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Die Zukunft, 1. November, Jahrg. XXVIII, Bd. 107, Nr 5.

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X X V ltt. Jahrg. Berlin, den 1, November 1919 Nr. 5

ie B u k u n f t

Herausgeber

Maximilian Harden

IN H A LT

Seite

W ie es k a m ... 121 D as G elobte Land. Von W a lth e r R a t h e n a u ...149

Nachdruck verboten

Er s chei nt j e d e n S o n n a b e n d

Preis vierteljährlich 10,— Mk., das einzelne Heft 1,— Mk.

BERLIN

Verlag der Z u k u n ft

Großbeerenstraße 67

1919,

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Orten, In- u. Ausland. Erledig, v. Vertrauensangelegenheit, fed. Art. E rm lttel. e:c.

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s. lang. Jahren d. la Ref., Inanspruchnahme von Behörden anerkannt unbedingt zuverlüssig, bestinformierte, d. eig. direkte Vertretungen organis. Spez.-Auskunftei 1. Rgs., Berlin W, Tauentzlenstr. 3 (a. Wittenbergplatz). Teleph. Steinpl. 94f>S.

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Berlin, den 1. November 1919

W ie es kam

Top ik a.

\ 7ier Blinkfeuer haben für M inuten d auer den feuchten Ok*

* tobernebel durchzuckt. D er Reichsfinanzm inister ließ k ünden, daß die D eutsche R epublik in ihrem ersten Lebens*

jah r vierzig M illiarden M ark verbraucht habe un d daß ihre Schuldenlast Jiinter der Schwelle des neuen Jahres den G rat von zw eihundert M illiarden überw achsen werde. D ie Ver*

zinsung der Reichsschuld allein w ird in jedem Budgetjahr fort*

an also ungefähr zehntausend M illionen M ark fordern. W ahn*

sinn nur, durch dessen D u nkel kein V ernunftfünkchen glimmt, konnte solchen A ufw an d beschließen, von dem kein Sieg je zu entschädigen verm ochte. W eil heroische T ollh eit alle in den Krieg gerissenen Länder in ähnliche D urchhalterleistung zwang, konnte der Friedensschluß in seiner finanziell*wirth*

schaftlichen A usw irkung, die dem Sieger selbst n ichtG ew inn, Surplusprofit, keinem auch n u r A ufw andsersatz bringt, dem Besiegten kaum m ilder w erden, als er gew orden ist. Bleibts nu n aber bei der hem m unglosen G eldverschleuderung, vor der jeder W ache seit Jahren lau t w arn t? D u ld e t die National*

Versammlung, daß für W ehrm annschaft, der n u r noch Polizei*

pflicht obliegt, in jedem M o n at dreizehn* bis fünfzehntausend M illionen ausgegeben w erden, d aß W aareneinfuhr, die um s Sechs* J^is Zehnfache die A u sfu h r übersteigt, erlaubt, allerlei S ch ieb u n g b egün stigt,den A rbeitlosen,die das R ech tauf Woh*

10

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122 Die Zukunft.

nung, G ew and, N a h ru n g haben, statt ausköm m licher Natural»

hilfe ein G eld lo h n gew ährt w ird, der das allzu M enschliche in ihnen bestim m en m uß, vor w idriger A rb eit m äkelnd zu zau*

d e rn ? Zw eitens: Als Folger Balfours, den hohe G eisteskultur, liebensw ürdigeSkepsis, Kennersfreude an deutscherM usik und Philosophie nicht vor dem A nfall eiskalten D eutschenhasses bew ahrt hat, ist Lord C u rzo n of K edleston Leiter des inter*

nationalen Britengeschäftes, H e rr der lo nd oner Foreign Office gew orden. G eorge N athaniel C u rzo n ist fast Einundsechzig;

war, w ährend der um elf Jahre ältere B alfour schon im Staats*

Sekretariat für Schottland saß, bei dessen O heim Salisbury Privatsekretär (in solchem D ienst schult sich meist ja der jun ge englische Edelm ann fürs R egireram t); w urde Unter*

Staatssekretär des Indischen Am tes, des A usw ärtigen, Vice?

könig von Indien (wo er sich mit K itchener nicht v ertrug );

veröffentlichte nicht unbeträchtliche Schriften über R uß land s V ordrang in M ittelasien, über „Problem e des Fernen O stens“ ; hat fünfzehn Jah re im U nterhaus gesessen und ist 1911 in die Kammer der Peers berufen w orden, wo er in der letzten , Kriegszeit die Politik des Kabinets Lloyd G eorge vertrat. E r galt als der unsunfreundlichsteStaatsm annB ritaniens; m it dem M arquis of Lansdowne selbst, dem Stifter der Entente Cor*

diale, hatte die deutsche D iplom atie lieber als m it C urzon zu th u n ; kom m t D er, hieß es, ans Steuer, dann stehen wir vor dem Krieg. Seine berühm te Rede, die Indien als den P ivot aller B ritenpolitik zeigte, in jedes B ritenhirn den E ntschluß ram m en wollte, auf jeder vom Schicksal erw ählten W a lstatt für Ind ien zu fechten, habe ich m ehr als einmal hier citirt.

D er Krieg ist verbraust; u n d hat, wie jeden G ew issenhaften, auch den neuen Lord F euerbrand im Tiefsten gew andelt.

R ußlands Riesenleib ist von tausend W u n d e n geschlitzt, das geschlagene, in Schuldknechtschaft gepferchte Deutsch*

land ist w eder im A erm elkanal noch in Bagdad eine Ge*

fahr un d Ind ien nu r von der Bolschew ikenaussaat ernstlich

b edroht. Lord C urzon hat sich m it fast inbrünstigem Eifer

zu denTG edanken des V ölkerbundes bekannt, der Sendung

G reys nach Am erika (der H eim ath der Lady C urzon) gern

zugestim m t un d öfter, als h ö rb ar w urde, bewiesen, d aß er

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Wie es kam 123 die N o th w endigkeit eines w ürdigen Verhältnisses zu Deutsch#

land klar em pfindet. Er ist zu klug, um zu verkennen, daß E uropa, daß auch sein British Em pire ein kräftig sich re*

gendes, der M enschheit eingeordnetes D eutschland braucht un d die Z eit schrankenlos nationalistischer P olitik verstrichen ist. W enn m an ihn nicht, nach üblen Brauch, sogleich wie#

der durch die A nheftun g eines Ekelnam ens ärgert, als Jingo und N orthcliffiden verschreit, nicht durch thörichtes Geäugel m it slaw o*japanischer Z u k u n ftk o alitio n in neues M ißtrauen hetzt, w ird m it ihm zu leben sein. D ritten s: C urzons Kollege W in sto n C hurchill hat Italiens angelsächsischen K redit durch die B ehauptung zu heben versucht, das K önigreich habe sich stets Vorbehalten, in einem Krieg Englands gegen die Kaiser#

reiche des D reib und es neutral zu b leib en . So wars n ic h t; konnte auch nicht so sein,da der D reib u n dsvertrag vo m M ai 1882 n u r V ertheidigung gegen Frankreich u n d R u ß la n d als Zw eck setzte u n d in einem Z usatzp ro to kol ausdrücklich die A bsicht au f irgendw ie feindsäliges T rachten gegen E ngland von sich wies.

Erst 1896, als die deutsche Marine* un d T ürk enpolitik die G efahr anglo*deutschen Zw istes näherte, erklärte Italien, offi*

ziell u n d feierlich, daß es für den Fall eines Krieges, der E ngland an Frankreichs Seite fände, sich den Bundesge*

nossen nicht zu W affenhilfe verpflichten könne. Berlin u n d W ie n haben sich damals zwar geweigert, diese Erklärung „zur K enntniß zu nehm en“ ; doch m ußte der Lehrling in Diplo*

m atie wissen, daß Italien, m it seinen langen, ungeschützten K üsten, dieFeindschaftB ritaniens niemals herausfordern dürfe.

V on A lledem w ird zu reden sein, w enn, endlich, die T exte d er D reibundsverträge veröffentlicht w erden. D er Unter*

suchungausschuß der N ationalversam m lung m üßte sie ein#

fordern. A us seinem A rbeitbezirk leuchtete das vierte Blink#

feuer auf. G ra f Bernstorff w urde ü b er das Friedensvermittler*

m ühen des Präsidenten W ilso n vernom m en. D er Botschafter, dessen m ännisch nüchterne K lugheit nicht in W ahnvorsteil*

ung neigt, ist fest überzeugt, daß der Präsident gerechten Frie#

den redlich erstrebte u n d ihn erlangt h ätte, w enn nicht der deutsche Beschluß rücksichtlosen T auchbootkrieges jäh in die leisen T astversuche eingebrochen wäre. G raf Bernstorff

10*

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124 Die Zukunft

ist erst fünf W o chen nach seiner H eim kehr aus W ashington ins G ro ß e H au p tq u artier gerufen u nd vom Kaiser em pfangen w orden. G eneral L udendorff hat ihn d o rt m it ironischer Höf*

lichkeit bew irth et u n d versichert, binnen drei M onaten, spä*

testens Ende 17, ehe ein am erikanischer Soldat au f E uropas Festland stehe, w erde das H eer der Feinde niedergerungen sein.

(W e n n G eneral L udendorff, wie gedruckt w orden ist, den B otschafter eines trügenden G ed äch tn iß bild es zeiht, so kann ich bezeugen, daß G ra f B ernstorff noch in Kreuznach unserem F reund Ballin, am nächsten Tag, ohne G roll, in Berlin das Ge#

spräch bis ins Kleinste genau so w iedergegeben hat wie jetzt im V erhör.) D as w ichtigste E rg eb n iß d er A u ssch uß sitzung war die öffentliche Feststellung der Thatsache, d aß schon am acht«

zehnten Ja n u ar 1916 der D eutsche Kaiser sich schroff gegen W ilso n s V erm ittlung gew andt u n d an den Staatssekretär Zim»

m erm ann telegraphirt hat: „Es w ird vorgegangen!“ A u f die G e fa h r, daß auch A m erika uns den Krieg erkläre. Dieses Telegram m ist V erhängniß gew orden.

V o r e lf J a h r e n

„A m achtundzw anzigsten O k to b e r 1908 stand in der lon=

d o n er Z eitu n g T he D aily T elegraph ein A rtikel, der den T itel ,T he G erm an Em peror and E ngland' trug un d als per*

sonal interview bezeichnet war. D er Verfasser ließ den D e u t­

schen Kaiser in direkter Rede zu einem entam teten britischen D iplom aten sprechen. ,Ihr Engländer seid völlig verrückt.

O ft u n d laut habe ich Euch gesagt, d aß einer der heißesten W ün sch e meines H erzens der ist, mit E ngland in bester Freund»«

schaft zu leben. Falschheit u n d A rglist sind meinem W esen

frem d u n d m ein H andeln bew eist die W ah rhaftig keit m einer

W o rte . D a ß Ihr sie m iß d eutet u n d m ir nicht glaubt, em pfinde

ich als eine schwere persönliche B eleidigung. Ein großer

T heil Eurer Presse w arnt das V olk, die H a n d , die ich Euch

hinstrecke, zu fassen, u n d behau ptet, m eine andere H an d

halte einen B ritanien b ed ro h en d en D olch. Ich kann imm er

n u r w iederholen, d aß ich E nglands F reund bin. A ber ich bin

in m einem Land m it diesem G efü hl in der M inorität. In

breiten Schichten D eutschlands, unten u n d im M ittelstand,

(7)

Wie es kam 125 ist die Stim m ung Euch unfreundlich. M it aller K raft arbeite ich an der Besserung unserer Beziehungen: u n d Ihr seht in m ir den Erzfeind. W ä h re n d des südafrikanischen Krieges war D eutschland von bitterster Feindschaft gegen Euch er*

füllt. Oeffentliche u n d private M ein u n g kehrte sich w ider England. W as aber th at ich? W e r hat denn der R undreise der von den Buren A bgeordneten, die eine europäische Inter*

v ention gegen Euch erw irken sollten, ein Ende gem acht?

Ich. D ie Leute w aren in H o llan d u n d Frankreich b ejubelt w orden u n d auch das deutsche V olk hätte ihnen gern Kränze gew unden. Ich aber weigerte mich, sie zu em pfangen: u n d sofort hörte die A g itatio n auf u n d E u re F e in d e k onnten nichts ausrichten. A ls in Südafrika der hitzigste K am pf tobte, for*

d erten die Regirungen von R u ß lan d u n d Frankreich uns auf, gemeinsam vorzugehen u n d die B eendung des Krieges zu erzw ingen; sie m einten, die Stunde sei gekom m en, w o man E ngland bis in den Staub erniedern könne. Ich a n tw o rte te ,.

D eutschland w erde nie an der V orbereitung einer Nieder*

läge Britaniens m itw irken, nie für eine P o litik zu haben sein, die es in einen K onflikt m it einer Seemacht vom Rang Eng*

lands zu bringen verm öchte. Im A rchiv des Schlosses W in d so r liegt das Telegram m , in dem ich damals der K önigin Victoria den Plan Eurer Feinde u n d meine abw eisende A n tw ort mel*

dete. D as ist noch nicht Alles. In der Schwarzen W o ch e (im D ezem ber 1899), als Eure Fehlschläge sich häuften un d ein Brief m einer verehrten G ro ß m u tte r den tiefen K um m er ihres G em üthes verrieth, begnügte ich mich nicht m it einer schnell m eine Sym pathie ausdrückenden A ntw ort, sondern th at noch m ehr: ich ließ von einem m einer Offiziere die K opfzahl u n d die P osition der in Südafrika auf beiden Seiten fechtenden T ru p p e n feststellen, entw arf nach diesen A ngaben den u n ter solchen U m ständen fü r E nglands Interessen taug*

lichsten Feldzugsplan u n d schickte ihn, als m ein General*

stab ihn gebilligt hatte, nach E ngland. A uch dieses Doku*

m ent liegt in W in d so r Castle. U n d m ein K riegsplan glich

in allem W esentlichen dem vom Lord R oberts dann m it

Erfolg ausgeführten. H an d elt so ein Feind E nglands? A b er

Ih r sagt, unser F lotten bau b ed ro h eE uch . N e in : W ir brauchen

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126 Die Zukunft

eine große Flotte, um unseren H an d el u n d unsere anderen Interessen zu schützen. D e r Kreis dieser Interessen w ird sich noch erw eitern. W ir m üssen uns für die Auseinander*

setzung vorbereiten, die im Stillen O zean (früher, als M anche glauben) n ö th ig w erden w ird. Japans rascher A ufstieg und C hinas Erw achen zeigt, welche A ufgaben im Fernen O sten von den europäischen M ächten zu bew ältigen sind. U m für den Kam pf um die Z u k u n ft des Stillen O zeans in Be»

reitschaft zu sein, brauchen w ir eine starke Flotte. W en n in diesem K am pf einst britische u n d deutsche G eschw ader für die selbe Sache streiten, w ird auch E ngland sich der That*

sache freuen, d aß D eutschlan d sich eine große Flotte ge»

schaffen h at.“ D as ist der H a u p tin h a lt der personal interview.

A ls sie in D eu tsch land bekan n t w urde, glaubten einfältige G em üther, M ein u n g und W o rt des Kaisers seien gefälscht, entstellt un d m indestens durch groben V ertrauensbruch ans Licht gebracht w orden. D ie E nttäuschung kam schnell. W olffs Telegraphisches B ureau u n d die N o rd d eu tsch e Allgem eine Z eitu n g übernahm en den A rtikel des D aily Telegraph. Da*

m it w ar der W o rtlau t b eglaubigt; war auch erwiesen, daß d er Kaiser die V erbreitung w ünsche. N u n brach der Sturm los; drinnen und draußen. W u th u n d H o h n , G eheul und G elächter im A u slan d ; überall. In D eu tsch land eine leiden»

schaftliche E m pörung, wie sie ein H a lb ja h rh u n d ert lang nicht erleb t w ard; in N o rd un d Süd; in allen Ständen; auch in der Arm ee. N iem als war ü b er den Kaiser lau t so geredet, nie noch so geschrieben worden.

D ie Kaiserkrisis ist A llen sichtbar gew orden. Seit sech»

zehn Jahren w ard hier gesagt, d aß sie kom m en müsse, wenn erw achender M assenm uth zu W ah rh aftig k eit nicht ein W un*

deL wirke. Seit dem M ärz des Jahres 1890 hatte die mäch*

tigste deutsche Stimme sie angekündet. W a r Bismarck ein

verbitterter G reis, der ins A m t zurück w ollte? H a t er nicht

Alles, was geschehen ist, vo rausgeahnt? W ir m üssen dafür

sorgen, daß nicht auch seine düsterste Prophezeiung noch

erfüllt wird. W ir w ollen n ich t neue Sündenböcke in die

W ü ste schicken; nicht betitelte u n d besternte H erren zu

Prügelknaben machen. D ie H albm änner, deren schädlicher

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Einfluß Jahrzehnte lang, U nheil zeugend, fortgew irkt hatte, sind beseitigt. W as sie angerichtet haben, sieht jedes un*

getrü bte Auge. O b die Spur ihres Trachtens je ganz weg*

zuw ischen sein w ird, b leibt fraglich. D o ch der Ring ist ge*

sprengt. U n d unzulängliche R athgeber nisten sich überall ein. Jetzt hat die N atio n m it dem Kaiser zu reden. N u r mit ihm. D ie Fehler der H andlanger verschw inden neben der furchtbaren G efahr, die er heraufbeschw oren hat. D em Reich heraufbeschw oren h ätte, auch wenn keins der vor B ritenohren von ihm gesprochenen W o rte gedruckt w orden wäre. M erk t die K urzsicht noch immer nicht, daß die Ver*

öffentlichung der Interview in dem traurigen Stück deut*

scher G eschichte der einzige A k t ist, der uns T ro st gewäh*

ren k a n n ? D a ß in dem Streit um das Bestim m ungrecht des deutschen Volkes die H auptfrage nur lauten darf: H a t der D eutsche Kaiser die Sätze, die der britische O berst ihm zu*

schrieb, gesprochen?

Er hat sie gesprochen. K onnte sie sprechen. U n d hat, als er sie las, in ihnen den A u sd ruck seines D enkens und W ollen s erkannt. Seine A bsicht war, den Briten zu sagen, d a ß er sie herzlicher liebe, als der M ehrheit seiner Lands*

leute erw ünscht sei; daß er ihr Reich vor dem Zusammen*

bruch b ew ahrt, in tiefster N o th ih n en , die im Landkrieg rathlos w aren, den w irksam en Feldzugsplan geliefert, die heim lich w ühlende Feindschaft der (ihnen jetzt eng befreun*

deten) M ächte vereitelt, die E in ladu n g in ein antibritisches B ündniß nicht n u r abgelehnt, so n d ern , trotzdem sie Ver*

schw iegenheit bedingte, nach L ondon gem eldet habe; und d a ß die deutsche Flotte zum K am pf gegen Jap an u n d C hina bestim m t sei. D ie M ehrh eit der D eutschen h a ß t England (also hab t Ihr die Kriegsgefahr vor der T h ü r und die W ahl, o b Ihr m orgen losschlagen oder noch hastiger D readn ou gh ts bauen w ollt). W e n n ich die russischen und französischen A nerbietungen, die im V ertrauen auf unsere D iskretion nach Berlin kam en, nicht abgewiesen un d flink m einer Groß*

m utter m itgetheilt h ätte, wäre es Euch schlecht gegangen (ü b erleg t also, ob R ußlan d u n d Frankreich zuverlässige Freunde sin d ). U m Euch aus der O hnm acht zu helfen,

Wie es kam 1'27

(10)

1 2 8 Die Zukunft

habe ich, der höchste K riegsherrd es deutschen H eeres, einen Feldzugsplan für die britische Arm ee ausgearbeitet (also die N eutralitätpflicht verletzt) u n d dem G ro ß en G eneralstab zur P rü fun g übergeben (also die Z eit m einer klügsten Offiziere .in E nglands Interesse belastet). M eine Flotte baue ich, um fü r den K am pf um den Stillen O zean stark zu w erden (also m erket Euch, d a ß wir da große A m bitionen haben, u n d er#

zählet den gelben M ännern, d aß w ir ihnen ans Leben wol#

len). D as hat W ilhelm der Zw eite, D eutscher Kaiser und König von Preußen, vor E ngländern gesagt. D a ß Einer, der sich der M acht entkleiden will, so spräche, wäre noch zu begreifen. A uch ihm m ü ß te staatsm ännischer Sinn empfeh#

len, die H errscherhoffnung des E rben nicht im Keim zu zerstören. D a ß Einer, der w eiterregiren will, sich d rau ßen so um alles V ertrauen, um allen G lau b en an seine E ignung für die einfachsten A u fgaben der P olitik gebracht hat, ist ohne Beispiel in der neuen G eschichte. O h n e Beispiel auch die W irk u n g dieser W o rte auf dem w eiten R und der Erde.

A ngeln, Rom anen, Slawen, M ongolen stehen gegen uns ver#

eint. Vom W e iß e n bis zum G elben M eer W u th u n d H o h n . W ill der Kaiser u n d K önig der K rone entsagen? In geringerer, in nicht selbst verschuldeter Fährniß hat sein G ro ß v ater daran gedacht. D en Enkel w ird kein Frauen­

w unsch u nd keine V olk sd ro h un g drängen. Sein W ille ist frei. D och er d arf sich nicht darü ber täuschen, daß seine V olksgenossen jetzt gegen ihn sind u n d d aß kein Kanzler sich, der alte nicht noch ein neuer, halten kann, der nicht aus dem M u n d e des Kaisers die Bürgschaft unverbrüch*

licher Selbstbescheidung bringt. D ie m uß D eutschland for*

dern. A uch das H a u s H ohenzollern. In dieser grausam ernsten Stunde noch. Sonst w ird es zu spät.

W e r das N ah en der Kaiserkrisis früh erkannt, fast zwei Jah rzeh n te lang vor ihr, tro tz Schm ähung, Vermögensschä#

dig u n g , Einsperrung, als vor der d ro h en den Reichsgefahr

furchtlos gew arnt hat, D er brau cht sich.jetzt nicht in Schweiß

zu schreien, um den A pplausspendern zu beweisen, d a ß

ihm im D unstk reis der M ajestät feige Scheu nicht für immer

die Kehle zugeschnürt hat. D e r d arf ru h ig reden; gelassen

(11)

Wie es kam 129"

wie Einer, der von u nbestrittenen, unbestreitbaren That*

sachen spricht. Sind sie bestritten w ord en ? Sind sie zu be»

streiten? N ic h t Einer hats auch n u r versucht. Im weiten deutschen Land nicht ein irgendw ie Beträchtlicher, dem Fron*

pflicht nicht das Kreuz so nutzlosen M ühens aufzw ang/

So weit sind wir. Endlich. U n d d ürfen aufathm en: denn der Erdkreis m erkt n u n w ieder, daß auf deutschem Boden nicht eine H eerde lebt, die der W in k des H irte n auf eine kahle D ü hnen k lipp e treib t oder in den Stall pfercht. D a ß germ anische V olkheit im Q ualm der Städte den Stolz freier Sassen noch nicht verlernt hat; daß sie nach selbstherrlichem Ermessen ihr V ertrauen giebt u n d nim m t; u n d, w enn Noth*

w endigkeit befiehlt, dem H a u p t der in ihrem Bereich mäch*

tigsten Familie m it u nüb erhörb arer Stimme, wie H iobs G o tt einst dem wilden M eer, zuruft: ,Bis hierher d arf D eine Ge*

w alt reichen un d nicht um Fußes Breite je w eiter!1 D as ist geschehen. D a der W u n sch treuer H erzen, die M ajestät möge sich w ieder m it W o lk e n kleiden u n d in D u n st wie in W in*

dein wickeln, unerfü llt geblieben ist, im G ebraus üppigen H oflagerlebens w ohl gar nicht vernom m en w ard, haben tau*

send schrille Stimmen von dem Kaiser u n d K önig G ehö r erzw ungen. In den rauhen C h o r klang eine from m m ahnende W eise hinein; wie ins Feuergeläut der um florte T o n einer T otenglocke. D er V orstand der K onservativen Partei hat eine E rklärung veröffentlicht, in der gesagt w ird: ,W ir sehen m it Sorge, d aß A eußerungen Seiner M ajestät des Kaisers*

gew iß stets von edlen M otiven ausgehend, nicht selten dazu beigetragen haben, zum T heil durch m ißverständliche Aus*

legung, unsere A usw ärtige P o litik in schwierige Lage zu bringen. W ir halten, geleitet von dem Bestreben, das kaiser*

liehe A nsehen vor einer K ritik u n d D iskussion, die ihm nicht zuträglich sind, zu bew ahren, u n d von der Pflicht be*

seelt, das D eutsche Reich u n d V olk vor Verw ickelungen u n d N achtheilen zu schützen, uns zu dem ehrfurchtvollen Aus*

druck desW unsches v erbunden, d aß in solchen A eußeru ng en

kü nftig eine größere Z u rü ck h altu n g beobachtet werden m ö g e /

Eine Totenglocke. D ie einen ehrw ürdigen W a h n zur letzten

R uhstatt geleitet. Ein K önig von G o ttes G n aden dürfte nie

(12)

130 Die Z u k u n f t

getadelt, niem als zu ,g rößererZ u rück h altu n g‘gem ahnt werden.

D er w üß te besser als jeder A ndere, was ihm ziemt, was dem Lande from mt. D e r fünfte N ovem bertag des Jahres 1908, der diese E rklärung gebar, ist aus Preußens Geschichte nicht m ehr zu tilgen. V or zwanzig Jahren, beim Johanniter*

m ahl in Sonnenburg, hat W ilhelm der Zw eite die .Edelsten des V olkes4 als seine zuverlässigsten H elfer gerühm t. Sechs Jahre danach sprach er in der K rönungstadt preußischer K önige: ,W ie der Epheu sich um den knorrigen Eichstamm legt, ihn schm ückt m it seinem Laub u n d ihn schützt, wenn Stürm e seine Krone durchbrausen, so schließt sich der preußi*

sehe A del um mein Haus.* D er sichtbarste Theil des A dels hat vor der A n tw o rt auf die Reichslebensfrage so lange ge*

zaudert, daß die kaiserliche Katachrese an Sätze erinnern m ußte, die G oethe ins Buch seines Erlebens schrieb: ,W ie die M ollusken keine K nochen, so hat der Epheu keinen Stamm, mag aber gern überall, wo er sich anschm iegt, die H au ptro lle spielen. A n alte M auern gehört er hin, an denen o h n eh in nichts m ehr zu verderben ist, von neuen G ebäuden entfernt man ihn billig; die Bäume saugt er aus un d am A llerunträglichsten ist er mir, wenn er an einem Pfahl hin»

au fk lettert u n d versichert, hier sei ein lebendiger Stamm, weil er ihn um laubt habe.* D ie Z eit ist vorbei. D er A del will nicht länger anschm iegsam er Epheu sein. N ic h t blind, w ie ihm zugem uthet w ard, durch D ick und D ü n n folgen- N o ch aber ist nichts gew irkt, nichts gesühnt, nichts ver»

bürgt. Ist durchaus nicht sicher, daß nach ein paar W ochen das alte Leid nicht w ieder die V olkskräfte lähm t. D as abe d a rf nicht sein. U m des Reiches, auch um des Kaisers willen.

,D er Dreizack gehört in unsere F a u st4 ,D er A dm iral des A tlantischen Ozeans g rü ß t den A dm iral des Stillen O zeans.4 ,A uf dem Erdball keine E ntscheidung m ehr ohne Mitwirk*

u n g des D eutschen Kaisers!4 ,H ohenzollern*W eltherrschaft.4 , D eutschland in d e rW e lt vornan!1 K onnten solcheW ortedem Briten lieblich klin g en? U n d schlimmere sind gesprochen w orden; viel schlimmere geschrieben. Ist E ngländern zu ver»

argen, daß die hitzige W e rb u n g um die Liebe der Moham*

m edaner u n d A m erikaner, daß die P o litisirung der Bagdad#

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Wie es kam 131 bahn, die als gunstloses G eschäftsunternehm en die C ity nicht beun ruh igt hätte, ihr M ißtrau en w eckte? D a ß sie der M är nicht trauen, D eutschland dehne sein Steuerrecht bis an den Bezirk der V erm ögenskonfiskation, n u r um seinen H andel zu schützen, trachte n u r deshalb, neben dem stärksten Land*

heer sich eine seinen K olonialbesitz ins U ngeheure über*

wachsende Flotte zu schaffen? Kriegsschiffe, deren Stapellauf m it Schlachtgesängen u n d hellen Fanfaren der Erobererhoff­

n ung gefeiert w ird? O h n e V erständigung ü b er die G renzen der Seemacht keine aufrichtige Freundschaft m it England.

Niem als. D en n für E ngland ists die Lebensfrage, ob es die ungefährdete H errschaft über die M eere behält; u n d es m uß Jeden hassen, ders zwingt, noch schwerere, theurere R üstung auf sich zu nehm en. U n d die anglo*deutsche K onfliktsgefahr w irkt über den Erdkreis hin u n d bestim m t in O rient und O c c id e n td ie G ru p p iru n g der M ächte.D as könnte jed er Nüch?

terne wissen. W o z u dann die stete U m Werbung, die den stol*

zestenD eutschen längst auf die N erven fällt? Seit dasT em po des Flottenbaues nach jähem , leider allzu suggestivem Ent#

Schluß beschleunigt w orden ist, steht D eutschlands internatio*

nale P olitik un ter w idrigem G estirn. U n d was w ird die H äu f, ung der finanziellen un d der politischen Schwierigkeiten schließlich erreichen? W as die Fam ilienpolitik in der Buren*

kriegszeit erreicht hat: neue, vorher unahnbare K oalitionen.

N u r ein für die bedächtige K onstruktion u n d die stille A bw ickelung politischer G eschäfte völlig ungeeignetes Tem*

peram ent konnte hoffen, ein H errenvolk von alter K ultur und politischem G enie dadurch zu gew innen, d aß m an, als Erbe nachgew achsener M acht, ihm sagt: ,W en n ich Euch damals nicht gerettet hätte,w äre es Euch m iserabel gegangen'; u n d zu verstehen giebt, wie die G n ad e des V erw andten der Unfähig»

keit in K olonialkriegen ergrauter Krieger aus dem Sum pf ge*

holfen h a t; einem V olk zu verstehen giebt, dessen im V erkehr m it D eutschland em pfindlichster P u n k t das B ew ußtsein mili*

tärischer Schwachheit ist. W e r so oft, so furchtbar geirrt hat, kann V ertrauen in seine E ignung zum A m t eines'Reichsge#

schäftsführers niem als m ehr heischen.

Im Ja h r 1898' hat R ußland vorgeschlagen, den Prinzen

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132 Die Zukunft

G eorg von G riechenland zum G ouv erneu r von K reta zu er#

nennen. A u f diesem P osten, hat A b d ul H am id erw idert, werde ich nie einen Frem dling dulden. D ennoch w ird, als in K andia d er B ritenkonsul w ährend eines Straßenkam pfes von w üthenden M usulm anen getötet w orden ist, die frem de Be#

Satzung auf Kreta verstärkt u n d die Pforte gezw ungen, ihre T ruppen von der Insel zurückzuziehen. A m dreißigsten Ok#

tob er 1898 spricht in Bethlehem der D eutsche Kaiser zu den evangelischen Pfarrern: ,A u f die M oham m edaner kann nu r das Leben der C hristen E indruck machen. D a ß sie vor dem christlichen N am en keine A chtung hab en , kann ihnen kein M ensch verdenken. Politisch reiß t man, u nter allen mög#

liehen V orspiegelungen, ein Stück nach dem anderen von ihnen w eg, w ozu m an gar keine B erechtigung hät.‘ A cht Tage danach antw ortet er in D am askus au f die A nsprache des Scheichs: ,M öge Seine M ajestät der Sultan und m ögen die d reih u n d ert M illionen M oham m edaner, welche, auf der Erde zerstreut leb en d ,in ihm ihren Khalifen verehren, Dessen versichert sein, daß zu allen Z eiten der D eutsche Kaiser ihr Freund sein w ird.' Z u allen Zeiten. D as ist ein festes Ver«

sprechen. D rei W ochen zuvor ist das G erüch t von einem anglo*deutschen V ertrag durchgesickert. K risenstim m ung. Ni#

kolai A lexandrow itsch hat die A b rü stu n g em pfohlen. Bei Fa#

schoda w ird eine neue Reibungfläche zwischen E ngland un d Frankreich sichtbar. . . H a t das D eutsche Reich w irklich den Briten Südafrika sam m t der D elagoabai überlassen, dann ist Frankreichs K olonialm acht b ed roh t; w ird die R epublik die Folgen der U n k lu g h e it spüren, die, als H an o tau x gefallen war, den deutschen Vorschlag einer V erständigung über die ostasiatischen Fragen unb ean tw o rtet ließ. C ham berlain rü h m t in W akefield das neue anglo^deutsche A bkom m en als einen wichtigen Erfolg der U n io n isten reg iru n g un d versichert die ,deutschen Freunde', d aß E ngland ihnen nie zum uthen w erde, für englische Interessen O pfer zu bringen. Schon am Lord«

m ayorstag aber erw ähnt Salisbury in der G u ild h all die Freund«

schaft m it D eutschland nicht m ehr; erinnert er an die Mög#

lichkeit eines um das T ürken erb e entbrennenden Krieges, für

die B ritanien seine Seemacht stärken m üsse. W as ist geschehen?

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Wie es kam 133 D er D eutsche Kaiser ist als T riu m p h ato r d urch das Osmanen»

reich g ezogenund hat dem Islam ungefährdetes Leben verbürgt.

Persönliches Regiment. Kaum Einer hatte gew ußt, welches U nh eil da wuchs. Einer, ders ahnte, stöhnte, als der Plan der O rientreise auftauchte, im Sachsenwald, seine T rom pete sei leider durchschossen; sonst hätte er m it letzter Lungenkraft noch das alte W arnerlied wieder geblasen. U n d wäre gewiß w ieder nicht geh ört worden. H ier w urde gefragt, ob man w irklich glaube, d aß die W estm ächte still zuschauen w erden, w enn der D eutsche Kaiser versuche, im O rien t alle anderen H errschergestalten zu überstrahlen; ob der Papst nicht für sein Protektoratsrecht,O esterreich»U ngarn für seinenBalkan*

handel fürchten werde. Vergebens. H u n d e rt Posaunen preisen die hohe B edeutung der Reise. ,A uf A llerhöchsten Befehl4 w ird, als kehre ein vom Sieg gekrönter K reuzritter heim, ein feierlicher Einzug veranstaltet. A m ersten D ezem bertag steht der O berbürgerm eister, barhäuptig, trotz schlechtem W etter, am B randenburger T h o r, reckt die D enk erstirn in die H öh e des Pferdekopfes u n d giebt, im N am en der .braven Bürger#

schaft4, dem D ankgefühl u n d dem H u ld ig u n g b ed ü rfn iß der R eichshauptstadt m annhafte W orte. Fünfzig Jahre nach Acht?

undvierzig; u n d W ilhelm nennt, wie der G ro ß o h m ,d ie Stadt?

genossen .meine lieben Berliner*. In der T h ro nrede w ird die Reise ausführlich erw ähnt; w ird auch gesagt, dem D eutschen Kaiser (dessen T itel un d M acht doch nicht aus den W olk en, sondern aus der versailler Spiegelgalerie stam m t) sei .die Ge»

w alt von G ottes G naden verliehen1. W ie in der Z eit, da Z ions H errlichkeit durch den T raum Friedrich W ilhelm s spukte. U m die auf horchenden W estm ächte rasch zu be?

ruhigen, versichert G raf Bülow , der Staatssekretär, im Reichs?

tag, die O rientreise habe nicht die ,ihr untergeschobenen M otive u n d Z iele4 gehabt. .D eutschland hat im O rient keine direkten politischen Interessen.4 Z u den Reden von Beth?

lehem un d D am askus stim m t die neue T o n art nicht. Da»

hinter steckt Etwas, d en kt m an in L ondon; denkts in Paris.

Vergessen ist die G lückw unschdepesche, die W ilhelm prom pt

nach Kitcheners Sudansieg an die G ro ß m u tter sandte; ist alle

A rtigkeit, die er eifernd Franzosen erwies. Delcasse klopft,

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134 D ie Zukunft

noch m it schüchternem Finger, bei Salisbury u n d C urzon an.

,Seht Ih r nicht, was Euch b ev o rsteh t? U n s A llen ? U m die Liebe der M usulm anen w irb t der Im perator, weil er will, d aß sie in der seinem T rachten günstigen Stunde die b riti­

sche H errschaft vom E rdball abschütteln. D ie B agdadbahn, fü r die er sich wie ein A ufsichtrathsm itglied oder ein an­

derer A cquisiteur eingesetzt hat, soll ihm den trockenen W eg nach In d ien sichern. U n d d aß d er hastige Flotten bau nicht von der N o th w en d ig k eit des H andelsschutzes geboten ist, brauche ich Euch nicht erst zu bew eisen.4 W o die W u th üb er W ilhelm s Telegram m an Paul K rüger nachzittert, m uß solche W a rn u n g wirken. D u rch die D reyfuskrisis u n d den B urenkrieg w ird die E ntw ickelung verzögert. E nglands Miß*

trauen ist aber nie m ehr geschw unden. A uch nicht, als der Enkel der G ro ß m u tte r den Plan zur V ernichtung der Buren geschickt u n d ausgeplaudert hat, d a ß R u ß lan d u n d Frank*

reich ihn in einen antibritischen C oncern ziehen w ollten.

N ie wieder. D ie M ächte, von denen 1808 C au lainco urt ge*

sagt hatte, sie k ö n n ten niem als B undesgenossen w erden, u n d die noch bei Faschoda, noch in den Tagen von Ladysm ith und M afeking u nversöhnbar schienen, befreunden sich, ver­

loben sich gegen die ,deutsche Gefahr*. W eil der D eutsche K aiser Poseidons D reizack u n d das W eltarb itriu m für sich geheischt, die B uren zum K am pf erm untert, die gelbe gegen die w eiße M enschheit aufgestachelt, nach ostasiatischem Be­

sitz die H a n d gestreckt, sich den A d m iral des A tlantischen O zeans genannt, im K halifat u n d im Scherifenreich die Rolle des Islam retters an sich gerissen hat. N u r d e s h a lb ... Per­

sönliches Regiment.

D essen W e rk war die franko*russische, die franko*bri*

tische, die anglo*russische V erständigung. W as unm öglich schien, w urde E reigniß. T o tfein d e verscharrten den alten H a ß u n d schw oren einander Treue. W e r trieb sie in so seltsame B undesgenossenschaft? W aru m sah ein Reich, das T ag vor T ag seine friedliche A bsicht betheuerte u n d von keiner Beute je einen saftigen Fetzen erschnappte, sich plötz*

lieh auf allen Seiten von Feindschaft u m rin g t? W e il das

H a u p t dieses Reiches zu oft den M u n d geöffnet, zu oft m it

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W ie es kam 135

der A n k ü n d u n g g ro ß er T hat, m it V erheißung, D ro h u n g , W e rb u n g den Erdkreis b eu n ru h ig t hatte u nd weil schließ»

lieh Jeder die E inkreisung des Ruhestörers w ünschte. Ge*

m einsamer W id erw ille ist stärker als die Sucht nach Augen»

blicksvortheil. A lle m ißtrauen dem D eutschen Kaiser; aus allen Ecken züngelt der H o h n nach ihm : und w ir haben keine W affe, die ihn w irksam vertheidigen könnte. In den skandinavischen Ländern sogar ist offiziös erklärt w orden, seit man W ilhelm so kenne, wie er sich in der Interview selbst dargestellt habe, müsse m an von ihm abrücken und in den Britencöncern eintreten. D er englische Premier»

m inister verspricht den Franzosen H ilfe für den Fall naher Fährniß. D as eine Beispiel zeigt den sichtbaren Segen des persönlichen Regimentes. Jedes der zwanzig Unheilsjahre»

die hin ter uns liegen, hat ihn jedem wachen A uge gezeigt.

W arum ist D eutschland, das, trotz seiner Kraft, in dieser Z eit Keinem auch nu r das winzigste Stück genom m en hat, vereinsam t un d ringsum g e h a ß t? W eil es sich von dem un?

steten W illen eines Kaisers lenken ließ, der keinen Bluts*

tropfen eines Staatsmannes in sich hat. N e u n Zehntel aller Schwierigkeiten, die das Reich hemm en, hat die persönliche P olitik dieses Kaisers bew irkt. Sie zu enden, ehe von ih rr wie Bismarcks trü b e r Blick ahnte, das Reich zerstört ward*

ist nationale Pflicht. Bonaparte hatte sich m it dem Schwerte den W e g auf den T h ro n gebahnt u n d zwar nicht den Land»

besitz, doch den Phantasieschatz und den K riegerruhm eines nach A nerken nu ng d ü rsten d en ,"k au m der Lilienfron ent*

laufenen Volkes fü r die D au er gem ehrt. D em Lande, das

er allein vor den Bütteln E uropas zu schützen verm ochte,

durfte er, so lange die Schlachtenfortijna ihm lachte, den

W illen seines hem m unglosen G enius aufzw ingen. Friedrich

W ilhelm d er Vierte war ein schwächlicher Schöngeist, d er

den starken M ann spielen w ollte un d dessen krankes H irn

w ähnen m ochte, Fritzens P reußen sei fü r die Freiheit noch

nicht reif. W ilhelm der Zw eite, der vierzig Jah re nach der

R evolution auf den Z o llern th ro n kam u n d im Reich kein

M onarch ist, hat der N atio n nie N ützliches geleistet und

für seinen W ille n dennoch die höchste G eltu n g verlangt.

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136 Die Zukunft

N u n sieht er die Ernte. W en n s ihn, nach allem Gesche*

henen, m öglich d ü n k t, w ird er die Krone auf seinem H a u p t be*

halten. D och niemals w ieder d arf an seinem W illen das Schicks sal des D eutschen Reiches, deutscher M enschheit hängen.

A ls der verhängnißvolle A rtikel im D aily T elegraph erschienen war, em pfahl der Kaiser den R ekruten in zorniger Rede strenge Selbstzucht. A ls D eutschland in Scham und Schmerz erbebte, ging er auf die Jagd. Z uerst nach Eckartsau, wo er sich dem Erzherzog Franz F erdinand als G ast ange»

sagt hatte. D ie Frau des Schloßherrn lag, m it schwerer In*

fluenza, in K indsnöthen. D er M ann m ußte ihr, für die er d e r H o ffn un g auf ebenbürtige N achkom m enschaft entsagt hat, fern bleiben un d für das Jagd«* u n d Tafelvergnügen des hohen Gastes sorgen. D as Paar lebt einfach, wie an*

dere E delleute auf dem Land. N u n m ußten A utom obile herbei (d er Kaiser braucht ein H alb d u tzen d für sich und sein G efolge); m ußte aus dem W aldrevier das W ild zu*

sam m engetrieben, das Schloß zu P ru n k u n d Lustbarkeit ge*

rü stet werden. W ir lasen, daß Franz F erdinand die Flinte nicht in die H an d nahm ; d aß W ilhelm an einem T ag drei D utzend H irsche schoß u n d in fröhlichster Stim m ung war.

D ann gings nach D onaueschingen zum Fürsten M ax Egon von Fürstenberg. O b der m untere Kavalier sich diesm al eine W achsnase geklebt hat, die er in der W irm e des Kerzen*

lichtes langsam abtropfen ließ, erfuhren wir nicht; dieses K unststückchen soll ihm früher viel Beifall ein gebracht haben.

Sogar die Zahl der geschossenen Füchse blieb uns verborgen.

M ancherlei aber vernahm en wir. A us Berlin u n d aus Frank*

furt waren Bänkelsänger gerufen w orden, die C ouplets vor*

tru g en . A n den A benden, wo E uropa die Berichte über die K aiserdebatte des Reichstages las, ,D er Kaiser u nd die hohen H errschaften applaudirten stürm isch u n d sprachen in per*

sönlicher U n terredu n g ihre dankbare A nerkennung für das b rillant gew ählte Program m u n d die tadellose V orführung aus.4 Ein in Berlin sehr bekannter C abaretier hatte m it zwei G efäh rten der Jagdgesellschaft einen frohen A b en d bereitet.

Geschmackssache. D a an B ord der ,H o h en zollern‘ Matrosen*

kapellen, verm um m te C oupletsänger, D am enkom iker, Salon*

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W ie es kam 137

zauberer, G edankenleser, sogar G enerale als C ancantänzer gern gesehen sind, mag solches Biervergnügen auch an der D o n au m unden. Jagd, Frühstück im W ald,T afelm usik,T ingel«

tangel, ausgelassene H eiterkeit: der Kaiser un d K önig wollte keinen Zweifel d arüber lassen, daß ihn die im Reichshaus anberaum te G erichtssitzung nicht beküm m ere. Kanzler, Bun«

desrath, Reichstag, Staatsm inisterium betrauern des Reiches N o th und fordern den T h ro n en d en auf, das A nsehen der Krone fortan besser zu w ahren; das Land beb t in Krämpfen und kann seinen G ram nicht, kann seine Scham nicht länger bergen; aus spöttischem A uge blickt der Frem dling über die G renze und scheint zu fragen, ob, was er da sieht und hört, sich wirklich im Reich W ilhelm s und Bismarcks er«

eigne. D er Kaiser will der W e lt beweisen, daß solches Ge«

triebe ihm nicht eine A ben d stu n d e verdüstert. ,M ein Kurs ist der richtige und er w ird weitergesteuert.* D er Kaiser jagt, schlägt sich, wenn der Bänkelsang einen saftigen W itz bringt, auf den Schenkel und lacht, d aß die Scheiben zittern.

D er Kaiser ist lustig. Er ahnt nicht, was d raußen w ird.

W ilhelm jagt m ehr als seit der U nheilszeit Ludw igs des Sechzehnten wöhl je ein Regirender; u n d eine Jagdart, die in kurzen Stunden D utzende, H u n d e rte von T hieren auf die Treiberstrecke bringt, ist von edlem W aidw erk recht fern.

A us dem H o fb e ric h t m üßte festgestellt werden, wie viele Tage im Jahr der Kaiser auf der Jag d verbringt. Er reist und zerstreut sich ein Bischen viel. E d uard m acht m eist Geschäftsreisen, von denen er Etwas heim bringt; geht er an die See oder in die böhm ische Q uellenstadt, dann lebt er wie ein reicher Privatm ann und lernt dabei Leute kennen, die er sonst nicht sieht. D er bewegliche V ictor Em anuel sucht im G ew ühl zu verschw inden. Selbst der alte Franz Joseph lebt in Ischl kaum anders als ein w ohlhabender Feld«

zeugmeister. N u r W ilhelm zieht imm er m it dem ganzen Im perato rpru nk durch die W elt. D iese Freude wäre ihm zu gönnen, wenn ihr nicht ein höchst gefährlicher Irrthum erwüchse. W o was zu schauen ist, sammeln sich Gaffer.

W o das A uge sich um sonst sättigt, ist die H and zum A pplaus, die Kehle zum Ju b e l bereit. D en W enigen, die ihm vom

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138 Die Zukunft

U n m u th des Volkes zu sprechen wagten, hat der Kaiser lachend geantw ortet: ,Sie sind w ohl nicht von hier? A u f m einen Reisen sehe ich doch, wie das Volk denkt. Zeitung#

Schreiber un d Parteibonzen nörgeln. D ie N a tio n jauchzt m ir zu.‘ Leider: weil ihr Tubel nicht aus dem H erzen kom m t;

n u r aus heftig erregten Sinnen. A uch dem Perserschah w ürde zugejauchzt, wenn er in solcher Pracht einherkäm e. D ie Reizmittel des Caesarism us wecken in jed er M asse die Lust, m it H a n d u n d M u n d wenigstens in dem A usstattungstück m itzuw irken, das da durch die Straßen gefüh rt w ird. Wer*

ben dem in ewiger G lorie Spazirenden aber nicht haltbare Liebe. D er Kaiser hat sich einst einen .Richter in Empfängen*

genannt. D iese Em pfänge w erden sorgsam inszenirt un d oft zuvor m it Statisten du rch p rob irt, bis .Alles klappt'. D as Schauspiel ist ohne E intrittsgeld zu genießen : kein W u n d er, d aß die M enge herbeiström t. N ach dem grauen A lltag ein buntes V ergnügen: ,H u rra!' A m A bend freut der Kaiser sich dann des K inem atographen, der den Em pfangenen und die Em pfänger im Bild zeigt. ,W ie mein V olk heute wieder g ejub elt hat, als es mich sah!‘ U n d ist glücklich. W e n n der D alailam a in der Kutsche, der A fghanenem ir auf dem Pferd gesessen hätte, wäre der Ju b e l vielleicht noch lauter gewor*

den. W as er w erth war, kön n te W ilhelm jetzt wissen.

N ic h t d er Jagd nur, den E inzugsfreuden u n d dem Bän*

kelvergnügen w aren die d u nklen N ovem bertage g e w e ih t A ls am berliner K önigsplatz der G erichtstag dämm erte, ließ das K om m ando der H ochseeflotte an alle G efechtseinheiten eine V erfügung ergehen, die offenbar der kriegsherrlichen Initiative entstam m t. Lest sie; u n d lobet den H errn, d er A lles weislich verfüget.

Kiel, den zehnten November 1908.

Seine Majestät der Kaiser haben befohlen, daß das H urrarufen innerhalb des einzelnen Schiffes absolut gleichmäßig unter Hochnehmen der Mützen zu erfolgen habe. Beim Paradiren und H urrarufen ist*

d aher nach folgendem Befehl zu verfah ren : Es sind Posten mit Winkflaggen auf beiden Brückennocken, auf der Hütte, am Bug, am Heck und an sonst geeigneten Stellen des Schiffes aufzustellen.

Auf das Kommando: ,Drei H urras f ü r . . . ' werden die Flaggen hoch­

genommen. Gleichzeitig verläßt die rechte Hand der paradirenden

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W ie es kam 139

.Leute das G eländer und geht an den M ützenrand. Auf das erste Kommando ,H urra' gehen die Winkflaggen nieder, das H urra u ird wiederholt, während die Mützen durch Strecken des rechten Armes unter einem Winkel von etwa fünfundvierzig G rad kurz hoch­

genommen und, sobald das H urra verklungen ist, unter Krüm mung des Awnes kurz vor die Mitte des O berkörpers genommen werden.

Gleichzeitig gehen die Winkflaggen wieder hoch. Beim zweiten und dritten H urra wird entsprechend verfahren; nur werden die Mützen nach dem dritten H urra nicht wieder vor die Mitte des O berkörpers genom men, sondern kurz aufgesetzt, worauf die rechte Hand wieder auf ihren Platz am Geländer geht.

Bei der bevorstehenden Anwesenheit Seiner Majestät de; Kaisers

»st bereits nach diesen Bestimmungen zu verfahren.

I. V.

von Holtzendorff.

A m siebenzehnten N ovem ber wollte der Kaiser in Kiel die R ekruten vereidigen. D er wichtige Erlaß ward gewiß im D onauschloß des Fürsten M ax Egon besonnen.

,Es ließ m ir keine Ruhe: ich m ußte red en4, schrieb Friedrich W ilhelm der Vierte an Thile. K önnte auch sein G roßneffe geschrieben haben. Er m uß reden. U n d Nie»

m and hat das Recht, ihn zu hindern. N u r: die N a tio n will für seine Reden nicht länger verantw ortlich sein. Für von ihm G esprochenes und G eschriebenes nicht. D enn sie glaubt nicht, d aß der fast Fünfzigjährige sich ändern, ,sich Zurück*

h altu n g auferlegen* könne. D as Reichsgeschäft fordert ein politisches Tem peram ent, nicht ein dram atisches. D er Kaiser langt nach der A ugenblicksw irkung u n d freut sich, als wäre die W e lt eine Schaubühne, an W orteffekten, G ruppenbild dern, A bgängen und A ktschlüssen. W ir freuen uns nicht d aran; haben für solches V ergnügen höchstens von A cht bis Z ehn abends Zeit. W ir wollen die G eschäftsleitung un*

geschm älert Politikern gesichert wissen, die ü ber den Augen*

blick hinaus denken u n d jedes T h u n s, jedes U nterlassens Folge bis ans Ende ermessen. D ie sich nichts stets vor dem Photo* oder K inem atographen fühlen. G ründlich vorgebildet sin d u n d alle Stunden des Tages (un d , w irds nöthig, auch d er Nacht) ihrer A rbeit hingeben. D en n ohne zu arbeiten, von früh bis spät, kann heute selbst ein G enie nicht re*

giren. Für einen Ju p iter, der aus der W o lk e hervorblitzt,

ii*

(22)

140 Die Zukunft

danken wir. W o llen endlich in gleich starker R üstung m it den Rivalen um das Lebensrecht käm pfen. U n d Leuten, die an die Staatsspitze nicht taugen, nicht auf ewig unlös*

lieh verbunden sein. U ns die M öglichkeit wahren, taktlose, ungeschickte oder kom prom ittirte M enschen wegzujagen.

Solche M öglichkeit bleibt nur, wenn diese M enschen nicht im P u rp u r geboren sind.

D am askus, Kiautschau, Tanger. Krüger, Stoessel, W itte, Loubet, G oluchow ski, T w eedm outh, H ill, W ortley, H aie . . W e r zählt die V ölker, n ennt die N am en ? W ir haben ge­

nug. Schon m ü ssenM anuskripte, die Bekenntnisse des Kaisers enthalten, heim lich zurückgekauft w erden. Schon m üssen wir knirschend hören, wie in W estm inster der Premier und die ehrenw erthen A bgeo rd n eten das R eichshaupt in offener Sitzung höhnen. W ir w ollen nicht mehr. W ilhelm der Zw eite hat bew iesen, d aß er zur E rledigung politischer Ge?

schäfte ganz u n d gar ungeeignet ist; hundertm al bewiesen, daß ihm selbst bei günstigster M ark tk o n ju n k tu r kein A b ­ schluß gelingt. Er mag viele Fähigkeiten haben; diese fehlt ihm völlig. U n d hätte er den Keim in sich, so fände er, der Soldat u n d Seemann, Theologe u n d H istoriker, M aler u n d A esthetiker, D ichter u n d K om ponist, Jäger u n d Yacht*

man, Prediger, M aschinentechniker u n d Regisseur ist, nicht die M uß e, die innere Stille, ohne die nichts hienieden zu reifen vermag. ,L’univers sous ton regne*: D as paßte viel»

leicht in die T age des Sonnenkönigs. H eu te w ürde durch die U b iq u itä t eines H errschers n u r A ergerniß gegeben. W er mag denn imm er von Einem hören, in jedem Morgen* und A b e n d b la tt neidisch seines Erlebens Spur finden? W ir wol*

len auch nicht, d aß der Kaiser seine Standarte über die W älle einer Festung wirft, die für uns w erthlos ist un d deren Schanzen w ir dann doch stürm en m üssen, um die Standarte zürückzuholen. G ehts wie bisher w eiter, so m üssen wir einen Krieg führen, um die verlorene A chtung w ieder zu erw erben und uns vom Fluch der H eerdenlächerlichkeit zu lösen. D as w ollen w ir nicht. Ein langwieriges Schauspiel n u r: da wäre der B lutpreis zu hoch.

D e r Kaiser ist nicht M onarch. D as Reich ist souverain;

nicht der Kaiser. D er d arf das Reich nicht ohne die Zu*

(23)

W ie es kam 141 Stim mung Sachverständiger binden. U n d diese Sachverstän*

digen dürfen nicht gezw ungen sein, drei Viertel ihrer K raft imm er erst an die B eantw ortung der Frage zu verw enden, wie ihr vernünftiges Planen dem Kaiser plausibel zu machen ist. W ir w ollen nicht T ag vor T ag in unserem Kulturge*

fühl gebildeter Europäer du rch Rede un d Schrift beleidigt sein. W ir w ollen Staatsgeheim nisse wahren. Frem den we­

der schm eicheln noch drohen. U nw ahrhaftigkeit, Gaukel*

spiel, B yzantinerprunk verachten. W ie d e r b ü n d n iß fäh ig wer»

den. U ns vor H än deln hüten, unverm eidliche aber ohne feiges Zagen ausfechten. U ns nie ohne D eckung zu weit vorwagen, nie aber auch vor einer G efahr oder einem Bluff zurückw eichen. D ieser W ille schon zw ingt die alte Reichs?

kraft herbei. U n d die alte A chtung k ehrt w ieder, seit be?

wiesen ist, d aß der D eutsche auch gegen den Kaiser noch zu w ollen wagt.

Einem deutschen Z eitungschreiber hat der D eutsche Kaiser des H erzens Schrein nie noch entriegelt. Engländer, Am erikaner, Rom anen fanden den W eg zu ihm. A uch ein Beschw erdepunkt: die bis zur U m w erb un g gehende Bei«

günstigung der A usländer. M ancher deutsche K ünstler, Ge*

lehrte, Industrielle, K aufm ann gäbe ein Ja h r seines Lebens hin, um W u nsch u n d Planen ins O h r des Kaisers zu bringen.

Kann aber nicht erreichen, was den A rm our, M enier,E tienne, G u n sb o u rg in den Schoß fällt. D as A nsehen der D eutschen w ird schmaler, w enn ih r R epräsentant sie seltener als Fremde in seine N äh e zuläßt. U nter den A m erikanern, die ans Ziel kamen, war auch der Jo u rn alist W illiam Bayard H aie. Zwei Stunden lang hat der Kaiser zu ihm gesprochen. W as er da gesagt hatte, sollte veröffentlicht w erden; nach dem Ion*

d oner O k to bersk and al m ühten die Leiter des A usw ärtigen Am tes sich hastig, die V eröffentlichung zu hintertreiben, und stim m ten den Verlag des .C en tu ry M agazine’ wirklich zum Verzicht auf den fetten Bissen. D ennoch sind wichtige Theile des Berichtes ans Licht gekom m en. W as W ilhelm ge

*

sagt haben soll, klingt beim ersten H ö ren unglaublich. Eng*

land hat, da es sich den Jap anern verbündete, die Sache der

w eißenR asse verrathen u n d w ird in n a h e rZ e itfü rd ie seS ü n d e

au b ü ß en haben. D e r Krieg um die Z u k u n ft des Stille»

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142 Die Zukunft

O zeans ist nicht lange m ehr zu verm eiden. W enn zwischen den V ereinigten Staaten u n d Jap an der blutige K am pf be*

ginnt, m uß E ngland wählen. Bleibt es dem B ündnißvertrag treu u n d ficht für die G elben, so w ird es in der w eißen W e lt verhaßt und verliert m indestens in A m erika seine Ko*

lonien; d aß A ustralien u n d N euseeland ihm au f diesen W eg nicht folgen w ürden, zeigt schon die E inladung, die das Sternbannergeschw ader jü n g st an ihre K üsten rief. L äßt es die Jap an er im D ran g allein, so schürt deren w üthende Ent*

täuschung in Indien die fortglim m enden F unken; in ganzen Stößen liegen P ro k lam atio nen in T o k io fertig un d der A u fru h r wäre das W e rk kurzer W ochen. Diese gefährfiche W ah l w ird den Briten nicht erspart. U n d wer, wie D eutschlan d, unter britischem H och m u th leidet, wer, wie W ilhelm , vom K önig E d u ard zwei Jah re lang ,geschnitten* w orden ist, m uß wünschen, d aß diese E ntscheidung nicht zulangehinaus*

geschoben werde. M it den V ereinigten Staaten ist das D eutsche Reich einig. Beide w erden, m it der H ilfe der M oham m edaner, die fü r diesen Fall m it deutschen G ew ehren bewaffnet, von deutschen O ffizieren erzogen sind, gegen die anglo^japanische K oalition käm pfen, sie niederzw ingen und sich C hina verbünden, dessen G ebiet unantastb ar un d allen V ölkern offen sein soll. Als Preis verlangt D eutschland nu r Egypten Und das Recht, den T ü rk en das Heilige Land zu entreißen. D an n d ro h t von A sien keine ,gelbe G efahr1;

bleib t E uropa auch vor dem Schrecken britischer Hege*

m onie bew ahrt. D as Volk, das den schnöden, nieder*

trächtigen K rieg gegen die Buren g efü h rt hat, ist von G ottes Z o rn bed ro ht. M it Frankreich w ird, w enn der Britenleu erst aus der H a n d friß t, D eutschland sich leicht verständigen.

Britanien ist ein sinkendes Reich u n d sein K önig . . . A ui E duards H a u p t hageln die Pfeile.

Alles erfunden, heißts in Berlin; nie hat W ilhelm auch nur ein ähnlich klingendes W o rt gerprochen. V on allen für die U rtheilsfindung W ichtigen zweifelt im Innernsten Keiner an der richtigen W iedergabe des G espräches. Sie zu bestreiten* könnte das P atriotengefühl uns drängen.

D essen R egung diesm al aber unw irksam bleiben m üßte.

Sp .spricht W ilhelm der Zw eite. Z u viele Leute leben, die

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Wie es kam 143

solche G edanken, fast in der selben Fassung, auf Wil.»

heim s Lippe gefunden hab en ; auch in D e u tsch la n d zu viele.

W e n n w ir heute leugnen, werden w ir m orgen überführt.

W e n n w ir heute aufathm en, schnürt m orgen neuer Gram , neue Scham uns die Kehle zu. Je schneller das G ift heraus»»

eitert, je rascher der im Inselreich gehäufte Sprengstoff zer*

prasselt, um so besser für D eutschland. W ir könnens dem Kaiser nicht ersparen. W aru m ersparte er uns nicht die W ahl, zuerst an ihn oder ans Reich zuerst zu d en k en ? Er hat in den beiden Interview s Britanien, R ußland, Frankreich, Jap an, H olland , die T ü rkei gekränkt, alle A nderen m ißtrauisch ge*

m acht und in A m erika, wo er so eifernd Liebe gesät hatte, nur H a ß und H o h n geerntet. Vorbei. Zw ei M öglichkeiten boten sich ihm. Er kon n te dem Reich das O p fer freiwiliger A b d an k u n g bringen oder au f das A m t des G eschäftsführers verzichten, für das er nicht p a ß t und das heute keinem Ge*

k rönten u n d drum U nentfern b aren zufallen darf. D iesen Verzicht hat er öffentlich ausgesprochen; braucht unser Ver*

trauen in seine Politikerfähigkeit also nicht mehr. Er will nicht inB ossuets, nicht in Fritzens Sinn ferner noch deutsches Schicksal regiren, sondern der still th ro n en d e K önig un d Kaiser reifer und selbstbew ußter V ölker sein, die m it seinen A hnen Verträge geschlossen haben. O b ers vermag, müssen'.

wir in G ed u ld ab w arten . D och entschlossen sein, jedem Schritt,, der auf den W eg ins U nglück zurückführen könnte, uns w uchtig entgegenzustem m en. N ich tF ried e: W affenstillstand.

A uch D eutschlands Volk m uß sich ändern. D em Tand,, dem Prunkschauspiel, derT itelsuchtentsagen, demSchmeichel«»

dienst sich entw öhnen, seine G ru n d rechte gebrauchen, dem K önig un d Kaiser im poniren lernen. W e r kennt denn die V erfassung g rü n d lich ? W e r n u r von D enen, die sie jetz t um stülpen oder flicken m öchten? Sie genügt dem B edürfniß noch; m it geringeren Rechten und M achtm itteln hat' Bri*

taniens Parlam ent die Stuarts unter den W illen des Gesetzes gebeugt. Kriechet nicht vor dem Kaiser noch haltet Euch fern von ihm wie, in der Sterbestunde, C hinas Edle von dem H im m elssohn, dessen Siechbett Keiner nahen darf und der in Asiens H ofpom p einsam verröchelt. Seht ihn mensch*

lieh; den M enschen. W enn an seinem W illen auch nie wieder*

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144 Die Zukunft

das Schicksal deutscher M enschheit hängen darf: ein guter V ertreterleuchtenderR eichshoheitkanndieserlm pressionable, m it seinem w irbelnden Eifer, seiner fluthenden un d ebbenden E inbildnerkraft, m orgen noch w erden. M acht es ihm leicht;

unüberw indlich schwer nu r die E rfüllung des jäh etwa auf«

flackernden W u nsch es, w ieder in den Bereich nüchterner G eschäfte hineinzutosen. R inget ihm A chtung ab; die Er*

kenntniß, daß Ihr sicherer, als er that, aus der Summe des M öglichen das N oth w en d ig e herausrechnen könnt. U n d sprecht gelassen dann, m it artiger T apferkeit, zu den Frem*

den: ,D aß Euch des Kaisers Z unge gekränkt hat, schmerzt uns. D a ß er in der Stunde des Scheltens und D rohens eben so ehrlich war wie in der des W erb en s und Streicheins, braucht Ihr nicht zu glauben. W ir wissens. Fraget fortan nicht im m er n u r ihm nach. M einet nicht, Ihr Briten, weil seine vom O n kel gereizten N erven von W eltk atastro ph en träum ten, für die A bw ehr deutscher Erobererheere Euch rüsten zu müssen. Im Bannkreis solchen Spukes m üßte E uer W ohlstan d, wie unser jüngerer, versiechen; u n d trotz der Interessenspaltung sind wir doch V erw andte u n d nicht für ewige Z eit vor der gelben, der braunen un d schwarzen M enschheit in sicherer H u t. W enn Ihr die H offnung auf*

gebt, sechzig M illionen arbeitsam er, gestählter und geschulter M enschen je w ieder als arme V ettern aus dem Kontinental*

w inkel behandeln zu dürfen, werden w ir uns eines Tages auch ü b er die Flotte verständigen. W eil wir m üssen. Beide.

Schon denkt m ancher Ernüchterte wie Fritz von Preußen einst: Ich glaube nicht, daß w ir uns je überreden lassen dürfen, eine K riegsm arine zu schaffen; den großen Flotten E uropas w ürde unsere doch nie an K raft gleichen; und wenn wir w eniger Schiffe haben als andere N ationen, ist die Aus*

gäbe nutzlos. Einem h ab t Ih r fürchterliches Planen zuge*

traut. Er b litzt nicht m ehr; w ird Euch m it D o n n er nicht m ehr aufschrecken; ein Kaiser wie andere Kaiser werden.

M erkts Alle, in W e st u n d O st! W ie W ilhelm ü ber eine

Person, eine Sache den k t: daran h ängt von m orgen an die

E ntscheidung nicht. D er Versuch, ihn durch Schmeichelei

zu k ö d ern oder durch Bluff einzuschüchtern, verheißt nicht

länger Lohn. W e r m it dem D eutschen Reich Geschäft«

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