XXVIII. Jahrg. Berlin, den 6. Dezember 1919 Nr. 10
ie ukunft
Herausgeber
Maximilian Harden
INHALT
Seite
D ie Unverschämten ... 283
Nachdruck verboten
E r s c h e i n t j e d e n S o n n a b e n d
Preis vierteljährlich 10,— Mk., das einzelne Heft 1,— Mk.
BERLIN
Verlag der Zukunft
Großbeerenstraße 67 1919
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48 hochkttnstlerlsche Frei llchtaufnahmen. Biom- sllberorlginalfolos. seltene Wahl weiblicher Schönheit
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vo rrag en d . O ptik u. P la stik , n u r 15,— Mk.
franko N ach n ah m e. HlusLr. P r o s p e k t frei!
Fotohaus R. Nolte, Abt Z, Berlin S 14
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InReler. a . W it t e n b e r g p I a t z PVrnrn!': Sieinpl. 9J68
B erlin, d e n 6. D ezem b er 1919
Die Unverschämten
P r o p a g a n d a
T ^ i e C entrale für V olkstäuschung arbeitet so emsig weiter,
■^^^.als hätte nie ein N ovem berw indchen gew eht un d als glänzte über A lldeutschland noch der W o n nem o nd blühen*
der Kaiserei. W arum auch, ehe der Friede die K raft inter*
nationalen Rechtes erlangt hat, au f das vom Sieger nicht ver«»
botene, nicht verbietbare „K riegsm ittel“ trügender Darstell*
ung verzichten? N ic h t jeder Frechlingsfinte kann der ernst*
haft Beschäftigte nächlaufen. D ie allerletzte N ebelungleistung unserer ehrw ürdigen Behörde für Innen* u n d Außen*Propa*
ganda ist im m erhin aber kurzer Rede w erth. V or (ungefähr) einem H albjah r hatte ich hier erw ähnt, W ilhelm habe am sechsten Ju li 1914, vor seiner A breise, als deren Ziel auch damals am tlich die norw egischen G ew ässer genannt wur*
den, die für D eutschlands W ehrm acht V erantw ortlichen zu sich gerufen u n d das für die V orbereitun g des Krieges Noth*
wendige angeordnet. D iese Besprechung nannte ich „Kriegs*
rath“ , weil m ir bekannt war, d aß Freiherr von dem Busche, U nterstaatssekretär im A usw ärtigen A m t, einer Frage des Vorgesetzten schriftlich geantw ortet hatte: „A m sechsten Ju li hat in Potsdam eine B erathung m ilitärischer Stellen beim Kaiser Statt gefunden. Es w urde beschlossen, .auf alle Fälle vorbereitende M aßnahm en für einen Krieg zu treffen.
E ntsprechende Befehle sind hierauf ergangen. Q uelle durch*
284 D ie Zukunft.
aus zuverlässig.“ Diese vom dreißigsten A u gu st 1917 da*
tirte amtliche A usku n ft, die m ir auf „illegalem “ W ege zu*
gegangen war, w ollte ich, natürlich, nicht erw ähnen. D ie G ew ißheit, d aß ich sie nicht kenne, erm uthigte zu einem D em enti in der üblichen Lüm melform. W olffs Telegraphen*
B ureau verschickte den A uszug eines Rügeartikels der Deut»
sehen A llgem einen Zeitung. M eine A n tw o rt steht im letzten Ju lih e ft dieses Jahres. „ D er K riegsrath vom sechsten Juli soll ,ein ähnlich bösw illiges Phantasiegebild wie die Legende vom K ron rath ‘ sein. Diese (von m ir nie geförderte) Le»
gende entstand aus der A ngabe des Fürsten Lichnowsky:
am fünften J u li 14, ,bei der entscheidenden Besprechung in Potsdam*, sei beschlossen w orden, m itO esterreich, auch, wenns n ö thig werde, in einen Krieg gegen R ußland, zu gehen. D ie A ngabe ist richtig; n u r war nicht K ronrath, sondern Zwie*
spräche m it Szögyenyi, der einen Brief Franz Josephs und ein M em orandum der wiener R egirung ins N eue Palais ge*
bracht hatte (u n d danach Em pfang Beth* un d Zim m erm anns).
Vier Botschafter, M ensdorff,Lichnow sky, W angenheim ,M or*
genthau, haben den V organg erw ähnt; un d als in Berlin ein M itregirer die H e rk u n ft des (n u r in den N ebenum ständen irrigen) G erüchtes ergründen w ollte, antw ortete der Nächst*
untergebene (Busche), im G erede habe der Diplomaten*
em pfang vom fünften sich w ohl m it der m ilitärischen Be»
rath u n g vom sechsten versträhnt. N ach dieser A ntw ortschrift verzichtete der Frager au f das Schwergeschütz am tlicher Ab*
leugnung. V on A lledem w ird zu sprechen sein, wenn, end*
lieh, die von dem Staatssekretär K autsky gesammelten A kten der Kriegsgenesis aus der D unkelkam m er geholt werden.
Böswilliges Phantasiegebild oder R eitende A rtilleriekaserne:
nach der Zusage deutscher W affenhilfe m ußte der Kaiser, ehe er au f eine lange Reise ging, die für die W ehrm acht V erantw ortlichen zu sich rufen u n d die V orbereitung des Feldzuges anordnen. M u ß te , selbst w enn er den Krieg gegen G roßm ächte noch zu verm eiden hoffte; sonst fehlte er seiner Kriegsherrnpflicht. W ilhelm h at sie erfüllt, hat den Beginn der V orbereitung befohlen: un d dürfte den Leugner ,bös*
willig* schelten.“ Jetzt ist w ieder ein Sums gem acht w orden,
D ie U nverschäm ten 285 der beweisen soll, d aß alles Reden von Krön« o der Kriegs*
rath „längst widerlegte Legende“ sei. W ed er jetzt noch je zu*
vor aber ist irgendw as W esentliches w iderlegt w orden. D er von A m tes wegen befragte Baron Busche kann sich „an die Q uelle nicht m ehr erinnern“ un d hält für „denkbar, d aß er sie irriger W eise als zuverlässig bezeichnet h a t“. D an n soll ihn der Teufel holen. G ab er 1917 in einer Sache von un*
iiberbietbarer W ichtig keit dienstliche A uskunft, deren Grund*
läge er nicht m it ernstem Eifer p rü fte , dann ist er fürs winzigste A m t untauglich; wärs gewissenlose V ergeudung von Staatsgeld, diesem H errn , der ja oft genug schon aus B ukarest „irriger W eise“ berichtet hatte, noch länger Ruhe*
gehalt zu zahlen. A b er die „eingeleiteten N achforschungen“
(wie die Kerle schreiben!) haben auch A nderes ergeben. D ie V ertreter des G ro ß e n G eneralstabes, des A dm iralstabes, des M arineam tes sind am sechsten J u li vom Kaiser empfangen w orden; er hat ihnen gesagt, was gestern geschehen, u n d befohlen, den b eurlaub ten Chefs zu m elden, welche „mili*
tärische M öglichkeit ins A uge zu fassen“ sei. D as w ird von M ännern bescheinigt, die sich durch ehrenw erthen Patriotis*
m us verpflichtet glauben, in solchem Fall, wo „vor dem O h r des Feindes“ D eutschlands U n sch u ld erw iesen w erden soll, n u r U nschädliches ü ber die Lippe, aus der Feder zu lassen.
W ird nach fünfundsechzig an E rlebniß nicht armen Mona*
ten bescheinigt. D och die drei A m tsvertreter sind einzeln, nicht gemeinsam , em pfangen w orden: also war nicht Kriegs*
rath. M it so albernem Kniff w ird Bauerfang erst m öglich, wenn die H auptm annschaft der Presse „Schmiere steht“ , wie eine andere, nicht m inder löbliche Z u n ft zu sagen pflegt. „R ath“
hieß bei W ilhelm fast im m er: „Ich rede u n d die Befohlenen sperren gefälligst die O hren auf.“ W e r kam denn bei ihm zu W o rt? Ich bin gew iß, d aß er auch im Sommer 17 den Bot*
schafter Bernstorff, der doch Beträchtliches zu erzählen hatte, nicht angehört, sondern ihm eine A rie gegen „W ilso n u n d die Y ankeesbande“ von der Platte geschm ettert hat. Kriegs*
rath oder Einzelem pfang: am sechsten Ju li 14 h at der Kriegs*
herr „die für die W ehrm acht V erantw ortlichen zu sich ge*
rufen u n d die V orbereitung des Feldzuges angeordnet“ . So
las mans hier; und so ists als W ah rh eit erwiesen. O d er zweifelt ein in P reu ß en H eim ischer, daß von der Empfangs*
stunde an Alles gethan w urde, dam it H eer u n d Flotte in bester Bereitschaft zu M obilm achung u n d Krieg sei? U n d w agt nach dieser „am tlichen Feststellung“ noch Jem and, den schimmeligen Q u ark von der russischen M obilisirung, die
„den Krieg unverm eidlich gem acht“ habe, auf den Anrichte»
tisch deutscher N a tio n zu stellen? D e r M obilisirung, die n u r unter dem friedsam sten aller Zaren so lange nach Ser*
biens B edrohung durch zwei G roßm ächte beginnen k o n n te?
„In R ußland, Frankreich, O esterreich »U ngarn ging die A uffassung dahin, d aß M obilm achung noch nich tn o th w en d ig Krieg bedeute. In Z eiten politischer Spannung kann man keinem Staat zum u th en , durch Z urücknahm e von getroffe»
nen M obilisirungm aßnahm en sich in einen Z u stan d mili*
tärischer Inferiorität zu versetzen. D ie G rü nde, w arum Ruß»
land am einunddreißigsten Ju li nicht m ehr zurückkonnte, sind auf Seite 324 des Buches (,D as Verbrechen*, von dem D r. R ichard G reiling, auch Verfasser des Buches ,J’accuse‘
u n d ,D ie E nthüllungen des Prozesses Suchomlinow*, sämmt*
lieh von der M ilitärcensur der D eutschen R epublik verboten) zutreffend ausgeführt. D em N achw eis, daß die britische Re»
girung ehrlich un d aufrichtig um E rhaltung des Friedens be»
m ü ht war, m u ß beigepflichtet werden. W egen der großen A usdeh n u n g des G eb ietesu n d derW eitm aschigkeit des Eisen*
bahnnetzes bild ete eine russischeM obilm achung keine so un»
m ittelbare B edrohung wie eine deutsche, französische oder österreichische. D eutschland hat den Krieg als Präventiv»
lerieg b e w u ß t herbeigeführt u n d Kriegsziele angestrebt, die ein einigerm aßen ehrliebender G egner nicht annehm enkonnte.
D e r am fünften J u li beschlossene Präventivkrieg w ar schon im Septem ber zum E roberungskrieg gew orden. D a ß das deutsche Friedensangebot vom zw ölften D ezem ber 1916 un*
annehm bar, d aß es vielmehr, nach dem vom A bgeordneten Erzberger m itgetheilten U rth eil eines neutralen D iplom aten, ,ein u nter Z uchthausstrafe angedrohter Friede* war, ist klar.
Freilich sind die territorialen Ziele der E ntente (A rm enien, Irredenta, Elsaß»Löthringen) an sich viel berechtigter als die
D ie U nverschäm ten 28 7
der A lldeutschen. Im zweiten Bande des »Verbrechens4 wer»
den die deutschen A nnexionisten, der preußische M ilitarist mus u n d das Ju n k erth u m in ihren G efahren für die Mensch»
heit geschildert. D ie sogenannten Friedensschlüsse von Brest»
Litow sk u n d B ukarest sind die unerhörtesten G ew altakte, die die G eschichte seit vielen Jahrhu n derten zu verzeichnen h at.“
A ll diese Sätze hat Seine Excellenz der G eneral G raf M ax M ontgelas, D em okrat, geschrieben u n d im Sommer 1918 H errn G reiling überm itteln d em sie ein Ruhm eskränzlein win.- den u n d der sie, weil Seine Excellenz jetzt, als G utachter (wirk»
lieh: G u tachter) der berliner R egirung y n d zu U e b e rp rü fu n g von K autskys A rb eit berufener H erausgeber am tlicher Ur»
künden, von A lledem das G egentheil verkündet, nun in der N euen Schweizer Z eitun g veröffentlicht hat. D e r G raf und G eneral, der noch im Sommer 18 so vernünftig über Ruß»
lands M obilisirung un d D eutschlands Schuld an Beginn und Verlängerung des Krieges, so em pört ü b er „die Lüge des V e rte id ig u n g sk rie g e s“ sprach, hat zwar sein U rth eil um»
gekräm pt (was ja ihm unbestreitbares Recht ist), kann aber den neuen Sums vom sechsten J u li nicht gem acht haben.
W e r w ars? Z u L eitung der äu ßeren u n d inneren Pro»
paganda ist im A usw ärtigen M inisterium H err D r.O tto D rie » sen erkürt w orden. G ew iß ein wackerer M an n ; da er eine der vielen rechten H än d e des Propagandachefs Erzberger w ar (n u r eins der H ändchen, die der H e rr Finanzm inister auch im A usw ärtigen noch hat), ist er w ohl irgendwie tüch»
tig. N u r: im Ja h r 1918 hat er ein Buch veröffentlicht, das den T itel trägt: „D as deutsche V olk u n d seine Fürsten; eine A n tw ort auf die V erständnißlosigkeiten des A uslandes“ und das zu V erherrlichung W ilhelm s u n d anderer deutschen Für»
sten sich au f die steilsten W ortg ip fel hebt. K osthäppchen gefällig? „W elches auch die künftige politische Entwicke»
lung des D eutschen Reiches im In n ern 'sein m öge: D as w ird nie u n d nim m er auch n u r im G eringsten berühren das u r
alte, auf unerschütterlicher G em üthsgrundlage beruhende Vertrau ensverhältniß zwischen dem deutschen V olk u n d seinen Fürsten. A uch, als klar zu Tage trat, daß, wie für den Aus»
bruch des W eltkrieges, auch fü r dessen V erlängerung un»
2 8 8
seren Kaiser keine Schuld trifft, ist die Entente ihrem Ver*
leum dungziel treu geblieben. Sie hat der genialen Kriegs*
führun g H in d en b u rg s u n d Ludendorffs nichts Gleichwer*
thiges gegenüberzustellen. D er K riegsherr, die Offiziere un d das H eer bilden ein unzertrennliches G anze. Ew ig w ahr ist das W o rt Kaiser W ilhelm s, das dem D eutschland des zwan*
zigsten Jah rh u n d erts die w irthschaftlichen W ege gewiesen h a t: .U nsere Z u k u n ft liegt auf dem Wasser.* U nabhängig von der w andelbaren M acht der Parteien ist das innere Ver*
h ältn iß des deutschen Volkes zu seinen Fürsten; es ist das in tausendjähriger Q eschichte täglich neugeborene G efühl der geistigen Einheit von F ürst u n d V o lk .“ G en ü g ts? All d er verschlissene P lu nd er aus der am tlichen Schwindelge*
nesis, vom B om benw urf auf N ü rn b e rg bis zum Franzosen*
einbruch in den Elsaß, w iederholt H e rr D riesen gläubig;
u n d b eru ft sich, als au f den Entschleierer britischer T ücke, auf den Professor M endelssohn*B artholdy, der, in Gemein*
schaft m it Excellenz M ontgelas, die (schon in der ersten Lebenswoche verschollene) versailler Schutzschrift für die U n sch u ld kaiserlicher Regirung verfaßt hat und nun die vom gew issenhaften Fleiß des H errn K autsky gesam m elten A kten herausgiebt. N o c h las ich die E rnen n un g des H e rrn D riesen nicht im Reichsanzeiger; w eiß aber, d aß er schon als H a u p t der P ropaganda „fü r A u ß e n un d In n en “ arbeitet, u n d könnte seinen from m en K inderglauben für den Born halten, dem die M är ü b er den sechsten J u li 14 enttröpfelt ist. D och er o der ein A nderer: in dem A usw ärtigen M inisterium , für das ein m arxistischer Sozialdem okrat (ein, seit er am ersten A u g u st 1914d urch den M u n d eines belgischen D olm etschers in Paris feierlich u n d gu tgläu b ig die A b leh nu n g der deutschen Kriegs*
kredite zusagte, den W estvö lk ern als Lügner u n d V erräther geltender) die V erantw ortung trägt, scheint nicht n u r Nie*
m and zu finden, der eine N o te, eine den letzten, schwäche*
ren N o te n der Clemenceau*M andel*Pichon an gedrungener Schlagkraft auch h u r zu vergleichende, schreiben kann, er*
k enn t nicht n u r Keiner den verhängnißvollen Blödsinn einer O stp olitik, die R ußland geradezu in die w eit geöffneten Arm e Englands u n d A m erikas treibt, sondern ragen ringsum noch
D ie U nverschäm ten 289 die wurm ig m orschen Stützen des alten Systems. W e n n H e rr Schüler, Personalienreferent u n d , sagt m an, A lles in Allem , von diesem Z u stan d N u tzen erhofft, soll er w enigstens die arbeitsam en R outiers, Staats* u n d U nterstaatssekretäre, Bot««
schafter u n d G esandte, zurückrufen, deren M u ß e das arme Reich nicht ewig m it R uhesold würzen kann. M it dem H errn von Rom berg, einst, leider, G esandten in Bern, in dem alle üblen Eigenschaften deutscher D iplom atie sich verkörpern u n d dessen E inführu n g (als eines „Sachverständigen“) in den U ntersuchung»A usschuß zu dessen E ntw erthung vor allem A uslan d genügen w ürde, u n d m it dem Trefflichen, der zu dem Bilde des ältesten K ronprinzensohnes, als des „ange*
stam m ten Königs von P re u ß en “ , aufblickt, w ird das G eschäft n icht zu führen sein. W ä h re n d der Propagandachef von m orgen um die V erhim m elung W ilhelm s u n d anderer An*
gestam m ten bem üht war, spottete der aus Bissings Schand*
w irthschaft aufgeschossene Pressechef von heute öffentlich, auch im Sommer 18, D erer, die von einem den Belgiern ge*
thanen U nrech t zu reden, gar ihm Sühnung zu heischen w agten, u n d forderte Belgiens K ongo als „E ntschädigung“
D eutschlands. U m die selbe Z eit bat ein deutschfreundlicher Schweizer, der m einen E influß überschätzte, mich, „doch, endlich, die A bb eru fu n g des R om berg durchzusetzen, dessen Rieselbeeten das schlimmste Gew ächs entkeim t ist und bei dessen N am en schon in den stillsten O stkantonen ruhige Leute w ild w erden.“ U n d mit dieser G a rn itu r will Deutsch**
land V ertrauen erw erben? M it ihr im Rücken sollen Red*
liehe zu frem den V ölkern sprechen, in die W ilhelm straße, in irgendeine wichtige Reichsw erkstätte sei neuer Geist einge*
zogen? Im vorigen W inter haben wirs geglaubt; durften wirs glauben. Jetzt tritt, jetzt trete jeder Reinliche im Stahlwamms tiefsten M ißtrauens in den D unstkreis deutscher Regirung.
D och jed er heim se den ihrem W iderw illen m ühsam aus*
gequetschten Erkenntnißstoff. A m dreißigsten Ju n i 14 be*
richtet der Botschafter Tschirschky, in W ie n herrsche auch in Ernsten der W u n sch , einmal gründlich m it Serbien ab*
zurechnen; u n d W ilhelm schreibt an den R and des Berich*
tes: „Jetzt oder n ie l“ N eb en Tschirschkys M eldung, er warne
vor unüberlegten Schritten, steht die flegelhafte Rüge des Kaisers: „ W er hat ihn dazu erm ächtigt? D as ist sehr dum m ! G e h t ihn gar nichts an, da es lediglich Oesterreichs Sache ist, was es hierauf zu th u n gedenkt. N achher h eiß t es dann, wenn es schief geht: D eutsch lan dh atn ichtg cw olltüT schirsch * ky soll den U n sinn gefälligst lassen! M it den Serben m uß aufgeräum t werden, un d zwar bald! W .“ Tschirschky m uß um fallen; sagt zum G rafen B erchtold „m it allem N achdruck im N am en seines kaiserlichen H errn, d aß man in Berlin eine A k tio n gegen Serbien erw arte u n d es in D eutschland nicht verstanden w erden w ürde, w enn Oesterreich* U ngarn die ge»
gebene G elegenheit vorübergehen ließe, ohne einen Schlag zu fü h ren “ . Am fünften Ju li wird in Potsdam den Oester*
reichern, die ihre A bsicht au f „V erkleinerung“ Serbiens gar nicht hehlen, unbedingte W affenhilfe, auch für Krieg gegen R uß lan d, zugesagt. A m Sechsten den für H eer u n d Flotte D eutschlands V erantw ortlichen die V orbereitung nahen Krie*
ges befohlen. A m D reizehnten w ird aus W iesners Bericht in W ien bekannt, daß H o f un d R egirung in Belgrad nicht im A llergeringsten zu dem A tten tat auf Franz Ferdinand mitge*
w irkt haben, nicht einmal irgendw elcher M itw issenschaft ver*
dächtigsind; „es bestehen vielm ehr A nhaltspunkte,D ies als aus*
geschlossen anzusehen“ . A n dem selben T ag w ird in berliner Reichsäm tern der wesentliche In h alt des w iener U ltim atum s gelesen (dessen K enntniß dann eben so hartnäckig geleugnet w ird wie später die Fälschung der in Belgien gestohlenen Staats*
u rk u n d en ). A lle Verm ittlervorschläge w erden abgewiesen oder durch H euchelkom oedie vereitelt. D e n n : nach offener A b ' lehnung jedes Vorschlages, schreibt, am A chtundzw anzigsten, Bethm ann an B erchtold, „w ürden w ir als die eigentlichen T reiber zum Krieg hingestellt w erden“ (die „w ir“ , wie heute unzw eideutig erwiesen ist, waren). D as aber „w ürde auch unsere Stellung im eigenen Lande unm öglich m achen, wo w ir als die zum Kriege G ezw ungenen dastehen m üssen“ . M üssen.
D eshalb spricht am vierten A u gu st der w ahrhaftige M u n d Seiner M ajestät des A llergroßm ächtigsten, A llerdurchlauch*
tigsten, A llergnädigsten Kaisers, K önigs u n d H errn : „In un*
beirrb arer R edlichkeit h a t meine Regirung auch unter heraus*
D ie U nverschäm ten 291
fordern d en U m ständen die E ntw ickelung aller sittlichen, geisti*
gen u n d w irthschaftlichen Kräfte als höheres Ziel verfolgt. In aufgedrungener N o th w eh r, m it reinem G ew issen und reiner H a n d ergreifen wir*dasJSchwert.“ jjDer Propagandachef, der das W ag n iß unternim m t, dieses Lügengespinnst, das unsauber*
ste, in das irgendw o jem als ein V olk verfitzt w orden ist, aus der W e lt zu schwatzen, zu kritzeln, in reinliches G efädel auf*
zuknäueln, verdient fü r seine K ühnheit schon den Kranz.
O H L
A ls es (im Stil des höchst königlich B ew ährten) „schief ging“ , hieß es in O esterreich, U ngarn, d erT ü rk ei, B u lg a rie n :
„D eutsch lan d h a t es gew ollt.“ Von Rechtes wegen. W arum es so zum Entsetzen schief gehen m ußte, lernt man klar erst nach tiefem Blick in die Schwarze Küche erkennen, in der die O berste H eeresleitung „P o litik “ (was ihr Politik schien) machte. D a sie selbst ihrW o llen deutlicher, als ein A nderer ver«
möchte, ausdrückt, gebe ich heute zunächst hier zwei Proben.
I. „A n Seine M ajestät.
G roßes H au p tq u artier, den 27. 6. 17.
E uer M ajestät haben mir v o r einigen W ochen eine vom A usw ärtigen Am t überm ittelte A euß eru n g eines russischen Polen Von Kunow ski und einen A usschnitt der Freisinnigen Z eitung zugeleitet. Beide Schriftstücke befassen sich mit der P erso n des Reichskanzlers. Ich habe es fü r m eine Pflicht gehalten, sie auf ihren W erth zu prüfen, und bin zu Folgendem gekom m en :
Die A nsichten d e s H errn von Kunowski sind in dem E uer M ajestät vorgelegten Bericht anscheinend nicht richtig w ieder
gegeben. D em C hef des K riegspresseam ts g e g e n ü b er hat sich H e rr von Kunowski' am zw eiundzw anzigsten Juni folgender
m aßen g e ä u ß ert: ,,Den Russen und übrigens auch den Franzosen.
E ngländern, Italienern usw. kom m e es darauf an, einen m öglichst d au ern d en Frieden zu erzielen. H ieraus ergeben sich verschie
dene S chlußfolgerungen. Die Russen m öchten nicht gern Son
derfrieden schließen, weil sie fürchteten, es d ann m it E ngland, un d Frankreich zu v erderben u n d w ehrlos D eutschland ausge
liefert zu sein, w ovon m an eine U n terstü tzu n g d e r Reaktion be
fürchte. Diese B efü rch tu n g w erde vor Allem du rch die A uf
fassung gestützt, d aß. es in D eutschland nicht eine einheitliche
2 9 2
politische G ew alt gebe, so n d ern daß d er Reichskanzler einer
seits, die O berste H eeresleitung andererseits völlig verschiedene Ziele zu erreichen suchten. V om Reichskanzler verm uthe m an; daß er an sich d e n W ünschen R ußlands und d er E ntente weit m eh r entgegenkom m en w ürde, w enn e r nicht von d e r O bersten H eeres
leitung d aran g eh in d e rt w ürde, die ihrerseits positive Ergebnisse des Krieges verlange. In Folge D essen seien die A eußerungen des K anzlers nichtssagend und die Russen könnten nichts dam it anfangen. An sich bestehe gegen die deutsche R egirung, ins
beso n d ere gegen den Reichskanzler, keine besondere Abnei
gu n g . A ehnlich sei die A uffassung bei den än d ern Entente
m ächten. W enn auch hie und d a g esagt w orden sei, m an könne m it dem Kanzler, d e r d en K rieg begonnen habe, keinen Frieden schließen, so spiele D as keine w esentliche Rolle.'
D em nach g e h t die A nsicht u n sere r Feinde nicht, wie aus dem E uer M ajestät vorgelegten B ericht entnom m en w erden m uß, dahin, daß d er K anzler ih r gefährlichster Feind sei.
Die Freisinnige Z eitung, das Blatt Eugen Richters, ist das offizielle O rgan des d o k trin ären bürgerlichen Freisinns. Sie ver
tritt m it d e r B lindheit, wie sie dem b ü rg erlich en Freisinn eigen ist, den Parlam entarism us in rein ster Form . In diesem Ziel ist sie m it d en g roßen B lättern des jüdischen Freisinn^, dem Berliner T ageblatt und d e r F ran k fu rter Zeitung, d u rch au s eines Sinnes.
Das Blatt hat jedoch bei W eitem nicht d en gleichen Einfluß wie die letztgenannten Blätter. Die Freisinnige Z eitung äußert nun ihre B efriedigung d arü b e r, daß d e r K anzler fester als je kn1 Sattel sitzt. Daß D ies kein geschlossener A usdruck des Frei
sinns ist, g e h t a u s einem Artikel des B erliner T ageblatts hervor, in dem ein P ersonenw echsel im Reichskanzleram t als ein noth- w endiger B eitrag D eutschlands z u r L ösung der W eltkrise be
zeichnet wird.
Im U ebrigen v ertritt die freisinnige Presse diesen S tandpunkt m eines E rachtens a b er auch n u r deshalb, weil sie glaubt, u n ter dem jetzigen K anzler ihrem Ziel, dem Parlam entarism us, näher zu kom m en. Einem starken Staatswesen, wie wir es brauchen, h at die Freisinnige Z eitung niemals zugestim m t u n d w ird sie nie zustim m en. W enn sie den K anzler fü r d en V ertreter eines starken Staatsgedankens hielte, w ürde sie ihn sicher nicht stützen, ln w elchem Maße d e r Freisinn am rein en Parlam entarism us festhält, g e h t aus dem anliegenden Artikel d e r F rankfurter Z eitung her
vor. E r fo rd ert, daß d er T räg er d e r K rone völlig in den H inter
g ru n d treten soll v o r d en au s d em Parlam ent zu entnehm enden
D ie U n verschäm ten 293 Leitern d e r Politik, die die K ontrole über die gesam m te Be
am tenschaft haben sollen.
In einer gelegentlichen S tellungnahm e eines freisinnigen Blattes fü r d en K anzler kann ich1 d a h e r n u r ein w enig gu tes Zeichen erblicken.
Itih weiß nicht, o b E u e r M ajestät au f G ru n d d er m ir ü b er
san d ten A eußerungen d es H errn von Kunowski und der Frei
sinnigen Z eitung angenom m en hatten, daß d e r Kanzler im d eu t
schen Volk als d e r T räg er einer starken und d am it unseren Feinden gefährlichen äußeren Politik gilt und daß seine G esam m tpolitik von d e r Masse d es V olkes getheilt un d gestützt wird. W äre es d e r Fall, so m üßte d e r Reichskanzler in der Presse und im Reic'hstag eine M ehrheit haben. Die ist aber nicht vorhanden.
Bis vor K urzem w ar d as Bild folgendes;:
F ü r d en R eichskanzler traten die gem äßigten Sozialdem o
kraten und d e r Freisinn m it ih re r Presse ein, N ationalliberale u n d C en tru m verhielten sich verhältnism äßig passiv, die rechts
steh en d en Parteien und Blätter, die g roßen parteilosen Z eitun- glen (Lokalanzeiger, Vossische Zeitung, Tägliche R undschau, D eutsche Zeitung) und d er bei W eitem größte Theil d e r Provinz
b lätter stellten sich m eh r o d e r w eniger schroff in G egensatz zum Kanzler.
Eine gewisse W a n d lu n g ist in letzter Zeit dad u rch ein
getreten, daß, wie schon erw ähnt, einzelne gro ß e sozialdem o
kratische und freisinnige B lätter (V orw ärts u n d Berliner Tage
blatt) anfangen, nach einem Kanzlerwechsel zu streben. W enn d e r V orw ärts derartige W ünsche kund giebt, so sind es gleich
zeitig die W ünsche d e r sozialdem okratischen Parteileitung.
Die G rü n d e dieser Lage und des W echsels sind klar. Sozi
aldem okratie und Freisinn haben ihn bislang gestützt, weil sie sahen, daß er ihrem D än g ern nachgab. Sie erhofften von ihm eine g rö ß ere A n n ä h e ru n g an ihre politischen Ziele, den P ar
lam entarism us, d e r auch fü r die Sozialdem okratie die erste Etape bildet. Es ist bezeichnend, daß un m ittelb ar nach E u rer M ajestät O sterbotschaft bei beiden Parteien die F o rd e ru n g des gleichen W ahlrechts erh o b en , die T heilnahm e von P arlam en
tariern an d e r R egirung un d die sofortige N eu o rien tiru n g ver
langt w urde. Diese F o rd eru n g en traten im m er stärker hervor.
A nscheinend sind a b e r seit K urzem Zweifel d a rü b e r aufge
taucht, ob der Kanzler so w eit g ehen w ird und darf. D aher, die W ünsche des B erliner T ageblatts und d es V orw ärts nach einem Kanzlerwechsel. Sie w erden sich ihm e rst d a n n w ieder zir-
294 Die Zukunft
w enden, w enn erneute Zugeständnisse gem acht w ürden, u n d dann nach einiger Zeit das Spiel w iederholen.
G anz ähnlicher A rt sind die G rü n d e, die zu d er Pas.- sivität des C entrum s und der N ationalliberalen g efü h rt haben.
A uch diese Parteien streben ein e r w esentlichen E rw eiterung d er P arlam entsm acht zu. A uch ist dem C entrum die Auf
hebung des Jesuitengesetzes und d es S prachenparagraphen zu gestanden. Sie treten ab e r d och nicht rückhaltlos neben den Kanzler, weil sie im U ebrigen m it d e r H a n d h a b u n g d er Politik durch den K anzler nicht einverstanden jsind. Sie erblicken in dem Fehlen jed er straffen F ü h ru n g und einer starken H and im Inneren und in der Scheu d e r R egirung vor scharfen und d u rch greifenden M aßnahm en eine schw ere G efah r und glauben nicht, daß d e r K anzler nach seinem politischen V orleben im Stande sein wird, die deutschen F o rd eru n g en nach außen rückhaltlos zu vertreten. Bei d en rechtsstehenden Parteien und dem größten Theil d e r parteilosen Blätter, die entw eder F ord eru n g en in R ichtung au f den Parlam entarism us nicht stellen o d e r als partei
lose B lätter nicht d as gleiche Interesse an ihnen haben, ü b er
wiegt naturgem äß die Kritik an d e r Politik des Kanzlers, da sie Sonderw ünsche, die ihnen d er Kanzler erfüllen könnte, nicht haben. Sie stehen d a h e r im offenen Kampf. Sie fürchten vom K anzler eine weitere V errin g eru n g d e r Staatsgewalt, ein Ab
bröckeln von d e r M acht d e r K rone und ein schrittw eise w eiteres N achgeben nach innen und nach außen.
Eine M ehrheit fü r d ie Politik des Kanzlers besteht dem nach nicht. D iejenigen P arteien und Kreise, w elche ihn augenblick
lich stützen, th u n D ies n u f b ed in g t und aus egoistischen, dem Staats'wohl entgegengesetzten Interessen. D em scheint zu w ider
sprechen, daß d e r K anzler bei seiner letzten großen R ede eine A rt V ertrauensvotum fast d e s ganzen Reichstages erhielt. Diese V ertrau en sk u n d g eb u n g bezog sich aber, wie ich aus vielen A n
zeichen schließe, nicht a u f den K anzler und seine Politik, sondern sie erfolgte lediglich a u f die vom K anzler b etonte U eberein- stim m ung d e r R eidhsleitung m it den B undesgenossen un d d e r O bersten H eeresleitung. Ich bin überzeugt, daß die F ü h re r der rech tssteh en d en u n d d e r M ittelparteien d es1 Reichstages! w enn sie von E u er M ajestät befra g t werden!, diese meine M einung be
stätigen würden'.
In diesem Z u sam m en h an g d a rf ich ab er auch allgem ein auf die h ohe B ed eu tu n g hinweisen' die m eines Erachtens eine F ü h lungnahm e E uer M ajestät m it d en politischen F ü h rern des Volkes hätte.
D ie U nverschäm ten 295 V oran stelle ich die B edeutung1, die ein solcher Schritt für d as V ertrauen des Volkes zu E u er M ajestät und fü r die innere Stärke und den Z usam m enhang' des Volkes hätte. Leider haben die H offnungen, die an E u er M ajestät O sterbotschaft g eknüpft w urden, nämlich, d,aß der P arteih ad er au fh ö ren w ürde, sich nicht erfüllt. Die Z errissenheit ist g rößer als vordem . A uf d er einen Seite ist die B egehrlichkeit d e r politischen F ü h rer gestiegen;
sie hoffen, m it dem kleinen F in g er.d ie ganze H and zu erraffen;
au f der an d eren Seite sind die B efürchtungen, daß es auf dieser B ahn V eiter, als es fü r d en Staat g u t ist, gehen wird, gestiegen.
Daß diese Folgen eingetreten sind, ist m eines E rachtens lediglich' dem U m stand zuzuschreiben, daß es dem Kanzler nicht eigen ist, klar um rissene Entschließungen zu fassen, sie in fester Form zu vertreten und an diesen Entschließungen unverrückt festzu halten.
Eine enge F ühlu n g n ah m e E uer M ajestät m it den politischen F ü h rern w ird Diese lehren, daß zwar E uer M ajestät gewillt sind, dem Volk ein größeres Maß von M itarbeit an den G eschicken des Landes zuzugestehen, daß aber die G renzen feststehen.
D ann w erden die linken Parteien sich bescheiden, die rechten ab er w erden sehen, daß d er beschrittene W eg nicht in den Ab
g ru n d fü h rt. Beide w erden von der Kritik ab lassen un d statt D essen positiv m itarbeiten.
E uer M ajestät w erden ab e r aus einer .solchen F ü h lu n g n ah m e m eines E rachtens auch die U eb erzeu g u n g gew innen, daß die rechten Parteien noch im m er die V ertreter desjenigen Theils*
des Volkes sind, der auch jetzt noch am E hesten und o hne For
d e ru n g en bereit ist, selbstlos fü r E uer M ajestät bis zum Letzten einzustehen, m ögen auch seine F ü h rer im Festhalten am Be
steh en d en und Betonen ihres S tandpunktes m anchm al zu weit gegangen sein.
E uer M ajestät w erden außerdem ein sicheres Bild ü b er m anche an d ere V orgänge auf dem politischen G ebiet erhalten.
Die Stockholm er K onferenz ist leider in den A ugen der W elt und des deutschen Volkes nicht D as geblieben, was sie sein sollte: ein privater S chritt d e r Sozialdem okratischen Partei. Sie ist zu einem hochpolitischen A kt gew orden. Die A ußenw elt glaubt, d a h in te r E uer M ajestät A bsichten zu sehen, und im Inneren fühlen sich die an d eren Parteien, nicht o h n e Recht, hin ter die scheinbar von d e r R egirung als S p rach ro h r b enutzten Sozi
aldem okraten zurückgesetzt. D u rch die K onferenz sind die internationalen sozialdem okratischen T endenzen zweifellos ver-
296 Die Zukunft
* stärk t; und au ch im In n ern hat d a d u rc h das A nsehen des m on
archischen Staates schw er gelitten. D as Alles w erden, glaube ich, die politischen F ü h re r E u er M ajestät bestätigen.
G estatten E u er M ajestät m ir noch ein W o rt über die Sozial
dem okratie. Die sozialdem okratischen T endenzen sind in W a h r
heit bei W eitem' n icht so verbreitet, wie es nach dem Auf
treten ih r e r F ü h re r und d e r Rücksicht, die sie genießen, ange
nom m en w erden kann. Z u Beginn des Krieges sagte sich d e r sozialdem okratische Theil der arbeiten d en B evölkerung über
h a u p t von seinen F ü h rern los, so daß Diese einlenken m ußten.
- Leider ü b ernahm es die R egirung nicht, ihrerseits nu n die F ü h ru n g zu übernehm en. Die führerlose Masse ist dann all
m ählich w ieder in die H and d e r sozialdem okratischen H äu p ter gekom m en, ab e r es sind heute m eh r d en n je ,M itläufer'. G efähr
liche A nzeichen d es W achsthum s sind ab er schon v o rhanden.
Die Sozialdem okratische A rbeitgem einschaft hetzt die niedrigsten Instinkte au f und die sozialdem okratische M ehrheit ist gezw un
gen, um nicht an Einfluß zu verlieren, ebenfalls alle F o rd eru n g en ihres A nhanges, m ögen sie auch noch so albern und u n g erech t sein, zu vertreten. W enn som it eine sozialdem okratische G e
fah r zu r Zeit noch nicht besteht, so ist es doch hohe Zeit, daß die R egirung die Zügel straffer nim m t. Die schw erste Sorge ist ab er augenblicklich das Sinken der S tim m ung im Volke. Sie m uß g eh o b en w erd en ; so n st verlieren wir den Krieg. Auch unsere B undesgenossen bedürfen einer starken R ückenstärkung,
“ sonst ist die G efah r vorhanden, daß sie abfallen. D azu gilt es im Inneren die schw ierigsten .w irtsc h a ftlic h e n und fü r die Z ukunft bedeutsam sten Fragen zu lösen, wie E rnährungpolitik, V or
b ereitu n g d e r U m stellung in die F rie d e n s w irts c h a ft usw. Es entsteht die Frage, ob d e r K anzler z u r L ö su n g dieser Fragen (und sie m üssen richtig gelöst w erden, sonst sind wir verloren) im
Stande ist. von H in d en b u rg ."
II. „An d en H errn Reichskanzler.
C hef d es G eneral- G ro ß es H au p tq u artier, d e n 7. 7.1917.
stabes des Feldheeres.
Auf E uer Excellenz Schreiben v. 25./6. beehre ich mich zu e rw id e rn :
Ich stim m e E u er Excellenz d arin zu, daß die S tim m ung in d e r H e i m a t zweifellos h e rabgedrückt ist. D en G ru n d hierfür sehe ich jedoch nicht, wie E u er Excellenz, in erster iLnite in ge
täuschten H offnungen auf ein frü h es Kriegsende, so n d ern in be
D ie U n verschäm ten 29 7 d eu ten d höherem Maße in w irtsc h a ftlic h e n Schwierigkeiten u n d innerpolitischen U nstim m igkeiten. Das g eh t m eines E rachtens u n te r A nderem a u s d en m ir regelm äßig im A uszug zugehenden Berichten d e r Stellvertretenden G eneralkom m andos u n d auch1 aue dem G esam m thild d e r Presse zweifelsfrei hervor.
D as Volk fist m[it R echt em pört d a rü b er, daß V ersprechungen auf dem G ebiet d e r E rn ä h ru n g nicht gehalten w erden konnten.
Es »st bereit, jed er M öglichkeit offen in d a s G esicht zu blicken, w enn sie ihm ungeschm inkt dargestellt und es selbst davon überzeugt wird, daß die R egirung ihr M öglichstes thut, um ver
m eidbare S chäden abzuw enden; auch m uß es sehen können, daß überall g e re c h t verfahren, wird. D as N ichtinnehalten d er Ver
sprechungen h at ab er d a s V ertrauen des Volkes in die be
rufenen F ü h rer, die Beam tenschaft, schw er u n terg rab en ; auch sieht die B evölkerung, daß dem W ucher, dem Ketten- und Schleichhandel nicht m it E rfolg entgegengetreten w ird. Es ist ferner kaum zu bestreiten, d aß auf dem G ebiet des E rsatzfutter
m ittelwesens und d e r T ro ck n u n g d e r N ahrungm ittel schneller und ergiebiger hätte gearbeitet w erden m üssen.
E uer Excellenz erw ähnen im Einzelnen die K ohlenversor
g u ng. Ich habe bereits E nde d e s Jahres 1916 w äh ren d m einer A nw esenheit in Berlin m ündlich die in B etracht kom m enden Stellen d e r R egirung auf die N o tw e n d ig k e it d u rch g reifen d er M aßnahm en in d e r K o hlenversorgung hingew iesen; ich habe am 2 0 .2 .1 9 1 7 schriftlich m eine A nsicht w iederholt, daß ein K ohlen
kom m issar n u n m e h r beschleunigt eingesetzt w erden m üsse, und dabei betont, daß n u r eine ganze Persönlichkeit mit w eitest
g eh en d er V ollm acht die A ufgabe bew ältigen könne. Die Er
eignisse haben gezeigt, daß jedenfalls die Persönlichkeit des bisherigen K ohlenkom m issars nicht au sreichte; ob seine Voll
m achten g en ü g e n d e waren, ist m ir se h r zweifelhaft. Jetzt kann ich n u r hoffen, daß d e r neue K ohlenkom m issar der geeignete M ann ist und daß seine T üchtigkeit nicht du rch R essortschw ierig
keiten b eeinträchtigt w ird. W enn n u n m e h r das alleinige Heil in d e r sofortigen Freigabe von fünfzigtausend Facharbeitern aus dem F eldheer gefu n d en wird, SO' m uß ich mit allem' N ach d ru ck darauf hinweisen, daß eine solche A bgabe in Zeiten entschei
d en d er Kaimpfthätigkeit, in denen das H eer die A ufgabe des u n bedingten S tandhaltens erfüllen m uß, von H eute au f M orgen g ar nicht imgolich ist. D as F eldheer hat vom N ovem ber 1916 ab bereits hundertsechzigtausend Facharbeiter, einen se h r w erthvollen B e s ta n d te il seiner Kraft, z u r V erfü g u n g gestellt; trotzdem hoffe
29 8
* ich, die K ohlenarbeiter so rechtzeitig zurückschicken zu können, daß durch ihre A rbeit ernste Schw ierigkeiten im W inter ver
m ieden w erden. Sollte Das aber w ider Erw arten nicht m öglich sein, so betone ich schon jetzt (um das H ochkom m en an d erer U rtheile so weit wie m öglich zu verhindern), daß ich die Schul an solchen Z ustd än d en lediglich in den V ersäum nissen un d Fehlgriffen frü h e re r Zeit und d e r anfänglichen Scheu vor d u rc h greifenden M aßnahm en erblicken kann. Ein A bladen d er Schuld auf m eine S chultern, wie es seiner Zeit m t vöilligem U n rech t in d e r polnischen F rage und in d e r Frage der belgischen A rbeiter geschah, lehne ich im V oraus ab.
D en zweiten G ru n d der inneren U nzufriedenheit erblicke ich, wie eingangs erw ähnt, in den innerpolitischen U nstim m ig
keiten. In im m er verstärktem Maße wird aus d e r bei Beginn des Krieges v o rh an d en en G eschlossenheit eine Z errissenheit, wie sie selbst in den schlim m sten Zeiten vor dem K rieg nicht be
stand. D er G ru n d ist m ir klar. D er Einfluß unverantw ortlicher O rg an e auf die V olksstim m ung ist stärk er als d e r d er Regirung) und der zur Führung* des Volkes berufenen Beam tenschaft. D ieser Z ustand wäre nicht eingetreten, w enn im Volke die U eber- zeu g u n g herrschen w ürde, daß die R egirung m it festem W illen, o h n e n a d i rechts und links und nach außen zu sehen, ihren W eg geh t. So ab e r wirkt auf die V olksstim m ung, insonderheit in d e r K riegszielfrage u n d a u f dem; G e b ie t d e r N euorientiurng, nicht die Rücksicht auf das allgem eine Staatswohl, so n d ern unge
hem m t diejenige au f Privat-, Partei- und Sonderinteressen. D as hat n o th g ed ru n g en zu den inneren G egensätzen u n d Zw istig
keiten geführt.
Ich 'bin d ah er d e r A nsicht, daß innere Schwierigkeiten viel m eh r als die getäuschten H offnungen auf ein nahes Kriegsende die Schuld am Sinken d er S tim m ung tragen.
W as E uer Excellenz A usfü h ru n g en ü b er diese getäuschten H offnungen im Z usam m enhang m it dem U nterseebootkrieg und m it d er allgem einen Lage anbetrifft, so kann ich auch sie nicht unw idersprochen lassen.
D as F eldheer hat sich o h n e W eiteres mit d e r M öglichkeit eines w eiteren K riegsw inters abgefunden. Es ist jedem einzelnen Soldaten am ' Feinde selbstverständlich, daß alle G efahren, E nt
b eh ru n g e n u n d N ö th e ertragen w erden m üssen, bis1 wir zu einem "brauchbaren Frieden g elan g t sind. Ich denke, es m üßte nicht schw er sein, in d er H eim ath die gleichen E m pfindungen lind A ussichten zu wecken und zu erhalten, w enn dem Volk
D ie U nverschäm ten 299 von den berufenen O rganen im m er w ieder klar gem acht wird, um was es geht. E u er Excellenz b etonen se h r richtig, daß wir einem •H elotendasein entgegengehen, w enn wir nachgeben, so lange bei u n seren Feinden noch keine F riedensneigung d u rc h bricht. A ndererseits halten E uer Excellenz es aber fü r ausr geschlossen, daß unsere Feinde zum Frieden gezw ungen w erden könnten, und E uer Excellenz erblicken die L ösung d ah er in einem V erständigungfrieden, der bis zum H erbst erfolgen muß, w enn O esterreich-U ngarn bei d er Stange gehalten w erden soll.
Z u diesem Zweck soll d e r U nterseebootkrieg zwar energisch' fo rtg efü h rt, im U ebrigen aber Alles verm ieden w erden, was den E ntschluß Englands zu r A n k n ü p fu n g von F riedensverhandlungen erschw eren könnte.
Ich glaube nicht, daß England zu einem V erständigung
frieden bereit ist, so lange es noch hoffen kann, daß D eutschland vo r England zusam m enbricht. Am Allerwenigsten wird es zu einem solchen Frieden bereit sein, w enn O esterreich-U ngarn im Begriff ist, abzufallen. D er Gew inn, den England aus einer Fort
setzu n g des Krieges bis zu D eutschlands Z usam m enbruch gegen
ü b er einem V erständigungfrieden ziehen kann, ist so unger- heuer, daß es die längere K riegsdauer in g ew ohnter Energie und Entschlossenheit auf sich nehm en wird. D aran habe ich keinen Zweifel und Das bew eist jedes Blatt d er englischen Geschichte.
W ohl aber wird England so fo rt zu einem ,V erständigungfrieden' bereit sein, w enn es einsieht, daß d e r eigene Z usam m enbruch frü h e r als d e r deutsche erfolgt. W ir können sicher sein, daß je d e r englische Friedensversuch der- Beweis seiner nahenden Agonie ist. Es w ürde m eines Erachtens ein Unheil fü r unsere staatliche und w irtsc h a ftlic h e Z ukunft bedeuten, w enn wir einen solchen englischen ,V erständigungfrieden' annähm en, o hne daß w ir durch einen Abfall O esterreich-U ngarns und eine gleich
zeitige eigene Agonie zum sofortigen Frieden gezw ungen w ären.
Ein solches ungünstiges Zusam m entreffen halte ich aber für äu ß erst unw ahrscheinlich. Ich theile nicht Euer Excellenz A n
sicht, daß die V orstellungen des U nterseebootkrieges als über
trieben erk an n t sind, daß alle auf statistische B erechnungen1 gegründeten V oraussetzungen sich als völlig unzuverlässig e r
wiesen haben und daß die N othw endigkeit für England, Frieden zu schließen, in ganz weite Fernen gerückt ist. Ich bleibe viel
m ehr auf dem in meinem Schreiben vom 19. 6. 17 klargelegten S tandpunkt stehen.
W ann der Augenblick gekom m en sein wird, an welcl’cni 93
d a s Gewebe der gesammtien K rie g s w irts c h a ft unserer Feinde zerreißt, kann m an nicht mit B estim m theit V oraussagen; d aß e r aber in ab seh b arer Zeit kommt, ist m ir sicher.
Bis d ah in m üssen wir mit allen M itteln versuchen, O ester
reich bei der Stange zu halten. D as beste M ittel ist und bleibt die eigene E ntschlossenheit. G eben w ir früher nach, so gehen w ir auch dann einem H elotendasein entgegen, wenn wir einen ,V erständigungfrieden' schließen, zu dem, wie ich w ieder
hole, England meines E rachtens n u r unm ittelbar vor dem Z u- salm m enbruch bereit sein wird. D er W irth sch aftk am p f D eutsch
lands gegen den von E ngland um uns gelegten und imtnfer m eh r verstärkten Ring bleibt dann eben so aussichtlos wie im Fall einer völligen N iederlage.
W ir m üssen also den Krieg m it allen M itteln und m it äußerster Schärfe führen! E uer Excellenz bem ängeln die L uft
angriffe auf London. Ich schätze die E ngländer nicht so ein, daß bei ihnen durch N achgiebigkeit oder schonende Rücksicht irgendetw as errreicht w erden kann. D er m ilitärische W erth d e r Angriffe ist groß. Sie halten viel K riegsm aterial von d er französischen F ront fern und vernichten w ichtige feindliche S taatseinrichtungen verschiedener Art. D aß hierbei auch u n schuldige M enschen benachtheiligt w erden, ist bedauerlich, ab er nicht zu verm eiden. U'm Euer Excellenz hiervon abw eichen
der A nsicht besseres V erständniß entgegenbringen zu können, bitte ich um gefällige M ittheilung der U nterlagen für die A uffassung, daß d e r vorletzte Luftangriff a u f L ondon die Instinkte des englischen Volkes in v erh eeren d er W eise auf
g epeitscht hat, und um A ngabe, welche S taatsm än n er ?;nem F riedensschluß vor diesem A ngriff geneigt w aren, jetzt ab e r die von E uer Excellenz erw ähnten Erklärungen abgegeben haben.
v. H in d en b u rg ."
M it beklem m tem A them liest mans. Erinnert, zuerst, sich der hundertm al w iederholten B etheuerung, nie sei von den H eeresleitern Eingriff in die Politik erstrebt, auch n u r versucht worden. (Ich höre, w ahrlich, schon die A usrede:
„Ja, wenn die R egirung eben völlig versagte . . .1“ N ichts ist in dem D unstkreis unm öglich, wo man, zum Beispiel, über die U rk u n d e des m it Z angen herausgeholten Geständ»
ni<ses, daß am sechsten J u li 14 der Kaiser den Verantwort*
liehen die K riegsvorbereitung befohlen habe, zu T äuschung from m er Einfalt schreibt: „D ie Legende vom potsdam er K riegsrath“ ; nichts, wenn in neun Z ehnteln aller Preßpro»
D ie U n verschäm ten 301 vinzen die Pflicht, solchen T ru g anzuprangern, nicht erfüllt w ird.) D er Leser besinnt, zweitens, die Seltsamkeit eines Zustandes, in dem Einer das D enken und W ollen eines An*
deren für eigenes Innenerlebniß ausgiebt. W as der M arschall unterschreibt, ist das Program m des G enerals Ludendorff un d seiner Leute. D ie Beweisfülle könnte für M inuten T rübe entw ölken. „Ich habe im Februar 17 meine A nsicht wieder*
holt, daß ein K ohlenkom m issar beschleunigt eingesetzt wer«
den m üsse“ : H err von H in d en b u rg in dem Brief an den Reichskanzler. „Im Februar 17 drang ich auf die Einsetz*
ung eines K ohlenkom m issars“ : G eneral Ludendorff auf der achten Seite seines Buches. Eben so ists m it der Entlassung der Bergarbeiter aus dem F rontdienst; m it allem U ebrigen.
Ceterum censeo: D er N atio n alh eld lebt nicht auf unserer Erde, ist m it H a u t u n d H aar ein G eschöpf des ludendorff*
ischen H irnes; drum können nu r N arren oder Schwindler den A elteren preisen, den Jüngeren verdammen. Schnell m it dem W o rt Fertige werden die aus den Anklagebriefen sprechende D enkw eise ..alldeutsch“ nennen. So war ja die At*
m osphäre.w o die eingebürgerten Frem dw örter Telegram m und Depesche durch das unverständliche W o rt „Fernschreiben“
ersetzt w urde. D och unter den A lldeutschen sind gescheite, politisch gebildete Leute: und in den Briefen graut kein Däm m ern von V erständniß des N othw endigen und desMög*
liehen. Schon das Streben nach Parlam entarischer Regirung gilt hier als T odsü n de. Vom W esen des Parlam entarismus weiß der G eneral („d er eigentliche H in d e n b u rg “) nicht mehr als von dem des Bolschewism us, den er geschlechtlicher Prom iskuität verleum det u n d zu dessen W egbereitern er die H erren ’K ühlm ann un d H intze (im E rnst) zählt. Frankfurter Z eitung u n d Berliner T ageblatt, die in Verherrlichung der Kriegsthaten un d K ränzung des H eros doch, bei allen G öttern, nicht säumig waren, bleiben Ju d en b lätter un d vertreten „ego*
istische, dem Staatswohl entgegengesetzte Interessen“ . Edel, selbstlos u n d treu sind n u r die F ührer u n d Zeitung*
macher „der rehtsstehenden u n d der M ittelparteten“. Auf*
gewärmter Kohl ist auch das ü ber die Sozialdem okratie Ge*
sagte. Kohl ohne N ährgehalt; H err D r. H elphand*Parvus, der tief unterirdisch die A ugustschw enkung der Sozialisten*