Postoerlagsort Leipzig
DIE
NATURWISSENSCHAFTEN
HERAUSGEGEBEN VON
A R N O L D B E R L I N E R
U N T E R B E S O N D E R E R M I T W I R K U N G V O N HANS SPEMANN I N F R E I B U R G I. B R .
ORGAN D E R G E SE L L SC H A FT D E U T SC H E R N A TU R FO R SC H E R UND Ä R Z T E
U N D
ORGA N D E R K A IS E R W IL H E L M -G E S E L L S C H A F T Z U R FÖ R D E R U N G D E R W ISSENSCH AFTEN
V E R L A G V O N J U L I U S S P R I N G E R I N B E R L I N W 9
HEFT
39 (SE IT E 793— 808)
30. S E P T E M B E R 1927 FÜNFZEHNTER JAHRGANGI N H A L T : Die Körpergröße der Tiere und die sie bestimmen
den Faktoren. Von
Wi l h. Go e t s c h,München.
(Mit 3 Figuren) ...793 Physikalisch-chem ische Analyse der H itzeverände
rungen der Proteine. Zugleich ein Beitrag zur Frage der
R e v e rsib ilitä tder Eiweißdenaturierung.
Von
Mo n a Sp i e g e l- Ad o l f,W i e n ...799
Zu s c h r i f t e n:Eine Neubestimmung der Halbwertszeit des Protactiniums und dessen Gehalt in Uran
mineralien und Uranrückständen. Von
Ot t o Ha h nund
Er n s t Wa l l i n g,Berlin-Dahlem 803
Be s p r e c h u n g e n :
Be g g e r o w, Ha n s,
Die Erkenntnis der W irklich
keiten. (R ef.: K urt Greiling, Berlin) . . . 803
Be c k e r, Fr i e d r i c h, Au sden Tiefen des Raumes.
(Ref.: Otto Kohl, B e rlin -D a h le m )...805
Ge s e l l s c h a f t f ü r Er d k u n d e z u Be r l i n. D ieH e b r i d e n - I n s e l L e w i s . M e t e o r - E x p e d i t i o n ,
. 805
De u t s c h e Me t e o r o l o g i s c h e Ge s e l l s c h a f t ( Be rl i n e r Zw e i g v e r e i n). S i n t f l u t h y p o t h e s e n . D e r A u s t r o c k n u n g s w e r t i n s e in e r B e z i e h u n g z u m M e n s c h e n
...808
M a te ria l-P rü fu n g e n
d u r c h R ö n t g e n s t r a h l e n
Eresco - Großeinrichtung in einem technischen Betriebe
Rieh. S eifert & Co., Ham burg 13
Spezialfabrik für Röntgenapparate
II D I E N A T U R W I S S E N S C H A F T E N .
1927.
H e ft39.
30. September 1927.D IE N A T U R W IS S E N S C H A F T E N
erscheinen wöchentlich und können im In- und Auslande durch jed e Sortimentsbuchhandlung, jede Postanstalt oder den Unterzeichneten Verlag be
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V E R L A G V O N J U L I U S S P R I N G E R I N B E R L I N W 9
Normale und pathologische Physiologie der Fortpflanzung, Entwicklung und des Wachstums
B i l d e t B a n d X I V d e s „ H a n d b u c h e s d e r n o r m a l e n u n d p a t h o l o g i s c h e n P h y s i o l o g i e “ , h e r a u s g e g e b e n v o n A. B e t h e , G. v. B e r g m a n n , G. E m b d e n , A. E l l i n g e r - j -
E r s t e r T e i l :
Fortpflanzung. Wachstum. Entwicklung. Regeneration und Wundheilung
M it 440 zum T eil farbigen Abbildungen. XIV, 1194 Seiten. 1926. R M 96.— ; gebunden R M 103.50 Z w e i t e r T e i l :
Metaplasie und Geschwulstbildung
M it 44 zum T eil farbigen Abbildungen. V III, 617 Seiten. 1927. R M 51.— ; gebunden R M 56.40
Allgemeine und spezielle Physiologie des Menschenwachstums
f ü r A n t h r o p o l o g e n , P h y s i o l o g e n , A n a t o m e n u n d Ä r z t e d a r g e s t e l l t Von
Privatdozent D r. Hans Friedenthal
Nikolassee
M it 34 Textabbildungen und 5 Tafeln. X, 161 Seiten. 1914. R M 8.40
Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere
Von
J. E. W . Ihle P. N. van Käm pen H. F. N ierstrasz J. Versluys
Professor in Am sterdam Professor in Leiden Professor in U trech t Professor in W ie n
Übersetzt aus dem Holländischen von G . Chr. Hirsch
Lek tor in U trecht
M it 987 Textabbildungen. V III, 906 Seiten. 1927. R M 66.— ; gebunden R M 68.40
DIE NATURWISSENSCHAFTEN
Fü nfzeh n ter Jah rgan g 30. Septem ber 1927 H eft 39
Die Körpergröße der Tiere und die sie bestimmenden Faktoren1.
V o n
W i l h. Go e t s c h,M ünchen.
E s ersch ein t zu n ä ch st vie lle ic h t s e lb stv e rstä n d lich , re g t ab er doch b ei gen au erer Ü b e rle g u n g zu m N ach d en k en an, d a ß die K ö rp e rg rö ß e n d er v e r sch ied en en T iergru p p en so au ß e ro rd en tlich v a r i
ieren. So sind, u m n u r ein p a a r B eisp iele h e ra u s
zu greifen , die R ä d ertiere stets m ikro sko p isch klein, w äh ren d e tw a die K reb se im V e rh ä ltn is d a zu schon b ed eu ten d e G rö ß e au fw eisen . A b e r au ch sie erreich en selb st u n ter den gü n stigsten B ed in g u n g en n iem als die A u sm aß e w ie m an ch e F isch e. U n d tro tzd em leben diese drei T ierarten alle vie lle ic h t in ein und dem selben G ew ässer und nehm en ihre E n tw ic k lu n g au s E iern , die in der G rö ß e n ic h t v ie l d ifferieren .
E s m u ß also, u m d e ra rtige G rö ß en u n tersch ied e a u f tre ten zu lassen, b ei den kleineren F orm en d as W a c h s tu m frü h er zu E n d e sein als b ei den größeren , u n d das P ro b lem lie g t n u n d arin zu er
grün den , warum dies gesch ieh t.
E s u n terlieg t keinem Z w eifel, d a ß b ei den großen G ru p p en d er T iere, w ie e tw a den ein gan gs erw äh n ten V e rtre te rn d reier S täm m e, die Organi
sation eine R o lle sp ielt. Sch on
Le u c k a r th a t d a ra u f hin gew iesen , d a ß ein W irb e ltie r n ic h t u n ter eine gew isse G rö ß e h erab sin k en k a n n , ohne a u f
zuhören ein W irb e ltie r zu sein. „ D ie A n w esen h eit eines inneren, geglied erten S k e le tts s e tz t eine b e stim m te G rö ß e vo rau s. E s g eh ö rt eine gew isse K r a ftle is tu n g d azu , d as S k e le tt zu tragen , eine noch größere, es fü r loko m o to risch e Z w eck e zu verw en d en . D ie K r a ftle is tu n g kan n n u r d u rch ein e entsprech en d e, passend an g eord n ete M u sk el
m asse erzie lt w erden , die zu ih rer In te g ritä t an die E n tw ic k lu n g d er n u tritiv e n O rgan e ihre b e stim m ten A n fo rd eru n g en s te llt.“ D a g egen w ird ein äu ß eres R ö h ren sk e lett, w ie d as d er A rth ro p o d e n (K reb se z. B .), „ n ic h t blo ß m it einer gerin geren M asse dieselben L eistu n g en erfü llen , also leich ter sein können, sondern au ch den zu r B e w e g u n g b estim m ten M uskeln eine größere In sertion sfläch e d arb ieten . D ie V o rte ile d er S k e le ttb ild u n g lassen sich a u f diese W eise m it einer sehr gerin gen K ö r pergröß e ve re in ig en “ .
E in K re b s kan n d em nach v ie l k lein er sein als ein F isch , und ein W u rm w ied eru m , d er kein stü tzen d es S k e le tt b e sitz t, v e rm a g nie die G rö ß e zu erreichen, die V e rtre te r d er K reb se od er F isch e zu erlan gen im stan d e sind. M a xim al- und M in im al
größe d er T ierstä m m e sind also d u rch m ech anisch e G ren zm ö glich keiten fe stg e le g t: M äuse vo n m ik ro skop isch en A u sm aß en und W espen so gro ß w ie 1 Im Anschluß an die Arbeit von R.
He s s e,,Über die Grenzen des W achstum s“ , Jena: G. Fischer, 1927.
36 S. und 11 Abbild. 16 x 23 cm. Preis RM 2.— .
Nw. 1927H ü h n er, m it denen G u llivie r seine A b en teu e r im L a n d e der Z w erge und R iesen b estan d , sind eben n u r in solchen
M ä r c h e np ro vin zen m öglich , w o au ch die G esetze der S ta tik eine andere B e d e u tu n g haben .
N u n w ech selt ab er au ch in nerh alb der einzelnen B a u p lä n e die K ö rp e rg rö ß e n och sta rk . D ie U r sache k a n n au ch d a b ei in gleich er W eise d u rch die O rg a n isa tio n b e d in g t sein. So sind in n erh alb der W irb eltiere die w ech selw arm en K la ssen k lein er als die m it k o n sta n te r T e m p e ra tu r; b ei A b n a h m e d er K ö rp erm aß e w ird die Oberfläche im V erh ä ltn is zu r M a ß ein h eit größer. Je k lein er ein W a rm b lü te r ist, d esto g rö ß er is t die W ä rm ea b g a b e, d ie sch lie ß lic h in der S to ffw ec h selle istu n g des T ieres ihre G renze find en m u ß .
A u f eine w eitere B e zie h u n g zw isch en G röße u n d O rg a n isa tio n w eist R .
He s s e (i)in seiner k lein en S c h rift „ Ü b e r die G renzen des W a c h s tu m s “ h in : A u f die B ezieh u n gen n äm lich , die zw isch en der Darmoberfläche und der K ö rp e r
m asse besteh en m üssen. „ D ie n ach M a ß g a b e der D a rm o b e rflä ch e a u f genom m enen N ä h rsto ffe dienen z u n ä c h st d azu , die A u sg a b en fü r den B e trie b des K ö rp ers, fü r M u skel- u n d F lim m erb ew egu n g, fü r N e rv en leitu n g , fü r P ro d u k tio n vo n ch em isch er E n erg ie b ei der V erd a u u n g, fü r die F o rtsc h a ffu n g d er S to ffw ec h selp ro d u k te u. a. zu b e streiten ; w as ü b rig b leib t, w ird fü r die V erg rö ß eru n g des K ö r pers, also fü r W a ch stu m , ve rw e n d e t. V erg rö ß e rt sich nun d er K ö rp e r g leich m ä ß ig n ach allen Seiten , b le ib t also d as w ach sen d e T ie r dem ju n gen im a ll
gem einen sterom etrisch äh n lich , w ie d as m eist n ah ezu z u trifft, so w ird n ach m ath em atisch en G e setzm ä ß ig k e iten b ei dem größeren T ie r die D a rm ob erfläch e im V erh ä ltn is zu r K ö rp erm a sse kleiner sein als bei dem ju n g e n ; die m a xim ale E rn ä h ru n g s
a rb e it w ird also r e la tiv geringer. D ie A u sga b en fü r den B e trie b nehm en zu p ro p o rtio n a l d er M asse (bei w ech selw arm en T ieren allgem ein , b ei eig en w arm en m it A u sn ah m e der W ä rm ep ro d u k tio n , die p ro p o rtio n a l der O b erflä ch e w äch st), die M enge d er aufgenom m enen N a h ru n g a b er n u r p ro p o rtio n a l d er D a rm o b e rflä c h e ; d ah er w ird der fü r d as W a c h s tu m üb rigb leib en d e R e s t b eim größeren T ier k lein er sein und w ird bei w eiterem W a c h stu m in äh n lich en P ro p o rtio n en sch ließ lich gleich N u ll w erd en : das T ie r is t au sgew ach sen ; es k a n n m it der gegebenen D a rm o b e rflä ch e n u r eben die fü r den B e trie b (und fü r die F o rtp fla n zu n g , d. i. das W a ch stu m ü b er d as in d ivid u elle M aß hinaus) n otw en d igen S to ffm en g en b esch affen .“
E s ist nun allerd in gs n ich t a n gän gig , ü b era ll die G esa m tlän g e resp. O b erfläch e, des D arm s m it
61
794
Go e t s c h:Die Körpergröße der Tiere und die sie bestimmenden Faktoren. [
Die Natur- [wissenschaftend er K ö rp e ro b erflä ch e in B e zie h u n g zu setzen , d a b e i den fo rtg esch ritten eren G ru p p en d er V er- d a u u n g stra k tu s e n tw ed er sich in versch ied en fu n k tio n ieren d e Z ellen u n d Z ellg ru p p en d ifferen z ie rt h a t oder a b er d u rch A u sb ild u n g v o n A n fan gs- u n d E n d d a rm a b sc h n itte n usw . noch w eitere A rb e its te ilu n g ein gegan gen ist. In folgedessen zieh t
He s s e z u
seinen A u sfü h ru n g en h a u p tsä ch lich die n iederen T iere h eran, d ie n och eine ü b erall ziem lich g le ich m ä ß ig ve rd au e n d e In n en fläch e b esitzen , w ie die S ch w äm m e (Spongien), die P fla n zen tiere (C ölenteraten) u n d P la ttw ü r m e r (P la th e lm in th en ).
S ch on b e i o b erfläch lic h er B e tr a c h tu n g b e m erk t m an so fo rt, d a ß die K a lk sc h w ä m m e um so g rö ß er w erd en , je m eh r ve rd au e n d e F lä c h e ihnen zu r V e rfü g u n g s te h t: b ei den A scon en, deren E in z e l
in d ivid u e n 0,5 — 1,5 m m , im H ö c h stfa ll 3 — 4 m m erreichen, sind die allein verd au en d en G eiselzellen im ein h eitlich en Z e n tra lra u m zu fin d en ; b ei den S y n co n en u n d L eu co n en b ild e t d er Z e n tralrau m seitlich e A u sstü lp u n g en od er v ie le besondere G eiselk am m ern , w o d u rch die ve rd au e n d e F lä c h e v e rm e h rt w ir d : u n d die V e rtre te r d ieser e n tw ic k e l
teren T y p e n erreich en eine L än ge n a u sd e h n u n g v o n 30 m m und m eh r b ei einer D ic k e vo n 5 — 10 m m , u n d die n a ch d em gleich en T y p ge b au ten K ie se l
sch w äm m e zeigen n och ga n z and ere D im e n sionen.
B e i den P fla n ze n tie re n (C ölenteraten) b ieten die P o ly p en fo rm e n ein u n ter sich ve rg leich b ares M a te rial, w eil sie als ga n z od er d och m eistens festsitzen d e T iere ein e tw a gleich es M aß vo n B e w e g u n g zeigen und in der K o n siste n z ih res K ö rp e rs n ic h t so w ech selnd sind w ie die M edusen, bei denen d er sehr versch ied en e W a sserg eh a lt d er S ch irm g a llerte die V e rg le ich u n g d er G röß en u n m ö glich m a ch t. U n gleich freilich sind die sto fflich en L eistu n g en b ei P o ly p e n . S olch e F o rm en , die feste S k e le tte a b scheiden , sind im allg em ein en w en ig er zu b e d eu te n d erem G rö ß e n w a ch stu m d er In d iv id u e n g e n eig t als die sk elettlo sen od er die m it ga llertigem V e r b in d u n gsg ew eb e. W ie b ei den S p ongien is t au ch h ier die ein fac h ste B e sc h a ffe n h e it d er ve rd au e n d en O b er
flä ch e die u rsp rü n glich ste. H ydra und die H y d ro id - p o ly p e n m it ih rer g la tte n D a rm w a n d sind vo n e tw a gleich er G rö ß en o rd n u n g . H ydra ü b e rtrifft die m arin en H y d ro id p o ly p e n e tw a s an G rö ß e;
ihre D a rm o b e rflä ch e is t größer, d a sie sich au ch in die T e n ta k e l e rstreck t, und sie h a t zu gleich gerin gere sto fflich e L eistu n g en als jen e, die fü r die C u ticu larb ild u n g en zu r F e s tig u n g d er A ch se des S tö ck ch en s S to ff ve rb rau ch e n . A u s d er G rö ß en o rd n u n g d er H y d ro p o ly p e n fä llt n u r die F a m ilie der T u b u la riid e n d u rch b ed eu ten d ere G rö ß e herau s. A b e r gerad e bei ihnen e rfä h rt die D a rm o b e rflä ch e allerh an d V erg rö ß eru n g e n ; eine sch lu n d a rtig e D u p lik a tu r des M undroh rs, fa lte n a rtig e B ild u n ge n der D a rm w a n d , einen sep ten - a rtig d u rch Z w isch en g ew eb e v o rg e fa lte te n W u lst d er D a rm w a n d am Ü b e rg a n g zu m S tie l und L ä n g sfa ltu n g e n d er W a n d des S tielrau m s. B e i d e m R iesen u n ter den T u b u la riid e n , Branchio-
cerianthus, e rstre c k t sich au ß erd em der D a rm in d ie p ro x im ale n T e n ta k e l, in den W u lst am S tie la n sa tz stü lp en sich zah lreich e w o h le n t
w ic k e lte R a d iä rk a n ä le hinein, u n d die F a ltu n g d es D a rm ep ith els im S tie l is t n och in te n siv er.
B e i den S cy p h o zo e n u n d A n th o zo en (Seerosen, K o ra lle n u. a.) fü h rt eine O b erfläch en V ergrößerung d er D a rm w a n d d u rch A u sb ild u n g vo n F a lte n (Septen) so fo rt zu m Ü b ersch reiten d er b ei den H y d ro p o ly p e n allg em ein v e rb reite te n G rö ß en o rd n u n g, u n d es is t in teressan t, d a ß die F o rm en m it gerin gerer S ep ten zah l, w ie die A n tip a th a rie n m it 6 S ep ten , n och ve rh ä ltn ism ä ß ig klein sind . D ie m ittelg ro ß e n O k to k o ra llen h ab en 8 S e p te n , ebenso die p rim itiv e n A k tin ie n (E d w a rd sia).
Ih n en bch ließt sich d er G röß e n ach die G a ttu n g H a lc a m p a an, b ei d er eb en falls n u r 8 p rim äre S e p te n zu r A u s b ild u n g gekom m en sind. H a l
c a m p a is t fü r unsere Ü b erleg u n g en d a d u rch w ic h tig , d a ß b e i ih r zw isch en den 8 vo llstän d igen E d w a rd sia se p te n die A n la g e n w eiterer S ep ten v o rh a n d e n sind , die b ei stärk erem A u sw ach sen eine n orm ale A c tin ie g e liefe rt h ä tte n ; sie ist a b er a u f einem iJcüwanZsra-ähnlichenStadium gesch lech ts
re if gew orden . D ie A n la g e n d er S epten , die u n e n tw ic k e lt bleib en , sind also vo rh a n d en au f G ru n d erb lich er V o rg än g e, n ic h t e tw a d u rch die E rfo rd er
nisse d er K ö rp e rg rö ß e a d a p tiv h e rv o rg e ru fe n ; denn sie k om m en ja n u r zu ru d im en tärer A u s b ild u n g . A lso die S e p te n zah l ist n ic h t eine F u n k tio n d er K ö rp e rg rö ß e , sondern u m g ek eh rt die K ö rp e rg rö ß e eine F u n k tio n d er S ep ten zah l b zw . d er D a rm o b e rflä ch e .
Z ah lreich ere S ep ten , z.
T .seh r zahlreich e, fin den w ir b e i den ü b rigen A ctin ie n , und es is t b e k a n n t, d a ß diese zu m T e il g e w a ltig e G röße e r
reich en kön nen . W ie b ei den h ö ch ste n tw ick e lte n S ch w ä m m en is t m it ein er „ n e u e n M eth od e“ d er V e rg rö ß eru n g d er verd au en d en F lä c h e die G ru n d la g e fü r einen sta rk en W ech sel der K ö rp e rg rö ß e gegeben .
B e i den C ö len tera ten is t ebenso w ie bei den S ch w äm m en die u n g esch lech tlich e V erm e h ru n g d u rch K n o sp u n g u n d d a m it die K o lo n ie g rü n d u n g w e itv e rb re ite t.
He s s ew eist d a ra u f hin, d a ß n u r A rte n vo n r e la tiv gerin gerer K ö rp e rg rö ß e ko lo n ie
b ild en d sind. „ D ie s e E rfa h ru n g sta tsa c h e stellt
sich im L ic h te u n serer Ü b erlegu n g en so d a r: d ie
ko lo n ieb ild en d en A rte n sind n ic h t klein, w eil sie
sich u n g esch lec h tlich verm eh ren u n d d ab ei g leich
sam a u fg e sp a lte n w ü rd en , sondern sie verm eh ren
sich u n g esch lec h tlich und bild en K o lo n ien , w eil sie
k lein sind. Ih re in d ivid u e lle W a ch stu m ssch ran k e
is t b e d in g t d u rch die G rö ß e d er D a rm o b e rflä c h e ;
ih re W a ch stu m sten d e n z ab er, die T eilu n g sfä h ig k eit
ih rer Z ellen is t n ic h t ersch ö p ft. S o w ach sen sie
w e ite r ,ü b er d as in d ivid u e lle M aß hinaus*, lin ear,
u n ter E in h a lte n des gegeben en V erh ä ltn isses
zw isch en K ö rp erm a sse und D a rm o b erflä ch e und
verm eh ren sich u n gesch lech tlich , v ie lfa c h u n ter
Z u sam m enb leib en d er W a ch stu m sp ro d u k te z u r
B ild u n g vo n S tö c k e n .“
Heft 39. 1
30. 9. 1927J Go e t s c h:
Die Körpergröße der Tiere und die sie bestimmenden Faktoren. 795
S eh r schön lä ß t sich d er Z u sam m en h an g zw ischen K ö rp e rg rö ß e u n d D a rm o b erflä ch e b ei den S tru d el
w ü rm ern (T urbellarien) dem onstrieren. A lle A rte n der R h ab d o cö len , die n u r einen sackförm igen , g la tt- w an d igen D a rm besitzen , zeichnen sich d u rch geringe K ö rp e rg rö ß e au s, m it A u sn ah m e der Sch m arotzer, die d esh alb n ic h t m it den freib ew eglich en A rten verg lich en w erden können, w eil bei ihnen die E r n äh ru n gsb ed in gu n gen andere sind und sie au ßerd em in folg e der ein gesch rän k ten O rtb ew eg u n g geringere
„ B e trie b s a u s g a b e n “ b en ötigen . B e i den größ ten F o rm en , w ie P ro rh yn ch u s p u tea lis m it 25 m m L än ge, h a t der D a rm w ellige R ä n d er u n d L äp p ch en und n ä h ert sich d a m it schon den D en d rocölen m it ve rä ste lte m D a rm , b ei denen die G rö ß e n o rd n u n g d u rch w eg b ed eu ten d h öh er l i e g t : d o rt sind die m eisten A rte n m in desten s 5 m m lan g . B e i den größeren S pezies lassen sich au ch in n er
h a lb d er ein zeln en G ru p p en n ich t n u r zah lreich ere D a rm ä ste finden, sondern au ch m a n n ig fa ltig ere V erzw eig u n g en , so d a ß die großen A rte n eine v erg leich sw eise größere D a rm o b erflä ch e b esitzen , so d a ß z. B . u n ter den P o ly c la d e n G röß en vo n 80 x 40 m m gefu n d en w erd en (P seu d oceros).
B e i P o ly c la d e n sow ohl w ie b e i T ricla d en h ab en h ä u fig die ju n gen T iere schon frü h einen v e r ä stelten D a rm ; o ft schon dann, w en n sie erst die A u sm aß e k lein er R h ab d o cö le n b esitzen . D ies ist desw egen w ich tig , w eil d arau s h e rv o rg e h t, d a ß die V erg rö ß eru n g der D a rm o b erflä ch e der G rö ß en zu n ah m e vorangeht.
G an z beson deres In teresse b ie te t die B e tra c h tu n g d er T rem ato d en u n ter den h ier a n g ew an d ten G esich tsp u n kten . W ie b ei den T u rb ellarien s te h t au ch h ier die M a xim a lg rö ß e w e it h in ter der z u rü ck , die b ei C n id arien und S ch w äm m en erreich t w ird . U n gesch lech tlich e F o rtp fla n zu n g , w ie sie ja bei T u rb ella rien vo rk o m m t, fin d e t sich h ier n ir
gends. D a g egen w ird fü r die P ro d u k tio n vo n E iern und S p erm ien eine g ro ß e S to ffm en ge a u f
gew en d et, w ie au ch so n st b e i P a ra siten . D ie S tu fen der D a rm a u sb ild u n g sind äh n lich w ie bei T u rb ellarien . S elten ist ein ein fach sack fö rm iger D a rm vo rh an d en ; m eist is t d er D a rm g e g a b elt d er
a rt, d a ß a u f den M und ein m it C u ticu la a u sg e k lei
d eter S ch lu nd fo lg t, d er sich in zw ei gleich lang e, n ach h in ten ge rich te te D a rm sch en kel sp altet!
D iese sind m ehr oder w en iger la n g und kön nen gerad e verlau fen und g la ttw a n d ig sein ; od er sie h ab en einen gesch län g elten V erlau f, oder erfah ren eine O b erflä ch en v erg rö ß eru n g d u rch seich te A u s b u ch tu n gen d er W a n d . D ie A u sb u ch tu n g en kön nen sich zu A u sstü lp u n g en verg rö ß ern und diese w ied er sek u n d äre und te rtiä re Ä stch en tra g en . So e rg ib t sich eine g an ze S tu fe n le ite r vo n V ergrö ß eru n gen der D arm ob erfläch e.
B e i d er V erg le ich u n g der F o rm en m u ß m an stets d aran denken, n u r T iere m it gleichen L eb e n s
b ed in gu n gen m itein an d er zu vergleich en , d a sich n a tü rlich d u rch E rn ä h ru n g und U m w e lt D iffe renzen ergeben. So k a n n m an z. B . n ic h t e tw a einen D a rm p a ra siten m it einem A u ß e n sch m aro tzer
v erg leich en , d a ersterer S to ffe zu r V erfü g u n g h at, die schon fü r die R esorp tio n v o rb e re ite t sind, w äh ren d der E k to p a ra s it die N a h ru n g erst v o ll
stän d ig verd au en m uß.
A u s der großen Z a h l der B eisp iele, die
He s s ean fü h rt, m öch te ich n u r zw ei herau sgreifen, deren näh ere E rk lä ru n g d u rch die b eigegebenen A b b il
dungen üb erflü ssig w ird . F ig . i z e ig t 3 V e rtre te r
Fig. 1. Drei Arten der G attung Ascocotyle, auf gleiche Länge gebracht. a) A. minuta (0,5 X 0,2 mm), b) A. nana (0,7 x 0 ,3 mm). c) A . longa (0,9x0,3 mm).
(Nach
Ra n s o mund
He s s e).Neben den Abbildungen der Tiere ist das Längenverhältnis (10 x vergrößert)
angegeben.
der G a ttu n g A sc o c o ty le, die alle in H u nden sch m aro tzen . H ier sind die T iere alle a u f gleiche L ä n g e geb ra ch t, u n d die daneben angegebenen M aße zeigen d eu tlich , d aß die g rö ß te S pezies den am w eitesten a u sgeb ild eten D arm b e s itz t. Ä h n lich v e rh a lte n sich die A rte n d er G a ttu n g P leu ro- genes, die alle au s dem D a rm v o n F rösch en stam m en (F ig. 2). H ie r sind die T iere im rich tig en gegenseitigen G rö ß e n v erh ä ltn is sk izziert.
Fig. 2. Drei Arten der G attung Pleurogenes, im richti
gen gegenseitigen Größenverhältnis. Außer dem Darm ist die charakteristische Lage der Geschlechtsöffnung eingezeichnet, a) P . confusus (1,3 mm lang), b) P . medians (1,5 — 2 mm lang), c) P . claviger (bis 3,3 mm
lang). (Nach L ooss und
He s s e).A u c h fü r die T rem ato d en ve rd ien t h e rv o r
gehoben zu w erden, d a ß ju n ge T iere b ereits den s tä rk e r g e faltete n D a rm besitzen . B e i L eb ereg eln , D isto m u m h ep aticu m (F asciola h ep atica) v o n o , 4 - i , 5 m m L än ge, z e ig t jed e r D a rm sch en k e l n ach au ß en b ereits 12 A u ssa ck u n g en ; d. h. bei einer K örp erg rö ß e, bei der andere in gleichen V e r
h ältn issen lebende T re m ato d e n gan z ku rze, g la tte D a rm sch en k el tra g en , ist d er V e r d a u u n g s tra k t b e i u n serer F o rm schon w eiter au sgeb ild et, als es den p h ysiolo g isch en A n fo rd eru n g en entsprech en w ü rd e.
6 1 *
796
Go e t s c h:Die Körpergröße der Tiere und die sie bestimmenden Faktoren.
r Die Natur- LwissenschaftenD ie B eisp iele, die
He s s ean fü h rt, lassen in der T a t den S ch lu ß zu, die K ö rp e rg rö ß e als eine m a th em a tisch e F u n k tio n d er D a rm o b e rflä ch e a u f
zu fassen . D ie A n n ah m e, d a ß u m g ek eh rt e tw a die D a rm o b e rflä ch e eine F u n k tio n d er K ö rp erm asse sei, in sofern n äm lich , d a ß d as B e d ü rfn is n ach m eh r N ä h rsto ffe n d ie D a rm o b e rflä ch e ausgedehnt h ab e, k o n n te d a d u rch w id erleg t w erd en , d a ß in allen a n g efü h rten G ru p p en b e i ju n g e n E x em p la re n die V e rg rö ß e ru n g des D a rm s schon zu einer Z e it ein- tr itt, in w elch e r die K ö rp erm a sse au ch m it gerin g e
re r V e rd a u u n g sflä ch e au sko m m en w ü rd e.
E in e A u sd eh n u n g d ieser E rg eb n isse a u f h öh ere T ierg ru p p e n b ie te t m an ch erlei S ch w ierigk eiten , d a sich n ach „ E r fin d u n g “ des A fte rs und d er d a m it e in treten d en D ifferen zie ru n g in versch ied en e A b sc h n itte die ve rd au e n d e F lä c h e n ic h t m ehr so ohne w eiteres ü b erb lick en u n d rech n erisch v e r w erte n lä ß t. Im m erh in ließ en sich b e i den ja das g rö ß te In teresse erw eck en d en W irb eltieren w en ig sten s A n h a lts p u n k te fü r diese A n s ic h t find en , d a
Kl a t t
u n d
Vo r s t e h e rsch on H u n d e a u f ihre D a rm lä n g e u n tersu ch t h a tte n u n d zu d em R e s u l
t a t gekom m en w aren , d a ß k lein e E x e m p la re eine r e la tiv w e it gerin gere E n tw ic k lu n g d er reso rb ieren den O b erflä ch e au fw iesen a ls große. N a c h
Kl a t tlie g t h ier ein „ M iß v e rh ä ltn is “ vo r, d a es m it den p h y sio lo g isc h en F o rd eru n g en n ic h t in E in k la n g steh t, d a klein ere T iere in ten siveren S to ffw ech sel b esitzen als gro ß e.
He s s ed agegen sieh t h ier w ie a u ch b e i den v o n E .
Mü l l e rgem essenen K a n in chen, d ie äh n lich e R e s u lta te zeigen, eine gu te B e stä tig u n g fü r seine A n n ah m e, d a ß die G röße eine F u n k tio n d er D a rm lä n g e sei u n d d er M asse eines T ierk ö rp e rs S ch ra n k en gezogen sind, w enn die verd au en d e F lä c h e zu k lein ist.
He s s e
g ib t selb st zu, d a ß diese B e leg e e tw as sp ärlich seien. A u c h d ü rfte b ei den W irb eltieren sich er n ic h t nu r die D a rm o b e rflä ch e fü r eine V e r g rö ß eru n g der K ö rp erm a sse v e ra n tw o rtlic h ge
m a c h t w erd en ; denn ein m al sp ie lt au s den b ereits ein gan gs e rw äh n ten G rü n d en au ch die ü b rige O rg a n isa tio n d a b ei eine R o lle, sp eziell d as S k e le tt, und zw eiten s w issen w ir d u rch die U n tersu ch u n g en v o n
Ba b a kan K a u lq u a p p e n , die b e i F leisc h n a h ru n g einen k u rzen , b ei ve g e ta b ile m F u tte r einen lan g en D a rm b eko m m en , d a ß die A u sd eh n u n g d es V e rd a u u n g stra k te s seh r va riie re n und den B e d ü rfnissen an g e p a ß t w erd en k an n . E in H in w eis d a fü r, d a ß die bei den U rd a rm tieren gefu n d en en V erh ä ltn isse au ch fü r andere F o rm en m it b e stim m ten E in sc h rä n k u n g e n z u trifft, ist jed o ch sich er gegeben.
S e lb stv erstä n d lic h sind m it d er F e ststellu n g , d a ß die V erd a u u n gso rg an e fü r die G rö ß e m it v e r a n tw o rtlic h g e m a ch t w erd en kön nen , n ic h t alle P ro b lem e ü b er die sch w an ken d en tierisch en K ö r p erve rh ä ltn isse gelöst.
He s s e
e rw ä h n t d esh alb au ch die F ä lle , in denen d as V o lu m en m an ch er O rgan ism en tro tz sch ein b ar g ü n stig ster B e d in g u n g en anderen gleich a rtig en
gegen ü b er n ach ste h t, ohne d a ß zu n ä ch st eine U r sach e d a fü r zu erkenn en w äre. So bleiben b e i
sp ielsw eise in kleinen R ä u m e n In d iv id u e n der gleich en A r t and eren, die größere R ä u m e zu r V e rfü g u n g h ab en , an G rö ß e zu rü ck . A u f m anch en kleinen In seln In d ien s is t d er H irsc h stets k lein er als d er des F estla n d e s od er g rö ß erer Inseln. Ä h n lich v e rh ä lt es sich m it versch ied en en W ie d e r
käu ern , w ie z. B . R o th irsc h en a u f nordischen In seln , und G a zella a ra b ic a ü b ersch reitet a u f ge
w issen In seln des R o te n M eeres n ic h t ein m al ein D r itte l des G ew ich ts d er n orm alen R asse (nach
Ab e l).
A u c h bei T ieren u n terh a lb d er S ä u g e r
g ru p p e lä ß t sich ein Z u sam m en h an g vo n L ebens
raum u n d Körpergröße feststellen . So is t die G rö ß e v o n D a p h n ia cu c u lla ta in der Z u sam m en ste llu n g
Wa g l e r su m g ek eh rt p ro p o rtio n al der G rö ß e d er W o h n g ew ässer. D ie G rö ß e des H erin gs n im m t in dem M aße ab, w ie ozeanisch e B e d in gu n gen denen enger W asserräu m e P la tz m achen, und die C oregonen au s d em G reifen see und P f ä ff i- kon see sind Z w ergfo rm en gegen ü b er denen aus d em Z ü rich see. E in e E n tsch eid u n g d arüber, w o d u rch die O rgan ism en in kleinen R ä u m en an G rö ß e Z u rückbleiben, is t zu r Z e it generell n och n ic h t zu fällen . M an h a t die versch ied en a rtig sten E rk lä ru n g e n d a fü r b eig eb rac h t, w ie In zu ch t, T e m p e ra tu rw irk u n g u s w .; w en n d era rtig e E r klä ru n g en a u ch fü r S p ezialfä lle v ie lle ic h t zu treffen , ve rsa ge n sie an d ersw o w ied er. E s m u ß d em nach stets im E in z e lfa ll u n tersu ch t w erd en , w as e tw a in B e tr a c h t kom m en k ö n n te, und d as E x p e rim e n t die e in fach e B e o b a c h tu n g ergän zen.
A n s ä tz e h ierzu sind b ereits erfolgreich u n te r
n om m en . D a d u rch , d a ß G läser m it d u rch b o h rtem B o d e n in and ere G efä ß e ein g e h ä n g t w urden , ließ en sich versch ied en g ro ß e R äum e sch affen , denen gleich e Wassermengen zu r V e rfü g u n g stan d en (vgl. F ig . 3), u n d es zeigte sich, d a ß d an n in kleinen R ä u m e n K a u lq u a p p e n und A x o lo tlla r v e n klein er b lieb en als in großen . D a a u ch eine V erm eh ru n g d er B e w o h n er in gleich en R ä u m e n eine V erm in d e
ru n g des W a ch stu m s h erv o rrief, m u ß te geschlossen w erd en , d a ß die g egen seitig e S tö ru n g einen grö ß e
ren K r ä fte v e r b ra u c h u n d d a m it eine W a c h stu m s
h em m u n g h e rv o rrie f
[ Go e t s c h (2 ) ] .N eben d ieser w ach stu m sh em m en d en S tö ru n g ü b en ab er au ch die S to ffw ec h selp ro d u k te eine sch äd igend e W ir k u n g aus, d ie sich bei klein eren W asserm en gen stä rk er zeigen als b e i größ eren . D iese A r t der W a ch stu m sb e h in d eru n g m a ch te sich besonders b ei w en iger b ew eglich en O rgan ism en gelten d (P lan arien ), b ei denen die gegen seitig e S tö ru n g in fo lg e d er E n g e des W o h n rau m es zu rü c k tra t.
E s sind d em n ach h ier b ereits zw ei ga n z versch ied ene M om ente gefu n d en , die b eid e gleich en E rfo lg h a b en können.
D ie h ier an g efü h rten R e s u lta te sind neuerd ings a u ch b e i F o re llen n a c h g e p rü ft
[ Wi l l e r(3)].
He s s e
n im m t eine W ach stu m sh e m m u n g in folge
stärk eren K r ä fte v e r b ra u c h s a u ch in anderen F ä lle n
an. „ W e n n die B a ch fo re llen d er A a re im D u rch -
Go e t s c h:
Die Körpergröße der Tiere und die sie bestimmenden Faktoren. 797
Heft 39. 1 30. 9. 1927J
s c h n itt 240 g, die au s ihren Z u flü ssen n u r 130 g w iegen
( Su r b e c k), s ois t d as v ie lle ic h t u n ab h än g ig v o n d er G rö ß e d ieser G ew ässer und lä ß t sich so erklären , d a ß in den sch n eller fließ en d en kleineren B ä ch e n die F isch e mehr K r a ft (und d a m it S toff) a u f
w en d en m üssen, um der S trö m u n g en tgeg en sch w im m end sich an d er gleichen S telle zu h a lten , d a ß sie a l
so w en iger S to ff fü r das W a c h stu m ü b rig b e h a lte n .“
D iese A n n ah m e
He s s e skön nen n och u n v e r
ö ffe n tlic h te V ersu ch e b e stä tig en , die R e f. an K a u lq u a p p e n d u rch fü h rte. W ie b ei den frü h eren V ersu ch en ü b er den E in flu ß des L eb en srau m s w u rd en d u rch b o h rte G läser gleich er G rö ß e in A q u a rien ein geh än gt, w elch e d ieselbe W a s s e r
m enge fa ß te n . D a s zu g e leitete W a sser t r a t in dem einen F a ll m it sta rk em S tra h l in d as m it den V ersu ch stieren (K a u lq u a p p en ) b e se tzte G las ein u n d erzeu g te d o rt stru d eln d e B e w e g u n g (Fig. 3 B ) ;
Fig. 3. Versuch über die Einwirkung der W asserströ
mung auf das W achstum der Kaulquappen. In 2 gleich
große Aquarien sind 2^ Glasgefäße mit durchbohrten Böden eingehängt (A und B). In B ist das fließende Wasser direkt eingeleitet und erzeugt dort Strömung, in A erfolgt die Zuleitung indirekt von unten, ohne stärkere W asserbewegung zu veranlassen. Tiere in B bleiben kleiner als in A (wuchsen z. B. von 10 mm in 14 Tagen auf 14 — 15 mm heran, während sie in A zu gleicher Zeit 19 — 20 mm erreichten). N ach unveröffent
lichten Versuchen.
im anderen F a ll (A) w u rd en die V ersu ch stiere z w a r au ch v o n der gleichem W asserm en ge u m sp ü lt, a b er ohne die stark e S tru d elu n g , d a die Z u le itu n g vo m großen A q u a riu m aus erfo lg te. S te ts blieb en die T iere in b ew egtem W a sser an G rö ß e z u rü ck ; in einem b estim m ten V ersu ch w u ch sen je 6 T iere in n erh alb 14 T a g en v o n 10 m m im b ew egten W asser n u r a u f 14 — 15 m m h eran, w äh ren d sie in u n b ew egtem M ilieu es a u f 19 — 20 m m b ra ch te n . D a b eid en K u ltu r e n die gleich en R ä u m e, die gleichen W asserm assen und n a tü rlich a u ch die gleichen F u tterm en g e n zu r V e rfü g u n g stan d en , ka n n n u r die stärk ere In an sp ru ch n ah m e in fo lge der S trö m u n g das W a c h stu m geh em m t h ab en .
D a ß die Ernährungsverhältnisse b ei T ieren gleich er A r t versch ied en e K ö rp e rg rö ß e veran lassen kön nen , b ra u c h t w oh l au sfü h rlich n ic h t d a rg eleg t zu w erd en ; N ah ru n gsm an gel erzeu g t ü b erall K ü m m erfo rm en . B e i T ieren n iederer D ifferen zieru n g is t die G röße unmittelbar a b h ä n g ig vo n der aufgenom m enen N a h ru n g ; S tru d elw ü rm er (Planarien) und P o ly p en (H ydren) w erd en groß b ei M ä stu n g und verk lein ern bei A b n a h m e der F ü tte r u n g ih r V o lu m en um ein V ielfa ch es. In fo lg e dessen k o m m t es m an ch m al sch ein b ar zu r A u s b ild u n g vo n ab w eich end en Rassen, d a au ch die gesch le ch tlich und un gesch lech tlich e rzeu gten N ach - kom m en versch ied en gro ß er T iere an M asse d iffe rieren. D e r grüne S ü ß w a sserp o lyp (C hlorohydra virid issim a) kan n beispielsw eise in ein und d em selben W a sser als R iesen fo rm g e zü ch tet w erden, die D a p h n ia m a gn a zu ü b erw ältigen verm ag , und als Z w e rg -,,R a sse “ , die n u r k le in ste C opepoden friß t. Je n ach der G rö ß e der B e u te tie re sch w a n k t au ch die K n o sp en g rö ß e, und b eid e G ru p p en b le i
ben so lan g e in ein er gew issen K o n sta n z, als die F u tte r a r te n n ic h t d u rch Ü b erg än g e m itein an d er v erb u n d en w erden . G esch ieh t dies, dann kan n die klein e F o rm sich n ach und n ach au ch an größere B issen gew öh nen u n d d a m it d an n sam t ihren K n o sp en su k zessive h eran w ach sen
[ Go e t s c h(2 a)].
D ie m it d er E rn ä h ru n g zusam m en h ängen den G rö ß en u n tersch ied e kön nen indessen d urch eine A n z a h l vo n F a k to r e n v ie l u n ü b ersich tlich er w erden.
D ie M enge d er a u f genom m enen N ä h rsto ffe, die E rn ä h ru n g sin ten sität, h ä n g t n ic h t ein fach ab vo n d er M enge und B e sc h a ffen h e it des a u fg en o m m enen F u tte r s, sondern au ch d a vo n , w iev ie l vo n dem F u tte r d as T ier in ein er gegeben en Z e it v e r dauen und resorbieren kan n , w iev ie l E rn ä h ru n g s
a rb e it es zu leisten v e rm a g . D a ß b ei leb h a fter B e an sp ru ch u n g des S to ffw ech sels diese F ä h ig k e it n ic h t ausreichen kan n , zeigen die V ersu ch e vo n
La p i c q u e.
B e i dem W eb ervö g elch en E s trild a a strild
( L .)w ird b ei 20° C zw ei D r itte l der a u f
genom m enen N a h ru n g fü r W ä rm eerzeu g u n g v e r b ra u c h t; sin k t die T em p e ra tu r der U m geb u n g au f 15 °, w ird also w egen erh ö h ter W ä rm ea b g a b e reich ere S to ffw ech selw ärm e erford erlich , so re ich t ihm die K ü rze unserer W in te rta g e n ich t m ehr au s zu gen ü gen d er N a h ru n g sb esch a ffu n g ; tro tz b e stän d igen F ressens m a g e rt das T ierch en a b und v e rh u n g e rt, w äh ren d es b ei 30 — 3 5 0 le b h a ft ist u n d ged eih t. W ird seine F re ß z e it d u rch k ü n s t
lich e B e leu c h tu n g tä g lic h um 2 — 3 S tu n d en v e r lä n g ert, so h ä lt es selb st T em p era tu ren v o n 1 4 0, ja vo n 1 3 0, ohne S ch ad en aus. E s is t le ic h t v e r stän d lich , d a ß au ch in and erer W eise in d ire k t t ro tz g ro ß er F u tterm en g e ein T ie r relative H u n g er
zu stä n d e h ab en kan n, die ein V erk ü m m ern h erb ei
füh ren , w ie z. B . m arin e F orm en , die m it A b n a h m e des S a lzg eh a lts (Ostsee) an G rö ß e verlieren.
He s s e
k n ü p ft an die B esc h reib u n g der H u n g er
z u stä n d e b eim W e b erv ö g el die V e rm u tu n g an,
d a ß eine V erg rö ß eru n g des V erd a u u n g sa p p a ra te s
7 9 8 Go e t s c h:
Die Körpergröße der Tiere und die sie bestimmenden Faktoren.
T Die Natur- [wissenschaftensich er den gleich en E rfo lg erzielen k ö n n te als die V erlä n g e ru n g d er F re ß z e it; dies is t in diesem F a ll n a tü rlic h n ich t m ehr e rreich b ar, d a es sich um ein au sgew ach senes T ie r h a n d elt. B e i den K a u l
q u ap p en , die sich n och in E n tw ic k lu n g b efan d en , v e rm o c h te indessen, w ie w ir sah en, der D a rm sich den V erh ä ltn issen a n zu p assen und b ei rein er P fla n z e n n a h ru n g einen v ie l län g eren D a rm zu er
h a lten als b ei tierisc h er K o s t.
W e rd e n nun au s so lch la n g d arm ig en T ieren bei D a rre ic h u n g vo n n ä h rsto ffreich erem F u tte r R ie sen k a u lq u a p p e n ? V ersu ch e in d ieser R ic h tu n g fü h r
ten zu einem n e g a tiv e n R e s u lta t; d . h . die K a u l
q u a p p e n v e rg rö ß e rte n sich nicht- T h eo retisch e E r w äg u n g en sp rech en au ch v o n vo rn h erein dagegen.
W ir w issen n äm lich , d a ß b ei den V e rte b ra te n die G rö ß e in h oh em M aße v o n d er inneren Sekretion a b h ä n g ig ist. D ie T ä tig k e it d er H y p o p h y s e h a t fü r d as W a ch stu m eine gro ß e B e d e u tu n g ; b ei F ä l
len tu b e rk u lö se r E rk ra n k u n g d ieser D rü se sah m an Z w ergw u ch s a u ftrete n , w äh ren d ge steig e rte T ä tig k e it d er H y p o p h y s e b ei g e sch w u lsta rtig er V e rg rö ß eru n g ih res vo rd eren L a p p en s m it R ie sen w u ch s v e rk n ü p ft w ar. B e k a n n t ist, d a ß a n g eb o ren er od er erw orb en er S ch ild d rü sen m an gel n eben anderen S ch äd ig u n gen a u c h W a ch stu m sh e m m u n gen (Zw ergw uch s) zu r F o lg e h a t. A u c h die vo n den G o n ad en au sgeh en d en H o rm o n e b eg ren zen die W a c h stu m sd a u e r; w en n sie feh len , b e o b a c h te t m an ein O ffen b leib en der W a ch stu m sfu g en am G lied m a ß e n sk elett u n d d a m it eine V erlän g e ru n g des W a ch stu m s, d ie zu r H o c h b e in ig k e it fü h rt, w äh ren d m it gesch le ch tlich e r F rü h re ife eine frü h zeitig e V erk n ö ch e ru n g d er W a ch stu m sfu g en und d a m it K u r z b e in ig k e it v e rk n ü p ft ist. G erad e bei K a u lq u a p p e n zeig ten d ieU n tersu ch u n g en
Ha h n s ( 5 ) ,d a ß R ie sen ex em p la re eine h yp ertro p h isch e H y p o p h y se b esaß en , ohne d a ß e tw a die D a rm lä n g e r e la tiv v e rg rö ß e rt erschien. B e i den am h ö ch sto rg an isier
ten T ieren , den V e rte b ra te n u n d sp eziell den S ä u gern, is t d em n a ch d u rch diese K o n tr o lle d er in n ersek retorisch en O rgan e d ie G rö ß e n orm a ler
w eise so fix ie rt, d a ß n u r gerin ge S ch w a n k u n gen
Vorkommen;ein M eh r o d er W e n ig er d er D a rm o b erfläch e v e rm a g d a h er w oh l k a u m in d ivid u e lle S ch w a n k u n g e n h erb eizu fü h ren .
E b e n so w e n ig is t w o h l a u c h d as an d ere E n d stad iu m d er tierisch en E n tw ic k lu n g sre ih e v o n der G rö ß e d er ve rd au e n d en F lä c h e b e d in g t; und z w a r n ic h t desw egen , w eil sie d u rch beson d ere A p p a ra te w ie in n ersek retorisch e O rgan e sich v o n d er A u ß e n w e lt u n a b h ä n g ig g e m a ch t h ab en , sondern w eil sie sich n och in v o lls te r A b h ä n g ig k e it vo n dem ch em isch -p h ysik a lisch en A u ß e n m ilie u b efin d en.
D ie P ro to zo en h ab en , g ü n stig ste N a h ru n g sb ed in gu n gen v o ra u sg ese tzt, sicher stets die M a x im a l
g rö ß e, die sie ih rer In tim s tru k tu r u n d ih res A u ß e n m ed iu m s n ach erreichen kön nen , u n d m an fin d e t d a h e r in gleichen V erh ä ltn issen die gleich e G e s ta lt u n d die gleich e G rö ß en o rd n u n g, die sich b e i A m ö b en z. B . d u rch Z u sa tz v o n S a lzen w e it
geh end um än d ern lassen
[ Sp e k(4)].
D a s gleich e lä ß t sich a u ch n och in a llerd in g s b e sch rä n k terem M aße v o n den niederen M etazoen b e h a u p te n ; H y d ro zo en sind in G rö ß e und G e sta lt v o m A u ß e n m ilie u a b h än g ig , so d a ß C o rd y lo p h o ra la c u stris in versch ied en en B ra c k w a sse rk o n z e n tra tio n e n ga n z b e stim m te W u ch sform en z eig te [P.
Sc h u l z e (6 ) ]u n d H y d ren , d ie an Seew asser g e w ö h n t w erden , stets k lein er b leiben als g le ic h a rtig e E x e m p la re u n ter n orm alen V erh ältn issen (nach u n ve rö ffen tlich en V ersu ch en ). A u c h P la n arien h ä n gen in ih rer G rö ß e n och eb en falls v o n A u ß e n b e d in g u n g e n ab. H ie r b egin n en dann a b er schon die v o n
He s s ea u fg e d e c k te n V erh ä ltn isse;
ein er G rö ß en zu n a h m e ü b er ein b estim m tes M aß h in au s is t d u rch die ve rd a u e n d e F lä c h e ein Z iel g e setzt. M an k a n n die T iere d u rch „ M ä s tu n g “ z w a r etw a s ü b er die n orm alen M aß e verg rö ß ern
[ Go e t s c h(2b)], a b er n u r in gew issen G renzen. D a den V ersu ch stieren (P lan aria lu gu b ris) die F ä h ig k e it d er T e ilu n g a b g eh t, e n tled ig en sie sich der ü b e r
sch ü ssigen M a teria lien d u rch A b la g e ta u b e r E ier.
A u s d em soeben G esa g ten g e h t schon h ervo r, d a ß a u f einer u n teren E n tw ic k lu n g ss tu fe die K o n tro lle d er K ö rp erd im en sio n en d u rch die D a rm o b erfläch e n och in n erh a lb gro ß er V a ria tio n sb re ite n sch w a n k t. Je k o m p lizie rte r d er V e r d a u u n g s tra k t w ird , d esto k o n sta n te r w ird im allgem ein en die K ö rp e rg rö ß e ; es is t d u rch die H ESSEschen U n te r su ch u n g en seh r w ah rsch ein lich g em a ch t, d a ß dann die D a rm o b e rflä ch e allein die W a ch stu m sg ren zen b e stim m t (D isto m u m h ep aticu m ), und n u r d an n größ ere F o rm en m ö g lich w erden , w en n d u rch eine m u ta tiv e V e rä n d e ru n g m eh r ve rd au e n d e F lä c h e g esch a ffen w ird . D a in folgedessen a b er dann eine neue erb lich e F ix ie ru n g erfo lgt, w ird die n eu e F o rm sich vo n d er a lte n a ls R a sse oder A r t a b heben .
D iese K o n tro lle d er K ö rp e rg rö ß e d u rch die ve rd au e n d e O b erflä ch e w ird d an n w oh l n u r so lan g e m ö g lich gew esen sein, als n och ein fach ere
V e r h ä l t n i s s eh errsch ten . W ir sehen jed en falls, d a ß d a,
wtodie K o m p lik a tio n ihren H ö h e p u n k t e rre ich t h a t, w ie b ei den W irb eltieren , besondere K o n tro lla p p a ra te in G e sta lt b e stim m te r D rü se n sy ste m e a u ftrete n . M it ih rem E rsch ein en t r it t d an n d as D a rm sy s te m n ich t m eh r so in den V o r d e rg ru n d u n d is t fü r die G röß en
V e r h ä l t n i s s en ic h t m eh r so d ir e k t en tsch eid en d . E in e erb lich fix ie rte S teig eru n g d er L ä n g e od er B re ite h ab en w ir uns d an n w o h l eh er d u rch eine m u ta tiv e V erä n d e ru n g d ieser D rü sen sy ste m e v o rzu ste llen , d a die e x p erim en tellen u n d p ath o lo g isch en B e fu n d e
f ü reine solch e A n n ah m e sprechen .
E in e A u fs te llu n g d e ra rtig e r E n tw ic k lu n g s
gän ge k a n n n a tü rlic h n u r sp e k u la tiv e n C h a ra k te r
tra gen , d a w ir ja beson ders b ei den niederen T ieren
n u r in seh r gerin gem M aße e x a k te U n tersu ch u n g en
ü b er d ie U rsach en d er K ö rp e rg rö ß e b esitzen .
U m so d a n k en sw e rter is t es, d a ß
He s s ea u f n eu e
Z u sam m en h än ge a u fm erk sam m a ch te, und es is t
n u r zu w ü n sch en , d a ß er b ald N a ch fo lg e r in d ie se r
R ic h tu n g erh ält.
Heft 39-
] Sp i e g e l- Ad o l f:Physikalisch-chem ische Analyse der H itzeveränderungen der Proteine. 799
30.
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Physikalisch-chemische Analyse der Hitzeveränderungen der Proteine.
Zugleich ein B eitrag zur Frage der R eversibilität der Eiweißdenaturierung.
V o n
Mo n a Sp i e g e l- Ad o l f,W ien . V o n allen V erän d eru n g en , die p h y sik a lisch e
E in w irk u n g e n a n P ro tein en h erv o rzu ru fen im stan d e sind, h a b en ob ih rer biologisch en und p ra k tisch en B e d e u tu n g d iejen igen , w elch e d u rch T em p e ra tu rsteig eru n g en b e d in g t w erden , stets die g rö ß te B e a c h tu n g gefu n d en . D en n och fe h lt bis zu m h eu tig en T a g e eine ein d eu tige, allgem ein a n e rk a n n te E rk lä r u n g sow oh l der d u rch die H itz e e in w irk u n g am P ro tein m o lek ü l b e w irk ten V e r änd eru ngen , als au ch d er B ed in g u n gen ihres Z u stan d ek o m m en s. V o n K rite rie n d er H itzev erä n d e- ru n g en w erden n u r die Ir re v e rs ib ilitä t und v e r m in d erte L ö slic h k e it der b e treffen d e n m o d ifi
zierten P ro tein e allgem ein h ervo rgeh o b en . E in e p h ysika lisch -ch em isch e U n tersu ch u n g v e r m a g n atu rg e m äß n u r in d ire k t d u rch V e rg le ic h d e r E ig e n sch aften des H itzefä llu n g sp ro d u k ts m it gen u inem E iw eiß u n d d u rch and ere A gen zien m o d ifizierten P ro tein en zu r A u fk lä ru n g d er F ra g e n ach den ch em isch en G ru n d la gen d er H itz e ve rä n d eru n g e n am E iw e iß b eizu trag en . H in g egen d ü rfte die gen an n te M eth od e beson ders g eeig n et sein, u m die zu m E in tr it t d er H itz e verä n d eru n gen n otw en d ig en B ed in g u n gen zu stu d ieren .
D em gem äß sollen in der folgen d en A b h a n d lu n g , w elch e eine Z u sa m m en fa ssu n g einer R e ih e vo n eigen en A rb e ite n (1) und d e rzeit n och u n v e rö ffe n t
lich te n V ersu ch sergeb n issen ü b er die H itz e
V e r ä n d e ru n g en sow ie and ere D e n a tu rieru n g sa rte n vo n P r o tein en d a rstellt, in erster L in ie diese b eid en F ra g e n b e h a n d e lt w erd en . A ls V e rsu ch sm a teria l w u rd en
v o n w a s s e r l ö s l i c h e nP ro tein en Ser- u n d O va lb u m in ,
v o nw asseru n löslich en G lo b u lin ve rw e n d e t.
I.
B e v o r w ir uns d er F ra g e n ach d em W esen d er H itzev erän d eru n ge n d er P ro tein e zu w en d en , er
sch ein t es n otw en d ig, erst ihre Entstehungsbe
dingungen festzu stellen .
E n tg eg en einer gan zen R eih e v o n A n g a b e n (z. B .
Le p e s c h k i n),w elch e die H itz e k o a g u la tio n s fä h ig k e it vo n vo llk o m m en reinen A lb u m in lö su n gen in A b red e stellen und solch er (L it. b ei
Ke s t n e r [2 ]),w elch e d asselbe ü b er d ia lysie rtes A lb u m in a u s
sagen, lä ß t sich zeigen, d a ß d u rch E le k tro d ia ly s e v o n ionogen en B eim en gu n g en b e freites Ser- u n d O v a lb u m in w eitge h e n d u n a b h ä n g ig vo n d eren K o n ze n tra tio n d u rch H itz e e in w irk u n g zu r A u s fä llu n g g e b ra ch t w erd en kön nen . E s is t so m it au ch n ic h t n otw en d ig , die an u n d fü r sich sch w ach sau re R e a k tio n des ele k tro d ia ly sierte n A lb u m in s (3) d u rch Z u sä tze zu m o d ifizieren od er iso elektrisch e R e a k tio n
(Mi c h a e l i sund M itarb eiter) h e rb e i
zu fü h ren .
Zur Erzielung einer möglichst vollständigen Fällung bei tunlichster Verm eidung sekundären Abbaues wurden gemäß den Angaben von
Sö r e n s e ndie E i
weißlösungen durch 15 Minuten bei der Tem peratur des siedenden Wasserbades gehalten. Im Filtrate, das nach H itzekoagulation nur beim Seralbumin prak
tisch eiweißfrei ist, erweist sich die Leitfähigkeit gegenüber der Ausgangslösung als um ein geringes erhöht, die W asserstoffionenaktivität jedoch als w eit
gehend herabgesetzt.
Elektrodialysiertes, durch Waschen von löslichen Eiweißbeimengungen befreites Globulin (4) wurde in wässeriger Suspension in ähnlicher W eise wie das wasserlösliche Albumin der H itzeeinwirkung ausgesetzt.
II.
U m die E ig e n sc h a fte n des hitzeveränderten Globulins ken n en zu lern en u n d au s dem V erg le ich d erselben m it dem V e rh a lte n des genuinen M a te ria ls S ch lü sse a u f die N a tu r d er gesetzten V e r ä n d eru n g en ziehen zu können, w u rd e zu n ä ch st d ie L ö s lic h k e it des h itz e v e rä n d e rte n G lo b u lin s in L a u g en , S äu ren u n d N eu tra lsa lzen b e stim m t. D a z eig te es sich nun, d a ß falls m an d ie L ö s lic h k e it des gen u inen G lo b u lin s in den gen an n ten V e r b in d u n g en gleich 1 setzt, d iejen ige fü r d as h itz e v e rä n d erte in d er gleichen R eih en fo lge d er L ö su n g s
m itte l Vä’ V 40 > V100 b e trä g t. D es w eiteren k o n n te d u rch H era n zieh u n g vo n L eitfä h ig k e its - und W a s sersto ffio n e n a k tiv itä tsb e stim m u n g e n , M essu ng der W a n d eru n g sgesch w in d ig k eiten und q u a lita tiv e r Ü b erfü h ru n g sversu ch e der N ach w eis g e liefe rt w e r
den, d a ß d as h itzev erä n d erte G lo b u lin S äu re u n d L a u g e in and erer W eise b in d et als d as gen u ine P ro tein .
N a ch den vo n
Ha r d yu nd
Pa u l i (5) g e g e b e n e n8 0 0 Sp i e g e l- Ad o l f:
Physikalisch-chem ische A nalyse der Hitzeveränderungen der Proteine,
f Die Naturwissenschaften
schem atischen Darstellungen werden (bei vorhan
denem Eiweißüberschuß) Säure nnd Basen vo r
wiegend an endständige Am ino- und Carboxyl- gruppen gebunden.
r / N H 2 X X > O H
r / N H 3C1 .
\ C O O H ’
R / N H 2 N a O H = R / N H a + H o O .
N300H x CO O N a
Aus dem verm inderten Lösungsverm ögen von Säuren und Basen für hitzeverändertes Globulin wird gefolgert, daß das genuine Globulin beim E r hitzen vorwiegend eine Veränderung seiner end
ständigen Am ino- und Carboxylgruppen erfahren hat. D a jedoch das Basenbindungsverm ögen im Laugenüberschuß des hitzeveränderten Globulins weitgehend erhalten geblieben ist,
Pa u l iin A n lehnung an
Ro b e r t s o n (6)diese Laugenm ehrbin
dung an der Stelle der Peptidbindung erfolgen läßt, so dürfte nach den vorliegenden R esultaten die letzteren beim hitzeveränderten gegenüber dem genuinen Globulin keine oder nur eine gering
fügige M odifikation erfahren haben.
II I.
D as hitzegefällte Seralbumin zeigte insofern eine gewisse Ü bereinstim m ung m it dem eben beschrie
benen Verhalten des Globulins als auch hier die gleiche Reihenfolge in der W irksam keit der Lösungsm ittel beobachtet werden konnte. B e sonders die Löslichkeit in Neutralsalzen w ar nur angedeutet. U ntersucht man jedoch die im E iw eiß
überschuß hergestellte alkalische Lösung näher, so kom m t man zu dem überraschenden Ergebnisse, daß dieselbe bei N eutralisation nicht ausfällt, also die in diesem F alle nur geringe Salzkonzentration scheinbar genügt, um eine relativ beträchtliche E i
weißm enge in Lösung zu halten. D as hitzegefällte Seralbum in hat som it unter dem E influß der N aO H seine Eigenschaften geändert. Dies geht aufs deut
lichste aus den folgenden Versuchsergebnissen her
vor. W enn man dieselbe alkalische Lösung des hitzegefällten Seralbum ins der E lektrodialyse aus
setzt, so w ird unter dem E influß der letzteren nur das A lk ali q u an tita tiv beseitigt. Trotzdem bleibt das gesam te, durch die H itzeeinw irkung ursprüng
lich wasserunlöslich gewordene Seralbum in in L ö sung. Diese unterscheidet sich äußerlich nicht von einer genuinen Seralbum inlösung. D as hitzege
fällte Seralbum in ist also unter der Einw irkung der L auge wieder wasserlöslich geworden. Denn es konnte gezeigt werden, daß diese Veränderung weder auf E inw irkung der E lektrodialyse auf das hitzekoagulierte P rodukt, noch etw a au f bakte
rielle oder ferm entative Vorgänge zurückgeführt werden kann.
E s w ar nun w eiter festzustellen, ob das durch Laugenbehandlung rückverw andelte H itzedena
turierungsprodukt (hier Protein X genannt) m it dem genuinen Album in identisch ist oder einen bislang unbekannten E iw eißkörper darstellt.
Protein X unterscheidet sich weder äußerlich noch durch sein Verhalten gegen A m 2S04, was gegen die Auffassung desselben als primäre Album ose (E. P.
Pi c k)spricht, vom Ausgangs
m aterial. E s teilt m it demselben die niedrige L e it
fähigkeit und schwach sauere R eaktion, was die restlose E ntfernung des Laugenzusatzes beweist, sowie das V erhalten beim E rhitzen. Es konnte kein Unterschied im optischen Drehungsvermögen des Protein X gegenüber genuinem nach R edu k
tion auf gleichen G ehalt nachgewiesen werden.
Gegenüber Alkohol, Gold- und M astixsol zeigt Protein X weitgehende Übereinstim m ung m it dem ursprünglichen Album in.
Zur weiteren Identifizierung von Protein X sind serologische Methoden herangezogen worden.
In H inblick auf die grundlegenden Untersuchungen von
Ob e r m a y e rund
Pi c k,welche gezeigt haben, daß hitzeverändertes Eiw eiß (Koktoserum) m it norm alem präcipitierenden Serum keine Fällung ergab und daß das m it Koktoserum als Antigen hergestellte Im munserum nur wieder m it K o k to serum, nicht aber in nennenswerter Weise m it genuinem E iw eiß reagierte, wurden entsprechende Versuche m it dem Protein X angestellt. Es konnte der N achweis erbracht werden, daß sich dasselbe auch in biologischer H insicht nicht von genuinem Album in unterscheiden läßt.
E s scheint dem nach nicht möglich, m it H ilfe der hier angewendeten physikalisch-chem ischen und biologischen M ethodik — die rein chemische erschien nach den Untersuchungsergebnissen von
Sö r e n s e n
(7) im vorhinein w enig aussichtsvoll zu sein — wesentliche Unterschiede zwischen dem Protein X und seinem A usgangsm aterial, dem ge
nuinen Seralbum in, aufzudecken. D ie Überein
stim m ung ist vielm ehr eine so weitgehende, daß, solange keine neuen, dagegen sprechenden V er
suchsresultate vorliegen, an eine bestehende Gleich
h eit der beiden Proteine gedacht werden muß.
E ine solche G leichsetzung würde aber besagen, daß durch die vorgenommene Behandlung des hitze
koagulierten Album ins der Prozeß der Hitzeverände
rung auf chemischem Wege rückgängig gemacht worden ist.
Es muß hier hervorgehoben werden, daß nach der allgemeinen A nsicht nicht nur die H itze
denaturierung der Eiw eißkörper für irreversibel gilt, da eine entsprechende Tem peraturherabsetzung dieselbe nicht beseitigt, daß aber auch eine durch die E inw irkung chemischer Agentien bewirkte, all
gemein ausführbare R ückverw andlung des H itze
fällungsproduktes nicht bekannt is t1. So gibt
Ke s t n e r