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Die Zukunft, 21. Juni, Bd. 39.

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Academic year: 2022

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Berlin, den 21.Juni 1902.

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Vieux saxe.

In gutenHäusern,derenErbauer schonwohlhabendwar«unddieein Hörtleinvererbter Kultur-bergen,kommtumdieVesperzeitmanch- malnocheinealteSachsenkanne ausdenTisch. JnParvenupolisstelltman siealsPrunkstückin denGlasschrank,wodieseltenenTassenumdie Wette protzen:Japan, Henri Deux, Delft, Såvres, Nymphenburg, Wegdwood, CapodiMonte. Dasteht sie,daszerbrechlicheDenkmaleinerEpoche,an die denBesitzerkeineAhnentafelerinnert. Er, dessenVatervielleichtnoch anderWeichbildgrenzederaltenKönigsstadthauste, hatdieSächsinum schweresGeld beiirgendeinemBernheimereingehandeltundhütetsienun ängstlichvordenFährlichkeitendesGebrauch"es.Jnden altenHäusern,die ihreGeschichte,ihren Familienstolz habenundihren Wohlstand nichtdem SpielergnückeinerStunde danken, steht sievorwürdigenGästen ausder DamastdeckedesKaffeetisches.DieMutter gab siederTochter,derBraut desSohnesoderauch späterstderEnkelinin diejungeWirthschastmit und dieKöchinhatdas Alterehrengelernt.KeinSprung,keinabgestoßenerRand ärgertdasAugeundselbstderschlankeHenkelistunversehrt.Einartigge- bogenerHenkel,den derWohlerzogene respektvoll,mithöflichemFinger, anfassenwird.Und derputzigeTruthahnschnabelscheintkrähenzu wollen:

Mehr giebts nicht;undlocktgeradedamit zuimmerreichlicheremGenuß.

Das ganzeDing siehtpatrizischaus,behaglichundallerliebst unzeitgemäß.

EsistentwederausBöttgerporzellan,roth,mitjapanischstilisirtenBlüm- 34

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lein oderechtesMeißener,weiß,mit bunten Guirlanden,oben und unten einBischen Rothbraun,dassichinTupsenbis unter denSchnabel zieht, dahin,woersichzu einemPorzellankröpfchenbaucht;undniefehltder Deckel,dieKannenmützemit demdicken Knopf.Rokokozaberdeutsches,das demBlicknichtdieBilder galanterTändelei underotischerSchäserspieleher- aufbeschwört.AnAlchemistenspukmagman denken,andiePolakenherrlich- keitAugustsdesZweitenundandiewüstenTyrannentage,woAuroras starker Freund seinen meißenerHexenmeisteraufderAlbrechtsburgals StrafgefangenenzuhöheremRuhmdesPolenkönigsersindenundKaolin machen ließ.Augusts legitimerErbefandkeinweichesBett;undAuroravon KönigsmarkistspäterPröpstingewordenundhatKantaten komponirt.Eine traurigeGeschichte.DiealteSachsenkanne hats vielleichtschonerlebt.Doch ihre behäbigeRundgestalt läßt Wehmuth nicht aufkommen.SeitAugust KronrechteundLandfetzenverschacherte,istsja bessergeworden; dieSachsen- raute ist grün, ringsum schnurren Räder, rauchen Schloteundüber den Kaffeekonsumkannman nicht klagen.Providentiae memor: so heißtder Spruch aufdemHausordensband,daszweiLeunbewachen.DieVorsehung wirdzur rechtenStundeAlles zum Guten wenden. Jn dieZeit mußtDuDich freilichschicken,auchwenn esböseZeit ist,undniemals darfst Du,unter keinenUmständen,denKopf hängenlassen.Das lehrtdie alteSächsin.

Keinbesonders kostbares Schaustück; aber der Kennerschätztihren Werth.

Ungefährso,alseinehrwürdiges,dasruhlose Auge tröstendcsErb- stück,dasanentschtvundeneTage wechselndenGlückesmahnt, sahendie nach48geborenenDeutschendenSachsenkönigAlbert.SeiterinSibyllenort, demTudorschloß,dasderbraunschweigerWilhelm ihm hinterließ,sichaufs Krankenbett streckenunddieleisesteBewegungmitheftigemSchmerz büßen mußte,las man,Alldeutschlandblicke inbanger Sorge auf diesesLagerund flehedenHimmelan, Alberts Lebenstagzuverlängern.Dasist Reporter- geschwätz,dasnichtzuscheiden,zuunterscheidenweißundjedesMenschen- gefühlsinnigenAusdruckzurläppischenPhrase fälscht.Zudenragenden Männern,anderenLebensdauereinVolksschicksalhängt,kannkaumein DienstbotengemüthdenwettinerAlbertzählen.DieSachsen selbst haben nie mitüberschwingenderBegeisterungvonihm gesprochen;nur mitruhiger Achtung,wievoneinemredlichenHerrn,mit demsichlebenläßt.Undhinterden grün-weißenGrenzpfählenwußtemanwenigvonihm.ErsolleinguterSol- datgewesenseinundMoltkehatihnalsKronprinzendeneinzigenFeldherrn desdeutschenHeeresgenannt.AberMoltkekonnte,wenn sichsumFürsten

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Yionx Sux0. 453

handelte, recht nachderDivlomatenkunstredennndwirsind, seitauchder Kronprinz Friedrich WilhelmzumreisigenHeldenaufgeputzt ward,gegen denKriegsruhm hoherHerrenmißtrauischgeworden. Gravelotte,Nouart undderMont Avronwaren längst vergessenundalsHeerführerwurde Albertnur nochinrasch verhallendenTafelreden gepriesen.Einentüchtigen Haushalter hießman ihnundandenStammtischen schlugendieHerzen höher,wennerzähltwurde,derKönig seieinseßhafterSkatspieler,derwie einFuchsimerstenSemester vergnügt sein könne,wenn ereinenGrand mitVierengemachthabe.Skat:Das klingt nicht nach achtzehntemJahr- hundert. SonstaberschienAlbert unsJüngeren deutschesRokoko. Er paßtenach Pillnitz,in dienicht allzu üppigeAnmutheinerGegend,die eine HeckevorallenModernisirungversuchengeschützthabenkönnte. Mansah ihnüberall gern, vielleicht,weilman ihn selten sah. Nur,woesihn nöthigdünkte,zeigteersich; dannaberstanderseinenMann.EinMonarchen- typus, den wirnicht mehr schauen werden, entschwindetmitihm unserem Blick.NeueFormen sindin dieModegekommen. Auchneue keramische Künste,derenLeistungmehrinsAuge fälltals die derBöttgerzeit.Dennoch behaltendie altenSachsenkannenihren Werth.Siesindausgutem,dauer- barenMaterial,wollennicht feinerscheinen,alssiesind,undbrauchen,wo eineTradition sievorrauhenGriffen bewahrt,denAlltag nichtzuscheuen.

Ganz leichtwar es1873 nicht, KönigvonSachsenzusein. Johann Philalethes hattemitseinem BeustundseinerTriasidee so ziemlichAlles verdorben,wasanSachsens deutscherMachtstellung nochzu verderbenwar.

DiegrößteSiindewarsreilichlange vorher begangenworden: alsFriedrich August,umseineEitelkeitmit demKönigsreifSobieskis zukrönen,derre- sormirten Kircheden Rückenkehrte.NuralsPerson,alseinEinzelner wollteerkatholischwerden; dochumgaberseinen SohnmitklugenVätern Jesu,diedafür sorgten, daß auchderKurprinzderPapstkirchegewonnen wurde. Damitw»ardiealbertinischeLinie demevangelischenGlaubenent- sremdet,dasKurfürstengeschlechtvomWegderReformationgewichen,deres

zumRuhm geführthatte,aufdieHöhedynastischerMachtführenkonnte.Wäre dieEntscheidung FriedricledesWeisenundJohannsdesBeständigengeach- tet,nichtderLaune einesgewissenlosenLustsnchersgeopfertworden,dannwar SachsenalslutherischerVormacht inDeutsehlanddieBahn geebnet,während esnnter katholischenHerrscherndieKonkurrenzOesterreichsundBayernsaus dereinen, Preußen-Zausder anderenSeitezufiirchten hatte. Immerhinwares nicht nöthig,1866 soblindParteizuergreifen. Albert, derKronprinz,hätte

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vielleichtanders gehandelt; alsEinundzwanzigjährigerschonhatteergesagt, nur dasZusammenwirkenallerdeutschenStämme könne dieEinigung bringen,dieerersehne. Siebenzehn Jahre danach mußteerseineSachsen demCorpsClam-Gallas zuführenundmiteinemgeschlagenenHeeraus Böhmenheimkehren.Als erdenThron bestieg,wardieEinheit erstritten,das Reich gegründet;abererherrschteüber einLand,wovonje hundertEin- wohnern fünfundneunzigdemLutherthum angehören.SolcherGlaubens- zwiespalt,dersichzwischenVolkundFürst austhut, istimmer gefährlich;und dasMißtrauenderlutherischenSachsen istnie völligerloschen.Ein als Kron- prinz geborenerAlbertiner müßte,so grollen sie, nachalterVerheißungden resormirtenGlauben bekennen ;dochdierömischenHerrenhabenganz heimlichundschlaudafürgesorgt, daßseitdemUebertrittAugustsdesStarken kein ErbederWettinerkrone mehrdemMutterschoßalsKronprinzent- bunden ward. NurAlberts altmodischsichererTakt konnteKonfliktever- meiden und esnachundnachdahin bringen, daßderkonfessionelleGegen- satzkaumnoch empfundenwurde. AnseinemHofherrschtendiePfaffen nicht wenigstenswar ihreHerrschaftnicht sichtbar und dieAkatho- lischenfingen erstwieder zubangenan,alsdieschlechtenNachrichtenaus Sibyllenortkamen... EswarnichtdieeinzigeSchwierigkeit,dieJohanns SohnalsKönigzu überwindenhatte.Erwar imGefühlfestenZusammen- hangesmitOesterreich, ungeborener AntipathiegegenPreußen erwachsen undsolltenun BundesfürstineinemDeutschland sein,ausdemOesterreich Verdrängtwar· Jm Juni1866 hattesein ArmeebefehldenOesterreichern versprochen,siewürdenihningutenwie inbösenTagenanihrerSeite finden;undnun konnte er, der demKaiser Franz Joseph persönlichbe- freundetwar,indieLage kommen, sein KontingentgegendieTruppen desHabsburg-Lothringers führenzumüssen. DochalsKronprinz schon hatteersichtapferindieneueZeitgeschickt.FürdiezuverlässigeTreue, dieihn ansReichband,undfürdieBescheidenheitseincsWesenszeugtlautderBrief, denerzwanzigTage nach seiner ThronbesteigunganBismarckschrieb.Da liestmandieSätze: »Anwenkönnteichmichwohlbesserwendenalsanden KanzlerdesDeutschenReiches,derso oft erklärt,ergehöreallenBundes- fürstengleichmäßigan?MitvollemVertrauen wendeich mich daheranSie, wennichder-Hilfegebrauchen sollte,wenn ichweisenRathes bedürfte·Seien Siedagegenversichert:auchichwerdeAlles,wasSie zumHeildesReichsund deutschenVolksunternehmen, so kräftigunterstützen,alsesmeinegeringen Kräfteerlauben,undhoffe,einwerkthätigesMitglied,einefesteStützedes

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Gebäudes zusein,dasmir mit demSchwert aufrichtenzuhelfen vergönnt war. Jedem ich bitte, dieseZeilen nichtübel zudeuten,die Sievielleichtin JhremTuskulumstören,verbleibeichJhr ergebenerAlbert.«KeinSchwulst, keinePhrase;derschlichteAusdruckeinesGefühlesderUnzulänglichkeitund zugleichderklarenErkenntniß,woinNöthenderstarke,bereiteHelferzu suchenwäre.SoschriebderKönigvonGottes Gnaden anden»Handlanger WilhelmsdesGroßen«,derSachseandenExponentendergroßpreußischen Politik, dessenSiegerschritt ihmmanchekeimendeHoffnungzerstampfthatte, derKatholikandenKetzer,demtausendPriesterzungeninRomfluchten.

WirsindandieTonart solchenFürstenbriefesgarnicht mehr gewöhnt;wie aus weiterFerne klingt siezuuns,wie dasletzteEchoeinerversunkenen Welt,vondernur die Altennochin denAusgedingstubenraunen.

UndderKönig,dersichso bescheiden,sofreivondemHaßbleiben konnte,mitdemlegitimeHerrenfastimmerdasGenieverfolgt haben, dieser MonarchdesAltväterstils hatdiemodernsteEntwickelungerlebt.SeinLand wurdederHauptsitzderGroßindustrie,die-dichtbevölkerteStättedesneuen Maschinenproletariates,dasManöverfeldderSozialdemokratie.DasAlles warihmganzfremdunder.hatsichoftdarübergewundert, daßStädte,wo dieBürgerihn soehrerbietiggrüßten,rotheRevolutionärein denReichstag schickten.Abererhielt sichstill. Nichtetwa, weilereinfeiner politischerKopf warundsichsagte,daes nuneinmal stetseineradikalstePartei geben müsse, seidienochamLeichtestenzuertragen,dieandieAllmachteiner Evolution glaube, jedeGewaltver-schmäheundihres Sieges so sichersei, daßsienicht daran denke,ihnzuerstreiten.Sohochhinauf flogen seineGedankennicht.

Nein: erhielt sichstill, weilRuhe ihn erste Königspflichtdünkte. Ein Wort konnteerschnappt,einSeufzer weitergetragenwerden.Oeffentlichhatman ihnnieklagen,niedrohen gehört.ErverstanddieneueZeit nicht,konntesie nicht verstehen; docherschwiegundwandte dasAugevon demSpektakel, wenn esihn allzu tiefkränkte.JtnGrundihresHerzens,mochteerdenken, sind auch dieRothen rechtbraveLeute undguteSachsen;undichmuß trach- ten, mir und meinemHaus sie nichtganz zuentfremden. SächsischeRegir- ungenhaben, seitdieGeschwindigkeitderproletarischenBewegung wucle und dieFabrikfeudalherreninSchreckenjagte, oft recht unklug gehandelt;

derKönigaberhatsichkeinervonihnenengagirt.Erwurde,alsKatholik, vondenLutherischengeliebt;erstandtreuzumReichund diePartikularisten sahen ihn nicht scheelan;erernannte Minister,deren sozialesVerständniß ausderEiszeitzustammenschien,und dieSchaar derBedrücktensprachmit

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Achtung,mitzärtlichermanchmal,vonihmundselbstin Stunden leiden- schaftlicherErregunglasman kaumirgendwo einWort,dasdenKönigver- letzenkonnte.Dem Knabenwar wohlvondendresdener undleipzigerTu- multen erzähltworden,die denverhaßtenGrafen Einsiedel gestürztund dem PrinzenMaximiliandenWegzumThron gesperrt hatten,undderJüngling hattedenleipzigerParadeputsch,dieFolge prinzlicherPolitik,unddiebis hartansSchloß reichendeWirkungderFebruarrevolutionerlebt.Solche Anschauunglehreschlugernichtin den Wind. FürdieFürsten, fühlteer, istsamBesten,wennsiehinterdemgoldenenGitterbleiben,dassievonder RasereiHungernder,vondenKämpfenumMachtundBeute trennt,wennsie derMöglichkeit,Unheilzustiften, sichentziehenundnur ihr Recht wahren, Gutes zuthun. ErließdieRegirungregiren,dasVolkamWahltagdie Richtung seinerWünscheandeuten undfreute sichjederGelegenheit,ein Un- rechttilgen,einemBittstellerGnadegewährenzu können.JagdundKarten kürztenihmdieMußezeit;SpeiseundTrankmundeten noch,alsihn längst dasschmerzhafteBlasenleidenheimgesuchthatte,dasauchdenaltenWilhelm plagte;undervertrugdieschwerstenVirginiaeigarren. DieWirthschaft- interessenseiner Sachsen lagen ihmamHerzenunderhat,inGemeinschaft mitFranz Joseph,denKaiser fürdenGedanken derHandelsverträgege- wonnen, die dersächsischenTextilindustrie Vortheile brachten.Nieaber empfanderdasBedürfniß,zureden,überpolitischeVorgängeseineMeinung zusagen.Erschwieg.Er konnteschweigen;dennerwar derKönig.

NocheineschwereProbehatte der Greiszubestehen. Bismarck,zu demerinunbeirrter Zuversicht aufgeblickthatte,wurde entlassen;undder persönlicheWilledesKaiserstratmitso starkenImpulsen hervor, daßman draußenvomEmpereur ci’Allemagnezusprechenbegannundkaumnoch derBundesfürstengedachte,derenerstemmitdemBundespräsidiumder TiteldesDeutschenKaisers,abernichtdasRechteinesReichsmonarchen zuerkanntwordenwar. VomKaiser,nur vomKaiser warTag vorTag jetzt dieRede. DieGeburtdesReicheswar 1871 nurdurchdenKaiserschnittmög- lichgeworden,der demSorgenkindans belebendeLicht half.Die beiden Männeraber,denen damals die SectioCaesarea gelungenwar,hattennoch Preußens schwarzeTage gesehen;siekannten dieGegensätzederdeutschen Stämme,die indenLandsmannschaftenderHochschulenfortlebten,und wußten,welchesOpferdemSelbstgefühldersouverainen Fürstenzugemuthet wurde,diewichtigeTheileihrerererbtenRechtedemSohneinesausunschein- barenAnfängen emporgekommenenJunkergeschlechtesauslicfern sollten.

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WilhelmundBismarckwaren undbliebeneinigin demBemühen,denKaiser- gedanken für besonders ernsteoder besonders festlicheStunden aufzu- sparen.Jn diese Vorstellung hattendieBundesfürsten sich gewöhnt Anderewerdensagen:diefreiwilligeZurückhaltungdesaltenKaisers hatte sie verwöhnt undeinunbehagliches Gefühl mußtesicheinstellen,alses anders wurdeundsievondemplötzlich,baldda,balddort,aufblinkenden LeuchtfeuerderKaisergloriole ihr weniger glanzvolles Mühenverdunkelt sahen.Niemand sprach nochvonihnen,Niemand traute ihnen aufdasGe- schickdesReiches,dem siedochgemeinsamdieEinheit schufen,entscheidenden oderauchnur mitbestimmendenEinfluszzu;sieschienennurnochvorhanden zusein,um anFeiertagen sichum denThrondesEinenzuschaaren,der mitseinenWorten undWillensregungendie Welterfüllteund in einem Lande, dessenFürstengeschlechterfastalleeinmal mit einanderinFehdege- legenhatten,feinemHohenzollernhausmitrascherHanddieSchätzegeschicht- lichenRuhmes häufte.EineschwereProbe,diesogardenaltenGroßherzog vonBadenausbequemerRuhegescheuchtundzumeiferndenRedner gewandelt hat. KönigAlberthat sie bestanden.Manches gefielihm nicht,dieTreusten sahen ihndenweißenKopf schüttelnundanleisenFriktionen hatesseit1890 niemals gefehlt, nichtnur inderZeitdeslippischenErbfolgestreites,den derSachfegegen denWunsch WilhelmsdesZweiten entschied.Stets aber blieberkorrekt.Erfreutesich,1892 zusehen,wiefest geradedieSachsen anBismarckhingen;docherselbst hielt sich zurück.Erwolltewederdie neue Modemitmachen nochmitpersönlichemWiderspruchdie Kritikher- ausfordern:derunangreifbare König fürAlle wollteerseinundvordes NeideslangendenBlicken»dieSache halten«,so langeesirgend ging.Ob man ihn für einflußreichoderohnmächtig,füreinen NennerodereineNull imReich hielt, galt ihm gleich;nur um dieErhaltungderstarken Kraft- wurzelnimheimischenBodenwars ihmzuthun.Dakonnteerstill wirken, konnteer,ohnedieZukunftderDynastiezugefährden,inweiserSelbst- beschränkungNützlichesschaffen.Nievernahmman vonseinenNeigungen, seinenLiebhabereien.Providentiae mem0r! AuchdieHand,dieausdem Purpurhervorwinkt,hältdieunhemmbarnothwendigeEntwickelungnichtans.

NichteinmalaufderschmalenHöhe,wodiedeutscheMuse mühsamihrLeben fristet.AlbertsResidenzstadtwurde dergermanischeVorortmodernsterKunst;

dortlerntenwir MeunierundRodin,BandeVelde undZuloagakennen. Und derKönigschaltnicht,ließlächelndAllesgeschehen.Warumnicht?Diegutealte Sachsenkunst,derenProdukte so patrizischaussehen, so behaglichundaller- liebst unzeitgemäß,behielt auchneben demAllerneusten noch ihren Werth.

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458 DieZukunft Eine Renaissancep

Henrhvan deVeldehateininteressantesBuchüber dieRenaissanceim s Kunstgewerbegeschrieben;er vertheidigtdarinmitoftbewunderns- werther Sicherheit sichund seinenStil undgiebteineSchilderungderin- dustriellen Künste seitMorris. Jchweißnicht recht,wasdenReiz giebt, gegendiesesBuchzuschreiben, sogaraus demeigenen Lager heraus. Ob esdiekühleSelbstverständlichkeitist,mitderdiesekleineGeschichtelediglich sub specievan deVeldes aufgefaßtwird, die Dialektik, mit derergegen dieAngriffe aus seine Kunstantwortet, oderdiesehr persönlicheForm des Ganzen. Ich glaube nicht, daßdasBuch fürvandeVeldeProselhten machen wird. Dumme Leutewerden esnicht verstehen, klugewerdensichdarüber ärgern. SelbstverständlichkeitenundThorheitenwerden darin mitsolcher Gelassenheit,ja,mitsovielPathos behandelt, daß sichdieOpposition selbst dann regenwürde,wenn derHauptinhaltdesBuchesEinemwillkommen wäre. Das Pathos istdasPeinlichstedaran.

Umwashandeltessich eigentlich?DernaiveLeserwird, wenn er dasBuchhinter sichhat,dasmehroderwenigerunklareGefühl haben,von einerErscheinunginKenntniß gesetztzusein,die vollkommen unbegreiflicher Weise ihm bisherentgangenwar: eine kulturelle Thatsachevonungeheurer Wichtigkeit,eine Formel der Modernität, diegeeignetist,die Weltumzu- stürzen.Jn Wirklichkeithandeltessich,wiederTitel lautet— undman

mußdemAusländer das ominöseWort nachsehen—, umKunstgewerbe.

Das istzuwenig fürdasgroßePathos-

Kunstgewerbeist heute sehr beliebt;unddie Leute, dieesbetreiben, stehenin demAnsehen,mit demman sonstnurmitPathoszubehandelndehohe Kunst bedachte.Jm Grunde isteseinumnichts mehroderwenigerlegitimes Mittel,Geldzu verdienen, alsirgendEtwas. Man macht hübscheSachen,

um siezuverkaufen;daßman siegediegen,besseralsAnderemacht,erleichtert ihre Verkäuflichkeit.DasistdereinzigemoralischeundvernünftigeStand- punkt;nur wenn man Dinge macht,diedemSystemvon Angebotund Nachfrage entsprechenkönnen, kannman nützen.Wozu alsodasPathos?

Was würdeman von dembetriebsamenSchuster sagen,dermitsolchem Pathos seine gewerblichenAnsichtenafsichirte?Auch sowas giebtes. Jn London aufderBondstreet hatmichmaleinSchusterdreiStunden lang gefesseltmiteinemVortragüberseine·einzignaturgerechtenStiefel,dieer imGegensatzezuseinen Kollegenvorn breitundhintenschiefmachte;und dasPathos, mitdem derjunge WorthoderMadame PaquininParis überihre Kostümereden,istnichtweniger feierlichalsdasvandeVeldes·..

Nur-lassen dieseLeutenichtallihreMeinungen drucken;undwenn siees

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EineRenaisfanceP 459

thun,erreichen sienichtdieseliterarischganzpossirlicheAufmerksamkeitVon deVeldeglaubtaber, Kultur zumachenunddaherzumehr berechtigtzu sein alseinSchusteroderSchneider gleicherBildung;unddarinirrter.

Wieeineinschneidendeshistorisches Ereignißwirddas Auftretender Belgierindenneunziger JahrengeschildertUndmit derBedeutungder englischenBewegung verglichen. Auchdiese istrecht überschätztworden, aber sie bedeutet denndochetwasmehralsdie-brüsselerHeldenthat.Man särgt wohl überhauptnachgeradean, Über daskünstlerischeHeldenthutn skeptischer zudenken,zumalwenn sichdamitderBegriffdesMärtyrerthumesverbindet;

indenmeistenFällenistdasMärtyrerthumdesKünstleis vielmehreine FolgederVernachlässigunggewisserunentbehrlicherQualitäten reinsozialer Art als künstlerischerFragen; Künstler,die,ganz abgesehenvon ihrem Talent,indenKampfums DaseindasBischen Lebensweisheit mitbringen, dasjeder SchusteroderSchneiderebenso braucht, gehen seltenzuGrunde.

Gerade indemweniger heldenhaften AuftretenderenglischenKünstlerder vorangehenden Bewegung liegt ihrUebergewicht.Es war normaler. Es folgerteaus demenglischenEmpiremitderSicherheit,mitderinFrankreich ein Louisstilausdemanderenhervorwuchs,undhatte jenelatentePopularität, dienur derJahre bedarf,um zurwirklichenzuwerden.

So großinBrüsseldas VerdienstdesEinzelnenway sogroßdie Kühnheit,derenesbedurfte,um so geringerwar diekulturelle Bedeutung dieses Versuches,weilesihmandieserlatenten Popularität fehlte. Jch hoffe, erklären zu können, wieichesmeine.

Man kannsichmiteiniger PhantasieeinenMenschen vorstellen,dem esdurcheinäußerstpersönliches,ganzanseineExistenz gebundenesMittel gelingt,dieMenschheitineinerniegesehenenWeisezubeglücken.Man denkeaneinenWunderthäter,wieihndieReligionsagenhervorgebrachthaben, mitAbstraktion dersittlichenWirkung,an einengroßenHypnotisenr,der sichindenKopf gesetzthat, seinTalent nur zum Guten zubenutzen.Mag einsolcher Mensch noch sovielthun: erbleibteinPhänomeuundseine Wirkung verschwindet, praktisch gesprochen,wieeineSeifenblaseimMeer derAllgemeinheit,während»der gar nicht phänomenaleDichter,.Denkeroder Künstler,dernichtsAnderes thut,alsseinerZeiteinejenerlatentenQuali- tätenzuoffenbaren,die unmittelbar aus ihr folgenundunmittelbar auf sie weitcrwirken,derArzt,derinnerhalbderMikrobentheorieetwas entscheidend Neues entdeckt, derIndustrielle,derinnerhalb unserer industriellenMittel einneues Gebietausschließt,kulturell unendlich mehrbedeuten. Eskommt nicht lediglichaufdasGebenan;man muß mit der Gabe Etwas anfangen können;derBeschenktemuß daslatente Bedürfnißhaben,das durchdie Gabebefriedigtwird. JnunseremFalle sindesnichtzu«übersehende,sehr

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460 DieZukunft.

koniplexe Verhältnisse,diediesenlatenten Zustand bedingen.Diemeisten Patriotenlassen ihnvon lediglichnationalen Fragen abhängen;solcheFragen spielen sicherüberall,woessichum Stil handelt,mit,abersie sind hier, inUnseremheutigenLeben, beider GemeinsamkeitderMittel undderBe- dürfnissenicht mehrentscheidend.Eswärethöricht,van de Veldeausseiner historischenZusammenhanglosigkeit er versucht vergeblich, sieinseinem BuchedurchseineBeziehungzumRokokozu überbrücken einenVorwurf zumachen.Manwird diegrößteMühe haben,denZusammenhangdes Bunsen-BrennersodereinesMotorwagensvonDionBouton mit derVer- gangenheitnachzuweisen;und trotzdem sindesrecht nützlicheGaben. Ein ernsthafter Vorwurfkannnur inderFragedesreinen Nutzens liegen-

VandeVeldehat sichinseinem Buchzuviel,namentlichaberzu weniggethan.Seine RolleinderbelgischenBewegung isteine ganz andere alsdieWilliams Morris inderenglischen,mit dereinVergleichnahe liegt.

Morris schloßvorhandeneElemente mehroderweniger geschicktzusammen;

vandeVeldeschufneueElemente. Ernur«allein hatwesentlichneue Ge- dankenindieSachehineingebracht.Die Namendervon ihmmitschätzens- werther Pietätcitirten KünstlerbedeutenDem gegenübergar nichts.Es wärenichtschwer, nachzuweisen,daßvan deVeldeeinedergrößtenkünst- lerischenEnergien dieses Jahrhunderts ist.Es hat selteneinenMenschen gegeben,derso konsequentseineArtdurchzudrückenverstanden hat;man findet diesen Fanatismus desJndividualitätbewußtseinssonstnur inderKriegs- geschichte.Der Schatten,dener ineinemdarüberzuschreibendenBuche werfenwürde,ist gigantischer,alsessich selbstdietreusteBerehrerindes Künstlers heuteträumen läßt.Nur dürfteman einsolchesBuch nicht außerhalbeinerrein biographischenBedeutung stellen.Man kannvonihm inebensohohenTönenredenwievon Millet oder Manet, aberman darf sichnieeinsallen lassen,zuglauben, daßerfür seinenKreis ebensoviel bedeutetwiejene Künstler für ihren. Milletrettete einegroßezeichnerische, Manet einegrandiose malerischeTradition. Wohl istderWirkungskreis dieserLeuteklein;eristdaswinzigeSpezialinteresseeinesSpezialfaches,das leidermitdemHeute unendlich wenigzuthun hat.VandeVeldesKreis istvielgrößer;erliegt odersoll liegen—- zwischendenPolenderNoth- wendigkeitunseres Daseins; aberdie Rolle,dieerselbstdarinbisheute gespielt hat, ist gering, nichtnur praktischundfürdenAugenblick Daswäre gleichgiltig—, sondern auchinjeder theoretischenZukunft; sie ist justdie, vondererhinwegdrängte,die Rolle, dieetwaeingenialerMaler imheu- tigenLebenspielt.UndderFall liegt so unglücklich,daßman demheutigen vandeVeldeimInteressederAllgemeinheitwünschenmuß,keinenanderen Einflußzugewinnen.DenGrundfindetman inallenAeußerungendieses

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