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Die Zukunft, 23. November, Jahrg. XXI, Bd. 81, Nr 8.

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(1)

XXL Jahrg· Falkn,den 23.You-miser1912. · Ur.A.

Herausgehen

Maximilian Hart-en.

Inhalt-«

Seite

Irdettirreclxh VonKarl Jentsch ..................239

Kam-um undDulgariem VonKüc- undSeligmann ...·.....246

ver understand-ne Klem. VonJulius Hart .............261

windselmanm VonVicxor Fleischer ............ ....260

Catria-san pas-Me. Voncadons ........... ........270

Nachdruck verboten.

f

.

Erscheint jeden Sonnabend.

Preisvierteljährlich5Mark,dieeinzeerNummer50Pf

«Berlin.

Verlag der Zukunft

sWithekmstkqße"3-.

1912.

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Abonnement

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Zwei tier vornehmsten llotels cler Neu-eit.

Wilunger elenenquelle

wird seitJahrzehnten mitgrossern ErfolgezurHeustrinklcur beiNieren ries, Gicht,stein,Einseiss und anderen Nieren- undBlasenleiden verwandt-· lach

den neuesten Forschuan istsieauchdemZucker-kranken zurErsetzung

seines täglichenKulkverjustesanerster stelle zuempfehlen. Füranehende

Mütter und Kinder inderEntwickelung istsiefürdenKnochen-u euvon

hoher Bedeutung.

- 1911=

13,598 Badegästeund2,071,167 Flaschenversand. - Man verlange neueste Literatur portofrei von den FärstL Wildunger Uineralquellen. lindWildnngen 4.

ct Jst-eng

(3)

Berlin, den 23. November 1912.

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Arbeiterrecht.

enn fürderhin noch manchmalvon großen Vekehrungen die Redeseinsollte,wirdman nicht Paulus undAugustinnen- :nen,sonderndendeutsch-enLiberalismus Welcher Gegensatz zwi- ischendemstolzen ,,Selbst istderMann« seiner Glanztage und den änannheimer Berathungen derFortschrittlichen Volkspartei, wie jdiesemund jenem Verufsstande von Staates weg-enzuhelfen sei;

zwischendemJdealdeskleinen Mannes, der sich lmit Fleißund Sparsamkeit emporgearbeitet (Eugen Richterhatesineiner klei- cnen Frau, dervom »Vorwärts« grausamverspotteten SparsAg- -nes,verkörpert),und dem durcheine formidable Paragraphen- srüstungvorderAusbeutung durchdasböse Kapital geschütztenAr- kbeiter,derHerrnVotthoffsZukunftstraum ist! (VroblemedesAr- -.beitrech-tes.Nechtspolitische Betrachtungen eines Volkswirthes JJenabeiEugenDiederichs1912.) Sozial solledasRecht sein; so- zial aberbedeute »das Vorrechtdeslebendigen Menschenvor al- .lenGütern und Einrichtungen dieserErde«. Menschenökonomie fordertermitGoldschieidDiebisherige Volkswirthschaftlehre sei

;nur eine Lehrevon Einzelwirthschaftenz inderEinzelwirthschaft sei jedochder Menschnur Subjekt,inder Volkswirthschaft aber »

außerdem Objekt,das größteund wichtigstederGüter,dafürdie Ernährung und Erziehung derMenschendreiViertel desVolks- -einkommens ausgegeben werden. Ungefähr dieselben Vorwürfe hatvor einundsiebenzig Jahren Friedrich Listder Nationalökonomie vseinerZeit gemacht; aberListdiedenn unsereheutige?Haben nicht

unsereHistorikerund Sozialpolitiker dieklassischeNationalökono-

»mievon Adam Smithund Ricardo durcheine andere verdrängt, xderenMittelpunkt nicht mehrdas Sachgut,sondernder Mensch

ZZ

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240 DieZukunft-

ist (was nichtblosnach Johannes Janssen, sondern auch nachKarl Bücherund Werner Sombart schonimkatholischenMittelalter ges-—

golten hat);undistnichtdenVertretern dies-erneueren Schulevon einem Parteigenossen Potthoffs derSpottname Kathedersoziali- sten angehängtworden? Und führt nichstdieallerneuste Schule, dieichinder»Zukunft«vom siebenundzwanzigsten April 1912 chsarakterisirt habe, Beschwerde darüber, daßdiesoziale Schuleim- mer nochdieKatheder beherrsche?Wenn sich prominente Persön- lichkeitenzutitellosenDilettanten herabließen,würde Herr vBott- hoff finden, daß »der MenschalsZweckderVolkswirthschaft«und

»Vroduktivität, nichstimmer blosRentabilität l« dasAund Zinei- ner ,,KleinenVolkswirthschiaftlehre«sind. Gewißverdient esLob, daßdieMänner, diesich Fortschrittler nennen, dem vor vierzig Jahren gemachten Fortschritt nun endlich nachhinken (denzuvor erwähntenweiteren Fortschrittmache ich vorläufig nicht mit);aber wenn siedabeidie Kontinuität mitderalten manche-sterlichienFort- schrittspartei wahrenodergar die Jdentitätmit ihr behaupten wollen, sowirktDas doch einigermaßen erheiternd.

Potthoff entschuldigtdieParteiväter: dieOppositiongegen die AnfängederSozialpolitik seiinderen bismärckischerTendenz undin DerVesorgnißvordemdaraus derVureaukratie blühenden Machtzuwachs begründet gewesen«Das istwahr; ausdemselben sGrund hat auchdas von Hausaus sozial gesinnteCentrum mit derZustimmung gezögert. Aber esist nichtdieganze Wahrheit.

Dereigentlich-eund Hauptgrund der Opposition (er hat auchbei mirgewirktundich schämemich seiner nicht)war,daßdieZwangs- versicherung einigenMillionen VolksgenossendieSorg-eundVer- antwortung für ihre Zukunftganz oderzumTheilabnimmt undso- dieRichtung zumsozialdemokratischen Zukunftstaateinschlägt.

Sosehr ichdieGroßartigkeitderbismärckischen Zwangsvers sicherungbewundere: meine Sympathie gehört nicht ihr, sondern denSchutzgesetzen Damit befinde ich mich aufderSeite deszur Sozialpolitik bekehrten Fortschritts. Soganz freilich nicht. Bott- hoff meint, jedes Kind,dasstirbt, eheesdie Kosten seinerEr- ziehung durch nützliche Thätigkeit seinemVolkwieder eingebracht hat,bedeute einen Verlust fürdieVolkswirthschaft. Als malthu- sischer Revisionistlasse ichDas nur fürdünn bevölkerte neue Län- dergelten.Jndichtbevölkerten alten Ländern istimmer einTheil derHeranwachssendenzueinem Proletarierdassein verurtheilt, das- weder kaufmännisch nochkulturell zuden nationalen Gütern ge- rechnetwerden kann. Darum gratulire ichdenWürmlein,dieso- gescheit sind (manerinnere sich,wieLessingdieGescheitheit seines;

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Arbeiterrecht 241 Söhnchens lobt),aus diesemJammerthal sich fortzumachen, ehe sie denJammer mitBewußtsein empfinden

Unddann binichebenauch heute noch Manchestermann oder liberal oderJndividualist oder wiemans sonstnennen mag. Jch forderenur mitdenKathedersozialistem daßderStaat einschr-eite,

wounter demScheinderFreiheitdieSchwachenvon denStarken

mißhandeltund ausgebeutet werden, zugleich aber, daßdieFrei- heitdesEinzelnen nicht ohne Noth eingeschränkt werde,wieiches denn ÜberhauptinderAuffassungdesStaates mehrmitWilhelm von Humboldt halteals mitHegel.Staatliche Freiheitschranken sindmirnotwendige Uebel,aber Uebel. Das Arbeitrecht,aufdas Potthoff hinarbeitet, scheintmirdieGrenze zuÜberschreiten,die derLiberale zuvertheidigenhat. Ausdemwiener Juristentag hat einevon ihmundseinem-Freund,demfrankfurter Stadtrath Fleschs, inspirirte GruppeeineResolution durchgesetzt, nach welcherdiein verschiedenen Spezialgesetzen enthaltenen Schutzvorschriftenüber Olrbeitzeit und Ruhepausen aufalle Privatangestellten ausge- dehntwerden sollen. Jch bezweifle, daßderRuhezwang allen zu Schützendenerwünscht seinwürde. Abgesehenvon denVielen,die mitmehrArbeit mehrGeld verdienen wollen,giebtessicherlich, besonders unter denTechnikerngroßer industrieller Werke,nicht Wenige,dievoneinem Arbeitdämon besessen sind,derForschung- trieb oderLiebe zudem Unternehmen oder auch bloßerBetäti- gungdrang seinkann. WilhelmOst-wald erzählt, seindorpater Leh- rer Karl Schmidthabe,um eineschwierige Untersuchung möglichst wenigzuunterbrechen, eineWeile »von dsenvierundzwanzig Stun- dendesTageszwanzigam Laboratoriumstisch zugebrachtund die Übrigenvier aufeinem imLaboratorium errichteten Feldbett«.

Wie wirdesumdenFortschrittvon Wissenschaft, TechnikundJn- dustriestehen,wenn diesemDämon dasHandwerk gelegtwirdund

lwenn (da istdieandere Seite der Sache)derdurchSchutzgesestze

und durch allzu strenge VorschriftenüberdenArbeitvertrag ein- geengtegenialeUnternehmer nicht mehr HerrinseinemHause ist?

AlsdenGrundfehler desgeltendenunsystematisch-en,inmeh- rere Gesetzbüchserund Sozialgesetze verstreuten Arbeitrechtes be- zeichnet Potthoff, daßinihmimmer nochdiealtrömische Dienst- miethe fortlebe. »Thatsächlich ist jeder Arbeitvsertrag,mag erjuri- stifch noch so scharfalsfreier Vertrag konstruirt sein,ein StückHerr- schaftverhältniß,beidemeinMenschlingewisserBeziehung inden DienstdesAnderen tritt.« DieForderung, erklärtermitJlesch, ,,muß dahin gehen, daßdasArbeitverhältniß aus einem Gewalt- Verhältnißzueinem Nechtsverhältnißwerde. DerBürgermußein

«).s).

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242 DieZukunft.

freierMann sein.Aber dieformelle Rechtsfreiheit genügtnicht«.

Was folgt, brauche ich nichtzucitiren,denn derfreieStaatsbür- geralsLohnsklave ist jadasbekannte Kreuz derSozialliberalen.

Mun istaber dieseLohnsklaverei nirgends ärger gewiesenalsin dem-von derrömischen Nechtspest (einAusdruck Lists)niemals sheimgesuchten England, undwiees inNordamerika steht,woman auchvon dieserPest nichts weiß, hatuns nachdenfrühervonmir angeführten Gewährmännern jetzt auch ArthurHolitscher erzählt.

Was spielt dochder,,freie Staatsbürger derdemokratischenRe- publik« füreinelächerlicheFigur! Seine nichtimWeißen Haus, sondern inWallsstreet residirenden Herren ziehen ihmdas Fell überdieOhrenund sein ganzes Staatsbürgerthum beschränktsich darauf, daßerbeidenWahlrummeln, indenen sichjeneHerren um dieBeute balgen, alsStimmvieh dienen darf.Holitschertrö- stetsichÜberdiegrauenhaften ZuständemitderAussicht aufeine bessereZukunft.Diesescheinen ihmdieSchulkinderzuverbürgen, dieinhöchstvollkommen eingerichteten Schulen von geist-und liebevollen Lehrerinnen zuStaatsbürgern erzogen werden. Jch fürchte, gerade das »Staatsbürgerspielen«der Kinder wird das Uebel unheilbar machen,weilesindieSeelen dieEinbildnng ein- pflanzt,mitWahlen unlearagraphen könnten allesozialenKrank- heitenkurirt werden. Jn solchem Tohuwabohu von neunzig Mil- lionen wehrlosen Ausgebeuteten und konkurrirenden Ansbentern kannnur einDiktator Ordnung schaffenoder einevom Parteige- triebe unabhängige Vureaukratie, miteiner Dynastie alsHaupt, wiePreußeneine besitzt (wenn ihr heutedieSteuerung aus der Hand geglittenzuseinscheint, so istDas hoffentlichnur einevor- übergehende Erschlaffung). Diesogenannte Polksvertrsetung istin einem kapitalistischenNiesenstaat letztenEndes immer nur ein Puppenspiel; und derDraht,mitdemesgelenkt wird, ist Das,was derBerliner Drahtnennt. Weil Das dieSozialisten längst durch- schaut haben, sind soViele von ihnen AnarchistenoderSyndika- listen geworden. Eine neue sozialePhantasie (»Josua«,beiWil- helmBraumüller inWien erschienen) läßtdarum denmodernen Heiland seinWerkdamit beginnen,daßerdiesämmtlichen(Parla- Emente genannten) Gesetzgebungfabrikenauflöst. Jn Frankreich sinddieZustände besseralsinNordamerika,,weilindernichtdurch Wahlensich ergänzendenBureaukratie dieausdermonarchischen Zeit stammendenTraditionen fortleben. Trotzdemklagt auchdort einSozialist (Paul.Louis; seine Schrifterscheint jetztbeiDietzin Stuttgart deutsch): »Die Sozialgesetzgebung Frankreichs isteine derrückständigsteninEuropa und diePraxis istnoch schlimmer

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Arbeiterrecht 243 als dasgeltende Recht.Das Verhältnissderdirekten zudenin- direkten Steuern istnoch ungünstigeralsselbstinOesterreichund keinanderes Land hat so hohe Zollmauern. Der französischeAr- beiter mußesalseinen Hohn empfinden,wenn ihmdieHerrlich-«

keitenderdemokratischen Republik gepriesenwerden« Keinhisto- risch gebildeter Menschkann derutopischen Einbildung verfallen, irgendeine Verfassung vermögeallen mündigen Menschen völlige Unabhängigkeit zuverbürgen. Kultursortschritt bedeutet wach- sende Unabhängigkeitvon derNatur undwachsende Abhängigkeit von der Gesellschaft,von Menschen,seiesvon einem einzelnen Herrnodervon einer Körperschaft,einer Behörde.Wer dieFrei- heitimSinn derUnabhängigkeitvon Menschenwill,Der voll- ziehedenRücktausch:zum heroischen Alleinkampf mit derüber- mächtigenNatur entschlossen,baueerseine Hütte imUrwald(wenn esheute noch herrnlosenUrwald giebt).JndemMaß,wiesichdie- LebensweisedemHinterwäldlerdasein näh-ert, gewinntder«Mensch.

anFreiheit indiesemSinn. Nicht Gesetzekönnen denamerikani- schen Fabrik-—-und Grubsenarbeiter aus seinerSklaverei erlösen,v sondernnur derUebergang zurLandwirthschaft. EinVolkist frei»

indem Maß,wieseine Vauernschaft dieZahlderindustriellen Lohnarbeiter überwiegt.Von völliger Freiheit ist natürlich auch aufdem Land keine Rede. Die HerrindesBauern, dieNatur»

schreibt ihm seine Arbeitordnung vor und diese Ordnung mußer- wiederum seinenKnechtenund Tagelöhnern auferlegen. Dienen istallerMenschen Los;undStaatsverfassungen sindentweder die Anerkennung undRegelung derthatsächlichenMacht-, Herrschaft- undDienstverhältnisseodersie sindHsumbugUmnochaneinipaarl besondere Fällezuerinnern: wiesolldasGesetzdemkleinen Kauf- mann zurUnabhängigkeit verhelfen,dervorjedemdummen Jun-- gendienern möchte,oderdemHandwerker,dermittiefenVücklin- genund demüthigenRedensarten einen HerrnGeheimrath ver-- gebensum Bezahlung seinerRechnungbittet?

DaßdieGesellschafteinGeflecht gegenseitiger Abhängigkei- tendarstellt, darfman .nicht·bedauern.Denn derMensch ist nicht

nur daswerthvollstevolkswirthschaftlicheGut,eristderZweckder- Volkswirthschaft, wie überhauptaller sozialen Thätigkeitenund Veranstaltungen, dieallesammtkeine andere Aufgabe habenals die, sovielen HMenschenwiemöglichzurkVersönlichkeitzuverhelfen.

DiePersönlichkeitabergewinnt ihren Jnhalteben ausdengesell- schaftlichenVeziehungen, unter denen dieAbhängigkeit-und Herr- schaftverhältnissediewichtigsten,dieVertragsverhältnissedieim Sinn höhererKultur amWenigsten wichtigen sind.EinHerrund-

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2214 DieZukunft.

einKnecht,dievon Verträgen nichts wissen,dieaber füreinander indenTodzugehenbereit sind,einfürsorgender Jndustriefeuda-

«lerwieAlfred Krupp oderAugust Vorsigund seine Arbeiter, die ingutenund schlechten Zeiten zusammenstehen,sind werthvollere und edlere ExemplarederGattung AlenschalszweiLeute, di-e.nicht durch frei geleistete Treue, sondernnur durch einenVertrag anein- ander gebunden sindund deren Jederauf seinem Scheinbesteht, mag auchderAndere darüber zu Grunde gehen.Will man, weil guterWille, Menschlichkeitund Treue nicht mehrinRechnungzu stellen seien,von Staates wegendafür sorgen, daßderSchwächere der Vertragschließenden nichtzuGrunde gehenkann,dann muß man über denaufdieSpitzegetriebenen Rechtsstaat hinweg in denSozialistenstaat fortschreiten.

Endlichistnochzuerwägen,daßdie Schwärmerfürden freienVertrag zugleich fürdenIndustrialismus schwärmen.Das echte Arbeitrecht desneuen Deutschland, meint Potthoff, sei »das Recht, das mit uns, einem großindustriell-weltwirthschaftlichen Volkvon Lohnarbeitern, geboren is.« EinsolchesVolksindwirja, JGottsei Dank, noch nicht;aberdieProklamirung dieses vielleicht zukünftigen Zustandesalseines schon erreichtenläßt doch durch- blicken, daß dieser zukünftige Zustandherbeigewünscht,alsJdeal erstrebtwird. Und wenn ihn große Parteien erstreben,so istDas ohneZweifel einMittel, ihnzuverwirklichen.ZudenEigenthüm- Iichkeiten dieses Zustandes gehörtder Bezug der Rahrungmittel aus derFerne;und VotthoffsPartei predigtja seit Jahrzehnten, daßwirJndustriewaaren ausführenund damit Vrot und Fleisch kaufen sollen. Dasistnun freilich vorläufig nochinkeinem Staat vollständig durchgeführt,und wieschlimmesum die Rechnung steht,davon kannsich Jeder überzeugen,wenn erdemGeldwerthder Lebensmittelmenge denReinertrag desExporthandels gegenüber- stelltund außerdem bedenkt, daßdieHandelsbilanzen von Eng- land und Deutsch-landnegativ sind;dieEngländer wären längst verhungert,kwennihnen fürdenAnkaufvonRahrungmitteln keine anderen Einnahmen zurVerfügung ständenalsdieErträgnisseihrer Ausfuhr. Undeshandelt sich nichtetwa nur umdiekaufmännisch- kalkulatorischeSeite derSache, sondernneben verschiedenenande- rennationalen Interessenzunächstum dieFrage: Kann durchEin- fuhrvom Ausland dieVolksernährung gesichertwerden?

- Jchwill hier nicht aufdieFleischnotheingehen. Die Leute, die»Hungersnoth« schreien,weilmancherArbeiter aufdenSchin- kenzurFrühstücksstulle verzichten muß (vor vierzig Jahren bekann- tenniederschlesische Mittelbauern, daß sie sich nicht öfteralszwei-,

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Arbeiterrecht. 2215 Höchstensdreimal inderWochezumMittagessen einFleischgericht zgestattendürften), imponiren mireben sowenigwiedieängstliche Sorge derRegirung um dieBolksgesundheit. So weitdies-e Sorge nichtmaskirter Agrarschutz, sondern echt ist, finde ich sie sehrarg übertrieben (nichtzureden·vonmeinen ketzserischenZweifelnander Unfehlbarkeit derVieh-undMenschenärzteund vonderKlageder Landswirthe,dierigoroseDurchführung derSchutzvorschriften schade lihnen mehrals dieSeuche). Und was dieMaßregeln betrifft,die von beiden Seiten vorgseschlagenoderbekämpft werden, so gehört zuihrer Beurtheilung ein Maßvon Sachskenntniß,überdasich nicht verfüge; vielleicht täuschen sich sogardie Fach·leute,Land- Wirthe, Fleischerund Händler,überdieWirkungendervorgeschla- kgenenund dervon derRegirung schon verfügten Maßregeln. Jch willnur an dreiunanfechtbare Thatsachenerinnern.

Erstens: Was unseredeutsche Landwirthschaft leistet (diege- sammteLandwirthschaft, vom Magnaten bis zum Schweinemä- jstenden Parzellenbesitzer; die»Agrari-er«, alsodieRittergutsbes sitzerund Domänenpächster,nicht ausgeschlossen;denn sie sind es, diedenBetrieb rationalisirt und inlandwirthschiaftlichenBerei- cnen undSchulen dieanfangs widerstrebenden Bauern zurratio- nellen Bewirthschaftung ihrerGüter erzogen haben), istbewun- dernswürdig Um1800 hattendrei,um 1840 nochzweiDorfbe- ioohner außer sich selbsteinen Städter zuernähren;·heutesollein Dörfler fürzweiund«einen halbenStädter dieNahrungmittel er- jzeugen. Und dieser ungeheuren Anforderung haben sichdiedeut- schen Landwirthebisjetztgewachsen gezeigt. Wenn einBruchtheil unseresNahrungbedarses JvomAusland gedecktwerden muß (mei·st -indirekt, durchEinfuhr von Futtermitteln im Betrag von einer Milliarde Mark),so istdaran nur diestarke Zunahme desFleisch- verbrauches schuld-; nichtnur dieKopfzahlder gewerblichenBe- völkerung istenorm gewachsen, sondern auchdieFleischportion,die Jeder Städter, jeder Industriearbeiter verlangt.

Zweitens: Diese gewaltigeLeistungwar nur möglich,weil in Deutschland (wieauchinFrankreich, nichtinEngland) dieLand- sswirthschaftvon Bauern und Gutsbesitzern betrieben wird,diemit ihrer Scholle verwachsen sind, sie lieben, pflegenund fördern,wie die zärtlich-eGattin denGatten, diegute Mutter ihrKind liebt, pflegtund fördert.Wo esnicht so ist,wird Raubbau getrieben;

istkein Neuland mehrzuhaben,dann nimmt dieProduktionab.

Drittens folgtausdiesem Unterschiedderdeutschenvon einer rein kapitalistisch betriebenenLand-wirthschaft, daß,wenn einBruch anitunserer bisherigenWirthschsaftpolitikvieleGutsbesitzervonder

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2216 DieZukunft.

Scholletriebeund eingroßer Theildesdeutsch-enBodens in den-Be- sitzvonKapitalisten überginge,dieheimische Landwirthschaftbald- eben so versagen würde wiedieüberseeisch-e.Der Hunger würde- dann jede BeschäftigungmitRechts-und Verfassungfragen als- einen unzeitgemäßen Luxus erscheinen lassen.Und ist,wenn sichs dasKapitaldesBodens bemächtigt, auchnur diekapitalistischeVe- triebsform gesichert? Wie wenigstens derAbgeordnete Freiherr- von Zedlitzund Neukirch behauptet, beginntderenglische Unfug,, derseit dreißig Jahren dieösterreichischeAlpenprovinzen verhert,.

auchbeiuns einzudringen. JnJndustrie undHandelreichgewor-- deneHerrenkaufenzuLuxuszwecken, namentlich desJagdvergnü-:

genswegen, imOsten Rittergüter,imWesten Vauergüter zusam- men. Daßwiruns mitderFürsorge für unsere Landwirthschaftx nicht begnügen dürfen,weilsieanden Grenzen ihrer Leistungfähig- keitangelangt ist, daßwirAnsiedlerkolonien brauchenoder wenig-- stensschlechtkultivirte Länder inunsere ObhutundPflege nehmen müssen, habe ich hier oftzubeweisen versucht.Heute findeichmit.

solchen »Schrullen« schonmehr Nesonanz alsvor sieben Jahren..

Gründlichvorüber sinddieglücklichenTagedesjungen Neiches,.

woallegutenPatrioten mitVismarck und demalten KaiserWil- helm glaubten, daßwireinesaturirte Nation seienund unsunter- demSchutz unseres vortrefflichen Heeres inaller Gemüthlichkeit densWerkendesFriedens widmen dürften, ohnezuanderem Zweck alszuvergnüglicher Unterhaltung über die.Grenze zuschauen»

Neisse. Karl Jentsch.

·

Kamerun und Bulgarien

Zwei Briefe an den H,erausge:ber.«

Fuder»Zukunft«vom neunzehnte-nOktober hateinvon mirge- Jschätzter Kollege,Dr.Lomer,sichüberdie:kameruner Frauen- frage geäußert. Sie wisse-n, daßdie»Zukunft« sichi geradein dendeut- schen Kolonien weiter Verbreitung erfreut, und beidem Interesse, dias.««sievsosnje her fwsichstigen"kolonial.en Fragen gewidmet hat, wage ichs-, Jhnen mi.tzu.theilen,daß in diesem Artikel neben manchengut beob- achsteten Thatsachen dochwichtige Einzelheiten und namentlich die—

zumSchluß sformulirteTendenz derAnsicht wohl beinahe aller Ka-

meruner zuw-id-erl-aufen.Jchselber habez seit mxehsralszehn Jahren;

imDienst unsererwestasfrikanischenSchutzgebsiete stehend, wovon sie-- benaufKamerun entfallen, in"W«or,t,.SxchsriftundpersönlichemBei-- spie-l»diegegenthesiligeUebierzeugungvertreten; wsie ich-glaube:sogar- miteinigem Erfolg. Jelängermeine Erfahrungen undBeobachtun-

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Kamerun und Vulgariem 2217

gen währen,um so festerbinich davon durchdrungen, daß wir die Plithilfe derFrau indenTropen noch vielwenigerentbehren kön- nen als daheim. Jchs gehörenichtzuDenen, dievom hohen Ständ- punktwohlfeiler Alltagsmoral dievorübergehende Verbindung eines Europäers miteiner Schwarzen verdammen; aber dieProphezeiung (Prophezeienist jaimmer-eineundasnkb-areAufgabe),dsaßdieweißePhase desFrauenthums fbsei unsvonnichst sehr lang-erDauer sein werd-e und daß der Europäerzuder»bequemerenundb’illi.geren«schwarzen Frau zurückkehren werde, gehtganz gewiß nicht in Erfüllung. Dietausend- fache Erfahrung destäglichen Lebens widerlegtdieBehauptung, daß dieweiße Frau dem DNann eher eineLast als eine Stütze sei, so schlagend,daß gerade das verlockende BeispielderBerheiratheten die beträchtlich-eZunahme derEhepaare inKamerun währendderletzten Jahre herbeigeführt hat.Wsirverdanken ihr zweifellos diemerkliche Höhesrstimmungdesfrüher iofstrechst tiefen gesellschaftlichen Tones, wir verdanken ihr dieEinbürgerung eines reizvollen Familienlebens, dessen Ausstrahlungen auchdsemunverheiratheten Theilmindestens niemals nachtheiligseinwer-den· Wenn esinjüngster Zeit viel stiller von Kolonialskandalen gewordenist»alsfrüher, sso gebührt auchder Frau einTheildesLobes für diese Besserung. Plan sehe sichinun- seren Kolonien dieHausständesan,«indenen derJunggeselle mit sei- nen schwarzen Dienern und der»9Nxammi«haust,unddie,wo eine weiße Frau waltet. Die Vehaglichkeitund Sauberkeit des Heimes, einevernünftige,geregelte Verpflegung, Anregung nachdensauren Stunden desDienstes, seelischesundkörperliches Wohlbehagen und unzähligeandere Imponderabilien mehrvermag erstdsieFrau zu schaffen oderwenigstens zuerhöhen. Jch habjedieHälfte meiner bis- herigenKoslonialdienstzeit ohneund dieHälfte mitFrau durch-lebt;

habeesaber nieals eine Lastempfunden, wenn mirs dieSorge für Küche, Haus, Kleidungabgenommen wurde. Solch-e Wer-theerschei- nen zwar nicht unmittelbar inderAus- oderEinführstatistikz aber nöthig sind sieuns wiedasfrische Wasser. Undsiezuschaffen, istdie Frau wederdurchs Anlage noch durchs Tropenklima behindert.Frauen, die hofirt sein wollen, leben inKsamerun nichit in relativ größerer Zahl alsinDeutschland;eher könnteman sag-en,dieMänner thunes(meinet- wegenkautedemieux) dortviellieb-er. Wsirkönnendeshalbwederdas SchuldkontoderTropen nochdasderFraudamit belasten.Wohlaber kenne ich so manch-es Weib-,dsas inaller Selbstverständlichkeitmitsei-

nem 9Nann dsieEntbehrungen undFährsnissedes Reise-,Zelt- und

LagerlebensinBusch-, Steppe undUrwsaldsümpfen theilte.Wir wol-·

lenfernernichit vergessen, daßdsieentsetzlich-hohe Zifferdervenerischen JnfektionderEuropäer nur zubeseitigenist,wenn wirdasSurrogat derschwarzenVenus durchdensEsinzugderweißen Frau beseitigen»

DieganzeFrauenxfrage ist füruns imletztenErunde eineGesundheit-- nndeineWsohnungfrage Jnallen größerenOrten ist für Gesundheit UndWohnung jetzt so gesorgt,daßderTNann seiner Frauwohlzu-

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