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Die Zukunft, 22. November, Jahrg. XXVIII, Bd. 107, Nr 8.

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X V III. Jahrg. Berlin, den 12. November 1919 Nr. 8

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m u k v u i f t

Herausgeber

Maximilian Harden

INHALT

Kraftlose G ö tz e n ...• • • 227

Nachdruck verboten

E r sc h e in t j e d e n S o n n a b e n d

Preis vierteljährlich 10,— Mk., das einzelne Heft 1,— Mk.

BERLIN

Verlag der Z ukunft

Großbeerenstraße 67 1919

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48 hoehkQnstlerische Frei- lichiaufnahmen. Biom- sllbtrorlginalfotos. seltene ______ Wahl weiblicher Schönheit

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Auskunfts = Schütz

Berlin W, T a u e n t z i e n s t r . 3

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B erlin, d en 22. N o v e m b e r 1919

Kraftlose Götzen

Z w e i W e lte n

V V Telchen Fehls, hört Jeremias die Stimme seines Gottes fragen, „welcher ungerechten H andlung fanden Eure Väter mich schuldig, daß sie sich von mir wandten, in Eitel*

keit sich verliefen und kraftlosen, unnützlichen Götzen an#

hingen, die ihnen doch nichts zu erlangen vermochten? Sie fragten nicht: W o ist der Herr, der uns aus dem Land Egyp*

ten geführt, durch die W üste geleitet, in Dürrland, darin Nie*

mand wandeln noch ein Mensch wohnen kann, uns bewahrt, vor dem Bilde des Todes unser Leben erhalten hat? N icht Einer fragte, nicht einmal also. In das gute Land Karmel brachte ich Euch, daß Ihr seiner Früchte Euch freuet und das Beste seines Eigenwuchses genießet; Ihr aber habt, seit ichEuch ein*

ließ, das Land verschmutzt, mein Erbe mir zu Gräuel gemacht.

Priester, Schriftgelehrte, Hirten, Alle sündigten wider mich, Bel ward den Propheten zu G ottheit und Alles bückte sich vor Götzen, von denen nie N utzen kam. W andelt bis auf die In*

sein Cethim und schicket das Auge nach Cedar: ob Derglei*

chen dort jemals geschah, ob der H eide selbst G ötter gegen Götzen vertauschte. So aber hat mein Volk gethan. D en Le*

ben spendenden Quell verließ es und grub Cisternen, die durchlöchert sind und in denen sich drum das Wasser nicht sammelt. Ist Israel denn ein Knecht oder aus einer Leibeige*

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nen Schoß, daß esjedermanns Beute werden m u ß ?“ An Buß*, Bet* und Bummeltagen (die uns der „Revolution“ genannte Wechsel der Pfründner und Krippenfresser ja, wie andere Er*

rungenschaft, gelassen hat) sind diese Sätze, sammt dumpfer dröhnenden aus dem Buch Samuelis, die zu Abk*hr von den Bildern des Bel und der A staroth mahnen, von mancher Kan*

zel gekündet, erläutert worden. Gestern erst wieder. Nie hätte, wenn Rechtsempfinden nicht im Bann tiefen Schlafes läge, die W arngewalt dieser Sätze stärkeren, weiter schwingenden Wi*

derhall geweckt als in unserem Nebelmonat, dessen schnee*

bleiche Tag* und Nachtgestirne die häßlichste Schmach aller deutschen Geschichte sahen. In denTagen, wo der Ansbacher Yelin, ohne seinenN am en,dieFlugschrift,,Deutschland in sei*

ner tiefen Erniedrigung“, als deren Verbreiter Bonapartes Jäh*

zorn den nürnberger Buchhändler Palm erschießen hieß, von der Sehne schickte und wimmernd befahl: „W eine laut auf, edler, biederer Deutscher!“, war nur eine schmale Oberkaste, nicht das stumm in Vormundschaft geknebelte Volk, sündig geworden. Heute haftet die Schuld nicht, wie 1806, an zwei mit Pompwerg ausgestatteten Zollernpuppen, einem frömmeln*

den G enüßling und einem verlogenen,jedem Ueberragenden mißgünstigen Spießer, nicht an ein paar Potentaten aus ähn*

lichem Mehl, an unzulänglichen Generalen und lüderndem Hofgeschmeiß. H eute steht die Nation, steht die Volkheit vor der Frage, ob sie in Schande waten oder sich in Selbstacht*

ungmöglichkeit retten will. H undertm al ist von Gelehrten und Schreibern der dem Deutschen Reich von 1914 feind«

liehen Völker das böse W ort des Tacitus wiederholt worden, N eid sei der stärkste Beweger, Beute das höchste Ziel allen Germanendranges. Hundertm al der Satz: „D ie Leidenschaft ihres Triebes zu Glücksspiel, die bewirkt, daß der Verlierer am Ende sich selbst, dieFreiheit seiner Person zu Einsatz miß*

braucht und die letzte Hoffnung auf Gewinn muthwillig mit der Gefahr versklavten Lebens erkauft, sie schon beweist, mit welcher Hartnäckigkeit die Germanen noch in der verwerf»

lichsten Sache beharren. Das nennen sie selbst dann Treue (Ipsi fidem vocant).“ Soll das alte Urtheil in neue Geltung blühen? Die W ahlfrist, Deutsche, neigt schon gen Abend.

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Kraftlose Götze« 229 W i e d e r E in e r

Den Tag der erbärmlichsten Jahresbilanz, die je einer jungen Demokratie vorgelegt ward,umflorte die Massentrauer um den Hingang des Abgeordneten H ugo Haase, Vormannes der Unabhängigen. Seine Freunde haben ihn laut, manchmal wohl mit W orten zu breiten Formates, gerühmt. Mir, der ihn nicht nah sehen konnte, lebt er als ein Mensch kräftigen Ver*

standes und reinenW ollens. Als Parteiführer, Redner, Regirer schien er Fernen vonM ittelw uchs; Erbe, nicht A hn und Erb*

las>er. A uf dem Kamm der rothen W oge, die ihn ins höchste Staat samt gehoben hatte, konnte er die Ebertsippe zerfetzt, in Klümpchen, als ein H äuflein zerbrochener Schalenthiere, zer*

rissener Quallen an den Strand spülen. Er, leider, fühlte nur die Dämmung durch solche Gemeinschaft. Ein Funke, eines Schöpfergedankens A ufbrunst: und im W irbel des Ereig*

nisses, in der Hochstimmung williger Herzen war dem So«

zialismus feste Einheit zurückgegeben und den Deutschen die unabsehbar schädliche Enttäuschung des ersten Repu*

blikanerjahres erspart. Kein Funke sprang auf, kein zu Zeu*

gung kräftiger Gedanke durchblitzte das trübe D unkel. Zwi*

sehen zwei großen Stunden war Haase kleiner als sein Schick*

sal. Die erste Stunde war gewesen, als er auf die Führung der weitaus größten Reichstagsfraktion verzichtete, weil ihm Gewissen verbot, ihr H andeln noch länger mit seiner Per*

son zu decken. (W ie herrlich hat damals, hat in den Tagen des Streites um Liebknechts Auslieferung an Büttelgewalt, noch unter manchem M ond Bestialität sich offenbart! Bei der Vorstellung, nicht, wie N othw endigkeit heischt, die Parteien, sondern die Fraktionen des deutschen Parlamentssozialismus könnten, ohne Opferung eines Dutzends, mindestens, berüch*

tigter Vorsitzer, Vorschreiber, sich „einigen“, müßte Herrn Lenin das Herz im Leib lachen: denn er wäre gewiß, ein Halb*

jahr nach so unsauberer Bündelung ein Kommunistenheer auf dem Marsch zu sehen.) Haase kannte die M acht der Organisation, der in vier Jahrzehnten herangedrillten Partei*

bureaukratie zu gut, um zu wähnen, daß die Hundertschaft, deren H äupter er tiefer als je den störrigsten Junker ver*

achtete, schnell zerbröckeln werde. D urch Schimpf und Hohn,

1 8'

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durch ein Hagelwetter von Kothgeschossen ist er, in reinem Kleid, dennoch den W eg der Pflicht gegangen. Die M euterer vom N ovem ber 1918, M atrosen und Soldaten, haben dann seinen Eintritt in die Regirung erfleht, erzwungen. („W enn Ihrs nicht thut, bilden wir eine.“) N icht eine M inute lang sah er darin ein Ereigniß, das „Einigung“ vorbereiten könne.

Sein Ziel hatte er sechs Jahre zuvor, auf dem baseler Kongreß der Internationale, mit den W orten bezeichnet: „W as die edelsten Geister geträumt, was die größten Denker erkannt und als G ebot der Vernunft verkündet haben, Das woll en wir ver»

wirklichen. W enn politische U nterdrückung, soziale Aus*

beutung, Klassenherrschaft geschwunden ist, dann erst kann der ewige Friede, die Völkerfreiheit und Völkerverbrüderung gedeihen.“ Freundlich besonnte N üchternheit schützte den ostpreußischen Juden und scharfsichtigen Kriminalisten vor dem Aberglauben, diesem Ziel in trauter Gemeinschaft mit dem H errnE bert und dessen ad praedam vorstürmendenTrosse sich nähern zu können. H at er, für eines Augenblickes Dauer, im Kanzlerhaus, auf ellenhohen Socken seines W achsthumes Grenzen verkannt? Er fühlte nicht, welchen W erth Eisners musische Herzenskraft, wenn ihr auch dicht die Schlacke der Eitelkeit anhing und der Genius, des Schöpferwesens heiligerW ollensbrand, nicht aus ihr glühte, für ein Wegstreck*

chen erlangen, wie hurtig und sacht doch ihre bew ußt sti*

lisirte G üte die starren Kanten des W iderstandes, rechts und links, wegschmelzen konnte; sah in dem sanften D iktator von M ünchen nur den einst abgeschüttelten „Literaten und Revisionisten“, der mit enthuftem Fuß gegen die Deichsel des Dogmas geschlagen hatte, und spürte den kratzenden Stachel horazischer Scheu: „H ic niger est, hunc tu, Romane, caveto.“ D a er, zu spät, die Lücken seiner Kenntniß interna*

tionalen Geschäftes spürte, erkor er für das Steureramt einen geistreichen, durchaus höfisch gedrillten, nur in engem Be*

zirk heimischen, von allerlei Zwirnsfäden gebundenen Roya?

listen, der in hastiger Mummenschanz nicht die Zeit fand, zu sehen, was gewesen, was geworden war. Aergeres Unheil noch kam aus Haases Unvermögen, über Verhältnisse sich hinauszusetzen, die den kleinen Menschen ängstigen müssen.

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K raftlose G ötzen 231 Einmal noch wuchs er ins M aß sittlich G roßer: als er den nie von Volk Beauftragten, die als „Volksbeauftragte“ neben ihm walteten, den W ürdenkram hinwarf, weil er, wie in heller Stunde Luther, nicht A ufruhr in Allem sah, „was Bluthunde aufrührerisch schelten“ . In flecklosem G ew and schied er, der in der W ilhelmstraße nicht, wie der Geschäftsinhaber aus Ba«

den, in Parvenuwonnen geschwelgt hatte; trat in Reihe und Glied zurück. Auch dieser gute Mensch redlichen Dranges, aufrechten Pflichtbewußtseins ist nun gemeuchelt worden.

Liebknecht, Luxemburg, Jogisches, Eisner, Levine, Lan«

dauer, Haase . . . W er zählt die Opfer, nennt die N am en?

Keinem der an Deutschlands Schmach und Leid Schuldigen wurde, nicht dem vor Weltgericht überführten Verbrecher bis heute ein Härchen gekrümmt. Doch von den Rebellen«

führern, die dem W illen zu sittlicher Erneuung, die rühmlich edlem W ahn ihr Leben verlobten, freut kaum einer sich noch des rosigen Lichtes. „A uf der Flucht erschossen“, standrecht«»

lieh (also widerrechtlich) zu Tod verurtheilt, von Gewehr«

kolben „erledigt“ oder, wie der Asketenleib Landauers, der ein von der Siedhitze streng fordernder Menschenliebe verzehrter Johannes war, von Kugeln durchsiebt, von Nägelschuhen in blutige Klumpen zertreten, auch von „Geisteskranken“ (Lieb«

knecht, Haase) aufs Korn genommen: die M ethodik ist mit bedächtiger Schnelle ausgebildet worden. M it unzähligen W ollensgenossen sitzen die Herren Axelrod, Mühsam, Ra*

dek, Toller im Käfig, H err Däumig sagt in der „Freiheit“, er sei in „unterirdisches Leben“ gezwungen, und an Haases Bahre, um die zum ersten Mal wieder die Trauer aller civili*

sirten Völker in Eintracht sich schaarte, sprach H err Crispien die Verse: „U ns Alle berührt der Fittich unserer dunklen Tage. W enn einst die Menschen, nach unzähligen Kämpfen, gelernt, was Mensch sein heißt und menschlich handeln, dann werden sie, wie wir in diesen Tagen, mit Abscheu sich von jenen M ördern wenden und es verstehen, warum in unseren Herzen die Liebe starb und H aß erstehen m ußte.“

W ard der Aufschrei dieses Hasses in D unkel gedrosselt? Die Sichtbarsten wurden gemeuchelt, gemetzelt, die noch Ueber«

lebenden von der N iedertracht alltäglicher Verleumdung

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Strolchen und M ördern empfohlen: und Massenzorn heult nicht himmelan und zerschmettert mit seinem Hall schon das Gesindel, dessen verpelzte Zunge, verschmutzte Feder all diese Schande auf D eutschland sudelte? Schaudernd oder aus dem Auge kalten Ekels sieht es die W elt; und will nicht, kann auch nicht glauben, daß hier ein Neues geworden sei. M it Gleichmuth blicken die für Menschenrecht und Frei*

heit (wer lacht da?) verschworenen Demokraten, Bourgeois und Schmarotzer des Erfurter Programmes, auf das Spektakel hernieder; mit dem schönen Gleichmuth, der diese beispiellos würdigen Regirer nie noch verließ. Die N acht vor der von perversem Kitzel ersonnenen,.Trauerwoche“ haben sie durch*

schlemmt und durchgröhlt, sind vor dem von Scham halb geschlossenen Auge Landfremder durch Weimars Fürsten»

keller getorkelt, waren, als der versailler Vertrag durch den D raht tröpfelte, nicht aufzustöbern und weihen mit Fest*

gebecher ein „neues H eim “ ein, während in Deutschland aller Vefkehr stockt, die Aorta der W irthschaft blutleer wird und um den Leichnam Haases, der ihr Führer, Sturmpanier in hundert Schlachten war, die W äscher bemüht sind. W arum nicht? „Sie aber, sie bleiben in ewigen Festen an goldenen Tischen. Sie schreiten vom Berge zu Bergen hinüber; aus Schlünden der Tiefe dampft ihnen der Athem erstickterTitanen, gleich Opfergerüchen, ein lieblich Gewölke.“ W er von der Zeche munterer Spießer nicht bis ins goethische Parzenlied klettern mag, bleibe in irdischer N iederung und frage selbst sich, ob Shakespeares Kesselflicker Christopher Sly, der im Lordsbett erwacht ist, statt gewohnten D ünnbiers Kanarien»

sekt säuft und eines in W eibsm ieder geschnürten Pagen Weich*

feil tätscheln darf, sich von der Sorge um Altenglands W ohl oder W eh das H aar grau färben läßt. M it den Speckigen, deren Symbolon wurde, daß sie vom ersten M achttag an das Futter aus der Kaiserhofküche bezogen, hatte Haases schlichter Ernst nichts gemein als den Parteinamen; und er hätte der widrigen Theaterei ihrer „Beileidsbezeugung“ lebend sich wohl nicht hingegeben. Er war ein Jude, stieg leichter als fest Einge*

wurzelte auf die Hochstufe übernationalen, internationalen Empfindens, ließ aber, besonders stark, wenn er von seinem

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Kraftlose Götze»

engsten Heimathbereich sprach, jedes helle O hr spüren, mit welcher Manneszärtlichkeit er, in Trauer und Hoffnung, Deutschland umfange. D aß unter den M ärtyrern so viele Juden sind, ehrt Israel; zeugt von Heldenthum, das höher als erzwungenes oder von Ehrgeiz erpreßtes gelten rrüßte, und sollte von Denen bedacht werden, die ringsum nur jüdische Schieber, Spieler, Schacherer, Schmocks riechen. Das uralte Strombett, durch das die Liebe zu den „Ebionim “, den in frommer Einfalt M ühsäligenundBeladenen,ihreFruchterwelIe in dürres Land wälzte, ist noch nicht versandet, derQ uellnicht versiecht, aus dem Josephs Sohn Jeschua, der von Platonis*

mus noch unberührte Reformjudenrabbi, die Bergpredigt schöpfte. Vae Germaniae, wenn sie von dem H aß auf diese Juden sich so vergiften ließe wie das versumpfende Rom von d erW uth auf die jüdischen Christusbekenner, die jauch*

zend sich in M artyrien stürzten, mit tötlichen W unden oder in Flammenumschlingung zu Sang und Tanz von der Glücks*

Seligkeit gestimmt wurden, „für einen Menschen zu sterben, den ihr Auge doch nie geschaut hatte“ . Für einen Glau*

ben, von dem sie Erhöhung der seelischen Menschheitstatur hofften. Auch diese Opfer staatlicher Justiz waren als Feinde nationaler Größe, als Verächter des Kaisers und aller Obrig*

keit, als Höhlenverschwörer und Hochverräther gevehmt, dem Kommunismus, Bolschewismus viel näher als irgend*

eine bürgerlich geachtete, rechtlich geschirmte Kaste; und überleuchten durch die Jahrtausende, dennoch, das Gedächt*

niß ihrer Richter und Henker. W ird die Romanenbehaup*

tung als wahr erwiesen, daß der Versuch, D eutschland zu christianisiren, niemals tief durch die Kruste gedrungen sei?

Entbrennt noch einmal der Streit zwischen den G öttern des Germanenmythos und der G ottheit des milden O rients?

W eh dem D eutschland, das wieder, dem von Tacitus er*

blickten ähnlich, hartnäckig auf der verwerflichsten Sache stünde und den im Schoß der Judenheit gereiften Geist des Christenthumes niederränge 1 Dieses Geistes Künder war der aus derbem Stoff gefügte Rechtsanwalt Haase be*

w ußt erst im Kriege geworden. Der hat die Seelen aus*

„ gesondert. W er durch dessen Erlebniß nicht bis ins Tiefste

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gewandelt, durch zuvor unahnbares Leiden geläutert, ge*

adelt wurde, reihe sich in das Schattenheer der Gestrigen, dessen Feldmarschall, H err Paul von H indenburg, sprach:

„D er Krieg bekommt mir wie eine Badekur.“ Et hic dii erant.

Doch diese G ötter verwesen und ihr A bbild wird einsam wie die Bilder Bels und der Astaroth. Aus solchem Helden*

thum blüht unserem M orgen nichts mehr und sein D uft selbst wird bald sein wie der Athem undicht verschlossener Sar*

kophage. D er nur in Entsagung große judenchristliche Sozialist Haase schien vom Kriegsleid, vom zehrenden W eh tausendfacher Enttäuschung feiner, zarter geworden. Von seiner Stirn wehte Etwas vom Stolz des Brahmanen, der die Vedas, des O rientjuden, der die Bibel durch Sturmfluih und Feuersbrunst trägt und weiß, daß er Reichskleinodien der Menschheit rettet. Dieser rettete das Palladion der Armen der Ebionim unserer Tage, heb es aus dem Schlamm, in den feile M achtgenießer es geschleift hatten, und trug es auf ge*

radem, schmalen Pfad, ungelockt von Versuchung, mit schon müdem Arm, ohne Flamme, doch in sauberen Händen auf den Hügel, hinter dem das Gelobte Land neuer Internationale sich breitet. Auch er ist von Tücke gemeuchelt worden.

S o l e b e n w i r

U nd Volkszorn brüllt nicht auf? „G ute Zeit für Mör*

der“: steht oft an der Spitze des Blattes, das der nicht ver*

seuchte Sozialismus sich geschaffen hat. Ein grimmiger Scherz.

Flucht, mit falschen, von Amtsinhabern gefälschten Pässen, ns A usland, Sanatorium, fideles G efängniß: gute Zeit. Doch der grimmigste Scherz sagt nicht, was heute gesagt werden m uß; löst nicht Entsetzen und Schmachempfinden, die wie Schwarzalben die Schwinge deutschen W illens zu Recht, An*

stand, W ürde lähmen. W erdet unbarmherzig gegen die Schän*

der (Eures Rufes nicht nur, nein:) Eures Seins. W er mit ihnen noch geht und steht, wandelt und handelt, wie, nach schril*

Iem Gezänk, ein A dvokat mit dem Prozeßgegner in freund*

liehe Zwiesprache spazirt, D er sinkt in den selben Pestbann.

„W ir trennen vom Politischen streng das Persönliche.“ Das 4ieißt: Ihr scheltet Einen Volksbetrüger, A usbeuter, Lügner, •

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Kraftlose G ötzen 235

Rechtsbeuger, M örderhehler und beplaudert mit ihm danach, daß unter zwei M ark kein aus Hamsterflügen niederschwe*

bendes Ei, unter zehn kein Pfund Zucker zu haben ist und welche Benefizien die schon oben angelangten Kletterpartei*

genossen wohlig genießen. Ekelt Euch selbst nicht so fader Lebenssüßstoff? W ollt Ihr in den Rang des Theateraus«

schroters sinken, der, trotz der Maulschelle von gestern, dem gewaltigen H errn Redakteur heute girrend schon um den Federbart geht? W en Eure UeberzeugungniedrigenTrachtens zeiht, Den muß Eure Zunge ächten und die Berührung seiner H and m uß Eure wie Aussatz scheuen. Des W illens Schwinge ist gebrochen. „Schade um Haase. Er war ein guter Kerl;

immer artig und nett. A ber das A ttentat ist nicht unter die politischen zu rechnen.“ Durchaus, bequemer H err; nur in der hier geschaffenen Atmosphäre war es möglich. Das Ge«

rede vom „Narrenstreich eines Schwachsinnigen“ ist billig;

wie jede von Amtes wegen frankirte Lüge. Längst müßte das Ergebniß der U ntersuchung öffentlich bekannt und nicht die schmälste Klinze noch offen sein. Haases Freund Dittmann hat, spät, dem Justizminister zehn Fragen gestellt, die seit drei W ochen beantwortet sein konnten, bis heute aber noch nicht sind. U nd schoß ein Kranker (Tausende hat §51 nicht vor härtester Strafe bewahrt und auch G utachten sind atmo*

sphärisch bedingt), so sind Alle mitschuldig, die, unter natio*

naler oder demokratischer Maske, den Unabhängigen, der un*

gewandelten M arxistenlegion, jede Schandthat nachzischel#

ten und erst neulich wieder die Schwindelmär ausplärrten, Bolschewikengeld habe, leider, zu der „Revolution“ mitge*

wirkt. „Aber die Leute sind doch selbst für Gewalt. Trotz,, dem klagen sie täglich Noske an; weil er kein W aschlappen ist, soll er ein Bluthund sein. W enn er nicht wäre, säßen wir schon auf der Straße und in unseren guten Stuben die Zierden des berliner M obs.“ H err Noske, theurer Heide, ist ein Kapitel für sich und steht in einem Buch, dessen Sie#

gel nicht ewig währen wird. Fürs Erste will ich Ihnen nur sagen, daß Ihr Glaube an diesen Schützer schlimm irrt. Nie*

mand hat die alte Gewerkschaftpartei so fatal geschädigt, Niem and den Kommunisten und Syndikalisten die Einzugs*

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straße so gangbar gepflastert wie H err Gustav N oske, der als ein Provinzkean den Allerhöchsten Kriegsherrn mimt, Pa­

raden abnimmt, vor Rennlogen sich von W ilhelm inern empfangen,umdienern läßt, seine Photographie über die Erde sät und hinter Stacheldraht und Maschinengewehr die Alba»

Allure einlernt. Knirps als Riese. Kaumzu einem Plehwelangts.

Der verhaßtesteM ann im Reich, der, einst unter den wldesten Schreiern vornan und im Versailler Vertrag als Bürge deut*

scher Kolonialgräuel vorgeführt, in zehnmonatiger Zwing*

herrschaft die ruhigen berliner A rbeiter in Rudeln weit über den linken Flügel der Unabhängigen hinaus getrieben hat.

Fünf bis sechs D utzend Mandate, mindestens, kostet die So*

zialdemokratie der Kurzstirnige, wenn ihr Gewimmer nach

„Einigung“ nicht noch Hürdenschutz sichert. Draußen sieht man ihn richtig. Ein Angelsachse, der mit sehr tiefem Ein*

druck aus M oskau kam und von mancher Schöpfung de*

Räthe mit höchster Bewunderung sprach, hat mir erzählt:

„Auch dort ist man gewiß, daß vor der W ahl zwischen M os­

kau und Noskau (wie Sie jüngst mal schrieben) kein Arbeit ter lange schwanken werde. Lenin war sehr befriedigt, als er hörte, wie behutsam der H err Reichswehrminister sein Leben wahre. Das, meinte er, möge recht lange währen;

er wünschte sich noch zehn Noskes; denn stärkere Agitatoren für den Bolschewismus habe selbst er nicht in seinem Stab.“

Des W illens Fittich ist geknickt. Zw ölf Tage lang war im ganzen Deutschen Reich der Eisenbahnverkehr für Per»

sonen gesperrt. Vorwand des Kabinetsbefehles: „W ir brau­

chen alle Gleise und Lokomotiven, um Kohle und Kartoffeln abzufahren.“ So dumm wie dreist. Schafft man in übervöl­

kertem Lande dadurch Raum, daß für zwei W ochen der Bei­

schlaf unter hohe Strafe gestellt w ird? N ützt nicht. Schwirr*

ten die N oskitos durch Schlüssellöcher und Bettgardinen:

im Spermatozoologischen Garten kribbelt es, w ibbelt es wei ter; gehts nach dem nächsten Bierkonzert doppelt, vierzehn­

fach tm sig zu. W enn der Hausverwalter von Hertzog, Israel, W ertheim spräche: „W ir müssen in der Zeit des Weihnacht*

einkaufes eine W oche lang schließen, weil jeder Saal von Schmutz, Kistenspähnen, Abfallsplunder starrt“, er würde,

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K raftlose G ötzen 237

rauher als ein Spartakidenmörder, ins Irrenhaus gewiesen.

Welches Schwein ließ denn so trag das H aus verdrecken?

W arum wurde nicht an jedem Feierabend ausgekehrt, ge*

scheuert, gelüftet? Zw ölf Tage lang zwischen Memel und Lindau, Aachen und Saßnitz nicht ein Zug, der Menschen fährt. Fiskus, Kaufmannschaft, Fremdenindustrie verlieren Unsummen; Verträge werden hinfällig; Aerzte, an deren Ruf Hoffnung sich klammerte, sind unerreichbar; Eltern sterben, ehe der K inder Auge, Kinder, ehe der Eltern Blick sie ein#

mal noch küßte. In der Deutschen Republik (in Liq.) hat Keiner gemuckt. Am achten Tag hieß es: „Die Sperre wird nicht viel nützen und bald wiederholt werden.“ Am zwölf#

ten: „Schlimmer, nicht besser, ists. Für H ausbrand und In#

dustrie wird die Kohlenration morgen noch beträchtlich ge#

kürzt. Furchtbar gefährliche Lage. A ber wir hoffen ..“ . Keiner muckt. Keiner fragt diese Excellenzen (so nennen sie sich, lassen so, gar in der dritten Person, sich undihreGesponsenan#

schnarren), woher sie dieKeckheit nahmen, auch nureinenTag noch an ihren Adlersesseln zu kleben. Auch hier fressen nur Privatspäßchen in Oeffentliche M einung Schwammlöcher.

„Preußen erweist sich wieder mal als den W all des Reiches.

W er die H äupter des preußischen Kabinets gemustert hat, kann nicht mehr behaupten, ein unzulänglicheres M inisterium als das im Reich schaltende sei nicht erdenkbar.“ Einer der Geheimräthe sagts, deren anständige Bureaukratenarbeit allein noch die Karre in Gang hält. Ein anderer, auf die Frage nach dem W esen mancher Ressortchefs: „Die A ntw ort muß ins Medizinische abbiegen. Mitesser, Komedonen ent*

stehen, aus dem Sekret der Talgdrüsen, bestehen aus fett#

haltigen, zerbröckelten Epidermiszellen,Härchen und Schmutz, sind oft das N est von Haarbalgmilben, werden zwischen den Daumennägeln oder mit Hebras Quetscher ausgedrückt und ihrer W iederkunft wird durch W aschung mit Seife und Sublimat vorgebeugt.“ Ein D ritter: „D as M inisterium der drei H ? N u r eine Stimme: Ha H a H a!“ Niedlich. Aber aus W itzestreu wächst nichts; und die Nullen, nourris dans Je serail, wissen, wie lange Preßgefälligkeit sie in N enner umfälschen kann. Niemals, auch nicht in den fernen Tagen

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„schwärzester Reaktion“, ist Preußen so spottschlecht regirt worden. In einem Jahr ohne höfische Hemmung und tiefen Sehnens nach der ersten Regung, dem Gestus schon edlen Wol*

lens ist nichts, nicht das W inzigste geschehen, was neuen G eist ahnen ließe. Er m üßte denn darin offenbar werden, daß Minister jeden lecker gefüllten Trog, mag er selbst in Spülicht stehen, umhocken und mit hingeschleuderten Stüm*

perartikeln Preise angeln, deren H öhe in ziemendem D unkel ihr Traum nicht zu erklimmen wagte. G ünstlingwirthschaft (die jetzt nur aus weniger appetitlichen Kisten wählt), Miß*

brauch des Zwangswerkzeuges, Schlamperei: schlimmer als je. In Schule, Universität, Gericht: „viel M orast macht das schöne Land verhaßt“ (lernte der kleine W olfgang Goethe auf der ersten Schulbank). N icht der schüchternste Reini*

gungversuch. W as in Oberschlesien irgendwie zu verpatzen war, ist verpatzt worden; ein Minister, der den Kolporteur Hörsing auf solche W arte stellte, hat sich die Matratze ge*

stopft. Die Landwirthschaft, deren Geräth noch seit Sep*

tember den Preis fast verdoppelt hat, wird mit ihrem Haupt*

produkt an Höchstpreise gebunden, die um Abgrundtiefe unter den Sätzen des W eltmarktes liegen, also rentablen Be*

trieb nicht erlauben; also wird Luzerne gebaut oder Dauer*

weide angelegt, auf die, wenn wir den grotesken Hirsch*

Park noch ein Weilchen behalten, der hungrige Städter im nächsten Jahr gehen kann. Leidlich schmackhafte Kartoffeln sind schon jetzt beinahe nur noch im Schieberhandel (das Pfund für eine M ark) zu haben. Das ganze Verkehrswesen, das man, in dieser N othzeit, in Preußen dem mainischen Redakteur Oeser, im Reich dem rheinischen (nach den My*

steres de Paris langenden) Rechtsanwalt Bell zu unterstellen wagte, ist desorganisirt; völlig zerrüttet. W enn H err von Breitenbach sich entschlösse, für kurze Zeit wenigstens in dieses Kabinet einzutreten (das ihm, vielleicht, aber zu un*

verschämt reaktionär ist), wenns auch nur der als Feldeisen*

bahnchef bewährte H err Groener thäte, dürfte man immer*

hin auf mähliche G esundung hoffen. Am dritten Tag nach dem vorganglosen Unfug zwölftägiger Eisenbahnsperre wurde amtlich verkündet,die berlirierStraßenbahnkönne, weilihrem

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Kraftlose Götzen 23^

Kraftwerk Kohle fehle, nicht fahren. D urch kein Bürger?

blättchen rauscht Zorn. „Hirsch, Hänisch, Heine & Co. sind unsere Leute“ ; sind kernhafte Patterjohten, die nur, leider, auf H ügelland nichts, gar nichts können und deshalb schleu*

nig, mit treudeutschem G ruß, vom Staatswagen abgeschirrt werden müßten. Die Monarchisten lachen sich einen Ast; legen vor der putzigen Hochgestalt des Herrn Hirsch, dessen Ge*

schwätz ihnen zinst, selbst den Hamberg, Spieß, Morgen#

stern des Antisemitismus ab und schaukeln sich bis in die Hoffnung, solchen Regirern am Ende noch hundert Millionen für die M ajestät des Deserteurs zu entsteißen. W arum nicht, wenn auf der einen Seite die Excellenz des Lieutenant Süde#

kum^Sakrow sich sonnt, auf der anderen Seite die Poly*

metisklugheit der H erren August Eulenburg und W illy Loe*

wenfeld verhandelt? Im Reich wird das wichtigste Ministerium von morgen, W iederaufbau in Frankreich und Belgien, Milliardenwirthschaft, Anknüpfung der ersten Fäden, Be#

reitung der Atmosphäre, das seit vier M onaten arbeiten müßte (dann wären die aus dem deutschen Heer Gefangenen schon zu Haus) und an dessen Spitze ein dem grundgescheitenHun*

dertmillionär Louchehr gewachsener G roßindustrieller taugt, zuerst einem Industriekaufmann angeboten und, als er, im Bewußtsein der Unzulänglichkeit, abgelehnt hat, einem tüch*

tigen Bürgermeister anvertraut, der ein Jahr brauchen wird, bis er die seinem Amt unentbehrlichen Abtheilungen und Dezernate aus dem Gewirr älterer Reichsministerien losgeeist und in schimmerndem U m riß begriffen hat, vor welcher groß*

artigen, einzigartigen Aufgabe er steht. „A ber bedenken Sie die furchtbaren Forderungen der Feinde!“ Ausrede; so faul wie das in jedes A burtheil über die neue Soldateska pünktlich einbrechende Geflenn über Gewaltthat der Spartakiden. D aß der Sieger die ihm entwendeten Lokomotiven und W agons vom Besiegten zurückfordern werde, war doch wohl zu er#

warten. Auch die unklug Beifallsüchtigen, die jetzt noch, un»

zeitgemäß, über „die idiotische Brutalität der Entente“ geifern, würden auf ihren Pelz und Gummimantel nicht, dem Ein#

brecher zu Liebe, verzichten. D er W esten hat im H erbst viel«

fach guten W illen gezeigt und eine Finanzaktion unerschauten

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Umfanges vorbereitet. W ird er jetzt kratzbürstig rauh und wehrt jedes Gespräch über Vertragsbedinge ab: nach der eklen M aulorgie dieser W ochen wirds verständlich.

M a r lo h ?

Vor die Pforte zu Eingang in diese W ochen trat eine Gestalt, die wir erst an einem Tag finster strengen Gerich*

tes wieder zu sehen erwarteten. „Zum Empfang des Feld»*

marschalls hat O berst Reinhard eine Ehrencompagnie ge«

stellt, die er auch selbst vorführte.“ Formalfragen wurden hörbar. O b der nächste, der höchste Vorgesetzte diesen Schritt gebilligt habe. D er ganze Rummel, die Reprostitution an erkitschte Kaiserei, mehrte in Ernsten nur den Brechreiz;

und sie hätten auf Einzelnes ohne den Namensklang kaum geachtet. O berst Reinhard? Das ist ja der Mann, der in rüdestem Feldwebelston die Republik, ihre Fahne, ihre Ver**

weser geschimpft hat und den der Republikaner, der demo*

kratische Sozialist N oske dennoch zärtlich hegt. D arüber wäre, wie über Schlimmeres in alltäglichem Schanderlebniß, hinwegzukommen. A ber dieser selbe O berst ist dringend verdächtig, durch seinen leichtfertig unbedachten Befehl neun*

undzwanzig schuldlose junge Deutsche in grauser Metzelei getötet zu haben. D aß er nicht dem D ienst enthoben wurde, noch heute befiehlt, ist immerhin der Rede werth.

Am siebenten März wurde die Volksmarinedivision, eine revolutionäre N ovembertruppe, aufgelöst und jedem ihr Zu*

gehörigen, wenn er mit der Waffe in der H and betroffen werde, „Behandlung nach Kriegsrecht“ angedroht. Am neun*

ten wurde der Belagerungzustand, dessen schmutzigen Fre*

veln wir gestern keuchend entronnen waren, w iederverkündet;

zum elften dieM annschaft der aufgelösten Truppe zum letzten Löhnungappell in den Kassenraum des Hauses Französische*

straße32 geladen. Irgendwelches leere Gerücht, Kasinoklatsch von Versuchen zu N eubildung der Division, erwirkt den Ein*

griff der Freiwilligen*Brigade Reinhard. Sechzig Mann, zwei Maschinengewehre, zwei Lastautos; Befehlshaber: Oberlieute*

nant M arloh, ein vielfach, zuletzt durch einen Kopfschuß schwer verwundeter Offizier. Zweck des Unternehmens: „bei

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Kraftlose G ötzen 241 dieser Gelegenheit möglichst viele Mitglieder der Volksma*

linedivision zu verhaften“. D er Befehlshaber ist in dieUeber*

zeugung geschoben worden, der Appell sei Vor wand, die Leute erstrebten unerlaubte Bündelung, deshalb seien Unbewaffnete festzunehmen, Bewaffnete oder W iderspänstige zu erschießen.

Von der achten Frühstunde an sickerten sie, strömten dann herbei; arglos (bis auf Einzelne, deren Nase eine Falle ge*

wittert hatte), nur von dem Verlangen nach Löhnung ge*

trieben. D er Empfang war, wie er nach dem Brigadebefehl sein mußte. „H ändehochl“ Revolverdrohung. Bewaffnete und zornig den U nglim pf A bwehrende kamen in eine Dunkel*

kammer, die Anderen in einen Vorderraum, zu Begleitung mitgekommene Frauen und Verwandte in den Ersten Stock.

Als hundertfünfzig M ann festgenommen waren, wurde H err Marloh unruhig und bat telephonisch um Verstärkung. Dring*

licher, als die Zahl auf D reihundert gestiegen war. Die Ver*

hafteten waren in engen Pferch eingepreßt, in, by Jove, nicht grundloser W uth über so unwürdige Behandlung und konn*

ten das Maschinengewehr, das sie nah bedrohte, so hintenüber*

kippen, daß seine M ündung auf die Reinhardiner zielte, die dann, Fünfzig gegen Dreihundert, verloren waren. Da Ver*

Stärkung ausblieb, glaubte der Oberlieutenant sich dadurch Luft schaffen zu können, daß er „schlechte Elemente*', gut gekleidete Männer, die Uhren, Ketten, Ringe, größere Geld*

beträge bei sich hatten und ihm drum des Diebstahls ver»

dächtig waren, aussonderte. Ein großer Theil dieser M änner hatte für besonders treuen D ienst in der Reichsbankwache eine Geldpräm ie erhalten. Allmählich kam nun Verstärkung;

nach und nach ungefähr siebenzig M ann, deren M ehrheit aber zu A bsperrung der Straße gebraucht wurde, weil das anschwellende Gerücht von H interhalt und Massenerschieß»

ung dichte Haufen ungeduldig M urrender schaarte. Dieser Menge bestätigten Frauen und andere Geängstete, daß Befehl der zuständigen Stelle die M atrosen hergetrieben, sie ange*

wiesen habe, ihre Waffen zu Ablieferung mitzubringen, daß einzelne von der Kommandantur einen Waffenschein haben und trotzdem jetzt ihre Freiheit, ihr Leben gefährdet sei.

Oberlieutenant Marloh, der im Krieg den rechten Arm

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Die Zukunft

verloren, dem G eschoßregen Schädel u n d R um pf durch«

löchert hat, der A lkoholiker war u n d an N ervenzuckung und B ew ußtseinstrübung leidet, sieht den V organg anders. In der R evolution (so m einte mans im M ärz noch nennen zu dürfen) das G räuelereigniß, das dem Einarm igen, nach a llerQ u al für«

V aterland, die G ew ißheit sorgenloser Z u k u n ft nahm. In der.

M atrosen Landesverräther, S traßenräuber, die sich zu neuem Beutezug verschwören w ollen u n d deren A ussage deshalb keinen G lau ben verdient; Erzfeinde der n o th d ü rftig gesichert ten Staatsordnung. O b en d rein ist dieM ilitärlüge vom lichten«

berger B lutbad in sein O h r geklungen u n d er füh lt sich ver«

pflichtet, alles ihm M ögliche zu thun, um das E ntstehen eines neuen B randherdes, gar in den G eschäftsstraßen des Bank«

Viertels, zu hindern. D ennoch hat er sich nicht bedenkenlos auf den Erlaß des G enossen*G eneralissim usN oske, der jeden m it W affen getroffenen V olksm arinem ann m it T o d bedrohte, gestellt, sondern, immer w ieder, nach kurzen Pausen von dem ins m oabiter K rim inaigericht einquartirten Brigadestab Ver«

Stärkung erbeten. D ie war, wie der A blau f des Geschehens er*

wiesen hat, nicht zu M assenschlachtung, war aber zu Ab«

wehr kräftigen A ufruhrs nöthig. D aß durch das Reichswehr«

m inisterium (vielleicht zwischen zw£i C oavertbestellungen bei Sklarz, dem W irth w underm ild) das G erede von gewoll*

ter„V erkitschung“ der L öhnungsucher gegangen war und alle nicht ganz Fehllose nbgeschreckt hatte, w ußte H err M arloh nicht. D a ß vor dem H ause zwei C ivilisten jeden K öm m ling m it dem Z u ru f köderten, er solle sich sputen, denn oben werde der Sold schon gezahlt, war im Sinn der In struktion;

zu diesem Zw eck w aren ja Leute in Civil m itgeschickt wor«

den. Roth brannten vor M arlohs A uge vier Erlasse. „Jeder ehemalige A ngehöge der V olksm arinedivision, der noch m it der W affe in der H an d betroffen w ird, wird nach Kriegs«

recht b ehandelt“ (N o sk e). „Jede Person, die, m it W affen in der H a n d gegen R egirungtruppen käm pfend, getroffen wird>

istso fo rtzu ersch ieß en “ (N oske).,,A lleA ngehörigenderV olks«

m arinedivision, die in neubesetzten Stadttheilen angetroffen w erden, sind zu entwaffnen und, wenn sie sich wehren, nie«

derzum achen; sonst festzunehm en“ (L üttw itz). „ W er sich in

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Kraftlose G ötzen 2 4 3

W affen w idersetzt oder plündert, gehört sofort an die M auer.

D a ß D ies geschieht, dafür ist m ir jed er Führer verantwort*

lieh“ (Lüttw itz). So ungeheuerliche, in M ißgriff und Miß*

brauch verleitende Befehle w aren im fünften Lebensm onat deutscher R epublik m öglich; u n d ihre A u sfü h ru n g war (w a r? ) in die W illk ü r m onarchistischer, aller D em okratie erzfeindlicher Offiziere u n d U nteroffiziere gestellt.

N ach der ersten Bitte um V erstärkung fragt O berst Rein*

hard : „Sind von den festgenom m enen M atrosen schon Leute erschossen w ord en ? Lieutenant Schroeter antw ortet: „So viel ich w eiß, nicht.“ D er O b erst: „G eh en Sie zu M arloh und machen Sie ih n auf den bekannten Befehl No.skes aufmerk*

sam. Sagen Sie ihm, daß er rücksichtlos durchgreifen und, falls nöthig, sofort von der W affe G ebrauch machen solle.“

D iesen Befehl hat der L ieutenant in die Französischestraße gebracht. Spätere Befekle des O bersten: „M arloh soll recht*

zeitig u n d ausgiebig von der W affe G eb rauch m achen.“

,,Eigentlich gehört die ganz« G esellschaft an die W a n d .“

„Sagen Sie M arloh, es könn« länger dauern, bis er Unter*

Stützung gegen die M atrosen bekom m t; die beste Unter*

Stützung sei die K ugel.“ „W en n es so w eit ist, soll er sofort dazw ischenschießen u n d O rd n u n g schaffen.“ „M it Schlapp*

heit ist hier nicht w eiterzukom m en.“ „W o soll ich denn m it d er ganzen G esellschaft bleiben? D ie G efängnisse sind über*

füllt.“ Schließlich w urde dem Lieutenant W ehm eyer, einem Vetter M arlohs, nach einer Besprechung Reinhards m it dem O b erlieu tenan t V on Kessel, befohlen: „Nehme® Sie sich ein A u to , fahren Sie los u n d bestellen Sie M arloh, O b erst Rein*

h ard sei sehr w üthend, weil M arloh gegen die d reih u n d ert Ge*

fangenen offenbar nicht energisch genug vorgehe; er solle im ausgiebigsten M aß von derW affe G ebrauch m achen; u n d wenn er hundertfünfzig M ann erschösse: Alles, was er irgendw ie erschießen könne, solle er erschießen.“ Lieutenant W ehm eyer hat in Kessels Zim m er den Befehl w iederholt, ist abgefahren un d hat ihn „w o rtg etreu “ dem V etter ins O h r geflüstert. D er antw ortete, schneeblaß: „ H u n d ertfü n fzig M ann erschießen?

D u bist w ohl verrückt! Ich w eiß selbst, was ich zu th u n habe.“ G egen Eins befahl er, dreißig M ann im H o f zu er*

(20)

Die Zukunft

schießen. D er beauftragte O ffizierstellvertreter fand acht G ew ehre ausreichend zu E rschießung von dreißig M enschen.

Schnellfeuer auf die brüllenden, jam m ernden, ihre U nschuld betheuernden Leute. A us abgerissenen Schädeldecken spritzt H irn, V erw undete kram pfen sich in Leichen, K auernde, Ver*

krochene sucht u n d findet die Kugel. Langwierige Schläch#

terei. Ein Einziger, H e rr H u g o Lewin (dessen B ruder mit#

erschossen w urde), sank bew ußtlos nieder, erwachte im Gei«

knäuel der Leichen, kriecht nachm ittags hervor, versteckt sich ins Pförtnersgehäus, w ird von U nteroffizieren entdeckt, m it verw undetem A rm im K rankenauto nach M oab it gebracht, als U eberlebender dem O bersten R einhard vorgeführt. D e r ru ft: „D an n m üssen Sie auch erschossen w erden!“ E n tläß t aber nach der D arstellung des Sachverhaltes den M ann bis zum A bschluß der U ntersuchung.

O b erlieu ten an tM arlo h h atein en m ehrfach,unzw eideutig, m it stets stärkerem N achd ruck ihm gegebenen Befehl aus#

zuführen geglaubt; hat das M indestm ögliche des ihm Be#

fohlenen, schim pfend, wie im M ilitärverhältniß A lltagsbrauch ist, gethan; und war gew iß, wenn ers nicht that, vor ein Kriegsgericht zu kom m en. M u ß te gew iß sein; u n d wäre, w enn er gewichtige T hatum stände nicht gekannt hätte, durch

§ 59 S tG B entschuldigt. Sein erster Bericht, der sich auf die Befehle des V orgesetzten beruft, w ird von dem Ober#

lieutenant Von Kessel, als lückenhaft, nach Stil un d In halt unm öglich, angehalten u n d w ird unauffindbar. A u s Arbeit#

gem einschaft m it Kessel entsteht ein zweiter Bericht, der die Befehle verschweigt, aber auch nicht gefällt; den dritten dik tirt Staatsanw alt W eism ann, billigt der O berst, unter#

schreibt M arloh nach dem A u sru f: „Es ist eine Lum perei, aber ich th ue es im Staatsinteressel“ Ein anderer Staatsan#

walt, H err Z um broich, war m it dem K rim inalkom m issar M ützlitz in Kessels D ienststube, als H err R einhard den (dann von W ehm eyer überbrachten) Befehl gab. Im Ju li hat der vom U ntersu chun g fü hrer befragte Staatsanw alt geantw ortet, die Sache liege vier M onate zurück, sei also nicht m ehr frisch im G edächtn iß u n d er (zugleich Zeitfreiw illiger des C orps L üttw itz) nicht der Pflicht zu W a h ru n g des Amtsgeheim*

(21)

K raftlose G ötzen 245 nisses entbunden. M it der selben B egründung hat der Kri*

m inalkom m issar sein Z eugniß verw eigert; u n d der Polizei*

Präsident von Berlin, G enosse Eugen Ernst, hat ihm bis gestern nicht Aussage erlaubt. N ach der S trafprozeßordnung (§ 5 3 2) darf die G enehm igung zu Aussage öffentlichen Be*

amten „nur versagt w erden, w enn die A bleg u ng des Zeug*

nisses dem W o h l des Reiches oder eines Bundesstaates Nach*

theil bereiten w ü rd e“ . F ordert das W o h l des Reiches, daß nicht, über jeden Zw eifel hinaus, erwiesen werde, was H err R einhard dem U ntergebenen befohlen h a t?

D er ist ruhelos gew orden, seit er, im M ai, in der „Frei*

heit“ den ersten der u nter dem T itel „G u te Z eit für M ö rd er“

gegen ihn gerichteten A rtikel las. Vier Tage nach dessen Er*

scheinen w urde gegen M arloh ein H aftbefehl wegen Tot*

schlages und A u fforderun g U ntergebener zu rechtw idrigem W affengebrauch erlassen. D er O b erlieu tn an t w urde gewarnt, verbarg sich bei einem ihm verw andten Pfarrer, fuhr, m it falschen Papieren, unter falschem N am en, am zweiten Juni*

abend nach F rankfurt am M ain, lebte zwei M onate in Meers*

bü rg am Bodensee, w ollte von d o rt ostw ärts, w urde am ersten Septem ber auf dem leipziger H a u p tb a h n h o f von einem zu*

vor ihm U ntergebenen erkannt, leugnete nicht, sondern for*

derte selbst, dem zuständigen Richter vorgeführt zu werden.

..Eigenmächtiger Entfernung von T ru p p e u n d Dienststellung**

wäre er nu r schuldig, w enn er w ider den W illen Vorgesetzter abgereist wäre. Er bestreitets. Behauptet, daß er sich stellen wollte, aber hitzig zu A breise gedrängt, m it Stammrollen*

auszug, Noske*Ausweis, Fahrkarte Erster Klasse, fünftausend M ark (denen später zehntausend folgten) un d bestim m ten Zu*

Sicherungen für künftige Z eit versehen, noch als H äftling zu neuer Flucht erm uthigt w orden sei. W as in diesen An*

gaben erweislich ist, m uß die H au p tv erh an d lu n g vor dem Feldkriegsgericht der D reißigsten Reichsw ehrbrigade lehren.

Dieses G ericht (auch die G ru n d lag e noskischen Standrechtes m uß, endlich, ernstlich, geprüft w erden) kann nicht daran den*

ken, irgendetw as vom A ngeklagten Behauptete, nach üblem Brauch „als w ahr zu u n terstellen“ u n d, nach der berüchtig*

ten Reichsgerichtsentscheidung vom dreißigsten Jan u ar 1897T

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Die Zukunft

den Beweis einer Thatsache abzulehnen, weil sie „nicht ge»

eignet s « , einen E in flu ß auf die U eberzeugung des Gerichts»

hofes auszu üb en “ . O b H err M arloh, der m ir ganz im Sinn alten Kadavergehorsam s gehandelt zu haben scheint, unschul»

dig oder schuldig befunden w ird, hängt an dem Z eugniß des O b erst R einhard, der ihm unt«rthanen Offiziere, der Staatsanwälte W eism an n u n d Z um broich, deren A ussage der G erichtshof, natürlich, sam m t der des Kom m issars von den B ehörden erzw ingen w ürde. M ir ist der O berlieu tn an t so fern, so frem d wie der O berst. H ier geht es um das Recht.

N eun un dzw an zig junge deutsche M enschen, m eist wackere Leute, nicht einer to d w ürd igen Verbrechens schuldig, sind, ohne Verhör, ohne die flüchtigste P rüfung ihres W ollens, auf schändlich rohe W eise hingem etzelt, über einen breiten M enschenkreis ist T rau er u n d Elend verhängt w orden. W er ist fü r so em pörend G rauses verantw ortlich? M ir wäre es der O berst, der einen kranken, überreizten K rüppel zum T räger solchen Befehles bestim m t hat, wenn er auch n u r ein Viertel der von vier Offizieren bezeugten W o rte gesprochen hätte. H err R einhard hat der schreckenden Lügenm är aus Lichtenberg geglaubt, der V olksm arinedivision gefährliche N eig u n g in H interlist zugetraut, w ollte um jeden Preis ver*

hü ten, d aß sich h inter dem Rücken käm pfender T ru p p e n ein neuer G efechtsherd bilde, u n d h at w eder dem D olus, der A bsicht, noch dem W affenvorrath, der K am pfkraft der M atrosen nachgeforscht. K ann er sich reinigen, selbst sich durch höheren Befehl decken: g ut für ihn. N o c h steht er in dichtem V erdachtsnebel. D e r kann völlig nu r weichen, wenn der V erdächtigte nicht im M achtglanz des Vorgesetzten neben die anderen Z eugen vor den G erichtshof tritt. In seinem Befehlsbereich ist u n ah n b ar A bscheuliches geschehen.

D a ß er, nach acht M onaten, noch kom m andiren und Ehren*

com pagnien v orführen darf, m üßte die große Schaar Redlicher in der Fraktion der Sozialdem okratie aus dem Schlummer allzu gefälliger D u ld sam k eit jäh aufscheuchen. Selbsterhaltung*

pflicht zieht den K löppel der G locke, die nicht vom Strang der G enossen H elp h an d u n d H änisch bew egt w ird. Soll noch ein Schock M andate zum T eufel gehen u n d die müh*

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K raftlose G ötzen 2 4 7

same A rb eit eines H alb jah rh u n d erts dicht vor der Reife von Faulpilzen zerfressen w erden ? Eure M inister, gerade Eure, wissen ganz genau, was »ich um die Strafsache w ider M arloh webt. H ö ret Ih r die 'Tot*n? K ugeln säad noch heute billig. W em die nächste? N u r: „D as G eheim niß liegt im Papier u n d meine Erben brechen es auf.“

A u s s c h u ß

N eues u nd altes Regime sind, durch allerlei Sippschaften un d G arantiescheine verbunden, wie G oethes O rient und O ccident nicht m ehr zu trennen; „sinnig zwischen beiden W elten sich zu wiegen, lass’ ich gelten“ . D ie innere Ein*

tracht, äußere G em einbürgschaft w urde in eines N am ens Schimmer sichtbar. H err Ebert hat den G eheim rath Riezler als Kanzleichef erkürt. Einen bürgerlich achtbaren Ham«

m anniden, der einst ein leidliches Büchelchen geschrieben, es pseudonym hinausgesandt, vor Fragern verleugnet hat, in M oskau unm öglich, in Stockholm bienenem sig war u n d in dem sich die verhärm te Seele der B ethm annheit schmächtig, finnig verkörpert. Kaisertreu bis in die weichen K nochen u n d von Fama als M ito rd n er der „belgischen D o k u m en te“

gerühm t, zu deren Fälschung der Brave aber gew iß nicht mit«

gew irkt hat. N u n : politischer Berather des sozialistischen Prä«

sidenten der R epublik. W a r b ündigerer Identitätnachw eis ersinnlich ? U n k lar ist m ir nur, w eshalb u nter solchen W in d nicht H err von B ethm ann selbst zurückgeholt w ird. Besser als ein B udiker m acht ers. H a t was gelernt u n d kennt drei Ressorts gründlich. W ird von B urgunder nicht überm annt, kann sich in der B adhose sehen u n d brauch t sich nicht, weil die entzügelte Z unge durchgeht, unterm T isch von dem Pressechef vors Schienbein stoßen zu lassen. Er w ürde auch nicht, wie unser C hristopher, die Spottsucht der D iplom atie dam it mästen, daß er alltäglich nach dem Thee (mit D ienern, Silber, Blum en: nicht wie bei arm en Leuten) sich zu der Frage erhöbe: „C herry Brandy oder W hisky, m eine H e rre n ? “ Sondern w üßte, daß solche drinks auf der M enschheit H ö h en ihre Stunden haben, die kein Spätnachm ittag schlägt. Seit er

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Die Zukunft

von Bülows Signoria sich d ad urch im H aus unterschied, daß er die Tafelserviette einringen ließ, hat er M ancherlei erlebt u n d gelernt. V or dem U ntersuchung*A usschuß war er, in W e h m u th bescheiden, erträglich, bis die Eisenstirn üb*

ler G esellen ihn in das W a g n iß schriller T rutzrede verleitet hatte. Fast stum m ließ er dann das Spektakulum der am Zeugentisch paradirenden G enerale über sich ergehen. Sah, aus einem T horw inkel, sie durch das Spalier B ethörter schrei*

ten, feuerte, m it grim migem G estus, seine C igarette auf den Boden un d lachte gell in das verklingende „ H o c h “ hinein.

Er durfte lachen. H a t diese H errlichkeit lange genug nah gesehen, sein U rth eil ü ber Leistung und C harakter der V erhim m elten nicht m ehr gehehlt u n d sicher ungern in die vom Personalstrategen für diesen Sonderzw eck geforderte Ein«*

h eitfro nt sich gefügt. Er w eiß, wie es um die Einheit steht, u n d schätzt die erlauschten A ussagen nach G ebü hr. A u f ihren Kaiser haben Alle, auch Karlchen H uckebein, der Helfferich, in jed er T irp itz to n a rt geschim pft; u n d G eneral Ludendorff, in dessen gräßlichem W älzer er stets m it dem Majestätbe#

hang aufm arschirt, hat ih n , nach H ertlings Z e u g n iß , wie einen tölp eln den R ekruten angepfiffen, ist ungem eldet, ein Posa aus eigenem Recht, zu ihm ins Z im m er gestürm t. (Da*

her A llerhöchstdesselben höchst königliches G e stö h n : „ W en n ich n u r diese Feldw ebelfresse nicht m ehr zu sehen brauchte!“) D en Helfferich h at die O berste H eeresleitung ohne W a rn ru f weggejagt, weil er, der sich selbst großschnäuzig für das Ge»

sandtenam t angeboten hatte, in M oskau sich nicht vor d ie T h ü r wagte, für die nächste W oche Lenins Sturz bestim m t ankündete u n d nach ein paar Tagen m it feucht duftendem U nterzeug u n d Bayard Riezler, nach Pskow , in die deutsche Linie, lief.

D ie G enerale können T h eo b ald u m , T heobaldus kann die G enerale nicht riechen; er hat sie, sie haben ihn tausend#

m al m it der Z unge in den tiefsten H ö llen p fu h l gestoßen.

U n d wie sie gar über den Zim m erm ann denken, ist nicht G eheim niß. Jetzt: E inheitfront gegen den Feind. A b er die H ä u p te r der H eeresleitung, die siamesisch U nzertrennlichen, sind doch in ewiger Liebe einander zugeneigt? „Ich trug dem G eneralfeldm arschall, nach Rücksprache m it m einen Mit#

Cytaty

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britanien, Frankreich und D eutschland umschlingt, nicht Friede werden kann; und m ahnt die H errschenden, nicht zu vergessen, daß überall jetzt Leute w ohnen, die

jagten, H altun g, der kleine V ictor Em anuel physischen M uth bew ährt.. D am it hat er schließlich jede Scharte,sogar die beiC am brai, ausgewetzt. Alles Spektakel haben

Ich kann noch im m er nicht begreifen, daß wir m it R ußland nicht auf einen m odus vivendi kom m en

D;och Ihr seid, von der GlaubensbLindheit und der Wissenschaftwillkür verführt, nicht zum höchsten Gott, nur zu kleinlichen, launischen Göttern gelangt, die

kann sich wieder was gönnen* Die Gemeinde muß, wenn sie sich auch souverain und gottähnlich wähnt, ein Haupt haben: und daß es nur Dantons sein könne, ist

Sie, Herr Hanseat, glauben nicht, daß aus der buntsteinigen Höhlung ein Quickborn sprudeln könne; und schließen auf schlechtes Wetter für Preußen, dem Sie

maß erwachsenen Griechen Venizelos, dem, unter sonniger Schicksalsgunst, aber erst nach geduldiger Ueberwindung ungeheurer Hindernisse, für sein Volk viel mehr

(N u r von hier aus wird auch die nahe Lösung des großdeutschen Problemes möglich: der heerlosen,entwaffneten, als Angreifer nicht mehr zu fürchtenden Deutschen Republik wird