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Die Zukunft, 1. Juni, Bd. 35.

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Academic year: 2022

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Berlin, den I.Juni j901.

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DeutscheWeltpolitik.

Mkuralte Streitfrage,obPolitikeineKunstodereineWissenschaftsei, ist fürdenaugenblicklichenStand derDinge dahinzuentscheiden, daßdiepraktischePolitik Kunst,dietheoretischeWissenschaftist. Jedervon großenGesichtspunktenbeherrschtenStaatskunst unddiepraktischePolitik ist Staatskunst—- muß heuteeineSummevon positivenstaatswissenschaft- Iichen,philosophischenundhistorischenKenntnissenzu Grunde liegen,wenn sievon dauerndem Erfolge begleitet sein soll.Gewiß giebtesheute noch Staatsmänner von Intuition undInstinkt,wiedenPräsidentenKrüger, denselbsteinBismarck recht hoch stellte.Aber dieseAbartvon politischem Zelt-made man, ohne SchulungundBildung, ohne wissenschaftlicheVor- bereitungundtheoretischeKenntnisse, istimgünstigstenFallanderPeripherie der Kultur undauchdanur alsAusnahme möglich,nichtin deren Centrum und nichtals Regel. Solche Jnstinktpolitiker,denen dieKenntnißder theoretischenPolitikabgeht, mögen jaalsgeboreneGeniesderPolitikihren Beruferfüllen;aber sie gleichenimbestenFall jenenWunderkindern det·

Tonkunst,Malerei oder Plastik,diealsNaturburschenderKunstVer- blüffendesleisten,aberunterUmständenvollständigversagen«sobald sie auf die Akademie kommen. Und wieesheutekeinenKünstlergroßenStiles mehr giebt,der,allerBegabung uneingedenk,denregulärenLehrplander Akademiegrundsätzlichverschmähte,so istjetztinKulturstaatenkein Staats- mann vornehmen Gepräges mehrdenkbar, derdietheoretischePolitikge- flissentlichmißachteteundihre Lehren abschätzigindenWindschluge.

Schließlichverhält sichdietheoretischePolitikzur praktischennicht 25

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332 Die Zukunft.

anders alsdieKriegswissenschaftzurKriegskunft.Geniale Haudegen,und wärensie geboreneStrategen,würdeman heute nicht mehran dieSpitze derArmee stellen,esseidenn,siehätten sichmitden Grundzügender Kriegswissenschaft,wiesieKriegsakademieundGeneralstabausbauen,vertraut gemacht. Gewiß machtdieKriegsakademienoch nichtdengeborenen Feld- herrn, sowenigdieKunstakademiegottbegnadeteKünstler schafft;aberwo Talente wirklichstecken,treiben dieAkademien sie herausund bringen sie zurhöchstenEntfaltung.Ebenso wenigwirddietheoretischePolitikeinen von Hauseaus intellektuellwiecharakterlichstiefmütterlichBedachten jemals zumpraktischenPolitiker umstempeln.Denn diepraktischePolitik isteine Naturbegabung,sogut wie das Komposition-oderFeldherrntalent.Was demKünstlerdiePhantasie,DasbedeutetdemheutigenStaatsmann rasche Fassungskraft,Umsicht,Scharfblick, EntschlossenheitundkühnerWagemuth.

WemMutter Natur nur einedieserGabenversagt hat,Dem müßteman ein,,handsoff«von derPolitik,derheutigen zumal,«zurufen.Jchbetone dasWort: heutige Politik. DennseitBismarck hateineUmwerthungder politischenWerthe stattgefunden.Waren früherSchlauheitundVerschlagen:

heit, Fuchs-VerfchmitztheitundSchlangenlistdie vielbewunderten Kennzeichen einesStaatsmannes altenSchlages (Metternich, Talleyrand, Beustetutti quanti), so sind heute diese DiplomatenkünstedurchBismarck inVerruf erkärt und zum altenEisen geworerworden. AnderenStelle sindmänn- licheGradheitundgesinnungadeligeOffenheit getreten, zumaldie moderne Politik sichvielmehr zwischendenNationen alszwischendenKabineten abspielt.Wo aberParlamente mitzusprechenhaben,dahilftkeinnoch so fein ersonnenesRänkespiel,sondernnur derMuthderUeberzeugungund dasoffeneWort unbeirrbarer, weilsittlichgerechtfertigterThatkraft. Um aberdieseThatkraftdereigenen,wieallenübrigengesittetenNationen bei- bringenzu können,muß sienichtblosauseinergeschlossenenWeltanschauung hervorfließen,sondernimständigenEinklangmitdemaugenblicklichenStand derinBetrachtkommendenWissenschaftenstehen.Denn einStaatsmann bedarf unabweislicheinergebieterischen,ja zwingendenAutorität,Das heißt:

desunbedingtenGlaubens derNation an seingroßesKönnen undedles Wollen. DieserGlaube würdeaberuntergraben,wenn dievon ihmver- fochteneUeberzeugungdenfeststehendenErgebnissenderWissenschaftwider- spräche.Undso mußdennderheutigeStaatsmann über diewichtigsten ErgebnissederinseinenJnteresfenbereichfallenden Wissenschafteningroßen Zügenunterrichtetsein,willeranders dieGeschickeseinerNation mitsicherer Hand ihrer höchstenBestimmung entgegenführen.

Zusammenfassendkönnen wirdasWesendermodernen Politik,im Unterschiedvon derInstinkt-oderNaturburschenpolitikkrügerischerPrägung

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Deutsche Weltpolitik. 3 33 undderfindigen, intriganten Diplomaten-PolitikderaltenSchule, so kenn- zeichnen:dieheutige Politik isteineaufwissenschaftlichenErfahrungenund Erkenntnissenruhende Regirungskunst. Ist somitdergebotenePolitikerim WesentlichenKünstler,und-zwarmit derEinschränkung:einausdenHoch- schulen herangebildeterKünstler, so erwächstihm auchdieselbeAufgabewie demKünstler:dieHerstellung des·Ebenmaßes,desRhythmus,derfest- gegliedertenOrdnung. Symmetrie istdasLebenselement allerKunst.Wie nun dieKünstlerinTon, FarbeundMarmor Harmonien hineinzulegen dieBestimmung haben, so schwebtdemStaatskunstleralsIdealvor: die HarmoniederInteressenallerStaatsbürger.Umdiese Harmonie herzu- stellen, mußer dasihmzuGebote stehende Instrument, dieVolksseele, meisterlichhandhabenkönnen. Das Volkmuß nachderMelodie tanzen können,dieihmdiegottbegnadetenStaatenlenker und geborenenStaats- künstlervorspielen.Essollaberauch tanzenundnicht schläfrigdahintrotten oder garmürrischabseits stehen.Die Staatskunst muß nachAlledemdie Staatswissenschaften,namentlich PhilosophieundGeschichte,zuRathe ziehen, derenRepertoire gleichsam durchspielen,umaus ihnendieElemente zur HerstellungeinesInteressen-Gleichgewichtsunter allenStänden undKlassen zuentnehmen. Staatskunst ist daherdieFähigkeit,Kompromisseschließen zukönnen; sie bestehtimgerechtenAbwägenallerinBetrachtkommenden vitalenInteressen zunächstderganzenNation, fernerinderHerstellungeiner richtigbalaneirenden Mitte zwischenden einzelnenBeruer undKlassen.

DerKampf zwischenderGesammtheitund derEinzelpersönlichkeit istnämlichdasThemaderWeltgeschichte.DieGesammtheit,indervor- geschrittenenFormdesmenschlichenZusammenlebenszumStaat verdichtet, vertrittdieInteressenderGemeinschaftdes Volkes, der Nation,weiterhindes Menschengeschlechtes.DiesesKollektivum bedarfzuseinerErhaltungder Autorität,derOrganisation,derhierarchischenGliederung,derUnterordnung derEinzelnenunter dasAllgemeine. Dieser Unterordnung widerstrebtaber dasIndividuum je länger, desto ausgesprochener.Undgeradeunter den Germanen,denenderFreiheitdrangebensoimBlut stecktwie denSlaven dasAutoritätbedürfnißunddenRomanen dieSuggestibilität,dasjeweilige BeherrschtseinvoneinemhypnotisirendenSchlagwort (g10ire, grandenation, drapeau),bleibtesdashöchsteGeheimnißderStaatskunst,die Staatsanw- ritätsozufestigendaß siedencentrifugalenBestrebungenderEinzelindividuen dieWaage hält.Das Geheimnißmoderner Staatskunst ruhtinderHer- stellungeinesGleichgewichtszwischendemberechtigtenFreiheitstrebenderPer- sönlichkeitunddemebensoberechtigten,weilfürdenBestandderGesellschaft unerläßlichenMachteentrumdesStaates. Autorität Anarchie: so heißendie beidenPoledessozialenLebens. Früher tasteteman imDunkeln,während man heute wissenschaftlicheFachgutachtenzuRathe zieht.

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834 DieZukunft.

Dielebendigenundwirksamen KräfteinderGesellschaftwerdenheute arithmetischgegeneinander abgeschätzt.Das Mythologischeweicht aufder ganzenLinie demLogischen,der mystischeGefühlsüberschwangmachtder klaren Einsicht Platz. Ziehtman diesewissenschaftlicheEinsichtzuRathe, soerscheinendieunsumdräuendenpolitischenundsozialenProbleme nicht mehr

—unlösbar,wenn auchimmernochkomplizirtgenug. DeralteUrgegensatz zwischenIndividuumundGattungnimmtnämlichheute folgendeFormenan:

Kampf zwischenKapitalund Arbeit,zwischenLandwirthschaftundIndustrie, zwischenstaatlicherAutorität nndgesellschaftlicherAnarchie.UmdiesenKampf zubeschwichtigen,zusittigcn,ja,zuadeln, bedarfeseinesMannes,eines ganzen Mannes ..· Mitbestimmend fürGangund RichtungdergroßenPolitik sinddieFortschrittederTechnik,inderseitdemAusgangdesMittelalters dieDeutschendieFührungübernommenhaben.Der thorner Köppernigk (Copernikus)revolutionirt dieAstronomie, Kepler lehrtuns dieerstenwirk- lichen Naturgesetze, GutenbergundFürst gebenuns dieBuchdruckerkunst, BertholdSchwarzbereitetdasSchießpulverund dermagdeburgerBürger- meisterOttovon Guerickeerfindet1650 dieLuftpumpe.DerLeserwird fragen:Washaben dieseThatsachenmitderreichsdeutschenPolitikzuthun?

Nun,mirscheint nichtsgewisser,als daßdieFortschritteinderTechnik, wiesie durch diese deutschenBahnbrecher erst möglichgeworden sind,den VerkehrUnterdenNationen von Grundaus umgewandelt habenunddaß diesenVerkehrswandlungen politischeUmwälzungenaufdemFuße gefolgt sind.Unddaß heutedenDeutschen vielfachdieFührung innerhalbdes westeuropäifchenKulturkreises zugefallenist,verdanken sie,nebenihrerge- sundenErbmonarchieunddem tapferen Schwert, besondersdemUmstand, daß sieeinemehrhundertjährigeTraditionimErfindenundEntdeckenbesitzen.

Die Deutschen habenimsechzehntenJahrhundert dieReligion reformirt, imsiebenzehntenTechnikundWissenschaftinneueWege geleitet,imacht- zehntenderLiteratur (Lessing,Schiller, Herder, Goethe)und Philosophie (Leibniz,Kant)neue Bahnen eröffnet,imneunzehntendieNaturforschung zurhöchstenBlüthegebracht(Hu1nboldt,Wöhlert,Licbig,Helmholtz-,vonBaer, Virchow, Hertz);in derSprachwisfenschaft(WilhelmHumboldt, Bopp, Diez) nndGefchichtforschnng(Niebuhr,Curtius, Ranke, Zeller, Mommsen) sind sieandieSpitzedergesammtenWeltliteratur getreten.WasWunder also, wenn jener Nation,die denBegriff ,,Weltliteratur« geprägt hat (Goethe), jetztderParallelbegriff »Weltpolitik«erwachsenist?Dennunt-InGerin-

geres handeltessichheute.WieseitdemAusgangdesMittelalters den Deutscheninjedem Jahrhunderteinebesondere reformatorischeKulturauf- gabe größtenStiles von dergeschichtlichenVorsehung zuertheiltwordenist, so scheinenmiranderWendediesesJahrhundertsalleAnzeichendafürzu

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DeutscheWeltpolitik. 335 sprechen, daßdiemonarchischorganisirten DeutschenimzwanzigstenJahr- hundertdiegrößteallerAufgabenzulösen berufen find:dieReformder äußerenundinnerenPolitik.DasZiel dieserReformsehe ichin derHege- moniedesgermanischen,besondersdesdeutschenElementesinnerhalbdeswest- europäisch-amerikanischenKulturkreisesundin demallmählichenUebergangder WeltherrschaftaufdiechristlichenKulturvolker. Diepersischen,mohamme- danischenund chinesischenKultursysteme sindunrettbar verloren undder OberherrschastderweißenRasse anheimgefallenDasZielderdeutschen Weltpolitikkannnun kein anderes sein,alsaufvertraglichemWegeund, wenn essein muß,durchdasSchwerteinenproportional seinengeschicht- lichen Leistungen aufallenGebieten derTechnik,seiner KunstundWissen- schaft,seiner Industrieund feinemHandel entsprechendenAntheilbei der AuftheilungderöstlichenKulturen zugewinnen.

WennsodasZieleinerdeutschenWeltpolitiknur inderprogressiven Erweiterungdesnationalen Machtzweckesliegenkann,soscheintmir,daß man daszudiesemZiel führendeMittel imgesellschaftlichenundsittlichen Kulturzwecknachinnen zusuchen habe.Umnach außenmitGlück und GeschickWeltpolitiktreiben zukönnen, die das deutscheVolkinjedem AugenblickindieLage bringenkann, dasSchwertziehenzumüssen,sollte eineinnerdeutscheReformpolitik parallel laufen,diezuverhütenhat, daß man ebendiesesSchwert, dessenman nach außen gebieterischbedarf, auch nochgegendieeigenenBürgerzurichten hätte.DasKorrelat einerMacht- politik nach außenbildeteineFriedenspolitiknachinnen. ,,Viribus unitis«

ist stetsdertiefste soziale Wahrspruch gewesenundwirdesimmer bleiben- Um die ganzedeutscheVolksseele füreineWeltpolitikzuentzünden,muß in jedem einzelnen deutschenHerzenzumMindesteneinFlämmchenvon LiebeundVertrauen zuKaiserund Reichunterhaltenwerden, undwo dieses FlämmchenimVerlöschenbegrifer ist, mußeswiederneu entsacht werden. Denn nach außenlauterFeinde,mindestensNeider haben,im JnnernabervonMillionen stillerReichsverdrofsenenund sonstigerstaats- feindlichenElementen umgebenzusein:Das wäre fürwahreineschlechte GewährfürdenBestandderNation undderDynastie.EinesozialePazi- fizirungbesondersderproduzirendenStände, halte ichebensosehr fürein Gebot des nationalen und dynastischenSelbsterhaltnngtriebeswiefürdie

Vorbedingungeinerfruchtbarennationalen Weltpolitik.

Denn-zwischendemromanischen,slavischenundgermanischenElement innerhalbunseres,deswesteuropäischsamerikanischen,desganzenchristlichen Kultursystemsmuß nochumdieWeltherrschaftgekämpftwerden. Jemächtiger sichdieDeutschenmilitärisch,wirthfchaftlichund kulturellemporrecken,destomehr WächstnaturgemäßdieZahlihrerNeider.AnNeid erweckendenErfolgenfehltes

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336 DieZukunft

ebennicht.DieersteLandarmeederWelt mit einemOfsiziercorps,dasgeradezu vorbildlichgewordenist.EineaufstrebendeMarine, dievielleichtdurchdie Quali- tätihrer Mannschaft ersetzt,was ihr augenblicklichnochanQuantität abgeht.

FernereineFinanzverwaltung,derenOrdnungeinemustergiltigeundderen Prosperitätvonkeiner anderenerreicht,sicherlichnichtübertroffenwird. Dazu eineBeamtenschaft,wiesiegeschulter,imBeruf tüchtigerundzuverlässigerkein Volk der Erdeaufzuweisenhat.Least notlast: dieSchulen,dieelementaren so gutwie dieHochschulen,dieUniversitäten,dieAkademien, Polytechniken, Handels-, Gewerbe-, Landwirthschaft-undFortbildungschulen.An der fable convenue, daßderdeutscheSchulmeisteranKöniggrätzundSedan seinen Antheil habe, istdieBeobachtungrichtig, daßdieallseitiganerkannteUeber- legenheitderDeutscheninHandelund Wandel,inZuchtundSitte, in OrdnungundDisziplineinerSchulorganisationzu dankenist,die der mili- tärischenOrganisation parallel läuftundvondieserdiestraffeDisziplinund desZiels bewußteHaltungübernommenhat. DiedeutscheSchule istdas Korrelat zumdeutschenHeere.Jn HeerundSchule hatderzähestepoli- tischeGedanke derDeutschen,das nationale Kaiserthuni,seinefestestenStützen- Tritt nun endlichhinzu, daßdiedeutscheIndustrieundihrZwillingsbruder, derdeutscheHandel, seit1870 welterobernd vorgerücktsindunddieHandels- weltmacht Englandinihrer kommerziellenHegemonieaufs Ernstlichstege- fährdet,so ergiebtdieHäufungallerdieser ErfolgeeinensolchenZündstoff

vonMißgunst, daß sichdasDeutscheReichinjedemMoment daraufge- faßt machenmuß,einerExplosion gegenüberzustehen.Jegrößerebendie Erfolge sind, desto gebieterischermacht sichaufdereinen Seite diehypnoti- sirendeZaubergewaltdes»Prestige«in derFormeinesallgemachalle Völker ergreifendenWeltrespektesgeltend,aberaufder anderen Seite wirddieserer- zwungeneWeltrespektnur unter knirschendemGrimm gezollt.

Die verhältnißmäßigeJugendderwiedergeeintendeutschenNation ist besonders fürgealterte Dynastien—- doppelterGrundzurMißgunst.

NamentlichimHinblickaufdiehöchstproblematischenVerhältnisseinOester- reichvermag sichdasDeutscheReich dochnur auf seinen eigenenstarken Armzuverlassen.DieTüchtigkeitseiner BevölkerungunddieGeschicklich- keitseinerLenkungsinddieeinzig sichereGewährseines Bestandes.Es mag ja sein, daßkommendeGeschlechter,dieeinehöhereKulturformerzeugthaben werden,ohne diese stramme militärischeOrganisation ihr Auslangen finden können. Wenn sich nämlich dermaleinstdiegesittetenNationen derWelt durcheinenAreopag ihrerVertreter endgiltig dahin geeinigt habenwerden, ihrekollidirenden Interessennicht mehrmitdemSchwert, sondernmitder Federin derHandzum Austragzu bringen, also ihre Fehden nicht mehrdurch Kriege, sondern durch Verträgezuschlichten,dann wirdsicher-

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Diesozialistische Krisis. 337

lich auchdasdeutscheVolk,dessengrößterDenker,Kant,diesen Zustand prophezeite,mitdabeisein.Aberbei deraugenblicklichenKonstellationder Weltpolitik darf sichdasdeutscheVolkzu allerletztdiesenLuxusderSen- timentalitätgestatten.DassehnsÜchtigeTräumenvoneinerschönerenchiliastisch- messianischenZukunft darfuns denArmfürdieAufgabenderGegenwart nicht lähmen,sonstwärendieDeutschenwirklichjeneunverbesserlichenTräumer, wofürdie anderen Nationen siebiszumglorreichenKriege gehalten haben.

Bismarckhat,unter WilhelmdemErsten,diedeutscheNation aus ihrem tausendjährigenSchlafnur geweckt,damitsie wachbleibe,nicht aber,damit sie,inderHoffnung aufeinTausendjährigesReich,wiedereinschlafe-

Bern. ProfessorDr. LudwigStein-

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Diesozialistischekrisi5.

HeuLiebknechtsHeimgang machtder»Vorwärts« schwere Tage durch.

-Ich gehörtezwar nie zu den BewunderernderjournalistischenLeistungen des altenHerrn. SeinStil rasselte stets bedenklich,strotztezuweilen sogar, wohlwenn dieNeidhardsderParteidenAltenbesondersverdrossenhatten, vonbösenGeschmacklosigkeiten,dieselbstdiestetsaufrichtigeGesinnungdieses Parteiheiligennicht entschuldigenkonnte, und verlor imLaufderZeitdie kleinenReizederästhetischenKultur,mitdenendieSchreiber wenn nicht ihre Leser, so doch einanderzuunterhalten,Dasheißt:vordemGähnen zubewahrenpflegen. AbgegriffeneCitate, die zum altenEisen des Hand- werks gehörenund dieBlattlschreiber sich gegenseitigausborgen,weilsie keineZeit haben,dieLiteratur anihrenQuellen aufzusuchen; stereotype Schimpfwörter,die wie die Klettenzusammenhängenund dieLesermehrzum GähnenalszurEmpörung reizenkonnten ;Lehrsätzeaus demorthodoxen Marxismus,mit denensichdieRadauagitatorendieWestentaschenvollstopften, wennsieaufdie»Tour« gingen:Daswaren schwerlichdie Mittel,unabhängige GeisterderParteizugewinnen.Unddennochwar Liebknechteinganzer Mann in Allem,was erthat; auchalsRedakteur. DieHauptsachewar: er bekannte ganze Meinungen.Erschwanktenie. NeueGedankenreihen,die nachdenklicheGemütherzurRevision ihrerAnsichtenzwingen,diesie stutzig Undunsichermachen, verfehltenauf ihn jedenEindruck. Seine Erinnerungen anMarx schrieber,alsdieunausgesetztekritischeMinirarbeit dasfeste Gefügeseiner Lehre bedenklichangenagtv hatteund selbst pietätvolle,aber geistvolleundfortbildungfähigeFreunde schondas Gefühlzubeschleichen

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anfing: auch dieserBau istin derGeschichteeinstzu modern bestimmt. Jn LiebknechtregtesichnichtdergeringsteZweifel:dieZeichenderVerwesung, dieam Marxismusbereitssacht merklichwurden,spürteernicht.Ersah ZukunftinDem, worauf schonAliersrunzelndieInschrift »Gewesen«gruben.

Aberfürdas nebenseiner ewigenhistorischenBedeutung wirklichUnsterb- lichean seinemHelden:dieleidenschaftlicheEnergie seines Denkens,die Mannbarkeit seines Ausdrucks,das mitungeheurer Kraft zurückgedämmte Temperament,miteinemWort: fürdenPersönlichkeitwerthseiner Leistung fehlte ihmderkongenialeMaßstab.DasgeradehatteaberfürdiePartei,der erdiente,unschätzbarknWerth.Denn sogelang es«ihm,demBlatt,selbst alsindenletzten Jahren seiner ThätigkeitdieEinheitderParteiRisse bekam unddiebekannteKluft zwischenderRechtenund derLinkensichaufthat, dieeinheitlicheHaltungzuerhalten, durchdieesauf seinevielenhalbge- bildetenLeserohne Zweifel langeeinehypnotischeWirkung geübthat.

AberLiebknechtgingundEisner kam.DieSchaarderMarx-Kritiker war nicht mehrzuzählen,imeigenenLagerwimmelteesvonKetzermdie Dogmen-Revisionwar unvermeidlichgeworden. Schlagwörter,die, wie die Krisen-, Katastrophen-undVerelendungtheorie,ihrer Wirkung aufdiesogern gläubigeMasse sicherwaren, wurden rasendschnelldiskreditirt. Bernstein kam undmitihmzog einneuer Geistinden,,wissenschaftlichen«Sozialis- mus ein. EinGeist,derihn«zerstörenwill. Nicht, daßersoziemlich jede Aufstellungseines Meisters ablehnte, daßerdenhypothetischenCharakter seinerTheoriemitauffallender Schärfebetonte, daßervon denfrüheren affektivenBeiwörtern, mit denener Jahre lang seinAndenken geliebkost hatte,diezärtlichstenfallen ließ,derAnerkennungdurchimmergrößereEin- schränkungenalleFreudigkeitnahmundEnthusiastendieHingabeanMarx erschwerte;sondern, daßer anfing,von der,,Wissenschaftlichkeit«soziolo- gischerUntersuchungeninGänsesüßchenzusprechen,istdasOriginelleund wurdedasWirksameinseinem Auftreten.Er huldigtedamit nur einer dieIntelligenzaller alten Kulturländerergreifenden antirationalistischen Bewegung;aber daerdieseModeaufdeneinzigen nochnaivenund"Be- lehrungfreudigempfangendenTheilderBevölkerung,dieArbeiter,übertrugundsie inihremGlauben an denWerthderWahrheit,an dieMöglichkeitein- deutiger Erkenntnisse auch auf sozialem Gebiet,an dieWahrscheinlichkeit einer nahenVerwirklichungrationalischer Jdealebeirrte,isonahmerdem Glauben psychologischdasfesteFundament,denGläubigendasblindeVer-—

trauen, dassie politischzu einersowirksamenMachtwerden ließ. Marxens Streben ging dahin,dasEthischeaus derwissenschaftlich-ökonomischenBe- trachtungzubannen;ersah geradedarineinsderunterscheidendenMerk- maleseinerLeistung gegenüberdenSozialistenund Sozialreformernaller

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Diesozialistische Krisis. 339

Schattirungen.Diefurchtbare Geschichtedes Hungers: siewar längstin allenZungen geschrieben;besondersinFrankreich,woin Saint-Simon, Fourier, Babeuf,Sismondi, Blanc, ProudhoneineSkala rednerischer Talente geblühthatte,diein derKraft pathetischerUebersteigerungenundheiß- blüthigerBeredsamkeit nichtzuüberbietenwaren und dierevolutionären JnstinktederMassemitallemnur wünschenswerthenNachdruckwachrüttelten.

DenForderungendesGefühles,demaus derNoth geborenenWollen eine Stütze inRechtundWahrheitzugeben,sieaus demGangederGeschichte abzuleiten, sie demonstrirbarzumachen:Daswar dieeigentlicheAufgabe, vordiesichMarx gestellt,zu derersichberufen glaubte.Gerade dieWissen- schaft setzteerinBeziehungzumArbeiter, gerade sie sollte, durchdie bevor- stehendeuninteressirte PflegeimGleichheitstaatderZukunft,vor derBru- talisirung durchdieherrschendenKlassen befreitwerden... Nun,man kennt dieseGedankenzurGenüge. Lassalle hat sie popularisirtunddemdeutschen Arbeiterschwoll,wenn ersolcheRedenhörte,dieBrustvorStolzüber die ihm zugedachteKulturmission.Esistnun aus damit. Ausmit derKultur- missionund demStolz. Bernstein sagtes. Unddie vielenNach-und Großsprecher,andenen diedeutschesozialistischeParteiimmerreicherge- wordenist,je mehrdie unmittelbare WirksamkeitderMarxundLassalledurch denbloßenFortgangderZeit sicherschöpfte:sie plappernmitaufdringlicher GeschwätzigkeitdieBernsteiniadezurSchadenfreudederdraußen Stehenden nach,beschimpfeneinander, daßeszumErbarmen ist,wenn man des furchtbarenErnstes gedenkt,mitdemMarx seine Aufgabe erfaßteunder-

füllte,undbrütenausderüppig wucherndenKommentirliteratur zuMarx (sieheDr.LudwigWoltmann,vordessenflinkerFederkeinGebietderSozial- philosophiesicherzusein scheint)täglichneue Weltanschauungenaus, denen nur dieHauptsachefehlt: LeserundBekennen

Mancherlei Anzeichenstimmten schon längstzudiesemBilde. Die süddeutscheEigenbrödeleimachte Fortschritte.Nationale Regungen wagten sich,besondersunter derEinwirkung derfranzösischenVorgänge,andie Oberflächeundgriffenum sich.DieTaktikfärbte sichopportunistisch:von summarischerBudgetverweigerungwar nun keine Redemehr.Man darf fast sagen:Bebels Kritik desHeeresbudget verräth fast herzlichereTheil- nahmealsdieAnsstellungenso manchesStaaterhaltenden. Jedenfalls mehr VerständnißundWillenzurVerständigungNebendemgewaltigenindustri- ellen, kommerziellenundgewerblichenUmschwungderVerhältnisse,durchdie, unbekümmertum dieDiktatedes»ehernen«Lohngesetzes,wievon selbstdie LebenshaltungderArbeitertnassenin dieHöhe-gehobenwurden,hatdieGewöh- nungandenParlamentarismus dieseWirkungenherbeigeführt.DerWortkampf stumpft aufdie Dauer ab,machtzahmundgefügig,entwurzeltdenGlauben andieThatundlähmtdieKraftzurücksichtlosemVollbringen.

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340 DieZukunft.

Mit denSchwierigkeitenderso geschaffenenLage hat natürlichanerster Stelle der»Vorwärts«zukämpfenundseinLeiterdarfdiedissentirenden Stimmen inSachenderAgrar-undZollpolitik,derKolonialpolitik,der Gewerkschaftbewegungnicht einfachüberhören.Dazu reichtseineAutoritätnicht aus. Dazu reicht heutedie Autorität keineseinzigenSozialistensührersaus, nichteinmal dieBebels. DerDrangzuorganischerGestaltung,derdie Massen ergriffen hat, istzumächtiggeworden, ihr InteresseanKommunal- undVereinspolitik,vorAllem am GedeihenderErportindustrieund des Großhandels,zuunmittelbar. Wozuaberdann nochaus derVereins- kassedie Redner füttern,die mitdenFetzen verschlissenerUtopien hausiren gehen?DiewachsendeAbneigungderSozialdemokratengegen die Akademiker rührtzumTheil daher. Bedarfman ihrerzurGestaltungundVerwaltung derGewerkvereine? KannderdeutscheArbeiternichtleisten,wasder weitweniger gebildeteenglischeArbeitervoreinemhalben Jahrhundertaussichheraus, ohne dieHilfe gelehrterHerren,zuorganisirenvermochte?UndwennseinemSozialis- musdieWissenschaftlichkeitabgeht:wozusinddieWissenschaftleramEndenoch nöthig?Einmalernüchtertundumseine Glaubensseligkeitbetrogen, ahnter, wasdieParteigelehrtenihm weislichverbergen:daßseinWeg aufwärtszu einer ArtVerbürgerlichungführt; siehtaberzugleich,daßtrotzdemderAbstandvon derGroßbourgeoisienicht geringerwird, weil derenReichundHerrlichkeiterst nochkommt. Erfühlt, daßdamit diePeriodedergroßenWahlerfolgevor- beiist, daßdieAusdehnungfähigkeitderParteialssolcheihre Elastizität- grenzeerreicht hat,undhört auf,vomParlamentarismus allzuvielfür sich zuhoffen.Giebtihn vielleichtauchgarnicht soschwerenHerzens preis, weilerdamitdenParlamentarierloswird..·

DieEingeweihten wissenDas. Der Arbeiter istflau, verstimmt, interesselos, ohne Versammlungbedürfniß,selbstwenn dieBeredsamkeit derGenossen Bebel, Singer,AuerundWurm lockt. Zu richtigen »Brot- wucherprotesten«istes, trotzheißemBemühen,trotztäppischenNachahmungen derhinreißendenCornRhymesausderZeitderAntikornzoll-Liga,nie und nirgends gekommenund oft hörtman denVorwurf,man habeesander richtigen Ausnutzungderso günstigenProtestgelegenheitfehlen lassen, leise mitdenWortenabwehren: Ja, wenn Ihrwüßtet...Nämlich wüßter, wieschwerdie- paar anberaumten Versammlungenzufüllenwaren, wie theilnahmlosdieArbeiter der,man solltemeinen,sie dochinersterLinie bedrohendenGefahreinerLebensmittelvertheuerungentgegensehen,wiedie altenMittel,ihnenpolitischeLeidenschafteinzuimpfen,allmählichzuversagen anfangen,wieschwerbeider herrschendenAnarchiederMeinungenim sozialistischenHauptquartierneue zubeschaffensind.AlleEingeweihtenwissen Das und keinnoch so gewaltiges Rühmen eigener Kraft hilftüberdie

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