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Die Zukunft, 20/27. Dezember, Jahrg. XXVIII, Bd. 107, Nr 12/13.

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(1)

XXVÜI. Jahrg. fieriin, den &0./2t. Dezember i9i9 Nr. 12/1$

Herausgeber

Maximilian Harden

INHALT

Seit«

M it eiserner Schaufel . . . 347

Nachdruck verboten

E r s c h e i n t j e d e n S o n n a b e n d

Preis vierteljährlich 10,— Mk., das einzelne Heft 1,— Mk.

B ERLIN

Verlag der Zukunft

G roßbeerenstraße 67 1919

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Berlin W. T au en tzienstr. 3

1 a Roter. a .\V it t e n b e t 'r p l,u z F e r n r u f: S le in p l. ^468

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Mit eiserner Schaufel

D i e M ö r d e r g r u b e

A m elften M ärz sind in Berlin neunundzw anzig schuld*

^ lose D eutsche in grauser M etzelei getötet, ohne Richter»

spruch, ohne V erhör, ohne die knappste Frage nach Schuld o der U nschu ld gem ordet, sin d m indestens zw eihundert an*

dere D eutsche, ohne den w inzigsten Versuch, ihnen irgend*

welche Schuld nachzuw eisen, S tunden lang, wie gefährlich w ilde R aubthiere, in den engsten Käfig gepfercht, mißhan»

delt, ausgeplündert w orden. Spätestens zwei Tage danach w u ßte die M ilitärgerichtsbehörde, w u ß te n zwei Staatsan*

wälte des berliner Landgerichtes, d aß diese Schandthat die unm ittelbare Folge von Befehlen war, die der Reichswehr*

m inister N o sk e u n d der B rigadekom m andant O b erst Rein*

hard gegeben hatte; insbesondere von Befehlen des H errn R einhard, „m öglichst viele M itglieder der Volksmarinedi»

vision bei der G elegenheit des L öhnungappells zu verhaften“

u n d „A lles zu erschießen, was m an irgendw ie erschießen k ön n e“ . D ie m it steigender H eftigkeit w iederholten Blut*

befehle des u n w ü rd ig leichtfertigen Befehlshabers sind am zw eiundzw anzigsten N ovem ber h ier in dem du rch glaub*

hafte Zeugenaussagen b ek u n d eten W o rtla u t veröffentlicht un d dieser W o rtla u t ist in der H a u p tv erh an d lu n g w ider d e n O berlieu tenan t M arloh als richtig erwiesen w orden. In n eu n M onaten sahen w ir nicht einen ernsten Versuch zu

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348 Die Zukunft

S ü h n u n g d es niederträchtig ruchlosen Verbrechens. D er That*

bericht des zuerst A ngeschuldigten verschw and aus den A kten;

wer ihn verschw inden ließ, ist nicht erm ittelt w orden. N eue Berichte, deren zw eiten H err M arloh „eine L um perei“ ge*

nan nt hat, w urd en von den w eder von A m tes wegen noch d urch V o rgangskenntniß dazu befugten Staatsanw älten Zum*

broich u n d W eism ann gem acht, die noch im A m t sind. Vor«*

gesetzte hab en dem A ngeschuldigten em pfohlen un d ermög»

licht, sich durch Flucht der G erichtsbarkeit zu entziehen;

sie sin d unangetastet in ihren Stellungen geblieben. D er M ann, der den zur Flucht nothw en dig en falschen Paß (a u f den erfundenen N am en eines H auptm annes M oergner) un*

terschrieben hat, der durch seine Weimarer u n d berliner M inisterfütterungen bekannt gew ordene, aus weniger bekann?

ten G rü n d e n zum G eheim en Regirung» Rath ernannte kölner E isengroßhändler Strauß, ist nicht zu Z eu gniß vorgeladen, nicht gefragt w orden, von wem, u n ter welcher B egründung, das V isum erbeten u n d w odurch d er G eheim rath b estim m t w urde, esfür einen ihm persönlich U n b ek an nten zu gew ähren.

D iese Frage w urde auch nicht dem H errn N o sk e gestellt, dessen N am e unter anderen gefälschten A usw eispapieren des Flüchtlings steht. D ie preußischen M inister der Justiz, des Innern u n d der berliner P olizeipräsident w u rd en nicht gefragt, w arum sie untergebenen Beamten die G enehm igung zu A ussage im V orverfahren geweigert, ohne R echtsgrund die A u fh ellu n g des T hatbestandes g ehindert haben. Ober*

lieutenant Eugen von Kessel, C hef eines V igilantendienstes, der vom C orps Lüttw itz, vom Staatskom m issar für innere O rd n u n g (Berger*Strauß) u n d vom berliner Polizeipräsi*

denten (G enossen Eugen Ernst, Verfasser eines Buches ü b e r u n d gegen Spitzelw esen) m it G eldm itteln versorgt w ird, hat als schon im Erm ittelungverfahren, nach § 1952 d er M ililtärstrafgerichtsordnung, beeideter Zeuge am sechsten Ju n i ausgesagt: „Ich habe M arlo h in keiner W eise gew arnt, weil ich ja nicht w ußte, was bevorstand. Ich w eiß nicht, wer der U n b ek an nte war, der M arloh abholte, w eiß nicht, wo M arloh weilt, habe auch keine A n h altsp u n k te.“ Mar*

loh s A ussage lautet: „Kessel rief m ir z u : ,Sie lassen sichso fort

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eine Prothese machen, bekom m en andere Papiere und G eld u n d m üssen u n b e d in g t sofort verschwinden.* Ich lehnte ab.

Kessel ließ aber nicht locker. A u f keinen Fall dürfe eine V ernehm ung in der Sache stattfinden; O b e rst R einhard u n d andere, höhere Stellen dürften nicht k o m p ro m ittirt werden D anach hatte ich m it Kessel noch einen heftigen A u ftritt in dieser A ngelegenheit. Als ich dann auf der F lur (des Land#

gerichtes) Kessel traf, rief er: ,W ie, um G ottesw illen, können Sie sich hier m itm ir sehen lassen!* E r war vollkom m en fässung los. D u rch Kessel w urde auch Pfarrer Rum p um gestim m t u n d rieth m ir n u n auch zur Flucht. D er K riegsstam m rollenauszug, d«n ich erhielt, tru g die Buchstaben ,v. K .‘; ich nehm e an, d a ß er von Kessel Unterschrieben war. Von Kessel hat L ieutenant W ehm eyer den Stempel, hat Lieutenant H offm ann, sein Ad«*

ju ta n t, fünftausend M ark u n d die Fahrkarte Erster Klasse nach F ra n k fu ita m M ain für mich erhalten. A uch das später nachgeschickte G eld kam in ausdrücklichem A uftrag Kessels.“

D er hat, wie ein G eneral u n d ein Pfarrer bezeugt haben, m it unerm üdlichem Eifer M arlohs Flucht em pfohlen und als Preis des „O pfers für höhere Stellen“ dreih u nd erttausen d M ark angeboten. G ru n d genug zu dem V erdacht, daß er am sechsten J u n i wissentlich Falsches beschw oren habe, also eines Ver*

brechens schuldig sei. W as schreibt fü r solchen Fall das G esetz v o r? „D ie U n tersuch u ng h aft ist zulässig, w enn drin*

gende V erdachtsgründe gegen den Beschuldigten vorhanden sind un d entw eder ein Verbrechen den G egenstand der Unter»

suchung b ild e t oder der Beschuldigte der F lucht verdächtig ist oder Thatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß der B eschuldigte Spuren der T h at vernichten, Z eugen zu einer falschen A ussage oder dazu verleiten w erde, sich der Z eu g niß pflich t zu entziehen“ (§ 176 der M ilitärstrafge»

richtsordnung). M eineid ist ein V erbrechen; der Beschul»

digte, der M arloh zu Flucht trieb, ist selbst d e r Flucht und des W illen s zu V erdunkelung (im Interesse des Staates u n d

„höherer Stellen“) dringen d verdächtig. A lle drei Voraus»

Setzungen treffen zu. N o ch am dreizehnten D ezem ber aber hatte der G erichtsherr nicht die U ntersu ch un ghaft angeord»

net. D e r O berlieutenant ist nach der A ussage vom sechsten

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350 Die Zukunft

Ju n i H au p tm an n gew orden, füh rte die Erste A b th eilu n g der Sicherheitw ehr u n d war dem A rm bürgerlicher Gerichtsbar*

k eit unerreichbar. Im V orverfahren waltete das G ericht des G ardekavallerie * Schützencorps (L ü ttw itz); wie das Staats»

kom m issariat für innere O rd n u n g u n d das Polizeipräsidium m itw irkten, sahen wir. H e rr von Kessel hatte m it den drei M ächten zu thun, die fü r seinen Spitzeldienst die G eldm ittel, bis zu sechzigtausend M ark im M onat, liefern. O berst Reinhard, so lasen wir, ist auf seinen A ntrag, m it dem ihm zustehen*

den R uhegehalt aus dem D ienst entlassen w orden. G lauben unsere Effrontes ernstlich, m it M ächlerei u n d N otizengekram die ungeheure Sache abthu n , hinter die vollen H osen eines Preßgesindes, das stets hündisch vor thronendem U nrecht gewedelt, nie zu R ettung geschändeten Rechtes einen Finger geregt hat, ewig, wie hinter eine Erzmauer, sich bergen zu k ö n n en ? W äh n en sie, großschnäuzige M inisterreden in der N ationalversam m lung über den unvergänglichen R uhm deutscher Rechtspflege k ö nn ten andere W irk u n g haben als die, stockernste H ü h n e r zum Lachen zu b rin g en ? O b erst R einhard ist, m indestens, sehr d ringend verdächtig, A nstifter der T h a t zu sein, die H errn M arloh vor das K riegsgericht brachte; u n d sein H a n d eln fällt in den Bezirk des § 118 im M ilitärstrafgesetzbuch, der sagt: ,W er vorsätzlich seine Strafbefugnisse überschreitet, insbesondere, wer wissentlich unverdiente oder unerlaubte Strafen verhängt, w ird m it Ge*

fängniß bis zu fünf Jahren bestraft; zugleich kann auf Dienst*

entlassung erkannt w erden.“ D a ß m an den Schuldigen, ehe gegen ihn ein Strafverfahren eifigeleitet war, gehen ließ, ist unverzeihlich. Er m uß angeklagt, m uß wegen gröbsten, in seinen Folgen grausigen M ißbrauches der D ienstgew alt ver*

urtheilt u n d zugleich m uß d er ganze R attenkönig von Ver*

brechen, Vergehen im A m t, Fälschung, B egünstigung ent*

knotet, geköpft, dem schmählich beleidigten Rechtsbewußt*

sein Sühne gesichert w erden. D ie letzte Rechtsgrundlage des deutschen Staates m ü ßte bersten, w enn diese Sühne nicht rasch käm e; u n d des A ufru h rs heisere Stimme w ürde sie fordern. Ein ju n g er O ffizier, der vom ersten bis in den letzten Kriegstag, als F reund seiner M annschaft, in G raben

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u n d Feuer stan d , schrieb m ir: „D ie Z ustände in diesem D eutsch lan d sind so erschreckend, d aß man sie nicht län*

ger thatlos hinnehm en darf. W en n Leute vom Schlag der N oske un d R einhard straflos bleiben, müssen w ir noch ein*

mal die G ew ehre nehm en un d die beschw orene Verfassung, mag sie noch so jäm m erlich sein, vertheidigen. Es lohnt sich nicht, in einem Staat zu leben, der die einfachsten, eie*

m entarsten M enschenrechte m ißachtet.“ Eine Stimme von tausenden. U n h ö rb a r gewissenlosen P fründnern, die heute bei H errend iner, m orgen bei Fam ilienfraß schmatzen und sich einbilden, m it dem Schleppm antel gestern erlisteter, er*

w isperter, erstohlener M acht alle Schmach alltäglicher Rechts»

versudelung zudecken zu können. D och die Stimmen ent*

schlossener, zum A eußersten, wenns sein m uß, zu wirklicher, erbarm ungloser R evolution entschlossener M änner. Fest ent*

schlossen auch, jeden dieser schwatzhaften, unw ahrhaftigen Zufallsm inister persönlich vor dem V olksgericht für Un*

recht verantw ortlich, für Schandthat h aftb ar zu machen. W ird die M assenm etzelei, die bestialisch grausam e H in m o rd u n g U nschuldiger n u n , endlich, an den V erbrechern gesüh nt?

Sputet Euch, Excellenzen! Sonst m uß der Saustall, dessen Pest him m elan stinkt, von außen entriegelt, entm istet wer*

den. U n d die E unuchengarde schurkischer Schreiber, denen das Recht m ilchende K uh oder dem Z u h älter Schandzins einbringende D irne ist, w ird die U nrechtshäufer, die Groß*

siegeibew ahrer aller Schmutzerei nicht vor dem Zugriff, dem Brandm arkeisen, dem Strang des H enkers schützen.

Ein Brief, der zu diesem G egenstand gehört:

„Nach langem Hin- und Herschreiben, nach drei Vierteljahren des W artens auf Antwort auf meine Gesuche war endlich der Tag der Verhandlung herangekommen. Eine W oche vorher hatte ich an den Reichswehrminister geschrieben und gebeten, als Zeuge geladen zu w erden; ich schilderte in dem Brief die VorgäDge in der Franzö- sischenstraße, wie ich sie in dem am sechsten Dezember hier abge­

druckten Brief geschildert habe. Die Antwort lautete: ,Persönlicher Stab des Reichswehrministers. Ihr an den H errn Reichswehrm inister gerichtetes Schreiben ist an das Oberkommando Noske abgesandt.£

Am zweiten Dezember kam wieder ein Schreiben. ,Reichswehr­

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352 D ie Zukunft;

gruppenkommando I, Lüttwitz. Ihr an H errn Reichswehrminister gerichtetes und hierher gesandtes Schreiben betreffs Zeugenladung ist zur U ntersuchungsache Marloh an das zuständige Gericht der Reichswehrbrigade 30 weitergegeben w orden/ D a von dem Gericht keine A ntwort kam, ging ich selbst ins Kriminalgericht. Die V er­

handlung hatte schon angefangen. Meine Bemühungen, mir Eintritt zu verschaffen, mißlangen an dem ersten Verhandlungtag. Ich hatte mich nun an H errn Dr. Meyer, Kriegsgerichtsrath und Anklagever­

treter im Prozeß Marloh, mit der Bitte gewandt, als Zeuge vernom ­ men zu werden. Mit Achselzucken sagte er mir: ,Ja, H err Roeder, Ihr Name ist mir bekannt, aber ich habe zw eihundert Anträge, J e ­ den zu laden, ist unm öglich; und Ihr Geld bekommen Sie hier doch nicht.' Ich legte ihm Papiere vor, betheuerte, daß ich schwer g e­

schädigt und ein w ichtigerZ euge sei: Alles vergebens. So trat ich denn den Rückw eg an und besorgte m ir für die nächsten Tage eine Einlaßkarte. Mit zusammengepreßten Lippen, mit geballten Fäusten, mit laut pochendem H erzen hörte ich mir die Darstellung der schreck­

lichen Vorgänge an. Lüge auf Lüge drang an mein Ohr. Ich hätte aufspringen mögen, um den Thätern die W ahrheit mitten ins Gesicht schleudern zu dürfen. Ich durfte nicht, W ie ein Dolchstich ging es durch mein Herz, als der Angeklagte den Richtern zurief: ,Von meinen Leuten hat keiner sich der M ißhandlung schuldig gemacht, keiner geplündert!' Ein Angeklagter braucht ja nicht der W ahrheit die Ehre zu geben. W o ist meine Brieftasche, Inhalt 350 Mark nebst Lebensm ittelkarten? W o ist meine silberne Uhr nebst Kette?

Hat nicht Marloh selbst sie m ir abgenommen? Ich erkenne ihn wieder, trotzdem er heute Uniform trägt. W arum trug er damals, als Befehlshaber einer scharf schießenden Truppe, Civil? Mein ge­

sunder Menschenverstand weiß es und der m einer hingeschlachteten Kameraden wußte es in der Todesstunde auch. Sollte uns nicht eine Falle gestellt werden? D er Offizier-Stellvertreter Penther, der ,von Herzen gern' auf dreißig unschuldige Deutsche schießen ließ, ist inzwischen zum Lieutenant befördert worden. A uch ihn erkenne ich. Ja: D ieser wars, der mich mit den schönsten Kraftausdrücken eines ,besseren Menschen* (Das glaubt er zu sein) belegte, mich V e r ­ brecher', ,blauer H und' und Aehnliches schim pfte, der das Bild eines Erschossenen hochhob und rief: ,Diesen Lumpen habe ich eben miterschossen! Das Bild werde ich meinem Oberst zeigen!' Dem Oberst Reinhard? Ich hörte, sah, erinnerte mich deutlicher als je der V orgänge: und mußte schweigen. Ich hörte auch den Freispruch. So viele Menschen ins Unglück gestürzt: und kein Schul­

diger. Das ist gerechtes Gericht. Niemand wird sich unser nach

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diesen spannur.gvollen Tagen noch erinnern. Oder leuchtet doch ein Stern, der den W eg zu Gerechtigkeit zeigt? Holz und Kohle fehlen im Haus; aber einen Stoß Antwortschreiben auf meine Ge­

suche, als Zeuge oder Kläger geladen zu werden, habe ich. Nur schaffen sie, wenn ich sie verbrenne, mir keine warme Stube.

Wollen Sie, Herr Harden, noch einmal für uns eintreten? Herm ann Roeder, Berlin, Elisabethstraße 4

K le in e A n f r a g e

„Anfrage Nr. 569. In dem vor dem berliner Militärgericht verhandelten Mordprozeß Marloh machte der H auptm ann Schwabacher als Zeuge unter seinem Eide das Eingeständniß: ,Meines Erachtens trägt an der Erschießung der Matrosen in der Französischenstraße der Noske-Erlaß die Schyld. W ie weit die Regirung ging, illustrirt der Fall der Haftlisten, welche kurz vor dem Versailler Frieden auf­

gestellt wurden. In diesen Haftlisten setzte sich der R eichsw ehr­

minister Noske über die Immunität der Unabhängigen Abgeordneten hinweg, weil der Minister die Absicht hatte, gegen die U nter­

zeichnung des Friedens zu stimmen. D a es sich um einen Eventual­

befehl handelte und der Minister nachher für den Frieden stimmte, sind die Haftlisten nicht in Kraft getreten: aber ihre Aufstellung ist überaus bezeichnend. So war es in zahlreichen Fällen.' Inw ie­

weit [und seit wann ist die Regirung über dieses Vorgehen des W ehrm inisters Noske unterrichtet? W as gedenkt die Regirung zu thun, um die gefährdete Immunität der Mitglieder der N ationalver­

sammlung und um Freiheit und Leben schuldloser Staatsbürger sicher­

zustellen? Berlin, am neunten Dezember 1919. Kunert. Henke “ U m rasche A n tw o rt wird gebeten.

S p r e e s p e l u n k e n

D ie ältere, noch aber fortstinkende Schmach des in der Sache Liebknecht*Luxem burg gefällten U rtheils soll jetzt in der Stille verscharrt werden. D ie Zw ei sind, als w ehrlos G efangene, von der W achm annschaft m it langsam martern«

der G rausam keit gem ordet w orden. D ie T h a t w urde zuerst schlau hinter einen dichten Lügenschleier geborgen, in den ich den ersten Schlitz reißen konnte. W eil danach das ganze T ruggew ebe sich löste, das frech erfundene M ärchen von V olkszorn u n d L ynchjustiz nicht m ehr zu halten war, m ußte m an sich zu A nklage u n d H au p tv erh an d lu n g entschließen.

Ein Soldat w urde (genau wie später, n u r ohne öffentliche Ver*

han d lu n g , auf dem schw anken G ru n d eines G utachtens, der

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354 Die Zukunft

M ö rd e r H aases) für „geisteskrank“ erklärt und, „bis au f W eiteres“ irgendw o nett untergebracht, der O berlieutenant Vogel zu gelinder Strafe verurtheilt, vor deren A n tritt aus der H a ft befreit, m it gefälschten A usw eispapieren u n d G eld nach H o llan d , nach A rgentinien befördert. V on einem Ver«

fahren gegen die Paßfälscher, fahrlässigen A ussteller amt*«

licher U rk u n d en , B egünstiger der Flucht haben w ir bis heute eben so wenig gehört wie im Fall Moergner*Kessel«Strauß«

N oske. D ie V orspiegelung des K riegszustandes gab dieM ög«

lichkeit, gegen das „im F eld “ ergangene U rth eil die Rechts*

m ittel der B erufung u n d der R evision auszuschließen. Rechts#

kraft un d V ollstreckbarkeit erlangt solches U rtheil „durch die B estätigung; wem das B estätigungrecht und das Auf«

hebungrecht zusteht, bestim m t der K aiser“ (§§ 419, 20, 22 der M ilitärstrafgerichtsordnung). D e rH e rrK a ise r ist nun aber als D eserteur ins A u slan d entw ichen. N icht, wie neulich, bei einer A usstellung seiner vielfach als falsch erw iesenen Ge«

d äch tn iß bilder, G eneral L udendorff behauptete, um durch sein V erschw inden aus der H eim ath dem deutschen Volke günstigeren Frieden zu erlangen (d er gerade, wie Bona«

partes V organg lehrt, durch freiwillige Selbststellung des Im«

perators zu sichern w ar), sondern, wie am neunten November«

abend 1918 W ilhelm selbst an seinen ältesten Sohn schrieb,

„weil der Feldm arschall m ir gem eldet hat, daß er meine Sicher«

heit im H a u p tq u a rtie r nicht m ehr verbürgen könne u n d daß auch die T ru p p en nicht m ehr zuverlässig seien“ . A us ge«

m einer Furcht, in bleicher A ngst um sein von G ottes G nade doch w ohl nicht m ehr zulänglich geschirm tes Leben hat er „nach schwerem inneren K am pf sich entschlossen, das H eer zu verlassen u n d nach H o llan d zu gehen“ . Fahnen«

flucht im Feld. G efängniß von fü n f bis zu zehn Jahren un d V ersetzung in die Zw eite Klasse des Soldatenstandes. Ge«

neral Ludendorff, der um die selbe Z eit, als, freilich, Ver«

abschiedeter, zur Reise Berechtigter, nach Schweden ging, kennt die Ereignisse nicht, w eiß nicht, wie hart der Kriegs«

m inister selbst öffentlich über den Feigling u rtheilte, der M illionen w ürdigerer M änner in den T o d gejagt hatte un d in der ersten F ährn iß stu n d e n u r an seine „Sicherheit“ dachte;

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365 u nd sollte nicht länger noch leichtfertig ü ber D inge sprechen, deren U n tergru nd er nicht einmal durchzufühlen versucht hat. M it dem Kaiser ist auch dessen Bestätigungrecht ge*

storben. A uferstanden aber und eingegangen in die erlauchte Person des A llerhöchsten B ürgerkriegsherrn G enossen G ustav N oske, Reichsw ehrm inisters, G eneralissim i, Oberkomman*

direnden in den M arken. D och ,,mein Ju staf der Süße, der braucht was für die Füße, u n d K lappen vor die O hren auch und dann was W arm es um den B auch.“ Fräulein Kläre W aldoff singts; und ungefähr, nur m it anderen W o rten , sagts der m inder beträchtliche Offiziosus des Zupackers. „D a es sich um ein U rtheil eines berliner M ilitärgerichtes handelt, war der O berkom m andirende zuständig. D er Bestätigung ist eijje nochm alige D u rch p rü fu n g durch m ilitärische un d civile Sachverständige vorangegangen. D iese w aren einstim m ig der U eberzeugung, daß auf G ru n d des vorliegenden Ma*

terials auch eine W iederh o lu n g des Prozesses ein anderes U rth eiln ich t ergeb en k önn e.“ Punktum . U.nd weil die „Durch*

p rü fu n g “ nicht, wie sich ziemte, höchstens acht Tage, son*

dern M onate gedauert h a t, hören wir erst in der zweiten Dezem berw oche, d aß un d von wem das lieblich duftende U rtheil bestätigt w orden ist. U nverschäm tes G equatsch.

W enn n u r an der Frage, ob „auf G ru n d des vorliegenden M aterials ein anderes U rtheil ergehen k ö n n e“, die Entschei*

dun g hinge, wäre nu r Revision („D u rc h p rü fu n g “ ), nicht Be*

ru fu n g u n d W iederaufnahm e des Verfahrens, um die sich doch der V erstand ganzer Juristengeschlechter gem üht hat, im Strafprozeß nothw endig. W elche „m ilitärische un d civile Sachverständige“ haben d u rch g eprü ft? D ie hat nicht H err N oske nach A llerhöchstseiner W illk ü r auszusuchen. N ach der M ilitärstrafgerichtsordnung ist vor der Bestätigung „ein G utach ten der M ilitäranw altschaft“ einzu h olen ; insbesondere,

„wenn die Entscheidung des K riegsgerichtes bedenklich er*

scheint“ ; u n d „die B egutachtung soll nicht durch einen Be*

am ten oder O ffizier geschehen, welcher in derH auptverhand*

lung als Richter, V ertreter der A nklage oder als V ertheidiger m itgew irkt hat; der Befehlshaber kann eine Vervollstän*

dig un g der U n tersuch u ng an o rd nen “ (§ 424, 25, 26, 27).

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356 Die Zukunft

W ollsocken, O hrenklappen, B auchbinde schützen den Süßen nicht vor der V erantw ortlichkeit. In abscheulicherer Nackt*

heit noch als au f dem unsterblichen B adebild m it dem fetten Futtergenossen von der R egentenkrippe steht er vor dem Sühngericht des V olkes: als der M ann, der verhindert h a t/d a ß ein m ehr als je ein anderes,.bedenklich erscheinendes“, ein auf schmierige Lügen wälle gestütztes'U rtheil aufgehoben, die Un*

tersuchung „vervollständigt“ , die G elegenheit zu N ü tz u n g neuen „M aterials“geboten u n d danach auf d enW illenzuW ahr*

haftigkeit von U nbefangenen ein U rth eil gegründet werde, dem Them is nicht, wie in Strolchsarm eine jungfräuliche Seele dem geraubten H ym en, nachtrauern m üßte. D ie Behaupt tu n g , in dem engen Kreis der (allein in V erdacht stehen*

d e n ) W achm annschaft seien die M ö rd er Liebknechts und der Frau L uxem burg nicht zu finden, die A nstifter, Ersinner, Bereiter der M o rd th a t nicht zu erm itteln, langt ü ber die G renze alltäglich gew ordener Regirerfrechheit w eit hinaus.

Kann die V erscharrung der Schande gelingen? Schon im N ovem ber schrieb ich: „M ein L aienurtheil glaubt, d a ß Lieb*

knechts Fam ilie von dem Staat, dessen O rgane den oder die M ö rd er ihres Ernährers entw ischen ließ en, das Recht auf U n terh alt erstreiten und in diesem C ivilprozeß wichtige, in T iefen ,au f H ö h e n L ic h t w erfende W a h rh e it erlangen k ö n n te.“

D ie wäre auch in einem anderen V erfahren zu suchen und, vielleicht, zu finden. In einem Strafprozeß hat der schlim*

mer Erpressung A ngeklagte, ein H e rr von Tyszka, behaupt tet. er habe am sechzehnten Ja n u ar von der Behörde einen Ausw eis, eine G eldsum m e u n d den Befehl erhalten, Lieb*

knecht, leben d oder tot, in die K om m andantur einzuliefern.

D as klang wie Klatsch von der H in tertrep p e u n d w urde von zw eiH erren , die einst K om m andanten vonB erlin hießen,

„Schw indel“ genannt. H e rr E rnst Sonnenfeld, den sein Brot*

herr G eo rg Sklarz jetzt, wie m ir scheint, zu U nrecht, der U nterschlagung zeiht, der aber, in G em einschaft m it einem adeligen (v o n der A breise Sonnenfelds u n d von der Zu*

rück h altun g einer vor etwa künftigen R egreßklagen sichern*

den G eldsum m e unterrichteten) H a u p tm a n n , in Sklarzens A uftrag die „M arketenderei L üttw itz“ geleitet un d auf dessen

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N am en die Inten d an tu r Lüttw itz durch V erm ittelung der Ge«

neralkriegskasse M illionen in die D epositenkasse B urgstraße d er N atio n alb an k für D eu tsch lan d eingezahlt h a t, dieser V ertrauensm ann aller vier regirenden Linien des H auses Sklarz schrieb an seinen V ertheidiger, einen berliner A nw alt von bestem Ruf: „Ich kann unter Eid u n d un ter A ngabe von Zeugen aussagen, daß ich als Zahlm eister unserer Regirung»

bjigade den A uftrag erhalten habe, eine Prämie von fünfzig«

tausend M ark D em auszuzahlen, der Liebknecht oder die Luxem burg to t in den Reichstag einliefern werde. Ich kann diesen Befehl, der m it E rläuterungen gegeben w urde, in allen Einzelheiten u n d Folgerungen genau detailliren. Später er«

zählte m ir der Sohn von Sklarz, daß sein Vater un d Scheide«

m ann (dam als, V olksbeauftragter4) gemeinsam h u nderttau send M ark für diese T h a t ausgesetzt hatten, daß sich d arau fh in Sklarzens Neffe A lfred Pop (siehe »Zukunft* vom dreizehn*

ten D ezem ber, Seite 346) zu der T h at angeboten habe, von Scheidem ann aber, als zu unsicher,abgelehnt w orden sei. H err Sklarz w ird ü ber die G enauigkeit m einer A ufzeichnung stau«

n e n ; ich begann sie in dem A ugenblick, wo m ir ein Licht über den Riesenschwindel aufgegangen war. Einige Parteien w ird es auch sehr interessiren, wenn ich an H a n d der Belege nachw eise, d aß eine sozialdem okratische W ahlpro paganda m it ihren großen K osten von der Staatskasse bezahlt w orden ist.“ D e r junge Sonnenfeld war, so zu sagen, Finanzm inister der vom G enossen Baum eister gebildeten R epublikanertruppe, d ie, m it siebentausend G ew ehren u n d h u n d e rt Maschinen«

ge wehren, im Reichstag hauste, Sold u n d N a h ru n g von dem H e rrn Sklarz empfing u n d sich m it besserem Recht als die R einhardiner den „R etter Berlins“ nennen durfte. D er ju n g in Sklarzens üble Schule gerathene K aufm ann ist zwar schlim*

men V ergehens beschuldigt u n d sein N am e, sam m t dem un«

bescholtenen seines Vaters, eines alten M itgliedes der Sozial«

dem okratischen Partei, d urch Preßkloaken gezerrt, die Aus«

lieferung des m it am tlichem A uftrag u n d P aß nach H o lland geschickten, d o rt internirten Paares (die Sekretärin der Parvus un d Sklarz hat ihren Bräutigam begleitet) ist aber nicht in der vom G esetz vorgeschriebenen Frist gefordert, begründet

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358 D ie Zukunft

w orden. D ie Sehnsucht, so unbequem tief eingew eihte Zeu*

gen hier zu sehen, scheint also noch däm m bar zu sein. D och kann auch eine andere K urbel dasV erfahren in G ang bringen.

W eils geschehen m uß, w ird es geschehen. Vergils Flügel»

w ort m ah n t, w enn die H im m lischen (Superi sin d , wenig*

stens, Excellenzen) nicht zu Eingriff zu bewegen sin d , die H ölle in A u fru h r zu reißen. U n d Schillers F erdinand über*

setzt den G edanken des Römers in sein sprudelndes Stürmer*

deutsch: „K ein menschliches M ittel ließ ich unversucht: ich m uß zu einem teuflischen greifen l“ N o c h ist der Köcher der von M enschheit zugelassenen Pfeile nicht leer. A b er die H y d ra mag gew iß sein, d aß w ir m it ihr uns vom A cheron lieber wegschwem men als jeder schim pflichen T ücke noch länger thatlos, doch m itverantw ortlich, zuschauen w erden.

S c h e r z o

„V o rw ärts vom elften D ezem ber 1919: H eiteres für den W eih n ach ts­

tisch! Z w ischen den G efechten. V o n P h ilip p Scheidem ann. E leg an t g e ­ b u n d en P re is Mk. 10,— . Aus den T ag en d er K in d h e it fü h ren die dro llig en E rzählungen h in ü b e r in die Ja h re des reifen M annesalters. Scheidem ann selb st hat, vielleicht unbew ußt und ungew ollt, dam it seinen eig en en E n t­

w icklungsgang beschrieben. B ezug durch alle B uchhandlungen sow ie direkt vom V erlag fü r Sozial W issenschaft, B erlin S W 68, L io d en straß e 114.

N o ch imm er von Sklarz verlegt. D och gar nicht verlegen.

D rollig; u n d elegant gebunden. D a h inten . . . F ü n f B r ie f e

I. „1914. Keine A hnung hatten wir, wie wohl uns war. Was für verwöhnte Leute w ir im Deutschen Reich, dem europäischen ,F e s t ­ land, geworden waren. Häuser und Speicher gefüllt mit allem Gu­

ten und Schönen, was das Erdenrund hervorbrachte, in jedem Zim­

m er des Mittelstandes bis tiel nach unten lag ein Teppich, oft ein ,Perser*, und zu jeder der fünf deutschen Mahlzeiten wurde der Tisch gedeckt. W ir nahmen Alles als selbstverständlich hin und hatten die alten Zeiten völlig vergessen. W ollten auch nicht daran den­

ken, daß es überhaupt anders sein könne. Daß der Handel alle Güter der Erde aus den U eberschußländern dahin führe, wo sie nöthig und willkommen waren, w ar selbstverständlich. Eben so.

daß stets Alles da war, Alles und überall, was man irgend wünschte, Fabrikate und ausreichende Rohstoffe jeder Art. Arbeitlosigkeit

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359 kannten wir fast nur noch dem Namen nach. In vielen Industrien sprach man zwar von schlechter Entlohnung, manchmal gabs auch Strike, der zum Nachdenken anregen konnte; aber um so was wie öffentliche Dinge kümmerte man sich .aus Prinzip* nicht. Thats mal Einer, dann sagten die Berufsgenossen von oben herab: ,Hat Der denn sonst nichts zu thun? Was geht Den so was an?‘

Auswanderung wegen m angelnder N ahrung kannten wir nicht mehr; Hungersnoth, erzwungene Einschränkung der Lebensführung dünkte uns nur in unkultivirten Zeiten möglich. Bei uns gab die (künstlich gesteigerte) Industrie Jedem Brot und Arbeit, der arbeiten wollte; für Den, der nicht wollte, hatte der Staat allerlei Einrichtungen parat.: Altersheime und Krankenhäuser, Genesung-, Irren-, A rbeit-und Zuchthäuser, so daß sie nicht lästig wurden. Daß die Industrie auf den guten Willen unserer K onkurrenten angewiesen war, die uns die Roh­

stoffe willig überließen, wußten nur Wenige. Und schon die Andeutung dieserThatsache oder deranderen, daß unsereU nterbietung; dasD um p- ing, und unsere Praktiken, unsere überschlaue , Anpassung4eines schö­

nen Tages uns in Verlegenheiten verwickeln werde, — all Das wurde verlacht und mit Statistiken unserer patentirtenW irthschaftprofessoren totgeschlagen. W ir waren sehr stolz (richtiger: sehr hochmüthig) ge­

worden auf unsere ,W eltgeltung'; verhehlten uns aber nicht, daß im Grunde doch Preußen-D eutschland nur von einer ganz kleinen Schicht beherrscht wurde, deren Ansprüche in keinem Verhältniß zu ihren Leistungen auf wirthschaftlichem und kulturellem Gebiet standen.

Kultur und W irthschaft waren fast völlig in den Händen Dessen, was man früher Mittelstand oder Bourgeoisie genannt hatte, der großen Bürgerschicht, die fast nur durch die herrliche Einrichtung deis Reserveoffizierthumes im Zusammenhang mit der sogenannten Oberschicht stand, die in der Diplomatie, der hohen Beamtenschaft, im Militärwesen bis auf wenige Konzession-Schulzes allein herrschte und auf dem Grundsatz stand: ,Willem absolut, wenn er uns den W illen thut.‘ Ohne W iderstand ergab man sich in Preußen-D eutsch- [and der jgottgewollten* Führung, erstarb in Ehrfurcht vor der Ma­

jestät des gesträubten Schnurrbartes, um den uns ja, wie geschäf­

tige Federn schrieben, ,die W elt beneidete*.

Man sprach zwar noch von altpreußischer Sparsamkeit, die Preußen groß gemacht haben sollte; aber wer wollte jetzt noch von so was wissen? Alles wurde großartig und ,großzügig“ gem acht und ge- than. W o einePostkarte genügt hätte, da wurde jetzt nach kaiserlichem Vorbild schwungvollst telegraphirt. Ueber jede Dummheit wurden große Reden geredet; nichts ging ohne Feier u n d ,Aufmachung4. Jeder Beamte oder Offizier brauchte ein Dienstauto nach allerhö chstem ‘Vor­

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360 Die Zukunft

bild, reiste in der W eltgeschichte herum, um Spesen zu schinden oder um seine Person in das so beliebte öffentliche Licht zu setzen.

Im Untersuchungausschuß haben all die hohen H erren m ünd­

lich und schriftlich ihr Alibi nachgewiesen oder nachzuweisen ver­

sucht; kein ,Maßgebender' ist im entscheidenden Moment dabei ge­

wesen, keiner hat was gewußt, gesehen, gehört. Oberste H eeres­

leitung hatte nie was von W ilson gehört, die W ilhelmstraße war immer völlig frei in ihren Entschlüssen gewesen, Allerhöchste Mei­

nungen hatten nie irgendwo den Ausschlag gegeben. Es ist schwer, keine Satire zu schreiben, wenn man sieht, wie Einer den Anderen deckt, trotzdem er ihn haßt, nur damit ,nichts rauskom m t'. Denn sonst könnte wohl gar zur Prüfung gestellt werden, ob wir Alle aus Wilhelm den ungeheuren Narren gem acht haben oder ob er uns so fürchterlich und blamabel zum N arren gehalten hat. Und dabei sind wir schon wieder tüchtig dabei, nach dem Vorbilde des früheren ,Allerhöchsten H erren' einen neuen Götzen aufzurichten, der uns mit seinen Opferansprüchen das Letzte an Vernunft und W ohlstand und Wirthschaft nehmen soll und wird, was wir noch unser nennen. W ir fingen schon im Krieg an. Denn all Das, was wir früher Kriegs- wirthschaft nannten und jetzt Zwangs wirthschaft nennen, was wir nöthig zu haben glaubten zum ,D urchhalten' (sonst hätten wir den Krieg schon zwei Jahre früher verloren und w elcher Jam m er wäre uns dann erspart geblieben!), all Das war schon Allm acht des Staates.

Der sollte bestimmen, was jeder Einzelne essen und wann er hun­

gern müsse. Die Leute, die es ausheckten, kümmerten sich natür­

lich nicht darum; in keiner Hofhaltung, Minister- oder Offiziers­

wohnung war was davon zu m erken (da hatte man Beziehungen und Burschenverbindung mit draußen) und auch jeder Schlachter und Bäcker hatte seine Austauschlieferanten, hat sie noch heute und wird sie immer haben. Nun sind wir ein arm es, bankerotes Land ge­

worden. U nser Vermögen wurde auf vierhundert Milliarden geschätzt ' davon haben wir m ehr als die Hälfte im w ahrsten Sinn des W ortes , verpulvert'und mindestens das noch Erlangbare fordert die Entente als ,Reparation'. Nichts von nichts giebt nichts; so stehts in W irklich­

keit. Und wir haben nichts als unsere H ände und Köpfe und un­

seren W illen zur Arbeit. Müssen ihn haben, um nicht buchstäblich zu verhungern. W er die Dinge anders malt, D er lügt. Belügt sich selbst oder Andere im L and; denn draußen läßt sich Keiner mehr was von uns vorlügen. Siehe: Valuta. Und kein Minister hat heute \ noch ein R echt, sechsundzwanzig Zimmer als ,Dienstw ohnung' zu benutzen, keiner, im Salonwagen oder im Dienstauto zu fahren. Ganz oben muß mit dem Abbau der Flunkerei und W ilhelmerei begon­

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nen werden, beim Reichspräsidenten, einerlei, ob er Ebert heißt oder Hindenburg. Freifahrtscheine und Portofreiheit muß für alle Behörden aufhören und über jeden Pfennig muß Rechenschaft gegeben wer­

den, der aus öffentlichen Kassen ausgegeben wird. Verrechnung- wirthschaft verleitet zu überflüssigen Ausgaben, die wir uns nicht mehr leisten dürfen. Das muß oben immer klarer werden. Das Heer der Beamten, das durch all die Aemter täglich wächst, können wir nicht ernähren und nicht bezahlen. Vor drei Jahren hat m ir mal in einer W irthschaftstelle solcher D rückeberger gesagt: ,W ir wissen noch nicht, wozu wirs brauchen, aber frei geben wirs n ic h t/

Der Mann war wenigstens ehrlich. Und wenn wir von dem Götzen der öffentlichen undStaatsbewirthschaftung nicht frei kommen, schleu­

nigst, ohne noch weitere Erw ägungen, Erhebungen, Ermittelungen und Ertiftelungen, wird es uns noch schlechter gehen.

Immer weiter streckt die Bureaukratie ihre Polypenarm e und saugt dem Erwerbsleben das Blut aus. Ein U nglück ist auch, daß so Viele jetzt an die Staatskrippe drängen, die früher daran nie gedacht haben, aber bei der allgemeinen Futternoth nicht allzu kurz kommen wollen. Jedem müßte doch eigentlich klar geworden sein,, daß m an nicht die Zwangswirthschaft aufrecht erhalten und zugleich das Schieberthum bekämpfen kann. Eins ist mit dem Anderen un­

löslich verbunden, ist mit ihm gekommen und wird mit ihm ver­

schwinden. Genau so, wie jetzt mit der ,Rationirung‘ der Personen­

züge der Billethandel aufkommt; das Schieberthum im Verkehr (in Berlin kostet die Karte nach Hamburg eben nicht mehr fünfund­

vierzig, sondern beim »Händler* hundert Mark) ist die Folge der un­

sinnigen Einschränkung, die doch selbst wieder Schranken hat. Hätte Wilhelm draußen D rahtverhau mitgegessen, so hätte der Krieg nicht fünf Jahre gedauert; wird keinem Reichspräsidenten und keinem Hindenburg ein Sonderzug gestellt, dann ist wenigstens das G e­

rede von Demokratie nicht geradezu possenhaft. Beglücket die Menschen nicht, Ihr H erren R egirer, und regiret so geräuschlos wie in alten Zeiten! Das deutsche Ideal war ja nie der Industrie­

kapitän, der W elteroberer, der Uebermensch. Das war ja, Alles, n u r künstlich: Regie von oben. Das deutsche Ideal ist der Philister, das Häuschen, die lange Pfeife, der Schlafrock nach arbeitreichem Leben und lebendiger Arbeit. U nd dieses Ideal kann uns die E n­

tente nicht nehm en; will es auch gar nicht. L u d w ig O lle n d o r f f .“

II. „.Sehr verehrter H err Harden, in einer hiesigen Zeitung lese ich den Ertrag der Sammlungen für die hungernden wiener Bänder, im selben Blatt, daß in einigen Kranken- und Irrenanstalten Berlins nicht genug Kohle vorhanden sei, um den Patienten eine warme H aupt­

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362 Die Zukunft

mahlzeit zu gewähren. So lange auch nur ein Reichsdeutscher, Kind oder Greis, Mann oder F rau, sich abends niederlegt, ohne seinem Jah re lang entkräfteten K örper eine leidlich ausreichende N ahrung­

menge, weil Lebensmittel fehlen oder unerkaufbar sind, zuführen zu können, so lange die Regirung, ohne das Volk zu befragen, Lebens­

mittel, fertig oder in Rohstoff, nach Oesterreich sendet, den eigenen Landeskindern aber nicht die zur V erhütung von K rankheit drin­

gend nothwendige Nahrung- und Heizmittelmenge verschafft, begeht sie in dem A ugenblick, wo sie Geld oder Lebensm ittel über die Grenze läßt, einen, wie mich dünkt, viel schlimmeren und deshalb härter zu ahndenden Landesverrath, als es je einer von den unzäh­

ligen war, die in den letzten fünf Jahren gesühnt wurden. “ K önn ten’w ir den W ienern helfenl D o ch ists n u r Grim asse.

III. „Im Heft 17 des vorigen Jahrganges gab ich, als Entgegnung auf. die Behauptung des O bersten Bauer, daß ,die H eim ath das Heer von hinten erdolcht habe', die Gründe an, die nach meiner, eines langjährigen Fiontoffiziers, Meinung dazu geführt haben, daß wir militärisch besiegt worden sind. Fünf Gründe: die Frontfrem dheit

•der höheren Stäbe; die ,Urlauber' und so weiter, die sich W ochen und Monate lang in der Etape aufhielten und nicht zur Truppe zu­

rückkehrten; das Hinausschicken der ,R eklam irten' ,in letzter Stunde';

die ungeheure technische U eberlegenheit der Feinde und die Uner- schöpfiichkeit ihrer Reserven; das ewige Zurückgehen seit dem Som m er 1918, das den Geist der Truppe sehr niedergedrückt hatte.

Eine W eile ruhte der Streit um die Frage, ob wir militärisch besiegt worden seien und w erden mußten oder nicht, bis Feldm ar­

schall Von Hindenburg vor dem Untersuchungausschuß w ieder von dem ,Dolchstoß in den Rücken' sprach. Aus diesem Munde wirkte das W ort doppelt verhängnißvoll und ,auf einen Augenblick ward die Lüge W ahrheit', wie Dostojewskij in den ,Brüdern Karam asow' sagt. Deshalb will ich noch einmal meine Behauptungen zu be­

weisen suchen. Aus den im letzten Novemberheft abgedruckten Briefen von Offizieren und Mannschaften sah ich, daß sie ähnlich

■empfinden wie ich. Vom August 1915 bis in den Septem ber 1918 w ar ich ununterbrochen im W esten im Frontdienst, als Gemeiner und als Offizier, in einer Feldbatterie thätig. Einen Monat v o rd e m W affenstillstand kam ich zu einem höheren Stabe. W as ich dort sehen m ußte, nach drei Jahren Frontdienst, ließ mich zuerst vor Staupen erstarren; dann aber sah ich ein, daß es so nicht weiter

^ejien konnte und durfte. Dennoch ging es so weiter: und deshalb schief., Mein K om m andeur, ein alter Oberstlieutenant, hatte nicht

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die geringste Ahnung von Dem, was im Soldaten in diesen Jahren vor sich ging und gehen mußte. Es war, wie neulich hier ein Feld­

grauer sagte: ,Die Meuterei im November konnte solchen Umfang nur annehm en in Folge der unglaublichen Entfrem dung zwischen Offizier und Mannschaft, der gänzlichen Unkenntniß der Offiziere vom Major aufwärts von Alledfem, was die Leute dachten und fühl­

te n / Ich glaube aber, daß die Frontoffiziere zum größten Theil nicht in diesen Fehler verfielen, und fühle meine Behauptung durch die Thatsache bestätigt, daß bei den mir bekannten Fronttruppentheilen Meutereien oder Mißhandlungen und Behelligungen von Offizieren nach dem neunten November nicht vorgekommen sind. D aß bei be­

sonders unbeliebten Führern solche Fälle vorgekommen sind, haben sie wohl durch ihr Verhalten selbst verschuldet.

W ie siriusfern der höhere Offizier dem Soldaten war, der in Noth und D reck sein ,Kam eradc war, im Ruhequartier aber sofort wieder der ,K erl‘ wurde, mögen einige Beispiele erhellen. Von den oberen Behörden war befohlen worden, daß die Offiziere mit der Mannschaft aus den Feldküchen speisten (was ganz selbstverständlich sein mußte).

Was auch selbstverständlich war, thaten die Oberen nicht; sie gingen nicht mit gutem Beispiel voran. Ein Generalstabshauptmann beim Divisionstab erklärte w ährend eines Angriffes, er könne nicht ar­

beiten, weil in seinem Zimmer kein Teppich sei. Mit der selben Be­

gründung hätten die Truppen den Kampf verweigern können, weil sie nicht einm al, wie dieser Gewaltige, ein Dach über dem Kopf hatten. Unser A rtillerie-Brigadekom m andeur entsetzte sich während der großen Flandernschlacht, Oktober 1917, darüber, daß die Batterie­

stellungen nicht ,ordentlich' aussähen, und befahl (während des Kampfes), daß sie auszusehen hätten ,wie ein Schm uckkästchen'.

D abei retteten ein paar Batterien mit Mühe und Noth die Geschütze, es blieb kaum Zeit, die Toten und Verwundeten zu bergen, und einige Leute geriethen in Getangenschaft. Ende Septem ber 1918 ging ein höherer Offizier an einem Mann v o rb e i,;d e r keine Ehrenbe­

zeugung machte. A uf die Bemerkung des Offiziers: ,Sie können mich wohl grüßen, ganz abgesehen davon, daß ich auch älter bin alsS ie4, ent- gegnete der Feldgraue mit einem Blick auf die blitzende Uniform des A nderen: ,Ja, Sie und ick!‘ Entsetzt erzählte es uns der Kommandeur, und als ich auf Gährung, Murren unter den Leuten und U ngerechtig­

keiten aufmerksam mache, wurde ich belächelt. Mit dem Komman­

deur besichtigte ich Batteriestellungen. Eine ist auf einem Acker.

Es sind kleine Erdlöcher ohne Deckung. A ber der Kommandeur will ,leutsälig‘ sein und sagt: ,Macht es Euch nur recht gem üthlich!‘

Anfang Oktober 1918 m arschirt an unserem Stabsquartier und Ge­

(20)

364 Die Zukunft

fechtsstand weit hinter der Frönt eine Truppe vorüber, die aus der Stellung kommt. Müde, verdreckt und bespritzt. Unser Kommandeur tritt im Vollgefühl seiner W ürde vor des Hauses Thür, wohlgenährt, gewaschen, rasirt, und erwartet ein ,Achtung! Augen rechts! Statt Dessen ertönt der Ruf: ,Licht aus! Messer raus! Haut ihn!4 Der K om mandeur ist entsetzt, glaubt aber, ,die Leute meinen es nicht so4. Ich warne wieder; ohne den geringsten Erfolg. In der Zeitung stand, daß der Kaiser bei Krupp die Arbeiter gefragt habe, ob sie noch ,durchhalten* wollten. Antwort J a ! 4 (Weil sie so rst morgen den rothen Schein hätten und bald im Schützengraben wären, was allmählich als Strafe zu gelten schien.) Ich halte die Sache für Schwindel: und werde Pessimist und Nörgler gescholten. Ende Oktober wird die Sache bedenklicher, der Kommandeur immer u n ­ bedenklicher. Er sagt: J e tz t erhebt sich die Heimath wie ein Mann !‘

Ich: .Und wenn sie sich wirklich erhebt, so erheben sich die müden Pferde und die unbrauchbaren Geschütze nicht m ehr.4 Nun kommt die Revolution und der W affenstillstand. Bei uns ist wenig davon zu merken. V ertrauensleute werden gewählt (beiläufig: bei uns ein Hauptmann, ein Unteroffizier und ein Kanonier.) Der Kommandeur, niedergeschmettert, spricht: ,W enn wir uns etwa rothe Kokarden anmachen oder .die Achselstücke abnehm en sollten, erschieße ich mich. Ich kann den Eid, den ich dem Kaiser geschworen habe, nicht brech en / Spannung, Telegramm: S. M., der Kaiser (-ra-ra-ra!) nach Holland geflohen. Ein Seufzer der Erleichterung. ,Uns kann nichts m ehr passiren, wir sind ja vom Eid entbunden. W ir müssen die jetzige Regirung stützen/ Und so weiter. Im Stab der Division bleibt' die Stimmung noch immer gut, bis eines Tages der Offizier­

koch (den gab es noch, trotz allen Umwälzungen) mit der V er­

pflegung für m ehrere Tage ausrückte. Von da an war die Stimmung auch bei diesem Stab schlecht.

Von den Ungerechtigkeiten bei Beförderungen und O rdens­

verleihungen will ich nicht' erst reden; nur noch ein W ort von den monatlichen Berichten über die ,Stimmung der Truppen4 sagen, die vom Batterieführer verlangt wurden und dann den langen Leidensweg über Abtheilung (Bataillon), Regiment, Brigade, Division, General­

kom mando, A rm ee-O ber-K om m ando bis zu den höchsten Stäben gingen. U nd auf diesem Weg machten sie viele W andlungen durch.

Ließ nämlich ein armes Frontschwein seinen A erger aus» sagte es also die W ahrheit, dann entgegnete die nächsthöhere Instanz tot­

sicher: ,Aber Das können wir doch nicht so w eitergeben!4 Und man gab es nicht so weiter, sondern milderte, bis der B e ric h t,ein­

wandfrei4 auch für höchste und allerhöchste H erren w ar und der Untergebene so Stellung und Auszeichnung gerettet hatte. Auch

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hierfür ein Beispiel. W ährend der Flandernkäm pfe, Oktober 1917^

schrieb ein Batterieführer .von der Fußartillerie in einen solchen Bericht, daß die Truppe müde und abgekämpft sei, der Ruhe be­

dürfe und daß auch die Verpflegung nicht zulange. Er bekam die Meldung zurück, mit dem Verm eik, er habe sich jeder Kritik zu enthalten und ,rein sachlich' zu berichten. Oft habe ich gedacht:

W arum läßt Ludendoiff sich nicht irgendwo ein paar Frontsoldaten und -Offiziere herausgreifen und fordert sie auf, ihm, ohne auf seine Person und auf seinen Rang Rücksicht zu nehmen, gerade heraus Zusagen: ,W ie sieht es aus? W orüber wird gemurrt? Wie könnte es geändert werden? Sagt die volle W ahrheit, ich muß, in meinem und Aller Interesse, sie wissen.' Schon der W ille, zu helfen, hätte W under gewirkt. Die ,Berichte' aber waren nicht der Weg, ins Herz der Front einzudringen. Besonders, wenn sie nicht in der Original­

fassung weitergegeben wurden. Nicht die Truppen waren für die Stäbe da, sondern die Stäbe für die Truppen. Daß gegen diesen Grundgedanken verstoßen wurde, immer und im m er wieder: darin sehe ich den größten Fehler, der gemacht worden ist. Und wenn immer wieder behauptet wird, das Heer sei von hinten erdolcht worden, so sage ic h :'J a ; aber nicht von der Heimath, sondern von seinen eigenen hohen, höheren und höchsten Stäben, deren Papier­

krieg und Unmenge von Befehlen die Front mehr Nerven gekostet hat als manches Trommelfeuer. C. F. H e l l i n g . “

IV. ,,Seit vier W ochen haben wir die große Affaire, die unter dem R u b ru m ,Sklarz-Parvus.‘ g e b u ch t w ird; das Rubrum t ,E b ert-S ch eid em an n ‘, das den zur W a h lu rn e flu th en d en Massen, einst die sichere G ew ähr eines neuen, freien D eu tsch lan d s be- bedeulei:e, w äre p ack en d er gewesen. B richt K einer den H als ? N och schützt all unsere lieben H ä u p te r der sehr feste W all altgew ohnter, von v ersteinerten P arteib eam ten g ew ah rter D is­

ziplin. Schön. Disziplin ist im m er anerkennensw erth. R ed en wir zunächst n ich t von schweizer Luxushotels:, A u tofahrten, S ek tm arken, P erlnadeln, m arkenfreien F reß u ten silien und an d e­

ren E rfo rd ern issen p ro letarisch er L ebensführung’. R e d en wir nu r von Sklarz und Parvus. Allerlei A c h tu n g : die L eu te passen in die W elt! A uf 'welche W eise die H e rre n Sklarz und P arvus zu ihren M illionen g ekom m en sind, weiß ich n ich t g e n a u } vielleicht wrird es späte re g erichtliche V e rh an d lu n g klären.

D as a b e r w eiß ich1: m it n o c h so lerheblicher jo u rn alistisch er Be­

g a b u n g erschreibt m an sich in zwei Ja h re n nicht V illen an allen 'm öglichen schönen O rte n des n eu tralen A uslandes. ,E s ist selbstverständliche Pflicht eines jeden a n stän d ig d en k en d en P arteigenossen, alles n u r irg en d M ögliche zur A ufk läru n g der

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