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Die Zukunft, 26. Oktober, Jahrg. XXI, Bd. 81, Nr 4.

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(1)

xxt. Jahrg. entityden 26.thut-er 1912. gr.4.

Herausgehen

Maximilian Kardew

Inhalt-:

"

Seite Unserauswärtiger Dienst......................10«3

wernmklxøAufgabe. VonRichard witting .............108

Denkt-listig Gonitkagspredigkem VonKarl Jentsch ..........113

Untekgem VonAuguste Hauschner ............·«...123

Reiklxsprkrvlennr. Voncadon .....................124

1813. vonHer-wart Raventhal ..................128

Uachdruck verboten.

f Erscheint jedenSonnabend- Prcis vierteljährlieh5Mark, die einzelne Nummer 50Pf.

H-

Berlin.

Verlag der Zukunft.

Wilhelmstraßesa.

1912.

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Bot-lis- Hamburg

Zwei der vornehmsten sotels der Neu-old

cis-rette

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Berlin, den 26. Oktober 1912.

7

M -

Unser auswärtiger DienstIII

WarlamenhPresseund Publikum gefallen sich seit einigerZeit in heftigemTadel unserer internationalen Bertretun.gen.

Man macht sie für unserevielen Mißerfolge haftbarund übersieht dabei, daßeinDiplomat nur einausführendes Organist,derden aus derEentrale kommenden Befehlenunweigerlich nachzukom- men hat«iWer leitet denn unser-e äußere Politik?

InPreußen-Deutschland hat sich nachaltem Herkommender TrägerderKrone großen Einfluß aufdieauswärtigen Dingezu sichern gewußt.Wirsehen- hieralso dasJdealderLehrevom persön-

.li.chenR-egiment verwirklicht.Darf man sichdiesesZustandes freuen? DerKrone muß zweifellosdieletzt-eEntscheidungin allen wichtigen auswärtigen Fragen, inrein politischenund denjetzt nichtminder wichtigen handselspolitischen,vorbehaltenbleib-en. Diese Jngerenz dser Krone darfabernichtindasDetail gehen,wieeszumSchaden der Interessen desLandes und derAllerhiöchstenPerson beiuns zusehen ist.DerTrägerder Krone kannnicht Fachmannsein;auch fürihnhatderTagnur ein-ebestimmte Arbeitsstundenzahl Beidem beständigen Aufenthaltswechsel,denderMonarch liebt,beiseiner stetenBeanspruchung durch Repräsentation, militårische Dinge, Bergnügungen (wozudann noch regelmäßige, lange Wochendau- ernde ReiseninsAusland kommen), ist eingehendes Studium der fastimmer sehrverwickelten auswärtigen Verhältnisse überhaupt

jk)Von einem imAusland lebenden Deutschen,dessen Beobach- tung(aus,wiederLeser baldmerken wird, mildblicke-idem Auge)in denheute mehr als je nothwsendigen Rath mündet, fürQNißgriffe nicht stets dieAußenpostesm sondernzunächstdieberliner Centrallei- tung, von derdieInstruktion kommt,verantwortlich zumachen.

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«104 DieZukunft.

nicht möglich. Fürdiedurchdieräumliche Trennung verhinderte Fühlung mitKanzler undStaatssekretär desAeußernbieten die diplomatischen Reisebegleiter, höhere Aktuare,keinen Ersatz. Leich- ter erscheintdie Entscheidung in Personalfragen; scheint-, sagen wir: denn auch hier gehörteine Vertiefung inEinzelheiten zur richtigenBeurtheilung desEinzelnen. Auch dazu fehltmateriell dieZeit;weildieEntscheidungenabertrotzdem (undoft nachganz einseitigerJnformation) erfolgen, sosehenwirauchinpersonali- busmeist Mißgriffe.Dem Gang unserer auswärtigenPolitik fehlt die nöthig-e Stetigkeit und Folgerichtigkeit; er ist überreichan schädlich-enPlötzlichkieiten

Wer,wiederSchreiber dieser Zeilen, Persönlichcs Negiment und denGlauben anbesondere göttliche Erleuchtung heute nicht für zeitgemäß hält, mußdieVerantwortlichkeit dasuchen,wsosie zufindenist:beim Reichskanzler. Unbillig wäre es,von Vis- marcks NachfolgerdasGenie Bismarcks zuverlangen,dasinder auswärtigen Politikseine höchstenTriumphe feierte. Jndasvon dem SchöpferdesReichesgesammelte Kapital an Ansehenund Vertrauen legtedieAera Eaprivi soforteinegroße Presche.Der alte kluge Staatsmann, der desGenerals Erbschaft übernahm, flickte Mancheswieder aus und erwarb sich geradeininternatio- nalen Dingen mehr Verdienste,alsdieMengeglaubt.Derrasche Niedergang begann erstunter Hohenlohes geistreichem,aberallzu leichtschwankend-emNachfolger.Jhmgelanges,Jahre lang Hof, Parlament und OeffentlicheMeinungüberdiewirkliche Lageder Dinge hinwegzutäuschen.Die unter Vülows ausgestreute Saat kommtjetzt-zurReife. Jedenfalls müssendemfünften Kanzlerund seinem Staatssekretärfür Auswärtiges, alsErben sinebenelieio inventarji, mildernde Umstände zugebilligt werden,zumal(aller- dings nicht ohne SchulddesenergielosenKanzlers)diezuvor ge- schildserten Eingriff-e einer unverantwortlichen Stelle in alter Schädlichkeitfortdauern-

Der TrägerdeshöchstenNeichsamtes istinder alltäglichen Beamtentour desinneren DiensteszuseinerWürde emporgestie- gen.Unsscheint, daß ihm nochimmer vielzu vielvomVerwaltung- beamten anklebt und daßersich nichtgenug alsPolitikerundver- antwortlichenStaatsmann fühlt.DieVerfassung bekleidetihnmit einer Autorität,dieerunter Umständen rücksichtlosbei Kroneund pparlament einsetzen müßte. Jnganzanderer Lage istvonvorn her- einderStaatssekretärdesAeußern; eriftnicht Minister,sondern nur »nachgeordnete Stelle«,ergo haterzugehorchen;odererfliegt.

Unddoch unterstehtdemStaatssekretär der-ganze Dienstdesaus-

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Unserauswärtiger Dienst. 105 wärtigen Ressorts Ohne verantwortlich zusein,ohne durchgreier zukönnen,in,,gottgewollter Abhängigkeit«denoft plötzlichwech- selndenDirektiven von nichtfachmännischerSeite ausgesetzt,wird ernur zuleichtalsSünd-enbock indieWüste geschickt,wenn Dinge, dieernichtabändern konnte, schief laufen.Gsehtesaber einmal gut,soheimsen schnellandere Stellen Lohnund Beifall ein. Jn richtiger Erkenntniß dieser Diskrepanzen ist denn auch vielfachdie Forderung aufgestelltworden, nur einen Fachdiplomaten zum Kanzlerz-u-machen,demzugelegentlich-er Ausbilfeund Vertretung einVertrauensmann und ehemaligerKollegezurSeite steht.Das hört sichganz nettan;kannaber einerelativ kleine Earriere, wie diediplomatische, stetseinen geeigneten Kanzler auf Lagerhaben?

Können nicht auchSituationen entstehen,wonur einFinanzfach- mann, ein Sozialpolitiker odser einüberragender Parteiführer Kanzler werden darf? DerFehler liegt wenigerandenPersonen alsam System. Bismarck schnitt sich fürdieeigenegigantische GrößedieStelle desKanzlers inGermanien zu ;daesnieoder wenigstens sobald nichtwieder einen zweiten Bismarck gebenwird, müßten logischer WeisedieFunktionen deseinstvon ihmverwal- teten Amtes getheiltwerd-en. VorAllem müßtean dieSpitzeder deutschen Diplomatie eingeschulter Fachmann alsReichsminister treten,demalle Einzelheiten überlassenbleiben und derauch für dieDurchführungdervon Krone,Kanzler und Ministerrath ge- billigten Maßregeln verantwortlich wäre. Heute weißder Chef einer Missionniegenau, werin Berlin geradeKochund wer Kel- lermeister ist;sicherfährtnur Einer,derseinSchiffleinimmer in deram HofwehendenWindrichtung steuert.Hausandachiten, by- zantinischeReden und regerJKirchenbesuch geltenalserprobteMit- telzuschleunigemA"vancement. Nach altem, bewährtemBülow- Rezept müssen überhaupt vonden auswärtigen Vertretern die Dingenicht so geschildert werden,wiesiewirklich liegen, sondern, wieman sieinBerlin zusehen wünscht.

UnsereDiplomaten müßten nicht Menschen seinzwenn siesich nicht, mehroder weniger,demneuen und neustenKurs anzupassen suchten. Immerhin giebtesauch- hierMänner ;und esistunge- recht,über uns-er gesammtes Diplomatencorps soden Stab zu brechen,wieesjetztfast täglichinallen Partieilagern geschieht.

Eben so ungerecht ist es,dieadeligenDiplomaten ganz besonders haftbarzumachen.Was istdennüberhaupt heutzutage derAdel?

Erwird nachLaune und Gunstvon allen möglichen Potentaten

an GroßundKlein verliehen,wiesieeinen Kronen-,Löwen- oder Adlerorden verleihen. Ein BlickinsStaatshsandbuch genügt dem

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106 DieZukunft.

einigermaßenindenNegistern unseresAdels Vewanderten, um zukonstatiren, daß mindestens die Hälfte unseres diplomatische-n Personals gutenalten Vürgerhäusernoder bisherganzunbekann- tenFamilien von nouveaux riches angehört.Wenn sich unser Staatswesen und Volkauchimmer mehr demokratisirt (richtiger:

plutokratisir«t),so weiß doch jeder Kundi.ge, daßilten nnd neue-n Adeleinehohe Scheidewand trennt. Man darfauchdenSprossen einer Kreuzfahrerfamilie nicht tadeln, wenn ersich dagegenwehrt, mitdsenFreiherren von Schoen,HeylundSpeckineinen Topfge- worfenzuwerden. Seine Haltungwird umso schrofser ablehnend sein, jeärmererist;erkanndann nur noch auf seinaltesSchildals den letzten Nestdeseinstigen Ahsnenglanzespochen.Ein kluger Diplomat (erlebtnicht mehr) hatmiroft gesagt,geradebeiseinen vornehmen Geschlechtern angehörigen Verufsgenossen habeerfast durchwegdenMuth zueigenerNieinung und zuderen Vertre- tungnach »oben« gefunden. Uebrigens entstammten auchdiebesten Diplomaten der Vismarckzeit alten Adelsfamilien: die Neuß, Schweinitz-, Hatzfeldtz Holstsein, Münster, Hohenlohe Daneben wußtedergroßeStaatsmann freilich auch bürgerlicheTalente im auswärtigen Dienstnutzbarzumachen: wiedieVucher,Busch, Brauer, Schloezer, Raschdau. Freilichwar dabei Tradition (und namentlich auch Wunschdesalten Kiaisers),daßdiewichtigeren Posten, wenn esirgend ging,mit Trägern edler Namen besetzt wurden. Das Vaterland ist mitdiesem System nicht schlecht gefah- ren. Veigleicher Intelligenz und gleicher Vorbildung wäreauch heuternochder vornehmere Bewerber vorzuzisehsen,schonweil·

erdurchseineHerkunftvielerlei Beziehungen und Verbindungen hat, die geradeimdiplomatischen Dienstvom größten Nutzen sein können. JnderGesellschaftallerHauptstädte (der republikanischen fast noch mehralsindenen alter Monarchien) findetderTsräger eines historischenNamens odereinGraf-aus altem Hausesofort alleThüren offen, währendeinhomo novus, obscura gentenatus, ermagnoch sotüchtigsein, sichdenEintritt inmancheSalons er- kämpfenunddenNachweisseiner Gentleman-Eigenschaft erster- bringen muß. Nachund nach beginntfreilich,von vielen Souve-—

rainen und anderen Hochbetitelten geradezugefördert,dasMam- monsSystem inHofundDiplomatie sicheinzubürgern. Geld,viel Geld:Das allein wirdnoch respektirt.Dochbleibt erstabzuwarten, obunsereneuen, derPutokratie zugehörigen Diplomaten Daslei- sten werden, was,trotzallen Schwierigkeiten, vor derAera ihrer Gunstgeleistetwurde. Vielleicht übernehmen siediealten Tradi- tionen vonPflichttreue,Vaterlandliebe und Zuverlässigkeit,die im

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Unser auswärtiger DienstL 107 diplomatischen Corps Deutschlands,wieinallen anse.en Beam- tenkörpern, bisher hochgehaltenwurden. DieZufuhr frischenBlu- tes kann unserer etwas verknöchertenBureaukratie nur nützlich sein,Jnderdiplomatischen Laufbahndürften künftig Überhaupt nur Herren mitgroßem Vermögen möglich werden,»denn dasLeben indenGroß-städtenwird immer theurerundÜberall werden früher ungeahnte Ansprüchean Repräsentation und Gastlichkeit gestellt.

Wenn wirvon unseremauswärtigen Dienstsprechen, sodür- fenwirdieKanzleibeamten nicht vergessen. Nach ihrer Vorbildung, sozialen Stellung und Arbeitleistung darfman sie nichtdenSub- alternen zuzählen.Sie sindineiner Mittelstellung, deren Son- derheitauchinden Titeln, Gehälternund Orden zum Ausdruck kommt; mehrnochindem Vertrauen, dasihnen, oftalsTrägern wichtiger Staatsgeheimnisse, vom Ministerium undvon deneinzel- nen Chefs entgegengebracht wird. DerDurchschnitt dieser Beamten, diedurchwegdemkleinen und mittleren Bürgerthum entnommen

«

erden,zeigtoftdielöblichste Tüchtigkeitund immer eine (durch denmeistlangjishrigen Aufenthalt an demselbe-nOrterworbene) genaue Lokalkenntniß.Der Kanzleichefeiner Botschaftistdem Feldwebelinunserem Heerzuvergleichen;wiediese ,,Compagnie- mutter« fürden Dienstkaumminder wichtig istalsder Haupt- mann, so läuft durchdie HanddesKanzleichefsder ganze Ge- schäftsbetriebeiner Mission. ErmußalleAktengründlich kennen, Journalisten und andere Vertrauensmänner an derHandhaben, mitdenSektionchefs und Dezernenten dereinzelnen Ministerien Fühlung haltenund inalle Sättel gerecht sein,Das diploma-·

tische Personal einer Botschaft, das, schon seiner Ausbildung we- gen, oft wechseln muß,kannaufalldiesen Gebieten,inalldiesen Winkeln gar nicht Bescheid wissen; dazu gehört lange Eingetwiöhss nung und eineKonzentration aufeinbegrenzt-es Feld,diedemmit derRepräsentation,demVerkehrmitdem Hof,denKollegen,den Spitzen derGesellschaftdesfremden Reichesbelastetendiploma- tischenBeamten derBotschaft unerlangbar ist.Wer arbeitet, wer immer bereit steh-t, hat Einfluß. Deutschlands hatte kluge Botschaf- 1·er, die nichts ohne Nücksprachemitihrem Kanzleiches ausführten und ihre Aleinung oftderbesserenseiner bewährten »Säuleder Mission« unterordneten. So kommt in unserem auswärtigen Dienst,mehralsindemirgendeiner anderen Großmachts,auchdas unbemittelte, abertüchtige Bürgerthumzugehöriger Geltung.

Summa Summarum: unsereDiplomsatie kannsich nochimmer neben deranderer Staaten seh-en lassen. Richtigmagjasein, daß.

heute MancherBotschafteroderGesandter wird,denBismarck nie

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108 DieZukunft-

aus dem Dunkel kleiner Verwendung gezogen hätte.Die Gegen- wart abermöge sichdankbar derVergangenheit und der großen Verdiensteerinnern, diesichvieleDiplomaten derbismärckischen Zeitum dasVaterland erwarben. Neben die Großvatertreten jetztEnkel;undwirdürfen hoffen, daßindemNachwuchs unseres- auswärtigen Dienstestüchtige Mensch-en sind. Adelig, frischüber- geadieltoderschlicht bürgerlich:mitwelchem Prozentsatzjededieser chinesischen Kategorien inderMischungvertreten ist,kann Denen gleichgiltig sein,dieihr Urtheil nur aufdieLeistung gründen

M Wermuths Aufgabe.

« ieberliner Stadtverordnetenversammlung hat allzuoftdie Neigung gezeigt,inhoheund höchsteKommunalstellungen Staatsbeamte »mit Rückgrat«zuberufen: Männer,dieKonflikten mitVorgesetzten nicht ausgewichen sind. HerrReickehattealsKon- sistorialrath Reibungen (allerdings recht gelinde)mitderKirchen- behördeundwurde alsbaldBürgermeister vonBerlin. Undauchbei dererfreulichen WahlvonWermuth entschied schließlich,daßervor KanzlerundBundesrath Standhaftigkeit bewiesenundsichgewei- gerthatte, feierlich verkündetefGrundsätzepreiszugeben. Allefrühe- ren ErfolgeWermuths, seinelangjährige Thåtigkeitin der inneren Reichsverwaltung undanderSpitzedesSchatzamtes, hättenallein ihn schwerlich aufdenSesseldesOberbürgermeistersvonVerlin ge- führt,wäreerinEintracht undFrieden aus seinemStaatsamt ge- schieden. Jn dieserVorliebe derberliner Stadtvserordneten fürKon- fliktsopfer liegt unbestreitbar etwas Nühirendes; freilich aucheine leiseKomik. Dakommteinatavistischer Rückstandvon"Märzstim- mungen zumAusdruck ;einRest vonVürgertrotzundMännerstolz, denmanzwarselberkaumnoch.7hat,aberbei-Anderen ganzgernsieht, das letzteBruchtheilchen von Kampflustderbürgerlichen,städti- schen Selbstverwaltung gegen denStaat, dessenVertreter immer noch gefürchtetund alsGegnerbetrachtet werden,wieeinstensder friderizianische Steuerkommissar, der dievsexrschüchterten,verarm- ten Städte drangsalirte. Und dochkönnen dieseStaatsvertreter kaumvierbindlicher, konzilianter, höflicher austreten alsheute,zum Veispiel,der berliner OberpräsidentvonConrad und sein Adjutant, der sachliche, klugeund immer liebenswürdige Oberpräsidialrath GrafRödern Auchdemintelligentesten, lernbegierigsten Auslan-

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Wermuths Ausgabe-— 109

der wäreder(nuraus unserer Geschichteund unserempolitischen Elendzuerklärende) Gegensatz,derinDeutschland zwischenStaat und Gemeinde klafft, nicht begreiflichzumachen;keinVerstand eines Fremdenkönntejeetwa erfassen, daßeinPolizeipräsident neben einem Bürgermeisterund desOefterengegen ihn besondere Wohlfahrt-—-und Sicherheit-Interessen zuschützen hat,zuderen SchutzderGemeindechef offenbar nicht geeignetist.Eindurchund durch unsinniger, blöder, meist heimlich-er,nur manchmal offener Kampfwird zwischsendemStaat und denstädtischenGemeinden in Deutschland täglichund stündlich ausgefochten;ungezähltes Pa- pierwird vollgeschri-eben,Geld und kostbare Zeitwerden diesem Unng geopfert.Plectuntur Achiviz dserBürger,derbauen,eine gewerbliche Konzession haben will,leidet unter diesemZwiespalt, der auchdieöffentlichen Interesse-n gefährdet.Gerade inBerlin blüht dieses Unwesen mehr vielleicht nochalsanderswo; und man kann nichteinmal behaupten, daßdiestaatlichen Organehierdie Schuldtragen. Ein kleinbürgerlicher,mißtrauischerund rech.thabe- rischer Geist hat langeindenBureaux derbserliner Kommune ge- herrscht;oft schienman städtischeFreiheiten zuschützen,während man dochnur sich schwach fühlteoderkleineEitelkeit fütterte.Und diese ständigen Reibungen zwischenStaat und Gemeinde, von denen nur inseltenen FällenEtwas indieOeffentlichkeit dringt, sindum sowunderlicher,alssiegepaart sindmitheißer Sehnsucht derBürger nachgutenBeziehungen zuebendieser Staatsgewalt, diedochnun einmal dieMachtinHänden hatundihreSonne nur überGerechte scheinenzulass-en gewilltist.So mischte sich ja auch indserBegrüßungrede desStadtverordnetenvorstiehers dasLobwer- muthsigerMannhaftigkseitmitderHoffnungauf dessenguteBes- ziehungen»nachoben«.Beseitigen lassensich diese unerfreulichen ..Zustände, durchdieeineechtdeutsche Abneigung vom Staat immer—

wieder genährt wird, wohlnur, wenn einedurchgreifendeVerwal-- tungreform den Gemeinden und deren Oberhaupt dieuralten,»

durcheineunseligeEntwickelunggekürzten Rechte wiedergiebt.

Jmmerhinwird derKonfliktvielvon seinerSchärfeverliere n,«

wenn derrichtige Bürgermeisterdaist;hier hängt fastAlles von derPersönlichkeit ab,von ihrer suggestiven Kraft, ihrer diploma- tischeu Klugheit,ihrerdurchgreifenden Energie. Vor demseiner Kraft bewußten BürgermeistergroßenStils pflegen nichtnur Po- lizeipräsidenten, pflegen auch Beg.i.rung-und Oberpräsidentendie Segelzustreichen,wenn eshart auf hart geht.Männer von dem.

WuchsdesdanzigerOberbürgermeisters Leopoldvon Winter (des.

bedeutendstenkommunalen Berwaltungbeamtem denPreußen her-»

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110 DieZukunft,

vorgebrachthat;darum hat ihndiedankbare Nachwelt auch schon beinahevergessen) haben nichtnur dieeigeneStadt, sondern das BürigserthumdergesammtenProvinz hintersichund sindinihrer amtlichenund sozialen Stellung den oberst-enstaatlichen Spitzen ebenbürtig. Brauchtman an Wiens genialen Bürgermeister Sue- ger zuerinnern, dem nichtnur Wien,dem ganz Oesterreichzu- jauchzteund neben dessenMachtundEinfluß"-diederMinisternur schattenhaftwirkte? Vielleicht stecktindem NiedersachsenAdolf ZWermuthsEtwas von dieser ins Norddeutsche transponirten Kraft, vielleichtister berufen, inder Beichshauptstadt jenen selbstbe- wußtseii Bürgergeistzu erwecken,der nichtim bedientenhaften Schimpfen, nichtimkleinbürgerlichsafterdemokratischenBehaben undProtestiren seineStärke sucht, sondern durchdieeigeneWucht FundSchwerewirktund imponirt. Gewißwirdauchheute schonviel selbstlose, stilleund treue Arbeit in Berlin geleistet;aberdsem gan- zenKommunalleben fehlts hieran Rhythmus und Schwung,an iEinheit und-Größe.Und Wsermuth scheintneben seinergroßen Arbeitkrsaftund Erfahrung, seinerFrischeund Energie zumGlück auch nocheine starke Dosis diiplomiatischer Verschlagenheitinsich zuhaben,dieihmindenunausbleiblichen Konfliktenhoffentlich den Siegverleiht; erhat diese Begabung oft, namentlichbeiden Verhandlungen mitWitte überdenrussischen Handelsvertra«g,be- währt,zudienenihnBülow nach Nord-erneyrief. Dies-e Mischung derGaben kann ihm helfen,dieersteihm gestellt-e Ausgabezube- wältig-en: Wiederherstellung desgeminderten Ansehens derber- lin-:r Kommunalverwaltung indserOeffentlichkeit.Nur eine Kom- mune, deren Haupt insolchem Ansehensteht, daß selbstderMäch- tigstesich hüten wird-,esianzutasten, kann erwarten, ihr-en Weg unangefochtenzugehen, ihre Verhandlungen ;mit denverschieden- stenRessortsinEhrenund-mitErfolgzuführen.

DiezweiteAufgabewäredann: Wiederherstellung derAuto- rität nachinnen. Eine Stadt, in der dieStiadstverordnetsenvers sammlung dominirt, ist aufdie Dauer zu.ungemeiner Leistung ebenso wenig fähigwieetwaeineGroßbank,dievomAufsichtrath geleitetwir-d. Und inBerlin herrscht seit Jahren, eigentlichseit dem Tode Forckenbecks,dieStadtverordnetenversammlung; nicht derMagistrat und erstrecht nichtderOberbürgermeister Dieser ZustandhsattesichindenletztenJahren sichtlich verschlimmertund manchmal geradezugroteske Formenangenommen ;derMagistrat und seine Mitglieder fühlten ihre sekundäre-Rolleund habensie laut und leise oftgenug beklagt.Raubt aberschonkleineren oder mittleren Städten dieSchwerfälligkeitdeskommunalen Apparates

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Wermuths Aufgabe-f 111 allzuvielKraftund Zeit,wirkt sie schondalähmend aufdieIni- tiative und Arbeitfreudigkeit, sowirdsieinderGroß.stadt,garin des Reiches Hauptstadt, dieihiren weltstådtischsenCharakterssich sogern rühmt,indem Augenblickbesondersunheilvoll, woder Schwerpunkt verrückt ist.Man dar-f nicht vergessen, daßSteins Städteordnung (sichereins derweissesten Gesetze Pr-euß.ens)aus einer Zeit stammt,inderselbst Berlin,nachdenjetzt geltendenBe- griffen, nacheine bescheiden-e Mittelstadt war. Sähe heut-eder Freiherr vom Stein dieVormänner imRothen Hausagirse.n:er würde nicht säuberlichmitihnen verfahren. Dergrößte Theil ihres Thuns und Treibens paßt nichtimMindiestenzudemGeistder Städteordnung Steins": dasganze politisch-fraktionelle Gsetriebe,- die Klüngelei,das Ph-rasenwesen,dserunernste parlamentarische Aufputz.Hier mußein-eeiserne Faust zugreifen, dieaufdenKopf gestelltenDinge zurechtzurücken;undBerlin hofft, daßderneue Herr diese Fausthat,wenn er sieauch viselleicht nochein-eWeile

Unter einem Sammethandschuh verbergen wird. Der Nisagistrat

und seinLeiter müssenwieder dieZügelindieHandnehmenund- dieStadtverordneten indieihnenvom Gesetz zugeschriebeneStel- lungverweis-en; nichtaus Herrschsucht, sondernzuNutzund From- men derReichshauptstadt Und jeder Ssachkenner weiß:wenn nur erst einige eitle oder ehrgeizige Wortführerzur Raison gebracht sind, istdie überwiegendeNiehrzahl der Stadtverordneten, die dochimGrunde ordentliche, tüchtigeMänner zusein pflegen, heil- froh, endlich wiederderFührungeines überragenden Kopfes folgen zudürfen. Auchinder eigentlichen Verwaltung wird dseirneue Chef. noch rechtvielzubessern finden; esfehltan Einheit ebenso wieanklarerkannten und derMühe lohnendsen Zielen; dieRes- sortsarbeiten aneinander vorbei;HochbiauundTiefbau, Technik und Justiz, hohesund niederes Schulwesen: nirgends dieunent- behrliche Einheit imWollen und Vollbringen. Das Stadthaupt muß sich selbst erstdieWaffen schmieden,mitdenen esinden Schlachtensiegenkann. Wenn WermuthsDas vermag, wird der Bürger Verlins wieder mitwirklichem Stolz auf sein Rathhaus blicken,daslange nur mit. leisem Spott genannt wurde.

Aber(so höre ich frag-en) rechtfertigtdenn diegroßartigeEnt- wickelungVerlins mitseinen gewaltigen Instituten undSchöpfun- genaller Artso herbeKritik seiner Kommunalvserwaltung ?Kommt Wermuth nichtineinen großartigen Betrieb, hater esnichtselbst laut anerkannt? Darauf istzuantworten, daßdas Wachsthum Vserlins,wo Intelligenz und Reichthum desganzen Landes zu- sammenströmen,ebenso wenig aufdasKonto derstädtischenVer-

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