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Maximilian Larven-
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ErscheintjedenSonnabend.
Preisvierteliährltch5Mart «die einzeer Nummer 50Pf.
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Verlag der Zukunft WilhelmstraßeZa.
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Leopoldslialhden26. November 1914.
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Verlin, den 5.Dezember 1914.
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Politik im Krieg.
Nachlese.
erim letztenonemberheft, inNebelzeit,begonnene Versuch,
- dasWerden russischerWesenheitEuropäernzuentschleiern, hatmirallerleiniefe eingebracht.Jchhatte geschrieben:»Alexan- .derAlexandrowitschschiennichtausdemmorschenHausHolsteins Gottorpzustammen.«War auch nicht diesesHauses Sohn,ruft einLeser;»wissenSie,Thor,denn nicht,daszderUrgroßvaterdieses Dritten Alexanders derUrrusseSaltykowwar?«Nein;und kein Geschicht-,keinGeschlechtsforscherkanneswissen.Das Gerücht kenne ich.Das istalt.Schon 1757schrieb Marquis deL’L)6pital, FrankreichsGesandtenausPetersburg nach Paris, derHofbe- haupte, »derSohnderGroßsürstinseivondemherrn Saltykow«;
»aufdenselben Bogen freilich,dieGroßsürstinsei jetztimArm
Stanislaws Poniatowskischwangergeworden.DieGroßfürstin KatharinaAlexejewnadie vordemUebertritt indieRussenkirche Sophiesvon Anhalt-Zerbst hießunddieTochtereinerPrinzessin vonHolsteinsGottorp,dieVasedesHerzogsKarlPeter vonHols steinwar. Derwurde alsFünfzehnjährigerin Moskau nachdem Griechenritus getauft, hießseitdem GroßfürstsThronfolgerPeter FjodorowitschzundließsichvoqunschseinerTante,derKaiserin EkifabethPetrowna, bestimmen, KatharinensJGatte zuwerden, deren Willeihn, PeterdenDritten,nachhalbjähriger Regirung MThron und, achtTagedanach,aus demZLebenstieß.War PeterPauls Vater? Ueber seineSinne herrschte ElisabethNo- znanowna Woronzow.(Diewollte erheirathen;undhätteKa-
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286 ,- DieZukunft.
tharinain einKloster gesperrt und, sachtoderschnell,infrommer Stillegemordet,wenn dieBrüder Orlow ihn nicht, nach demAuf- gebotdreierGarderegimenter, entmachtetund,inRopsha, erdross selt hätten.)WerderGroßfürstin glaubt, muß vermuthen, Peter habedieihm angetraute Frau,mindestensJahre lang,niemals- männischumfangen. AlsdieKaiserinschilt,weil die wildeKatha- rina stetsimAnzugund Sattel derHerren ausreite, undandeutet,,.
diese unweiblicheundschädlicheReitart habe dieUnfruchtbarkeit derEhe verschuldet,antwortetihr dieHofdameFrauvonTschoglos kow,eineVerwandte derErstenKatharinm »Das ists nicht.Kin- der kommen nicht ohneGrund. Und trotzdemJhreKaiserlichen Hoheitenschonsieben Jahre langverheirathetsind, fehlt dieser Grund nochimmer. «Dann,pfauchtdiezornigeKaiserin,»sindSie- mitschuldig,Maria Semionowna,undichwerde michanSiehal- ten,wenn dieEhekinderlos bleibt; SiemüssendasPaar nach- drücklichanseine Pflichterinnern l« Obsgeholfen hat?ZweiJahre danachwirdPaulgeboren.SergeijWasiljewitschSaltykowistschons inallerhöchsterGunst.KammerherrdesGroßfütstenzMann der HofdameMatriona Balk-Polewa (dieeraufeiner Russischen Schaukelliebengelernthat). Katharinas,derenMann nach sieben- jährigerEheund nach mancher LiebschaftPierundzwanzigist, stöhnt laut, sie sei »nochJungfrau«;schreibtüberSaltykowaber,.
dersie hitzig umwirbt: »Er ist bräunlich, schönwiederTagund- wederam kaiserlichen nochan unserem HofkannEiner sich ihm vergleichen.Erhat Geist,istgebildetundinHaltungundBetragen der-echteHofmannundKavalier-« UeberihrVethältniszzu dem hübschenSergeijisteinZweifel nichtmöglich.DaßerPaulsPater gewesensei,istoftgetuschelt,dochnie,WederVonKatharan selbst (die ihremtollenKnabe-ndasThronrechtentziehen wollte) noch vonWeljaminowsSternowund anderen Zeitgenossenerwiesen worden«JnderArt seinesJrrseins ähnelt Paul demDritten Peter-Der wirdseine brünstigeFrau,derenKantharidenreizHun- derteanlockte, nicht immer, zwischeneinerGagarinundderWo- ronzow, verschmähthaben.Jn KatharinasGeschlechtseklebnisse hineinleuchten:fruchtlose Mühe; inso dichtemGestrüppversickert derhellsteStrahl. Siewollte, nichtnur inallenFreundenihrer Nächte,dieUeberzeugungschaffen, Peter habe seine Mannheit (die zehn Hosfräuleinbeeiden konnten)niezuihrherabgelassen.
Politik imKrieg. 287
Jndemschönen,vonabertausend frühenundspäten Rosenum- dufteteneutiner Schloß hat sie ihnzum erstenMal gesehen;er ist zwölf, sie elfJahrealt. »Er schiendamals wohlerzogenund geweckt;dochwar schondieNeigungzumWein undderWider- wille gegenallesithnbequeme bemerkbar.Mich mochte ernicht;
erwurdestreng gehalten,kamnievonseinenLehrernlosundnei- dete mir meine Kinderfreiheit.Jchkümmertemich wenigum ihn, dennich hatteangenehmere Beschäftigung:zweimal täglichmachte ichmit derKammerfrau meiner Großmutter-,derWitwe des Vi- schofsvonLübeck,Milchsuppe,dieichdann schlürfte.«Alsosprach Katharina.Manchmal,inihrenMemoiren, auch freundlicher.»Er war hübsch,wohlerzogenundliebenswürdig.Ermachtemeiner Mutter,die damals sehr schönwar,denHof.Dochaus allerlei Wörtchen,dievon derLippederJntimstenfielen,erfuhrich,dasz wirfüreinander bestimmtseinkönnten;undich hatte nichtsda- gegen. «Dannwieder :»Peterwarblaß,mager,zart,kränklich,aber auchinSpottundJähzorngeneigtund mußte schondamals bei Tischunter Aufsicht sein,weilersichsonstbetrank.« FünfJahre danachwaren diezwei Kinder einEhepaar. Peter hat niemals, auch nicht,als erdieWoronzow heirathenundderen Sohn auf denThron bringenwollte,gesagt,Paulseinichtvonihm gezeugt worden ;hat sich mindestens für mitbetheiligtanderBaterschaft gehalten.Und Katharina, der unddasgroße Mensch, hätte,als sieden irrenBengelenterben wollte,vordemGeständniß, daßer
SaltykowsKindsei, nichtgezaudert.Einerlei:dasBlutderMuts ter,dasauchhier(nachVismarcksWortüber einenUrenkelPauls) stärker alsdesVaters war,kam aus denWurzeln desHolsteis nerstammes.Dem mußte ich deshalb, ohneaufHofgeraunzuhor- chen,auchdenErstenAikolai, densweitenunddenDrittenAlex- anderzuzählen. (Da3ar Paulerwähntwurde: DieserböseNarr hatdemRussenislamdieGrundmauer gemörtelt.AufderSchwelle zwischendemachtzehnten unddem neunzehnten Jahrhundert schrieberdenAllerhöchstenErlaß,derbefiehlt:»Dervon Gott demSelbstherrscher gewährtenAllgewaltist auchdieKircheunter- than. JnallenBezirken,desgeistlichenwie desbürgerlichenLe- bens, hat jederDiener derKirchedemZaren,alsderenvonGott erwähltem Haupt,zugehorchen.«EinJahr danachwurde dieses HauptvondenFührerndeskaiserlichenHeereserdrosselt.)
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Zweite Frage: »IstdasRussenheerwirklich so,wieSie es geschildert haben?«Wenn ichs nicht glaubte, hätte ich dieseDar- stellungnicht versucht. DochderFragerwünscht wohlandere Urtheile; damit sich ihmeineBergleichsmöglichkeitergebe. Hier sind zwei.Nichtvon gesternfreilich.Dochalleseit zehn Jahren geleisteteArbeit,vonderjadie unerwarteten Erfolgedesrussischen Heereszeugen, hatdengroßrussischenMenschen nicht zuwandeln vermocht. Zuerst sprichteinOffizier,der,imAuftragdesöster- reichischenGeneralstabes, den mandschurischenKriegaus der russischenGefechtslinie sah.Oesterreicher:schondamals einFeind-
»DerNüssehatune åme defensive Erist stumpf,zähundek-
trägtjedesLeiden mitbewundernswerther Geduld,umnur ja nichtzu aktiver Anstrengunggenöthigtzusein« Diese,defensive Seele«mußte,mindestensimOffiziercorps,bekämpftwetdewMan begnügtesichabermiteinerfremdemMusternachgeahmten Trup- penausbildung, dieAktivitätdesDenkens undHandelns verlangt unddiehiernichtzurvollenWirkungkommen konnte,weilihrdie seelischeDisziplinfehlte. Suworow hattedenBayonnetteangriff empfohlen,um aufdieNothwendigkeitaktivenBorgehenshinzu- weisen. Dochnur das Wort war geblieben;dieLehreselbsthatte imHeernichthrzelgefaßt. DieArmeeundihre Führer erkannten nicht, daßdiewichtigsteWaffedesmodernen Jnfanteristendas Gewehrist.VonKuropatkin,der alsGeneralstabschefSkobelews inder ganzen Welt bekannt gewordenwar, konnteman vieler- warten. Dievox populi hatte ihn aufdenPostengerufen,fürden erdie·erforderlichenKenntnisse mitbrachtesatte eraberauchdie Eigenschaften,die einFeldherr braucht? Verstanderdie Seele
dgrArmee2SchoninPetersburghatteerbeschlossen,einganzes Jahr langin derDefensivezu bleiben. DiesesProgrammver- heimlichteerauch garnicht.Erbedachtenicht-daßmoderneTrups pen,wenn sie nicht wenigstens nacheinpaarMonaten des War-
tFnsdasHochgefühleines Siegeskennen lernen, ihrSelbstver- trauenverlieren. Seine ewigenRückzügetötetendieetwa noch vorhandeneNeigungzur Aktivität. ErzerrißOftdiefestenVer- bändeundfürchtetestets, überflügeltodervoneinerUebermacht angegriffenzuwerden-DiesesGefühlsuggetisteerbald auchdem Heer.Die Generale wollten nichtsRechtes riskikemWeilsiedie Gefahr scheuten,nachgroßenVerlustenalsSündenböcke geopfert
Politik imKrieg. 289
zu werden. DieTruppenverloren denGlauben an dieMöglich- keit eines Sieges,dasSelbstgesühl,diesittlicheKraft.Kuropatkin hatdasihmanvertraute HeeralsKriegsministernicht nachmo- dernen Grundsätzenerzogen undalsFeldherrso wenig psychos logischeEinsicht gezeigt,daßichdieBehandlung,dieerder Armee aufdemmandschurischenKriegsschauplatze zumuthete,nur einer Vivisektionvergleichenkann. Daßdie Armee trotzdem sowider- standsfähigblieb,verdient Bewunderung.
DierussischeKavallerie ist fürdenAngriff aufReitermassen und fürdas Säbelgefecht gedrillt;denAufklärungdiensthaben ihreFührerimmer als quantitå nögligeable behandelt. Jnder Mandfchureikonnte sie nichtsleisten,weildieJapaner seltenKa- vallerie hattenund höchstensmanchmaleinePatrouille abzu- fangenwar. DieAufklärungversuchemißlungen fast ausnahme- los. WeildasOberkommando vonderjapanischenArmee nichts wußteundweder über einensorgsamorganisirten Kundschafters dienstnochüber daszurAufklärunggeeignete Personal verfügte, wurden schließlich,alsallepräzisenNachrichtenüber die Bewe- gungen desFeindesfehlten,diegewaltsamenRekognofzirungen nöthig,mitdenendieGeneraleMishtshenkoundRennenkampfbe- auftragt wurden.Auch daverfagtedieKavallerie,man mußteder feindlichen Jnfanterie immer mehr russischesFußvolkentgegen- stellen; undbaldsagtendieJnfanteristen,nichtohnebegründeten Stolz:WirbesorgendenAufklärungdienst!Doch darfman nicht glauben,dierussische Kavallerie sei schlecht.Ihre Offizieresind tüchtig;amBestendieDragoneroffiziere,die, obwohl sieausguten Familien stammen,meistarmsind,in schlechtenGarnisonenliegen, strammenDienst habenunddadurch gewöhnt sind, fürMann- fchaftundPferde pünktlichzuforgen.DaszesdenGardeoffizieren nichtan moralischem Muthfehlt-bewiesfchondieThatsache,daß soviele vonihnen sichfreiwilligzumKriegsdienstmeldeten; sie find auch gutausgebildetund Unterscheidenfichdurchihremilitäris schenKenntnisfe vortheilhaftvondenKofakenoffizieren,dievöllig primitivgeblieben sind. DieganzeKavallerie zeichnetsichdurch ihreWiderstandsfähigkeitaus. Fünf, sechs TagelangMärfche
vonfünfzigbissechzigWerst:solcheLeistunggiltnochalsnormal- Undich trafVorposten,diefünfTage lang invollerKampfbereits schaft,Mann undRoß, durchausfrischgebliebenwaren.
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290 DieZukunft-
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DerrussischeJnfanterististeinHüne,der mit derBayonnette umgeht,alswärs eineFeder. Auf diese Körperkraft hoffteman;
denn man lebteinmittelalterlichenVorstellungen und glaubte, auch heute nochwürdenSchlachtendurchdas corps-å-corpsdes Handgemengesentschieden.VorderSchlachtamYalusagteKu- ropatkin, nacheinerParade,zumir: ,Sind unsere gutgenährten, starkenSoldaten nichtprächtigeKerle? Jedervonihnenkanns imBayonnettekampfmitdreiJapanern aufnehmen!«Das war vielleicht richtig;nur fehltedieGelegenheit zurAusnützungdieser Körperkraft.DieAussenkamenmitvöllig falschenVorstellungen vom modernen JnfanteriegefechtaufdenKriegsschauplatzund waren rathlos, als dieJapaner ihneninbreiter, dünnerFront entgegentraten, dieFlügelmit einemFeuergürtelzuumschnüren versuchtenunddemVayonnettekampfauswichen.AlsTrostblieb
nur derGlaube, daßderFeindimmer dieUebermachthabe;und einem übermächtigenGegnerkann man jamitEhrendasFeld räumen. Also gingman wiederzurück.Alsman dieUeberlegens heitderjapanischenGefechtstaktikerkannt hatte,wollte man sie nachmachen; auchdieserVersuchmußte natürlichmißlingen.Die Beobachtung vielerZufammenstößehat mich gelehrt, daßes dem russischenSoldaten vorAllem anderFähigkeitzUfelbständigem Handelnmangelt. Wenn ernichtLeuteneben sichsieht,diemit ihmdieGefahrtheilen,wenn erin der dünnenFeuerliniesichselbst überlassenist,verlierterdenKopfAuchdasOffiziercorpsistnicht aufderHöhe seiner"Aufgabe. DieBedürfnißlosigkeitistebenso auffälligwiederMangelanmilitärischerBildung. Die meisten Jnfanterieoffiziere sindmitihremLos unzufrieden,ohnestärken- desSelbstbewußtseinundsehnen sichnacheinemZustandkörper- licherund geistiger Ruhe. DergemeineSoldat iststumpfsinnig, dochernst, geduldigundinpassivem Widerstand einHeld.Das VerhältnißderOffizierezurMannschaftist eherPatriarchalisch alsmilitärischzunennen. DerAnblick marschirenderJnfanteries kolonnen war nicht erfreulich; eswar immer,alswandere eine schleichendeKrankheit mit,diesichlangsam,dochsicherihre Opfer aus denReihen holt. Schon nachdererstenMarschftundeblie- benfastjedesmalLeute zurück;undjedeneue Stunde mehrtedie Zahldieferaus demGlied Getretenen. Die zogendann,allein oderinTrupps,weiter, plündertenwohl aucheinVischenund
Politik imKrieg. 291 suchten gewöhnlich erstabends denEompagnieverband wieder --auf,weilsie hoffen durften,dortEtwas zuessenzu bekommen. Der russischeJnfanteristträgtaufdemMarschimmermehrGepäck,als das Reglement vorschreibt.Erstopft,wieeinHamster,der Alles inseinenBauschleppt, Alles,waserfindet,inseinenNanzen, Nie- men, Schnallen, FetzenallerArt,dieüberflüssigstenDinge; viel- leicht,denkt er, kann mans doch irgendwann einmalgebrauchen.
DasMenschen«-·undPferdematerial derArtillerie ist gut;
hier sind auchdieOffizieretüchtigundintelligent.NuristdieAuss bildungnichteinheitlich;und die Artillerie hatmitden anderen WaffengattungennichtdiegehörigeFühlung.Generalstabund Oberkommando kannten ihre eigeneArtillerie nichtgenau und wußtenaufdemKriegsschauplatz deshalb nichtsRechtesmitihr anzufangen.Wußten auch nicht,daßeinSiegheutzutagenur zu erringen ist,wennJnfanterieund Artillerie als ein untrennbarer
Organismuszusammenwirken.Die Artillerie erfuhrdenGefechts- plan nichtundmußte auf eigeneRechnungundGefahr kämpfen.
sOftsuchtentreffliche Vatterieführer sich selbst ihrZiel,ohnedabei ahnenzukönnen,obdass-euerihrer GeschützedemSchlachtzweck überhauptdiene. EinegroßeGeschicklichkeithatdierussischeAr- vtillerieinderMaskirung ihrerStellungengezeigt; sie ist auch tapfer,ausdauernd underträgtmitstoischerRuhealleStrapazen- DiejapanischeArtilleriehatte nichtdierichtige,derTaktikdesGeg- ners angepaßteMunitiom deshalbwarihre Treffsicherheitsoge- ring;dabei ist allerdings auchdie in modernen Kriegen übliche GrößederSchußdistanzzubedenken. Dierussischen Sappeurs verdienen fürdasvon ihnenGeleistetediehöchsteAnerkennung.
DaßdierussischeArmee, die imEinzelnen soVorzügliches leistet, nichtsiegte,hat mehralseinenGrund. AnderSpitzestand nichtderrichtigesFeldherr,nichtderMann, der,als echterSol- datenführer, EnergiemitVorsicht,WagemuthmitUeberlegung vereint. DieErziehungderTruppenwar ungenügend; deshalb geriethensie oftinLagen,indenen siesichgarnichtzurechtzufinden
vermochten.Mehr alsalles Andere aberfehltedieVegeisterung, ohnedieeinmodernes VolksheerunfähigzurhöchstenLeistung ist;es warnichtgelungen,denPatriotismus für diesenKriegzu entflammen. Der Hurraruf,denwir aufdenmandschurischen Schlachtfeldern hörten, hatte nichtdenhellen Klang,den Suwos
sc
292 DieZukunft.
row einstaus derKehle seinerLeutehervorzuzaubernvermochte; erklangum eineTonschwingungtieferals dasVanzaiderJa- paner undwurde vonihm deshalbübertönt.«
DieDarstellungdesösterreichischenOffizierswirktwie ein gutes Portrait: auchohnedendargestelltenGegenstandzu ken-
n?n,fühltman,daßerindenwichtigstenWesenszügen getroffen ist.FreilichfehltedemRussenheereinSuworow. DerMann,der Lesghier,Polen, Türken, Franzosenschlug,Pugatschewnieder- warf,JsmailundPraga stürmte,infünfMonaten Oberitalien vomFeindsäuberteunddannnochdenungeheuerbeschwerlichen MarschdurchdieSchweizanzutreten und bisinsRheinthalforts zusetzen vermochte,hätteselbstimschwierigenmandschurischenGe- ländeseinem Heereinehöhere Leistung abgerungen. Aber fiel nicht aucher,dernach seinen SiegenFürstund Generalissimus gewordenwar,inUngnade,weil ernichtjedem kindischeannsch öxs Gossudaksblind gehorcht hatte? Sein Denkmalerzählt,in PetersStadt,allenrussischenGeneralen einetraurigeGeschichte; aucheinealte,dieewigneu bleibt. Wer weißdenn,wasdem Ge- neralissimusinOstasienvomGenieNikolaisunds einerSippean- gesonnenward? Kuropatkinkonnte nichtvie-ldurchsehen;nicht- einmal Stoesselaus PortArthurbeseitigen.Und dadie See- festungnicht mehrzuentsetzen,die indieMandschureinachge- schobeneArmee fürdenKampfgegendieJapanerzuschwachUnd zuschlechtausgebildetwar: was blieb?Wartenund dieVerlust- gefahr soeng wiemöglichbegrenzen.SicherwarKuropatkinkein Feldherr von fortreißenderPersönlichkeit,keinMann derJnis tiative;underhatnamentlich wohl beiMukden zulangevordem EinsatzderganzenWehrkraftgezagt. Großesaberkonnte ernicht wagen. EinSieg hätteihm LobundGunst-dochdem Heernur geringenmateriellenVortheil eingetragen; eineschwereNieder- lageaberdenLeibdiesesbuntenheeresunheilbar zerfetzt.Sein Plan war,zuwarten, bisdieOstseeflottedenVerkehrzwischen JapanunddemFestland sperrenkonnteundbisderinderKriegs- technikzurückgebliebenenArmeewenigstensdienumerischeUeber- macht sicherwar. DaßdieFlotteinderTsushiMasttaßedas Grab ihrerHoffnungenfand,warnicht seineSchuld;feinVerdienstaber, daßbei Tielin fastsechshunderttausend gutgenährteSoldaten unterLenjewitschsKommando versammeltwaren, alsdie bittere-
Politik imKrieg. 293 NothwendigkeitdenKaiserzumFriedensfchlußdrängte.Die Offensivewäremöglichgeworden,wenn dieTreulosigkeitder pa- riserRegirungRoschdestwenskijsals Schreckgespenst wirksame,.
alsWaffeunbrauchbare Flottenichtins Verderben getrieben hätte.DieseStunde, fürdieKuropatkinseine Truppen geschont hatte,schlugnicht.FürVortsmouth aberwäreselbstdemklugen Witte keinTrumpf übriggeblieben,wenn derFeldherr dasHeer nutzlos geopfert hätte.Dersah nicht, daß ihm,beiMukden, For- tuna nocheinmal zulächeltezdaßerdortsiegen konnte, fast schon gesiegthatteunddieJapaner selbst sichgeschlagen glaubten.Ein FehlerunverzeihlicherKurzsicht. Dennoch:wenn ernichteinen großenVruchtheildesHeeresseinemzagenHerrnerhalten hätte, wärenicht so billigerFriede,wäreszolskijs haltbarstes Werk, das russosjapanischeVündniß, nicht so frühEreignißgeworden.
NachdemOesterreicherderAusse.ZugriechischenKaufleuten spricht,amOstersonntagdesJahres 1656,AlexeijMichailowitsch, Rußlands sanftmüthigsterZar:»JnderStunde des Gerichtes wirdGottmichfragen,warum ich, trotzmeiner Macht, nichtdie
armen Christenbefreithabe,die(aufderValkanhalbinsel) von
demFeind unseresGlaubens geknechtetwerden« Drum habe ich inmeinem Herzenbeschlossen,all mein Blut,bisaufdenletzten Tropfen,all meinGut,bisaufdasletzteGoldstück,undalleKraft meinertreuen HeereandenVersuchdieserVefreiunghinzugeben.« Nichtan denSiegdenktdieserKriegsherrzschwelgtimVorhof martyrischerWonne. NachdemOffizierderDichter: Dostojewskij.
»LügeistdieBehauptung,derMenschgehein denKrieg,um an- dere Menschentotzuschlagen.Nein: ergeht,um sein Lebenzu opfern.Dem SchutzdesVaterlandes undder Brüder seinLeben zuopfern:Das istderedelsteGedanke derMenschheit;undich meine,daßsiedenKriegliebt,weilerihrindieVerwirklichung diesesedlenGedankens hilft.Haßtenwir,inderZeitdesKrims krieges,etwa FranzosenundEngländerkåNein: wirfühltenuns ihnen menschlich befreundetundPflegtendieGefangenenmitei- fernderLiebe. Schonwährend desWaffenstillstandes gingenuns sereOffiziereund Soldaten zu denfeindlichenVorposten hinüber, brachten ihnen Wodka,tranken undverbrüderten sichmitihnen:
undRußlandlas»esschmunzelndinderZeitung. Dennochschlug
man mitallerWuchtauf einander drein. Jetzt (1877) istwieder
294 DieZukunft-
Krieg.DerKolossuswirdnichtinsWanken kommen;darin, daß Europa ihn nichtinsWanken bringenkannund er,frühoderspät, nehmenwird,wasihmgebührt,erkenne ichdieGewißheit unserer
«Macht.Aber wirkönnenbesiegtundzu einem schlechtenFrieden gezwungen werden. «(Das durfteman imLande derSelbstherr- schaftvor vierzigJahrendrucken.) »Selbstdann wärenichtsUn- ersetzlichesverloren. Wenn wirwollenund, wieheute,Mannvor -Mann,ZarundBauer,einigsind,können alle Millionen und alle Armeen Europas unsnichtnöthigen,zuthun, wogegenunserGe- müth sichsträubt.Das wußtederErste Alexander,alsergelobte, lieber seinenBart wachsenzulassenundmitseinemBolk indie Wälder zuweichen,als dasSchwertwegzuwerfenundsichdem Befehl Napoleons zubeugen.Nochlacht Europa,wenn esvonun- serer UrkraftundUnüberwindlichkeithört; aberderErdtheilwird sieerkennen lernen undanihrzerschellen,wenn ersiezubrechen strebt.Er wirderfühlen,wiedieSehnsuchtin dashöchsteOpfer jede russischeSeele stärkt.«WieabersprichtderGermane? Karl von
·Elausewitz:»Der Krieg istein Akt derGewalt, um denGegner zurErfüllung unseres Willens zuzwingen.Die Gewalt rüstet sich mitdenErfindungen derKünsteundWissenschaften aus,um der Gewalt zubegegnen.PhysischeGewalt (denneinemoralische giebt esaußerdemBegriffdesStaates undGesetzesnicht)ist alsodas MittelzdemFeind unserenWillenaufzudringen,der3weck.Umdie- senZwecksicherzuerreichen,müssenwirdenFeindwehrlos machen.
JnderAnwendung derGewalt giebtes keineGrenzen. Solange ichdenGegner nicht niedergeworfen habe, muß ichfürchten,daß ermich niederwirft.«Und Preußens Dichtertobt: »Eine Lust- jagd,wenn dieSchützen aufdekSpur dZmWolfe sitzen!Schlagt ihntot!Das Weltgericht fragtEuch nachdenGründen nicht!«
Ob dieHuldigungadressedespolnischenAdelsandenGroß- fürstenunddenKaiserNikolai ernstzunehmenodernur alsein schlauerTrugversuch einzuschätzensei: diese(dritte) Fragekann heutenur vom Glauben, nichtvon Gewißheit beantwortet wer- den. Rußland hatsichzurWiederherstellungdesPolenstaates verpflichtetunddieenglischeRegirung hatHerrnRomaanowski- demFührerderNational-Demokraten, feierlichVetsprochen,daß sienur demFriedensschluß zustimmenwerde,derdieses Polen- staatesSelbständigkeitundfreiesLebensrecht sichert.Statt der