stelle zu antw orten z a u b e rt8); nach anderen F assungen ist es ein Stück B rennholz im B ette, oder B ettdiele und B ett­

schere antworten, oder die P upp e am Ofen, oder die P upp e im Bette, eine andere in der S tube, eine dritte in der V orstu be4) und dergl. D ie E r­

kläru n g des sinnlosen H undes in Jarm u nrik s P u pp e ist die, dass sie eine rationalisierende U m bildung ist und die zauberhafte Sprechfähigkeit der M ärch en -P u p p en repräsentiert.

D ie Sage von der Jugend des Königs Jarm u n rik ist dem nach im ganzen eine V erm enschlichung der U nholdm ärchen. D er H ass der D änen gegen die W enden war zu je n e r Zeit, als die zwei V ölker m iteinander so stritten,

1) Asbj. og Moe I No. 52 und 1 2 388.

2) Asbj. og Moe I No. 9. „De tre prinsesser i Hvidtenland“. Dieses Märchen ist sonst eines der zu dem Anfang der Sigridsage besprochenen Märchen.

3) Ungedrucktes Märchen (S. Grundtvig 27 1.).

4) S. Grundtvig 28 c (= Danske folkeseventyr I No. 5); 27c; 27a; Cav. & Stephens 14 B mit Anm. 2 und 6; Krücke und Schieber am Ofen (Grundtvig 27 q). In vielen ändern Varianten kommen (wie bei Grimm, Km., III 97 No. 56) drei Bluttropfen oder drei Spuckflecken vor: Grundtvig 271, o, Cavallius & Stephens 14 B mit Anm. 45; Asbj. I No. 77.

(9)

dass das eine oder das andere vernichtet w erden m usste, so w ütend, dass keine andere D ichtung als die prim itive vom Kampfe der Menschen gegen die Unholde ihn ausdrücken konnte. W ie der K am pf auf L eb en und T ot gegen feindliche N achbaren wahrscheinlich zum grossen T eil den U rsprung solcher M ärchen bildet, wenden sie sich in Fällen, wie in diesem, zu den­

selben m enschlichen V erhältnissen zurück.

W ir haben nun das V erhältnis zwischen den von Saxo erw ähnten Sagen und den Volksm ärchen gesehen. H inter seinen alten H elden des dänischen Volkes blickten hier und da die seltsam en B ilder der M ärchenwelt hervor.

W ir folgten der Am lethnovelle, wie sie aus dem Morgenlande hervorquoll, sich zerstreute, und wie die zerstreuten T eile sich w ieder kreuzten, indem inan sich bestreb te, eine E rzählung m it dänischer F ärb u n g zu schaffen;

w ir fanden die m orgenländische Novelle im L au f ih rer W anderungen nach W esten und ihrer verschiedenen N iederlassungen. W ir erblickten eine R eihe von M ärchen hinter ändern E rzählungen: die H und sbrau t, die ent­

führten K önigstöchter, die K önigstochter im H ü gel, die F lu ch t von den Unholden und den R aub des Unholdenschatzes. H ier fanden w ir kein M ärchen in seiner Entw ickelung; die uns bek an nten M ärchen liegen schon den H eldensagen Saxos voraus; auch die speciell dänischen M ärchen­

gattungen zeigen sich als schon existierend: „K önigstochter im H üg el“ und

„A llerliebster F re u n d “.

Die V erw ertung der M ärchenmotive in der H eldensage scheint sehr neu; in der isländischen L itte ra tu r findet sich keines der besprochenen Motive wieder. W enn auch diese Um dichtung der H eldensage auf die letzten Ja h rh u n d erte, ja vielleicht auf d a s letzte Jah rh u n d ert vor Saxos Zeit b eschränkt ist, ist sie doch eine bedeutende poetische T h ätigkeit. Sie hat die alte H eldendichtung m it wenigstens einem P aare der schönsten Gestalten bereichert (O thar und Sigrid) und auch in der Jugendgeschichte Jarm u n rik s hat sie eine neue E rzählung geschaffen; in diesen beiden Sagen besteht die Schöpfung in einer durchgreifenden rationalisierenden Um ­ deutung der Märchenmotive. D ie D rottsage dagegen verw ertet solche als eine A usschm ückung, und die Amlethsage nim m t in sich eine ganze m orgenländische A nekdote auf ohne irgendw elche wesentliche Änderung.

G eändert oder nicht geändert brechen sich die M ärchen den W eg in die L itteratu r. , D iese E inw irkung steht nicht vereinzelt da. W ir brauchen nicht nach England zu gehen, wo das m it Saxo gleichzeitige L eben Offas (Müllenhoff, B eovulf 78) den Anfang des Märchens vom Mädchen ohne H än d e, oder wie ich lieb er sagen m öchte, von dem A schenputtel, in sich aufnim m t. D ie dänischen V olkslieder des M ittelalters wim m eln von M ärchen­

m otiven der V erzauberung und E rlösung, und auch in ih rer poetischen

(10)

3 7 4 Arendt:

Auswahl des täglichen L ebens scheint es oft, als ob die M ärchenwelt dahinter stecke. Ebenso nim m t die m ittelalterliche L itte ra tu r Islands M ärchen in sich auf. A ber diese Y erhältnisse erfordern besondere U n ter­

suchungen.

K openhagen.

Ein Kapitel aus dem Aber- und Geisterglauben der Chinesen.

Von C. Arendt.

(Schluss.)

5.

Bei der f ü n f t e n E rzählung will ich mich k ü rz er zu fassen suchen.

Ich halte dieselbe, obwohl vielfach interessant, überhau pt für w eit ober­

flächlicher concipirt, als irgend eine der ändern. Ich habe sie überdies bereits, wenn auch von einem ganz ändern G esichtspunkte aus, in englischer B earbeitung im Jah re 1886 — b ek an n t gemacht, kann man freilich kaum sagen, denn die „Zeitschrift der O rientalischen Gesellschaft in P e k in g “, in welchem sie in Bd. I. S. 55—59 erschienen ist, dürfte kaum w eiteren K reisen zu Gesichte gekom m en sein.

W ir lesen im 108. K apitel der rom antischen „Geschichte der D rei R eich e“, aus w elcher bereits m eine zweite E rzählung entnom m en war, dass Chuko C liu e , der P rem ier-M in ister des Staates W u , sich durch G rausam keit, W illkür und H ochm ut auch dem Landesfürsten Sun L iang gegenüber so verhasst gem acht hatte, dass der K önig in Ü bereinstim m ung m it einem ändern hohen W ürden träg er, nam ens Sun Chiin, den Tod des gew altigen M inisters beschlossen hatte. E r sollte zu einem Gastmalil im P alast eingeladen und dabei ihm von gedungenen M euchelm ördern der Garaus gem acht werden.

Um dieselbe Z eit — im Jah re 253 n. Chr. — hatte Chuko Ch'üe an einer Anzahl Soldaten, welche vor seinem P alaste W ache standen, aus einem geringen Anlass (weil sie einen — sich in der E rzählung höchst m ysteriös ausnehm enden — F rem den unbem erkt in den P alastho f h atten schlüpfen lassen) die standrechtliche H inrichtung zum Yollzuge gebracht.

Zugleich m it ihnen war auch der F rem de hingerichtet worden.

Als Chuko Ch'üe in der folgenden Nacht schlaflos auf seinem B ette lag, w urde er plötzlich durch ein einem D onnerschlage ähnliches G eräusch erschreckt: der m ittlere B alken des H ausdaches w ar ohne ersichtliche

(11)

äussere V eranlassung auseinander geborsten. Zu seiner L ag erstatt zurück­

gekehrt, glaubte er wahrzunehm en, wie der F rem dling und die Soldaten, welche er hatte hinrichten lassen, ihre eigenen Köpfe in ihren H änden haltend, sich seinem B ette näherten und ihr L eb en von ihm zurückforderten.

E r verfiel darauf in eine m ehrere Stunden w ährende Ohnm acht. Als er sich am folgenden Morgen waschen w ollte, verbreitete das W asser einen starken B lutgeruch. E r liess das W asser vielm als wechseln, aber es h alf alles nichts, der Geruch des B lutes w ar nicht zu vertreiben.

Gerade in diesem A ugenblick langte vom König die E inladung zu dem W eingelage im P alast an, bei welchem , wie bereits erw ähnt, b e­

schlossen war, den Chuko C h'üc zu töten. E r ab er bestellte arglos seinen W agen, um der E inladung nachzukom m en. Als er jedoch im Begriff stand, den W agen zu besteig en, kam plötzlich ein gelber H und auf ihn zugerannt und zerrte ihn, unaufhörlich w inselnd, am Saum seines Ge­

wandes, als wenn er ihn zurückhalten wollte. Chuko Ch'üe jag te das T ier fort und liess sich auch durch eine w eitere unglückliche V orbedeutung — w ir brauchen diesen T eil der Geschichte nicht im Einzelnen zu verfolgen — nicht abhalten, den P alast des Königs zu betreten. D ort wurde er in der T h at m it noch einem F reu n d e ermordet. D ie K örper der G etöteten w urden in Matten eingew ickelt und in einen G raben ausserhalb der Stadt- thore geworfen.

Inzwischen befand sich des erm ordeten Chuko Ch'üe W eib, nichts Böses ahnend, in dem P alast ihres G atten, als plötzlich eine ih rer D ienerinnen in das Zim m er eintrat. W ie kom m t es, sagte die F ra u zu dem Mädchen, dass du heute am ganzen K örper nach B lut riechst? D a fing das Mädchen an, die Augen zu verdrehen und die Zähne zu fletschen, w ährend es m it einem gew altigen Satze so hoch sprang, dass es m it dem Scheitel die Zim m erdecke berührte, w ährend es gleichzeitig r ie f : „Ich bin Chuko Ch'üe; ich bin auf A nstiften des ruchlosen Sun Chün erm ordet w orden.“ So sprach sie, denn der G eist ihres gem ordeten H errn war in sie gefahren. D a fing Chuko Ch'ües W eib und alle M itglieder des H aus­

standes zu weinen an. Nicht lange darauf wurde das H aus w irklich von bewaffneten Soldaten um zingelt, und alle Insassen desselben, einschliesslich der F ra u Chuko Chcües, w urden gefesselt auf den R ichtplatz geschleppt und dort auf der Stelle enthauptet. D iese E reignisse, insoweit sie auf dem Boden der nüchternen W irk lich k e it stehen, fanden im zehnten chine­

sischen Monat, d. h. im November oder D ezem ber 253 n. Chr statt.

D ie Geschichte, insofern sie sich im G ebiete des A ber- und G eister­

glaubens bew egt, erscheint m ir trotz des m annigfaltigen Interesses, welches sie bietet, ziem lich zerfahren, und der innere G ehalt durch äusserliche Effekte m ehr verwischt, als gehoben. W as der „ F r e m d l i n g “, w elcher im chinesischen T ex t als ein ganz rätselhaftes Individuum auftritt, eigentlich soll, b leib t unklar. Das nach B lut riechende W aschw asser w ird den

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3 7 6 Arendt:

europäischen L eser lebhaft an die erste Scene des fünften A ktes des S hak e- speareschen Stückes erinnern, aber, wie ich dies hereits in m einem Auf­

satz in der P e k in g e r Z eitschrift nachgewiesen habe, darf man diese A na­

logie nich t zu w eit verfolgen wollen. W enn Lady M acbeth ru ft: „Noch im m er riecht es hier nach B lu t“, so ist das m it dem nach B lut riechenden W aschw asser in der chinesischen E rzählung durchaus nicht auf gleiche Stufe zu stellen, denn dass nach der A bsicht des chinesischen Schriftstellers der B lutgeruch nicht als ein eingebildeter, sondern vielm ehr als ein w irklich vorhandener zu verstehen ist, ergiebt sich nachher zur Evidenz aus dem nach B lut riechenden M ä d c h e n , bei welchem eine rein psychologische E rk läru n g aus der Seele der F ra u des erm ordeten M inisters heraus ja ganz ausgeschlossen ist. Jedoch dies Alles n ur beiläufig.

Im R ahm en m einer speziellen E rörterun g und meines Them as inter- essirt uns hier diese arm e Magd hauptsächlich insofern, als sie von dem Geiste des erm ordeten Chuko Ch'üe besessen ist und dieser Geist in eigener P erson aus ihr redet.

Dass d er G eist des E rm ordeten nicht in den M örder, wie in unserer E r. 3, sondern auch in einen anderen, für seinen Endzw eck geeigneten K örper fahren kann, wissen w ir schon aus Nr. 4; der typische U nterschied besteht aber h i e r in dem E n d z w e c k ; es handelt sich in diesem einzigen von den s e c h s B eispielen, w elche es m ir zusam m enzubringen gelungen ist, nicht um A usübung der R a c h e , aber auch nicht etwa um den Schutz oder die W arnung der gleichfalls gefährdeten A ngehörigen, sondern nur um das B e d ü r f n i s d e r M i t t e i l u n g des G eschehenen an dieselben, und insofern steht in dieser, wie in anderer H insicht, unsere Nr. 5 ganz ver­

einzelt und für sich da, und sie ist w eniger in sich geschlossen und w eniger charakteristisch für den von m ir behandelten V orstellungskreis, als irgend eine der fünf anderen, welche uns bis auf eine, näm lich die von dem „E rm ordeten M antel“ — zu w elcher ich je tz t übergehe und auf welche ich den höchsten W ert lege — bereits alle b ek an n t sind.

6

.

D iese m eine sechste und letzte Geschichte nun, welche uns den volks­

tüm lich-chinesischen S ühnegedanken in seiner d r i t t e n F o rm , und zwar in einer ganz eigentüm lichen und von allem B isherigen durchaus ab­

w eichenden A usgestaltung zur A nschauung bringen wird, b ildet den Schluss des 84. und den Anfang des 85. K apitels des T ung Chou L ie-k uö . Ich kann nicht leugnen, dass diese Geschichte, als ich sie vor Jah ren zum ersten Mal kennen lernte, einen tiefen E in dru ck auf m ich gem acht hat, und dass sie m ir auch jetzt, wo ich sie aus ihrem V ersteck hervorgesucht h a b e , w ieder als ungew öhnlich wirkungsvoll in ihrem A ufbau und ih rer E ntw icklung erschienen ist.

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In der ersten H älfte des fünften Jahrhunderts vor C hristus hatten in dem grossen K önigreich T sin, welches im w esentlichen der heutigen P rovinz Shansi entsprach, vier altadelige F am ilien und deren Chefs fast alle Gewalt an sich gerissen, w ährend die H ausm acht des Königs gänzlich gesunken war. E s waren dies die F am ilien Ch7, Chao, H an und W ei.

Die drei letztgenannten sind später selber zu königlichen E hren gelangt, indem sie die Könige von T sin entthronten und das L and u nter sich teilten. Zu der Z eit aber, von der wir je tz t reden, w ar die F am ilie Chi die m ächtigste von allen; an ih rer Spitze stand Chi-yao, oder, wie er ge­

wöhnlich genannt wird, Chi-pö, d. h. der G r a f C hi. Diesem war es ge­

lungen, die Chefs der F am ilien H an und W ei zu bereden, ihm bei einem F eld - oder richtiger vom Zaune gebrochenen R aub- und Eroberungszug gegen das F am ilienoberhaupt von Chao, Chao Hsiangtsze oder Chao W uhsü mit Namen, ihre U nterstützung zu leihen. Chao W uhsü w urde in der S tadt Tsinyang belagert und ein in der Nähe derselben vorbeifliessender F luss in ein anderes B ett geleitet, um diesergestalt die Stadt zu ü b er­

schwemmen. Die U nternehm ung wäre auch von Erfolg g ekrön t gewesen, wenn nicht im letzten A ugenblick H a n und W ei, die überhaupt n u r durch die U m stände gezwungen sich an Chipö angeschlossen hatten, von diesem abgefallen w ären und sich g e g e n ihn gew andt hätten. D urch D urch­

stechen eines Dammes w urde das W asser des abgegrabenen F lusses gerade auf Chipös L ager losgelassen und dadurch letzterer zur F lu ch t gezwungen, welche n ur m ittels eines kleinen Bootes bew erkstelligt w erden konnte.

A uf der F lu ch t aber fiel er seinem ergrim m ten G egner Chao W uhsü in die H ände, w elcher ihm alsbald den K opf abhieb. Von da aus zogen die Sieger nach der Stadt, in w elcher die übrigen M itglieder der F am ilie Chi wohnten. Die H äuser derselben w urden um zingelt und säm tliche Insassen derselben ohne U nterschied des Alters und G eschlechts niedergem acht.

Auch diese A usrottung der ganzen F am ilie seines F eindes genügte dem Chao W uhsü noch nicht zur B efriedigung seines Hasses. E r liess Chipös Schädel m it L ac k überziehen und benutzte ihn als T rin ksch ale, um sich seines Trium phs beständig zu erinnern. So wenigstens w ird in den von m ir verglichenen chinesischen G e s c h i c h t s w e r k e n erzählt, der Y erfasser unseres Rom ans aber m acht daraus ein N a c h t g e s c h i r r , so dass es sich also hier um eine s c h m a c h v o l le B e h a n d l u n g d e s F e i n d e s n o c h ü b e r d e s s e n T o d h i n a u s handelt.

Diese streng geschichtlichen Ereignisse fallen in das Ja h r 453 vor unserer Zeitrechnung.

D ie wenigen getreuen A nhänger C hipös, darunter vor allen ein ge­

wisser Y üjang, w aren nach der unglücklichen W endung der D inge bei Tsinyang in die unwegsamen Schluchten des S h ia-sh 'i4-sh ä n , d. h. des Steinhöhlengebirges geflohen. Als aber Y üjang den w eiteren Y erlauf der Ereignisse erfuhr, beschloss er an Chao W uhsü für seinen H e rrn , den

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3 7 8 Arendt:

unglücklichen Chi'pö, „der noch nach dem Tode einer so schm ählichen Be­

handlung seitens seines Mörders ausgesetzt w a r“, 1) R ache zu nehm en. B r nahm einen ändern Namen an und verdingte sich als A rbeiter. So fand er G elegenheit, sich m it einem kurzen, scharfen Dolche bewaffnet, in das H aus Chao W uhsüs, des M örders seines H errn, unbem erkt einzuschleichen.

D o rt lauerte er versteckt in einem abgelegenen, für gewöhnlich leer­

stehenden R a u m e ') dem H ausherrn auf. Als nun Chao W ulisü diesen R aum b e tra t, „kam “ , wie es ganz w örtlich in dem chinesischen Original heisst, „eine plötzliche B ew egung ü ber sein H e rz“.

Ich mache auf diesen kleinen Zug in der E rzählung besonders auf­

m erksam , denn er giebt den Schlüssel zu ihrem Verständnis. D er R ache­

durst ist etwas däm onisches und wird von däm onischen Mächten und K räften unterstützt und zum Ziele geführt. In dem A ugenblick daher, wo Chao W uhsü in Y üjangs Nähe kom m t, ohne doch noch von seiner A n­

w esenheit die geringste Ahnung zu haben, tritt er in den däm onischen B annkreis der gegen ihn gerichteten R achegelüste ein, und k ann seinem

Schicksal nicht m ehr entrinnen.

D ie eigentüm liche R egung, die ihn überkom m en hat, veranlasst nun den Chao W ahsil, den R aum durchsuchen zu lassen. Y üjang wird aus seinem V ersteck hervorgezogen, die Waffe gefunden. Befragt, leugnet er nicht die m euchelm örderische A bsicht, in der er hergekom m en. D ie L eute Chao W uhsüs dringen nun in letzteren, m it dem E ntlarv ten kurzen P rozess zu m achen, aber Chao W uhsü sagt: „Dass Yüjang für seinen v er­

storbenen und der N achkom m enschaft beraubten H e rrn , C hipö, R ache nehm en wollte, ist ein Ausfluss seiner treuen Gesinnung, ihn aus solcher U r­

sache zu töten, w ürde m ir U nheil bringen.“ E r befahl daher seinen Leuten, ihn unbehelligt nach H ause gehen zu lassen. E he aber Y üjang sich auf den W eg machte, fragte er ihn noch: „W irst D u nun von je tz t an, nach­

dem ich D ich begnadigt habe, D eine R achegedanken ein- für allem al auf­

geben?“ Y üjang antw ortete: „Dass D u m ir das L eben schenkst, ist Dein freier Entschluss und D eine persönliche G üte; dass ich aber R ache nehm en muss, ist die F orderung eines P rinzips und m eine m oralische P flicht.“

D ie L eute Chao W uhsüs erm ahnten ihn nun nochm als, den Y üjang un­

schädlich zu m achen, Chao W uhsü aber sagte: „Ich habe ihm einm al mein W o rt gegeben; kann ich es brechen? Es gen üg t, wenn ich ihm in Z u­

k u n ft sorgfältig aus dem W ege gehe.“

So ging denn Chao W uhsü nach Tsinyang zurück, Y üjang aber in sein eigenes Haus, wo er seinen R acheplänen w eiter nachsann. E r beschloss, den Chao W uhsü auch in Tsinyang aufzusuchen. Um aber unentdeckt zu bleiben, schor er sich B art und A ugenbrauen und gab seinem K örper durch

1) Anspielung auf den Gebrauch, den Chao Wuhsü von ChT-pös Schädel gemacht hatte.

2) Nämlich dem Abort.

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Anwendung ven L ack das Aussehen eines Aussätzigen. So verändert, begab er sich auf die Strasse und m ischte sich unter die B ettler. Seine eigene F rau, die ihn überall suchte, erkannte zwar seine Stimme, als sie ihn aber selbst sah, sprach sie: „Das ist seine Stimme, aber es ist nicht sein S elbst“, und ging w ieder von dannen. Indessen fühlte sich Yüjang so doch noch nicht ganz sicher; er verschlang H olzkohlen, um seine Stimme zu entstellen und rauh zu m achen. Als er nun w ieder b ettelte und seine F ra u w ieder bei ihm vorüberging, erschien er ihr als ein gänzlich F rem d er, aber einer seiner früheren vertrauten F reu nde erkannte ihn dennoch. Y üjang begab sich nun, um keinen w eiteren E ntdeckungen ausgesetzt und dem Opfer seiner R ache näher zu sein, nach T sin Yang, wo er fortfuhr zu betteln.

Nun aber hatte Chao W uhsü den Befehl gegeben, über das, wie vor­

h er erw ähnt, bei der B elagerung von Tsin Yang neu ausgegrabene F lu ss­

b ett eine B rücke zu bauen. Als der B rückenbau fertig war, beschloss er, sich selbst hinzubegeben, um ihn in A ugenschein zu nehm en. Yüjang, w elcher von dieser Absicht Chao W uhsüs K enntnis erlangt hatte, versteckte sich nun, wiederum m it seinem Dolche bewaffnet, unter einem B rück en ­ pfeiler, wo er sich unbew eglich hinlegte wie ein Toter. Als Chao W uhsüs Equipage sich der B rücke näherte, fing das P ferd, m it dem sie bespannt war, an kläglich zu w iehern und wollte trotz aller P eitschenhiebe nicht w eiter.

Dies galt als böse Vorbedeutung, nach dem Spriichwort: „E in edles Ross lässt seinen H errn nicht zu Schaden kom m en (L iäng-m a pu-hsien chci chü).“

Chao W uhsü liess unter der B rücke nachsuchen. Man m eldete ihm, man habe dort nur einen Toten liegen gefunden. Chao W uhsü aber belächelte diese Meldung und ahnte gleich, dass es niem and anderes als Y üjang sei. Als ihm darauf der M ann, der seine V erstellung als T o ter nicht länger auf­

recht erhalten k o nnte, vorgeführt w urde, erkannte e r, trotz aller k ün st­

lichen V eränderungen, die Y üjang m it sich vorgenom m en hatte, doch seinen alten F ein d. Nachdem er ihm seinen U ndank vorgehalten, befahl er, ihn zu töten. D a fing Y üjang laut an zu weinen und m it B lut u n ter­

m ischte T hränen entström ten seinen Augen. V erw undert fragte man ihn, ob er denn aus F u rch t vor dem Tode weine. „Nicht desshalb,“ erw iderte Yüjang, „sondern weil nach m einem Tode niem and m ehr da sein wird, um für m einen H errn R ache zu nehm en.“ D a entgegnete Chao W uhsü:

„Zum zweiten Male begnadigen kann ich D ich nicht, aber einen ehren­

vollen Tod will ich D ir in A nerkennung D einer treuen G esinnung ge­

w ähren.“ So sprechend, gürtete er sich sein eigenes Schwert ab und überreichte es dem Y üjang, dam it dieser sich selber den Tod gebe. D a sprach Y üjang: „Ich habe gehört, dass ein treu er U nterthan sich nicht scheut, wenn nötig, sein L eben dahin zu geben, dass aber auch ein er­

leuchteter F ü rst einen treuen U nterthan in der B etätigung seiner treuen G esinnung nicht behindert. Um mein L eben b itte ich nicht zum zweiten Male, m i r hast D u genug Milde bewiesen, aber nachdem m eine b e i d e n

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3 8 0 Arendt:

Anschläge vereitelt worden sind, ist m ein Groll durchaus unbefriedigt ge­

blieben. Ich bitte D ich daher, D ir D einen M antel auszuziehen und ihn m ir zu überlassen, dam it ich danach steche und m eine R ache w enigstens sinnbildlich stillen kann. W enn ich dann sterbe, w erde ich im Tode die Augen zu schliessen verm ögen.“ Chao W uhsü w illfahrte dieser eigentüm ­ lichen B itte des M annes, entkleidete sich seines reichgestickten Mantels und liess ihn durch seine B egleiter dem Y üjang überreichen. Y üjang stand da m it gezücktem Schw erte, sah m it zornigen B licken auf den M antel, als hätte er den Chao W uhsü selber vor A ugen, m achte dann einen dreim aligen A nlauf und stach m it den W orten: „So denn nehm e ich nunm ehr R ache für den ChTpö, dessen G ebeine un ter der E rde m odern“, dreim al m it der spitzen W affe in das Gewand. D arau f stürzte er sich selbst in das Schwert und verschied auf der Stelle. D ie B rücke, in deren N ähe sich dieser Vorfall ereignete, und welche zuerst den Namen der „R oten B rü ck e“ erhalten h atte, heisst seitdem im Volksm unde „die B rücke des Y üjang.“

D en Chao W uhsü hatte bei jedem H ieb e, den Y üjang gegen den M antel führte, ein k a lte r Schauer durchzittert; er befahl je tz t seinem Ge­

folge, den Leichnam ehrenvoll zu bestatten. Als ihm aber darauf sein auf die E rd e gefallener M antel von seinen G efolgsleuten überreicht wurde, zeigten sich an den drei S tellen, wo Y üjang m it dem Schwerte hinein- gestossen hatte, frische Tropfen roten Blutes. D i e s w a r — so heisst es ausdrücklich im Original — e i n e W i r k u n g d e r i n t e n s i v e n t r e u e n G e s i n n u n g d e s Y ü ja n g g e w e s e n . Ich muss jedoch bem erken , dass

„ W i r k u n g “ das hier im chinesischen T ext gebrauchte W ort k a n 3 nur sehr unvollkom m en w iedergiebt, denn k a n 8 drückt, wie auch das Zeichen dafür selber andeutet, allem al eine E inw irkung auf das H e r z und G e m ü t des anderen aus, weshalb es beispielsw eise auch „dankbar sein “ bedeuten kann. Chao W uhsü aber wurde durch den Anblick des blutbefleckten Mantels im Innersten derm assen erschüttert, dass er vom selbigen Tage an zu k rän k eln anfing. E r sollte nicht w ieder genesen, sondern verstarb nach V erlauf von wenig m ehr als einem Jahre.

Nachtrag.

M einer F ra u verdanke ich die erstaunliche E ntdeckung, dass zwei der von m ir in meinem Aufsatz über den A b e r- und G eisterglauben der Chi­

nesen w iedergegebenen, bezw. b erü hrten Geschichten bereits seit J a h r­

zehnten in die deutsche L itte ratu r übergegangen sind. Meine zweite E r­

zählung — diejenige von Sun T 'se und Yüchi (oben S. 261—264) — bildet den Stoff der von P au l Heyse im Jah re 1856 verfassten Novelle in V ersen:

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„K önig und P rie s te r“ (s. P aul H eyse, Gesam melte W erk e. Novellen in Versen. 1. Bd. 4. Aufl. B erlin 1889. S. 147 — 165). D er D ichter h at sich hier dem O riginal getreu angeschlossen; er benutzte zu seiner B earbeitung die französische Ü bersetzung eines T eiles der „G eschichte der drei R eich e“

von Th. P avie (San-koue-tchy. H istoire des Trois Royaumes. R om an H isto- rique. T rad u it par Theodore Pavie. 2. Bd. P aris 1851. S. 269—281). D ie von m ir auf S. 267 nur andeutungsw eise berührte Geschichte der schönen H süan Chiang ferner hat Heyse in der bereits im Jah re 1852 gedichteten Novelle „D ie B rüder“, welche in dem selben Bande seiner W erk e (S. 39 bis 53) abgedruckt ist, in ausgezeichneter W eise, wenn auch in einer von der chinesischen O riginalerzählung w esentlich abw eichenden F orm b e­

arbeitet. D iese Abweichungen beruhen aber zunächst w eniger auf b e­

w usster A bsicht, als auf der U nvollständigkeit der von dem D ichter be­

nutzten Quelle. Diese näm lich ist in dem „ S c h i-K in g , Chinesisches L ied erb u ch , gesam m elt von Confucius, dem D eutschen angeeignet von F ried rich R ückert. Altona 1833“ zu suchen, woselbst sich die fünf Stücke:

„D ie unzufriedene K önigsbraut S w en -K ian g “ ; „S w en -K o n g und Swen- K iang“ ; „D ie Königin S w en-K iang ist um ihre beiden Söhne beso rg t“ ;

„Ausgang der L iebesbethörung“ und „V erw ilderte Zucht“ (S. 57— 63) auf diesen Stoff beziehen.

D ie Um w andlungen, welche die G eschichte der H süan Chiang (bei R ückert Swen-Kiang, bei Heyse Swen-Kjang, beides in durchaus zu b illi­

gendem Anschluss an die ältere, und noch je tz t m ittelchinesische Aus­

sprache) bei den beiden deutschen D ichtern erfahren h at, scheinen wohl zu einer kleinen litterar-historischen Studie geeignet; da aber unsere Zeit­

schrift hierfür des nicht in die „V olkskunde“ gehörigen Stoffes wegen nicht das passende Organ ist, beabsichtige ich, eine k lein e, diesen Gegenstand behandelnde A rbeit an einem anderen Orte zu veröffentlichen.

D er Um stand, dass keinem m einer Zuhörer bei m einen über chinesi­

schen A berglauben im V erein für Volkskunde gehaltenen V orträgen die H eyseschen Novellen eingefallen sind, bew eist von neuem , wie schwer sich chinesische Namen dem europäischen Ohr einprägen. H ierin liegt in der T h at ein H auptgrund, weshalb sich chinesische, auch noch so anregende Stoffe, so schwer bei uns einbürgern, und im allgem einen n u r auf geringe Teilnahm e rechnen können.

B erlin, im O ktober 1892. €. Arendt.

(18)

3 8 2 P ig er:

Handwerksbrauch in der Iglauer Sprachinsel in Mähren.

Von Franz Paul Piger.

(Schluss.)

VII. D ie W a n d e r s c h a f t d e r T u c h m a c h e r .

Nicht lange duldet es den ju ngen G esellen in der heim atlichen Stadt.

H at er etwa ein Jäh rle in bei einem M eister g earb eitet, so treib t es ihn hinaus in die weite W e lt, denn w er die W elt nicht gesehen, b leib t ein

„L in km ichl“ (ungeschickter Mensch) sein L eb en lang. Gern holt er sich daher das W anderrecht und schickt sich an , zum T hore hinauszuziehen, den „B ünggl“ (B ündel, F elleisen) auf der S chulter, um die L enden eine breite Binde m it langer Quaste. N ur M uttersöhnlein freuen sich nicht darauf. Alle Poesie der Fussw anderung m it ihren A benteuern thu t sich vor dem fröhlichen W andergesellen auf und unzählige V olkslieder wissen davon zu erzählen.

D ie W anderschaft ging gewöhnlich nach D eutschland oder den gew erbe­

treibenden Städten Ungarns, die zum grössten T eile deutsch waren. Dass er sich oft m it „F ech ten “ behelfen und m anchm al wohl auch bei der

„grünen B ettfrau“ sich in die H erberge legen m usste, th at seiner F rö h lich ­ k e it keinen E intrag. N ur selten m achte sich einer den B ettel zum Gewerbe und bildete sich zum Strom er aus. Gewöhnlich entschuldigte ein solcher m it K urzsichtigkeit, die dem Tuchm acher, da er die F arb e n genau u n ter­

scheiden m uss, die A usübung seines H andw erks unm öglich m achen kann, seine B eschäftigungslosigkeit. Am besten ging- es dem W andergesellen in Städten, in denen das T uchm achergew erbe blühte. Seiner B edeutung wohl bew usst, schritt er stolz durch die Gassen der Stadt, der H erberge zu, den Bünggl vorschriftsgem äss auf der lin ken S chulter; dort fand er gewöhnlich schon w andernde B rüder. D er Zunächstsitzende m usste ihm den Bünggl abnehm en und selben dem H erbergsvater überg eben , der dann von dem Anköm m ling nach V orschrift gegrüsst wurde. Mit Gruss und H andschlag wurde sodann der „E ingew anderte“ von allen Anwesenden em pfangen und das trauliche „D u “ tönte ihm entgegen, m ochten seine neuen K am eraden auch vom R hein oder von der N ord- und Ostsee sein. E rzählungen und Schnurren, die m it L iedern abw echselten, vertrieben dem sorglosen Völk- lein die Zeit. W aren L andsleute im Orte, so steuerten sie Geld zusammen, um ihn an einem Abende „auszuschenken“ (bew irten). Die V erm ittlung zwischen M eister und Gesellen übernahm der H erbergsvater. B rauchte der

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Meister einen eingew anderten G esellen, so schickte er zwei Groschen in die Zechhiitte (H erberge).

D ie K nappen hatten viel von den fahrenden Schülern sich angeeignet.

Sie fingen auch m anches Studentenlied auf. So lassen sie drei Tuchknappen über den R hein ziehen und bei der F ra u W irtin einkehren. Auch das L ied vom T abak und manch anderes war ihnen geläufig. Aber noch m it ganz anderen Elem enten kam en vielgew anderte Burschen in Berührung.

Das Bedürfnis, eine geheim e Sprache zu haben, m achte sie mit der G auner­

sprache, dem Jenischen, vertraut, sie lernten schmusen. Sie freuten sich, wenn sie, ohne dass man sie verstand, vom Brod (lechem ) reden konnten, das sie gefochten (getalft), vom Branntw ein (sorof), den sie dafür ein­

getauscht, und wenn sie ungescheut über des Meisters (bost) und der M eisterin (kröne) Schwächen sich unterhalten d u rfte n 1).

Oft genug mochte es Vorkommen, dass der W anderbursche seine H eim atstadt nicht m ehr sah. Es m achten daher die Tuchscherer, die lange m it den Tuchm achern eine Zunft gebildet und selbst m eist aus D eutschland eingew andert w aren, das Scherkind (Tuchschererlehrling) darauf gefasst, indem sie ihm häufig bei der Aufnahme folgenden M ahnspruch erteilten:

Ob ich gleich soll und muss mein Vaterland verlassen, Geh’ ich doch willig fort und reise fremde Strassen.

Sterb’ ich in fremdem Lande, Ruh’ ich doch in solchem Sande Wie in meinem Vaterlande.

Nicht selten erwarb der K nappe in einer frem den Stadt das M eister­

recht und siedelte sich daselbst an. Des M eisters T öchterlein liess ihn gar oft seiner L ieben daheim vergessen. Nur ungern sah man einen w ackern Gesellen scheiden, und m anche Schürze mochte dabei nass werden.

V olkslieder wissen davon zu erzählen. Doch in der R egel keh rte der Bursche, so gern er in die F rem de gegangen, w ieder ebenso gern heim.

L ängere Zeit wusste er sich frem dartig zu gehaben und kannte wohl auch einige Brocken einer frem den Sprache oder auch n u r einer Mundart, oder hatte gar einen verschnürten R ock und aufgewichsten Schnurrbart und w urde so der Gegenstand der B ewunderung nicht nur bei L ehrlingen und jungen G esellen, sondern verursachte auch bei den Meistern einiges Auf­

sehen. Doch bald trat die A lltäglichkeit an ihn heran und zwang ihn gleich den ändern hinter den W irkstuhl. Nim m er aber konnte er die Zeit seiner W anderschaft vergessen, sie blieb seine liebste Erinnerung.

VIII. D e r E i n f l u s s d e s H a n d w e r k s a u f d ie S p r a c h e .

Dass ein H andw erk, das fast die H älfte der städtischen B evölkerung m ittelbar oder unm ittelbar b esc h äftig t, auf das geistige L eben und

1) Zu diesen Ausdrücken vergl. man Ave-Lallemant, Deutsches Gaunertum, 3. Teil.

Zeitschrift fl. Vereins f. V olkskunde. 1892. 26

Cytaty

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W ien. Daraus wurden für die griechische Heldensage vielfach wichtige Schlüsse gezogen. In der Frage, ob die Heroen erhöhte Menschen oder herabgesunkene Götter

bild verehrt wurden. W ie zahlreich einst die protestantische B evölkerung nach Zluttowo bei Löbau pilgerte, lässt sich daraus erm essen, dass einm al die

k lüftetes Gebiet läßt nur bei schärferer Grenzführung D eutungen zu. Aber auch größere Gebiete rufen danach. Aber um das deuten zu können, um zu erkennen, ob etwa das Bistum

decke.. Das Bauernhaus im Biesengebirge und seine Holzstube. G elegentlich solcher V erfeinerung pflegt dann die ganze Stubenhöhe auch etwas grösser zu sein. Ofenecke

L eider ist nicht angegeben, was man m it dem zur H inrichtung benutzten Strick zu zaubern verm ochte, aber wir finden in den vorher schon erwähnten

halten hat.. Kerbhölzer und Kaveln. Bei den einteiligen K erbstöcken fehlt es an dieser Sicherheit, wenn auch durch gewisse V orkehrungen eine für ehrliche Menschen

gedacht. — D iese wahllos angezogenen Beispiele, die w ir gelegentlich noch verm ehren werden, sollen vor allen D ingen zum Beweise für zwei sehr oft übersehene

achtungen ergänzten A nm erkungen sowohl einen tieferen E inb lick zu erm öglichen in die verschiedenen G ruppen der neugriechischen Sagen, die bisher zu einseitig