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Die Naturwissenschaften. Wochenschrift..., 12. Jg. 1924, 27. Juni, Heft 26.

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(1)

DIE NATURWISSENSCHAFTEN

Z w ö lfte r J a h r g a n g 2 7 . J u n i 19 2 4 H e f t 26

T herm odynam ik in der Physiologie1).

A us der

J o u l e

M emorial L ecture von A . V .

H i l l ,

London.

V o rbem erku n g des Übersetzers.

D er nachfolgende A u fsatz gib t einen T eil der

J o u l e

Memorial L ecture wieder, die Prof.

H i l l

am 4. M ärz 1924 in M anchester gehalten hat. Der ganze V o rtrag handelt von der Anw endung der Therm odynam ik, insbesondere des zweiten H au p t­

satzes, auf die Physiologie. Abgesehen von einigen allgemeineren Erörterungen besch äftigt sich der erste Teil m it den elektrischen und osmotischen Erscheinungen an Grenzflächen, einem auch in D eutschland viel bearbeiteten Gegenstand, auf dessen A bd ru ck w ir deshalb verzichten zu können glaubten, während in den hier wiedergegebenen Abschnitten eine R eihe von eigenen A rbeiten der Cam bridger Physiologenschule behandelt werden, ganz besonders die glänzenden, unter Führung

B a r c r o f t s

und unter tätigster Anteilnahm e

H i l l s

durchgeführten U ntersuchungen über den roten Blutfarbstoff, das H äm oglobin; ferner einige der von

H i l l

inaugurierten exakten therm odynam i­

schen Studien am Muskel. T ro tz der gedrängten K ürze der D arstellung dürfte die Ü bersetzung dieses Teiles des H illschen V ortrages den deutschen Lesern erwünscht sein.

I.

A tm u n gsgleich gew ich te im B lut.

D ie respiratorische Funktion des B lutes liefert ein ganz besonders gutes Beispiel für die A n ­ wendung therm odynam ischer Überlegungen. D as B lu t b esitzt die F äh igkeit, den Sauerstoff von den Lungen, wo er aufgenommen wird, zu den Geweben zu transportieren, wo er gebraucht w ird; und um ­ gekehrt die K ohlensäure von den Geweben, wo sie gebildet wird, zu den Lungen, wo sie ausgeschieden wird. B lu t ist zum T ransport dieser beiden Sub­

stanzen vielm ehr befäh igt als W asser, eine E igen­

schaft, die es dem respiratorischen P igm ent H äm o­

globin verdankt, einer kolloiden Substanz, die sich gewöhnlich im Innern der Form bestandteile des Blutes, der roten Blutkörperchen, befindet. D ie beiden Gase werden im B lu t in der Form chemischer Verbindungen transportiert. Sauerstoff in direkter V erbindung m it Häm oglobin, Kohlensäure als B icarbonat in Verbindung m it N atrium oder K aliu m die selbst zur H auptsache durch das Häm oglobin frei gem acht worden sind. W ährend ihrer Passage von der Lunge zu den Geweben und vice versa befinden sich diese Gase im B lu t in chemischem

Die Schriftleitung verdankt die Übersetzung aus dem Original Herrn Prof. Dr. O.

Me y e r h o f,

Kiel, Physiologisches Institut der Universität.

G leichgew icht m it dem H äm oglobin; es ist des­

halb m öglich, die M ethoden und A rgum ente der Therm odynam ik anzuwenden. H äm oglobin ent­

h ält als charakteristischen B estandteil in seinem M olekül ein A tom Eisen und bei vollständiger S ättigu n g m it Sauerstoff steh t der aufgenom m ene Sauerstoff zum Eisen in der B eziehung von 2 A to ­ men zu 1: Ein M olekül Sauerstoff ist also ganz genau einem A tom Eisen äquivalent. Dies spricht in stärkster W eise für eine gewöhnliche chemische V erbindung von H äm oglobin und Sauerstoff. D ie­

selbe B eziehung gilt auch zwischen H äm oglobin und einem anderen Gas, K ohlenoxyd. W eiterhin unterscheiden sich die A bsorptionsspektra der 3 Körper, reduziertes Häm oglobin, O xyhäm oglobin und K ohlenoxydhäm oglobin, (wie die V erbin ­ dungen m it den beiden Gasen genannt werden) in ganz bestim m ter, sehr spezifischer W eise: D as ist w ieder ein Zeichen einer chemischen Vereinigung von Gas und H äm oglobin. N un sind aber die R eaktionen reversibel; der Grad näm lich, in dem der B lu tfarbstoff m it dem Gase gesättigt wird, h ängt von dem D ruck des letzteren ab; bei hohen D rucken ist die Sättigu n g nahezu vollständig, bei sehr niedrigen D rucken annähernd N u ll: D ie B e­

ziehung zwischen dem Sättigungsgrad und dem P artiald ru ck des Gases w ird als die D issoziations­

ku rve des B lu tes oder des Häm oglobins bezeichnet und ist von fundam entaler B edeutung für die A tm ungsphysiologie.

1 . D ie Dissoziationskurve.

D ie B eziehung zwischen dem Sättigungsgrad des Häm oglobins und dem P artiald ru ck des Gases

— die D issoziationskurve — ist gewöhnlich ziem ­ lich verw ickelt; aber in einer sorgfältig gereinigten Lösung von H äm oglobin und bei einer bestim m ten W asserstoffionenkonzentration w ird sie weniger kom plex und wird durch die einfache Gleichung b eh errsch t:

H b +

0 2

H b02 (Hb : Hämoglobin).

D ie D issoziationskurve nim m t in diesem Fall eine sehr einfache Form an, sie wird eine gleich­

seitige H yperbel, die durch den N u llp u n kt geht und zu der Linie der iooproz. Sättigu n g asym ptotisch verläuft. Augenscheinlich findet die R eaktion hier zwischen einfachen M olekülen statt. W eiterhin w ird sie sehr beträchtlich durch die Tem peratur beeinflußt: D as G leichgew icht w ird nämlicb, im Sinn der obigen Form el, durch Erw ärm ung nach der linken Seite, durch A bkühlung des System s nach der rechten Seite verschoben. D as ist nach der

N w . 1924.

68

(2)

518 H

il l

: Thermodynamik in der Physiologie.

Therm odynam ik ein Zeichen, daß die R eaktion exotherm verläu ft, und verm ittelst der v a n 't H o ff­

schen Isochorengleichung kann m an die R eaktions wärm e berechnen1). Die R echnung ergibt 28 000 Cal. pro G ram m M olekül der reagierenden Sub­

stanzen; die direkte Messung der Reaktionsw ärm e ergibt das gleiche R esultat, eine kräftige B e stä ti­

gung für die bei der therm odynam ischen Ü ber­

legung gem achten Annahm en.

U nter gewöhnlichen Bedingungen, insbesondere bei der G egenw art von Salzen, ist die R eaktion weniger einfach; im B lu t selbst entspricht die Gleichung

H b 2 + 2

0 2

H b 2

0 4

vielm ehr dem V erlau f der D issoziationskurve.

U nter gewissen U m ständen ist die G leichung H b s + 3

02

H b 3Oa

besser passend. E s scheint danach, daß das H b die F äh igk eit b esitzt polym erisierte M oleküle H b 2, H b3 zu bilden. Im einzelnen F a ll ist es unw ahr­

scheinlich, daß der durchschnittliche P olym eri­

sationsgrad genau eine ganze Z ahl ist, und ent­

sprechend fanden wir, daß im B lu t die D issozia­

tionskurve am besten wiedergegeben wird durch die Gleichung:

H b n + n 0 2 ^ H b n0 2n .

wo n gewöhnlich einen W ert von etw a 2,2 besitzt.

D er gebrochene W ert von n stellt dabei eigent­

lich nur einen m athem atischen K u n stgriff dar, um anzuzeigen, daß das H äm oglobin zum T eil als H b 2 und zum T eil als H bs vorhanden ist: Oder in ande­

rer W eise ausgedrückt, anzuzeigen, daß die therm o­

dynam ische „ A k t iv it ä t “ des H äm oglobins nur einem B ru ch teil seines w irklichen M olekular­

gew ichts entspricht. Jedenfalls gib t die Gleichung die Tatsachen innerhalb der B eobachtungsgenauig­

keit ganz e x a k t wieder.

A u ch in diesem F all w ird die R eaktion b eträch t­

lich durch Änderungen der T em peratur beeinflußt.

D ie Tem peratursteigerung setzt die A ffin itä t des H äm oglobins für Sauerstoff herab, ohne den augen­

scheinlichen Polym erisationsgrad n zu ändern.

Eine ähnliche Anw endung der v a n ’t H offschen Iso­

chorengleichung wie oben liefert uns die R eaktion s­

wärm e von 1 Mol. H äm oglobin H b n, m it dem ent­

sprechenden Sauerstoff,

0 2n, während die direkte

B eobachtung uns die R eaktionsw ärm e von 1 g M olekül Sauerstoff (Oz) m it H äm oglobin g ib t und wenn w ir die theoretisch berechnete W ärm e für 0 2n dividieren durch die gemessene für 0 2, so er­

halten w ir einen W ert von n, welcher genau über­

einstim m t m it dem, der für die beobachtete Form der D issoziationskurve benö tigt wird. Dies ist eine geradezu entscheidende B estätigu ng für unsere therm odynam ischen Ü berlegungen.

^ ^ =. - 0- . K G leich g ew ich tsk o n sta n te ,

d T R I

U m o lek u lare R e a k tio n sw ä rm e , T a b so lu te T em p e ­ ra tu r, R G ask o n stan te .

2 . E in flu ß der Wasserstoffionenkonzentration.

N un w ird die D issoziationskurve durch einen A n stieg der W asserstof fionenkonzentration in genau derselben W eise beeinflußt w ie durch das Steigen der T em peratur: W achsende A cid ität verm indert die A ffin itä t des H äm oglobins für Sauerstoff, ohne den W ert von n zu affizieren. A us vielen Gründen ist es, wie w ir später sehen werden, notwendig, das H äm oglobin als eine schwache Säure anzusehen:

insbesondere haben neue elektrom etrische B e ­ obachtungen über allen Zw eifel bewiesen, daß das H äm oglobin zur H auptsache als Anion vorhanden ist. B ei der W asserstoffionenkonzentration, die gewöhnlich im B lu t herrscht, ist es zu einem Teil als N atrium - oder K alium salz vorhanden, größten­

teils ionisiert, zu einem anderen Teil als undisso- ziierte schwache Säure. D er Z usatz einer anderen Säure zum B lu t m uß den Ionisationsgrad des H äm oglobins herabsetzen, die zugeführte Säure nim m t etw as von dem N atrium oder K aliu m weg, das vorher m it dem H äm oglobinanion verbunden w ar und zw ingt dadurch dieses, undissoziierte Säurem oleküle zu bilden. Infolgedessen fä llt die K onzentration der Häm oglobinionen, und es steigt die K on zen tratio n ungespaltener H äm o­

globinm oleküle, wenn m an Säure zum B lu t hin­

zufügt. D ie verw ickelten und physiologisch höchst w ichtigen Erscheinungen, die m it der Säurew irkung auf die D issoziationskurve verkn ü pft sind, können in q u an titative r und q u alitative r H insicht genau wiedergegeben und berechnet werden auf Grund der Annahm e, daß das H äm oglobinanion eine öym al größere A ffin itä t für Sauerstoff b esitzt w ie das ungespaltene H äm oglobinm olekül.

3 . Kohlensäuretransport im Blut.

W enn die Säure das G leichgew icht von H äm o­

globin m it Sauerstoff verändert, so ist es eine un­

verm eidliche therm odynam ische Folgerung, daß Sauerstoff in ähnlicher W eise das G leichgew icht von H äm oglobin m it Säure beeinflußt. E s kann bekanntlich das B lu t Kohlensäure m it größter L eich tigk eit transportieren, indem es sie aufnim m t auf dem W eg durch die Capillaren,

w to

die K ohlen­

säure entsteht, und sie ab g ib t in den Lungen, wo sie nach außen ausgeschieden wird. Nun kann man durch gleichzeitige Messung der W asserstof fionen­

konzentration und der totalen Kohlensäurem enge, welche eine B lutprobe enthält, die außerhalb des K örpers sich m it einem bekannten Kohlensäure­

partialdruck im G leichgew icht befindet, zeigen, daß die ganze Kohlensäure, sow eit sie nicht physikalisch gelöst ist, als N atrium oder K alium bicarbonat vo r­

handen ist. A us der G leichung H 2C0 3 ^ H + HCO3

kann man bei gegebenem P artiald ru ck des K oh len ­ dioxyds, der die Menge gelöster Kohlensäure be­

stim m t, der W asserstof fionenkonzentration (die gemessen werden kann), und der D issoziations­

konstante der K ohlensäure (die bekan nt ist) die K onzentration der Bicarbonationen berechnen:

H iervon kann man die Gesam tm enge K ohlensäure

r Die Natur- Lwissenschaften

(3)

H eft 26. 1 27. 6. 1924J

Hi l l:

Thermodynamik in der Physiologie.

5 1 9

ableiten, die vom B lu t transportiert werden kann, entweder gelöst oder in chemischer B indung als B icarbonat. D irekte B eobachtung der gesamten Kohlensäurem enge läß t keinen R aum mehr für irgendwelche w eitere Kohlensäure, so daß unsere Annahm e bewiesen ist: D ie K ohlensäure (abge­

sehen von der gelösten) ist im B lu t nur als H CO '- lon vorhanden. Nun würde N atrium bicarbonat als solches einen höchst m angelhaften Ü berträger von Kohlensäure im K örper darstellen: E s würde der Abgabe seiner Kohlensäure widerstehen, außer bei so niedrigen D rucken, wie sie niemals in den Lungen Vorkommen; und obendrein variiert die G esam t­

menge Kohlensäure im B lu t m it dem K ohlensäure­

druck, m it dem es im G leichgew icht ist. Man sieht klar, daß im B lu t irgendeine schwache Säure gegen­

w ärtig sein muß, deren Stärke derjenigen der K o h ­ lensäure vergleichbar ist, und die ihre Base an diese in den Geweben abgibt, w o der Kohlensäuredruck hoch ist, und sie wieder in den Lungen zurück­

nimmt, wo der K ohlensäuredruck niedrig ist.

M ittels elektrom etrischer M ethoden ist die gesam te Ladung des Häm oglobinanions bei niedrigen Kohlensäuredrucken gemessen worden, und es hat sich gezeigt, daß diese einer Menge N atrium oder K alium äqu ivalen t ist, welche ausreichend sein würde, um m it der ganzen (oder nahezu der ganzen) Kohlensäure zu reagieren, welche bei höheren Drucken vom B lu t aufgenommen wird. E s kann nur geringer Zw eifel sein, daß die schwache Säure­

natur des H äm oglobins im stande ist, auf diese W eise ziem lich den ganzen K ohlensäuretransport im B lu t zu erklären. W eiterhin ist das gänzliche Fehlen irgendeiner V eränderung in den A bsorp­

tionsspektren des Blutes, wenn Kohlensäure au f­

genommen wird, ein deutliches Anzeichen dafür, daß K ohlensäure nicht in ebenso direkter W eise m it H äm oglobin reagiert w ie Sauerstoff oder K ohlenoxyd.

4 . Reciproke Beziehungen von Sauerstoff und Kohlen­

säure.

Kohlensäure verringert durch die Steigerung der

W a s se rsto ffio n en k o n ze n tra tio n

(und auf keine andere Weise) die A ffin itä t des B lutes bzw . des Häm oglobins für Sauerstoff und K ohlenoxyd.

U m gekehrt m uß die Vereinigung des B lutes bzw.

Häm oglobins m it diesen Gasen die Menge K ohlen­

säure verringern, die bei einem bestim m ten D ruck der letzteren aufgenommen wird und m uß die W asserstoffionenkonzentration steigern. D er erste P u n kt ist von

H a l d a n e ,

der zw eite von

P a r s o n s

experim entell bewiesen worden und die beobach­

teten Differenzen sind in q u an titativer Ü berein­

stim m ung m it der H ypothese, daß die Vereinigung des H äm oglobins m it Sauerstoff eine D issoziations­

konstante der schwachen Säure H äm oglobin sehr beträchtlich vergrößert. E s vergrößert n icht alle D issoziationskonstanten: Häm oglobin ist ein sehr großes M olekül. W as an einem P u n k t desselben passiert, w ird nicht an einem ganz entfernten P u n k t die A bgabe von einem W asserstoffion, d. h.

die Aufnahm e von einem Elektron, beeinflussen.

A ber augenscheinlich befindet sich in unm ittel­

barer N ähe derjenigen Stelle, wo der Sauerstoff angelagert wird, eine Gruppe, die fähig ist, ein W asserstoffion abzugeben und die Säuredisso­

ziationskonstante dieser Gruppe wird durch die A nlagerung des Sauerstoffs sehr ve rgrö ßert1).

Ich habe die Therm odynam ik bei dieser D is­

kussion in m olekulare H ypothesen eingekleidet:

D as ist in der Chemie sehr üblich, vielleich t ist es ein Zeichen von Schwäche, aber bei einem P h ysio­

logen verzeihlich: N ur ein

W i l l a r d G ib b s

könnte sie vollständig entbehren, aber das Ergebnis würde dann für sehr viele von uns unverständlich sein.

Jedoch werden diejenigen, die die therm odyna­

mische Grundlage der physikalischen Chemie genügend kennen, bem erken, daß das ganze Gerüst der Theorie, das ich hier über die respiratorische F unktion des B lutes entworfen habe, nichts anderes als Therm odynam ik ist.

5 . A ffinität und Absorptionsspektrum des Hämo­

globins.

Andere und sogar noch interessantere Spekula­

tionen über die N atu r des Atm ungspigm ents knüpfen sich an die neuesten Untersuchungen

B a r c r o f t s .

D as H äm oglobin ist bei den ve r­

schiedenen Tieren verschieden, seine A ffin itä t für Sauerstoff und K oh lenoxyd variiert und ebenso gewisse C harakteristika seines Spektrum s. G ew öhn­

lich ist die A ffin itä t des Häm oglobins für K ohlen­

o xyd viel größer als für Sauerstoff: D ie A ffin itä t für beide steigt m it fallender Tem peratur. Die freie Energie der R eaktion ist das beste therm o­

dynam ische Maß für die chemische A ffin itä t und kann aus B eobachtungen der D issoziationskurve d irekt bestim m t werden. W enn die freie Energie als Ordinate aufgetragen wird, dagegen die W ellen­

länge des charakteristischen H auptabsorptions­

bandes (der sog. a-Bande) des O xyhäm oglobins (bzw. des Kohlenoxydhäm oglobins) als Abscisse, so erhält man eine gerade Linie. W ir mögen entweder das Tier, von dem w ir den F arbstoff benutzen, variieren, oder die Tem peratur, oder auch das Gas (Oa oder C O ): D ie A ffin itä t des Häm oglobins zum Gas bildet eine lineare Funktion der W ellenlänge des H auptabsorptionsbandes. Man m uß die M it­

hilfe eines Chemikers oder P hysikers willkom m en heißen, welcher m it der Q uantentheorie genügend vertrau t ist, um einen Fingerzeit zu geben, warum

x) D iese S teig eru n g der A c id itä t des H äm oglob ins du rch die S au ersto ffau fn ah m e ist, w as v o n H i l l h ier n ich t a u sd rü ck lich h ervo rgeho ben w ird , v o n gan z beson derer W ic h tig k e it fü r den T ra n sp o rt der K o h le n ­ säure. D ie K o h len sä u re en tw e ich t in den L u n gen aus dem ven ösen B lu t n ich t allein w egen des verrin g erten P a rtia ld ru ck s in den A lv eo len , sondern sie w ird bei der A rteria lisieru n g des B lu te s du rch die B ild u n g des sta rk sauren O x y h ä m o g lo b in s (das eine stärk ere S äure als K o h len sä u re ist) a k tiv ausgetrieben , und u m ­ g e k e h rt w ird sie in den C ap illaren bei der A b sch w ä ch u n g der H äm og lob in säu re in folge der R e d u k tio n w ieder retin iert. (Anm . des Ü bersetzers.)

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Hi l l:

Thermodynamik in der Physiologie.

I" Die Natur- Lwissenschaften

hier diese einfache B eziehung zwischen freier Energie und W ellenlänge besteht. Ohne Zweifel w ird das in einigen Jahren ebenso klar sein wie je tz t die reciproke Beziehung zwischen Sauerstoff und Kohlensäure.

E s gib t noch ein anderes m erkwürdiges experi­

m entelles F aktu m , das jedenfalls einem P hysiker klar sein wird und auch wohl uns selbst eines Tages verständlich: W enn eine verdünnte Lösung von H äm oglobin sowohl Sauerstoff w ie K oh lenoxyd enthält, so stellt sich ein G leichgew icht her, in welchem das Häm oglobin zum T eil m it dem einen, zum Teil m it dem anderen G as ge sättigt ist. D ie G leichgew ichtskonstante ist, wie sich zeigte, von der W asserstoffionenkonzentration vö llig unab­

hängig, h ängt nur sehr w enig von der Tem peratur ab, dagegen außerordentlich stark von der sicht­

baren Strahlung. D ie G leichgew ichtskonstante wird ums M ehrfache verkleinert, wenn man das Gefäß, das das H äm oglobin enthält, belichtet:

D as K oh lenoxyd wird ausgetrieben und der Sauer­

sto ff tr itt an seine Stelle. Sobald m an das L ich t entfernt, keh rt das G leichgew icht zu seinem frühe­

ren Zustand zurück. Ist das eine notw endige therm odynam ische Folgerung der linearen B ezie­

hung zwischen A ffin itä t und W ellenlänge des Ab- sorptionsbandes? H ätten w ir das letztere aus dem ersteren deduzieren können? Man sieht, daß ein Physiologe m it der Therm odynam ik sehr wohl ve rtra u t sein m uß, wenn er seine eigenen Fragen beantw orten will.

II.

T h erm oelastisch e E rsch ein u n gen im M uskel.

Ich w ill schließlich auf ein ganz anderes Gebiet der Anw endung therm odynam ischer Überlegungen kommen, näm lich die M uskelphysiologie. Man bezeichnet häufig den ganzen Gegenstand der W är­

m ebildung im M uskel als „T h erm od yn am ik des M uskels“ . M it dem Ganzen dieses ausgebreiteten Them as w ill ich m ich hier n icht beschäftigen, sondern allein m it einer Seite desselben, welche therm odynam ische B etrachtungen im engeren Sinne anzuwenden erlaubt. D as Studium der W är­

m ebildung des M uskels h a t vielerlei interessante R esultate ergeben, insbesondere in B ezu g auf die A rbeitsleistung der M uskelm aschine1). Diese E r­

gebnisse erfordern und schließen den ersten H a u p t­

satz der Therm odynam ik, das G esetz der E rh altu ng der Energie ein. Gewöhnlich aber erfordern sie n ich t den zweiten H auptsatz, und es ist vielleicht besser, den Ausdruck „T h erm o d yn am ik " für solche U ntersuchungen zu reservieren, wo beide Sätze angew andt werden. D ie Anw endung der Therm o­

d ynam ik im strengeren Sinne auf die M uskel­

m aschine geschah auf einem eigenartigen und ganz unerw arteten W ege.

W enn ein S tü ck gewöhnlicher M etalldraht ge-

x) Siehe ü b er diesen T e il der H illsch en A rb e it m einen A u fsa tz in den N atu rw issen sch aften , 9. Jah rg.

19 2 1, S. 193. (Anm . d. Ü bersetzers.)

dehnt wird, sin kt seine T em peratur: wenn m an ihn frei läß t, steigt sie wieder. D er V organg kann rever­

sibel geleitet werden, und das R e su ltat kann m ittels therm odynam ischer Ü berlegung von den bekann­

ten Tatsachen der therm ischen A usdehnung der M etalle abgeleitet werden. Andere Stoffe zeigen entsprechende Erscheinungen. W enn ein Gum m i­

band gedehnt wird, so steigt seine Tem peratur;

wenn man es frei läßt, fä llt sie. Diese R esu ltate sind also das G egenteil der m it dem M etall er­

haltenen, die K eh rseite der Tatsache, daß der therm ische Ausdehnungskoeffizient beim Gum m i im G egensatz zu den M etallen n egativ ist. Im Falle des Gum m is ist indessen der Prozeß therm o­

dynam isch n icht streng reversibel: in dem vollen Kreisprozeß wird eine gewisse W ärm em enge ve r­

loren, infolge der inneren R eibung, der V isko sität des Gum m is; nur wenn die Dehnung und E n t­

spannung unendlich langsam erfolgen, kann man therm odynam ische R eversib ilität erreichen. Ganz ähnliche Erscheinungen zeigt der ruhende Muskel, der lebende wie der to te: D ehnung erwärm t, E n t­

spannung k ü h lt ihn ab. In einem vollkom m enen Kreisprozeß, der unendlich langsam ausgeführt wird, ist der E ffe k t null.

Diese Phänom ene sind n icht gering oder un­

w ichtig. E s ist annehm bar und in der T a t w ahr­

scheinlich, daß sie in der R eihe therm ischer V o r­

gänge eine R olle spielen, die im aktiven M uskel ablaufen. D ie Schw ierigkeit beim aktiven Muskel ist, daß er leider ein sehr ungeeignetes O b jekt ist, um einen reversiblen K reislauf daran zu studieren.

Die K raft, die er auf Grund seiner A k tiv itä t en t­

falten kann, könnte man dem D ruck vergleichen, der durch ein Bom bardem ent unelastischer P a r­

tikeln hervorgerufen wird, da sie näm lich veru r­

sacht ist durch eine schnelle Folge vollkom m en irreversibler V orgänge. E s ist gleichwohl w ahr­

scheinlich, oder wenigstens m öglich, daß, solange der M uskel in einem konstanten Zustand von A k ti­

v itä t gehalten wird, durch eine schnelle Folge von Reizen, von denen jeder eine bestim m te Menge Energie frei m acht, er als geeignetes V ehikel therm o­

dynam ischer Überlegungen betrach tet werden kan n: In der T a t würde, um ein Analogon zu wäh­

len, ein lecker Gum m iballon, der durch einen elek­

trisch betriebenen B lasebalg in einem ganz kon­

stanten M aße gefüllt erhalten wird, ein ganz ve r­

nünftiges, wenn auch kein befriedigendes O bjekt sein, um daran die Gesetze der Gasausdehnung zu studieren. N un ist kürzlich von

F e n n

gefunden worden, daß ein tätiger Muskel, den m an sich ver­

kürzen und A rb eit leisten läßt, einen E xtrabetrag

von Energie erfordert, welcher ungefähr gleich ist

der geleisteten A rb eit und der zu dem größeren B e ­

trage noch hinzukom m t, der nur für das Einsetzen

und das A ufrechterhalten des tätigen Zustandes

überhaupt benö tigt wird. U m gekehrt die äußere

Dehnung in diesem Zustande veran laß t ihn, etw as

von der W ärm e zu absorbieren, die als Folge des

R eizes frei gem acht worden ist. D ie V erkürzung

verursacht also eine E ntw icklung, die Verlängerung

(5)

H i l l :

Thermodynamik in der Physiologie.

521

eine Absorption von W ärm e. Genau der um ­ gekehrte Vorgang, wie er sich im ruhenden M uskel oder in dem Gum m iband abspielt, aber analog dem V erhalten des M etalldrahtes. Ist es vielleicht so, daß der tätige M uskel, der ja ein viel weniger dehnbares Gebilde ist als der ruhende, ganz andere therm oelastische E igenschaften b esitzt als dieser?

Sollte m an voraussetzen, daß der therm ische A u s­

dehnungskoeffizient des tätigen Muskels positiv ist, während der des ruhenden Muskels n egativ ist? U nglücklicherw eise ist es unm öglich, dies e x ­ perim entell zu entscheiden. D as E xp erim ent würde zu lange dauern, der a k tiv e Zustand würde in­

zwischen vorbei gehen, und der M uskel würde er­

m üdet sein, und w ahrscheinlich würde der Tem pera­

turanstieg nicht nur die M uskellänge, sondern auch jene explosiven chemischen Vorgänge beeinflussen, deren R esultan te der Zustand der A k tiv itä t ist.

Das Problem ist vorläufig noch dunkel, aber es ist schwierig eine andere E rklärung für die ther­

mischen Erscheinungen beim Dehnen und F rei­

lassen des tätigen M uskels zu sehen, als m ittels therm oelastischer V eränderungen.

Die Schw ierigkeit wird noch ve rstärk t durch weitere Beobachtungen, die am M uskel gem acht sind, während er den physiologischen Prozeß durch­

m acht, den m an als E rschlaffu ng bezeichnet.

W enn die R eizung des Muskels aufhört, so er­

schlafft er, d. h. sein T ätigkeitszu stand verschw in­

det m it einer ganz bestim m ten Geschw indigkeit.

W enn m an ihn nun bei der E rschlaffu ng sich unter einer L a st verlängern läßt, also ein G ew icht senken läßt, so produziert er eine E xtraw ärm e über die­

jenige, die auftreten würde, wenn er unbelastet erschlaffte1). D ie Verlängerung während der E r­

schlaffung ru ft eine Produktion, V erkürzung w äh­

rend der E rschlaffung eine Absorption von W ärm e hervor. W enn w ir dieses durch therm oelastische Gründe erklären sollen, brauchen w ir einen n egati­

ven A usdehnungskoeffizienten während der E r­

schlaffung, eine H ypothese, die man auch auf keine W eise experim entell prüfen kann. Aber, falls wir diese E rklärung zurückweisen, müssen wir die E r­

scheinungen der „ N a tu r “ oder irgendwelchen unbekannten „A n passungen “ der Zelle zuschreiben, d. h. w ir können dann überhaupt keine rationelle Lösung des Problem s geben.

Joule.

Diese Vorlesung ist die

J o u l e

Memorial Lecture.

Obwohl ich bisher seinen Nam en n ich t erw ähnt habe, werden die von Ihnen, die m it dem W erk des großen B ürgers der S ta d t M anchester ve rtra u t sind, wohl bem erkt haben, bis zu w elchem Grade seine Untersuchungen den H intergrund für die Theorien

Heft 26.

1

27. 6. 1924J

x) D ie p h y sik a lisc h , d u rch das S en ken des G e­

w ich ts im M uskel erzeu g te R eib u n g sw ärm e is t h ier n atü rlich a bgerech n et. (Anm . des Ü bersetzers.)

und Messungen bilden, die wir diskutiert haben.

,,In from m er P flich t gebunden", wünsche ich daher m it N achdruck einiges von den Lehren hervor­

zuheben, welche die Physiologie, die einen P la tz als exakte W issenschaft beansprucht, aus seinem W erk ziehen kann. Zunächst unterstrich er den W ert genauester M essung: präzise Messungen und präzise D efinitionen sind m ehr als irgend etw as anderes gegenw ärtig der B edarf der Physiologie. In

J o u l e s

T agen erhob sich die E lektrizitätslehre gerade aus dem unbestim m ten Zustand einer frühen W issenschaft; die Physiologie tau ch t je tz t aus dem gleichen Stadium auf. A ls er noch sehr ju ng war, ließ ihn das G efühl der U nbefrie­

digung m it den vagen und w illkürlichen Methoden, die Q uantitäten der E le k trizitä t zu bestim m en, ein exakteres und logisches System ausarbeiten, das ihn befähigte, seine unendlich w ertvollen U nter­

suchungen über das V erhalten der E le k trizitä t bei den Energietransform ationen durchzuführen.

D ieselbe U nbefriedigung m it vagen und w illkü r­

lichen Methoden fü h rt je tz t die Physiologen zu Untersuchungen über das V erhalten der lebenden Zelle bei den Um wandlungen der Energie. Die Leistungen, m it denen sein N am e im w eitesten Maß verbunden ist, sind seine U ntersuchungen über das m echanische W ärm eäquivalent. Für die A rbeit, die je tz t von den Physiologen vo llfü h rt wird, über die Energieum wandlungen im Muskel, sind die U ntersuchungen von

J o u l e

die fundam en­

tale B asis; stündlich, wenn wir die Beziehungen zwischen den thermischen, m echanischen und chemischen R eaktionen des Muskels studieren, brauchen w ir die R esultate von

J o u l e .

M ittels der therm oelastischen Phänom ene und der V isko sität wandeln w ir beständig m echanische Energie in W ärm e um. M ittels chemischer Zersetzungen stellen w ir dauernd die m echanische Energie in unseren M uskeln wieder her.

J o u l e

führte eine A nzahl von U ntersuchungen aus, die alle auf der gleichen G eschicklichkeit und dem Bestreben nach präziser Messung beruhten.

D ie therm ischen Veränderungen in Gasen und die Volum enänderungen bei der Lösung stehen in B e ­ ziehung zu den physikalisch-chem ischen Fragen der Physiologie, die ich im ersten A b sch nitt des V o rtra­

ges beschrieben habe. Die Tem peraturänderungen, die bei Längsdehnung und Kom pression in festen Körpern hervorgerufen werden, sind analog denen, die m it der D ehnung oder V erkürzung des Muskels verkn ü p ft sind. D ie präzise Messung und exakte Beschreibung, w ie sie das wesentliche von

J o u l e s

W erk waren, sind gegenw ärtig das dringendste Bedürfnis in der Physiologie. W eitreichende Theo­

rien werden eines Tages hinzukom m en und mögen das A n tlitz unserer W issenschaft verwandeln. W ir werden dann auch unseren

E i n s t e i n ,

unseren

M a x w e l l ,

unseren

L a p l a c e

nötig haben. A ber diese Zeit ist heute noch nicht.

Nw. 1924. 69

(6)

522

Sc h i e m e n z:

Die Nahrung unserer Süßwasserfische.

I" Die N atur­

wissenschaften

Die N ah ru n g unserer Süßwasserfische.

V on P.

S c h ie m e n z ,

Berlin-Friedrichshagen.

Ü ber die Nahrung unserer Süßwasserfische herrschen nicht nur bei dem Laienpublikum , sondern zum Teil auch bei den Fischereiinteressen­

ten recht verschiedene, und zw ar m eist ganz falsche

Vorstellungen, und ich w ill daher durch die nach­

folgenden Zeilen etw as zur A u fkläru n g in dieser Beziehung beitragen.

E s m uß wohl L eute geben, welche der M einung sind, daß die Fische vom W asser leben, denn sonst würde es nicht erklärlich sein, wie es m öglich ist, daß G artenbesitzer, welche sich einen kleinen Tüm pel, der allerdings m eist den stolzen N am en ,.T eich“ oder gar „S e e “ führt, in ihrem Gelände angelegt haben, diesen m it einer großen Menge von allerhand Fischen besetzen und nun hoffen, Zentnererträge herausholen zu können. Nein, vom

Wasser kann auch ein Fisch nicht leben, sondern

er b rau ch t körperliche N ahrung, wie wir bald sehen werden. V ielleicht ist diese falsche V orstellung auch dadurch hervorgerufen worden, daß m anche Fische in diesen Tüm peln recht lange aushalten können, ohne zu verhungern. In der T a t können gerade unsere Süßwasserfische außerordentlich

lange hungern, ohne zu sterben. So habe ich z. B.

A a lb ru t 1 1/4 Jahr, Zandersetzlinge 6 M onate, Forellenbrut 2 M onate lan g hungern lassen, ohne daß die eingegangen sind. A ber auf die D au er halten die Fische n atürlich eine solche H ungerkur n icht aus.

E ine Ansicht, die leider auch vo n m anchem W issenschaftler geteilt wird, ist die, daß die Fische sich von dem sog. Plankton, d. h. den ganz kleinen, meist m ikroskopischen Organism en, welche frei im W asser schweben, ernähren, indem sie das W asser einschlucken und behufs A tm u n g über die Kiem en leiten. V or den K iem en befindet sich eine A rt F ilterap p arat, der alle die im W asser treibenden Gegenstände und daher auch das gröbere P lan kto n abfängt, d am it die Kiem en nicht etw a ve rletzt oder versch m u tzt werden. D as abfiltrierte P lan kto n soll nun vo n den Fischen übergeschluckt und als N ahrung verw endet werden.

A uch diese A n sich t ist grundfalsch. W ohl gibt es tatsächlich Fische, welche sich vom P lan kto n nähren, aber nicht in der W eise, wie es eben ge­

schildert ist, d. h. durch A b filtration m it H ilfe des Kiem enfilters. Die Fische, welche überhaupt P la n k ­ ton fressen, fressen es so, wie die Fische auch die andere N ahrung fressen, d. h. sie fangen sich aus dem P lan kto n diejenige Tierart, welche sie fressen wollen, heraus und schlucken sie hinter. E s findet also keineswegs ein sum m arisches Ü berschlucken des etw a au f dem K iem enfilter abfiltrierten P lan kto n s sta tt.

D aß dies n icht der F all ist, ergib t jede U n ter­

suchung vo n Fischdärm en. W ürde das P lan kto n sum m arisch durch das K iem enfilter abgesiebt und übergeschluckt, dann m üßten alle Fische ein und

derselben A rt doch das gleiche Plan kto n im Magen und D arm haben. Das ist aber keineswegs der F all, sondern der D arm inhalt ist bei den einzelnen Individuen sowohl nach der Zusam m ensetzung im allgemeinen, als auch in der numerischen A n zah l der A rten recht verschieden. W eiter m üßten dann auch die Organism en des Planktons, die nicht durch das K iem enfilter hindurchgehen, alle sich im Magen und D arm wiederfinden. A u ch dies ist nicht der Fall, sondern es fehlen gerade o ft die häufigsten und sperrigsten Organism en des P la n k ­ tons im D arm kanal. E s bleibt also nur die T a t ­ sache übrig, daß jeder planktonfressende Fisch aus dem P lan kto n sich diejenigen Organismen heraussucht, die ihm begehrenswert erscheinen, die anderen läß t er fort. D araus folgt, daß er jeden Planktonorganism us, den er überhaupt frißt, einzeln frißt.

D a nun, wie schon gesagt, die Plan kto ntiere recht klein, m eist m ikroskopisch klein sind, so kann m an sich n icht wundern, daß die P lan kto n ­ fresser unter den Fischen im allgem einen ebenfalls klein bleiben, also nur ein geringes W achstum zeigen. Solche Planktonfresser sind der Stint (Osmerus eperlanns), die kleine M aräne (Core- gonus albula), ein Teil der Felchen in den bayrischen Seen, die B ru t vom Zander und der Ü cklei im W intersem ester, also alles kleine Fische. A ller­

dings können auch die übrigen Fische P lan kto n fressen und sich von ihm nähren, aber sie tu n das nur dann, wenn es ihnen an besserer und größerer N ahrung fehlt, was in m anchen Seen vorkom m t.

D ann ist aber auch ihr W uchs gering und dem ­ gem äß der E rtrag in dem betreffenden See sch lech t.

W ieder andere Fische werden für Schlamm- und

Pflanzenfresser gehalten. In der T a t gib t es auch

solche unter den Fischen. Ich erwähne als P flan zen ­ fresser nur die P lötze (Leuciscus), das R o t­

auge (Scardinius erythrophthalm us), den B itte r­

ling (Rhodeus amarus) und zum T eil den D öbel (Squalius ceplialus). Aber es w äre eine irrige Auffassung, wenn man glauben w ollte, daß diese genannten Fische sich nun ausschließlich von Pflanzen nährten, sie fressen vielm ehr daneben auch Tiere, ja nähren sich unter U m ständen au s­

schließlich von ihnen. Also reine Pflanzenfresser gib t es überhaupt nicht.

E tw as Ähnliches gilt vom Schlam m . W ohl kann derselbe, wenn er gu t ist im fischereilichen Sinne, d. h. wenn er vie l organische, leicht verdauliche Substanzen enthält, als N ahrung, z. B . für den K arpfen, für den Blei, für den Schlei, für die Nase und gelegentlich auch für andere Fische dienen, aber im allgem einen träg t er recht w enig zur E r­

nährung der Fische bei. D er Schlam m , w elcher

aus Zerfallsprodukten der schwim m enden W iesen

(Bülten), aus T orf, K a lk usw. besteht, wird von

den Fischen überhaupt n icht gefressen. WTenn

(7)

H e ft 26. 1 27

.

6

.

1924J

Sc h i e m e n z:

Die Nahrung unserer Süßwasserfische. 523

man die Fische im Schlam m e Löcher wühlen sieht, so ist das kein Zeichen dafür, daß sie Schlam m fressen; sie wühlen in dem Schlam m e

n a c h

W ürm ern

D ie Hauptmenge der Fischnahrung stellen die

Tiere des Ufers und des Bodens.

W enn man sich über das, was die Fische fressen, unterrichten will, so soll man sich hüten vor theoretischen Spekulationen, sondern man soll die Fische selbst fragen, d. h. ihnen den Magen und

Darm aufschneiden und sehen, was sich darin

befindet. N atürlich darf man sich bei solchen U nter­

suchungen nicht auf einige wenige Fische be­

schränken. Diese können ja Abw eichungen von der Norm sein, und es ergibt sich bei den richtigen Untersuchungen sehr bald, daß einzelne Fische einen ganz sonderbaren G eschm ack haben und aus der R egel herausfallen. D as kom m t ja auch bei anderen Tieren und dem Menschen vor. So habe ich z. B . einen Herrn kennen gelernt, der die B ratw u rst m it großen Mengen von Zucker aß.

W ill man sich also w irklich gu t über die N ah ­ rung der Fische unterrichten, dann m uß man m ög­

lichst viele Fische untersuchen, in den verschieden­

sten Altersstadien, in den verschiedenen Jahres­

zeiten und in ganz verschiedenen Gewässern. D as habe ich getan und bin dabei zu den folgenden E r ­ gebnissen gekom m en:

Zunächst h a t es sich herausgestellt, daß man irregeht, wenn man die N ahrung einer F isch art nach dem G ebiß oder den M undorganen überhaupt beurteilt. E s soll zugegeben werden, daß das G e­

biß einm al in irgendeiner B eziehung zur N ahrung gestanden h at. E s können aber da im L au fe der Stam m esentw icklung und bei A bänderung der V er­

hältnisse Änderungen auch in der Ernährung ein­

getreten sein. Uns interessiert von praktischer Seite das, was gegenw ärtig ist, und nicht das, was in früheren Erdepochen G ü ltigkeit h atte. A ls B ei­

spiel hierfür erwähne ich unsere Bachforelle, welche ja im allgem einen im m er noch für einen R a u b ­ fisch gehalten wird. E s unterliegt für m ich gar keinem Zweifel, daß die Forelle früher einm al R aubfisch gewesen ist; denn sie h a t ein ganz kräftiges R aubfischgebiß, welches dem des H echtes von gleicher Größe kaum nachsteht. Besonders kräftig sind die nach hinten gerichteten Zähne der Zunge, die allerdings w enig sichtbar sind, da sie tief im Zungenfleisch stecken und erst beim Z u ­ packen hervortreten. D ie Forelle kann dam it aber kräftig zupacken und anderen Fischen den L eib buchstäblich aufreißen. Trotzdem erw eist sich unsere Bachforelle bis zur Länge von 40 cm in nahrungsreichen Flüssen und B ächen durchaus als Friedfisch und friß t Flohkrebse, K öcherfliegen­

larven, Zuckm ückenlarven und ähnliche Tiere.

E rst wenn sie eine erhebliche Größe erreicht hat, folgt sie dem Ernährungsgesetz der Fische, welches besagt, daß der Fisch im allgemeinen m it zunehm en­

der Größe auch größere N ahrung verlangt, und dann fängt sie an zu rauben, aber nicht etw a Fische allein, sondern alles, was sie überschlucken kann, als Fische, große Schwärm erraupen, Mäuse, R atten,

M aulwürfe usw. Indessen ist die Bachforelle nur in unseren Forellen ge wässern Friedfisch; in den Teichen fü ttert man sie wieder m it Fischfleisch, und hier ziert sie sich auch gar nicht, über kleinere und schwächere Artgenossen herzufallen, was be­

sonders bei den unfruchtbaren W eibchen beobach­

te t w ird. A uch wenn die Bachforelle durch die Ström ung des Hochwassers aus den Forellen­

bächen wrider ihren W illen strom ab getrieben wird und auf diese W eise schließlich in das Meer gelangt, ein Schicksal, das unendlich vielen Bachforellen zu­

teil wird, w ie die Fänge in den Aalham en und Ankerkuilen beweisen, dann wird sie, in E r­

m anglung passender Friednahrung, auch wieder R aubfisch und w ächst dann infolge der größeren N ahrung ganz erheblich schneller und stärker, um schließlich als lachsähnliche ,,M eerforelle“ (in Berlin törichterweise Lachsforelle genannt) wieder in unserer K üche zu erscheinen.

Ich w ill ein anderes Beispiel erw ähnen: den

Rapfen. Dieser Fisch ist nach Aussehen und B e ­

zahnung ein W eißfisch. E r h at im Maule überhaupt keine Zähne, h at also ein Friedfischgebiß wie die anderen W eißfische und daher auch zum Zer­

quetschen der Friednahrung ein P aar Schlund­

zähne. T rotz dieses Friedfischgebisses ist er durch und durch R aubfisch, der vornehm lich dem Ü cklei nachstellt, aber nach anderen Forschern auch alles hinterw ürgt, was er bew ältigen kann, so kleine E ntenkücken, W asserratten usw. D aher w ächst er auch so gu t und erlangt eine Länge und Größe, daß er neulich von einem Zeitungsreporter bei der Eisfischerei auf dem Müggelsee für einen Lachs gehalten wurde und als solcher in den Zeitungen beschrieben wurde.

A lso aus dem Gebisse und der Bezahnung des Mundes darf m an keine Schlüsse auf die N ahrung ziehen. N ur die U ntersuchung des Magen- und

Darminhaltes ist m aßgebend. Diese gestattet nun

bezüglich der N ahrung unserer Fische folgende Gruppen aufzustellen: H auptnahrung, N eben­

nahrung, Gelegenheitsnahrung, Verlegenheitsnah­

rung, Notnahrung.

D ie Hauptnahrung ist diejenige, bei welcher die betreffende F isch art am besten gedeiht und die sie sich auf alle F älle zu verschaffen sucht. Findet sie diese nicht, so begnügt sie sich auch m it einer anderen N ahrung, das ist die Nebennahrung. B ei dieser gedeiht sie aber nicht so gu t als bei der H auptnahrung.

U nter Gelegenheitsnahrung verstehe ich die­

jenige, welche der Fisch frißt, w eil sich ihm gerade eine passende Gelegenheit dazu bietet. Man muß sich aber davor hüten, diese Gelegenheitsnahrung als die H auptnahrung anzusehen, wenngleich sie eine große R olle spielen kann. Zu dieser Gelegen­

heitsnahrung gehört auch das, was der Fisch an

der A ngel schluckt. D ie Sportfischer gehen also

durchaus fehl, wenn sie nach dem Köder, den sie

m it E rfolg anwenden, die Nahrung der Fische

beurteilen. A n der A ngel friß t näm lich der Fisch

die verschiedensten Dinge, die m itunter seiner

(8)

5 2 4 Sc h i e m e n z:

Die Nahrung unserer Süßwasserfische.

[

D ie N a tu r ­ w issenschaften

eigentlichen N atur ganz zuwiderlaufen. Ich w ill dies m it einigen Beispielen belegen.

E s ist wohl den meisten A nglern bekannt, daß w ir vom Aale zwei Form en unterscheiden, den S pitzkop f und den B reitkopf. D er Sp itzk o p f ist Friedfisch und der B reitko pf ist R aubfisch. D ar­

aus ergibt sich von selbst, daß der A a l diese beiden Erscheinungsform en haben m uß. D er B reitkopf, als R aubfisch, m uß k rä ftig zupacken können, und daher entw ickelt sich die K ieferm uskulatur selbst­

verständlich stärker, und dies wieder füh rt zu der stärkeren G esam tentw icklung des K opfes. W ir haben nun vorhin gesehen, daß, je größer die N ah ­ rung ist, welche ein Fisch friß t, er auch um so stärker w ächst. Folglich muß der B reitko p f größer werden als der Spitzkopf, und bei ihm müssen bei sonst gleicher Länge die Geschlechtsorgane w eniger w eit en tw ickelt sein. D as alles trifft nun durchaus zu. D ie Fischer bestecken daher die A alschnüre, wenn sie B reitköpfe fangen wollen, m it Fischen, und wenn sie Spitzköpfe fangen wollen, m it R egen­

würmern. D as hindert aber nicht, daß an den Fischen auch Spitzköpfe und an den Regenwürm ern auch B reitkö pfe beißen. D er A al, gleichgültig ob B re itko p f oder Spitzkopf, nim m t eben jede sich bietende Gelegenheit wahr, um etw as Freßbares zu fressen. So nehmen auch viele Fische, die sich von Bodennahrung und U fernahrung nähren, sehr gerne die Luftnahrung, d. h. die ins W asser fallen­

den Insekten, und m achen m anchm al ausgiebigen G ebrauch davon, z. B . die Forelle. T rotzdem darf m an diese L uftnah rung n icht als ,,die N ahrun g“

bezeichnen. W ir werden später noch auf die A u s­

n utzung dieser N ebennahrung zu sprechen kom ­ men, wenn w ir ausführen, au f welche W eise der Fisch seine N ahrung findet. A u f der A u snu tzu n g der Gelegenheitsnahrung beruht auch die künstliche F ü tteru n g der Fische, nam entlich des K arpfens.

D er K arp fen ist durchaus ein tierfressender Fried­

fisch, und doch füttern w ir ihn im wesentlichen m it pflanzlichen Stoffen, näm lich m it Lupinen. D as geht deshalb, w eil der K arp fen ein durchaus b e­

quem er Geselle ist, der sich n ich t gerne anstrengt.

B ietet m an ihm also eiw eißhaltige Säm ereien auf H aufen, nun dann n im m t er sie eben an und friß t sich ganz vo ll dam it. E r kann auch bei einer solchen N ahrung auskom m en und er begnügt sich m it ihr, w eil es ihm eben bequem er ist, sich an ihr ohne Mühe vollzufressen, als sich die N ahrungstiere einzeln zusam m enzusuchen. B ieten sich ihm aber N ährtiere in ebenso bequem er W eise und in großen Mengen, w ie es m itunter in den T eichw irtsch aften vorkom m t, so läß t er n atürlich die Lupinen liegen.

F in d et der Fisch n icht seine H aupt- oder N eben­

nahrung, so m uß er sich eben nach einer anderen N ahrung umsehen, die ihm eigentlich zw ar n icht zusagt, aber doch noch allenfalls von ihm zu ve r­

w erten ist. D as ist die Verlegenheitsnahrung.

A uch hierfür w ill ich einige Beispiele zum besseren Verständnis anführen.

D er Kaulbarsch (Acerina cernua) n äh rt sich, wenn es irgend geht, von den roten L arven der

Zuckm ücke, welche au f dem Schlam m e des Bodens unserer Gewässer liegen. D as ist so typisch, daß, wenn m an wissen will, wie der B estand eines G e­

wässers an diesen L arven ist, m an nur sich einige K aulbarsche zu fangen und ihren Magen- und D arm inh alt zu untersuchen brauch t. Kom m en diese Zuckm ückenlarven überhaupt im Gewässer vor, dann findet m an sie ganz bestim m t im Magen des Kaulbarsches. N un kom m en aber Zeiten, in denen der K au lbarsch die Zuckm ückenlarven nicht finden kann, z. B . im frischen H affe, wenn durch starke W inde der Boden m it seinem Schlam m a u f­

gew ühlt wird. D ann geht der K aulbarsch ins K ra u t und friß t dort Schnecken und ähnliche Organismen, die er ganz hinterschlucken m uß, weil ihm jede M öglichkeit fehlt, um sie zu zer­

knacken.

E in anderes Beispiel. Der Ücklei nährt sich im allgem einen von Luftinsekten, die ins W asser fallen. E r en tw ickelt dabei eine große G eschick­

lichkeit und großen E ifer. W enn aber der Sommer zu Ende geht, hören die L u ftinsekten auf, w eil sie entweder sich zum W intersch laf verkrochen haben oder nach erfolgter E iablage abgestorben sind. D a m uß sich also der Ü cklei nach einer anderen N ahrung umsehen. N un h a t sich gerade um diese Z eit die H auptm enge des tierischen P lan ktons im freien W asser entw ickelt. D orthin geht nun also der Ü cklei und friß t nunm ehr das P lan kton. D as­

selbe tun z. B . auch die Stichlinge, wenn sie nach dem Fallen des K rau tes vom U fer weg, in das freie W asser verschlagen werden. D aher kom m t es auch, daß die Massenfänge des Ückleis erst im Spätherbst beginnen, w eil er dann erst sich im freien W asser zusam m enrottet, während er den Som m er über ve rteilt in der U ferregion gestanden hat. E r ist aber im m er dagewesen in den betreffen­

den Gewässern und kom m t n ich t etw a aus dem Meere zugereist, wie m anche Fischer meinen. Man sieht an diesem Beispiel, welche R olle die E rn äh ­ rung eines Fisches für seinen F an g und praktische A usnutzun g spielen kann.

Z u letzt wollen w ir noch die Notnahrung b e­

sprechen. Sie kom m t, nach dem M otto: „ I n der N o t friß t der Teufel F liegen “ , in B etrach t, wenn es an jeder vernünftigen N ahrung für den Fisch fehlt. U nter solchen U m ständen kann der B lei z. B.

auch grüne Pflanzen fressen. D aß die Fische bei einer solchen N ahrung nicht gedeihen, sondern schändlich abm agern, versteh t sich von selbst.

H ier ist auch das P lan kto n zu erwähnen, das in Erm angelung zusagender N ahrung von allen Fischen genom men wird.

U m das hier G esagte m öglichst deutlich und verständlich zu machen, m öchte ich als Beispiel den Menschen heranziehen. F ü r ihn würde sein die H auptnahrung: B rot, Fleisch, K artoffeln, die N ebennahrung: allerhand Gemüse, die Gelegen­

heitsnahrung: K aviarbrötchen , Verlegenheits- nahrung: das B rot, welches w ir im K riege bekom ­ men haben, und alle die vielen E rsatzstoffe, N o t­

nahrung : B rot aus B aum rinde und ähnlichen

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Heft

26. ]

2

7

. 6. 1924J Sc h i e m e n z:

Die Nahrung unserer Süßwasserfische.

5 2 5

Sachen, wie sie in R ußland gegessen werden sollen, wenn eine H ungersnot eingetreten ist.

N ach ihrer N ahrung könnte man die Fische ein­

teilen in Planktonfresser (nur wenige), Uferfresser,

Bodenfresser.

D ie U ferfresser wieder in solche, welche W assertiere fressen, und solche, welche Luft­

insekten zu erjagen suchen. Aber diese E in teilun g

ist nicht ganz stichhaltig, da einm al einige Fische ihren Standort je nach dem A lter und der Jahreszeit wechseln und zweitens sich auch in den einzelnen Gewässern verschieden verhalten. So m acht die Plötze z. B . in einem F lu ß m it V orliebe Jagd auf die Luftinsekten, in den meisten Seen ist sie vor­

wiegend Pflanzenfresser und in manchen Seen und den Buchten der Ostsee friß t sie die Muscheln und Schnecken vom Boden, in armen Seen ist sie endlich Planktonfresser. E in besonders gutes W achstum zeigt sie aber nur bei der Aufnahm e von Boden­

nahrung und L uftnahrung, bei Pflanzenkost und P lanktonkost h a t sie nur ein geringes W achstum . So ist der S tin t ein typischer Planktonfresser, ernährt sich aber in m anchen Gewässern von den Zuckm ückenlarven am Boden oder den größeren Crustaceen des Ufers, oder gar als R aubfisch.

Ähnliche Verschiedenheiten finden sich bei den meisten Fischen, Man ersieht daraus, wie w ichtig es ist, daß man sein U rteil nicht auf die U n ter­

suchung nur eines Gewässers aufbaut.

W ir wollen nun die N ahrung von einem anderen G esichtspunkte aus betrachten.

W ir teilen die Fische ein in solche m it geringer und solche m it großer Nahrungsbreite, bei ersteren besteht die H auptnahrung nur aus wenigen, ganz bestim m ten Tierarten, die letzteren dagegen fressen alles mögliche. D as ist für die praktische Fischerei von außerordentlicher Bedeutung. D ie Fische m it geringer N ahrungsbreite, wie z. B. der Blei, passen daher n icht in jedes Gewässer, sie können sich m it V orteil nur entw ickeln und dürfen nur dort eingesetzt und k u ltiviert werden, wo sich eben die von ihnen genommenen N ährtiere be­

finden. Andere Fische, welche eine große N ahrungs­

breite haben, also allerhand Tiere fressen, kommen in jedem Gewässer fort, wie z. B. die Güster, der Aal. D adurch b esitzt der A a l eine große w irtsch aft­

liche Bedeutung, er p a ß t eben in jedes Gewässer, mit Ausnahm e der Teiche.

Auch die Jahreszeit und das Alter spielen bei der Ernährung der Fische eine große Rolle. W ir haben ja oben bei dem Ü cklei gesehen, daß er im Sommer Luftnahrung, im H erbst und W inter Plankton frißt. Viele Fische fressen im W inter überhaupt sehr wenig, zum al diejenigen, welche sich auf die F ortpflanzung im Früh jahre vorberei­

ten. B ei ihnen entw ickeln sich vom H erbste an die G eschlechtsorgane und füllen im m er mehr und mehr die Leibeshöhle aus, nam entlich bei den Weibchen. Der D arm w ird immer mehr zusam m en­

gedrückt und wird auch nicht mehr so stark durch­

blutet, weil das B lu t je tzt vornehm lich zu den Geschlechtsorganen geleitet wird. D as N ahrungs­

bedürfnis ist daher außerordentlich gering, w äh­

rend es nach der A blage der Eier um so stärker wird. D er Frühsom m er ist also diejenige Zeit, in welcher der Fisch am meisten friß t und in der dem gem äß auch das H auptw achstum der Fische stattfin det.

D aß in den verschiedenen Altersstadien auch die Nahrung wechselt, dürfte sich wohl von selbst verstehen, weil z. B. die B ru t natürlich nur ganz winzige N ährtierchen aufnehm en kann. Im all­

gemeinen glaubt man daher, daß sie Plankton fresse. D as ist aber unrichtig. A lle unsere Fische legen ihre Eier in der Uferregion ab, und deshalb versteht es sich auch von selbst, daß die B ru t sich zunächst am Ufer, von den Uferorganism en nährt.

Und zw ar sind es hier im wesentlichen die Linsen­

krebse, welche gefressen werden, daneben auch H üpferlinge verschiedener A rt, welche hier eine erheblichere Größe erreichen als im Plankton, dazu kommen die Larven der D reikantm uschel usw.

E rst m it dem Größerwerden ziehen sich die Fische mehr vom U fer in die tieferen W asserschichten zurück und suchen sich dort andere und meist größere N ahrung.

W ie findet nun der F isch seine Nahrung? W enn der Fisch sich einfach vom Durchseien des Wassers durch sein K iem enfilter nähren würde, dann brauchte er ja gar nicht die N ahrung aufzusuchen,

W ir h atten aber bereits gesehen, daß so der Fisch n icht frißt, sondern daß er sich auch aus dem P lan kton die ihm genehme N ahrung einzeln heraussucht. Ebenso sucht er sich seine Nahrung auf dem Boden und am U fer zusammen.

Im allgemeinen wird nun angenommen, daß es das A uge ist,welches den Fisch bei der N ahrungs­

suche leitet. E s ist keine Frage, daß das vielfach der F a ll ist. D as ergibt sich auch aus der Tatsache, daß man Fische dressieren kann, nur eine N ahrung von einer ganz bestim m ten Farbe zu nehmen. So leitet auch entschieden die R aubfische das Auge, und wenn man einen B arsch und seine A ugen ­ bewegung beobachtet, so überzeugt man sich un­

schwer, daß er m it den Augen seine Nahrung sucht und findet. Allein es erheben sich doch Bedenken, ob das bei allen Fischen der F a ll ist. Viele Fische fressen des N achts, wenn alles dunkel ist, also auch das W asser. D as gilt z. B . vom A al, welcher sich tagsüber in Verstecken oder im Sande und Schlam ­ me verkriech t und erst nachts auf Ä sung geht.

So kommen auch die Bleie und Plötzen des N achts auf das Schaar, um dort die Zuckm ückenlarven vom Boden abzulesen. W ieder andere Fische fressen wohl am Tage, aber in so großen Tiefen, in welche kein L ich t in genügender Stärke dringt und wo gewisse N ährtiere um so weniger zu sehen sind, als sie vollkom m en durchsichtig und auch für das menschliche A uge im hellen Sonnenschein durchaus unsichtbar sind. D er Fisch, dessen A uge viel weniger akkom m odationsfähig ist als das des Menschen, kann sie in der Tiefe des kaum erhellten W assers erst recht nicht sehen, und doch findet er sie, und zwar in solchem Maße, daß er sich ganz voll davon frißt.

Nw. 1924. 70

(10)

5 2 6 Sc h i e m e n z:

Die Nahrung unserer Süßwasserfische.

[

D ie N a tu r­

w issenschaften

Man m uß also annehmen, daß in solchen Fällen es ein anderes Sinnesorgan ist, welches den Fisch die N ahrung auffinden läßt. Ich habe nun in den Bassins der Landesanstalt für Fischerei Versuche hierüber angestellt und gefunden, daß die Fische einen außerordentlich entw ickelten Geruchsinn haben und sich von ihm leiten lassen, wenn sie fressen wollen. D as gilt auch für diejenigen Fische, welche zu demselben Zw ecke auch das A uge be­

nutzen, so daß m an zw eifelhaft sein kann, ob das A uge oder die Nase für das Auffinden der N ahrung w ichtiger ist. So finden wir z. B . bei der Forelle, die m an nach ihrer Gewohnheit, L u ftinsekten zu schnappen, sobald sie sich auf das W esser setzen, als Augentier anzusehen geneigt ist, daß sie sich tadellos ernährt, auch wenn sie vö llig blind ist. In jeder Forellenteich W irtschaft kom m en hier und da blinde Forellen vor. B eobach tet man nun diese bei der Fütterung, so stellt man folgendes fest:

W enn der Fütterer zu dem Teiche kom m t, so m er­

ken dies die Forellen an der E rsch ütterun g des Bodens und W assers und begeben sich nach der F u tterstelle. D as tu t auch die blinde Forelle genau so wie diejenigen m it gesunden Augen.

W irft nun der F ü tterer das F u tte r in den Teich, so springen die Forellen wie toll darnach, aber nicht die blinde Forelle, sie sieht ja die F u tte r­

brocken nicht. S inkt aber ein F u tte r brocken auf den Boden des Teiches, so findet ihn die blinde Forelle sehr schnell und verschlingt ihn. A uch in der W ildnis kom m t es vor, daß die Forellen auf großen Flußstrecken durch B akterien, die sich in den Augen ansiedeln und diese zum Auslaufen bringen, alle mehr oder minder vollkom m en blind sind. Trotzdem sind sie aber ganz gu t bei Leibe, und untersucht man ihren Magen und D arm , so findet man darin die program m äßige N ahrung und in hinreichender Menge.

A ber es gibt auch Fische, die sich bei der A u f­

findung der N ahrung m it dem A uge ganz besonders ungeschickt anstellen, und aus ihrem Benehm en geht unzw eifelhaft hervor, daß es lediglich der Geruchs­

sinn ist, welcher ihnen das Auffinden der N ahrung erm öglicht. E in solcher Fisch ist der A al. Ich habe einige hundert Satzaale 3 Jahre lang in den Versuchsbassins der L andesanstalt für P'ischerei aus bestim m ten Gründen gehalten und an ihnen meine Beobachtungen angestellt. A m T age lagen sie in Röhren oder hinter Steinen ve rsteckt oder hatten sich so in den Sand eingegraben, daß nur der K o p f oder überhaupt nichts von ihnen zu sehen war. G efüttert wurden diese A ale m it frischem Rindfleisch. G ab ich nun solches in das Bassin, so wurde der ganze Sand lebendig und, die A ale kam en alle zum Vorschein und strebten dem H aufen von Schabefleisch zu. D abei schwamm en sie sehr o ft ganz dicht daneben vorbei, kehrten wieder um und fanden so das Fleisch, das sie also offenbar m itden Augen nicht wahrgenommen h atte n . A ber noch deutlicher zeigte sich die R olle der Nase, wenn ich folgendes E xp erim ent m achte, das ich im m er vorzuführen pflegte, wenn Besichtigungen

unserer A n sta lt stattfanden. D ann gab ich nicht das Fleisch in das Bassin, sondern betupfte es nur einige Male m it den Fingern der einen H and und hielt dann beide H ände m it ausgespreizten Fingern in das W asser. D ann kam en die A ale genau so aus dem Sande heraus, als wenn ich das Fleisch in das W asser geworfen h ätte und knabber­

ten an den Fingern, m it denen ich das Fleisch angefaßt hatte. Die Finger der anderen Hand ließen sie gänzlich unbeachtet.

Ich m achte dann einen weiteren Versuch. In einem Bassin, welches Barsche, Bleie, Güstern, Plötzen, Ü cklei und Zander enthielt, versenkte ich hinter einem Steinhaufen etw as Fleisch. Es dauerte gar nicht lange, so dirigierten sich säm tliche Fische nach der Ecke, wo der Steinhaufen lag, und such­

ten das Fleisch, das sie gar nicht sehen konnten, auf, nahmen es wohl auch in den Mund, ließen es aber wieder, als für sie ungeeignet, fallen. Auch hier w ar es ohne Zweifel die Nase, welche die Fische leitete. Ich habe diese Frage deshalb so eingehend studiert, w eil sie geeignet ist, uns verschiedene Erscheinungen aufzuklären, die für uns sonst ganz unverständlich wären. E s sind näm lich viele, und zw ar sehr wichtige, N ährtiere so klein oder so ver­

steckt, daß ich es für ganz ausgeschlossen halte, daß sie von den Fischen m it dem A uge gefunden werden, und doch werden sie gefunden. D as läß t also verm uten, daß diese Tiere einen gewissen G e­

ruch abgeben, der eben von den Fischen w ahr­

genommen und zum A u f finden b enu tzt wird. F in ­ den doch auch viele W irbeltiere und niedere Tiere auf dem Festlande ihre N ahrung durch den G e­

ruchssinn. A ber auch für die A ngler h a t diese Frage ein gewisses Interesse, ergibt sich doch aus ihr, w arum die Fische sich anködern lassen durch Gegenstände, die als N ahrung für sie gar nicht in B etrach t kommen. So ködert man die Bleie an m it K artoffeln, Käse, Erbsen. Keines von diesen dreien wird vom B lei gefressen, und doch läß t er sich dadurch anlocken. Man kann dies als eine A r t Neugierde auslegen. D er Fisch riecht einen Geruch und geht demselben nach, wie die Fische in den oben erwähnten Bassin versuchen. F ind et er nun diesen Gegenstand oder an dieser Stelle einen anderen, so probiert er, genau wie die geschilderten Bassinfische, diesen Gegenstand und schon sitzt er an der Angel. E r probiert eben. Deshalb darf man aber nun den Angelköder durchaus nicht als die Nahrung für den betreffenden Fisch ansehen. In den allermeisten Fällen würde er den Köder wieder ausspucken, wenn er könnte. A ber dazu ist es zu spät, wenn er schon an der A ngel sitzt. So pro­

biert der Fisch auch von selbst allerhand G egen­

stände, die keine N ahrung für ihn abgeben, ebenso wie ein kleines K ind alles in den Mund nim m t und auf seine F reßbarkeit untersucht. So kann man denn auch in den Mägen der Fische allerhand un­

verdauliche Sachen finden, als Stückchen von

Bernstein, von buntem Glas, Flügeldecken bunter

Käfer, wurm förm ige Pflanzenw urzeln usw. Alles

Dinge, welche der Fisch nicht verdauen kann, die er

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