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Die Zukunft, 15. November, Jahrg. XXVIII, Bd. 107, Nr 7.

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(1)

X X V III. Jahrg. Berlin, den 15. November 1919 N r .?

Herausgeber

Maximilian Harden

INHALT

Gerechtes Gericht

Seit«

191

Nachdruck verboten

E r s c h e i n t j e d t n S o n n a b e n d

Preis vierteljährlich 10,— Mk., das einzelne Heft 1,— Mk.

BERLIN

Verlag der Z ukunft

Großbeerenstraße 67 1919.

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HÜTH

Abt

48 hoehkQnstlerlsehe Frei­

lichtaufnahmen. Brom- sllberorlglnalfolos, seltene ______ Wahl weiblicher Schönheit

einschliefll. ges. g esch . S te re o -A p p a ra t, h e r­

v o rrag en d . O p tik u. P la stik , n u r 15,— Mk.

fran k o N ach n ah m e. Illu str. P ro s p e k t frei!

Fotohaos K. Holle, Abt. Z, Berlin S 14

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B e r l i n W 8 F r i e d r i c h s t r . 161.

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O rten, In - u. A u slan d . Erledig, v. Vertrauensangelegenheit. Jed. Art. Erm lttel. e'.c.

„ A u s k u n f t s - S c h ü t z 1 1

s. lang. J a h r e n d. l a Ref., In a n s p ru c h n a h m e von B e h ö rd e n a n e rk a n n t u n b e d in g t zu v erlässig , b e stin fo rm ie rte , d. eig. d ire k te V e rtre tu n g e n o rg an is. Spez.-Auskunftei 1. R zs., Berlin W, Tauentzlenstr. 3 (a. W itte n b e rg p la tz ). Teleph. Stein p l. 9468.

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Berlin, den 15. November 1919

Gerechtes Gericht

G e b u r t s t a g

\ T i r g e n d s eine Fahne, einW impelchen oderBIinklicht fest*

^ liehen Stolzes auf Errungenschaft, die das Volk sich selbst nur, keinem Ragenden, danken darf. Im ganzen Reich stockt, auf Kabinetsbefehl, der Personenzügeverkehr. Weil, heißts amtlich, nur diese Sperre die A bfuhr von Kohle und Kartoffeln ins M aß des N othw endigen fördern kann. Blech, flüstert H inz dem Kunz zu, faule Ausrede; nach dem ewi*

gen Regen dieses Sommers war unsere Kartoffelernte jämmer*

lieh, bis zu vierzig Centner vom M orgen unter dem Durch*

schnitt, seitdem sind noch sehr große M engen erfroren, und wird A blieferung beträchtlichen Umfanges verlangt, so muß der Landwirth vom Saatgut zehren und im nächsten Jahr die Anbaufläche kleinern; auch für die Kohle, die auf den H alden liegt, hätten unsere W agons lange gereicht. Elf No*

vembertage lang darf kein Mensch, dürfen nur Güter#, Vieh*

und M inisterzüge auf deutscher Eisenbahn fahren, weil der berliner Regirerklüngel fürchtete, irgendwoher könne auch ihm nun der Sturm nahen, der ein Jahr zuvor an der Wasser*

kante aufbrauste und die Kaiserlichen vom Prunksitz fegte.

W er durch die H auptstadt wandert, lernt solchem G erücht glauben. N eunter November. Der G eburtstag deutscher Repu*

blik ist zum ersten Mal wiedergekehrt. Sonntag: ohne Störung der W irthschaft, deren N oth mit jeder Stunde knausern muß, wäre würdige Feier möglich. Am Vorabend, lasen wir, hatte der

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1 9 2 D ie Zukunft

Reichspräsident sein „neues Heim " (wo einst, in einem der fein*

sten Paläste von Altberlin, der kluge Hausminister A ugust Eulenburg waltete) eingeweiht und vor der M assenfütterung

„in herzlichenW orten der bestimmten Hoffnung Ausdruck ge*

geben, daß die neue W ohnung stets eine Stätte der Kamerad*

schaftlichkeit(mit den G ebrüdern Sklarz) und vertrauensvoller Arbeitgemeinschaft mit der Regirung zum W ohl des deut*

sehen Volkes (und des H errn Helphand»Parvus) sein werde.“

M it dem M obiliar königlicher Schlösser, lasen wir, ist das Heim des höchsten Vertrauensmannes deutscher N ation ausgestattet;

und gaben der bestimmten H offnung stillen Ausdruck, daß im Keller der edle Burgunder,im Empfangsaal das holde Bad-»

hosenbild der D ioskuren nicht fehle. A uftakt? H eute dräut vor dem Präsidentenschloß düster ein Tank. Zwischen Leip«

zigerstraße und Linden ist in die Wilhelm« und Ebertstraße kaum Einlaß zu erlangen. Ueberall Wachmannschaft, Stahl«

helme, Armeerevolver, Stacheldrahtstapel. Eben so ists an und in der Bendler* und Regentenstraße, wo die Herren Gustav N oske, G eorg Sklarz und andere Gewaltige thronen. Ver*

Sammlung unter freiem Himmel ist verboten; unter Dach*

sparren nicht, wenn die löbliche Behörde sie zu erlauben geruht hat. D er Belagerungzustand wirkt mit all seinen Schrecken von der H öhe in Volkstiefen hinab; einst als die ärgste, niederträchtigste Schmach von der Sozialdemo*

kratie in den H öllenpfuhl verdammt, jetzt ihr und den Kon«

sorten Schutz, H ort, feste Burg, Heilszwinger. D er gestattet die munterste Brutalität. Zeitungen werden verboten, vernich«

tet (ein Beispiel: „D ie Republik“, deren Herausgeber, H err Herzog, obendrein in der Nationalversammlung vom Reichs«

wehrminister beschimpft und dessen W iderrede von dem ehrenwerthen Präsidenten verschwiegen w ird), Flugblätter in Beschlag genommen, H underte Lästiger in schon über«

füllte Gefängnisse und Schutzhaftpferche abgeführt, unter allerlei Nobelnam en Strikebrechergarden gedrillt ;u n d Jubel umheult den Generalissimus und Oberbefehlshaber in den Marken, wenn er sein Lieblingverb konjugirt, mit der Riesen*

tatze eine Tischplatte prügelt und in irgendeinen Saal brüllt:

„Ich habe fest zugepackt und werde noch fester zupacken.“

Ein Blick in die Zeitung. „Reiche Beute bei einer Razzia.

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G erech tes G ericht 193 H aussuchung in einer Centrale der Unabhängigen. Ein Kom#

munistennest ausgenommen. Achtzig Verhaftungen.“ Alltag#

liches. Nestroys „Revolution in Krähwinkel“ m uß wieder ins Licht; Lecocqs Clairette A ngot m uß wieder höhnen: „Barras est roi et Lange est la reine, cela ne valait pas la peine, assurement, de changer de gouvernement.“ W ars nothig, ein V iertelhundert alter, meist ehrwürdig witternder Herrscher*

häuser zu zertrümmern, die W urzelfasern der W irthschaft zu zerschneiden, aus einer sauberen eine schmierige Kaserne zu machen, da Knechtung, Lüge, Heuchelkram doch fortwähren soll? W inket, im Trüben schwelgende Schmarotzer, statt vor dem Spott und Brechreiz der W elt das Gaukelspiel mit Frei#

heit, Demokratie, W ahrung des durch Revolution Errungenen weiterzuspielen, winket schnell einen Wilhelm oder Ruprecht zurück: denn in „Ruhe und O rdnung“, an das von Euren W ünschen nun so innig ersehnte Ziel, wird seine H and sicherer führen, als Eure täppischen Büttel je vermöchten.

Die Monarchisten lächeln nicht mehr: unbändiges Gelächter schüttelt sie und ihre W onne kreischt auf. Keines Traumes verwegene Kühnheit hat so putzige M iß >virthschaft noch gar solchen Anhangszuwachs zu ahnen gewagt. Die „Deutsch#

Nationale Volkspartei“ hat mehr eingeschriebene Mitglieder, als die Konservative Partei je Stimmen zur W ahl schaaren konnte. „N ur, Kinder, jetzt keinen Finger rühren! W er die Kerls stört, ist ein Rindvieh; sie arbeiten ja für uns. H at man so raschen, so kläglich in Elendsgrau rülpsenden Katzen#

jammer schon einmal erlebt?“ A m Tag der N eugründung des Reiches ist Schulfeier verboten. W ehrt ihr ein Schambleib#

sei oder die Furcht vor widerspänstiger Regung der Lehrer, Schüler, Eltern? Keine Fahne, kein W impel noch Blinklicht festlichen Stolzes auf Errungenschaft. „Einige Massenzüge, denen rothe Fahnen vorangetragen wurden, sind, ehe sie in die innere Stadt gelangten, zerstreut und die Rädelsführer verhaftet worden. Ein geschlossener Zug von Reichswehr#

truppen hat am Denkmal Friedrichs des G roßen U nter den Linden einen mit schwarzweißrother Schleife geschmückten Kranz niedergelegt und ist dann in guter O rdnung zurück#

marschirt. Das Publikum sah ruhig zu, gab zum großen Theil aber auch seiner Befriedigung A usdruck.“ Am neunten No#

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194 D ie Zukunft

vember 1919. So zeigte die Jahresbilanz der deutschen Re*

volution sich dem Auge. *Ist ihr heiliges Feuer völlig ver*

glüht? Glimmt es j ung unter pechschwarz verrußter Schlacke ? W ard ein großer Aufwand, schmählich, verthan?

S ie b e n B rie fe

1. „Am achten N ovem ber 1918 erlebte ich als ju n g e r S tu d en t unsere Revolution in den Straßen Leipzigs, angew idert von all dem Häßlichen und G em einen, das gerade in Leipzig der U m sturz m it sich brachte. D ann las ich Eisners m ünchener P roklam ation: und d a w ard m ir so froh un d zuversichtlich zu M uth, daß all das A ndere vor m ir v ersan k ; denn ich fühlte, daß die Stunde zur B efreiung des G eistes und der großen Liebe geschlagen habe. Ich sah Eisner nie, hörte ihn auch nie sp rech en ; und doch h at die K unde von seinem Tod lange in m ir fortgezittert. Es w äre m ir eine tiefe Freude, w enn Sie die folgenden Verse, jugendlich überschw änglich, wie sie sind, in die /Z ukunft' aufnehm en könnten.

Dem G edächtniß K urt Eisners.

Am Tage, d a die alte Form zersprang, Aus der das w arm e Leben längst entflohn, D a d ra n g zu uns, wie heller G lockenton, Dein Lied, d er Völker heiliger G esang.

W ir hörtens, folgten jubelnd seinem K lang U nd harrten bei D ir aus, trotz S p o tt und H ohn, Denn überreich w ar u n sre r Seele Lohn,

Die sich ans Licht, zu froher Freiheit rang.

D u fehlst uns heut, gefällt von frevler H and.

O könntest D u au ch jetzt uns F ü h rer sein, U ns leiten auf den im m er dunklern B ahnen!

W ir danken D ir; und schließen stum m die Reihn.

U nd dann sei vorw ärts jeder Blick gew andt.

Dein Segen ab er r u h t auf unsern F ahnen."

2. „O bw ohl viele V erbände und Einzelfirm en d e r Industrie sich m ehrfach gegen einzelne Rechte, die den B etriebsräthen du rch d a s neue G esetz eingeräum t w erden sollen, au sg esp ro ch en haben, scheint die G efah r, die diese' B estim m ungen in sich bergen, noch nicht klar g e n u g gew orden zu sein. Jun g e M en­

schen ohne Lebens- und G esch äftserfah ru n g können nicht die

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G erechtes G ericht 195 wichtigsten E ntscheidungen g ro ß er Betriebe bestim m en, mag.

es sich nun um P ersonalfragen, Investirungen, K apitalsbeschafi fung o d e r A nderes handeln. A uch der Einblick in die Bilanz wäre ein unnützTiches und unkluges Z ug estän d n iß ; richtig ver­

standen und bew erthet w ird eine Bilanz n u r von dem au;f diesem G ebiet H eim ischen, der die Z usam m enhänge der W i r t ­ schaft genau kennt. G eschäftsgeheim nisse sind n icht m eh r geschützt und jeder K onkurrent, auch der ausländische, kann versuchen, die in die w ichtigsten D inge eingew eihten A nge­

stellten zu sich herü b er zu ziehen. Ist von jedem plötzlich in solche Stellung E rhobenen anzunehm en, daß e r all den au s diesem Z ustand sich ergebenden V ersuchungen w iderstehen w erde? Jede Firm a w ird g en ö th ig t sein, einen A ngestellten, der so tief eingew eiht ist und der ihr so schädlich w erden kann, selbst unter O pfern sich zu erhalten. U nsere Industrie kann n u r dann genesen, w enn sie nicht von allen Seiten g e ­ knebelt wird, u n d als eine neue K nebelung m üßte sie es em p­

finden, wenn die W irksam keit der B etriebsräthe nicht n u r au f die G ebiete besch rän k t w ürde, w o sie ersprießlich w erden k an n ."

3. „In den letzten M onaten ist ü b e r die G rü n d e, die den inneren V erlust des Elsaß bew irkt haben, viel, auch in die ,Z u­

kunft', geschrieben w orden. G estatten Sie au ch m ir, aus m einer E rfah ru n g heraus d arü b er zu sprechen. Ich w ar w ährend des Krieges über zwei Ja h re im Elsaß und habe dieses w u n ­ dervolle L and lieben und verstehen gelernt. M ir ist unzweifel­

haft, daß wir m it liebevollem Eingehen a u f die E igenart des Elsässers d as Land gew onnen hätten. Die Elsässer w aren, wie jedes zwischen zwei großen N ationen hin- und h erge­

worfene G renzvolk, in M ißtrauen, O pposition, S pott g e n e ig t Bezeichnend ist, daß die G rabsteine a u f den F riedhöfen viel­

fach e rst seit 1870 französische Inschriften tragen. A ber wie viel g u ter W ille in diesem begabten Volk, wie viel aufrichtiges Bestreben, in ein erträgliches V erhältniß zu uns zu kom m en, besonders in den breiten M assen, die du rch und durch d eutsch sind und iauf die w ir (uns stützen m ußten, s ta tt den fran - zösirten oder doch1 nach Frankreich hinneigenden N otablen nachzulaufen. D och trotz all den Fehlern auf unserer Seite>

der unklugen B eam tenausw ahl, d er U eb erh eb u n g su ch t m an ­ cher L ehrer und D ozenten (ein besonders trauriges Kapitel);, den A usnahm egesetzen und C hicanen, dem sinnlosen W echsel von Schmeichelei und B rutalität, trotz Alledem w aren wir dem Ziel, der inneren E ingliederung des Elsaß, nah. Z abern h a t Alles verdorben. U nd w as danach noch zu retten w ar, w urde

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196 D ie Zukunft

d u rc h unser V erhalten im K rieg zerstört. Vom ersten bis zum letzten K riegstag g a lt der Elsaß als Kriegszone, als G ebiet m ilitärischer O perationen. D er V erkehr von O rt zu O rt w ar gehem m t, H andel und W andel geschädigt. D azu kam die seelische Pein eines Volkes, das nah V erw andte im deutschen wie im französischen H eer hatte. S tatt diesen Z u stan d nach M öglichkeit zu erleichtern, m achte m an ihn durch V erfügungen, Verbote, durch B edrückung u n d A nstachelung des D e n u n ­ ziantenw esens un ertrag b ar. Ein auf der Straße gesprochenes französisches W o rt konnte dem Sprecher Strafe eintragen. S traß ­ b u rg g alt w äh ren d des ganzen Krieges als b edrohte Festung, obw ohl seit dem 1 O k to b er 1914 m it m ilitärischer B edrohung nicht m eh r zu rechnen w ar. Eine Folge dieses Z ustan d es war, daß die Offiziere des G ouvernem ent un d d er G arn iso n dau ern d den Sold der M obilen bezogen; eine zweite, daß die B ürger vier Ja h re lang in lästig engen S chranken leben m ußten. Kein Brief, kein P aket verließ uneröffnet die S ta d t; kein Spazir- gan g , keine S tra ß e n b ah n fah rt o hne P aßkontrole a n den F e stu n g ­ th o re n ; keine Reise aus der Stadt, kein Besuch von A nge­

hörigen ohne besondere E rlaubniß des G ouvernem ent (die in d en w eitaus m eisten Fällen, selbst bei großer D ringlichkeit, v ersagt w urde). A us dem W u st von überflüssigen V erfügungen v erdient eine, d e r V ergessenheit entrissen zu w erden, weil sie

^Bände sp rich t'. Im Som m er 1915 erschien plötzlich ein U kas, d e r befahl, daß bei M ilitär und Civil binnen drei T agen die französisch gestutzten Bärte (H enri Q u atre) zu verschw inden hätten. D as H ohngelächter, das dieser Erlaß bis in die Kreise d er D eutschen weckte, klingt m ir noch im O h r. So w urde im Elsaß regirt. D urften w ir erw arten, daß dieses L and unser Scheiden m it trauerndem Herzen sehen w erd e?“

4. B isher hatten w ir hier n u r G efangene gehabt, die aus am erikanischen Lagern kamen. Sie w aren voll des Lobes über die g u te B ehandlung. V iertausend M ann w'aren g u t und warm bekleidet,» hatten vortreffliche Stiefel, die m eisten auch R egen­

m äntel (die in D eutschland jetzt ein kleines V erm ögen kosten), kn den m eisten Lagern hatten die G efangenen jeden T ag Fleisch, alles A ndere reichlich, Rauchw aare ad libitum erhalten. H eute kam en G efangene aus englischen L agern. D er U nterschied ist beträchtlich. Diese Leute sehen m ager u n d m üde au s; tragert alte, zerschlissene d eutsche U niform en o d e r schm utziges Civil1- zeug. Die Stimrriung ist auch nicht So g u t wie die d er A m e ri­

kaner'. Ich m uß noch bem erken, daß die m eisten G efangenen m it der R egirung von heute n icht zufrieden sind und den W unsch nach W ied erh erstellu n g des K a is e rtu m e s andeuten.

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G erech tes G ericht 1S7 Ein anderes Them a. Alle Beam ten und Offiziere sollen, eine gleich auszuzahlende E n tschuldung- (E ntschuldigung-) Z u ­

lage von tausend M ark für V erheirathete und se ch sh u n d ert M ark fü r U n v e r h e ira te te erhalten. D as klingt schön und th u t bitter n o th ; doch sta u n t m an, w enn m an die B estim m ungen über die A uszahlung an Offiziere liest. D a ste h t: ,N u r die­

jenigen Offiziere erhalten die Zulage, die seit dem' zweiten M ärz dieses Jah res ununterbrochen D ienst geth an h a b e n / W ie konnte diese w idersinnige B estim m ung en tste h e n ? Also der Offizier, der u nunterbrochen seit dem zweiten M ärz D ienst g e­

th an und dem nach G e h a lt (im O sten sogar ein recht hohes) bezogen hat, e rh ält obendrein diese Z ulage; d a als Stichtag d er zweite Septem ber gilt, also m indestens h u n d e rt M ark (V er­

heirathete m eh r) m onatlich. Die Offiziere aber, die einen T ag lang keinen D ienst g eth an o d er in Folge zeitweiliger E n tlassu n g M onate lang keinen Pfennig erhalten haben, g ehen leer aus.

Ich zum Beispiel, war, o h n e m eine Schuld, ja, gegen m einen W illen, vom ersten Juli bis zum ersten Septem ber o hne d ien st­

liche B eschäftigung, habe also zwei M onate keinen P fennig G e ­ halt o d e r Pension e rh a lte n : und nun soll ich, wie viele andere alte Offiziere, leer ausgehen. Aehnliches w ar frü h e r undenkbar.

Säm m tliche F ü h rer der H eim kehr-A btheilungen m ußten sich gestern zur E n tlo h n u n g der Schreiber äußern. D ie wollen aus Klasse 4 in Klasse 3 kom m en. W ir Alle w aren dafür. Die Schreiber erhalten nun 40 bis 70 M ark m eh r im M onat. Ein mir unterstellten Schreiber, d e r verheirathet ist und einen Sohn hat, erh ält jetzt über 520 M ark, obw ohl er n u r ab sch reib t und Eingänge reg istrirt; er bezieht m eh r G e h a lt als ich, der ich sein C om pagnieführer und seit 96 m it n u r dreijäh rig er U n te r­

b rech u n g Soldat bin. A llerdings bin ich Junggeselle. Mein G eh alt b eträ g t 447 M ark n eb st 45 M ark B urschengeld. D er Schreiber erh ält fast das D oppelte seines Feldw ebels."

5. „V ereh rter H err H arden, unsere R egirung hat, wie ich in d er Z eitung las, in einer N ote an die Schweiz sich über die schlechte B ehan d lu n g D eutscher in am erikanischer K riegsge­

fangenschaft beklagt. Ich weiß nicht, auf welches M aterial die R egirung sich dabei stützt. G erade in den letzten W ochen aber sind in unsere G egend viele au s am erikanischer G efan g en ­ sch aft E ntlassene zurückgekehrt, d a ru n ter m anche,, die zuvor in französischer G efangenschaft w aren. Die E rzählungen dieser Leute bezeugen nun übereinstim m end, daß B ehandlung, V er­

pflegung, A usstattung, Hygiene bei den A m erikanern geradezu vorbildlich, g u t w ar. D a die aus fran zö sisch er G efangenschaft

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198 D ie Zukunft

U ebernom m enen oft in jäm m erlichem Z ustand w aren, fü h rten die A m erikaner ein K räftigungregim e ein. Die Leute w urden zu­

n ächst ungem ein g ründlich u n te rsu ch t und V erletzungen, H au t­

striem en, offene W unden, K nochenbrüche, die durch Schläge hervorgerufen w orden w aren, festgestellt und notirt. D ann w urde, diesen ausgehungerten Leuten fü r ac h t bis zehn T age eine U eb erg an g sd iät vorgeschrieben; sie bekam en Schleim ­ suppen, Zwieback, W eißbrot und andere leichtverdauliche Sachen. Alle G efangenen w urden zuerst g eb a d et u n d ab g e­

seift, dann bekam jeder ein P aket m it d o p p elter Kleidung, Kamm, Bürste, Z ah n b ü rste, Z ahncrem e. W ä h ren d der ganzen Zeit w urde auf strengste H ygiene gesehen. ,D a h a t m an e rst mal gelernt, w as Reinlichkeit ist', m einte Einer. Als sie e n t­

lassen »wurden, durfte Jed er a u s den L agerbeständen m itnehm en, w as er wollte. Einer hatte fünf P a a r Stiefel m itgebracht, die er zuerst g a r nicht zu nehm en w agte. Diese Freigiebigkeit m ag ihren G ru n d darin haben, daß die A m erikaner aus ihren ungeheuren B eständen den Franzosen nicht gern viel ü b er­

lassen und der R ü ck tran sp o rt nach A m erika viel Zeit und G eld kosten w ürde. U nsere Landsleute sag ten : ,A ußer der Be­

w egungfreiheit h at uns nichts g efehlt u n d w ir hatten es jeden­

falls besser als die in D eutsch lan d F e stg e h alten en / Die Regi­

ru n g m üßte mit ihrem ,M aterial' rasch herausrücken, dam it m an sieht, auf welche V ertrauensm änner sie sich beruft. Ich halte diese N ote fü r eine d er T horheiten, an denen die letzten elf M onate überreich sind. W ir m üssen doch gerade m it A m erika in gute B eziehungen kommen u n d dürften D enen, die D as verhindern wollen, picht in die Falle g eh en ."

6. „ S eh r g e e h rte r H e rr H arden, wie ich weiß u n d d u rch eins der letzten Hefte Ih re r ,Z u k u n ft' b estätig t finde, küm m ern oder beküm m ern auch Sie sich um ein gew isses D rum und D ran an bestim m ten P ersonen, die in D eutschland von d er revolutionären W oge (Ja h rg a n g 1918) a u f die ,H ö h e' g e­

schw em m t w urden, entweder;, weil sie zu leicht w aren und blieben, od er, weil sie Alles, w as m an so Ballast nennt, schleunigst ü b er Bord w arfen, oder, weil sie verstanden, sich von hervorragenden Schwim m -M eistern ins Schlepptau nehm en zu lassen, o d er a u s anderen G rü n d en . Als U nterlage fü r Ihre Studien erlaube ich m ir, Ihnen zwei D rucksachen d er N atio n al­

versam m lung zugehen zu lassen, näm lich die N achw eisung der^ bei den R eichsbehörden und bei den K riegsgesellschaften auf P rivatdienstvertrag A ngestellten m it einem Ja h re sg e h a lt von m ehr als 12 000 M ark.

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G erech tes G ericht 19 >

An unserer preußisch-deutschen G ründlichkeit h a t sich, wie diese A ktenstücke bew eisen, nichts g eändert. W ie w ürden wir so n st erfahren, daß D irektor H oesterey jährlich nicht n u r 22 060 M ark, sondern außerdem! noch 80 Pfennig verdient?

U n d daß O berreg iru n g rath D r. H aaselau, einst berliner Polizei- bureaukrat, jetzt Stellvertreter des R eichskom m issars fü r b ü r­

gerliche Kleidung, außer 15 579 M ark auch noch 96 Pfennige bezieht? N ebenbei bem erkt: bei der g re n z e n lo se n ,N ichteignung' dieses M annes fü r diesen Posten herausgew orfenes Geld.

Auch m anchen Leuten, die m eh r G eld verdienen sollen als die ,eigentlichen' B ureaukraten, g e h t in nicht w enigen Fällen der Ruf der U nfähigkeit voraus. Sogar u n d gerad e dem G eneral-D irektor D r. W einlig, dem 240 000 M ark zugedacht sind. D a h e r w ohl der N am e Reichs-Schatz-M inisterium . Kennen Sie den M ann? Ich höre nur, er sei bereits M illionär und habe sich1 hier eine W o h n u n g fü r 60 000 M ark gem iethet.

D aß der Pressechef d er Reichskanzlei 8000 M ark w eniger verdient als, exem pli causa, d e r C hef d e r C e n tra lb u c h fü h ru n g und Revision im Reichs-Schatz-M inisterium , ist eigenartig. D a ­ bei h a t H err U lrich R auscher, wie Sie aus dem beigedruckten Steckbrief ersehen, n icht n u r das R eferendar-, so n d ern auch das A biturienten-Exam en hinter sich, w oraufhin er denn b e­

reits am zwölften N ovem ber 1918 seinen V ertrag m it sechs W ochen K ündigung zum : Schluß eines K alendervierteljahres nebst der ,Stellung' eines M inisterialdirektors in der Sm oking­

tasche hatte. A uf der D rucksache, die u n s vorgelegt ist, w er­

den w ir A bgeordnete geradezu um E n tsch u ld ig u n g gebeten, weil dem P ressechef d er Reichskanzlei sage und schreibe 15 000' M ark zugebilligt sind. Bei den R epräsentationverpflichtungen und u n ter den heutigen P reisverhältnissen!

In Ih rer ,Z u kunft' las ich vor Kurzem den N am en Sklarz.

W ollen Sie, bitte, Seite 12 der ersten N ach Weisung aufschlagen.

D o rt finden Sie ihn wieder. Können Sie m ir aber vielleicht sagen, wie d ie ,m ehreren B ücher' heißen, die dieser M ann (der auch um 3000 M ark hö h er b ew erth et w ird als der Reichspressechef) verfaßt h at? Im neusten K ürschner finde ich nichts und selbst D egeners ,W er ists?' versagt. Von einem A ngestellten aber, der im Reichsinteresse die englische und die am erikanische Presse ,bearbeiten' soll, m öchte m an etw as m eh r w issen als diese papiernen K argheiten.

Auf den dreiundsiebenzig Seiten, die ich1 Ihnen zustelle, giebt es noch1 seh r viel, w as zur Bitte um A ntw ort und A us­

kunft reizt. Für heute m öge Dies als Introduktion genügen-

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2 0 0 D ie Z ukunft

N un liegt allerdings die G efah r nah, daß Sie mich nach dem Lesen dieser Zeilen an die auch m ir nicht unbekannte T hatsache erinnern, daß ich doch M itglied der N ationalver­

sam m lung bin und mein Fragerecht etwas direkter ausüben könnte als a u f dem W ege über R eichspost und G runew ald.

H aben Sie schon einmal die ,Kleinen A nfragen' stu d irt und die ,A ntw orten', die sich d a ra u f über kurz oder lang ein­

stellen? D aß au ch hierin ein U nterschied zw ischen d er A uf­

m ach u n g vor und nach dem 1 neunten N ovem ber 1918 nicht zu erkennen ist, d a rf als b ek an n t vorausgesetzt w erden. D as alte Sprichw ort lautete: Ein N a rr fra g t m ehr, als zehn W eise beantw orten können. D as neue lau tet: Ein N a rr fragt. Die w issenden W eisen reden drum herum , weil sie nicht antw orten w ollen. Mit ergebenem G ruß Ih r G e o rg D avidsohn."

Von dem Herrn W einlig weiß ich nichts. D er als „Schrift-»

steiler und Verfasser mehrerer Bücher“ mit achtzehntausend M ark besoldete H err Sklarz ist ein Bruder, nicht einmal der interessanteste, des Gewaltigen., den ich erwähnen mußte, in dessen Arbeitzimmer das mit freundschaftlicher W idm ung geschmückte Bild Ihres Parteiführers Scheidemann, sehr ge*

ehrter Herr Abgeordneter, hängt und dessen Küche und Keller, noch wenn der W irth abwesend ist, allerlei Reichsspitzen anzieht. D aß auch die Pressechefs, der (zu allgemeiner Hei«

terkeit „M inister“ betitelte) H err Naumann, ein schwach, u n d sein Nachfolger,* H err Rauscher, ein kräftig begabter Journalist, dieser sehr ernst zu nehmenden Dynastie eng be*

freundet sind, kann Ihnen, der Volk vertritt, nicht fremd sein.

W o Fritze, Justaf & Co. lieben, können Victor und U li allein nicht hassen. M it zornigem W ehm uth reden Sie von dem m it den „Kleinen Anfragen“ getriebenen Unfug. Gestatten Sie mir, nicht Juristen nur an Ulpians W o rt zu erinnern:

„N ulla est iniuria quae in volentem fiat“, und Sie zu v er­

sichern, daß es sogar in der „freisten Demokratie der W elt“

noch M ittel giebt, von wissenden W eisen auch auf hoch»

nothpeinliche Fragen A ntw ort zu erzwingen.

7. „S eh r v e reh rte r Lord P arm oor, ich erhalte von dem Fight the Fam ine C ouncil z u r K onferenz eine Einladung, fü r die ich d an k e; ich bedauere, daß mir nicht m öglich ist, d er K onferenz beiw ohnen zu können, d eren Zweck ich au ßerordentlich begrüße.

Zu P u n k t Vier der T agesordnung, eine durch den V ölkerbund

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G erechtes G ericht 201 au f ,internationaler G ru n d la g e g arantirte Anleihe, gestatte ich mir, m ich in Folgendem kurz schriftlich zu äußern.

D er W eltkrieg kann in finanzieller B eziehung nu r von d er gan zen W elt geheilt w erden, denn die in finanzieller u n d ökono­

m ischer B eziehung geschlagenen W u n d en sind in d e r ganzen W elt bem erkbar und w erden auch au f viele Jah re hinaus noch in d e r ganzen W elt fü h lb ar sein. Es ist unm öglich, fü r die nächste Zeit d aran zu denken, d en A ustausch von W aaren in d e r W elt lediglich m it den selben M ethoden wie vor dem Krieg zu e r­

ledigen. M an w ird jedenfalls fü r eine W eile neue H ilfem ethoden anw enden m üssen. H ierzu w ürde d e r V ölkerbund helfen können, w enn er wirklich ein V ölkerbund wäre. D er jetzt vorgeschlagene ist ab er so konstruirt, daß m an von ihm die E rled ig u n g nicht er­

w arten kann. Alle V ölker m üßten aufgenom m en oder, da die Zeit drängt, schon v o rh e r d u rc h eine internationale A nleihe S chulden, die gem acht sind, und Schulden, die noch gem acht w erden, reg u lirt w erden. Die Anleihe m üßte in allen L ändern frei von allen S teuern sein und in allen m aßgebenden W äh ru n g en zu bestim m ten Paritätsätzen ausgestellt w erden. Die Anleihe w äre dad u rch sicherzustellen, daß- ih r Z insendienst in den einzelnen L ändern an erster Stelle vor allen an d eren A usgaben ra n g irt; die Sicherheit wäre d an n die den k b ar größte, die Anleihe w ü rd e in 5 e r ganzen W elt als beliebtes A nlagem ittel g enom m en u n d dam it fast den C harakter eines Z ahlungm ittels erhalten. Ich könnte m ir vorstellen, daß m an einen Schlüssel fü r den U m ­ tausch d e r A nleihen findet, die w ährend des K rieges von einem L ande dem an d eren Land gegeben w orden sind. H ierzu w ürden auch die Schulden zu rechnen sein, die die kriegführenden Staa­

ten in den neutralen L ändern aufgenom m en haben, indem die neutralen L änder fü r ih re F o rd eru n g en solche A nleihen zu neh m en hätten. N ach D u rc h fü h ru n g einer solchen Transaktion w ürden keine ausw ärtigen K riegsanleihen m eh r existiren. Mit d e n im Inneren au f genom m enen Kriegsanleihen hätte sich jedes Land selbst abzufinden.

D er zweite Zweck d e r internationalen A nleihe wäre, nicht n u r diese alten ausw ärtigen K riegsanleihen und K riegsverpflich­

tungen zu erledigen, sondern auch fü r A nkäufe von Roh- und .N ährstoffen Mittel zur V erfü g u n g zu stellen. Die Länder, die verkaufen, m üßten in bestim m tem U m fang internationale An­

leihe in Z ah lu n g nehm en.

F ü r die E inigung ü b er eine internationale Anleihe wäre in Versailles d e r gegebene V erh a n d lu n g o rt gewesen. D as ist ver- .säum t, je tz t wird eine solche Anleihe erst m öglich sein, nachdem

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202 D ie Zukunft

folgende G esichtspunkte b eo bachtet w orden sind. Die aus­

w ärtigen V erpflichtungen d e r Länder, die K rieg g e fü h rt haben, m üssen in ein erfüllbares H öchstm aß b eg ren zt w erden. D< ; F riedensvertrag von Versailles kann als freiwillig geschlossener Friedensvertrag nicht bezeichnet w erden. M an h at den Frieden o h n e m ündliche V erhan d lu n g en einfach diktirt, so daß von keinem ru h ig denkenden M enschen Das, was gezeichnet w orden ist, als das R esultat sachverständiger U n terh än d ler angesehen w erden kann. D as deutsche Volk ist trotzdem fest entschlossen, den V ertrag so- weit zu erfüllen, wie es irgend verm ag; fo rd ert m an m ehr, so fü h rt m an ein U nglück herber, das nicht n u r D eutschland trifft, so n d ern auch au f alle an d eren L änder zurück­

wirkt. D as schon heute sichtbare finanzielle C haos auf dem W echselm arkt w ird w eiter um sich greifen und w irts c h a ftlic h dauernd die ganze W elt beu n ru h ig en . So lange Reden, wie d e r französische Finanzm inister, H e rr Klotz, sie gehalten hat, noch

m öglich sind, ist ernsthaften Finanzleuten die G ru n d lag e fü r jede Diskussion genom m en. Man w ird über eine internationale A nleihe erst sprechen können, w enn an erk an n t ist, daß die V er­

p flichtungen aller betroffenen V ölker a u f das Maß der Aus­

führbarkeit zurück zu fü h ren sind. Kein Land d a rf w irts c h a ftlic h und finanziell überlastet und d au ern d ru in irt den Pakt be­

ginnen. Die V ölker dürfen nicht u n te r dem D ruck eines Ver­

trages leben, d er ihnen a b g ep re ß t w u rd e und unerfüllbar ist; sie dürfen nicht unausgesetzt w egen d er U nm öglichkeit d e r L eistung in V erzug g erath en und d ad u rch neuen D rangsalirungen und Be­

u n ru h ig u n g en ausgesetzt sein; sie m üssen erst w ieder lebensfähig g em acht w erden. D ann erst sind A tm osphäre und G ru n d la g e gegeben, um international eine L ösung dieses außerordentlich verwickelten W eltfinanzproblem s zu finden.

U n d noch Eins. A uch fü r d a s . w irts c h a ftlic h e Leben gilt, was fü r die K rieg fü h ru n g richtig ist: schneller Entschluß. W erden an sich richtige E ntscheidungen zu sp ät getroffen, so sind sie w erthlos. Seit K riegsende w erden die U eberlegungen hinge­

zogen, als w enn die E ntscheidungen in Langsam keit getroffen, w erden könnten, o h n e d as w irts c h a ftlic h e Leben aller, nicht n u r der direkt beteiligten N ationen zu gefährden. Eile th u t no th ! All Dies ist lediglich meine persönliche A nsicht; ich habe kein offizielles Amt.

Mit vorzüglicher H ochachtung, seh r v erehrter Lord,, g an z d e r Ihre H am burg. M a x M. W a r b u r g ."

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G erech tes G ericht 203 Diesen Brief, dessen Abschrift mir der (wie unser Freund Ballin zu rühmen pflegte, „enorm kluge“) hamburgerFinanz*

feldherr schickte, veröffentliche ich um so lieber, als er einen G edanken, den ich vor bald vier Tahren aussprach, der tech*

nisch möglichen Form nähert. Im April 1916 sagte ich hier:

„W as wird aus Schulden undTilgpflicht? Steuern und Zölle, die auch n u rden Z insd er Kriegsschulden einbrächten, müßten Gewerbe und H andel im W ettbew erb mit Amerika, mit Australien und der Gelbenwelt lähmen, den Eigenthums*

begriff zerbeizen, die halbwegs Satten aus A ngst vor Ver*

mögenskonfiskation in neutrale Staaten gesunden Haushaltes jagen und den W agemuth zu ausgreifendem Unternehmen, wie Schimmel das Rosenblatt, morden. N u r neue Gedanken, nicht vergilbte, vergrämte, schließen den Schlund. Aus Euro*

pas Kriegsschuld werde ein Sühnhort. Aus den Anleihe*

scheinen in allen am Krieg betheiligten Europäerstaaten (und in den zu Anerkennung des Völkerbundes bereiten) giltiges, von allen Schuldnern verbürgtes Geld, das in jedem der Schiedsrichtergewalt unterthanenLand an jedem Schalter, von jedem G läubiger zum vollen N ennw erth angenommen werden muß. Der Völkergerichtshof verwaltetden Schatz und sondert, zu gleichen Theilen aus den An weisungscheinen aller Staaten, davon, was er für sich und seine Miliz braucht. Er darf den seinem Spruch Ungehorsamen mit G eldbuße strafen und alle umlaufenden, Anleihescheine des Staates entwerthen, ein*

ziehen, vernichten, der, ohne an Leib und Leben bedroht zu sein, den Frieden bricht. D aher winkt ein Band, das in Ge*

meinbürgschaft Zusammenhalten kann und doch nicht Striemen einschnüren, nicht in A them stod drosseln muß. D er alte Erdtheil wäre aus der Geldklemme befreit; brauchte nicht Künste und W issenschaft dorren, Industrie, Technik, H andel und H ausrath in D ürftigkeit zurücksinken zu lassen. W ürde sanft genöthigt, das unnütze Erinnern an vergeblichen Streit flink und tief zu vergraben, damit nicht der Fäulnißstank irgendwo den W illen zu großem, sauberen, dem Recht und der Kultur, den Nächsten und Fernsten fruchtbaren Mensch*

heitgeschäft vergifte.“ D a der Artikel, der diese Sätze ent*

hielt („W enn ich W ilson wäre“), durch Senatsbeschluß „zu ewigem G edächtniß“ in das amtliche K ongreßprotokol der

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204 D ie Z ukunft

Vereinigten Staaten aufgenommen wurde, dürfen wir hoffen, daß ihrem G rundgedanken in Amerika das Feld schon be*

eitet ist. Jetzt, wie ich nach mancher M eldung glauben darf und das Hungerkonzil bestätigt, auch in England. Staats«

bankerot, dem das einsame D eutschland, mit einer Reichs*

schuld von zweihundertzwölftausend M illionen und einem M arkwerth von fünfzehn Centimes, drei Amerikanercents,, nicht ausbiegen könnte, oder Internationalisirung der Kriegs«

schuld: es führt kein anderer W eg nach Küßnacht. (Spar*

P räm ien an leih e ist vergnügliches Zauberstück und Feuer*

werk, made inW arsaw .) W eil den Bankerot des europäischen Festlandes die vier anderen Erdtheile nicht gesund überleben würden, muß der Entschuß w y d en , den H err W arburg em*

pfiehlt. Von dem W eltbankier trennt mich nur seine Meinung, der internationalen Anleihe müsse die Aenderung des Frie*

densvertrages vorangehen. D er ist, im Wesentlichen, gewor*

den, wie er durch aberwitziges H andeln und strafbar thörichtes Unterlassen deutscher Regirer, vor und nach dem N iederbruch, annis Beth* und Scheidemann, Luden» und Brockdorff, werden mußte. „Freiwillig“, verehrter H err W arburg, hat ein völlig Besiegter, in Ohnm acht Hingestreckter nie und nirgends einen Friedens vertrag geschlossen. Dieser hat furchtbar quä»

lende H ärten und erzdumme Fehler; bringt aber keinem Sieger Profit, keinem auch nur beträchtlichen Aufwandsersatz und wird gerecht, wie nachgerade doch wohl Pflicht heischt, nur nach der Erwägung des Leides beurtheilt, das mindestens sechs Siegerstaaten in der Kriegszeit ertragen m ußten und dessen N achtrag nun dem lange verschonten Deutschland von Uebermacht aufgebürdet wird. N och in Versailles ist die Revision des Vertrages, seine A npassung an gewandelte Umstände, zugesagt w ordeh; und auch dieses Versprechen hat Rechtskraft erworben. N u r durch den Geist neuer Inter*

nationale wird der Pakt erträglich und drum erfüllbar. D er ökonomische U nterbau, den wir wollen, duldet den Sumpf nicht, der alles schon Errungene noch immer verpestet. Schich*

tet, businessmen, die M auern, mörtelt sie fest und sorget, daß kein fauler Pfuhl fortan himmelan stinke. Durch Schneege»

stöber und Vorwintersfrost dringt von allen Seiten der Harfen*

ton guten W ollens ins offene O h r; von allen: Belgien und Frank*

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G erechtes G ericht 205 reich selbst, die abscheulicher Rechtsbruch tiefer noch als an*

dere Länder uns verfeindet hat, fangen zu fühlen an, daß ihr Schicksal unlösbar in Deutschlands verknüpft ist, und gewöh*

nen sich, seufzend noch, in das Bewußtsein europäischer, menschlicher Solidarität. U n d verdienen die M änner und Frauen der seit Fritzens W utbrandungtagen von deutschem H aß umgischteten Briteninseln nichtD ank dafür, daß sie, trotz der Heimsuchung durch Tauchboot, Luftgeschoß, Weltver*

ruf, als Erste zu Berathung Deutsche einluden und die Ge*

fährten laut beschwören, zu G unst deutscher Kinder auf rasche Rückgabe des ihnen geraubten Milchviehs zu ver*

zichten? Die Atmosphäre ist nicht mehr so dicht vernebelt, wie des Hamburgers Auge sie erblickt; und eines W arburg helle Baumeisterschaft wird sie desto eher lichten, je rascher der konstruktive Verstand sich dem Schuppenhemd rostigen Vorurtheils enthakt. Alles aber, W irthschafteintracht und Atmosphäre, Gemeinbürgschaft und Völkerbund, Alles hängt an der Frage, ob wir von erkanntem, erwiesenen Fehl und Frevel gestürzter M achthaber uns lösen oder ihn hehlen, gar ins H eldenbuch deutscher Geschichte einfügen wollen.

Die W elt ist willig zu Gemeinarbeit und Völkerrechtsbund mit dem deutschen V olk, das Haus und H o f von Schutt und Schmutz reingefegt hat; nur mit ihm. N icht Flagellantenwahn noch Masochismus drängt in das Verlangen deutlicher Scheid*

ung von Schuld und Schuldigen. N ie wieder wird Deutsch*

land im Kreis der Menschheit froh aufathmen, ehe sein Blut vom G ift alter Machtgier und Rechtsschändung enteitert ist.

Im F in s te r n g e b u n d e n

Ist des Fliegengottes, des Lügners W irken verjährt?

D ie blinde Thorheit der Militärmachthaber wollte, daß dem deutschen Volk stets die Kraft der Seiner Regirung feind*

liehen Staaten als schon lahm dargestellt, ihre (nur allzu fest berechtigte) Zuversicht und alles weitsichtig kluge Planen gehehlt werde. D aß ich Stimmen aus Feindesland Deutschen hörbar werden ließ, galt als Verbrechen wider den Heiligen Geist des „Burgfriede“ genannten Bel zu Babel. Nach einem vom W illen zu Volkstrug geforderten Censureingriff schrieb ich an den Oberbefehlshaber in den M arken:

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206 D ie Zukunft

„Das Schreiben vom neunzehnten Juli habe ich empfan*

gen. U nter den Begriff militärischer Angelegenheiten, die der Vorcensur bedürfen könnten, habe ich bisher nicht den Ab*

druck aus in breitester Oeffentlichkeit erschienenen Artikeln zu bringen vermocht, die feindliche Stimmungen, Wünsche, Hoffnungen (nichts Anderes) verrathen. Diese Artikel, nach sorgsamer Uebersetzung, einem kleinen Kreis gebildeter Deut*

sehen zugänglich zu machen, schien mir Pflicht. Solche Aus*

züge sind nicht erst in den letzten W ochen, sondern seit Kriegsausbruch unbeanstandet in meiner Zeitschrift erschie*

nen. Sie beständig mit widerlegenden Einschiebseln und Zu*

sätzen zu spicken, hätte ich für falsch gehalten: weil ein ur*

theilsfähiger Leser (und auf andere kann ich nicht rechnen) sich gegen stete Bevormundung und lehrhafte A nm aßung sträubt und durch solche M ethode das Gegentheil Dessen erreicht worden wäre, was erlangt .werden sollte. Auch hat eine Zeitschrift die Last und den Vortheil der Kontinuität.

Die Leser wissen, da ichs ihnen mindestens zehnmal ge*

sagt habe, daß ich unsere Industrieleistung für nicht über*

treffbar halte. Das in jeder W oche zu wiederholen, wäre unklug. Die Zeitungen, aus denen ich citire, konnte sich Jeder verschaffen. W enn die Kenntniß Dessen, was der Feind sagt, hofft, wünscht, .Verzagtheit und Flaumacherei in die weitesten Kreise* träger^ könnte, m üßte man an un*

serer Sache verzweifeln. Die weitesten Kreise erreiche ich gar nicht. Vor irgendwelcher Verzagtheit habe ich immer wieder gewarnt. D er A bdruck aus feindlichen Blättern ist mir hier hundertmal von ernsten Patrioten gedankt worden und hat draußen bewirkt, daß man sagt: ,Die Leute müssen sich stark fühlen, denn sie verschweigen die feindlichen W ünsche und D rohungen nicht.1 Kann der Feind unsere Kriegsindustrieleistung übertreffen, so wird er den Krieg zu seinem Vortheil enden. Kann ers nicht, so wird uns das Uebergewicht bleiben. Daran ändern A rtikel und Abdruck nicht das Geringste. Für jeden Fall aber schien mir drin*

gend, furchtbar dringend nöthig, daß wenigstens ein kleiner Menschenkreis erfahre, welche W ünsche und Hoffnungen der Feind hegt. A uf den Gewinn des G roßen Loses braucht man Keinen vorzubereiten (zu solchem Gewinn ist Jeder

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G erechtes G ericht 207 stets in der .Stimmung4) ; wohl aber auf die Möglichkeit, daß er noch warten oder sich mit kleinem N utzen beschei«

den muß. Flauheit, stumpfe Verzagtheit ist, leider, dadurch entstanden, daß man einen (in Schopenhauers Sinn ruch«

losen) Optimismus gepflegt hat, dessen W eissagungen sich niemals erfüllen könnten. Dadurch, daß man dem Volk im*

mer wieder gesagt hat, den Feinden stehe völliger Zusamt menbruch nah bevor, sie machten die letzte Anstrengung,

■der Krieg werde rasch und triumphal für uns enden; und Aehnliches. Enttäuschung macht muthlos. Seit M onaten wird den Menschen eingetrichtert, der Fall von Verdun sei als das Ende französischer W ehrkraft zu betrachten. Drei» oder viermal schon ist ihnen die M ar von gänzlicher Vernich*

tung der Russen vorgeplärrt worden. Die an all Das glau*

ben, sind in gefährlicher Siegessicherheit und leben, als wäre nicht Krieg. D ie Zweifler und Ungläubigen sind stumpf u nd mürrisch. D aß diese Taktik grundfalsch ist, dürfte nicht mehr bestritten werden. Sie hat erwirkt, daß wir, trotz ungeheuren Leistungen und allen Erfolgen, seit Monaten -eine schlechtere M ehrheitstimmung haben als die Länder der Feinde, denen kein sichtbarer Erfolg beschieden war. Darin sehe ich, sehen Viele eine der ernstesten Gefahren unserer Lage.

Täglich mußte dem Volke gesagt werden: ,Es kann noch lange dauern. Die ältesten Großmächte Europas werden die Waffen nicht niederlegen, ehe sie das Aeußerste ver*

sucht haben. A ber sie werden uns nicht bezwingen, wenn jeder Deutsche sich mit dem Bewußtsein durchdringt, daß es um das Dasein des Reiches geht. Zu M uthlosigkeit ist kein G rund; der größte aber zu düster heiligem Ernst, denn Europa erlebt die furchtbarste Katastrophe seiner Geschichte.4 Dieser Ueberzeugung Ausdruck zu geben, ist mir Pflicht;

und ich vermag nicht einzusehen, was unserer Sache dadurch geschadet werden kann, daß Deutsche hören, welche Ge«

birge von W affen der Feind, jetzt noch, herzustellen hofft.44 Einem heimreisenden Amerikaner schrieb ich, auf sei«

nen W unsch, nach dem Sussex«Zwist einen Brief, den er dem Präsidenten der Vereinigten Staaten vorlegen wollte. D er glaubte damals noch, Friedensvermittlung werde erst möglich sein, wenn beide M achtgruppen darum ersucht haben.

16

(20)

208 D ie Zukunft^

„Grunewald, am vierzehnten Mai 1916.

Sehr geehrter H err,

auf Ihre Frage, ob der Versuch einer Friedensstiftung m ir nützlich scheint, antworte ich Ihnen, der mit gar nicht genug zu dankender Gerechtigkeit das entsetzliche Ereigniß dieses Krieges beobachtet und dargestellt hat, gern in aller Offen*

heit; aber als ein Privatmann, der nur seine Ueberzeugung, nicht die der Kaiserlichen Regirung, ausspricht.

D er aus einer versunkenen oder versinkenden Gedanken*»

weit noch überlebende Aberglaube, der offene Ausdruck der Sehnsucht nach Frieden sei ein ,Schwächezeichen‘, hin«

dert beide Mächtegruppen, zu versuchen, ob von Volk zu Volk, von G ruppe zu G ruppe nicht heute, endlich, Ver*

ständigung möglich sei. Beide aber wissen schon, daß die völ­

lige N iederwerfung des Feindes unwahrscheinlich, als sichere Folge fortdauernden Krieges nur die Verwüstung Europas und die Entkräftung aller Kriegsmächte vorauszusehen ist.

Die psychologische V orbedingung einer Friedensver*

mittlungoAktion ist innerlich also erfüllt.

W ill eine zur Vermittlung geeignete Persönlichkeit warten, bis sie von beiden G ruppen dazu aufgefordert wird, dann will sie eine Stunde abwarten, in der ihr Eingriff über#

haupt nicht mehr nöthig ist. D enn ist auf beiden Seiten der W unsch nach Frieden so stark, daß von beiden Vermitt*

lung erbeten wird, dann entwerthet sie sich zu leerer For«

malität und ist nur noch das Feigenblatt, das die falsche Scham der Kriegsmüden deckt.

D urchaus aber verstehe ich, daß ein bedeutender M ann, der eine große N ation vertritt, nicht nutzlosen Eifer zeigen und sich eine A blehnung holen will.

W as also kann, heute und morgen noch, geschehen?

Dieses:

A n alle im Krieg stehenden Staaten kann, zu gleicher Zeit, die Frage gerichtet werden: »Seid Ihr bereit, dem Grund*

satze zuzustimmen, daß dem von der ganzen civilisirten Menschheit zu beklagenden Krieg ein organisirter Friede folgen muß, der, bei ungeschmälerter W ahrung aller Souve*

rainetätrechte, internationale Vereinbarung über alle dazu geeigneten W ehrfragen, zu Land und zu See, sichert und

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G erech tes G ericht 209 einem internationalen Schiedsgericht die M öglichkeit schafft, seine Beschlüsse im N othfall gegen W iderspänstige mit Ge*

walt oder durch Boykott durchzusetzen?*

W er diese Frage verneint, beweist dam it, daß er die großen Zeichen der Zeit nicht erblickt oder nicht richtig zu deuten vermag und daß er das Schicksal seines Volkes und Staates auf die Waffe, nicht auf den Geist, stellen, will.

D as ist sein Recht; aber er m uß die Folgen tragen. W er die Frage bejaht, kann sich der Gewissenspflicht nicht ent*

ziehen, sofort den Versuch zu machen, ob auf der durch die Bejahung gelegten Basis nicht eine Verständigung über die Macht*, Grenz* und Hoheitrechtsfragen zu erlangen ist.

Als den H auptgrund, der unsere Feinde zur Fortsetzung des Kampfes spornt, erkenne ich den Glauben, das Deutsche Reich werde nach jedem Friedensschluß seine Rüstung fort*

setzen und die Gegner von heute dadurch zu einem Kraft*

aufwand zwingen, den ihre Volkszahl oder ihre nationale Eigenart verbietet. Deshalb sei es besser, jetzt, im Guten oder im Schlechten, durch Sieg oder durch Untergang, ein Ende zu machen. Im Sinn des deutschen Sprichwortes: Lie*

ber ein Ende in Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Dieser G laube irrt aber. Deutschland hat den W unsch nach internationaler Vereinbarung bisher nicht eifrig geför*

dert, weil die M ächtegruppe, die ihn empfahl, von dem Trieb geleitet war, in der Stunde internationalen Rechtsstreites dem Deutschen Reich den W illen einer M ehrheit aufzuzwingen, die der uns gegnerischen G ruppe immer gewiß war. Solchem im Voraus bestimmten Spruch sich zu beugen, hätte das Selbstachtungbedürfniß des deutschen Volkes niemals er*

laubt. Jetzt erst, da erwiesen ist, daß die Stimmenmehr*

heit nicht der Ausdruck einer Uebermacht war, ist eine neue Situation geschaffen und eine haltbare Grundlage für ein internationales Abkommen über Rüstung» und Wehrfragen möglich geworden. Dieses Abkommen würde die W elt nicht nur von dem Gespenst des .Militarismus*, sondern auch von der Seetyrannei befreien, unter der mit uns jetzt die fried*

liehen Völker zweier Erdtheile leiden.

W ird solches Abkommen als Ziel des Krieges erreicht, dann war das furchtbare Völkerringen für Menschheit und

IG*

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210 D ie ZuKunft.

Menschlichkeit (die uns nicht weniger heilig ist als anderen Völkern) nicht ertraglos; dann kann ihnen aus der Blutsaat unverwelkliche Frucht reifen. N u r dann.

U nd eben so unverwelklich wird der Ruhm des Mannes und der N ation sein, die durch rechtzeitige, kluge und takt*

volle Fragestellung zu solcher Fruchtreife mitgewirkt haben.

Diese öffentliche, nicht überhörbare Fragestellung scheint mir heute noch (aber bald vielleicht nicht mehr) möglich und deshalb nothwendig. Ich spreche meine Ueberzeugung offen aus,weilDeutschlandsStellungimzweiundzwanzigstenKriegs*

monat, innen und außen, noch so unerschüttert ist, daß es vor M ißverständniß oder Fälschung seiner Absicht sich nicht zu fürchten braucht. Lehnen unsere Feinde schon die Beantwort*

ung der prinzipiellen Vorfrage ab: W ir können warten und weiterkämpfen. G laubt die Kaiserliche Regirung, sie ver*

neinen zu müssen: dann weiß die W elt, daß sie sich auf den Versuch einrichten muß, das Ende dieses Krieges mit ausschließlich militärischen M itteln zu erstreiten.

Herzlich grüßt Sie, Ihnen ergeben,

H arden.“

D er leidige und fruchtlose Tauchbootstreit hat bis in den W inter den Präsidenten W ilson gehindert, den Kämp*

fern die Vorfrage zu stellen, die mit mir so Viele ersehn*

ten. D aß ich den Beschluß, das frevle W agniß rücksicht*

losen Unterseekrieges zu meiden, gelobt hatte, gab dem Herrn von Kessel willkommenen A nlaß zu neuem Eingriff. N euer Abwehrversuch, in Grundsätze ausgreifender, wurde nöthig;

und ich schrieb abermals an den Oberbefehlshaber.

„G runew ald, am achtzehnten Mai 1916.

Eurer Excellenz

beehre ich mich auf das Schreiben vom siebenzehnten Mai zu erwidern:

Als ich zum ersten Mal den Tauchbootkrieg, seiner inter#

nationalen W irkung wegen, erwähnte, war die Entscheidung schon gefallen. D a ich in der erfreulichen Lage war, diese Entscheidung (der Kaiserlichen Regirung) billigen, also öffent*

lieh vertheidigen zu können, that ich es. N och hev*~ kann ich nicht annehmen, daß daran eine Vorschrift hindern sollte, die bestimmt war, vor der Entscheidung öffentlichen Meinung*

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